Berlin, 19.01.2023 – Heute wurden die ersten Eckpunkte des BMFSFJ zur Ausgestaltung der Kindergrundsicherung bekannt. Das ZFF begrüßt das Vorhaben des Ministeriums, wird jedoch weiterhin genau auf die Details der Ausgestaltung achten.
Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Bei der Kindergrundsicherung steht das ZFF im Schulterschluss mit dem BMFSFJ. Diese neue Leistung eröffnet die Chance, den Dschungel der bisherigen Familienleistungen zu lichten, Kinderarmut zu reduzieren und endlich alle Familien unbürokratisch zu erreichen. Wir appellieren an die Bundesregierung, den Entwurf des BMFSFJ vollumfänglich zu unterstützen und dieses wichtige Vorhaben schnell umzusetzen.
Die Kindergrundsicherung muss der zentrale Baustein beim Kampf gegen Armut von Kindern und Jugendlichen sein. Dieses Ziel kann nur mit einer ausreichenden Höhe der Kindergrundsicherung erreicht werden. Hierzu muss als Grundlage eine Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums herangezogen werden. Erfolgreich ist die Kindergrundsicherung auch erst, wenn sie Stigmatisierung und verdeckte Armut abbaut durch eine weitgehend automatische Auszahlung. Bei diesem Projekt steckt der Teufel im Detail, weshalb es für uns unabdingbar ist, bei der weiteren Ausgestaltung auf die Feinheiten zu achten!“
Das ZFF beruft sich auf Informationen zum Eckpunktepapier des BMFSJ aus dem Artikel der Wirtschaftswoche „Staatliche Hilfen für Kinder sollen steigen und mehr Familien erreichen“ vom 19.01.2023. Demnach soll die Kindergrundsicherung als Anspruch des Kindes ausgestaltet werden und wie im Koalitionsvertrag angekündigt aus zwei Komponenten bestehen: einem Garantiebetrag für alle Kinder mindestens in Höhe des derzeitigen Kindergeldes und einem einkommensabhängigen Zusatzbeitrag. Die Kindergrundsicherung soll unbürokratisch sein und weitgehend digital ausbezahlt werden sowie viele der heutigen Leistungen, wie etwa das Kindergeld, Kinderzuschlag, die steuerlichen Kinderfreibeträge, SGB II- und die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes für Kinder zusammenfassen.
Zum 1. Januar 2023 übernimmt Sophie Schwab den Staffelstab im ZFF und startet als neue Geschäftsführerin.
Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Wir freuen uns sehr, mit Sophie Schwab eine kompetente neue Geschäftsführerin für das ZFF gefunden zu haben und sagen „Herzlich Willkommen“! Gleichzeitig danken wir unserem langjährigen Geschäftsführer Alexander Nöhring für sein Engagement und seine Arbeit und wünschen ihm alles Gute für seine neuen beruflichen Aufgaben beim AWO Bundesverband e.V.
Als studierte Sozialarbeiterin und Sozialwissenschaftlerin ist Sophie Schwab mit den Themen des ZFF sehr vertraut: Nach ihrem Job in der offenen Jugendarbeit, wurde sie stellv. Frauenbeauftragte der ASH Berlin. Danach ging sie als Referentin für Sozialpolitik zum AWO Bundesverband. Ins ZFF wechselt sie nun nach einigen Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team von Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, MdB (Bündnis 90/ Die Grünen).
Wir freuen uns auf die gemeinsame Zeit mit Sophie Schwab und wünschen Ihr einen guten Start!“
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 10.01.2023
Erwerbsarbeit ist für Familien enorm wichtig: sie ist zentral für die ökonomische Absicherung und sie ist wichtiger Taktgeber für die zeitliche Gestaltung des Familienalltags. Vor diesem Hintergrund wurde bei der ZFF-Fachtagung diskutiert, wie eine familienfreundliche Arbeitswelt aussieht, so dass die Übernahme von Sorgearbeit selbstverständlich in Erwerbsverläufe integriert werden kann.
Die Dokumentation der Fachtagung steht nun auf der Hompage des ZFF zum download bereit.
Das ungeborene Kind völlig auszublenden ist ethisch unvertretbar
Familienministerin Lisa Paus hat die komplette Abschaffung des Abtreibungs-Paragrafen 218 vorgeschlagen. Dazu können Sie die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, wie folgt zitieren:
„Der Vorstoß von Frau Paus ist ein Dammbruch im Verständnis vom menschlichen Leben. Eine Familienministerin, die gegen Kinder ist, ist wie ein Umweltminister, der den Fluss vergiftet. Es ist eine Politik ohne Zukunft. Denn es geht eben nicht nur einseitig um die reproduktive Selbstbestimmung und das Recht der Frauen auf Abtreibung, das wir als Union übrigens nicht in Frage stellen. Auch das ungeborene Kind hat ein grundrechtlich geschütztes Lebensrecht. Diese Kinder und damit auch unser Grundgesetz scheinen aber für die Familienministerin keine Rolle zu spielen. Damit stellt sie auch das Bundesverfassungsgericht in Frage.
Der Abbruch einer Schwangerschaft beendet Leben. Aufgrund dieses Unrechtscharakters hat ihn der Gesetzgeber grundsätzlich unter Strafe gestellt. Einen gesellschaftlich jahrzehntelang austarierten Kompromiss in der Abwägung der Grundrechtspositionen der Frau und des ungeborenen Kindes gibt es längst, die Regelungen des § 218 StGB sind gängige Praxis und funktionieren. Das Kind nun völlig auszublenden ist ethisch unvertretbar. Es bestätigt sich leider, was wir bereits mit der Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche durch die Ampel haben kommen sehen. Das Gespür für das Lebensrecht des Ungeborenen im allgemeinen Bewusstsein soll weg. Das ist Unrecht!“
Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 05.01.2023
Der Zusammenhang zwischen Armut und dem Risiko einer Covid-19 Infektion ist Thema einer Kleinen Anfrage (20/5083) der Linksfraktion. Die Abgeordneten wollen wissen, wie die Bundesregierung das Ergebnis einer Studie über soziale Unterschiede in der Pandemie bewertet, wonach Kinder von Langzeitarbeitslosen ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben und welche Konsequenzen sie daraus zieht.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1 vom 02.01.2023
Mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder befasst sich die CDU/CSU-Fraktion in einer Kleinen Anfrage (20/5018). Mit dem Ganztagsförderungsgesetz vom 2. Oktober 2021 werde ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für alle Kinder im Grundschulalter ab dem 1. August 2026 stufenweise eingeführt und der hierfür erforderliche Infrastrukturausbau unterstützt, heißt es in der Anfrage. Die Abgeordneten wollen von der Bundesregierung wissen, in welcher Höhe bereits Mittel aus dem Investitionsprogramm zum beschleunigten Infrastrukturausbau abgerufen und verausgabt wurden.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 776 vom 28.12.2022
Die Fraktion Die Linke thematisiert in einer Kleinen Anfrage (20/5019) die zum 1. Januar 2023 in Kraft tretende Wohngeld-Reform „im Kontext der Grundsicherung für Arbeitssuchende“. Von der Bundesregierung will die Fraktion unter anderem erfahren, mit wie vielen Wohngeldanträgen und mit welcher Bearbeitungsdauer sie rechnet. Mit Verweis auf die möglicherweise lange Bearbeitungsdauer neuer Anträge will die Fraktion wissen, mit wie vielen Anträgen auf Leistungen nach dem SGB II und mit wie vielen Anträgen auf Leistungen nach dem SGB XII sie rechnet.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 774 vom 28.12.2022
Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) dringt in seinem aktuellen Bericht zur Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland auf mehr Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei der Schaffung eines inklusiven Schulsystems. Im Schwerpunktthema des nun als Unterrichtung vorliegenden Berichts (20/4984), der sich auf den Zeitraum Juli 2021 bis Juni 2022 bezieht, hat sich das Institut mit der Umsetzung des Rechts auf Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen befasst.
Dabei beschäftigte die Menschenrechtsexperten vor allem die Frage, wie Deutschland ein inklusives Schulsystem für alle schaffen kann – etwas, zu dem die UN-Behindertenrechtskonvention Deutschland verpflichtet.
Denn trotz der Unterzeichnung und Ratifizierung der Konvention bleibe noch immer vielen Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen der Zugang zu einem inklusiven Schulsystem „de facto verwehrt“. In der Folge seien selbstbestimmte Lebensgestaltung und zukünftige gesellschaftliche Teilhabe „wesentlich beeinträchtigt“.
Die Experten plädieren daher für eine stärkere Zusammenarbeit von Bund und Ländern: Deutschland brauche eine „Gesamtstrategie für inklusive Bildung, deren Kernelement eine stärkere Kooperation von Bund und Ländern im Bildungsföderalismus sein sollte“, heißt es im Bericht. Der Bund könne sich seiner „Gesamtverantwortung zur Umsetzung eines inklusiven Schulsystems nicht durch Verweis auf die Länderzuständigkeit im Bildungsbereich entziehen“, mahnen zudem die Menschenrechtsexperten.
Weitere Themen, denen sich das Institut als unabhängige Stelle in staatlichem Auftrag gewidmet hat, waren unter anderem die menschenrechtlichen Schutzpflichten im Rahmen der Klimapolitik, der Umgang mit Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen zu Belarus, fehlende Regelungen zum Schutz älterer Menschen, Belange von Menschen mit Behinderungen im Gesundheitswesen und in der Gesundheitspolitik sowie eine kindgerechte Justiz zur Gewährleistung von Kinderrechten.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 771 vom 22.12.2022
Der Bundesregierung liegen nach eigenem Bekunden keine Erkenntnisse vor, dass häusliche Gewalt in familiengerichtlichen Verfahren systematisch nicht angemessen berücksichtigt würde. Das schreibt sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (20/4836). Die Abgeordneten hatten unter anderem gefragt, welche Maßnahmen die Bundesregierung plant, „um die Missstände über die Verharmlosung häuslicher Gewalt in familiengerichtlichen Verfahren, die in engem Zusammenhang stehen mit der zunehmenden Verwendung des Konzepts der ‚elterlichen Entfremdung‘ […] aufzuklären und ggf. gegenzusteuern“.
In diesem Zusammenhang verweist die Bundesregierung auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, der zur Stärkung des Schutzes von Betroffenen häuslicher Gewalt folgenden Auftrag vorsehe: „Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.“ Wie genau dieser Auftrag gesetzlich umgesetzt werden kann, prüft die Regierung laut Antwort aktuell. „Konkrete Aussagen zur gesetzlichen Ausgestaltung und zum weiteren Gesetzgebungsverfahren sind derzeit noch nicht möglich“, heißt es weiter.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 766 vom 20.12.2022
Studie untersucht, welche Rolle geografische Verteilung von Privatschulen für Besuch selbiger spielt – Privatschulen im Osten Deutschlands breiter verteilt als im Westen – Bei Nähe zum Wohnort schicken privilegierte Haushalte ihre Kinder eher auf Privatschulen, einkommensschwache und bildungsferne Haushalte jedoch nicht
Immer mehr Schüler*innen in Deutschland gehen auf Privatschulen – aber längst nicht aus allen Familien: Vor allem Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen und bildungsfernen Haushalten und solchen mit Migrationshintergrund sind dort deutlich unterrepräsentiert. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) unter Beteiligung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) geht der Frage nach, welche Rolle die Entfernung vom Wohnort zur Privatschule für die Zusammensetzung der Schüler*innenschaft an dieser spielt. Das Ergebnis in Kürze: eine untergeordnete Rolle. Zwar sind einige Gruppen „entfernungssensibler“ als andere – so wählen beispielsweise Haushalte mit hohem Einkommen und einem Hochschulabschluss der Eltern insbesondere in Ostdeutschland deutlich eher eine private Schule für ihre Kinder, wenn sie in deren Nähe wohnen. Bei einkommensschwächeren Haushalten mit niedrigem Bildungsniveau ist das allerdings nicht der Fall. Wie die Analysen außerdem zeigen, liegt das zwar teilweise, aber nicht allein am Schulgeld für Privatschulen.
„Haushalte mit niedrigem Einkommen und ohne Hochschulbildung scheinen private Schulen oft gar nicht als Option wahrzunehmen, selbst wenn sie in direkter Nähe wohnen“, sagt Felix Weinhardt, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Bildung und Familie im DIW Berlin und Professor an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). „Womöglich liegt das auch an den pädagogischen Konzepten oder mangelnder Kenntnis von diesen. Da das Schulgeld allein jedenfalls keine Erklärung ist, braucht es unter anderem ein zugänglicheres Informationsangebot über Privatschulen, um diese für alle interessant zu machen.“
Öffentliche Schulen sollten sich verstärktem Wettbewerb mit Privatschulen stellen
Für die Studie hat Weinhardt gemeinsam mit Laura Schmitz aus der Abteilung Bildung und Familie des DIW Berlin und Marcel Helbig vom WZB Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und amtliche Schuldaten ausgewertet. Insgesamt umfasst der Datensatz mehr als 7.000 Schüler*innen in den Jahren 2002 bis 2019. Um die Bedeutung der Entfernung zwischen Wohnort und Privatschule untersuchen zu können, wurden die Informationen anonymisiert mit geografischen Daten bis hin zu den Koordinaten von Straßenblöcken verknüpft.
Die Analyse ergibt, dass Privatschulen im Osten Deutschlands breiter und zufälliger verteilt sind. „Es gibt sie also nicht nur dort, wo in erster Linie einkommensstarke und Akademiker*innenhaushalte wohnen“, erklärt Co-Autorin Laura Schmitz. In Westdeutschland hingegen siedeln sich Privatschulen vorwiegend in Großstädten an. Dort leben zwar auch einkommensschwächere Haushalte und solche mit Migrationshintergrund in der Nähe – dennoch bleiben sie an Privatschulen unterrepräsentiert.
„Politisch sollte Priorität haben, das öffentliche Bildungssystem für Akademiker*innenhaushalte wieder attraktiver zu machen, damit diese sich nicht zunehmend für Privatschulen entscheiden.“ Felix Weinhardt
Auch in den Bundesländern, in denen eine rechtliche (Rheinland-Pfalz) oder faktische Schulgeldfreiheit an Privatschulen (Nordrhein-Westfalen und Saarland) herrscht, gibt es soziale Ungleichheiten beim Privatschulbesuch. „Abgesehen davon, dass das Schulgeld laut Grundgesetz ohnehin niemanden an einem Privatschulbesuch hindern dürfte: Wenn sozial benachteiligte Haushalte Privatschulen gar nicht als Alternative zu staatlichen Schulen wahrnehmen, würden auch restriktivere Schulgeldmodelle die bestehenden Ungleichheiten kaum verändern“, so Marcel Helbig vom WZB.
Neben zugänglicheren Informationen über Privatschulen und deren Angebote könnte auch eine stärkere öffentliche Förderung ein Weg sein. „Letztlich sollte politisch aber Priorität haben, das öffentliche Bildungssystem für Akademiker*innenhaushalte wieder attraktiver zu machen, damit diese sich nicht zunehmend für Privatschulen entscheiden“, so Weinhardt. „Diesem Wettbewerb sollten sich die staatlichen Schulen stellen.“
Deutschlandweite Befragung von fast 2.700 Jugendlichen mit Behinderung zeigt Vielfalt ihrer Lebenswelten
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Jugendliche mit geistiger Behinderung von der digitalen Transformation der Gesellschaft ausgeschlossen werden könnten. Und inklusiv beschulte Jugendliche häufiger Ausgrenzung oder Diskriminierung in der Schule erleben als diejenigen in Förderschulen. Dies sind zwei Ergebnisse der breit angelegten Studie „Aufwachsen und Alltagserfahrungen von Jugendlichen mit Behinderung“, die das Deutsche Jugendinstitut (DJI) im Auftrag der Baden-Württemberg Stiftung durchgeführt hat. Fast 2.700 Jugendliche mit Behinderung der siebten bis zehnten Klasse wurden hierfür deutschlandweit zu den Themenbereichen Freizeit, Freundschaften und soziale Beziehungen sowie Autonomie und Verselbstständigung befragt.
Als Hinweis auf die Form der Beeinträchtigung wurde der sonderpädagogische Förderbedarf herangezogen. Dieser gliedert sich in die Kategorien Sehen, Hören, Sprache, Lernen, körperliche und motorische Entwicklung, emotionale und soziale sowie geistige Entwicklung. Etwa ein Drittel der Teilnehmenden hat zwei oder mehr Förderbedarfe.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Jugendliche mit Behinderung eine heterogene Gruppe darstellen, deren Lebenssituationen sehr vielfältig sind“, betont Dr. Shih-cheng Lien, die gemeinsam mit George Austin-Cliff und Johann Hartl die Studie am DJI leitete. „Wir sehen schon an vielen Stellen einen Zusammenhang zwischen den Erfahrungen der jungen Menschen einerseits und der Form und dem Grad der Beeinträchtigung andererseits; aber auch andere Faktoren wie zum Beispiel die Wohnsituation können eine erhebliche Rolle spielen. Jugendliche, die in einem Wohnheim oder Internat wohnen, berichten häufiger als diejenigen, die mit ihrer Familie leben, dass sie zu viel Freizeit alleine verbringen; die gleiche Tendenz zeigt sich auch bei Jugendlichen mit emotionalen und sozialen Schwierigkeiten im Vergleich zu Jugendlichen mit anderen Formen von Beeinträchtigung.“ Um Barrieren zu erkennen und anschließend abzubauen, ist daher immer eine differenzierte Betrachtung der konkreten Lebenslagen erforderlich.
Die Baden-Württemberg Stiftung hatte die Studie in Auftrag gegeben, um Jugendliche mit Behinderung stärker in den Fokus zu rücken und erstmals eine überregionale Beschreibung von deren Lebenssituation zu erhalten. „Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse, um die Alltags-, Bildungs- und Freizeiterfahrungen junger Menschen mit Behinderung zu verbessern“, sagt Christoph Dahl, Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung. „Wir werden uns die Ergebnisse ganz genau anschauen und überlegen, wo wir programmatisch anknüpfen können.“
Jugendliche mit geistiger Behinderung sind häufig von digitaler Teilhabe ausgeschlossen
93 Prozent der Befragten sagen, dass sie ein eigenes Smartphone haben. Andere, allgemeine Jugendstudien kommen auf einen vergleichbar hohen Anteil, was nahelegt, dass dieses für soziale Teilhabe unverzichtbare Gerät genauso wie bei allen anderen auch zu einem Bestandteil des Alltags von Jugendlichen mit Behinderung geworden ist. Dennoch zeichnen sich Hürden bei der digitalen Teilhabe vor allem bei Jugendlichen mit geistiger Behinderung sowie bei Jugendlichen mit mehreren Formen von Beeinträchtigung ab. Zum einen besitzen sie seltener als der Durchschnitt der Befragten ein eigenes Smartphone und sind im Internet weniger aktiv. Zum anderen wird ihr Internetverhalten häufiger von Erwachsenen überwacht. „Heutzutage setzt soziale Teilhabe digitale Teilhabe voraus, weswegen eine stärkere und differenzierte Förderung der Medienkompetenzen der Jugendlichen notwendig ist“, meint George Austin-Cliff. Um technische Benachteiligungen abzubauen, sollte zudem bei der Entwicklung neuer Hard- und Software Barrierefreiheit konsequenter mitgedacht werden, etwa durch alternative Darstellungs- und Steuermöglichkeiten.
Ausgrenzung oder Diskriminierung erfolgen häufig in der Schule
Wichtige soziale Orte Jugendlicher sind Schulen. Wenn Jugendliche mit Behinderung Ausgrenzung oder Diskriminierung erfahren, erleben sie diese meist dort. Davon sind Jugendliche in inklusiven Regelschulen häufiger betroffen als Jugendliche in Förderschulen. „Vor allem in den Regelschulen müssen Lehr- und Fachkräfte unterstützt werden, um Ausgrenzung frühzeitig zu erkennen und dem entgegenzuwirken. Auch braucht es tragfähige Schutzkonzepte, damit etwa Schülerinnen und Schüler, mit und ohne Behinderung, lernen, mit Vielfalt und Differenz umzugehen“, erklärt Johann Hartl. Zentral hierfür ist ebenfalls die Förderung einer allgemeinen Haltung, die gesellschaftliche Vielfalt wertschätzt und Menschen mit Behinderung in ihrer Gleichberechtigung anerkennt.
An Kolleginnen und Kollegen richten die DJI-Forschenden die Empfehlung, Inklusivität als Gütekriterium für das eigene Forschungshandeln anzuerkennen und bisher nicht berücksichtigte Gruppen junger Menschen künftig systematisch einzubeziehen. Sozialwissenschaftliche Jugendforschung, die den Anspruch erhebt, soziale Wirklichkeit empirisch zu beschreiben, kann davon nur profitieren. Bisher galt es beispielsweise als schwer umsetzbar, Jugendliche mit unterschiedlichen Formen von Beeinträchtigungen in großer Zahl direkt zu befragen. Die Forschenden des DJI entwickelten deshalb einen Fragebogen, der in unterschiedlichen Modi angeboten und in Umfang und Komplexität angepasst werden konnte.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Jugendinstitut e.V. vom 15.12.2022
Neue Studie belegt hohe Wechselbereitschaft von Vätern für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Für Väter ist eine gelingende Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein sehr wichtiges Anliegen. Deutlich wird dies durch die Bereitschaft der Väter, ihre Arbeitsstelle zu wechseln. Das zeigt die Studie „Wie väterfreundlich ist die deutsche Wirtschaft?“ der Prognos AG im Auftrag des Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“: Rund 450.000 Väter in Deutschland haben schon einmal den Arbeitgeber zugunsten einer besseren Vereinbarkeit gewechselt. Und mehr als 1,7 Millionen Väter denken darüber häufig oder zumindest manchmal nach. Diese hohe Wechselbereitschaft ist gerade in den aktuellen Zeiten des Fachkräftemangels ein großes Unternehmensrisiko.
Bundesfamilienministerin Paus: „Wer sich nicht um die Wünsche der Väter kümmert, geht das Risiko ein, sie zu verlieren. Die Studie zeigt eindrücklich, dass Arbeitgeber*innen Väter im eigenen Interesse mehr unterstützen müssen, wenn sie sie im Betrieb halten wollen. Von einer väterfreundlichen Personalpolitik profitieren alle: die Mutter, die mit dem Kind entlastet wird, die Partnerschaft, weil Aufgaben zu Hause geteilt werden, die Kinder, die mehr Zeit mit ihren Vätern haben – und die Wirtschaft, denn Mütter können mehr arbeiten, wenn Väter mehr Verantwortung in der Familie übernehmen. Auch die Politik wird ihren Beitrag leisten: Wir planen im kommenden Jahr die Weichen dafür stellen, dass Partner*innen künftig nach der Geburt ihres Kindes eine zweiwöchige vergütete Partnerfreistellung bekommen können.“
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist die unterschiedliche Einschätzung der Väterfreundlichkeit von Unternehmen und berufstätigen Vätern: Väter bewerten ihre Unternehmen deutlich seltener als sehr väterfreundlich als dies die Unternehmensverantwortlichen tun (38% vs. 63%). Das entsprechende Angebot ist zwar gut aufgestellt, jedoch ist betriebliche Väterfreundlichkeit nur wirksam, wenn Personalmaßnahmen in eine väterbewusste Unternehmenskultur eingebettet werden und die Anliegen der Väter von Führungskräften thematisiert und ernst genommen werden.
