Kategorien
Pressemitteilung Thema: Zeitpolitik

Teilbericht des unabhängigen Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf: Vereinbarkeit für pflegende Angehörige verbessern – Lohnersatzleistung jetzt einführen!

Berlin, 26.08.2022 Anlässlich der heutigen Übergabe des Teilberichts des unabhängigen Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf an Bundesfamilienministerin Lisa Paus fordern AWO und  ZFF eine schnelle Umsetzung der Beiratsempfehlungen.

Von derzeit fast fünf Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden über dreiviertel zu Hause und überwiegend von Angehörigen versorgt. Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist damit eine der zentralen familienpolitischen Herausforderungen unserer Zeit und die Situation der pflegenden Angehörigen hat sich unter den Bedingungen der Corona-Pandemie weiter verschärft. In der Folge sind viele pflegende Angehörige – überwiegend Frauen – enormen finanziellen, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Viele Angehörige stehen dabei vor der enormen Herausforderung, diese Verantwortungsübernahme mit einem Beruf zu vereinbaren.

Kathrin Sonnenholzner, Vorsitzende des Präsidiums der Arbeiterwohlfahrt, erklärt: „Für unsere Gesellschaft ist die Pflege alter Menschen genauso wichtig wie die Betreuung und Erziehung von Kindern. Deshalb muss sie genau so in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung abgesichert werden. Die enormen Leistungen der pflegenden Angehörigen müssen anerkannt werden. Bisher passiert das nicht, denn die bestehenden Instrumente aus Pflege- und Familienpflegezeit reichen bei Weitem nicht aus, um die Vereinbarkeit von informeller Pflege und Erwerbstätigkeit zu verbessern.“

Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie e.V., ergänzt: „Die Ampelregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, diese unhaltbare Situation für pflegende Angehörige anzugehen. Mit den Empfehlungen des unabhängigen Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf liegen nun gute Vorschläge auf dem Tisch, wie die bestehenden Regelungen als steuerfinanzierte Lohnersatzleistung zusammengeführt und analog zum Elterngeld ausgestaltet werden können. Es ist dringend an der Zeit, die Reformvorschläge auf den Weg zu bringen, denn pflegende Angehörige verdienen nicht nur Anerkennung, sondern zügig zeitliche und finanzielle Entlastung.“

Kategorien
Archiv Pressemitteilung Pressemitteilung Thema: Zeitpolitik

Elterngeld-Reform: Mutigere Schritte für mehr Partnerschaftlichkeit, bitte!

14.12.2020 – Anlässlich der heutigen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Deutschen Bundestag zum Gesetzentwurf zur Elterngeld-Reform begrüßt das ZFF einzelne Neuregelungen, mahnt aber grundsätzlichere Schritte im Sinne einer partnerschaftlicheren Gestaltung des Elterngelds an.

Die Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) hat zum Ziel, Eltern flexiblere Angebote zur Nutzung von Elterngeld bzw.- Elternzeit  zu machen, die den Wünschen und Bedarfen nach einer partnerschaftlicheren Vereinbarkeit entgegenkommen. Dazu gehören die Anhebung der Höchstarbeitsgrenze während der Elternzeit bzw. des Elterngeldbezugs und die Flexibilisierung des Partnerschaftsbonus. Daneben sollen Eltern von Frühchen durch einen zusätzlichen Elterngeld-Monat unterstützt werden.

Alexander Nöhring (Geschäftsführer des ZFF) erklärt dazu: „Wir begrüßen die Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes und sehen in den geplanten Neuregelungen wichtige Verbesserungen für Familien. Dazu zählen die Ausweitung der Höchstarbeitszeitgrenze oder die flexibleren Nutzungsmöglichkeiten des Partnerschaftsbonus. Mit der Ausweitung des Elterngeldanspruchs für Eltern von Frühchen setzt die Bundesregierung zudem einen längst überfälligen Schritt um, auch wenn wir uns hier eine deutlich großzügigere Regelung gewünscht hätten.“

Nöhring ergänzt: „Die meisten Familien wünschen sich eine gleichberechtigte Aufteilung von Betreuung und Erziehung ihrer Kinder. Aus Sicht des ZFF braucht es aber für die nachhaltige Unterstützung von jungen Eltern deutlich mutigere Reform-Schritte. Wir setzen uns daher für eine Ausdehnung der Partnermonate ein. Darüber hinaus müssen wir gerade einkommensschwache Eltern darin unterstützen, ohne finanzielle Nöte in ihr Familienleben zu starten. Das ZFF fordert, das Elterngeld als Familienförderleistung nicht wie bislang auf Transferleistungen anzurechnen. Daneben muss die Lohnersatzrate, gerade bei kleinen Einkommen, erhöht werden. Nur so schaffen wir es allen Eltern tatsächlich Angebote für eine partnerschaftliche Familienorganisation zu machen!“

Alexander Nöhring wird heute als Sachverständiger bei der Ausschusssitzung dabei sein. Die Sitzung wird am 14. Dezember ab 17:30 Uhr zeitversetzt im Internet auf www.bundestag.de übertragen.

Die Stellungnahme des ZFF zur Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 14. Dezember 2020 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes“ sowie zu den Anträgen der Fraktion DIE LINKE. „Mindestbetrag des Elterngelds erhöhen“ und der FDP-Fraktion „Elternzeit verlässlich und realitätsnah neu gestalten – Finanzielle Risiken für Eltern beseitigen“ finden Sie hier.

