Familien schnell entlasten – Kinder fördern – Gleichstellung nicht vergessen!

Anmerkungen des Zukunftsforums Familie e.V. zu den Debatten um ein Corona-Elterngeld und Kita-Öffnungen

29. April 2020

Die Lasten der Corona-Pandemie sind ungleich auf die Geschlechter verteilt

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie verstärken zahlreiche gesellschaftliche Ungleichheiten. Dazu gehören die ungleichen Auswirkungen auf die Geschlechter, denn Frauen sind auch in dieser Ausnahmesituation weiter fast selbstverständlich für die anfallende Care-Arbeit, privat wie professionell, zuständig: Frauen/Mütter übernehmen die durch Kita- und Schulschließungen zusätzliche Betreuungs- und Erziehungsarbeit in deutlich größerem Umfang als Männer/Väter. Dafür verringern sie etwa in deutlich stärkerem Maße ihre Arbeitszeit (Hans-Böckler-Stiftung 2020) oder verlagern sie in die frühen Morgen- oder späten Abendstunden. Insbesondere Alleinerziehende, in den meisten Fällen Frauen, stehen in dieser Situation vor zum Teil immensen Herausforderungen, da sie Homeoffice, Home-Schooling und Betreuung kleiner Kinder tagtäglich alleine stemmen müssen.

Die Kindertagesbetreuung ist eine zentrale Säule in unserer Gesellschaft

Die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie machen gleichzeitig deutlich, welche zentrale Rolle das System der Kindertagesbetreuung mittlerweile in unserer Gesellschaft hat, auf das seit dem Jahr 2013 ab dem ersten Lebensjahr ein Rechtsanspruch besteht. Es trägt in erheblichem Maße zur frühkindlichen Entwicklung und Bildung bei und unterstützt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ermöglicht Familien, insbesondere Müttern, in vielen Fällen eine eigenständige Existenzsicherung. Daneben sind die Betreuungseinrichtungen und die Tagespflege Orte der gesellschaftlichen Sozialisation und des Miteinanders – von Kindern, Familien und Erzieher*innen. Für viele Kinder ist „ihre Kita“ einer der wichtigsten Orte in ihrem Leben. Sie verbringen dort viel Zeit und treffen ihre Freund*innen.

Aus Sicht des ZFF müssen bei den Entscheidungen über die anstehenden Maßnahmen, neben den zweifellos zentralen gesundheitspolitischen Erwägungen, sehr viel stärker die Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse und die Bedürfnisse von Familien und Kindern in den Blick genommen werden. Andernfalls verstärken sich in der aktuellen Krisensituation soziale Risiken für Frauen, insbesondere in armen Haushalten, mit langfristigen, schwer kompensierbaren Nachteilen in der beruflichen Entwicklung oder der Altersabsicherung. Aber auch die Rechte der Kinder auf Bildung, Teilhabe und gesunde Entwicklung werden durch die langanhaltenden Kita-Schließungen eingeschränkt. Dadurch laufen einige Kinder Gefahr, langfristig sozial abgehängt zu werden.

Aus diesen Gründen merken wir zu den Debatten um ein Corona-Elterngeld sowie zu einer (schrittweisen) Kita-Öffnung in der Phase der Bekämpfung der Corona-Pandemie an:

1. Kindertagesbetreuungsangebote so schnell wie möglich ausweiten

Angebote der Kindertagesbetreuung müssen nicht nur aus Vereinbarkeitsaspekten, sondern auch mit Blick auf die frühkindliche Bildung und Entwicklung zeitnah wieder zur Verfügung gestellt werden. Mindestens sollte eine zeitliche Perspektive für die Wiedereröffnung aufgezeigt werden, auch schrittweise oder in zeitlich flexiblen Modellen, um eine gewisse Planungssicherheit für Familien und ihre Kinder zu ermöglichen. Dabei gilt es den Infektionsschutz für Kinder, Eltern und Erzieher*innen zu beachten. Darüber hinaus müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam zu guten Lösungen kommen, wie das System Kindertagesbetreuung auch mit Hilfe des Bundes finanziell gestärkt und krisenfest gemacht werden kann.

2. Sollte eine außerhäusliche Betreuung phasenweise oder für bestimmte Familien und Kinder nicht möglich sein, müssen alternative Maßnahmen entwickelt werden

Bereits zu Beginn der Bekämpfung der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung eine Reihe von Instrumenten geschärft bzw. geschaffen, um Familien und ihre Kinder finanziell zu unterstützen. Neben dem Notfall-Kinderzuschlag gehören dazu der vereinfachte Zugang zum Kurzarbeitergeld, das Eltern 67 Prozent des ausgefallenen Lohnes ersetzt[1] und der Entgelt-Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz in Höhe von ebenfalls 67 Prozent, wenn Sorgeberechtigte wegen akuter Betreuungsaufgaben, die nicht anders zu organisieren sind (bspw. durch Home-Office), Verdienstausfälle erleiden. Dieser Anspruch ist allerdings auf Kinder bis zwölf Jahre begrenzt und auf sechs Wochen beschränkt. Daneben reicht die Höhe der Entschädigung oft nicht aus, um die Existenz der Familie auch längerfristig zu sichern.

Aus Sicht des ZFF benötigen Familien in ihrer Vielfalt längerfristige Maßnahmen, um in der Zeit der Corona-Pandemie ihre Betreuungsaufgaben bewältigen zu können und gleichzeitig nicht den Anschluss an den Arbeitsmarkt zu verlieren. Dies gilt insbesondere für Mütter, die derzeit stärker als ohnehin einer Doppelbelastung durch Erwerbs- und Sorgearbeit ausgesetzt sind.

Wichtig ist es aus unserer Sicht daher, partnerschaftliche Teilzeit-Regelungen zu schaffen. Bei der Einführung einer ausgeweiteten Elterngeld-Regelung für die Phase der Corona-Pandemie gilt es darauf zu achten, dass die ungleiche Beteiligung der Geschlechter an der privaten Sorgearbeit nicht weiter verstärkt wird und daraus eine geschlechterpolitische „Rolle rückwärts“ entsteht. Aus Sicht des ZFF sind deswegen aktive Anreize für Väter bzw. männliche Sorgeberechtigte und Mitverantwortliche zur Übernahme von Erziehung und Betreuung unabdingbar und müssen mitbedacht werden.

Analog zum ElterngeldPlus sprechen wir uns daher für eine Familienleistung aus, die insbesondere eine Kombination von (parallelem) Elterngeldbezug und Teilzeittätigkeit unterstützt. Das Modell der Familienarbeitszeit mit Familiengeld, wie es das BMFSFJ bereits 2017 vorgestellt hat, bietet hier einen guten Ansatz für mehr Partnerschaftlichkeit. Das Modell sieht einen teilweisen Lohnersatz für Elternteile vor, wenn beide ihre Arbeitszeit wegen der Sorge für Kinder reduzieren. [2] Alle Ansprüche sollten dabei der Vielfalt der Sorgebeziehungen Rechnung tragen und auch auf pflegende Angehörige ausgeweitet werden.

Hier erhalten Sie diese Anmerkungen auch als pdf.


[1] Inzwischen hat sich die Bundesregierung auf eine Erhöhung des Kurzarbeitergelds geeinigt, die bei einem längeren Bezug der Leistung eintritt vgl. Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-kurzarbeit-mehrwertsteuer-1.4885782.

[2] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/auf-dem-weg-zu-einer-familienarbeitszeit-mit-einem-familiengeld/113528