Entsprechend lautet die Empfehlung an die Unternehmen in Deutschland, ihre Väterfreundlichkeit im eigenen Interesse zu stärken, um ihre Zukunftsfähigkeit mit Blick auf den gesellschaftlichen und demografischen Wandel zu sichern und um Wettbewerbsvorteile auf dem Arbeitsmarkt zu realisieren.
Die Studie basiert auf zwei repräsentativen Befragungen von 600 Personalverantwortlichen bzw. Geschäftsführungen sowie von 1.000 erwerbstätigen Vätern mit minderjährigen Kindern. Sie können die Studie hier herunterladen.
Rund 399 000 Personen bezogen Ende 2021 Asylbewerberregelleistungen
Ein Drittel der Leistungsempfängerinnen und -empfänger waren minderjährig
Häufigste Herkunftsländer der Leistungsberechtigten waren Afghanistan, Irak und Syrien
Rund 399 000 Personen in Deutschland haben am Jahresende 2021 Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bezogen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stieg die Zahl der Leistungsbezieherinnen und -bezieher damit gegenüber 2020 um 4,3 % oder 17 000 Personen. Das war der erste Anstieg der Zahl der Regelleistungsbezieherinnen und -bezieher seit dem Jahr 2015.
Leistungsberechtigt sind Ausländerinnen und Ausländer, die sich im Bundesgebiet aufhalten und eine der Voraussetzungen nach § 1 AsylbLG (Stand: 31.12.2021) erfüllen. Dabei wird unterschieden zwischen Regelleistungen und besonderen Leistungen. Zu den Regelleistungen zählen Grundleistungen zur Deckung des (persönlichen) notwendigen Bedarfs nach § 3 AsylbLG und Leistungen in besonderen Fällen nach § 2 AsylbLG. Leistungen in besonderen Fällen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und Teil II des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten Personen, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung in Deutschland aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, etwa durch die Angabe einer falschen Identität.
61 % der Regelleistungsempfängerinnen und -empfänger am Jahresende 2021 waren männlich und 39 % weiblich. 34 % waren minderjährig, 65 % zwischen 18 und 64 Jahren alt und etwa 1 % waren 65 Jahre und älter. Die meisten Leistungsberechtigten stammten aus Asien (56 %), 20 % stammten jeweils aus Afrika und Europa. Die drei häufigsten Herkunftsländer waren Afghanistan und Irak mit jeweils 13 % und Syrien (12 %) aller Leistungsberechtigten.
171 050 Empfängerinnen und Empfänger besonderer Asylbewerberleistungen
Neben den Regelleistungen können nach dem AsylbLG auch besondere Leistungen in speziellen Bedarfssituationen gewährt werden. Hierzu zählen Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 AsylbLG, Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten (§ 5 AsylbLG), sonstige Leistungen nach § 6 AsylbLG sowie nach § 2 AsylbLG Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel SGB XII und Teil II des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch. Ende 2021 erhielten 171 050 Personen besondere Leistungen. Darunter waren 2 985 Leistungsberechtigte, die ausschließlich Anspruch auf besondere Leistungen hatten.
Weitere Informationen:
Weitere Ergebnisse zu den Empfängerinnen und Empfängern von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bieten die Tabellen auf der Themenseite „Asylbewerberleistungen“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes.
Detaillierte Informationen zu den Bruttoausgaben nach dem AsylbLG (Tabelle 22211), zu den besonderen Asylbewerberleistungen (22231) und Leistungen für Bildung und Teilhabe (22251) sind zudem in der Datenbank GENESIS-Online abrufbar.
Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 21.12.2022
Caritas fordert praxisgerechtere Methode zur Berechnung der Grundsicherungsleistungen
Der 1. Januar 2023 ist der Tag, an dem verschiedene wichtige Gesetze in Kraft treten – namentlich das Bürgergeldgesetz. Damit hat die Bundesregierung allen Krisen und Streitigkeiten zum Trotz ein wichtiges Reformvorhaben im Zeitplan umgesetzt. „Gerade in der aktuellen Phase allgemeiner Unsicherheit und Krisenerfahrung ist es ein starkes Signal, dass der Vermittlungsvorrang wegfällt und die Zwangsverrentung ausgesetzt wird,“ betont Caritas-Präsidentin Eva M. Welskop-Deffaa.
Inflation frisst höhere Leistungen im Bürgergeld
Die seit Monaten ungewohnt hohen Inflationsraten führen allerdings dazu, dass die mit dem Bürgergeldgesetz beschlossenen Erhöhungen der Regelbedarfsleistungen von den Preissteigerungen sofort aufgefressen werden. „Faktisch haben die Menschen im SGB-II-Leistungsbezug jetzt nicht mehr, sondern weniger Kaufkraft zur Verfügung. Die politisch Verantwortlichen müssen genau hinschauen, wie sich die Teuerungsraten in den kommenden Wochen entwickeln und schnell nachbessern“, fordert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Die Verfassungskonformität der Grundsicherungsleistungen bemesse sich daran, dass sie nachvollziehbar so berechnet sind, dass das Existenzminimum tatsächlich abgesichert ist.
„Wir müssen endlich an die Methodik der Kalkulation ran. Das fordert der Deutsche Caritasverband seit langem. Und die Forderung ist durch die galoppierende Preisentwicklung nur umso dringlicher geworden“, so Welskop-Deffaa. Die zeitliche Verzögerung der Anpassung, aber auch die unzureichende Berücksichtigung der Stromkosten sind zwei Punkte, die dem Verband besonders am Herzen liegen.
Bessere Chancen im Arbeitsmarkt
Das neue Bürgergeld wird den Menschen helfen, Wege aus Hilfsjobs und Langzeitarbeitslosigkeit zu finden und eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt zu befördern, weil es bessere Beratung, weniger Bürokratie sowie mehr Aus- und Weiterbildung geben soll. „Das Weiterbildungsgeld und die Weiterbildungsprämie können ein entscheidender Anreiz für Menschen sein, sich auch nach einer längeren Phase der Erwerbslosigkeit neu für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren“, unterstreicht Welskop-Deffaa. „Wir hoffen sehr, dass die Jobcenter mit ausreichend Ressourcen ausgestattet werden, um die Reformen dem Geist des neuen Bürgergeldes entsprechend für die Menschen praktisch umzusetzen.“ Hintergrund Das Bürgergeld kommt 2023 in zwei Stufen: Zum ersten Januar werden die Regelleistungen erhöht. Die Angemessenheit der Wohnung wird erst nach zwölf Monaten geprüft. Vermögen bleibt bis zu 40.000 Euro ebenfalls ein Jahr geschützt. Zum ersten Juli greift die zweite Stufe, in der die Eingliederungsvereinbarung durch den Kooperationsplan ersetzt und die Weiterbildungsförderung ausgebaut wird.
Die weiter gestiegene Zahl vermisster Flüchtlingskinder in Deutschland gibt nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes Anlass zu großer Beunruhigung. Nach aktuellen Angaben des Bundeskriminalamtes sind derzeit 2.009 Kinder und Jugendliche, die als unbegleitete Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, im Informationssystem der Polizei (INPOL) als vermisst eingetragen. Seit Beginn des letzten Jahres ist diese Zahl damit um 10 Prozent gestiegen und auf dem höchsten Stand seit drei Jahren. Deshalb müssen aus Sicht der Kinderrechtsorganisation die Aufklärungsmaßnahmen zum Schutz dieser Kinder verstärkt werden.
„Die gestiegenen Zahlen bei den vermissten Flüchtlingskindern zeigen, dass grenzübergreifende und nationale Kinderschutzsysteme sowie die damit verbundenen Erfassungssysteme verbessert werden müssen. Nur so können Kinder und Jugendliche, die nach Europa flüchten, von Anfang an besser unterstützt und geschützt werden. Bisher wissen wir zu wenig über die Situation der vermissten Kinder. Deshalb gilt es dringend, die Gründe besser zu erforschen, warum die Kinder vermisst werden und in welchen Lebenssituationen sie sich befinden. Nur wenn die Ursachen für das Verschwinden klarer sind, kann zielgerichtet in Präventionsmaßnahmen investiert werden. Zudem sind gut ausgestattete Kinder- und Jugendhilfesysteme, zeitnah gesicherte Aufenthaltsperspektiven und Möglichkeiten des Familiennachzugs von besonderer Bedeutung“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Gleichzeitig sehen wir, dass die Kinder- und Jugendhilfesysteme in vielen Kommunen nur unzureichend mit der gestiegenen Zahl unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter Schritt halten. Standards bei der Betreuung und Unterbringung sind teils außer Kraft gesetzt. Auch das ist kinderrechtlich höchst problematisch. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass Flüchtlingskinder zu Verwandten weitergereist sind oder es bei ihrer Umverteilung Fehler in der Datenerfassung gibt. Aber dazu gibt es nach unserem Kenntnisstand überhaupt keine belastbaren Zahlen, nicht einmal Näherungswerte, die es erlauben würden, auch nur annähernd einzuschätzen, wie viele Kinder und Jugendlichen betroffen sind. Außerdem müssen wir davon ausgehen, dass es auch Flüchtlingskinder gibt, die nach ihrer Einreise in Deutschland gar nicht erfasst worden sind. Insofern gibt es auch noch eine gewisse Dunkelziffer, aber auch hier gibt es keinerlei verlässliche Zahlen. Wir müssen also im Interesse der betroffenen Kinder die möglichen Risikolagen ernst nehmen. Schließlich weist das Bundeskriminalamt selbst darauf hin, dass bei vermissten Kindern grundsätzlich von einer Gefahr für Leib oder Leben ausgegangen werden muss, solange die Ermittlungen nichts anderes ergeben“, so Hofmann weiter.
In einigen europäischen Ländern erfolgt eine Einschätzung der Schutzbedürftigkeit, wenn unbegleitete Minderjährige vermisst werden. Dies sollte aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes auch in Deutschland Standard werden. Hier ist die Bundesregierung gefordert, entsprechend tätig zu werden.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 06.01.2023
Es wird ernst, jetzt läuft der Endspurt: Noch knapp zwei Wochen besteht die Möglichkeit, sich um den Deutschen Kinder- und Jugendpreis des Deutschen Kinderhilfswerkes zu bewerben. Mit der Auszeichnung werden Projekte gewürdigt, bei denen Kinder und Jugendliche beispielhaft an der Gestaltung ihrer Lebenswelt mitwirken. Der Deutsche Kinder- und Jugendpreis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und damit der höchstdotierte bundesweite Preis für Kinder- und Jugendbeteiligung in Deutschland. Langjähriger Partner ist der Europa-Park in Rust. Die Bewerbungsfrist endet am 15. Januar 2023. Die Preisverleihung findet am 03. Juli 2023 im Europa-Park statt. Neben der Bekanntgabe der Gewinnerprojekte erwartet die Teilnehmenden dort ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm mit Musik-Acts und Prominenten, die das Engagement der Kinder und Jugendlichen wertschätzen.
„Die Beteiligung von Kindern ist ein zentraler Wert einer demokratischen Gesellschaft. Mit dem Deutschen Kinder- und Jugendpreis zeichnen wir das Engagement von Kindern und Jugendlichen für ihre eigenen Rechte oder die Rechte anderer aus. Gleichzeitig weisen wir darauf hin, wie wichtig der Beitrag von Kindern und Jugendlichen für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft ist. Kinder und Jugendliche, die sich aktiv bei der Entwicklung und Umsetzung von Projekten einbringen, engagieren sich auch als Erwachsene eher an der Gestaltung des Gemeinwesens. Mit der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wird somit ein wesentlicher Grundpfeiler unserer Demokratie gestärkt. Wir sind dieses Jahr wieder auf die Einsendung von einfallsreichen Angeboten, die mit viel Kreativität der Kinder und Jugendlichen umgesetzt werden, sehr gespannt“, sagt Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Mit dem Deutschen Kinder- und Jugendpreis wirbt das Deutsche Kinderhilfswerk im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention für eine stärkere Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Fragen und Belangen. Um ihre aktive Teilnahme zu sichern, stellt das Deutsche Kinderhilfswerk Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses. Nur so fühlen sie sich wertgeschätzt und lernen Demokratie. Zudem werden die Projekte der Kinder und Jugendlichen im Rahmen der Preisverleihung in besonderer Weise öffentlich gewürdigt.
Vergeben wird der Preis in den Kategorien Solidarisches Miteinander, Politisches Engagement und Kinder- und Jugendkultur. Die Gewinner des 1. Platzes jeder Kategorie erhalten ein Preisgeld in Höhe von 6.000 Euro. Außerdem wird es in jeder Kategorie eine lobende Erwähnung geben, die mit 3.000 Euro dotiert ist. Zusätzlich wird ein Projekt mit dem Europa-Park JUNIOR CLUB Award ausgezeichnet, der mit einem Preisgeld von 3.000 Euro gewürdigt wird.
Die Bewerbung erfolgt online unter www.dkhw.de/dkjp. Dort sind weitere Informationen sowie Hinweise zum Ausfüllen der Bewerbung aufgeführt. Die Vorhaben sollen bereits begonnen haben oder im letzten halben Jahr abgeschlossen worden sein. Für die Endauswahl werden je Kategorie sechs Projekte durch eine Fachjury nominiert. Danach wird der Kinder- und Jugendbeirat des Deutschen Kinderhilfswerkes als Kinderjury die Preisträgerinnen und Preisträger ermitteln. Kinder und Jugendliche der Gewinnerprojekte für den Deutschen Kinder- und Jugendpreis werden zur Preisverleihung in den Europa-Park in Rust eingeladen und erhalten während der Veranstaltung die Möglichkeit, ihr Projekt direkt auf der Bühne vorzustellen. Zusätzlich wird von jedem Gewinnerprojekt sowie von den lobenden Erwähnungen ein Kurzfilm gedreht, der zur Vorstellung des Engagements dient.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 03.01.2023
Das Deutsche Kinderhilfswerk appelliert zum Jahresbeginn an Bund, Länder und Kommunen, in diesem Jahr die Kinderrechte endlich umfassend zu einer Leitlinie von Politik, Rechtsprechung und Verwaltungshandeln zu machen. „Derzeit brennt es an allen Ecken und Enden. In den Kitas, in den Schulen, bei der Versorgung von Kindern in Krankenhäusern und mit Medikamenten. Das alles ist das Ergebnis einer Politik, die Kinderinteressen über Jahre systematisch ausgeblendet hat und es vielfach noch immer tut. Deshalb gehören die Interessen und Rechte von Kindern und Jugendlichen endlich als ein vorrangiger Gesichtspunkt ins Zentrum politischen Handelns. Dafür braucht es zuvorderst eine Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, eine aktive Politik zur Überwindung der Kinderarmut in Deutschland sowie eine deutliche Stärkung der demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Wirksame Maßnahmen für ein kinderfreundliches Deutschland gehören auf der politischen Agenda ganz nach oben, nicht allein im besten Interesse der Kinder und Jugendlichen selbst, sondern letztlich für nichts weniger als die Sicherung der Zukunftsfähigkeit unserer gesamten Gesellschaft. Obwohl Kinderfreundlichkeit in Sonntagsreden immer wieder beschworen wird, kommt der Kinder- und Jugendpolitik nach wie vor nicht der Stellenwert zu, den dieses Zukunftsthema verdient“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Der Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz kommt aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes besondere Bedeutung zu. „Deshalb brauchen wir zügig einen neuen Anlauf zur verfassungsmäßigen Verankerung der Kinderrechte, um eine nachhaltige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention sicherzustellen. Dabei müssen die Kinderrechte auf Förderung, Schutz und Beteiligung sowie der Kindeswohlvorrang Grundlage der Normierung sein. Es braucht im Grundgesetz einen eigenen Artikel für die Kinderrechte, die unabhängig von den Elternrechten und ohne mit ihnen in Konflikt zu geraten gegenüber dem Staat gelten. Kinderrechte im Grundgesetz könnten sich mit eindeutigen Formulierungen für Kinder und Jugendliche positiv bei der Planung und Gestaltung in allen Politikfeldern auswirken und auch zu einem Umdenken in der Verwaltung führen“, so Krüger weiter.
Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert die Bundesregierung nachdrücklich dazu auf, neben der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz weitere wirksame Maßnahmen für ein kinderfreundliches Deutschland auf den Weg zu bringen. „Wir müssen endlich das strukturelle Problem der Kinderarmut nachhaltig beseitigen. Viele Familien trifft die Inflation und die Energiekrise mit beispielloser Wucht. Sie geraten über die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten, sind finanziell schlicht am Ende. Wir brauchen deshalb schnellstmöglich eine Kindergrundsicherung, die ihren Namen verdient. Gerade Familien mit wenig Einkommen kann die Kindergrundsicherung dazu verhelfen ihre Kinder zu versorgen, ohne auf weitergehende staatliche Unterstützung angewiesen zu sein. Bis zu ihrer Einführung muss es deutlichere Aufschläge auf die Transfersysteme geben als bisher geplant“, so Krüger weiter.
„Zudem sollte die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an sie betreffenden Entscheidungen endlich zu einer Selbstverständlichkeit werden. Verbindliche Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen müssen systematisch ausgebaut und strukturell verankert werden, zuvorderst im Grundgesetz. Kinder und Jugendliche werden durch frühe Beteiligungserfahrungen in ihren sozialen Kompetenzen gefördert, gleichzeitig leistet frühe Beteiligung von Kindern einen fundamentalen Beitrag zur langfristigen Stärkung unserer Demokratie. Hier kann das geplante Demokratiefördergesetz eine gute Grundlage bilden. Kinder dürfen nicht als eine Altersgruppe begriffen werden, die auf demokratische Mitwirkung im Erwachsenenalter vorbereitet wird, sondern die bereits als Kinder konstitutiver Teil der gesamtgesellschaftlichen demokratischen Praxis sind. Daher ist es im Feld der Demokratiearbeit unverzichtbar, demokratische Kompetenzen sowie ein Miteinander zu fördern, in dem Vielfalt wertgeschätzt wird sowie alle Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit erhalten, dieses aktiv mitzugestalten“, sagt Thomas Krüger.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 01.01.2023
Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert deutliche Nachbesserungen bei den ab Januar geltenden Bürgergeld-Regelsätzen für Kinder und Jugendliche. „Bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland können wir nicht auf die Kindergrundsicherung, die im Jahr 2025 kommen soll, warten. Wir brauchen jetzt eine signifikante Erhöhung der Transferleistungen, ohne die es bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland einen drastischen Rückschlag geben wird. Trotz der ab Januar vorgesehenen Verbesserungen bei den Regelsätzen wird das Geld in vielen Familien vorne und hinten nicht reichen. An dieser Stelle sollten mehr finanzielle Mittel in die Hand genommen werden, um allen Kindern und Jugendlichen ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen. Dabei müssen soziale Infrastruktur und monetäre Leistungen ineinandergreifen. Nur so kann das strukturelle Problem der Kinderarmut in Deutschland umfassend beseitigt werden“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Das wichtigste Instrument dafür ist eine Kindergrundsicherung. Wir freuen uns, dass dieses Projekt ganz oben auf der Agenda von Bundesfamilienministerin Paus steht und sind gespannt auf die für nächsten Monat angekündigten Eckpunkte. Das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben muss Referenz der Eckpunkte sein. Wir sehen derzeit, dass viele Familien die Inflation und die Energiekrise mit unfassbarer Wucht treffen. Dadurch geraten Familien mit geringem Einkommen an oder sogar über die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten, viele sind finanziell am Ende. Deshalb braucht es eine gezielte Förderung armer Familien und ihrer Kinder sowie unbürokratische Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen“, so Hofmann weiter.
Wichtig ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes die Erstellung einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland, die mit einer umfassenden Kinder- und Jugendbeteiligung an diesem Prozess einhergehen muss und einen ressortübergreifenden Ansatz braucht. Dieser muss neben monetären Leistungen auch ein starkes Augenmerk auf infrastrukturelle Bedingungen zur Unterstützung von Familien und ihren Kindern legen. Die Kinderarmut in Deutschland kann aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes nur dann effizient und nachhaltig bekämpft werden, wenn alle Maßnahmen zu diesem Zweck in einem Gesamtkonzept verknüpft und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Die Erarbeitung des Nationales Aktionsplans im Rahmen der von Deutschland mitbeschlossenen EU-Kindergarantie kann hierfür einen guten Ansatz bieten.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 27.12.2022
In der Politik gibt es derzeit ein wachsendes Missverhältnis zwischen den Äußerungen zur Bedeutsamkeit von Kindern und Jugendlichen einerseits und dem praktischen Handeln andererseits. Während im politischen Betrieb immer häufiger von mehr Aufmerksamkeit und Gehör für die Belange von Kindern gesprochen wird, fehlt es zunehmend an grundlegenden Voraussetzungen für ihr gutes Aufwachsen und gerechte Zukunftschancen. Besonders augenfällig ist hier die Baustelle der Bildung und Betreuung und das nicht erst seit der Pandemie.
Öffentlichkeitswirksame Bündnisse für die junge Generation allein helfen hier nicht weiter. Den hehren Worten müssen endlich Taten folgen. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen ruft der Familienbund die politischen Entscheidungsträger:innen in Bund und Ländern zu einer aktiven Kinder-, Jugend- und Familienpolitik auf.
Der Familienbund unterstützt die Absicht, Kindern und Jugendlichen mehr Aufmerksamkeit zu schenken sowie sie in gesellschaftlichen Fragen stärker zu berücksichtigen und zu beteiligen. Allerdings entsteht häufig der Eindruck, dass es sich bei entsprechenden Äußerungen eher um Sonntagsreden als um ernstgemeinte Programmatik handelt. Denn obwohl Kinder in der politischen Kommunikation durchaus an Bedeutung gewinnen, erleben viele Familien allen Bekundungen zum Trotz seit Jahren das genaue Gegenteil: ihre Interessen und die ihrer Kinder spielen kaum eine Rolle bei politischen Entscheidungen. An der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche wird trotz marodem Zustand stetig weiter gespart, die finanzielle Unterstützung bleibt oft auf das Nötigste beschränkt und erreicht viele Familien nicht, obwohl sie dringend darauf angewiesen sind. Gerade in der aktuellen Inflations- und Energiekrise. Auch beim Wohnen zeigt sich seit langem eine erschreckende Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen von Familien. Zusätzlich droht aktuell eine katastrophale Unterversorgung von Kindern und Jugendlichen im Gesundheitsbereich. Damit jedoch sind grundlegende Aufgaben der alltäglichen Daseinsvorsorge, der Entwicklungsförderung und der angemahnten Teilhabe von Kindern und Jugendlichen eben gerade nicht (mehr) erfüllt. Man kann es nicht anders sagen, als dass Staat und Politik gegenwärtig gegenüber den Kindern bei ihren Kernaufgaben versagen. Diese Lücke lässt sich allein mit Zuhören nicht schließen.