Kategorien
Pressemitteilung Thema: Zeitpolitik

Familien brauchen mehr – jetzt und in Zukunft!

28.10.2020 – Anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte zur Familienpolitik während der Corona Pandemie fordert das ZFF krisenfeste Instrumente zur umfassenden Unterstützung zur Vereinbarkeit von Beruf und Sorgearbeit.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Familienleben in Deutschland diskutiert der Bundestag heute Anträge der Oppositionsparteien zur Familienpolitik in Zeiten der Krise und darüber hinaus. Zur Debatte stehen Instrumente für eine bessere Vereinbarkeit, wie die Ausweitung des Anspruchs auf Kinderkrankengeld oder verlässliche Lohnentschädigungen für Eltern, deren Kinder von coronabedingten Schließungen der Betreuungseinrichtungen betroffen sind.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt: „In Zeiten der Corona-Pandemie zeigen sich die enormen Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit noch deutlicher. Viele Eltern sind jetzt schon vollkommen ausgebrannt. Angesichts dramatisch steigender Neuinfektionen stehen Eltern bundesweit vor der Aufgabe, die Quarantäne zu meistern, etwa wenn das Kind selbst erkrankt ist oder Kita und Schule wegen Corona-Fällen geschlossen sind. Nach wie vor übernehmen dabei Frauen den Löwenanteil der anfallenden Sorgearbeit und sind von den wirtschaftlichen Krisenauswirkungen in deutlich größerem Umfang betroffen.“

Altenkamp weiter: „Es ist an der Zeit, die Familienpolitik stärker in das Zentrum der Krisenpolitik zu rücken und die Vereinbarkeit von Sorge- und Erwerbsarbeit besser zu unterstützen. Neben den bereits beschlossenen Maßnahmen, wie der Erhöhung des Kurzarbeitergeldes oder dem Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz, wäre die von Grünen und Linken geforderte Ausweitung des Kinderkrankengeldes sehr zu begrüßen. Allerdings muss diese geschlechtergerecht ausgestaltet werden, etwa durch Anreize zur partnerschaftlichen Aufteilung der Betreuung erkrankter Kinder. Um Eltern über die Krise hinaus zu unterstützen, ist es aber dringend geboten, endlich längerfristige Maßnahmen für eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit auszubauen.“

Das Positionspapier „Fifty-Fifty?! Wie kann die partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit gelingen?“ finden Sie hier.

Kategorien
Pressemitteilung Thema: Zeitpolitik

Zukunftsforum Familie e.V.: Fürsorge ist systemrelevant!

02.10.2020 – Bei der heutigen Mitgliederversammlung des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) wurde die gemeinsame Erklärung „Fürsorge ist systemrelevant“ verabschiedet. Darin fordern die Mitglieder die Politik in Bund, Ländern und Kommunen in sechs Zwischenrufen auf, in Krisenzeiten, aber auch für die Zukunft, für eine solidarische und geschlechtergerechte Absicherung von Fürsorgearbeit einzutreten.

„Fürsorge ist systemrelevant!“

In der Corona-Pandemie ist unsere Gesellschaft gefordert wie selten zuvor. Die Erwerbsarbeit wurde im „Lockdown“ entweder nach Hause verlagert oder fand unter großen Herausforderungen statt, um die soziale und technische Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig wurde die Betreuung der Kinder, die Begleitung der Schulaufgaben, die Pflege von Angehörigen und die solidarische Nachbarschaftshilfe gestemmt. Dabei waren die Familien weitgehend auf sich alleine gestellt: Die Kindertagesbetreuung und die Schulen liefen nicht im Regelbetrieb und Familienbildung sowie weitere Angebote der Kinder- und Jugendhilfe fanden nur unter erschwerten Bedingungen statt. Auch Angebote ambulanter Pflegedienste oder Tageseinrichtungen standen nur eingeschränkt zur Verfügung.

Insbesondere die Kinder und Jugendlichen waren es, die am wenigsten Beachtung gefunden haben mit ihren Bedürfnissen nach Freizeit, Platz zum Spielen und Lernen, Treffen von Freund*innen und einem stabilen und möglichst stressfreien familiären Umfeld.

Zwar wurden Sozialpakete geschnürt, Unterstützungsleistungen im Rahmen des Konjunkturpaketes geschaffen und Rücksicht auf Arbeitnehmer*innen mit Fürsorgeaufgaben genommen. Dennoch zeigt sich, dass die Lasten des „Lockdowns“ sowie die Wirkungen der staatlichen Rettungsschirme ungleich verteilt sind. Aus unserer Sicht ist es nicht nachzuvollziehen, dass die Interessen von Familien, Senior*innen, Frauen und Jugendlichen nicht am Tisch des Krisenkabinetts und der wissenschaftlichen Beiräte besprochen wurden und sie bis heute nur zweitrangig verhandelt werden.

Diese Lücken im Hilfesystem und den Rettungsschirmen sind weiter offen und müssen dringend geschlossen werden.

In dieser Krise, aber auch weit darüber hinaus, fordern wir, die Mitglieder des Zukunftsforums Familie e. V., eine solidarische und geschlechtergerechte Absicherung von Fürsorgearbeit über den gesamten Lebensverlauf hinweg! Dieses setzt einen guten Mix aus Zeit, Geld und Infrastruktur voraus, der dringend abgesichert sein muss – jetzt und in Zukunft.