Den vollständigen Wortlaut des Plädoyers finden Sie hier.
Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken – Bundesverband vom 21.12.2022
LSVD begrüßt geplante Gesetzesänderung durch Gesundheitsminister Lauterbach
Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete, kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach an, das Transfusionsgesetz für die Blutspende ändern zu wollen. Mit der Änderung soll die Bundesärztekammer verpflichtet werden, die Blutspenderichtlinien anzupassen und die Diskriminierung von Männern, die Sex mit anderen Männern haben (MSM), bei der Blutspende zu beseitigen. Dazu erklärtAlfonso Pantisano, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD):Der LSVD begrüßt die geplante Änderung des Transfusionsgesetztes.
Die Abschaffung dieser Diskriminierung war ein langer Weg und ein harter Kampf – und es ist jetzt die langersehnte Einlösung des Versprechens an die queere Community: Es wird besser!
Die Gesetzesänderung und die Reformierung der Blutspenderichtlinie sind längst überfällig. Damit würde die Ampelkoalition ein weiteres Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen. Zukünftig soll nur noch das sogenannte Risikoverhalten darüber entscheiden, wer bei der Blutspende zugelassen wird. Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität sollen mit dem Änderungsantrag keine Ausschluss- oder Rückstellungskriterien mehr sein. Mit der Gesetzesänderung würde auch eine langjährige Forderung des LSVD umgesetzt werden.
Die bisherige Regelung, MSM und trans* Personen per se als Risikogruppe zu betrachten, baut auf Stigmatisierungen von MSM auf, verstärkt diese und reproduziert damit aktiv Diskriminierungen. Es ist falsch, Sexualkontakte zwischen Männern grundsätzlich als Risikoverhalten zu definieren: Die Zahlen der Ansteckung mit HIV zeigen, dass auch bei heterosexuellem Sex eine Übertragung stattfindet. Männer, die Sex mit Männern haben, dürfen nicht länger von der Blutspende ausgeschlossen werden, wenn sie nur geschützte Sexualkontakte mit anderen Männern hatten und HIV-negativ sind!
Dass das individuelle Risikoverhalten maßgeblich zur Auswahl von Spender*innen sein muss, hat der LSVD seit Jahren gefordert. Eine Sexualanamnese, die sich am individuellen Risiko der Spender*innen orientiert, ist sogar geeignet, eine höhere Sicherheit der Blutspenden zu gewährleisten als der bisherige pauschale Ausschluss bzw. Rückstellung bestimmter „Hochrisikogruppen“. Dabei ist es allerdings entscheidend, wie das Risikoverhalten in Zukunft genau definiert ist.
Die Änderung des Transfusionsgesetzes muss sicherstellen, dass Spender*innen auch nicht versteckt nach sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität unterschieden und damit ausgeschlossen werden. Nur so lässt sich Sicherheit von Blutkonserven auch ohne Diskriminierung gewährleisten.
Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linken zu „Forschung und Aufklärung – Studienergebnisse zu Ideologie statt Kindeswohlorientierung in der Praxis von Familiengerichten und Jugendämtern“ geht hervor, dass die Bundesregierung keine Erkenntnisse über solche problematischen Entwicklungen hat und auch keinen Anlass sieht, durch statistische Erhebungen oder Forschungsprojekte die Situation genauer in den Blick zu nehmen. Auch liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, inwiefern häusliche Gewalt in familiengerichtlichen Verfahren systematisch angemessen berücksichtigt wird.
„Dies ist höchstbedenklich, appelliert das Expertengremium des Europarats, GREVIO, in seinem aktuellen Bericht doch nachdrücklich an den deutschen Staat, genau hinzuschauen: die Auswirkungen von gerichtlichen Entscheidungen über das Sorge- und Umgangsrecht auf die Sicherheit von weiblichen Opfern häuslicher Gewalt und ihrer Kinder zu bewerten. Hierzu soll Deutschland die einschlägige Rechtsprechung analysieren und Daten erheben, wie Richter*innen das elterliche Sorge- oder Umgangsrecht im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt einschränken oder entziehen“, konstatiert Daniela Jaspers, Vorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV). „Damit bleibt die Bundesregierung nicht nur die Antwort auf die Kleine Anfrage schuldig, sondern auch die Umsetzung der Istanbul-Konvention“
Auch benennt GREVIO in dem Bericht seine Besorgnis über die in Deutschland weit verbreitete Verwendung des nachweislich unwissenschaftlichen Konzepts der „elterlichen Entfremdung“. Dies werde sogar in der Ausbildung von Jugendamtsmitarbeiter*innen verwendet. „Auch auf diesem Auge scheint die Bundesregierung blind zu sein“, mahnt Jaspers. „So bleiben die Fragen zu problematischen Inobhutnahmen im Zusammenhang mit der Anwendung des Konzepts der elterlichen Entfremdung offen. Die Bundesregierung muss die Verantwortung annehmen, hier genau hinsehen zu müssen. Die Erhebung statistischer Daten ist hier ebenso wenig geplant wie entsprechende Forschungen, aber dringend notwendig.“ GREVIO überwacht in Europa die Umsetzung der Istanbul-Konvention, das Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt.
Quelle: Pressemitteilung Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V. (VAMV) vom 11.01.2023
Veranstalter: Einstein Stiftung Berlin, Förderfonds Wissenschaft in Berlin, Population Europe und Stifterverband
Ort. Berlin
Scheidungs- und Trennungsraten liegen in vielen Länder der westlichen Welt seit Jahrzehnten auf einem hohen Niveau. In den letzten Jahren hat sich jedoch ein grundlegender Wandel vollzogen. Die Scheidungsraten vor allem im späteren Erwerbsalter sind sprunghaft in die Höhe geschnellt. In den USA hat diese Entwicklung ein derartiges Niveau erreicht, dass dort mittlerweile von einer „Gray Divorce Revolution“ gesprochen wird. Inwiefern gilt dieser Befund auch für Deutschland? Welche Rückwirkungen hat eine Scheidung im höheren Alter auf die Gesundheit, auf die Erwerbstätigkeit oder das Risiko einer Frühverrentung? Und wie unterscheiden sich die Scheidungsfolgen für Frauen und Männer? Diese sozialpolitisch wichtigen Fragen werden anhand neuester Forschungen diskutiert.
Anmeldung: Unter https://survey.demogr.mpg.de/index.php/956831?lang=de können Sie sich zu diesem Termin anmelden. Sollten Sie persönlich verhindert sein, können Sie diese Einladung gern an eine interessierte Person in Ihrem Hause weitergeben.
Streaming: Da die Themen von großer gesellschaftlicher Relevanz sind, wird der Vortrag im ersten Teil der Veranstaltung live ins Internet übertragen. Im zweiten Teil haben Sie dann Gelegenheit, mit den Vortragenden in nicht-öffentlicher Runde zu diskutieren. Dabei wird ein Imbiss gereicht.
Das Themenblatt Vielfalt – Individualitäten, Sichtbarkeiten und Abwehrmechanismen lädt ein, sich damit zu beschäftigen Vielfalt wahrzunehmen und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, welche Vielfaltsaspekte es gibt, welche mehr Beachtung erfahren, welche als Norm verstanden und privilegiert werden und welche Vielfaltsdimensionen wiederum unterrepräsentiert oder gar unsichtbar. Außerdem beschäftigt sich das Themenblatt mit verschiedenen Vielfaltdimensionen und Mehrfachzugehörigkeiten im Bereich der frühkindlichen Bildung und der Bedeutung der Vielfaltskompetenz von Fach- und Führungskräften. Die Publikation ist mit der Artikelnummer 12129 am Lager und kann über Verlag & Vertrieb (werbung@awo.org ) bestellt werden. Eine Onlineversion folgt.
Darüber hinaus sind auf der Projekthomepage des Projekts DEVI – „Demokratie stärken. Vielfalt gestalten.“ alle derzeitigen Publikationen & Podcastfolgen aus dem Projekt zusammengetragen und entsprechende Bestell- und Downloadmöglichkeiten verlinkt.
Im Februar haben wir Ihnen den Wegweiser AmkA.Info Online vorgestellt und viel positive Rückmeldung erhalten. Deshalb freuen wir uns sehr darüber, dass unser Online-Portal jetzt auch auf Bulgarisch, Englisch, Rumänisch sowie Ukrainisch verfügbar ist.
Im Wegweiser haben wir eine Vielzahl an Infos zusammengestellt – insbesondere für Menschen, die neu in Frankfurt sind und sich schnell und leicht orientieren möchten. Daher arbeiten wir aktuell an weiteren Übersetzungen. Als nächste Sprachen folgen: Arabisch, Dari, Farsi, Hindi, Italienisch, Koreanisch, Kroatisch, Polnisch, Russisch, Spanisch, Tigrinya und Türkisch.
Zu Themen wie Anmeldung und Aufenthalt, Arbeiten und Studieren in Frankfurt, Gesundheit oder rechtliche Beratung und vielem mehr bietet der Wegweiser eine umfangreiche Übersicht zu Angeboten, Beratungsstellen und Ansprechpersonen in Frankfurt am Main.
Das Portal steht natürlich auch allen Fachkräften von Beratungsstellen, Einrichtungen sowie sonstigen Vereinen und Institutionen zur Verfügung.
Wie Sie bereits wissen, haben wir Sie in unser Portal aufgenommen: In der Kategorie „Anmeldung und Aufenthalt“ und „Einbürgerung und Eheschließung“ sowie „Rechtliche Beratung“ finden Ratsuchende den Kontakt zu Ihrem Angebot.
Die finanzielle Situation pflegender Angehöriger in Deutschland ist zunehmend in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt, dabei wird insbesondere das erhöhte Armutsrisiko informell Pflegender kritisch diskutiert. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass die Bedeutung informeller Pflege weiter steigen wird. Der demographische Wandel erhöht die Nachfrage nach informeller Pflege, während durch eine höhere Frauenerwerbstätigkeit und Anhebungen des Renteneintrittsalters immer mehr Menschen Beruf und Pflegetätigkeit vereinen müssen. Oft ist diese Vereinbarkeit schwierig und geht mit einem reduzierten Erwerbseinkommen einher. Bislang gibt es noch keine geregelte monetäre Entschädigung informell Pflegender, Diskussionen über mögliche Lohnersatzleistungen stehen aber seit einigen Jahren auf der politischen Agenda. […]
Mit dem „Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter“ (Ganztagsförderungsgesetz – GaFöG) wird ab dem 1. August 2026 stufenweise ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für alle Kinder im Grundschulalter eingeführt und der hierfür erforderliche Infrastrukturausbau unterstützt. Das GaFöG ist demnach Grundlage für den quantitativen wie auch qualitativen Ausbau von ganztägigen Bildungsangeboten.
Die AWO möchte vor dem Hintergrund des im Koalitionsvertrag benannten Ziels zur Entwicklung eines Qualitätsrahmens zur Diskussion um die Ausrichtung des gelingenden Ausbaus von Angeboten zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter beitragen, indem die Perspektive der Kinder als ein maßgebliches Kriterium für einen guten Ganztag fokussiert wird.
Im Anschluss an das ausdrückliche Ziel der Bundesregierung, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern und die Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention als Orientierungsrahmen zu verstehen, argumentiert die AWO für verbindliche Qualitätsdimensionen beim Ausbau von Angeboten der Ganztagsförderung für Grundschulkinder. Das Ziel des GaFöG, mehr Chancengerechtigkeit und eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wird nur erreicht, wenn alle Kinder in diesem Land gleichermaßen die Chance zur Teilhabe an qualitativ hochwertigen Angeboten ganztägiger Förderung erhalten.
Die Forderung ist auf AWO.org erreich- und teilbar.
Berlin, 10.01.2023 – Zum 1. Januar 2023 übernimmt Sophie Schwab den Staffelstab im ZFF und startet als neue Geschäftsführerin.
Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Wir freuen uns sehr, mit Sophie Schwab eine kompetente neue Geschäftsführerin für das ZFF gefunden zu haben und sagen „Herzlich Willkommen“! Gleichzeitig danken wir unserem langjährigen Geschäftsführer Alexander Nöhring für sein Engagement und seine Arbeit und wünschen ihm alles Gute für seine neuen beruflichen Aufgaben beim AWO Bundesverband e.V.
Als studierte Sozialarbeiterin und Sozialwissenschaftlerin ist Sophie Schwab mit den Themen des ZFF sehr vertraut: Nach ihrem Job in der offenen Jugendarbeit, wurde sie stellv. Frauenbeauftragte der ASH Berlin. Danach ging sie als Referentin für Sozialpolitik zum AWO Bundesverband. Ins ZFF wechselt sie nun nach einigen Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team von Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, MdB (Bündnis 90/ Die Grünen).
Wir freuen uns auf die gemeinsame Zeit mit Sophie Schwab und wünschen Ihr einen guten Start!“
In diesen Tagen wird der Koalitionsvertrag der Ampelparteien ein Jahr alt. Das Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) hat von Anfang an die familien- und gleichstellungspolitischen Pläne der Ampelparteien begrüßt. Nach einem Jahr ziehen wir aber eine ernüchternde Bilanz: Viele der angekündigten Vorhaben sind auf Grund von Finanzierungsvorbehalten steckengeblieben oder verschoben worden. Der erhoffte Aufbruch lässt daher noch auf sich warten.
Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Kinder, Jugendliche und ihre Familien brauchen gerade jetzt Unterstützung: Neben der andauernden Coronakrise hat sich – ausgehend vom Krieg Russlands gegen die Ukraine – eine Wirtschaftskrise entwickelt, die mit enorm hohen Energiekosten Familien zusätzlich belastet. Zwar wurde der Kinder-Sofortzuschlag eingeführt sowie eine Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags beschlossen. Diese Leistungen reichen aber bei Weitem nicht, denn sie gleichen noch nicht einmal die Inflation aus. Es ist daher an der Zeit, Familien, Kinder und Jugendliche mit ihren Sorgen und Ängsten ernst zu nehmen und die angekündigten Vorhaben umfassend und zügig umzusetzen.“
Altenkamp ergänzt: „Familien warten derzeit aber vergebens auf die Umsetzung vieler familien- und gleichstellungspolitischen Impulse der Ampelkoalition: Die Kindergrundsicherung, eigentlich für 2023 geplant, verzögert sich aus Gründen des Finanzierungsvorbehaltes und wird voraussichtlich nicht existenzsichernd ausgestaltet. Hier vermissen wir zusätzlich den politischen Willen, das kindliche Existenzminimum bedarfsgerecht auszugestalten. Ebenfalls werden gute und sinnvolle Maßnahmen wie das Startchancenprogramm zu langsam angegangen. Auch Vorhaben, die zu einer gerechten Absicherung der Sorgearbeit im Lebensverlauf beitragen – von der Freistellung des zweiten Elternteils nach der Geburt bis hin zu Instrumenten zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf – lassen auf sich warten.
Das entspricht nicht den selbst gesteckten Zielen der Ampelkoalition, Familien vermehrt aus der Armut zu holen, Partnerschaftlichkeit zu stärken und der Vielfalt der Familie mehr Zeit und Anerkennung zu ermöglichen. Wir fordern daher ein zügiges Umdenken und eine Prioritätensetzung hin zu mehr Umverteilung und sozialer Gerechtigkeit!“
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 07.12.2022
Die Mitgliedsorganisationen des Bündnisses Sorgearbeit fair teilen fordern, die im Koalitionsvertrag verankerten Maßnahmen zur Verringerung der Sorgelücke zügig umzusetzen und die Finanzierung hierfür sicherzustellen.
Das ZFF ist einer von 26 Mitgliedsverbänden des zivilgesellschaftlichen Bündnisses Sorgearbeit fair teilen. Das Bündnis setzt sich für die geschlechtergerechte Verteilung unbezahlter Sorgearbeit im Lebensverlauf ein. Seine Mitgliedsverbände haben sich zum Ziel gesetzt, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft für den Gender Care Gap und seine Auswirkungen zu sensibilisieren und sich für die Schließung der Sorgelücke einzusetzen.
Die Pressemitteilung des Bündnisses finden Sie hier.
Der Vermittlungsausschuss hat am Mittwochabend über den Beschlussvorschlag zum Bürgergeld entschieden. Der gefundene Kompromiss erhält den Kern der Reform. Denn Bürgergeld heißt: Respekt vor Lebensleistung und ein Umgang auf Augenhöhe.
„Dem Vermittlungsausschuss wurde am Mittwoch ein Kompromiss zur Bürgergeldreform vorgelegt, den die Ampel und Unionsparteien erarbeitet haben. Diese Einigung ebnet den Weg für die Zustimmung im Bundesrat. Das ist ein Erfolg, denn der Kern unseres Gesetzentwurfes bleibt dabei erhalten. Die Kompromisse bei Karenzzeit und Schonvermögen, die für die Einigung nötig waren, beschneiden nicht den grundlegenden Kulturwandel, den das Bürgergeld bedeutet.
Es bleibt dabei: Das Bürgergeld ist die größte Sozialreform seit Jahrzehnten. Diese wichtigen, zentralen Säulen des Bürgergelds werden ab dem 1. Januar zum Tragen kommen:
Mehr Fördern und Fordern: Wer von Beginn an mitwirkt, wird nicht mit Sanktionen bedroht. Gleichzeitig bauen wir die individuelle und passgenaue Unterstützung aus, zum Beispiel durch das Entfristen des sozialen Arbeitsmarkts, aufsuchende Beratungsangebote, Weiterbildungsgeld, Coaching und Bürgergeldbonus.
Mehr Nachhaltigkeit: Der Vermittlungsvorrang wird abgeschafft – für eine nachhaltige Vermittlung in passende Jobs, statt eine schnelle Vermittlung in irgendeinen Job.
Mehr Leistungsgerechtigkeit: Die Zuverdienstmöglichkeiten für junge Leute werden verbessert, sodass sie früh die Erfahrung machen können, dass sich Arbeit lohnt.
Mehr Geld: Der Regelsatz wird um 53 Euro im Monat erhöht.
Weniger Bürokratie: Wir entlasten die Jobcenter von Rückforderungen und Kontrollen, stattdessen gibt es mehr Kapazitäten für Vermittlung und Betreuung.“
Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 24.11.2022
Das Bürgergeld-Gesetz (20/3873) der Bundesregierung, das der Bundestag am 10. November beschlossen hat, ist durch den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat in einigen Punkten geändert worden.
Die nun vorliegende Beschlussempfehlung (20/4600) des Vermittlungsausschusses sieht unter anderem folgende Änderungen beim Bürgergeld vor: Die sechsmonatige, weitgehend sanktionsfreie Vertrauenszeit zu Beginn des Bürgergeld-Bezugs fällt weg. Statt nur um zehn Prozent sollen die Regelleistungen von Beginn an in Stufen um bis zu 30 Prozent gekürzt werden können. Die bisherige Karenzzeit von zwei Jahren wird auf ein Jahr verkürzt. In dieser Zeit soll die Angemessenheit der Wohnung und des Vermögens nicht geprüft werden. Das Schonvermögen bleibt künftig nur noch bis zu 40.000 Euro (statt 60.000 Euro) vor Anrechnung geschützt. Alle weiteren Haushaltsmitglieder dürfen mit 15.000 Euro nur noch halb so viel behalten wie ursprünglich geplant.
Die Anrufung des Vermittlungsausschusses war nötig geworden, nachdem das zustimmungspflichtige Gesetz am Widerstand der unionsgeführten Bundesländer im Bundesrat gescheitert war.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 685 vom 24.11.2022
Die Nationale Armutskonferenz (nak) stellt fest, dass mit der Blockade des Bürgergeldes im Bundesrat und dem anschließenden Kompromiss zum Bürgergeld wieder Kontrolle von Armen statt Bekämpfung von Armut ins Zentrum der Sozialpolitik gerückt wurden.
„Im Bürgergeld-Entwurf gab es erste zarte Ansätze, Sanktionen deutlich abzumildern, Beratung menschenfreundlicher zu gestalten und umfassendere Hilfen zu verwirklichen“, fasst Carmen Mauerer vom Koordinierungskreis der Nationalen Armutskonferenz zusammen. „Diese Ansätze sind noch zarter geworden. Die harte Diskriminierung und Brandmarkung von sozial Ausgegrenzten, die besonders unter der gegenwärtigen Krise leiden, ist dagegen in den Vordergrund geraten“. Darüber hinaus lägen die Regelsätze weiterhin deutlich unter dem tatsächlichen Existenzminimum und die Erhöhung zum 1. Januar gleiche nicht einmal die Inflation voll aus.
Starke Kritik an dieser Entwicklung gibt es von den Teilnehmenden des „Treffens der Menschen mit Armutserfahrung“, das die nak regelmäßig ausrichtet: „Es entsetzt uns Menschen mit Armutserfahrung, wie mit einer menschenfeindlichen Desinformationskampagne der Opposition mögliche Fortschritte innerhalb des Bürgergeldes verhindert werden sollten. Stattdessen muss die personelle und fachliche Überlastung, sowie die schlechte Erreichbarkeit der Jobcenter endlich als gesellschaftliches Problem wahrgenommen und gelöst werden“, so Kay Raasch aus Freiburg.
Er betont: „Jetzt muss die Debatte darüber geführt werden, wie die Jobcenter die kommenden Aufgaben menschengerecht und lebensnah erfüllen sollen und die Menschen das Lebensnotwendige bekommen, statt auf die Warteschlangen vor den Tafeln verwiesen zu werden.“ Auch die Finanzierung hierfür müsse sichergestellt werden.
Antonie Krause aus Kiel kritisiert: „Die Konzentration auf Sanktionen soll einen substantiellen Wandel verhindern. Es droht ein Etikettenwechsel statt des angekündigten Kulturwandels. Dieses Anprangern von in Armut Lebenden statt von Armut ist respektlos. Wir vermissen einen kritischen Umgang der Medien mit diesen Kampagnen. Regelmäßig wurden und werden bewusst Falschinformationen über in bitterer Armut Lebende verbreitet, die mit der Realität von Menschen, welche um ihre Existenz kämpfen, nichts zu tun haben.“
Monja Ben Messaoud aus dem Bundesland Baden-Württemberg, fasst diese Entwicklung wie folgt zusammen: „Bevormundung und Paternalismus werden mit dem Bürgergeld nicht überwunden. Diese Haltung verhindert, dass Leistungsberechtigte eigenständig eine Perspektive für ein Heraustreten aus der Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung entwickeln können. Die Politik muss sich endlich ernsthaft mit der Überwindung von Armut auseinandersetzen, statt ideologische Debatten auf dem Rücken der Betroffenen zu führen.“
Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz (nak) vom 24.11.2022
SCHWERPUNKT II: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen
Bundesministerinnen Lisa Paus und Nancy Faeser stellen Auswertung der Polizei-Statistik für 2021 vor
Während die Anzahl der Opfer von Gewalt in Partnerschaften von 2020 auf 2021 um drei Prozent gesunken ist, stieg sie in den vergangenen fünf Jahren insgesamt um 3,4 Prozent, von 138.893 in 2017 auf 143.604 im vergangenen Jahr. Ganz überwiegend trifft diese Gewalt Frauen, während die Täter meist Männer sind: 2021 waren 80,3 Prozent der Opfer weiblich, 78,8 Prozent der Tatverdächtigen waren männlich. Das zeigt die Kriminalistische Auswertung Partnerschaftsgewalt 2021, die Bundesfrauenministerin Lisa Paus und Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, heute in Berlin vorgestellt haben.
Bundesfrauenministerin Lisa Paus: „Jede Stunde erleiden durchschnittlich 13 Frauen Gewalt in der Partnerschaft. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Expartner eine Frau zu töten. Fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch ihren derzeitigen oder vorherigen Partner. Das ist die Realität. Realität ist auch, dass viele Gewaltopfer Angst haben, sich Hilfe zu holen. Deshalb brauchen wir ein flächendeckendes, niedrigschwelliges Unterstützungsangebot, in der Stadt genauso wie auf dem Land. Ich kämpfe dafür, die Lücken im Netz der Frauenhäuser und Beratungsstellen zu schließen. Wir werden eine einheitliche Rechtsgrundlage schaffen, um die Hilfeeinrichtungen verlässlich finanziell absichern zu können. Damit Frauen in Zukunft überall in Deutschland einen sicheren Zufluchtsort und kompetente Beratung und Hilfe finden.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Wir dürfen Gewalt gegen Frauen niemals akzeptieren. Sondern wir müssen ihr entschlossen entgegentreten! Für uns als offenes und demokratisches Land ist die Gleichstellung von Männern und Frauen ein unabdingbarer Teil unseres gesellschaftlichen Wertefundamentes. Wir müssen Gewalt gegen Frauen noch klarer als solche benennen und noch besser erfassen, um sie wirksam bekämpfen zu können. Es darf keinerlei Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen geben. Wenn Männer Frauen töten, weil sie Frauen sind, dann ist es angemessen und auch notwendig, von „Femizid“ zu sprechen. Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben, egal ob psychische oder physische, sind Straftäter. Straftäter, die wir mit aller Härte verfolgen. Denn was sie tun, ist abscheulich und steht unseren gesellschaftlichen Grundwerten fundamental entgegen.“
Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch: „Der Begriff Partnerschaftsgewalt umfasst sowohl psychische als auch physische Gewalttaten – bis hin zu Tötungsdelikten. Auch wenn wir mit -2,5% der Fälle in 2021 einen leichten Rückgang verzeichnen, zeigt die Tendenz bei den registrierten Fallzahlen in diesem Kriminalitätsbereich in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach oben. Zudem werden viele dieser Taten, denen inmitten unserer Gesellschaft tagtäglich weit überwiegend Frauen zum Opfer fallen, nach wie vor nicht bei der Polizei gemeldet. Für das BKA ist es daher eine Kernaufgabe, das Dunkelfeld weiter auszuleuchten und mit entsprechender Forschung Informationen zur Verbreitung, Risikofaktoren, dem Anzeigeverhalten sowie der Nutzung von Hilfs- und Unterstützungsangeboten zu generieren. Denn nur auf Grundlage einer soliden Datenbasis lassen sich wirkungsvolle Bekämpfungs- und Präventionskonzepte erarbeiten. Darüber hinaus gilt: Hinsehen statt wegschauen! Sowohl die Beratungsstellen als auch die Polizei sind für Sie da. Jede Anzeige eines solchen Delikts – durch Betroffene selbst, aber auch durch Zeuginnen und Zeugen – trägt dazu bei, die Täter zur Verantwortung zu ziehen.“
Kernaussagen zur Partnerschaftsgewalt 2021:
(in Klammern die Angaben für 2020;)
143.016 Fälle von Gewalt in Partnerschaften (146.655)
Die Polizeiliche Kriminalstatistik registriert die Straftaten nicht nach der Tatzeit, sondern zum Zeitpunkt der Abgabe an die Staatsanwaltschaft.
2021 wurden insgesamt 369 Personen als Opfer von versuchtem und vollendeten Mord und Totschlag (0,3 %) erfasst. Die Anzahl der Opfer bei vollendetem Mord und Totschlag lag bei 121, davon 109 weibliche und 12 männliche. Hinzu kommen vier Fälle von Körperverletzung mit Todesfolge durch Partnerschaftsgewalt bei Frauen und zwei Fälle bei Männern. Damit sind 113 Frauen und 14 Männer Opfer von Partnerschaftsgewalt mit tödlichem Ausgang geworden.
Trotz Pandemie und Corona-Schutzmaßnahmen ergab sich auch 2021 kein signifikanter Anstieg der Fälle von Partnerschaftsgewalt: Insgesamt wurden 139.327 Fälle von Partnerschaftsgewalt mit Tatzeit innerhalb des Jahres 2021 registriert. Das entspricht einem Anstieg von 0,6 % verglichen mit dem Vorjahr. Möglicherweise hat die Situation während der Pandemie das Anzeigeverhalten von Opfern und die Möglichkeiten zur Aufdeckung durch Dritte beeinflusst. Daher könnte sich das tatsächliche Ausmaß von Partnerschaftsgewalt vergrößert haben, ohne von der Polizei registriert zu werden. Darauf deuten die Auswertungen des bundesweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ hin. Diese zeigen, dass die Zahl der Beratungskontakte in den Corona-Lockdowns zugenommen hat: 2021 wurden mehr als 54.000 Beratungen dokumentiert, rund fünf Prozent mehr als im Vorjahr.
Um einen besseren Einblick in das sogenannte Dunkelfeld zu erhalten, führen das Bundesinnenministerium und das Bundesfrauenministerium gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt eine repräsentative Befragung zu Gewalterfahrungen durch, die nicht der Polizei gemeldet wurden. Die Studie soll helfen, Kenntnisse über das Dunkelfeld bei häuslicher Gewalt und sexualisierter Gewalt zu sammeln, um Hilfsangebote und Opferschutzangebote zielgenau ausbauen zu können.
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet Frauen unter der Nummer 08000 116 016 rund um die Uhr kostenlose und anonyme Beratung in 18 Sprachen an. Weitere Informationen unter www.hilfetelefon.de
Am 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Auch im 21. Jahrhundert gehört geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen zur bitteren Realität. Weltweit, auch in Deutschland. Die SPD-Bundestagsfraktion macht sich dafür stark, dass sich das ändert – für ein gewaltfreies Leben für Frauen.
Leni Breymaier, frauenpolitische Sprecherin:
„Seit Wochen gehen Frauen und Männer im Iran auf die Straße, um für Freiheit und Frauenrechte zu kämpfen. Das brutale Vorgehen des iranischen Regimes gegen Demonstrierende verurteilen wir aufs Schärfste und stehen solidarisch an der Seite derjenigen, die mit ihrem unfassbaren Mut für eine freie Gesellschaft kämpfen.
Für die SPD-Fraktion hat der Kampf gegen Gewalt an Frauen höchste Priorität. Wir setzen uns für eine ressortübergreifende Strategie gegen Gewalt ein. Dabei wollen wir besonders die Gewaltprävention und Rechte der Betroffenen in den Fokus nehmen. Als wichtigstes völkerrechtliches Instrument im Kampf gegen Gewalt an Frauen werden wir die Istanbul-Konvention mit einer staatlichen Koordinierungsstelle vollständig umsetzen. Gewalt gegen Frauen ist menschenverachtend. Daher werden wir das Strafrecht konkretisieren und geschlechtsspezifische Tatmotive ausdrücklich in die Liste menschenverachtender Tatmotive aufnehmen. Ist eine Straftat durch das Geschlecht des Opfers motiviert, soll dies zu einer Verschärfung der Strafe führen.“
Ariane Fäscher, zuständige Berichterstatterin:
„Gewaltbetroffene Frauen brauchen verlässlichen Schutz. Das Recht darauf werden wir für jede Frau und ihre Kinder absichern. Mit dem Bundesförderprogramm ‚Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen‘ fördern wir bereits erfolgreich den bundesweiten Ausbau von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen. Wir werden einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellen und das Hilfesystem bedarfsgerecht ausbauen. Künftig ist eine Bundesbeteiligung an der Regelfinanzierung vorgesehen.
Unser Koalitionsvertrag ist auch ein Vertrag für ein gewaltfreies Leben für Frauen. Die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt sowie der Schutz und die Unterstützung der Betroffenen müssen immer ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Dafür machen wir uns stark.“
Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 24.11.2022
Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik, und Denise Loop, Obfrau im Familienausschuss:
Gewalt gegen Frauen ist Alltag, auch in Deutschland. Als Ampelregierung gehen wir deshalb Gewalt gegen Frauen gezielt und vorrangig an: Wir setzen die Istanbul-Konvention vorbehaltlos um, richten dafür eine Koordinierungsstelle im Ministerium ein und stärken effektiv die Programme gegen Gewaltschutz. Damit endlich alle Frauen und Mädchen in Deutschland ein Leben frei von Gewalt führen können.
Das heißt konkret, dass wir als Ampelregierung die unabhängige Berichterstattungsstelle zu geschlechtsspezifischer Gewalt am Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) eingerichtet haben. Sie dient zur langfristigen Beobachtung, Datenerfassung und Bewertung des Umsetzungsstands der Istanbul-Konvention in Deutschland. Weiterhin wird die Koordinierungsstelle im Bundesfamilienministerium eingerichtet, um den Umsetzungsprozess der Istanbul-Konvention effektiv und ressortübergreifend zu koordinieren.
Dass geschlechtsspezifische Gewalt ein strukturelles Problem ist, zeigt auch die aktuelle Kriminalstatistik zu Partnerschaftsgewalt: Frauen erfahren Gewalt, weil sie Frauen sind. Geschlechtsspezifische Gewalt betrifft Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten und kann viele unterschiedliche Formen annehmen – es gibt digitale, psychische, sexualisierte und körperliche Gewalt, die separat oder gleichzeitig auftreten können.
Besonders gefährlich ist für Frauen das eigene Zuhause. Mehr als die Hälfte der gewaltbetroffenen Frauen lebt mit der gewaltausübenden Person, meist dem männlichen Partner, in einem Haushalt. Gewalterfahrungen werden häufig aus Scham verschwiegen, aber auch deswegen, weil Frauen von den Tätern finanziell oder anderweitig abhängig sind.
Die Vorgängerregierung hatte vor vier Jahren Vorbehalte gegen Artikel 44 und Artikel 59 der Istanbul-Konvention eingelegt, die u.a. die Situation von Frauen und Mädchen ohne eigenen Aufenthaltstitel betreffen. Diese Vorbehalte haben wir aufgehoben, damit gilt die Istanbul-Konvention ab Februar 2023 in Deutschland uneingeschränkt. Denn jede Frau und jedes Mädchen hat ein Recht auf ein Leben frei von Gewalt, unabhängig von Aufenthaltsstatus, Einkommen, sexueller Orientierung oder Religion.
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im deutschen Bundestag vom 25.11.2022
Anlässlich der Vorstellung der Kriminalstatistischen Auswertung von Partnerschaftsgewalt im Jahr 2021 erklären Dr. Irene Mihalic, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin und Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik:
Dr. Irene Mihalic: Fast ein Fünftel der in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik erfassten Opfer sind Opfer von Gewalt in Partnerschaften. Ganz überwiegend sind Frauen von dieser Gewalt betroffen. Erschreckend ist, dass 60 Prozent der festgestellten Gewalttaten in bestehenden Ehe- und Lebenspartnerschaften stattfindet. Das eigene Zuhause ist für die betroffenen Personen damit kein sicherer Ort.
Auch wenn sich auf Grundlage dieser Daten kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Pandemie und der Entwicklung der Fallzahlen feststellen lässt, ist zu vermuten, dass sich die Situation für viele Frauen und von Partnerschaftsgewalt betroffene Menschen weiter verschärft hat. Die Möglichkeiten für Betroffene, der Gewalt im eigenen Hause zu entgehen und sie zu melden, waren womöglich stark eingeschränkt. Dunkelfeldforschung spielt daher eine wichtige Rolle und muss noch weiter ausgebaut werden. Der im Koalitionsvertrag verankerte Periodische Sicherheitsbericht ist daher ein wichtiger Schritt, um das Dunkelfeld im Bereich der Partnerschaftsgewalt weiter aufzuhellen.“
Ulle Schauws: „Gewalt gegen Frauen ist noch immer Alltagsrealität in Deutschland. Innerhalb einer Partnerschaft erfahren jede Stunde im Durchschnitt 13 Frauen Gewalt, alle drei Tage stirbt eine Frau durch die Hand ihres gewalttätigen, meist männlichen (Ex-)Partners. Laut der aktuellen Kriminalstatistik sind die Gewaltausübungen in über 39 Prozent der polizeilich registrierten Fälle ehemalige Partner oder Partnerinnen, gut ein Drittel erfährt Gewalt in bestehenden Eheverhältnissen. In sehr geringerem Maße findet in nichtehelichen Lebensgemeinschaften Gewalt statt.
Die aktuelle Kriminalstatistik bestätigt, dass dabei immer noch knapp 80 Prozent der Gewaltausübenden Männer sind. Das zeigt: Wir haben immer noch ein extremes und strukturelles Problem in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt, was endlich effektiv bekämpft werden muss. Gewaltprävention und Schutz vor Gewalt für alle Betroffenen muss umfangreich abgesichert werden. Im Koalitionsvertrag haben wir festgeschrieben, dass die Finanzierung von Frauenhäusern auch unter Beteiligung des Bundes sichergestellt werden soll. Das Recht auf Schutz vor Gewalt gilt für jede Betroffene und ihre Kinder.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 24.11.2022
Zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen erklärt die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Nicole Bauer:
„Häusliche Gewalt und jegliche Form geschlechterspezifischer Gewalt haben in unserer Gesellschaft keinen Platz und dürfen niemals toleriert werden. Menschen, die Gewalt erleben, müssen sich unserer Unterstützung sicher sein. Wir fordern daher, die Istanbul-Konvention in Deutschland so schnell wie möglich umfassend umzusetzen. Dazu gehören eine bessere Finanzierung der Frauenhäuser, verstärkte Präventions- und Täterarbeit, die bessere Koordination der verschiedenen Akteure in Bund und Ländern und mehr Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 24.11.2022
Am morgigen Freitag ist der Internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen. Dazu können Sie die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, wie folgt zitieren:
Mehr Respekt für Frauen Gewalt gegen Frauen passiert nicht nur in fernen Ländern. Sie passiert Frauen in Deutschland jeden Tag. Die neuesten Zahlen zu Partnerschaftsgewalt in Deutschland erschrecken. Die Bundesinnenministerin und die Bundesfamilienministerin konstatieren dazu aber leider nicht viel mehr als Selbstverständlichkeiten. Mehr Unterstützungsangebote, sichere Zufluchtsorte und Beratung sind nötig. Wo all dies fehlt, gerade in ländlichen Regionen, muss nachgesteuert werden. Absichtserklärungen reichen nicht, Frau Paus muss endlich handeln.
„Viel zu lange hat die Regierung beim Gewaltschutz von Frauen und Mädchen einfach nur weggeschaut. Und noch immer gibt es keine ausreichenden Daten und auch keine umfassende Gewaltschutzstrategie, die alle Formen von Gewalt und die unterschiedlichen Lebensbedingungen von Frauen umfasst, wie z. B. von Frauen mit Behinderungen“, erklärt Heidi Reichinnek, frauenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE, anlässlich des Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November. Reichinnek weiter:
„Frauen mit Behinderungen erfahren zwei- bis dreimal häufiger Gewalt, doppelt so häufig psychische und körperliche Gewalt und bis zu dreimal häufiger sexualisierte Gewalt. Und was unternimmt die Bundesregierung? Anstatt das Gewaltschutzsystem barrierefrei auszubauen, kürzt sie die Mittel zum Aus- und Umbau barrierefreier Frauenhäuser radikal um über 30 Prozent. Gewaltschutz sieht anders aus!
Ein Bericht von GREVIO, einer Expertinnen-Kommission des Europarates zur Umsetzung der Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt) hat kürzlich einmal mehr deutlich gemacht: Die Gewaltbetroffenheit von Frauen in Deutschland ist verheerend und das Fehlen einer Gesamtstrategie, um Gewalt gegen Frauen wirksam zu bekämpfen, katastrophal.
Auch deshalb haben wir diese Woche den Antrag „Istanbul-Konvention vorbehaltlos umsetzen“ in den Bundestag eingebracht, in dem wir fordern, dass die Bundesregierung unverzüglich einen Gesetzentwurf vorlegt, der entsprechend der Istanbul-Konvention die Anzahl der Beratungsstellen und Frauenhausplätze erhöht und deren bundesweit einheitlich Finanzierung garantiert.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 24.11.2022
Den heutigen internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen nimmt der AWO Bundesverband zum Anlass, um Leerstellen bei Schutz und Hilfe in Deutschland anzuprangern und Lösungen einzufordern. Dazu erklärt Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes: „Es gibt nach wie vor keine bundesweite Gesamtstrategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention mit beispielsweise zentralen Definitionen von Gewalt gegen Frauen, häuslicher Gewalt und Zielen z .B. von Prävention, es gibt keine systematische und geschlechtersensible Risikobewertung plus standardisiertem Sicherheitsmanagement, es fehlen auch Datenerfassungen und Statistiken zum Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt und Vieles mehr. Die Bundesrepublik hat sich dazu aber mit Ratifizierung der Istanbul-Konvention verpflichtet. Es ist ein Skandal, dass die Umsetzung derart stagniert.“
Im kürzlich veröffentlichten Bericht des unabhängigen Menschenrechtsüberwachungsgremiums GREVIO, dass die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (die sogenannte Istanbul-Konvention) überwacht, werden weitere gravierende Lücken im Gewaltschutz identifiziert und deren Beseitigung angemahnt. So wird gefordert, die Zahl verfügbarer, erreichbarer und barrierefreier spezialisierter Schutzräume für Frauen und Kinder zu erhöhen.
„Für Frauen mit vielen Kindern oder älteren jugendlichen Söhnen, für Frauen mit Behinderungen oder Frauen mit unsicherem Aufenthaltsstatus gibt es nach wie vor große Zugangsbarrieren. Komplexe Finanzierungsanforderungen für den Aufenthalt in einem Frauenhaus oder Wohnsitzauflagen sind weitere Hürden, die den Zugang zu Schutz und Hilfe erschweren und teils ganz versperren“, so Selvi Naidu, „Für gewaltbetroffene Frauen bedeutet dies oft, entweder beim gewaltausübenden Partner zu bleiben, in provisorischen Unterkünften unterzukommen oder obdachlos zu werden. Jeder Tag, an dem die Politik tatenlos bleibt, bringt Frauen und Kinder in Lebensgefahr. Der GREVIO-Bericht befeuert hoffentlich die Umsetzungsanstrengungen zur Istanbul-Konvention auf Bundesebene.“
Der AWO als Trägerin von Frauenhäusern, Fachberatungsstellen gegen häusliche Gewalt und Interventionsstellen ist die bundesweite finanzielle Absicherung der Hilfeinfrastruktur ein prioritäres Anliegen, damit gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder genau den Schutz und die Hilfe und Beratung erhalten, die sie brauchen. Naidu: „Wenn der Runde Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ von Bund, Ländern und Kommunen am 29.11.2022 zusammenkommt, dann erwarten wir, dass sehr zügig ein Entwurf für einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für die verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsangeboten für gewaltbetroffene Frauen vorgelegt wird. Es dürfen hier keine weiteren Jahre ungenutzt verstreichen.“
Die AWO als Teil des bundesweiten Gewaltschutznetzes für Frauen und deren mitbetroffene Kinder bietet in mehr als 40 Frauenhäusern und Schutzwohnungen sowie in Fachberatungs- und Interventionsstellen Beratung, Notfallhilfe und Schutz an.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 25.11.2022
Orangefarbene Bank und schwarze Kleidung: Brot für die Welt und Diakonie Deutschland demonstrieren gegen geschlechtsspezifische Gewalt
An einem „Thursday in Black“ greifen Brot für die Welt und Diakonie Deutschland heute das Thema geschlechterspezifischer Gewalt auf. Anlässlich des morgigen Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, der europaweit seit 1991 mit dem Anstrahlen zentraler Gebäude in der Farbe orange begangen wird, setzen Dagmar Pruin, Präsidentin Brot für die Welt, und Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik Diakonie Deutschland, in schwarz gekleidet auf einer orangefarbenen Bank ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen. Dabei blicken beide in diesem Jahr besonders in Richtung Iran: „Mit unserer Arbeit leisten wir einen wichtigen Beitrag beim Kampf gegen Gewalt gegen Frauen. Mit der orangen Bank setzen wir auch optisch ein Zeichen, Gewalt gegen Frauen nicht zu tolerieren,“ erklären Pruin und Loheide.
In diesen drei Bereichen tritt Gewalt gegen Frauen besonders stark auf: sexualisierte Gewalt in Kriegssituationen, sexualisierte Gewalt im Netz und Gewalt in den eigenen vier Wänden. „Gewalt gegen Frauen ist leider nach wie vor ein großes Thema. Vor allem in autoritären Regimen, aber auch im Nahen und Mittleren Osten oder in Nordafrika gibt es kaum Rechtsnormen, die Frauen vor Gewalt schützen“, sagt Brot für die Welt-Präsidentin Pruin. Die Hilfsorganisation unterstützt Frauen weltweit in ihrem Kampf und fördert Projekte, die mit Aufklärung gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen vorbeugen. „Die Rechte von Frauen und Mädchen dürfen nicht durch so ein brutales Vorgehen gegen die eigene Bevölkerung wie in Iran beschnitten werden. Aber auch der alltäglichen Unterdrückung von Frauen durch Kleidervorschriften sowie die Ahndung von Verstößen schauen wir nicht tatenlos zu. Wir unterstützen beispielsweise im Stipendienprogramm für geflüchtete Frauen derzeit zwei Stipendiatinnen, die schon vor einger Zeit aus dem Iran geflohen sind, weil sie sich für mehr Frauenrechte eingesetzt haben“, erklärt Pruin. Sie fordert die Bundesregierung auf, weltweit – und derzeit besonders in Iran – die politischen und gesellschaftlichen Anstrengungen zur Gleichberechtigung zu fördern. Denn Gewalt gegen Frauen sei Ausdruck historisch verwurzelter patriarchalischer Geschlechter- und Machtverhältnisse, untergrabe die Autonomie von Frauen und verhindere ihre gesellschaftliche Teilhabe.