Dazu zählen für uns:

  1. Zwischenruf: Kinder und Jugendliche dürfen nicht zurückgelassen werden!
  2. Zwischenruf: Rettungsschirme müssen auch über arme Familien gespannt werden!
  3. Zwischenruf: Die Bildung muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen!
  4. Zwischenruf: Frauen und Mütter dürfen nicht die Hauptlast der Krise tragen!
  5. Zwischenruf: Die Pflege von Angehörigen muss endlich gut abgesichert werden!
  6. Zwischenruf: Alle Menschen haben ein Recht auf Familie und Fürsorge!

Die gemeinsame Erklärung im Wortlaut finden Sie hier.

Kategorien
Pressemitteilung Thema: Zeitpolitik

ZFF und AWO fordern: Ein guter Ganztag muss Eltern und Familien ernstnehmen!

10.08.2020 – Noch bis Anfang September werden wichtige Weichen für die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung gestellt. An dem Eilverfahren gibt es Kritik von mehreren Verbänden. Diese befürchten unter anderem, dass an den Bedarfen von Eltern vorbeigeplant wird. Sie sehen die Qualität der Betreuung gefährdet.

Wolfgang Stadler, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes: „Qualitativ gute Ganztagsangebote tragen dazu bei, dass Kinder individuell gefördert werden. Sie flankieren positive Bildungsverläufe und können unterstützend mit den Eltern zusammenarbeiten. Eltern wünschen sich für das Wohlergehen ihrer Kinder nur die beste Betreuung neben der Schulzeit. Dabei hat jede Familie eigene Bedürfnisse bei der Betreuung, Bildung und Erziehung. Die pädagogische Qualität und die Vielfalt flexibler Angebote sind für sie sehr wichtig. Eine bloße Aufbewahrung entspricht keinem aktuellen Standard. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung muss den Familien ermöglichen, für sie passende Angebote wählen zu können und die Kinder in einer pädagogisch geeigneten Betreuung zu wissen.“

Eine gute Ganztagsbetreuung ist daneben ein wichtiges Element zur Verwirklichung einer partnerschaftlichen Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Umso länger die Zeit ist, in der Kinder in institutionellen Settings betreut werden, desto größer ist der Bedarf an Austausch, Kommunikation und Vertrauen zwischen Eltern und Institution. Eltern müssen ihre Wünsche und Bedarfe von gelungenen Ganztagsangeboten einbringen dürfen. Ganz im Sinne partizipativer Strukturen sind Eltern als Partner in die Ausgestaltung des Ganztags einzubeziehen, damit sich positive Beziehungen langfristig entwickeln können.

Christiane Reckmann, Vorsitzende des ZFF, unterstreicht: „Familien sind auf sozial- und bedarfsgerechte Bildungs- und Betreuungsangebote angewiesen, um ihr gemeinsames Leben zu gestalten und füreinander da zu sein. Das ZFF begrüßt die Einführung eines Rechtsanspruchs auf eine ganztägige Betreuung für alle Grundschulkinder und sieht darin einen zentralen Baustein für eine Familienpolitik, die Eltern ermöglicht Beruf und Sorgearbeit zu vereinbaren. Gerade Alleinerziehende oder Eltern im Schichtbetrieb sind dabei auf flexible Randzeiten- und Ferienbetreuung angewiesen. Ein guter Ganztag für die gesamte Familie muss diese vielfältigen Bedarfe und Wünsche berücksichtigen und Bildungs- und Erziehungsangebote so gestalten, dass sie Kindern guttun und ihren Entwicklungsbedarfen entsprechen.“

Hintergrund:

Die Bundesregierung plant die Einführung eines Rechtsanspruchs auf eine ganztägige Betreuung für alle Grundschulkinder ab 2025. Neben der rechtlichen Regelung im Kinder-und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) wird sie 3,5 Milliarden Euro in den Ausbau der Ganztagsbetreuungstecken: 1 Million neue Plätze sollen entstehen. Bis zum 1. September hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse hierzu abzuliefern. Danach wird es ein sehr verkürztes Beratungs-und Beteiligungsverfahren geben. Ein Bündnis aus Arbeiterwohlfahrt und weiteren Verbänden hat die AWO-Kampagne „Ganztagsbetreuung. Ganz schnell? Ganz gut?! #Guter Ganztag“ eingeleitet mit dem Ziel, dass angemessene Qualität in die Regelungen einfließt.

Zur Kampagne: https://www.awo.org/GuterGanztag

Kategorien
Pressemitteilung Thema: Zeitpolitik

ZFF-Informationen zur Corona-Krise: Wo wird Familien geholfen, wo bleibt die Unterstützung lückenhaft? Update 06.07.2020

Wo wird Familien geholfen, wo bleibt die Unterstützung lückenhaft?
Update 06.07.2020

Die Corona-Krise ist leider noch nicht vorbei: Zwar haben die meisten Kitas und Schulen wieder geöffnet, sie sind jedoch vielerorts noch lange nicht in den Regelbetrieb zurückgekehrt. Die konkreten Regelungen zu Präsenzunterrichts- und Betreuungszeiten unterscheiden sich je nach Bundesland dabei erheblich.

Auch unsere Lebens- und Arbeitsrealitäten sind weiter nicht in der „Normalität“ angekommen: Teilweise bleibt das Homeoffice der aktuelle Arbeitsplatz, parallel zu Kinderbetreuung oder Pflegeaufgaben für Angehörige. Viele Menschen arbeiten in Kurzarbeit und / oder sind auf Sozialleistungen zur Existenzsicherung für sich und ihre Familien angewiesen.

Es wird immer deutlicher sichtbar, wie unterschiedlich sich die Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen auswirken: Nach wie vor übernehmen Frauen den Löwenanteil der anfallenden Sorgearbeit und sind von den wirtschaftlichen Krisenauswirkungen in deutlich größerem Umfang betroffen. Arme und von Armut bedrohte Familien sind bis heute unter keinen ausreichenden Rettungsschirm gestellt worden. Die Perspektive von Kindern und Jugendlichen wird kaum wahrgenommen und vielfach erleben Eltern, dass eine Rückkehr an den Arbeitsplatz im Betrieb erwartet wird, gleichzeitig die Kindertagesbetreuung aber noch nicht wieder vollständig geöffnet hat.

Seit Begin der Krise informiert das ZFF über aktuelle Unterstützungen für Familien und weist auf Lücken in den Hilfesystemen hin. Im Folgenden haben wir diese Informationen und Einschätzungen erneut angepasst und ergänzt.

Unterstützung von Familien und der familienbezogenen Arbeit in der Corona-Pandemie: Rückmeldungen der Mitglieder des ZFF

Mit Beginn der Corona-Krise sowie der Schließungen der sozialen Infrastruktur und Bildungseinrichtungen haben wir die Mitglieder des ZFF gebeten, uns ihre Erfahrungen in der aktuellen Arbeit mit und für Familien zu schildern, von Herausforderungen zu berichten und weiteren Unterstützungsbedarf zu benennen. Dabei wird klar: Familien und Menschen mit Sorgeverantwortung stehen angesichts der Corona-Pandemie vor zahlreichen Herausforderungen, die genau so vielfältig sind wie die Sorgekonstellationen und die Menschen selbst.

Uns haben zahlreiche Rückmeldungen erreicht, die wir im hier zusammenfassen. Diese Darstellung ist jedoch nicht abgeschlossen und wird laufend erweitert.

Kategorien
Pressemitteilung Thema: Vielfalt Familie Thema: Zeitpolitik

Familien schnell entlasten – Kinder fördern – Gleichstellung nicht vergessen!

Anmerkungen des Zukunftsforums Familie e.V. zu den Debatten um ein Corona-Elterngeld und Kita-Öffnungen

29. April 2020

Die Lasten der Corona-Pandemie sind ungleich auf die Geschlechter verteilt

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie verstärken zahlreiche gesellschaftliche Ungleichheiten. Dazu gehören die ungleichen Auswirkungen auf die Geschlechter, denn Frauen sind auch in dieser Ausnahmesituation weiter fast selbstverständlich für die anfallende Care-Arbeit, privat wie professionell, zuständig: Frauen/Mütter übernehmen die durch Kita- und Schulschließungen zusätzliche Betreuungs- und Erziehungsarbeit in deutlich größerem Umfang als Männer/Väter. Dafür verringern sie etwa in deutlich stärkerem Maße ihre Arbeitszeit (Hans-Böckler-Stiftung 2020) oder verlagern sie in die frühen Morgen- oder späten Abendstunden. Insbesondere Alleinerziehende, in den meisten Fällen Frauen, stehen in dieser Situation vor zum Teil immensen Herausforderungen, da sie Homeoffice, Home-Schooling und Betreuung kleiner Kinder tagtäglich alleine stemmen müssen.

Die Kindertagesbetreuung ist eine zentrale Säule in unserer Gesellschaft

Die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie machen gleichzeitig deutlich, welche zentrale Rolle das System der Kindertagesbetreuung mittlerweile in unserer Gesellschaft hat, auf das seit dem Jahr 2013 ab dem ersten Lebensjahr ein Rechtsanspruch besteht. Es trägt in erheblichem Maße zur frühkindlichen Entwicklung und Bildung bei und unterstützt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ermöglicht Familien, insbesondere Müttern, in vielen Fällen eine eigenständige Existenzsicherung. Daneben sind die Betreuungseinrichtungen und die Tagespflege Orte der gesellschaftlichen Sozialisation und des Miteinanders – von Kindern, Familien und Erzieher*innen. Für viele Kinder ist „ihre Kita“ einer der wichtigsten Orte in ihrem Leben. Sie verbringen dort viel Zeit und treffen ihre Freund*innen.

Aus Sicht des ZFF müssen bei den Entscheidungen über die anstehenden Maßnahmen, neben den zweifellos zentralen gesundheitspolitischen Erwägungen, sehr viel stärker die Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse und die Bedürfnisse von Familien und Kindern in den Blick genommen werden. Andernfalls verstärken sich in der aktuellen Krisensituation soziale Risiken für Frauen, insbesondere in armen Haushalten, mit langfristigen, schwer kompensierbaren Nachteilen in der beruflichen Entwicklung oder der Altersabsicherung. Aber auch die Rechte der Kinder auf Bildung, Teilhabe und gesunde Entwicklung werden durch die langanhaltenden Kita-Schließungen eingeschränkt. Dadurch laufen einige Kinder Gefahr, langfristig sozial abgehängt zu werden.