Auslöser für die Massenproteste in Iran war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im September. Die Proteste halten an und das Mullah-Regime bringt nach wie vor Demonstrant:innen vor Gericht.
Geschlechtsspezifische Gewalt ist in allen Kulturen und Gesellschaftsschichten präsent. Auch hierzulande gehört Gewalt für viele Frauen zum Alltag. Allein 2021 waren laut der heute vorgestellten Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes über 80 Prozent der Opfer von häuslicher Gewalt in Deutschland Frauen. In den Deliktsbereichen Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, bei der Freiheitsberaubung oder im Bereich Bedrohung, Stalking, Nötigung ist der prozentuale Anteil weiblicher Opfer an allen Opfern von Partnerschaftsgewalt besonders hoch. „Wir wollen mit der Bank Frauen ermutigen, Gewalt nicht hinzunehmen und zu tolerieren, sich ihr zu widersetzen und die zahlreichen Hilfsangebote wie Frauenhäuser oder Hilfetelefone zu nutzen“, erklärt Diakonie-Vorständin Maria Loheide. „Wir wünschen uns, dass viele – Frauen wie Männer, Organisationen und Initiativen – es uns gleichtun und ein deutliches, öffentliches Statement gegen Gewalt gegen Frauen setzen“, sagt Loheide und ruft dazu auf, ein Foto auf der orangen Bank gegen Gewalt an Frauen in den sozialen Medien zu posten, Brot für die Welt und Diakonie Deutschland zu markieren sowie die Hashtags #Stopp Gewalt und #OrangeTheWorld zu nutzen.
Die orange Bank steht ab dem 25.11.2022 in der Caroline-Michaelis-Straße 1.
Der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen ist ein jährlich am 25. November stattfindender Gedenk- und Aktionstag zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen. Er wird am Todestag der drei Schwestern Mirabal begangen, die sich in der Dominikanischen Republik gegen die Diktatur unter Rafael Trujillo wehrten und deshalb am 25. November 1960 brutal ermordet wurden.
Die Kampagne „Orange the World“ wurde von UN Women 1991 ins Leben gerufen. Seitdem werden europaweit am 25. November Gebäude in orange angestrahlt oder es finden Aktionen unter diesem Motto statt, bei denen die Farbe orange im Fokus steht. Denn: Gewalt gegen Frauen ist eine der am weitesten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen. In diesem Jahr wird aufgrund der steigenden Energiekosten vom Anstrahlen der Gebäude Abstand genommen. Alternative Ideen, wie die orangene Bank vor unserem Haus, stehen im Fokus.
Die globale ökumenische Kampagne „Thursdays in Black“ des Weltkirchenrates, die gegen Vergewaltigung und Gewalt mobilisieren will, entstand aus der Dekade der Kirchen in Solidarität mit den Frauen (1988-1998). Bis heute tragen Leute donnerstags weltweit schwarze Kleidung, um regelmäßig auf geschlechtsspezifische Gewalt aufmerksam zu machen. Das Tragen von Schwarz soll symbolisieren, das Thema aus der Dunkelheit ans Licht zu bringen.
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 24.11.2022
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) pocht anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt an Frauen am 25.11.2022 auf Verbesserung des Gewaltschutzes. Gewalt an Frauen kommt in unserer Gesellschaft in verschiedenen Situationen und Formen zum Ausdruck: Ob in der Arbeitswelt, in Paarbeziehungen oder im digitalen Raum. Nährboden hierfür ist ein misogynes Rollenverständnis mit einem Machtgefälle zuungunsten der Frauen. Zuletzt hat der GREVIO-Bericht für Deutschland einmal mehr deutlich gemacht, dass der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt nicht ausreichend ist. An einer gänzlichen Umsetzung der Istanbul-Konvention, die zur Beseitigung von Gewalt an Frauen wesentlich ist, fehlt es noch immer. Dabei steht für die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes (djb) e.V., Prof. Dr. Maria Wersig, fest: „Wir dürfen uns nicht auf dem ausruhen, was wir bisher erreicht haben, sondern müssen weiterhin die Bedürfnisse aller Frauen beim Schutz vor Gewalt im Blick behalten und dabei insbesondere auch marginalisierte Personengruppen in den Blick nehmen.“
Wesentliche Forderungen des djb in diesem Bereich sind präventive Maßnahmen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie entsprechende Fortbildungen der Strafverfolgungsbehörden. Ein zentraler Bestandteil einer Strategie zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ist zudem mehr Forschung zu diesem Thema. Denn nur auf Grundlage gesicherter empirischer und rechtswissenschaftlicher Erkenntnisse lassen sich die vielfältigen Ausdrucksformen von geschlechtsspezifischer Gewalt vollständig erfassen und effektiv bekämpfen. Der djb veranstaltet daher heute und morgen gemeinsam mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen die Tagung „Gender and Crime – sexuelle Selbstbestimmung und geschlechtsspezifische Gewalt“ um Forschung zum Thema geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt in Deutschland und international sichtbar zu machen und einen Austausch zwischen Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen auch unter Einbeziehung einer interessierten Öffentlichkeit zu ermöglichen. Eine Anmeldung ist weiterhin möglich und die kostenfreie Teilnahme steht allen Interessierten offen.
Wie die Vorsitzende der Strafrechtskommission, Dr. Leonie Steinl, in ihrer Eröffnungsrede zu der Gender and Crime-Tagung heute Morgen festhielt: „Wir müssen die gesellschaftlichen Strukturen, die geschlechtsspezifische Gewalt begünstigen, genau erfassen können, um sie abbauen zu können.“ Für den Abbau dieser Strukturen setzt sich der djb am 25.11 und an jedem anderen Tag des Jahres ein.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb) vom 24.11.2022
eaf weist zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen auf Defizite bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention hin
Die evangelische arbeitsgemeinschaft familie (eaf) macht sich stark für den Schutz und die Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern. „Deshalb haben wir aktiv an den Handlungsempfehlungen des Deutschen Vereins zu diesem Themenfeld mitgearbeitet. Diese verstehen wir als Aufforderung an den Gesetzgeber“, betont Svenja Kraus, Bundesgeschäftsführerin der eaf und erläutert: „Der Umgang mit beiden Eltern dient in der Regel dem Wohl des Kindes, das ist richtig und steht so im Gesetz. Das Miterleben häuslicher Gewalt aber hat erhebliche negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und ist ein gewichtiger Anhaltspunkt für Kindeswohlgefährdung. Wir wollen Richter:innen darin stärken, sehr kritisch zu prüfen, ob Kinder nach einer Trennung mit einem Vater Umgang haben sollten, der gegenüber der Mutter des Kindes Gewalt ausgeübt hat.“ Kraus‘ Forderung ist deutlich: „Der Schutz des Kindes muss im Vordergrund stehen und nicht die Rechte des Täters. Das wird in der Praxis viel zu oft übersehen.“
Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention (IK) hat Deutschland sich verpflichtet, Vorfälle häuslicher Gewalt bei sorge- und umgangsrechtlichen Entscheidungen zu berücksichtigen. Die Ausübung des Sorge- und Umgangsrechts darf Rechte und Sicherheit des Opfers oder des Kindes laut Artikel 31 der Konvention nicht gefährden. Das ist aus Sicht von GREVIO, einem Expertengremium des Europarates, in der deutschen Praxis allerdings nicht ausreichend der Fall.
„Die Antwort der Bundesregierung auf den GREVIO-Report geht auf die angemahnten Defizite bei der Umsetzung von Artikel 31 Istanbul-Konvention aber gar nicht ein“, bemängelt Kraus. „Die in dieser Legislaturperiode anstehende Reform des Kindschaftsrechts muss dringend zur Stärkung des Gewaltschutzes nach Trennung und Scheidung genutzt werden!“
Quelle Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 24.11.2022
130 Erstunterzeichnende setzen mit persönlichen Projekten Zeichen der Solidarität mit jungen Menschen in Krisenzeiten
Die rund 22 Millionen Kinder, Jugendlichen und jungen Menschen in Deutschland wachsen in einer von Krisen geprägten Zeit auf. Viele fühlen sich durch die Inflation, den Krieg in der Ukraine, die Folgen der Pandemie und den Klimawandel verunsichert. Zusätzlich verstärkt sich bei jungen Menschen der Eindruck, ihre Bedürfnisse und Anliegen würden von Politik und Gesellschaft nicht ausreichend wahrgenommen.
Bundesjugendministerin Lisa Paus hat deshalb zu einem breiten gesellschaftlichen „Bündnis für die junge Generation“ aufgerufen. Ziel ist es, die Anliegen junger Menschen stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Mehr als 130 Persönlichkeiten aus Medien, Kultur, Wissenschaft und Politik sind der Einladung bereits gefolgt und haben die Gemeinsame Erklärung des Bündnisses unterzeichnet. Heute stellt Lisa Paus gemeinsam mit acht Bündnispartner*innen das Bündnis auf einer Auftaktveranstaltung in Berlin vor.
Bundesministerin Lisa Paus:„Kinder und Jugendliche haben in den vergangenen Jahren zurückgesteckt und große Solidarität mit den Älteren gezeigt. Jetzt ist es an der Zeit, mit den jungen Menschen solidarisch zu sein. Mit dem Bündnis für die junge Generation verschaffen wir Kindern und Jugendlichen Stimme und Gehör. Diese Stimme wird in den kommenden Jahren weiter hörbar sein, damit junge Menschen endlich die Aufmerksamkeit bekommen, die ihnen zusteht. Unsere Gesellschaft braucht die Jugend – ihre Ideen, ihr Engagement und ihre Potenziale. Es ist Zeit, das den jungen Menschen zu zeigen.“
Durch die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung verpflichten sich die Bündnispartner*innen, mit eigenen Projekten dazu beizutragen, das Lebensgefühl und die Situation junger Menschen zu verbessern. Acht der Erstunterzeichnenden sind heute bei der Pressekonferenz dabei: Fiete Aleksander vom Instagram-Kanal „jung genug“, die Musikerin Balbina, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin, Marcel Fratzscher, der Arzt Mazda Adli (Fliedner Klinik Berlin; Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin), Baro Vicenta Ra Gabbert von Climate Clinic e. V., Emilia Fester (Mitglied des Deutschen Bundestages), die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Jutta Allmendinger, sowie die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, Antje Boetius.
Wie alle Bündnispartner*innen hat auch Bundesjugendministerin Lisa Paus eine Selbstverpflichtung formuliert: „Junge Menschen brauchen Zuversicht. Als ihre Anwältin in der Bundespolitik fechte ich ihre Rechte durch. Der Kinderarmut sage ich den Kampf an. Ich lasse die junge Generation mitreden – bei allen Entscheidungen, die sie betreffen.“
Das Bündnis – mehr als eine Kampagne
Nach dem Auftakt werden Gespräche und Veranstaltungen des Bündnisses folgen, die sich über die gesamte Legislaturperiode erstrecken. Dabei wird es um Themen wie Jugend und Medien, Jugend und Wirtschaft sowie Jugend und Gesundheit gehen.
So wird der Abschlussbericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMA) Kindergesundheit im Februar 2023 dem Bundeskabinett vorgelegt. Die IMA beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Pandemie auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Bündnispartner*innen werden noch am gleichen Tag besprechen, wie sie die Umsetzung der Empfehlungen unterstützen können.
Auch an bereits bestehende Formate wie die JugendPolitikTage beim Bundestreffen der Kinder- und Jugendparlamente im Mai 2023 in Berlin will das Bündnis anknüpfen. Dort werden rund tausend junge Menschen Maßnahmen und Ideen für eine jugendgerechte Politik entwickeln und mit Bündnispartner*innen diskutieren.
Auf einer gemeinsamen Konferenz des Bündnisses soll nach einem Jahr eine Zwischenbilanz gezogen werden.
Die Erstunterzeichnenden der gemeinsamen Erklärung, ihre Statements und weitere Informationen finden Sie auf www.buendnis-junge-generation.de.
Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 08.12.2022
Die Homeoffice-Pauschale wird erhöht und mit dem Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zusammengeführt. Es entfällt außerdem die Voraussetzung des abgeschlossenen Arbeitszimmers.
„Das Jahressteuergesetz sieht wesentliche Erleichterungen für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor, indem insbesondere die Homeoffice-Pauschale erhöht, entfristet und mit dem Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer zu einer Tagespauschale zusammengeführt wird. Das erleichtert den Zugang, vereinfacht das Steuerrecht und baut bürokratische Hürden ab.
Der Finanzausschuss hat heute mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen dem Jahressteuergesetz 2022 zugestimmt, der Bundestag wird es zum Ende der Woche abschließend beraten. Das Gesetz hält dabei wichtige Entlastungen durch gezielte Anpassungsmaßnahmen an die Arbeits- und Lebensrealitäten vieler Arbeitnehmenden bereit.
Vor allem beim Thema ‚Arbeiten von zu Hause‘ werden steuerliche Verbesserungen ausgebaut: Neben der Entfristung der Homeoffice-Pauschale wird der steuerlich absetzbare Maximalbetrag auf insgesamt 1.260 Euro (im Regierungsentwurf 1.000 Euro) – das heißt auf sechs Euro bei maximal 210 Tagen – angehoben. Dazu wird eine wesentliche Vereinfachung durch die Zusammenlegung mit dem Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer erreicht. Von nun an muss kein abgeschlossenes Arbeitszimmer mehr vorgehalten werden, wenn dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen kommt direkt die Tagespauschale (Homeoffice-Pauschale) zum Tragen. Bei Mittelpunktfällen werden die Aufwendungen – wie bisher – weiterhin in voller Höhe abziehbar bleiben.
Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag wird außerdem auf 1.230 Euro angehoben.“
Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 30.11.2022
Zum Gutachten „Basale Kompetenzen vermitteln – Bildungschancen sichern. Perspektiven für die Grundschule“ der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung:
Das SWK-Gutachten zeigt den immensen Handlungsbedarf in der Bildungspolitik. Alle Ebenen – vom Bund über die Länder bis hin zu den Schulverwaltungen – müssen gemeinsam die Voraussetzungen schaffen, dass grundlegende Kompetenzen erfolgreich vermittelt werden und Chancengerechtigkeit gewährleistet wird.
Die Empfehlung einer Konzentration auf den Erwerb basaler sprachlicher und mathematischer Kompetenzen und einer verstärkten Implementierung evidenzbasierter Konzepte sind richtige Schritte, dürfen jedoch nicht langfristig dazu führen, dass vermeintlich unwichtigere Schulfächer hinten runter fallen – denn beispielsweise der Sportunterricht ist für viele Kinder die einzige Möglichkeit zur Bewegung und damit wichtig für ihre Gesundheit.
Seitens des Bundes werden wir mit dem Startchancenprogramm Schulen in benachteiligten Quartieren und Regionen gezielt unterstützen, unter anderem auch mit zusätzlichen Stellen für Schulsozialarbeit. Eine Einigung auf konkrete Ausgestaltung und Finanzierung muss hier zeitnah erfolgen. Insbesondere ist sicherzustellen, dass die zusätzlichen Mittel dort ankommen, wo sie benötigt werden. Das SWK-Gutachten zeigt erneut den großen Handlungsbedarf.
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 09.12.2022
Zur Vorstellung des ersten Wohnungslosenberichts erklären Wolfgang Strengmann-Kuhn, Obmann im Ausschuss für Arbeit und Soziales, und Hanna Steinmüller, Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen:
Wir begrüßen, dass mit der Vorlage des ersten Wohnungslosenberichts der Bundesregierung erstmals belastbare Daten über Menschen in verdeckter Wohnungslosigkeit vorliegen. Nun müssen den Worten Taten folgen und der im Koalitionsvertrag vereinbarte nationale Aktionsplan zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 schnell umgesetzt werden. Die Zeit drängt. Dabei müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam an einem Strang ziehen.
Der größte Anteil der Wohnungslosen ohne deutsche Staatsangehörigkeit stammt laut Bericht aus EU-Ländern (56 Prozent). Deswegen muss ein eigener Fokus auf die Bekämpfung der zunehmenden Obdachlosigkeit von EU-Bürger*innen gelegt werden. Auch hier gibt es die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, diese Problematik gemeinsam mit den Ländern, Kommunen, Sozialverbänden und mit Beteiligung Betroffener stärker in den Blick zu nehmen.
Zentral ist auch, dass Bund und Länder gemeinsam einen Fokus auf die Prävention von Wohnungslosigkeit legen. Wir arbeiten deshalb an einem besseren Mieter*innenschutz – beispielsweise über die Regelung der Schonfristzahlungen. Außerdem müssen wir gerade in den angespannten Wohnungsmärkten für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen. Wir haben dazu die Mittel für den sozialen Wohnungsbau für 2023 erhöht und werden die „Neue Wohngemeinnützigkeit“ einführen.
Ein wichtiges Mittel zur Überwindung von Obdachlosigkeit ist der flächendeckende Ausbau von Housing First als Ergänzung zum bestehenden Hilfesystem. Unter anderem das Modellprojekt Housing First Berlin hat verdeutlicht, dass obdachlosen Menschen mit diesem Ansatz wirksam geholfen werden kann. Wohnungslosigkeit hat viele Gesichter und bedarf verschiedener wirkungsvoller Maßnahmen, um den Betroffenen zu helfen und ihnen eine Perspektive zu geben. Extreme Armut geht uns alle an.
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 08.12.2022
Ampel sorgt für Rückwärtsgang bei frühkindlicher Bildung
Am heutigen Freitag wird im Deutschen Bundestag das sogenannte „KiTa-Qualitätsgesetz“ in 2./3. Lesung debattiert. Dazu erklären die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, und die familienpolitische Sprecherin Silvia Breher:
Dorothee Bär: „Einmal mehr beweist diese Bundesregierung, welchen geringen Stellenwert unsere Kinder für sie haben. Wenn es der Familienministerin wirklich um die besten Chancen für unsere Jüngsten ginge, dann würde sie kein Gesetz vorlegen, in dem es vor allem um Beitragsfreiheit geht. Das schafft keine bessere Qualität in unseren Kitas. Für uns als Union ist das unehrlich und eine Politik mit falschem Schwerpunkt. Eine weitere Mogelpackung eben, die die Ampel als vermeintlichen Erfolg vermarktet.“
Silvia Breher: „Statt mit einem echten KiTa-Qualitätsgesetz zu glänzen, legt die Ampel ein „Verpasste-Chancen-Gesetz“ vor. Qualität steht drauf, steckt aber nicht drin. Sämtliche erfolgreichen Bundesprogramme für die frühkindliche Bildung wie beispielsweise das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ oder die Fachkräfteoffensive Erzieherinnen und Erzieher haben die Koalitionsfraktionen gestoppt. Es bleibt dagegen weiterhin möglich, Bundesmittel für bereits vereinbarte Beitragsreduzierungen fortzuführen. Davon ausgeschlossen sind aber die Bundesländer, die bislang die Bundesmittel ausschließlich für Qualitätsmaßnahmen eingesetzt haben. Schon allein dieser Widerspruch zeigt, mit welcher heißen Nadel dieses Gesetz gestrickt ist.“
Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 02.12.2022
„Insbesondere arme Menschen in Deutschland verlieren das Vertrauen in die Politik und demokratische Institutionen. Dieser Befund ist nicht neu, aber er ist gerade jetzt umso alarmierender. Denn die Realitätsverweigerung seitens der Ampel-Parteien ist aktuell auf einem Höchststand angekommen. Das Bürgergeld ist eben gerade kein Erfolg, sondern die Fortsetzung des Hartz IV-Regimes mit milderen Mitteln. Das Gegenteil zu behaupten, leistet der Entfremdung weiter Bevölkerungsteile von der Politik Vorschub und gefährdet die Demokratie“, erklärt Susanne Ferschl. Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, zum heute veröffentlichten Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung. Ferschl weiter:
„Nichts ist gut, solange so viele Menschen vom gesellschaftlichen Reichtum abgeschnitten sind. Beherztes Handeln ist jetzt notwendig, um zu verhindern, dass sich die Schere zwischen arm und reich noch weiter öffnet. Eine echte Abkehr vom Hartz IV-System bedeutet auch, den Arbeitsmarkt zu regulieren, denn Minijobs, Leiharbeit und sachgrundlose Beschäftigung bieten Beschäftigten kaum soziale Sicherheit oder ein planbares, abgesichertes Leben. Die Koalition geht leider keine Schritte in diese Richtung, sondern weitet prekäre Beschäftigungsformen wie Mini- und Midijobs sogar aus. Statt, wie in den vergangenen Wochen geschehen, Niedriglohnempfänger und Sozialleistungsbeziehende gegeneinander auszuspielen, müssen endlich die Superreichen und Vermögenden in die Pflicht genommen werden. DIE LINKE fordert, Dividendenauszahlungen zu verbieten, wenn staatliche Hilfen in Anspruch genommen wurden. Auch eine Vermögenssteuer ist überfällig. Es muss endlich das klare Zeichen gesetzt werden, dass Politik für die Menschen gemacht wird und nicht diejenigen mit dem dicksten Geldbeutel die Politik dirigieren.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 24.11.2022
Öffentliche Leistungen sollen in Zukunft unbürokratisch und schnell direkt an die Bürger unbar ausgezahlt werden können. Für Kinder unter 18 Jahren soll die Familienkasse dem Bundeszentralamt für Steuern die IBAN (International Bank Account Number) übermitteln, auf die das Kindergeld zuletzt ausgezahlt worden sei, heißt es in der Antwort der Regierung (20/4753) auf eine Kleine Anfrage CDU/CSU-Fraktion (20/4459). Erwachsene könnten verschiedene Konten unterhalten. Sie sollten daher selbst entscheiden, auf welches Konto eine künftige öffentliche Leistung überwiesen werden soll. Man setze darauf, dass diejenigen, die öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen wollen, eigenverantwortlich ihre Kontoverbindungen an das Bundeszentralamt für Steuern übermitteln lassen würden. Die Banken sollen dafür geeignete Meldewege bereitstellen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 728 vom 08.12.2022
Das im Koalitionsvertrag verankerte Startchancen-Programm befindet sich in der Konzeptionsphase. Diese beinhalte Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung sowie den fachlichen Austausch mit den Ländern und solle bis voraussichtlich 2023 andauern, heißt es in der Antwort (20/4598) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/4279) der Fraktion Die Linke.
Im Zuge des Startchancen-Programms sollen 4.000 Schulen in Deutschland speziell gefördert werden. Laut der Antwort besteht das Programm aus drei Säulen: So sei ein „Investitionsprogramm für moderne, klimagerechte, barrierefreie Schulen mit einer zeitgemäßen Lernumgebung und Kreativlaboren“ geplant. Außerdem beinhalte es ein Chancenbudget für geförderte Schulen und die Stärkung der schulischen Sozialarbeit.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 722 vom 05.12.2022
Um Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung einen bundesweiten Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt verabschiedet, der nun als Unterrichtung (20/4573) durch die Bundesregierung vorliegt. Das 16-seitige Dokument enthält Empfehlungen für Maßnahmen in sechs Handlungsfeldern (Rechtliche Anerkennung, Teilhabe, Sicherheit, Gesundheit, Stärkung von Beratungs- und Communitystrukturen, Internationales).
Die Regierung betont darin: „Alle Menschen sollen gleichberechtigt, frei, sicher und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben. Damit dies auch für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie andere queere Menschen (LSBTIQ*) möglich ist, sieht sich die Bundesregierung in der Verantwortung für eine aktive Politik gegen Diskriminierung und für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.“
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 706 vom 30.11.2022
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat am Mittwochmittag dem Gesetzentwurf (20/3880) der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (KiTa-Qualitätsgesetz) in geänderter Fassung zugestimmt. Damit stellt der Bund in den kommenden zwei Jahren jeweils zwei Milliarden Euro für den Ausbau der Qualität der frühkindlichen Bildung zur Verfügung. Für den Entwurf stimmten die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP und die AfD-Fraktion. Die CDU/CSU-Fraktion stimmte dagegen und Die Linke enthielt sich.
Die Regierung verweist in dem Entwurf auf den Evaluationsbericht zum 2018 beschlossenen KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz („Gute-KiTa-Gesetz“). Dieser habe im Herbst 2021 gezeigt, dass an unterschiedlichen Stellen des Gesetzes sowie in Bezug auf die Pflicht zur Staffelung der Kostenbeiträge nach dem SGB VIII (Achtes Sozialgesetzbuch) Reformbedarf bestehe, um die Ziele dieses Gesetzes zu erreichen. Mit dem vorliegenden Entwurf soll das „Gute-KiTa-Gesetz“ auf Grundlage der Empfehlungen der Evaluation weiterentwickelt werden. Demnach sollen bereits begonnene Maßnahmen der Länder zur Qualitätsentwicklung und zur Entlastung der Eltern bei den Beiträgen zwar fortgeführt werden können. Neue Maßnahmen ab dem 1. Januar 2023 sollen aber ausschließlich zur Weiterentwicklung der qualitativen „Handlungsfelder von vorrangiger Bedeutung“ dienen. Künftig sollen also keine neuen länderspezifischen Maßnahmen zur Beitragsentlastung mehr umgesetzt werden können. Zusätzlich sollen die „Handlungsfelder von vorrangiger Bedeutung“ um das Handlungsfeld 6 (Förderung der kindlichen Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung), das Handlungsfeld 7 (Förderung der sprachlichen Bildung) und das Handlungsfeld 8 (Stärkung der Kindertagespflege) ergänzt und stärker priorisiert werden. Durch die Änderung werden die Länder verpflichtet, Maßnahmen überwiegend in den Handlungsfeldern von vorrangiger Bedeutung zu ergreifen. Um die beabsichtigte Wirkung der im SGB VIII geregelten Pflicht zur Staffelung der Kostenbeiträge für die Kindertagesbetreuung zu stärken, sollte es ursprünglich eine verbindliche Vorgabe sozialer Staffelungskriterien geben, mit einer stärkeren Ausrichtung der Beiträge an der finanziellen Situation der Familien. Dies hatten die Bundesländer allerdings abgelehnt und konnten dies durchsetzen, weil der Bundesrat dem Gesetz zustimmen muss. Durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ebenfalls geändert wurde die Dauer des Bundesprogramms für die Sprach-Kitas, das eigentlich Ende dieses Jahres auslaufen sollte. Nun wird es um sechs Monate verlängert und damit den Ländern mehr Zeit gegeben, eine Anschlusslösung zu finden.
Die Koalitionsfraktionen betonten, dass das Gesetz, anders als das Gute-KiTa-Gesetz, endlich einen Schwerpunkt auf die Qualität der Kinderbetreuung setze. Wenn die Länder die Beitragsfreiheit wollten, hindere sie niemand, diese auch umzusetzen. Aber der Bund wolle vor allem mehr Qualität, hieß es. SPD, Grüne und FDP lobten auch den Kompromiss zu den Sprach-Kitas, man sei auf die Länder zugegangen, nun seien diese in der Pflicht.
Die CDU/CSU-Fraktion hielt an ihrer Kritik bezogen auf die Sprach-Kitas fest. Es wäre gut gewesen, die Bundesförderung bis Ende 2023 weiterlaufen zu lassen. Die AfD-Fraktion verwies auf die negativen Folgen der Corona-Maßnahmen auf die frühkindliche Entwicklung, deshalb sei das Gesetz der richtige Ansatz. Es kuriere aber nur die Fehlentwicklungen der vergangenen zwei Jahre. Die Linke betonte, das Gesetz habe seinen Namen nicht verdient, sondern sei ein typisches Besser-als-nichts-Gesetz der Ampel. Tatsächlich würden die Mittel von zwei Milliarden Euro gekürzt, weil die Ausgaben nicht an die Inflation angepasst worden seien. Wer wirklich mehr Qualität wolle, müsse deutlich mehr Geld in die Hand nehmen, so Die Linke.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 703 vom 30.11.2022
Gute Noten für das geplante Chancen-Aufenthaltsrecht und klare Ablehnung des Vorhabens haben sich bei einer Sachverständigen-Anhörung heute im Ausschuss für Inneres und Heimat unter der Leitung von Prof. Lars Castellucci (SPD) gegenüber gestanden. Bewertet wurde der von der Bundesregierung dazu eingebrachte Gesetzentwurf (20/3717). Danach sollen unter anderem Ausländer, deren Aufenthalt in Deutschland am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren geduldet wurde, ein einjähriges Chancen-Aufenthaltsrecht erwerben können. Zudem ging es um zwei Gesetzentwürfe und einen Antrag der Fraktion Die Linke zum Familiennachzug und zum Bleiberecht. (20/1850, 20/1851, 20/3973).
Kerstin Becker, Der Paritätische Gesamtverband, begrüßte die Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrecht als Brücke in eine der bereits bestehenden Bleiberechtsregelungen. Es bedürfe jedoch noch wesentlicher Korrekturen, damit nicht das Ziel verfehlt werde, Kettenduldungen zu beenden sowie die Integrationen der betroffenen Menschen zu fördern. So müsse der Stichtag 1. Januar 2022 gestrichen werden, damit auch in Zukunft Menschen, die sich länger als fünf Jahre in Deutschland aufhalten, die Regelungen in Anspruch nehmen können.
Anne Courbois vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wies auf das Risiko für Unternehmen hin, geduldete Ausländer einzustellen. Es bestehe das Risiko, dass sie von einem Tag auf den anderen abgeschoben würden. Auch weil hier das Gesetzesvorhaben Verbesserungen verspreche, sei es grundsätzlich zu begrüßen. Mit Blick auf die Praxis gebe es Verbesserungsbedarf.
Prof. Andreas Dietz, Verwaltungsgericht Augsburg, Vorsitzender Richter der 6. Kammer, machte migrationsrechtliche Einwände gegen den Gesetzentwurf geltend, da er die von einer Chancen-Aufenthaltserlaubnis Begünstigten gegenüber vergleichbaren Gruppen von Ausländern zu Unrecht deutlich bevorzuge. Die Begünstigten beschrieb er als Gruppe unerlaubt im Bundesgebiet Aufhältiger, die die Kernvoraussetzungen jedes Aufenthaltstitels – Identitätsklärung, Passbesitz – nicht erfüllten. Sie würden bevorzugt gegenüber jenen Ausländern, die ordnungsgemäß einreisen und sich erlaubt in Deutschland aufhalten.
Sophia Eckert, terre des hommes Deutschland, befand bei grundsätzlicher Zustimmung zum Gesetzentwurf, dass insbesondere beim Chancen-Aufenthaltsrecht Anpassungen notwendig seien. So sei ein Flickenteppich in der bundesdeutschen Erteilungspraxis zu befürchten, da Ausländerbehörden weiterhin teils große Entscheidungsspielräume hätten.
Kristian Garthus-Niegel vom Sächsischen Flüchtlingsrat empfahl, dem Antrag der Fraktion Die Linke stattzugeben. Danach sollten Kettenduldungen wirksam beendet werden durch die Einführung einer stichtagsunabhängigen Regelung, durch Erleichterungen beim Übergang in ein dauerhaftes Bleiberecht und durch Abmilderung der im aktuellen Gesetz bestehenden sowie im Regierungsentwurf vorgesehenen Ausschlussgründe der Bleiberechtsregelungen.
Holger Kolb, Sachverständigenrat für Integration und Migration, strich heraus, dass zum einen der Tatsache Rechnung getragen werde, dass eine Vielzahl von Flüchtlingen, die im Rahmen der Flüchtlingskrise 2015/2016 eingereist waren, längerfristig in Deutschland aufhältig bleiben werde und für sie ein aufenthaltsrechtlicher Umgang gefunden werden müsse. Durch das vorgesehene Ablaufdatum am 1. Februar 2026 werde deutlich, dass keine dauerhafte Relativierung des Ergebnisses eines Asylverfahrens erfolgen werde.
Klaus Ritgen meinte, der Deutsche Landkreistag lehne die Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts in der vorgeschlagenen Ausgestaltung ab. Es gebe keinen Bedarf für weitere Bleiberechtsregelungen. Darüber hinaus würden Ausländer ermutigt, illegal und ohne Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht nach Deutschland einzureisen oder ihrer Ausreisepflicht nicht nachzukommen. Die vorgeschlagenen Regelungen würden auch nicht zu einer Entlastung der Ausländerbehörden führen. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall.
Für den Deutschen Städtetag erklärte Daniela Schneckenburger, die kommunalen Ausländerbehörden müssten dringend in den Blick genommen werden. Sie arbeiteten seit Jahren im Krisenmodus und seien zusätzlich durch die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in einer Art und Weise belastet wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie regte an, das Gesetz nicht unmittelbar in Kraft treten zu lassen, damit sich die Behörden darauf vorbereiten können.
Axel Ströhlein, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen, strich heraus, das angepeilte Chancen-Aufenthaltsrecht beziehe sich auf einen Personenkreis, bei dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Gerichte zu dem Ergebnis gekommen seien, dass diesen weder Asyl noch Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder Abschiebungsschutz zustehe. Mit der geplanten Neuregelung werde der Sinn und Zweck des Asylrechts ausgehöhlt. Es könne das Signal gesendet werden, dass sich eine fehlende Mitwirkung bei der Identitätsregelung lohne und zu einem Aufenthaltstitel führe.
Prof. Daniel Thym von der Universität Konstanz lenkte den Blick darauf, dass beim Umgang mit ausreisepflichtigen Personen der Gesetzgeber mit einem Zielkonflikt zwischen Integrationsförderung und Migrationssteuerung konfrontiert sei. Dieser Zielkonflikt werde durch eine vergangenheitsbezogene Stichtagsregelung nach dem Modell des Chancen-Aufenthaltsrechts besser austariert als durch dauerhafte Legalisierungsmöglichkeiten.
Barbara Weiser, Caritasverband für die Diözese Osnabrück, begrüßte die vorgeschlagene Schaffung eines Chancen-Aufenthaltsrecht, die Erleichterungen beim Übergang von einer Duldung in eine Aufenthaltserlaubnis sowie die Eröffnung des Zugangs zu Integrations- und Berufssprachkursen für alle Asylsuchenden mit einer Aufenthaltsgestattung. Um die Praxis der Kettenduldungen in einem relevanten Umfang zu beenden und den Betroffenen eine realistische Chance auf einen dauerhaften Aufenthalt zu geben, seien verschiedene Änderungen nötig. Zentral sei dabei die Schaffung einer stichtagsfreien Regelung.
Philipp Wittmann, Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, meinte, der Gesetzgeber gehe mit dem Thema der Kettenduldung und der Beschleunigung von Asylverfahren zwei Großthemen an. Er äußerte Bedenken, ob durch die Änderung von Rahmenbedingungen deutliche Verbesserungen zu erreichen seien.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 690 vom 28.11.2022
Die Fraktion Die Linke fordert in einem Antrag (20/4589), die Istanbul-Konvention vorbehaltlos umzusetzen. „Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention hat Deutschland anerkannt, dass Gewalt an Frauen und Mädchen auch in der Bundesrepublik ein tiefgreifendes Problem ist, dem mit umfassenden Maßnahmen im Bereich Prävention, Intervention, dem Schutz von Frauen und Mädchen und rechtlichen Sanktionen begegnet werden muss“, schreiben die Abgeordneten. Sie kritisieren, dass bisher weder ein politisches Dokument noch eine nationale Strategie erarbeitet wurde, die die Rechte der Opfer in den Mittelpunkt stellten. Auch verweisen sie auf die je nach Bundesland sehr unterschiedlich ausgestalteten Hilfesysteme.
Die Linke verlangt von der Bundesregierung deshalb unter anderem, einen wirksamen nationalen Aktionsplan zu erarbeiten, der eine allgemein gültige Definition von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt enthält und bundesweite Ziele zur Umsetzung der Konvention setzt, die die Rechte der Opfer in den Mittelpunkt stellen und alle Formen von Gewalt gegen Frauen beachtet. Ferner soll eine nationale Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention mit angemessenen finanziellen und personellen Ressourcen etabliert werden, die die Anstrengungen der einzelnen Ministerien und die der Länder koordiniert. Auch müsse unverzüglich ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, der entsprechend der Istanbul-Konvention die Anzahl der Beratungsstellen und Frauenhausplätze erhöht und eine bundesweit einheitliche Finanzierung der Frauenhäuser garantiert.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 688 vom 25.11.2022
Studie untersucht Effekte des Ausbaus von Ganztagsangeboten in Westdeutschland seit 2003 – Freiwillige Inanspruchnahme verbessert Sozialverhalten und mentale Gesundheit, Effekt auf Schulnoten aber nicht feststellbar – Weitere Investitionen in höhere Qualitätsstandards nötig
Kinder, die im Grundschulalter eine Ganztagsschule besuchen, haben bessere soziale Fähigkeiten und sind mental gesünder als andere Kinder – zumindest, wenn der Besuch freiwillig ist. Mit Blick auf die Schulnoten hingegen sind bisher überwiegend keine statistisch signifikanten Effekte eines Ganztagsschulbesuchs feststellbar. Lediglich Kinder mit alleinerziehenden Elternteilen profitieren auch in Form einer besseren Deutschnote vom Besuch einer Ganztagsschule. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie von Laura Schmitz aus der Abteilung Bildung und Familie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Demnach nutzen insbesondere Kinder von Alleinerziehenden, Kinder mit Migrationshintergrund und sozioökonomisch benachteiligte Kinder, die beispielsweise in einem Haushalt mit geringem Einkommen aufwachsen oder Eltern mit niedrigem Bildungsstand haben, besonders häufig Ganztagsangebote. Und: Sie profitieren tendenziell auch eher von diesen Angeboten. „Ganztagsschulen helfen dabei, Ungleichheiten im Bildungssystem abzubauen“, so Schmitz. „Das zeigt, dass der Ausbau hin zu einem flächendeckenden Ganztagsangebot für Grundschüler*innen seit dem Jahr 2003 offenbar der richtige Weg ist.“
Für die Studie hat Schmitz Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 2002 bis 2018 ausgewertet. Insgesamt nahm sie mehr als 4 000 Schüler*innen aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern unter die Lupe. Damit sind die Ergebnisse repräsentativ für große Teile Westdeutschlands. Ostdeutschland wurde in der Analyse ausgespart, da der Anteil von Kindern in Ganztagsschulen dort bereits vor Beginn des Untersuchungszeitraums sehr hoch war. Die Ergebnisse sind insbesondere vor dem Hintergrund des im vergangenen Jahr beschlossenen Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz im Grundschulalter relevant. Dieser soll ab dem Jahr 2026 gelten. Im Schuljahr 2020/2021 boten in Westdeutschland knapp drei Viertel aller Grundschulen Ganztagsangebote an.
Kinder aus benachteiligten Familien sollten in Ganztagsangeboten nicht unter sich bleiben
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Ganztagsangeboten ist der Studie zufolge, ob Kinder freiwillig oder unfreiwillig Ganztagsangebote wahrnehmen. Möchten sie die Nachmittage eigentlich nicht in der Schule verbringen, profitieren sie in der Regel auch nicht davon. Im Jahr 2020 waren 74 Prozent aller Ganztagsschulen in Westdeutschland offen organisiert, die Teilnahme also freiwillig. Gebundene und teilgebundene Ganztagsschulen, an denen das Nachmittagsprogramm zumindest teilweise verpflichtend ist, sind klar in der Minderheit. Angesichts der Studienergebnisse sollte dies auch so bleiben, so Schmitz.
„Für die Entwicklung sozialer Kompetenzen mag der bloße Kontakt mit Gleichaltrigen und Betreuungspersonal in der Nachmittagsbetreuung ausreichend sein – für die Entwicklung schulischer Kompetenzen ist er es jedoch nicht.“ Laura Schmitz
Vor dem Hintergrund der bisher ausbleibenden Effekte auf die Schulleistungen müsste Schmitz zufolge die pädagogische Qualität der Hausaufgabenbetreuung an Ganztagsschulen noch deutlich verbessert werden. „Für die Entwicklung sozialer Kompetenzen mag der bloße Kontakt mit Gleichaltrigen und Betreuungspersonal in der Nachmittagsbetreuung ausreichend sein – für die Entwicklung schulischer Kompetenzen ist er es jedoch nicht“, sagt Schmitz. Deshalb brauche es bessere und einheitlichere Qualitätsstandards. „Angesicht des ohnehin schon bestehenden Mangels an pädagogischem Personal ist das natürlich eine große Herausforderung und nicht von heute auf morgen umsetzbar, aber langfristig steht und fällt der Erfolg von Ganztagsschulen vor allem auch damit“, so Schmitz. Wichtig sei zudem, dass Ganztagsangebote für alle Kinder interessant seien, also auch für solche aus besser gestellten Familien. „Wenn am Ende in der Ganztagsbetreuung Kinder aus benachteiligten Familien unter sich blieben, wäre das keine gute Entwicklung“, sagt Schmitz.
Die Armut in Deutschland ist über die vergangene Dekade deutlich angestiegen – eine denkbar schlechte Ausgangsposition für die fortgesetzten sozialen Stresstests durch Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Rekordinflation. Der finanzielle Rückstand von Haushalten unter der Armutsgrenze gegenüber dem Einkommensmedian ist schon vor Beginn der Corona-Krise um ein Drittel gegenüber dem Jahr 2010 gewachsen. Auch die Ungleichheit der Einkommen insgesamt in Deutschland hatte, gemessen am Gini-Koeffizienten, 2019 einen neuen Höchststand erreicht. Zu diesen Ergebnissen kommt der neue Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.* Die Studie zeigt zudem, wie stark dauerhafte Armut in Deutschland die gesellschaftliche Teilhabe schon in wirtschaftlich stabilen Zeiten einschränkt: Arme müssen etwa deutlich häufiger auf Güter des alltäglichen Lebens wie eine Grundausstattung mit Kleidung oder Schuhen verzichten, sie können seltener angemessen heizen, leben auf kleinerem Wohnraum. Sie haben einen schlechteren Gesundheitszustand, geringere Bildungschancen und sind mit ihrem Leben unzufriedener. Das führt bei vielen Betroffenen zu einer erhöhten Distanz gegenüber dem politischen System: Lediglich 68 Prozent der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, halten die Demokratie für die beste Staatsform, nur 59 Prozent finden, die Demokratie in Deutschland funktioniere gut. „Armut und soziale Polarisierung können die Grundfesten unseres demokratischen Miteinanders ins Wanken bringen, vor allem dann, wenn sie sich verfestigen“, sagt WSI-Direktorin Prof. Dr. Bettina Kohlrausch. „Mehr und wirksameres politisches Engagement gegen Armut ist also nicht nur notwendig, um den direkt Betroffenen zu helfen, sondern auch, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. Das gilt umso mehr, da in Zeiten von hoher Inflation sozialer Abstieg auch Menschen droht, die sich während des vergangenen Jahrzehnts darum wenig Sorgen machen mussten. Es ist deshalb gut, dass das Bürgergeld jetzt schnell kommt. Es ist allerdings bedauerlich, dass sich der Vorschlag einer Vertrauenszeit, die das Vertrauen in staatliche Institutionen vermutlich gestärkt hätte, nicht durchsetzen konnte.“
Im neuen Verteilungsbericht werten die WSI-Expertinnen Dr. Dorothee Spannagel und Dr. Aline Zucco die aktuellsten vorliegenden Daten aus zwei repräsentativen Befragungen aus: Erstens aus dem sozio-oekonomischen-Panel (SOEP), für das rund 16000 Haushalte jedes Jahr interviewt werden, und das aktuell bis 2019 reicht. Zweitens der Lebenslagenuntersuchung der Hans-Böckler-Stiftung, für die 2020 und 2021 gut 4000 Menschen befragt wurden. Hinzu kommen Daten aus einer Repräsentativbefragung, die das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Stiftung im August 2022 zur Inflationsbelastung durchgeführt hat. Als arm definieren die Forscherinnen gemäß der üblichen wissenschaftlichen Definition Menschen, deren bedarfsgewichtetes Nettoeinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland beträgt.
Die Kernergebnisse:
Armut schon vor Beginn der Corona-Krise deutlich gewachsen: „Armut ist in der letzten Dekade deutlich angestiegen. Im Jahr 2019 waren so viele Menschen in Deutschland von Armut betroffen wie nie zuvor“, konstatieren Spannagel und Zucco zur Entwicklung während der 2010er Jahre – einem Zeitraum mit generell guter Wirtschaftsentwicklung und sinkender Arbeitslosigkeit, in dem auch die mittleren Einkommen spürbar zunahmen. Mit einigen zwischenzeitlichen Schwankungen stieg die Armutsquote laut SOEP zwischen 2010 und 2019 von 14,3 Prozent auf 16,8 Prozent – eine relative Zunahme um 17,5 Prozent. Die Quote der sehr armen Menschen, die weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hatten, ging im gleichen Zeitraum sogar um gut 40 Prozent in die Höhe: Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wuchs von 7,9 auf 11,1 Prozent. Deutlich größer wurde auch die Armutslücke – sie bezeichnet den Betrag, der einem durchschnittlichen armen Haushalt fehlt, um rechnerisch über die Armutsgrenze von 60 Prozent zu kommen. Im Jahr 2010 betrug der Rückstand 2968 Euro und sank bis 2013 leicht, um dann sehr schnell auf 3912 Euro im Jahr 2019 anzuwachsen, dem letzten vor dem wirtschaftlichen Einbruch durch die Corona-Pandemie. „Hier zeigt sich, dass die armen Haushalte von diesem Aufschwung nicht profitieren konnten, sondern den Anschluss daran verlieren“, schreiben Spannagel und Zucco (siehe auch die Abbildungen 1 und 2 in der pdf-Version dieser PM; Link unten).