Aus diesen Gründen merken wir zu den Debatten um ein Corona-Elterngeld sowie zu einer (schrittweisen) Kita-Öffnung in der Phase der Bekämpfung der Corona-Pandemie an:

1. Kindertagesbetreuungsangebote so schnell wie möglich ausweiten

Angebote der Kindertagesbetreuung müssen nicht nur aus Vereinbarkeitsaspekten, sondern auch mit Blick auf die frühkindliche Bildung und Entwicklung zeitnah wieder zur Verfügung gestellt werden. Mindestens sollte eine zeitliche Perspektive für die Wiedereröffnung aufgezeigt werden, auch schrittweise oder in zeitlich flexiblen Modellen, um eine gewisse Planungssicherheit für Familien und ihre Kinder zu ermöglichen. Dabei gilt es den Infektionsschutz für Kinder, Eltern und Erzieher*innen zu beachten. Darüber hinaus müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam zu guten Lösungen kommen, wie das System Kindertagesbetreuung auch mit Hilfe des Bundes finanziell gestärkt und krisenfest gemacht werden kann.

2. Sollte eine außerhäusliche Betreuung phasenweise oder für bestimmte Familien und Kinder nicht möglich sein, müssen alternative Maßnahmen entwickelt werden

Bereits zu Beginn der Bekämpfung der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung eine Reihe von Instrumenten geschärft bzw. geschaffen, um Familien und ihre Kinder finanziell zu unterstützen. Neben dem Notfall-Kinderzuschlag gehören dazu der vereinfachte Zugang zum Kurzarbeitergeld, das Eltern 67 Prozent des ausgefallenen Lohnes ersetzt[1] und der Entgelt-Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz in Höhe von ebenfalls 67 Prozent, wenn Sorgeberechtigte wegen akuter Betreuungsaufgaben, die nicht anders zu organisieren sind (bspw. durch Home-Office), Verdienstausfälle erleiden. Dieser Anspruch ist allerdings auf Kinder bis zwölf Jahre begrenzt und auf sechs Wochen beschränkt. Daneben reicht die Höhe der Entschädigung oft nicht aus, um die Existenz der Familie auch längerfristig zu sichern.

Aus Sicht des ZFF benötigen Familien in ihrer Vielfalt längerfristige Maßnahmen, um in der Zeit der Corona-Pandemie ihre Betreuungsaufgaben bewältigen zu können und gleichzeitig nicht den Anschluss an den Arbeitsmarkt zu verlieren. Dies gilt insbesondere für Mütter, die derzeit stärker als ohnehin einer Doppelbelastung durch Erwerbs- und Sorgearbeit ausgesetzt sind.

Wichtig ist es aus unserer Sicht daher, partnerschaftliche Teilzeit-Regelungen zu schaffen. Bei der Einführung einer ausgeweiteten Elterngeld-Regelung für die Phase der Corona-Pandemie gilt es darauf zu achten, dass die ungleiche Beteiligung der Geschlechter an der privaten Sorgearbeit nicht weiter verstärkt wird und daraus eine geschlechterpolitische „Rolle rückwärts“ entsteht. Aus Sicht des ZFF sind deswegen aktive Anreize für Väter bzw. männliche Sorgeberechtigte und Mitverantwortliche zur Übernahme von Erziehung und Betreuung unabdingbar und müssen mitbedacht werden.

Analog zum ElterngeldPlus sprechen wir uns daher für eine Familienleistung aus, die insbesondere eine Kombination von (parallelem) Elterngeldbezug und Teilzeittätigkeit unterstützt. Das Modell der Familienarbeitszeit mit Familiengeld, wie es das BMFSFJ bereits 2017 vorgestellt hat, bietet hier einen guten Ansatz für mehr Partnerschaftlichkeit. Das Modell sieht einen teilweisen Lohnersatz für Elternteile vor, wenn beide ihre Arbeitszeit wegen der Sorge für Kinder reduzieren. [2] Alle Ansprüche sollten dabei der Vielfalt der Sorgebeziehungen Rechnung tragen und auch auf pflegende Angehörige ausgeweitet werden.

Hier erhalten Sie diese Anmerkungen auch als pdf.


[1] Inzwischen hat sich die Bundesregierung auf eine Erhöhung des Kurzarbeitergelds geeinigt, die bei einem längeren Bezug der Leistung eintritt vgl. Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-kurzarbeit-mehrwertsteuer-1.4885782.

[2] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/auf-dem-weg-zu-einer-familienarbeitszeit-mit-einem-familiengeld/113528

Kategorien
Pressemitteilung Thema: Vielfalt Familie Thema: Zeitpolitik

„Familienunterstützende Infrastruktur sichern – jetzt und in Zukunft!“ Appell von AWO und ZFF

Familien als Fundament unserer Gesellschaft stehen in Zeiten von Schul- und Kitaschließungen, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, aber auch vielfach existenziellen Sorgen aufgrund von Einkommensverlusten oder drohender Arbeitslosigkeit als Folge der Corona-Pandemie vor deutlich verschärften Herausforderungen. Viele Familien bedürfen daher mehr noch als sonst der Unterstützung und Beratung, um unter diesen erschwerten Bedingungen ihre familialen Beziehungen zu leben, Erwerbstätigkeit und Familienarbeit zu vereinbaren, ihr alltägliches Familienleben und ihre Versorgung zu organisieren sowie ihre anspruchsvollen Bildungs- und Betreuungsaufgaben zu bewältigen. Da auch die meisten familienbegleitenden Leistungen derzeit heruntergefahren werden müssen, sind die Familien dabei vielfach auf sich selbst gestellt.