Ungleichheit der Einkommen ebenfalls auf Höchststand: Das spiegelt sich auch im so genannten Gini-Koeffizienten wider, der ausweist, wie gleich oder ungleich die Einkommen verteilt sind. Auch die Gini-Kurve zeigte im Laufe der 2010er Jahre einige Schwankungen. Sie ging in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts moderat nach unten, um 2019 mit 0,296 einen neuen Höchststand zu erreichen. 2010 hatte der Wert noch bei 0,283 gelegen. Der vermeintlich kleine Anstieg ist durchaus signifikant. Und „selbst in den Jahren der Massenarbeitslosigkeit Anfang der 2000er Jahre“ war der Gini nicht höher, betonen die Wissenschaftlerinnen (Abbildung 3).
Schon vor der Energiepreisexplosion konnten fünf Prozent der Armen nicht richtig heizen. Die SOEP-Daten für 2019, die Spannagel und Zucco analysieren, machen deutlich, dass Armut selbst in einem reichen Land wie der Bundesrepublik und in wirtschaftlich recht stabilen Zeiten nicht selten mit alltäglichen Entbehrungen verbunden ist: Schon vor Corona-Krise und Rekordinflation konnten es sich gut 14 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze nicht leisten, neue Kleidung zu kaufen. Immerhin fünf Prozent fehlten die Mittel, um ihre Wohnung angemessen zu heizen, gut drei Prozent verfügten nicht einmal über zwei Paar Straßenschuhe (Abbildung 4).
Messbar sind auch andere Folgen von Armut: Lebenszufriedenheit, Qualität der Gesundheit, Bildung und Qualifikationen sind niedriger als im Bevölkerungsdurchschnitt, ebenso das Vertrauen in staatliche Institutionen von der Bundesregierung bis zu Polizei und Gerichten. In der Böckler-Lebenslagenbefragung stimmten lediglich 59 Prozent der Armen der Einschätzung zu, dass die Demokratie in Deutschland im Großen und Ganzen gut funktioniere, lediglich 68 Prozent hielten sie für die beste Staatsform – elf bzw.14 Prozentpunkte weniger als in der Gesamtbevölkerung.
Aktuelle Zahlen: Spardruck für Ärmere hoch – zunehmend auch mittlere Einkommen betroffen: Mit SOEP-Daten lässt sich aktuell die Frage nicht beantworten, ob Armut und Ungleichheit nach 2019 weiter zugenommen haben, oder nicht. Bei der Armut kommen einzelne Studien auf Basis anderer Datenquellen zu unterschiedlichen Trendaussagen für die beiden von der Corona-Pandemie geprägten Jahre bis 2021. So zeigen vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Daten einen leichten Rückgang der Armutsquote zwischen 2020 und 2021 an. Dagegen weist der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands für 2021 einen neuen Höchststand aus.
Aktuell ist angesichts von enormen Preissteigerungen bei den Basisgütern Energie und Nahrungsmitteln, die Haushalte mit niedrigeren Einkommen stärker treffen als Haushalte mit hohen Einkommen, eine weitere wirtschaftliche Polarisierung sehr plausibel, analysieren die WSI-Expertinnen. Das legen auch aktuelle Befunde aus der Erwerbspersonen- und der IMK-Inflationsumfrage nahe. Im August gaben beispielsweise mehr als zwei Drittel der Befragten mit niedrigeren Haushaltseinkommen unter 2000 Euro netto im Monat an, sich bei Ausgaben für Bekleidung oder Schuhe etwas oder bedeutend einschränken zu wollen – wohlgemerkt gegenüber einem schon vorher relativ geringen Niveau. Knapp 35 Prozent wollten sogar beim Kauf von Lebensmitteln kürzertreten. In der nächsthöheren Einkommensgruppe bis 3500 Euro Haushaltsnettoeinkommen lagen die Anteile mit gut 61 bzw. knapp 32 Prozent auch nicht viel niedriger und auch darüber war die Neigung zu Einschränkungen erheblich. Der Spardruck reicht also deutlich in die Mittelschicht hinein.
Politik zur Reduzierung von Armut senkt auch soziale Kosten und Risiken. Die Befunde unterstrichen, dass Armut nicht nur die direkt Betroffenen schwer belaste, sondern auch die Gesellschaft insgesamt, so Spannagel und Zucco – sei es durch erhöhte Gesundheitskosten, mit Blick auf Fachkräftemangel oder schwindenden Rückhalt für die Demokratie. Um Armut nachhaltig zu bekämpfen, heben sie – jenseits von wirksamen und sozial gerechten Entlastungsmaßnahmen in der akuten Krise – fünf Maßnahmen hervor:
Höhere Löhne für Geringverdienende durch Stärkung der Tarifbindung und Rückbau des Niedriglohnsektors: In tarifgebundenen Betrieben sind die Löhne höher, auch und gerade am unteren Ende der Einkommenshierarchie. Daher profitierten Geringverdienende direkt von einer Bezahlung nach Tarif, so die WSI-Forscherinnen. Um die seit Jahren fortschreitende Erosion der Tarifbindung umzukehren, sollten das Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung erleichtert und Tariftreuevorgaben bei öffentlichen Aufträgen gestärkt werden. Zudem sollte sich der Mindestlohn langfristig an relativen Größen orientieren, um immer Anschluss an die allgemeine Entwicklung zu halten. Die Europäische Kommission etwa empfiehlt, den Mindestlohn bei mindestens 60 Prozent des mittleren Lohns anzusetzen.
Anhebung der Grundsicherung auf ein armutsfestes Niveau: Egal, ob sie ALG II heißt oder Bürgergeld: Die Regelsätze der sozialen Grundsicherung müssen nach Analyse der Verteilungsexpertinnen so weit angehoben werden, dass sie Einkommensarmut tatsächlich verhindern. Ebenso wichtig sei eine verlässliche öffentliche Daseinsvorsorge, also etwa ein gutes, bezahlbares Angebot bei öffentlichem Personennahverkehr und in der Energie- und Wasserversorgung, zudem flächendeckend gute Bildungseinrichtungen.
Förderung von sozialem Wohnraum und gut durchdachtes Quartiersmanagement: Bereits im Jahr 2018 gaben über 10 Prozent der Haushalte, die in Deutschlands Großstädten zur Miete lebten, mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Warmmiete aus. Fast die Hälfte musste dafür mindestens 30 Prozent aufwenden – ein Wert, der in Sozialforschung und Immobilienwirtschaft oft als Belastungsgrenze genannt wird. Aktuell dürfte die Zahl noch deutlich höher liegen. Es bestehe daher ein großer Bedarf an der Förderung von bezahlbarem Wohnraum, so Spannagel und Zucco. Gleichzeitig sollten Wohnquartiere so gestaltet sein, dass sie gezielt eine heterogene Sozialstruktur fördern. „Auch das ist ein wichtiger Baustein, um einer weiteren sozialen Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken“, betonen die Expertinnen.
Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Wenn Familie und Beruf besser miteinander vereinbar sind, profitieren zwei Bevölkerungsgruppen ganz besonders davon: Familien mit nur einem (Vollzeit-)Erwerbseinkommen sowie Alleinerziehende – beides Haushaltstypen, die überdurchschnittlich von Armut betroffen sind. Flexiblere Arbeitszeitmodelle sowie leichterer Zugang zu verlässlicher, idealerweise kostenfreier, Kinderbetreuung sind hierzu wichtige Schritte. Auch egalitäre Sorgemodelle wie der Ausbau der Partnermonate und mehr Teilzeitmöglichkeiten für Väter könnten den Weg hin zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebnen.
5. Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und Qualifizierung: Gerade Personen im unteren Einkommensbereich arbeiten oft in atypischer Beschäftigung, haben befristete Stellen oder lediglich Minijobs. Hier müsse gezielt der Übergang in sichere und angemessen bezahlte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefördert werden, fordern die WSI-Expertinnen. Eine passgenaue Weiterqualifizierung von Menschen an den Rändern des Arbeitsmarktes sei ein weiterer wichtiger Baustein. Auch in dieser Frage setze das Bürgergeld-System der Bundesregierung die richtigen Schwerpunkte. Bei der Qualifizierung müssten ganz besonders Migrantinnen und Migranten in den Fokus genommen werden. So können das Missmatch auf dem Arbeitsmarkt verbessert, Fachkräftemangel gemildert und Menschen ihren Qualifikationen entsprechend vermittelt werden.
Coaching ist ein wichtiger Bestandteil des Sozialen Arbeitsmarkts. Damit soll das geförderte Beschäftigungsverhältnis stabilisiert werden. Die Geförderten sind überwiegend mit dem Coaching zufrieden, sie wünschen sich aber zum Teil eine weitergehende Unterstützung. Dies könnte auf spezifische Verbesserungspotenziale hinweisen. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurde.
Durchschnittlich erhielten die Geförderten der beiden neuen Förderinstrumente des Teilhabechancengesetzes Coaching zu drei Betreuungsbereichen. Etwa die Hälfte der Geförderten wurde – laut Befragungsdaten – beim Umgang mit Behörden, bei der Bewältigung persönlicher Probleme oder bei Problemen im Betrieb, zum Beispiel mit Kolleginnen und Kollegen, von einer Coachin oder einem Coach unterstützt. Zwei Fünftel der Geförderten wurden bei Gesundheitsfragen oder der Organisation des Arbeitsalltags und der Anpassung von Arbeitsbedingungen gecoacht. Von den Geförderten mit Betreuungsaufgaben wurde etwa ein Viertel bei der Organisation der Pflege von Angehörigen beziehungsweise der Kinderbetreuung unterstützt. Zwei Fünftel der Geförderten wünschten sich Coaching in weiteren Bereichen.
Befragungsergebnissen zufolge hat die überwiegende Mehrheit der Geförderten bereits ein Coaching erhalten und es fanden im Schnitt fünf bis sechs Coaching-Gespräche pro Quartal statt. 43 Prozent der Geförderten wurden von Mitarbeitenden des Jobcenters und 57 Prozent durch externe Coaches betreut. Mit Blick auf mögliche Verbesserungen ihrer persönlichen Situation empfanden die Gecoachten eine Coachin oder einen Coach aus dem Jobcenter hilfreicher. Dies könnte, so die IAB-Forschenden, an der größeren Erfahrung im Umgang mit Behörden oder mit Problemlagen von Grundsicherungsbeziehenden bei der Integration in Erwerbsarbeit liegen. Konkrete Hilfen in diesen Bereichen könnten schon kurzfristig zu einer wahrgenommenen Verbesserung der persönlichen Situation führen. „Allerdings wünschten sich Befragte mit einer Coachin oder einem Coach aus dem Jobcenter öfter zusätzliche Beratungsinhalte und ein umfangreicheres Coaching als bei einer externen Coachin oder einem externen Coach“, fügt Mit-Autorin Zein Kasrin hinzu.
Mit der Bürgergeldreform plant die Bundesregierung, ein Coaching unabhängig von der Teilnahme an Fördermaßnahmen zu ermöglichen. Dadurch können erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit vielfältigen Problemlagen unterstützt werden. „Angesichts unserer Befunde sollte bei der Umsetzung darauf geachtet werden, dass die unterschiedlichen Bedarfe der Leistungsberechtigten breit abgedeckt werden können“, so IAB-Forschungsbereichsleiter Joachim Wolff.
Anlässlich der Verhandlungen zur sog. „Instrumentalisierungsverordnung“ im europäischen Rat am 08.12.2022 stellen sich über 30 Organisationen aus dem Fluchtbereich gegen die Einführung des Konzepts der Instrumentalisierung und seine Kodifizierung im EU-Recht. Die AWO ist Mitglied des Bündnisses.
Derzeit steht ein Gesetzesvorschlag der EU-Kommission im europäischen Rat zur Verhandlung, der es Mitgliedstaaten erlauben soll, von geltendem EU-Asylrecht substanziell abzuweichen und die Rechte von Schutzsuchenden erheblich einzuschränken.
Die Instrumentalisierungsverordnung droht an den Außengrenzen den schon bestehenden Ausnahmezustand rechtlich zu zementieren. Das können und wollen wir nicht hinnehmen. Europäisches Recht muss wieder angewendet werden – die vorgelegte Verordnung verbiegt es aber und gibt so denen Recht, die es derzeit an den Außengrenzen brechen.
Sollte der Gesetzesvorschlag angenommen werden, würde das für Geflüchtete zukünftig bedeuten, dass es durch die Schließung von Grenzübergängen für sie nahezu unmöglich wird, an den Außengrenzen einen Asylantrag zu stellen. Wenn es doch jemand schafft, einen Asylantrag zu stellen, erlaubt es die Verordnung, die Menschen bis zu fünf Monate zu inhaftieren. Dies beträfe auch Traumatisierte, Menschen mit Behinderung, Familien und allein fliehende Kinder. An den Grenzen würde dies faktisch zu menschenunwürdigen Bedingungen führen, wie auf den griechischen Inseln und anderswo häufig genug gesehen.
Die Einschränkung der Grundrechte der von dem Vorschlag betroffenen Menschen ist so weitreichend, dass das Recht auf Asyl, ein faires Verfahren und angemessene, menschenwürdige Aufnahme insgesamt zur Disposition gestellt wird. „Wenn Regierungen von Drittstaaten oder nichtstaatliche Akteur*innen zu politischen Zwecken Schutzsuchende benutzen, darf die EU diese nicht „instrumentalisieren“. Ihre Rechte einzuschränken ist geradezu zynisch“, so Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes. „Die Absenkung der Asylstandards und die Erschwerung des Zugangs zu internationalem Schutz lehnen wir entschieden ab.“
Unter den zeichnenden Organisationen sind neben der AWO u.a. Diakonie, Pro Asyl, Amnesty International und Brot für die Welt.
Das Gesetzesvorhaben sieht unter gewissen Umständen erhebliche Verschlechterungen für Schutzsuchende vor: Es gälte in Situationen, in denen ein Drittstaat oder ein nichtstaatlicher Akteur Reisen von Drittstaatsangehörigen “instrumentalisiert“, um die Union oder einen Mitgliedstaat zu destabilisieren, auch dann, wenn mit dieser Handlung ein solche Destabilisierung nur drohen könnte. Träte ein solcher Fall ein, hätte der Mitgliedsstaat vier Wochen Zeit, einen Asylantrag zu registrieren, alle Asylanträge im Grenzverfahren zu bearbeiten und materielle Leistungen laut Aufnahmebedingungen‐Richtlinie auszusetzen. Stattdessen würden nur noch die „Grundbedürfnisse“ der Schutzsuchenden gewährt. Anlass dafür sind die Geschehnisse an der Polnisch-Belarussischen Grenze, wo die belarussischen Grenzbehörden versuchten, rund 4.000 Schutzsuchende, v.a. aus dem Irak, Syrien und Afghanistan, gewaltsam über die Grenze nach Polen zu ‚pushen‘.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 06.12.2022
30 Initiator*innen, überwiegend aus der Gesundheitsversorgung, haben ein Positionspapier veröffentlicht mit der Forderung der schnellen Umsetzung des Koalitionsvorhabens, Sprachmittlung in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen bzw. als Leistung des SGB V aufzunehmen. Auch die AWO hat das Positionspapier des Bündnisses Sprachmittlung mitunterzeichnet.
Die Aufnahme von Sprachmittlungsleistungen in den Katalog der Gesetzlichen Krankenkassen bzw. in das SGB V wurde bereits in den letzten Jahren von verschiedenen Fachverbänden und Gremien gefordert. Das jetzt veröffentlichte Positionspapier konkretisiert diese Forderung. Dazu erklärt Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes: „Die AWO begrüßt ausdrücklich, dass es zukünftig einen gesetzlichen Anspruch auf Übernahme von Dolmetscher*innen-Kosten im SGB V geben wird. Das ist ein wichtiges Signal und wird auch vielen psychisch kranken Menschen mit geringen deutschen Sprachkenntnissen den Weg zu einer Behandlung erleichtern, weil die Sprache nun einmal ein zentraler Bestandteil bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen ist.“
Empirisch sind die negativen Auswirkungen von Sprachbarrieren in der Gesundheitsversorgung sowie auch umgekehrt der positive Einfluss von Sprachmittlung längst belegt. Der jedoch fehlende rechtliche Anspruch auf Sprachmittlung im Gesundheitswesen und die aktuelle Kostenübernahme-Regelung verfestigen die strukturelle Benachteiligung von Menschen mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen und sind damit unter dem Gesichtspunkt des strukturellen Rassismus zu betrachten. Der Behebung des Problems der Sprachbarrieren widmen sich bundesweit bereits verschiedene Anbieter*innen und Sprachmittlungsnetzwerke, doch die fehlende Finanzierung führt nach wie vor dazu, dass in der Gesundheitsversorgung Kompromisslösungen gefunden werden, die weder für Mitarbeitende noch Patient*innen sinnvoll sind und zahlreiche negative Folgen mit sich bringen. Das Bündnis fordert daher in elf Punkten die umfangreiche Finanzierung von Sprachmittlung sowie u. a. konkrete Regelungen zur Umsetzung im medizinischen Alltag.
Anlässlich der Sonder-Verkehrsminister*innenkonferenz (VMK) am 29.11. fordert das Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende ein bundesweit gültiges Sozialticket für maximal 29 Euro. Dieses soll das Deutschlandticket ergänzen und sich speziell an einkommensschwache Haushalte richten. „Ohne eine zusätzliche soziale Lösung verspielen Bund und Länder die Chance, mit dem Deutschlandticket einen echten Beitrag für nachhaltige Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe zu leisten“, so die Bündnisvertreter*innen einstimmig. „Die Verkehrs- und Sozialressorts der Länder sind in der Pflicht, für mehr soziale Gerechtigkeit durch Mobilität zu sorgen.“
Das Deutschlandticket ist grundsätzlich ein wichtiger Schritt für die dringend notwendige Mobilitätswende. Der geplante Standardpreis für 49 Euro liegt aber weit über dem, was für viele bezahlbar ist. „Gerade Menschen mit geringem Einkommen brauchen jedoch angesichts der beispiellosen Inflation gezielte finanzielle Entlastung“, so das Bündnis. Das 9-Euro-Ticket hat gezeigt, dass ein einfaches und günstiges ÖPNV-Ticket einen wichtigen Beitrag leistet, Mobilitätsarmut zu beseitigen – denn nachhaltige Mobilität darf keine Frage des Einkommens sein und nicht an Stadt-, Kreis- oder Ländergrenzen enden. Regionale Angebote, wie das Berliner Sozialticket für 9 Euro, werden als zusätzliche Entlastung begrüßt.
Um dem Anspruch der Barrierefreiheit gerecht zu werden und somit Teilhabe insbesondere für Senior*innen, Menschen mit Behinderungen und Armutsbetroffene zu ermöglichen, müssen die Tickets sowohl digital als auch analog am Automaten oder Schalter zu kaufen sein – und zwar jederzeit, monatlich und nicht nur im Abonnement.
Das Bündnis kritisiert, dass Bund und Länder noch nicht genug Geld für das Deutschlandticket bereitgestellt haben, damit keine Linien gestrichen, keine Ticketpreise erhöht und keine Löhne gekürzt werden. Abschließend erklärt das Bündnis: „Eine sozialverträgliche Mobilitätswende erfordert massive und dauerhafte Investitionen in Personal und Infrastruktur. Nur so kann das Deutschlandticket gleichermaßen zu einem Erfolgsprojekt in städtischen und bislang schlecht angebundenen ländlichen Gegenden werden.“
Das Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende bündelt die Expertise aus Gewerkschaften, Sozial-, Wohlfahrts- und Umweltverbänden sowie der Evangelischen Kirche, um zusammen die Transformation der Mobilität in Deutschland zu unterstützen. Gemeinsam vertritt das Bündnis viele Millionen Mitglieder und bietet eine Plattform für die Fragestellungen rund um eine soziale und ökologische Mobilitätswende. Das Bündnis wird gefördert und unterstützt durch die Stiftung Mercator
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 27.11.2022
Die digitale Transformation der Arbeitswelt bedeutet für viele Beschäftigte stärkere Belastungen. Das hat die repräsentative Beschäftigtenbefragung Index Gute Arbeit 2022 des Deutschen Gewerkschaftsbundes ergeben, die heute in Berlin vorgestellt wurde.
40 Prozent der Beschäftigten fühlen sich durch die Digitalisierung ihrer Tätigkeit stärker belastet. 46 Prozent gaben an, dass durch Multitasking Anforderungen gewachsen sind; mehr als ein Drittel (33 Prozent) sehen sich bei der Arbeit stärker überwacht. Zudem steigen für zwei Drittel der Beschäftigten die Anforderungen an ihre Qualifikation. Über bessere Arbeitsbedingungen durch Digitalisierung berichtet hingegen nur ein kleinerer Anteil der Beschäftigten. So hat sich zum Beispiel für knapp ein Viertel (23 Prozent) der Befragten durch digitale Arbeitsmittel der Entscheidungsspielraum bei der eigenen Tätigkeit vergrößert.
„Die Ergebnisse der Befragung sind ein Alarmsignal. Die Potenziale der Digitalisierung werden viel zu wenig genutzt“, schlussfolgerte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi. „Digitalisierung soll Unterstützung und Erleichterung sein, statt Beschäftigte zu belasten, Stress zu erzeugen und so das Risiko für psychische Erkrankungen zu erhöhen.“ Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels könne sich Deutschland das nicht leisten. Lösung für das Problem sei mehr Mitbestimmung: „Die starke Beteiligung von Arbeitnehmer*innen ist der Schlüssel, um die Arbeitswelt nachhaltig, gesund und transparent zu digitalisieren. Die Beschäftigten sind schließlich Expert*innen für ihre tägliche Arbeit und auch ihr Wohlbefinden,“ sagte Fahimi.
Die Digitalisierung ist laut der DGB-Umfrage inzwischen selbstverständlich im Arbeitsleben angekommen. 83 Prozent der Beschäftigten nutzen bei ihrer Arbeit digitale Arbeitsmittel – am häufigsten verbreitet ist die digitale Kommunikation (79 Prozent). Immerhin ein Fünftel (21 Prozent) arbeitet mit Künstlicher Intelligenz.