Der AWO Bundesverband e.V. und das Zukunftsforum Familie e.V. haben den gemeinsamen Appell „Familienunterstützende Infrastruktur sichern – jetzt und in Zukunft!“ formuliert, in welchem wir auf die Bedeutung der Familienbildung gerade in diesen Zeiten hinweisen und dazu auffordern, diese Infrastruktur vor Ort zu sichern – zum Wohle der Familien.

Kategorien
Pressemitteilung Thema: Zeitpolitik

Elterngeld-Anpassungen anlässlich der Corona-Krise: Ein wichtiger Schritt für werdende Eltern und junge Familien!

08.04.2020Anlässlich der gestern angekündigten Anpassungen beim Elterngeld vor dem Hintergrund der Corona-Epidemie unterstützt das ZFF die geplanten kurzfristigen gesetzlichen Änderungen ausdrücklich, mahnt aber Verbesserungsbedarf für arme Eltern an.

Die Bekämpfung der Corona-Epidemie stellt unsere Gesellschaft und die in ihr lebenden Familien zunehmend vor Herausforderungen: Eltern arbeiten in Kurzarbeit, werden entlassen oder stehen als Selbstständige vor dem wirtschaftlichen Ruin. Um werdende Eltern und junge Familien in dieser Situation zu unterstützen, haben sich die Koalitionsfraktionen auf kurzfristige gesetzliche Anpassungen beim Elterngeld geeinigt. Konkret sollen Eltern, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, ihre Elterngeldmonate aufschieben können. Der Anspruch auf einen Partnerschaftsbonus, welcher die parallele Teilzeittätigkeit junger Eltern finanziell unterstützt, soll nicht verloren gehen, wenn der verpflichtende Stundenkorridor nicht eingehalten werden kann. Außerdem sollen Eltern und werdende Eltern keine Nachteile bei der Familienleistung auf Grund von Einkommensverlusten haben: Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld I sollen sich nicht negativ auf die Elterngeldhöhe auswirken.

Christiane Reckmann, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Die aktuellen Auswirkungen der Corona-Epidemie lösen auch bei werdenden Eltern und jungen Familien Zukunftsängste aus. In dieser Situation begrüßen wir die geplanten gesetzlichen Änderungen beim Elterngeld ausdrücklich! Ziel der Familienförderleistung ist es, einen Schonraum in der Frühphase der Elternschaft zu gewähren, damit Familien ohne finanzielle Nöte in ihr Familienleben hineinfinden können. Die nun vorgeschlagenen Regelungen sind wichtige Bausteine, damit Eltern und junge Familien auch angesichts der aktuellen Krise von der Leistung profitieren können.“

Reckmann fährt fort: „So wichtig die geplanten Maßnahmen sind, sie lassen eine Gruppe weiter außen vor: Arme Familien. Eltern, die aufgrund der Krise in den SBG-II-Bezug geraten, werden die Regelung leider nicht nutzen können. Auch Vorschläge zur Unterstützung prekär arbeitender Selbstständiger fehlen bisher. Diese müssen dringend ergänzt und der Kreis der Berechtigten ausgeweitet werden.“

Kategorien
Pressemitteilung Thema: Kinderarmut Thema: Vielfalt Familie Thema: Zeitpolitik

ZFF-Informationen zur Corona-Krise: Wo wird Familien geholfen, wo bleibt die Unterstützung lückenhaft?

Die Corona-Krise hat uns alle fest im Griff: Kitas und Schulen sind geschlossen, Familienbildung und weitere Angebote der Kinder- und Jugendhilfe finden kaum mehr statt. Pflegeheime müssen sich abschotten, um ihre Bewohner*innen zu schützen. Viele Eltern und pflegende Angehörige arbeiten im Home-Office, andere erhalten aufgrund der Schließung des Betriebs oder Unternehmens Kurzarbeitergeld und/oder sind zunehmend auf Sozialleistungen angewiesen. Die derzeitigen Auflagen und Beschränkungen sind wichtig, stellen uns alle jedoch vor große Herausforderungen.

Im besonderen Maße trifft dies auf Menschen zu, die Fürsorge leisten und verlässlich für andere da sind. Die Politik hat bei den beschlossenen Unterstützungsmaßnahmen insbesondere Familien mit Kindern im Blick:

  1. Für Eltern, die in so genannten „systemrelevanten“ Berufen arbeiten, wird eine Kindertagesbetreuung angeboten. Die konkreten Regelungen unterscheiden sich je nach Bundesland: In vielen Ländern gilt dieses Angebot auch dann, wenn nur ein Elternteil in einem solchen Beruf arbeitet. In anderen Bundesländern gilt dies nur für bestimmte der systemrelevanten Berufe. Auch die Berufe, die als solche gezählt werden, sind teilweise in den Bundesländern verschieden: In jedem Fall sind es medizinische und pflegerische Berufe, teilweise auch Eltern, die in Bereichen der kritischen Infrastruktur arbeiten (Strom, Gas, Abfall usw.), teilweise auch Journalist*innen. Mittlerweile wird darüber verhandelt auch Mitarbeitende in der Kinder- und Jugendhilfe zu diesen Berufsgruppen zu zählen.
  2. § 616 BGB regelt die Lohnfortzahlung bei „vorübergehender Verhinderung“ und somit eine kurzfristige Freistellung von der Erwerbsarbeit bei vollem Lohnausgleich, wenn Kinder oder pflegebedürftige Angehörige nicht anders betreut werden können. Allerdings greift dieses Instrument nur für wenige Tage und auch nur dann, wenn keine Betreuungsalternativen gefunden werden. Ebenso werden etwaige Zahlungen aus einer Unfall- oder Krankenversicherung verrechnet.
  3. Krisenbedingt und bis Ende 2021 befristet sind die Zugangsvoraussetzungen zum Kurzarbeitergeld nach § 95 SGB III verändert worden: Ab sofort können Unternehmen dieses Instrument auch dann nutzen, wenn nur 10 Prozent ihrer Beschäftigten mit mindestens 10 Prozent Arbeitszeitverkürzung davon betroffen sind. Auf Antrag erstattet die Bundesagentur für Arbeit Eltern mit Kindern 67 Prozent des Nettolohnes, der wegfällt (dies kann aber auch bedeuten, dass der Lohn vollständig wegfällt). Hiervon müssen Sozialabgaben entrichtet werden, gleichzeitig bleibt der volle Anspruch auf Arbeitslosengeld I bestehen. Um die Einkommenslücke zu reduzieren, werden in immer mehr Branchen Tarifverträge abgeschlossen, in denen das Kurzarbeitergeld auf teilweise bis zu 100 Prozent aufgestockt wird. Niedriglohnbeschäftigte sind davon aber weitgehend ausgeschlossen, da sie nur zu einer Minderheit tarifgebunden beschäftigt sind. Ebenso ist es vielen kleinen Unternehmen, aber auch vielen Trägern in der sozialen Arbeit, nicht möglich, diese Lohneinbußen aus eigenen finanziellen Mitteln aufzufangen.
  4. In § 56 des „Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen“ (Infektionsschutzgesetz) ist in der vergangenen Woche ein neuer Paragraf 1a eingefügt worden. Er sieht eine Entschädigung für einen Verdienstausfall vor, wenn Eltern ihre Kinder (leibliche Kinder sowie Pflegekinder) bis 12 Jahren bzw. Kinder mit Behinderungen zu Hause betreuen müssen, da z.B. Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und Schulen geschlossen sind. Voraussetzung hierfür ist, dass die Einrichtung (z.B. auf Grund von Schulferien) nicht ohnehin geschlossen hätte, dass keine anderweitige Betreuung organisiert werden kann, Überstunden bereits abgebaut sind und aus dem Vorjahr übertragener Resturlaub genommen wurde. Der Verdienstausfall wird in Höhe von 67 Prozent erstattet, maximal sechs Wochen lang und bis zu einer Höhe von 2.016 Euro.
  5. § 45 SGB V regelt, dass Eltern, die selbst bzw. deren Kinder gesetzlich krankenversichert sind, bis zu zehn Kind-krank-Tage pro Jahr (Alleinerziehende: 20 Tage) geltend machen können. Hierbei wird der Lohn von der Krankenkasse übernommen, in der Regel in Höhe von 90 Prozent des Nettolohns. Diese Regelung greift allerdings nur, wenn das Kind tatsächlich erkrankt ist und dies ärztlich bestätigt wurde.
  6. Im Rahmen des kürzlich verabschiedeten Sozialschutz-Pakets sind die Zugangsvoraussetzungen zum Kinderzuschlag verändert worden (Notfall-KiZ): Bis auf weiteres wird zur Berechnung der Höhe des Zuschlags nur das Elterneinkommen des vergangenen Monats herangezogen und nicht, wie bisher, der vergangenen sechs Monate. So soll erreicht werden, dass Familien mit Kindern, die krisenbedingt starke Einkommenseinbußen hinnehmen müssen, schneller den Kinderzuschlag erhalten können. Bei Familien, die bereits den Höchstbetrag von 185 Euro erhalten wird der KiZ-Bezug automatisch, ohne weitere Prüfung, verlängert, um die Verwaltung der Familienkassen zu entlasten. Der Antrag auf Notfall-KiZ kann online gestellt werden.
  7. Im Sozialschutz-Paket sind ebenfalls die Regelungen im SGB II verändert worden: Die Vermögensprüfung wird bei Neuanträgen vorübergehend ausgesetzt und die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) derzeit ohne weitere Prüfung als „angemessen“ anerkannt.
  8. Darüber hinaus gilt ab sofort und zunächst bis zum 30. Juni ein Kündigungsverbot für Mieter*innen, die auf Grund von krisenbedingten Einkommenseinbußen ihre Miete nicht mehr vollständig bezahlen können. Die auflaufenden Mietschulden müssen aber bis spätestens 22. Juni 2022 beglichen werden.

Eine gute Übersicht über familienunterstützende Hilfen und Beantragungsformalitäten findet sich auf der Internetseite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Bewertung und Forderung des ZFF:

Als ZFF haben wir u. a. zum Sozialschutz-Paket Stellung genommen. Darin wurden von uns die Maßnahmen begrüßt, gleichzeitig sehen wir Leerstellen mit Blick auf arme bzw. armutsbedrohte Familien sowie für Menschen, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern:

  • Unterstützung für Bildung und Teilhabe (BuT), auf welche arme und armutsbedrohte Familien mit Kindern im Bezug von Leistungen nach SGB II, SGB XII, AsylbLG, Wohngeldgesetz und Kinderzuschlag Anspruch haben, muss derzeit ausschließlich innerhalb der Familien geleistet werden. Mindestens das Geld für das Mittagessen, welches für die allermeisten Kinder jetzt nicht in Kita und Schule stattfinden kann, sollte daher ausbezahlt werden.
  • Das ZFF unterstützt daher die Idee einiger Verbände, krisenbedingte Erhöhungen des Regelsatzes sowie entsprechende Zuschläge zum Regelsatz zu gewähren.
  • Ebenfalls gilt der verkürzte Bemessungszeitraum im Notfall-Kiz nur für das Einkommen der Eltern und nicht für Kindeseinkommen. Dies ist in der gegenwärtigen Situation nicht zu befürworten, denn Kindeseinkommen speist sich meist aus Unterhaltszahlungen. Diese können jedoch wegen der Krise und der Einkommenseinbußen der Unterhaltspflichtigen ebenfalls kurzfristig wegfallen und die Sicherung der Existenz des Kindes im Haushalt der Alleinerziehenden gefährden. Aus unserer Sicht sollte der kurzfristige Bemessungszeitraum auch für Kindeseinkommen gelten.
  • Zudem muss sichergestellt werden, dass alle Schulkinder Zugang zum Internet haben, etwa durch die Übernahme der entsprechenden Anschlusskosten sowie die Anschaffung von digitalen Endgeräten oder Computern, sofern diese nicht vorhanden sind. Hierfür wird ein zusätzliches „Schulbedarfspaket“ dringend benötigt. Da so gut wie alle Schulen den Unterricht derzeit auf digitales Lernen und den Online-Kontakt mit Lehrer*innen umgestellt haben, müssen ausnahmslos alle Schulkinder die Möglichkeit erhalten, an diesen Lernformaten teilzuhaben.
  • Darüber hinaus regt das ZFF (bspw. in Anlehnung an die Nationale Armutskonferenz) an, auch die Stromkosten vollständig und zusätzlich zum SGB II Regelsatz zu übernehmen, da für die kommenden Wochen, wenn alle Familienmitglieder überwiegend zu Hause sind, von einem erhöhten Stromverbrauch auszugehen ist.

Neben den bundesweiten Maßnahmen sind derzeit alle gesellschaftlichen Akteur*innen gefordert, Familien und die von ihnen geleistete Fürsorge- und Bildungsarbeit zu unterstützen: Arbeitgeber*innen sollten sich darüber im Klaren sein, dass Kinderbetreuung, Home-Schooling und Erwerbsarbeit im Home-Office nicht vollumfänglich miteinander vereinbar sind. Lehrer*innen müssen berücksichtigen, dass Eltern neben der Erwerbsarbeit und ggf. der Kinderbetreuung kleinerer Kinder nicht uneingeschränkt die Begleitung aktueller Bildungsprozesse leisten können und nicht alle Kinder dauerhaften Zugang zu einem Laptop, Computer oder Drucker haben. Zudem ist es wichtig, dass die Unterstützungssysteme der Familienbildung und -beratung nach § 16 SGB VIII sowie weiterer Angebote der Kinder- und Jugendhilfe derzeit so ausgestattet bleiben, dass sie Familien in dieser besonders schweren Zeit gut und unterstützend zur Seite stehen können und sie auch danach noch weiter zur Verfügung stehen können.

Darüber hinaus müssen Angebote der Beratung, Unterbringung und zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und weiteren Familienangehörigen (meist Frauen) vor Gewalt dringend aufrechterhalten und ausgebaut werden. Dieses setzt u. a. voraus, dass die Kommunen kurzfristig in die Lage versetzt werden, die Finanzierung dieser Angebote abzusichern.

Wertvolle Hinweise und Flyer zum Thema Gewaltschutz finden sich auf der Website: www.kein-kind-alleine-lassen.de. Die Flyer können ausgedruckt und im Hausflur, im Ladenfenster, im Supermarkt aufgehängt werden. Auf den Flyern stehen die wichtigsten Notrufnummern oder Tipps für Kinder und Jugendliche, was sie tun können, wenn sie in Gefahr sind und wo sie jemanden erreichen, der ihnen hilft.

Derzeit werden etwa drei Viertel aller pflegebedürftigen Menschen zu Hause und überwiegend von Angehörigen versorgt. Teilweise geschieht dies in Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten oder mit privaten Pflegekräften und unterstützt von einer kommunalen Infrastruktur wie den Pflegestützpunkten. Viele dieser Angebote stehen derzeit nur eingeschränkt zur Verfügung und pflegende Angehörige sind noch stärker als sonst belastet. Die Maßnahmen, die bspw. im Infektionsschutzgesetz oder im Sozialschutz-Paket beschlossen wurden, greifen für diese Familien nicht. Daher muss aus Sicht des ZFF dringend nachgebessert werden, bspw. durch eine Ausweitung der bezahlten Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder einen vereinfachten Zugang zur Verhinderungspflege.

Noch eine Bitte:

Wir wissen, dass die Situation angespannt ist. Dennoch möchten wir darum bitten, uns Herausforderungen, denen Familien bzw. Menschen mit Fürsorgeaufgaben derzeit begegnen, mitzuteilen. Wo sind die Lücken in der Absicherung? Sind Ämter nicht erreichbar? Wer wird besonders mit seinen Fürsorgeaufgaben alleine gelassen? Aber auch: Was klappt besonders gut?

Diese Rückmeldungen wollen wir sammeln und so schnell wie möglich an die Politik im Bundestag und den Bundesministerien weitergeben und uns dafür einsetzen, dass dort nachgebessert wird, wo dies dringend nötig ist.

Vielen Dank!