„Corona hatte einen regelrechten Digitalisierungsschub zur Folge“, erklärte Fahimi weitere Ergebnisse der Studie. Eng verbunden sei dies mit der Ausbreitung mobiler Arbeit: Die Mehrheit der Beschäftigten (56 Prozent) nutzen inzwischen regelmäßig Videokonferenzen. Dabei zeigt sich, dass die neuen Kommunikationsmöglichkeiten im Homeoffice oder bei mobiler Arbeit zwar effizient sind, aber für viele Beschäftigte mit Arbeitsverdichtung einhergehen: Wenn Videokonferenzen intensiv genutzt werden, berichten drei Viertel (74 Prozent) von einer wachsenden Zahl an Besprechungen, 26 Prozent sind (sehr) häufig mit mehreren pausenlos aufeinanderfolgenden Videokonferenzen konfrontiert.
Die Ergebnisse des DGB-Index Gute Arbeit zeigen auch den großen Stellenwert von Mitbestimmung und Beteiligung für bessere Arbeitsbedingungen. „Wo es einen Betriebsrat gibt, gibt es viel seltener Überwachung der Beschäftigten durch digitale Technik“, erläuterte Fahimi. Trotzdem sei die direkte Beteiligung der Arbeitnehmer*innen an der digitalen Transformation ihrer Arbeit gering ausgeprägt. Lediglich ein Viertel (26 Prozent) kann die Veränderungen am eigenen Arbeitsplatz nachhaltig beeinflussen. Sind Beteiligungsmöglichkeit vorhanden, wird Digitalisierung deutlich positiver bewertet: Beschäftigte mit Einfluss berichten über größere Entscheidungsspielräume, weniger digitale Überwachung und Kontrolle und über eine bessere Steuerung der Arbeitsbelastung.
Zum DGB-Index Gute Arbeit
Mit der repräsentativen Befragung „DGB-Index Gute Arbeit“ werden seit 2007 einmal im Jahr abhängig Beschäftigte telefonisch zur Qualität ihrer Arbeitsbedingungen interviewt. Die Ergebnisse spiegeln die Sicht der Beschäftigten auf ihre Arbeitsbedingungen wider. 2022 wurden bundesweit 6.689 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer*innen aller Branchen, Berufe, Einkommens- und Altersgruppen, Regionen und Betriebsgrößen befragt.
Die Befragung fand im Zeitraum von Januar bis Juni 2022 statt. Schwerpunktthema war die Digitale Transformation der Arbeitswelt.
Zur aktuellen Debatte über die Erleichterung der Einbürgerung erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:
„Angesichts des dramatischen Arbeitskräftemangels sollten wir jetzt die Chance nutzen und die Einbürgerung endlich erleichtern. Rückwärtsgewandte Debatten führen nur zu Verunsicherung bei den Menschen, die wir als Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen möchten. Es geht aber um viel mehr als um potenzielle Arbeitskräfte: Menschen, die schon viele Jahre hier leben und zu wirtschaftlicher Prosperität und zur Finanzierung des Sozialstaats längst beitragen, haben die staatsbürgerschaftlichen Rechte verdient. Einbürgerung stärkt die Demokratie, ermöglicht bessere gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten und damit die Identifikation mit diesem Land. Nun muss es darum gehen, dass Deutschland ein modernes Einwanderungsland wird und Vielfalt als Chance nutzt. Wichtige Schritte sind dabei der Abbau bürokratischer Hürden bei der Einbürgerung wie bei der Arbeitserlaubnis und eine erheblich beschleunigte Bearbeitung von Anträgen. Deutschland ist im europäischen Vergleich bereits jetzt schon Nachzügler bei der Einbürgerung.“
Hintergrund
Rund fünf Millionen Menschen leben dauerhaft und schon viele Jahre ohne deutschen Pass in Deutschland und damit ohne volle Teilhabemöglichkeiten. Deutschlands Einbürgerungsquote ist im europäischen Vergleich niedrig. Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht gilt als modernisierungsbedürftig, der Wechsel vom Abstammungs- zum Geburtsortsprinzip ist bislang nur ansatzweise vollzogen. Viele Kinder werden in Deutschland als Ausländer:innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit geboren und wachsen mit eingeschränkten Rechten und Aufenthaltsunsicherheit auf.
Im Koalitionsvertrag von 2021 nimmt unter den migrationspolitischen Vorhaben die Einbürgerungspolitik eine prominente Stellung ein. Die Diakonie hat dieses Vorhaben begrüßt. Die Migrationsfachdienste der Diakonie sind in ihrer Praxis täglich mit Einbürgerungsfragen konfrontiert und kriegen die Enttäuschung vieler Einbürgerungswilliger über lange Wartezeiten sowie bürokratische Hemmnisse bei ihren Anträgen mit. Ohne deutschen Pass gibt es keine Aufenthaltssicherheit und damit ist keine vollständige soziale und politische Teilhabe möglich.
Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht war 2000 nach großem Streit und einer fragwürdigen Unterschriftenkampagne nur unzureichend reformiert worden.
Inflation, wachsende Armut, die Versorgung von Geflüchteten – das deutsche Gesundheitssystem ist den aktuellen Herausforderungen nicht gewachsen. Davor warnt eine zivilgesellschaftliche Allianz anlässlich des heutigen Welttags der allgemeinen Gesundheitsversorgung.
Die Bundesregierung muss zügig Maßnahmen ergreifen, um Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Deutschland zu gewährleisten und diskriminierende Hürden abzubauen. Das fordern die NGO Ärzte der Welt, die Diakonie Deutschland und die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe gemeinsam mit der neu gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft Anonymer Krankenschein- und Clearingstellen (BACK).
„Deutschland stellt sich als Musterbeispiel dar, aber immer noch können Hunderttausende notwendige medizinische Leistungen nicht in Anspruch nehmen“, kritisiert Robert Limmer von der Clearingstelle München.
Mitarbeitende in Anlaufstellen für Menschen ohne Krankenversicherung erleben täglich die Auswirkungen der zahlreichen Barrieren: „Ich habe zum Beispiel schwangere Frauen beraten, die erst kurz vor der Geburt das erste Mal von einer Gynäkologin untersucht wurden. Diese Situation birgt eine große Gefahr für Mutter und Kind“, sagt Nele Wilk von der Clearingstelle Rheinland-Pfalz.
Häufig suchen Geflüchtete, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus sowie erwerbslose oder prekär beschäftigte Menschen aus andern EU-Ländern Unterstützung bei den Anlaufstellen. Aber auch zahlreiche deutsche Staatsbürger*innen, die sich vor allem die Beiträge der privaten Krankenversicherung nicht mehr leisten können, sind darunter.
Offizielle Daten, wer in Deutschland nicht krankenversichert ist, sind unzureichend. Zum besseren Verständnis des Problems will Ärzte der Welt mit seinem heute erscheinenden Gesundheitsreport beitragen. „60 Prozent der Patient*innen haben angegeben, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten darauf verzichtet haben, eine Arztpraxis oder Klinik aufzusuchen, obwohl sie krank waren. Bei obdachlosen Patient*innen waren das über 80 Prozent“, sagt Ärzte der Welt-Referentin Janina Gach.
Zahlreiche ehrenamtlich getragene medizinische Versorgungsprojekte sowie von Kommunen und Ländern eingerichtete Clearingstellen versuchen, die klaffende Lücke im deutschen Gesundheitssystem notdürftig zu schließen. Doch sie arbeiten am Rande ihrer Kapazitäten.
„Jeder Mensch muss sich darauf verlassen können, dass er Zugang zu medizinischer Versorgung bekommt. Gesundheit ist ein Menschenrecht und das muss in Deutschland für alle hier lebenden Menschen gelten – ohne Einschränkungen“, sagt Maike Grube, Referentin für gesundheitliche Versorgung der Diakonie Deutschland.
Angesichts der sich zuspitzenden Lage fordern die Organisationen und Verbände die Bundesregierung auf, endlich zu handeln, und folgende Maßnahmen zu ergreifen:
Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung abschaffen, Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung für alle
Mindestbeitragssatz zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung für einkommensschwache Personengruppen senken
Übermittlungspflicht nach § 87 Aufenthaltsgesetz abschaffen
EU-Bürger*innen im Bezug von Sozialleistungen gleichbehandeln und Leistungsausschluss abschaffen
Umfassende, barrierearme Gesundheitsversorgung für Geflüchtete
Bürokratische Hürden beim Zugang zu gesundheitlicher Versorgung abschaffen, barrierearme Informationen bereitstellen
Recht auf professionelle Sprachmittlung im Gesundheitssystem und Finanzierung dieser
Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung im Gesundheitswesen und bei Behörden
Solange der diskriminierungsfreie Zugang nicht für alle gesichert ist:
Clearingstellen einrichten und finanzieren
Finanzierungsmöglichkeiten medizinischer Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz einrichten
Hintergrund:
Seit Jahrzehnten bemühen sich zivilgesellschaftliche Organisationen, Menschen ohne Krankenversicherung zu versorgen. Zum großen Teil wird diese Leistung durch ehrenamtlich tätiges medizinisches Personal erbracht. In den vergangenen Jahren haben zudem einige Länder und Kommunen Clearingstellen eingerichtet. Diese unterstützen Menschen dabei, in eine Krankenversicherung aufgenommen zu werden oder zu klären, wie die Kosten für eine Behandlung gedeckt werden können. Indem die Clearingstellen anonymisierte Behandlungsscheine ausstellen, können sie kurzfristig Zugang zum Gesundheitssystem ermöglichen. Clearingstellen sind bisher aber noch nicht flächendeckend eingerichtet worden und sind nicht für alle Ratsuchenden in erreichbarer Nähe. Zudem existieren weder einheitliche Standards noch eine ausreichende und langfristige Finanzierung.
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., Ärzte der Welt e. V., Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und Bundesarbeitsgemeinschaft Anonymer Krankenschein- und Clearingstellen (BACK) vom 12.12.2022
Mehr als eine Viertelmillion Menschen in Deutschland haben keinen Mietvertrag und kein eigenes Zuhause. Das geht aus dem heute vom Bundessozialministerium veröffentlichten ersten Wohnungslosenbericht hervor. Sie sind wohnungslos untergebracht, sie leben verdeckt wohnungslos bei Freundinnen und Bekannten oder ohne jede Unterkunft auf der Straße. Die Diakonie Deutschland und der Evangelische Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e.V. (EBET) fordern die Bundesregierung angesichts der großen Wohnungsnot auf, endlich wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention von Wohnungslosigkeit auf den Weg zu bringen.
„Wenn die Ampelkoalition jetzt nicht schnell handelt, wird sie an ihren eigenen Ansprüchen, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden, garantiert scheitern“, sagt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Der Wohnungslosenbericht liefere wichtige Erkenntnisse zu Umfang und Lebensumständen wohnungsloser Menschen. Allerdings sei die Dunkelziffer tatsächlich wohnungsloser Menschen noch um einiges höher. „Es werden nicht alle Wohnungslose aus den genannten Gruppen erfasst und andere werden nicht als wohnungslos gezählt, die es aber sind: Frauen in Frauenhäusern, Menschen in Haftanstalten oder geflüchtete Menschen mit anerkanntem Bleiberecht, die in Asylbewerberunterkünften wohnen müssen, weil sie keine eigene Wohnung finden“, so Loheide.
Die akute Wohnungsnot – insbesondere in Großstädten – sei bekannt. „Es fehlen vor allem kleine und günstige Wohnungen sowie bezahlbare Wohnungen für Familien bzw. Alleinstehende mit einem mehreren Kindern. Erst mit einer eigenen Wohnung können Menschen ein Zuhause finden. Der Staat muss diejenigen unterstützen, die auf dem freien Wohnungsmarkt kaum eine Chance haben“, so Dr. Jens Rannenberg, Vorsitzender des EBET. Der von der Bundesregierung angekündigte „Nationale Aktionsplan zur Überwindung der Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030″ müsse nun schnell entwickelt und umgesetzt werden. „Damit der Plan Wirkung zeigt, müssen alle wichtigen Akteurinnen und Akteure in die Entwicklung und Ausgestaltung einbezogen werden: Wohnungslose und ehemals wohnungslose Menschen als Expertinnen und Experten in eigener Sache wie auch Länder und Kommunen, die vor Ort verpflichtet sind, bezahlbaren und angemessenen Wohnraum zu schaffen und Wohnungsverluste zu verhindern. Um das Grundrecht auf Wohnen zu verwirklichen, ist ein Neustart für eine soziale Wohnungspolitik nötig“, betont Diakonie-Vorständin Loheide.
Hintergrund:
Mit dem Wohnungslosenbericht wird der Auftrag des Wohnungslosenberichterstattungsgesetzes (WoBerichtsG) umgesetzt, Informationen und Analysen über Umfang und Struktur von Wohnungslosigkeit vorzulegen. Im Mittelpunkt stehen drei Gruppen wohnungsloser Personen: Die untergebrachten wohnungslosen Menschen, über die das Statistische Bundesamt erstmals zum Stichtag des 31. Januar 2022 eine Statistik erhoben hat, sowie die Gruppen der verdeckt Wohnungslosen und die der Straßenobdachlosen, zu denen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Forschungsauftrag an das Konsortium GISS/Kantar vergeben hat, um mittels einer Stichprobe entsprechende Informationen zu gewinnen.
Laut GISS/Kantar leben in Deutschland etwa 37.400 Menschen ohne jede Unterkunft auf der Straße. 49.300 Menschen sind verdeckt wohnungslos, haben also vorübergehend Zuflucht bei Bekannten oder Familienangehörigen gesucht. 178.100 Menschen waren zum Stichtag 31.01.2022 institutionell untergebracht. Damit sind also etwa doppelt so viele wohnungslose Menschen institutionell untergebracht wie auf der Straße lebend oder verdeckt wohnungslos (rund 86.700). Die Gesamtzahl der 262.600 wohnungslosen Menschen ergibt sich aus der Summe der institutionell untergebrachten Menschen, der verdeckt wohnungslosen Menschen, der auf der Straße lebenden Menschen sowie rund 6.600 Kinder, die nicht selbst befragt wurden, aber mit ihren Eltern zusammen auf der Straße oder in verdeckter Wohnungslosigkeit leben. Hiervon müssen 8.800 Personen abgezogen werden, die sonst doppelt gezählt würden.
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., Evangelischer Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e.V. vom 08.12.2022
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) setzt sich in seinem Policy Paper für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches (StGB) ein, das sich am reproduktiven Selbstbestimmungsrecht und der körperlichen Integrität schwangerer Personen orientiert.
Der djb kritisiert die defizitäre Versorgungslage ungewollt schwangerer Personen in Deutschland und veranschaulicht, wie restriktiv das deutsche Recht im europäischen Vergleich ausfällt. Anlass für das Policy Paper ist die derzeitige internationale Diskussion um die Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen, die durch das Urteil des US-Amerikanischen Supreme Courts Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization ausgelöst wurde. Auf nationaler Ebene zeigt sich zudem der Wille der Bundesregierung über eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs mit Blick auf eine Stärkung reproduktiver Rechte nachzudenken, wie der Ampel-Koalitionsvertrag zeigt. So ist die Einrichtung einer Kommission geplant, die sich mit einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches befassen soll.
Derzeit stellt das deutsche Recht den Schwangerschaftsabbruch in § 218 StGB grundsätzlich unter Strafe, bleibt jedoch unter bestimmten Bedingungen straffrei. Eine Regelung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs mit Mitteln des Strafrechts stößt aus heutiger Perspektive auf erhebliche Bedenken. Der djb setzt sich für eine Regelung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches ein und plädiert dafür, die §§ 218 ff. aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Stattdessen sieht er eine Fristenlösung im Schwangerschaftsabbruch (SchkG) vor, nach der selbstbestimme Schwangerschaftsabbrüche ausnahmslos bis zur Überlebensfähigkeit des Fötus erlaubt sein sollten. Der djb schlägt für Schwangerschaftsabbrüche, die gegen oder ohne den Willen der schwangeren Person vorgenommen werden, einen eigenen Tatbestand im StGB vor (etwa in § 226b StGB). Außerdem macht sich der djb für die Verbesserung der Versorgungslage ungewollt schwangerer Personen stark, darunter die Verankerung eines Rechts auf Beratung statt der momentanen Beratungspflicht und die Übernahme der Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch von der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Schwangerschaftsabbruch sollte zum verpflichtenden Programm der medizinischen Ausbildung im Studium sowie der Weiterbildung für die gynäkologische Facharztausbildung werden.
Eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs ist für den djb auch unter Berücksichtigung der neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung angezeigt. Die strafrechtliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs gegen oder ohne den Willen der schwangeren Person ist dagegen weiterhin geboten.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb) vom 08.12.2022
Das Deutsche Kinderhilfswerk appelliert an Bund, Länder und Kommunen, ihre Bemühungen zur Bekanntmachung der Kinderrechte in Deutschland voranzutreiben. Dafür braucht es aus Sicht der Kinderrechtsorganisation eine Bildungsoffensive in Sachen Kinderrechte, die Kinder und Erwachsene erreicht. Zentrale Rollen sollten dabei sowohl die Familien als auch die Schulen spielen.
Eine Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerkes unter Eltern von Grundschulkindern hat ergeben, dass nur 7 Prozent der Befragten durch die Schule ihres Kindes über Kinderrechte und deren Umsetzung im Schulalltag informiert werden. Gleichzeitig äußerten 83 Prozent den Wunsch, mehr über die Umsetzungsmöglichkeiten der Kinderrechte sowohl in der Schule als auch zu Hause zu erfahren. Nach möglichen Informationsmaterialien für Eltern zu Kinderrechten befragt, wünschen sich 59 Prozent der Eltern ein Kinderbuch zum gemeinsamen Lesen mit ihrem Kind und 53 Prozent kurze Informationsbroschüren mit Infos zu Kinderrechten. 30 Prozent sprechen sich für Schulveranstaltungen für Eltern, beispielsweise Elternabende zu Kinderrechten aus. Ebenfalls 30 Prozent wünschen sich kurze Videos zu Kinderrechten zum Beispiel auf YouTube, und 27 Prozent digitale Veranstaltungsangebote der Schulen für Eltern.
Die Eltern wurden auch gefragt, welche Angebote zu Kinderrechten sie sich für die Schule ihres Kindes wünschen. 73 Prozent plädieren hier für Projekttage oder Projektwochen zu Kinderrechten innerhalb des Unterrichts, 40 Prozent für Beteiligungsprojekte der Schülerinnen und Schüler. 87 Prozent der Eltern (46 Prozent ja, 41 Prozent vielleicht) könnten sich vorstellen, sich an solchen Angeboten auch aktiv zu beteiligen, beispielsweise durch ehrenamtliche Begleitung. Die Erhebung erfolgte als Pilotbefragung über Kooperationsschulen des Deutschen Kinderhilfswerkes und hatte zum Ziel, Bedarfe von Eltern hinsichtlich kinderrechtebezogener Bildungsarbeit aufzuzeigen. Auch wenn die Befragung unter Eltern nicht repräsentativ ist, zeigt sie doch ein Stimmungsbild, was sich Eltern von Grundschulkindern in Sachen Kinderrechte wünschen.
„Wir müssen das Wissen über Kinderrechte und ihre Bedeutung bei den Eltern und Erziehungspersonen deutlich erhöhen. Kinderrechte dürfen nicht nur dann ein Thema im Unterricht sein, wenn es um Kinderarbeit in Entwicklungsländern geht. Alle Kinder in Deutschland haben Rechte, die nicht umgesetzt werden, das gilt für den Bereich der Mitbestimmung genauso wie für soziale Sicherheit. Deshalb sollte die Kinderrechtevermittlung an Schulen deutlich ausgebaut werden. Nur, wer seine Rechte kennt, kann diese auch einfordern. Deshalb gilt es, Schulteams und Fachkräften konkrete Praxismaterialien und Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen. Zudem ist es wichtig, Eltern bei der Gestaltung eines kinderrechtlich orientierten Schulalltags auch im Sinne einer Verantwortungsübernahme mehr als bisher einzubeziehen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Erst vor wenigen Wochen hatte sich der UN-Kinderrechtsausschuss bei der Frage der Bekanntmachung der Kinderrechte in Deutschland besorgt darüber gezeigt, dass der Kenntnisstand der Kinder über die UN-Kinderrechtskonvention relativ gering ist. Deshalb hat der UN-Ausschuss der Bundesrepublik Deutschland empfohlen, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Rechte der Kinder fortzusetzen und die aktive Beteiligung von Kindern an öffentlichen Aktivitäten zu fördern.
Anregungen und Praxismaterialien für schulische Projekttage und Projektwochen zu Kinderrechten finden sich auf der Webseite www.schulsache.de des Deutschen Kinderhilfswerkes. Für Eltern und Erziehungspersonen, die sich individuell mit dem Thema Kinderrechte beschäftigen möchten, stellt das Deutsche Kinderhilfswerk Materialien auf www.dkhw.de bereit. Kindgerechte Informationen sind auf www.kindersache.de erhältlich.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 13.12.2022
Ein Bündnis von 12 Verbänden und Organisationen hat in einem Offenen Brief an Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder einen Schutz vor Energiesperren und vor Wohnungsverlust gefordert. In dem Brief begrüßen die Unterzeichnenden die Maßnahmen der Bundesregierung zur Abfederung sozialer Härten. Gleichzeitig schreiben sie: „Allerdings haben wir Sorge, dass die verschiedenen auf den Weg gebrachten Maßnahmen nicht ausreichen oder administrativ zu spät kommen können, um Mieter*innen vielerorts vor einer Überlastung durch die Energiekosten zu schützen und ihnen Sicherheit zu geben. Wir halten ein gesetzliches Kündigungsmoratorium für Mietverträge und ein Verbot von Energiesperren als Sofortmaßnahme für dringend erforderlich, um Sicherheit für die Menschen zu schaffen. Es geht sozusagen um ein letztes Auffangnetz für den Fall, dass vorgelagerte Maßnahmen nicht oder noch nicht greifen werden.“
„Viele Familien und ihre Kinder haben Angst vor der nächsten Heizkosten- und Stromrechnung. Die Ampelkoalition hat hier einiges auf den Weg gebracht hat, aber das reicht einfach nicht. Es muss klar sein, dass kein Kind wegen der Inflation obdachlos werden darf oder im Dunkeln sitzen muss. Viele Familien trifft jetzt die Inflation und die Energiekrise mit unfassbarer Wucht. Dadurch geraten Familien mit geringem Einkommen an oder sogar über die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten, viele sind finanziell schlicht am Ende. Die Förderung armer Familien und ihrer Kinder sowie unbürokratische Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen gehören auf der Prioritätenliste ganz nach oben“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Gerade in der kalten Jahreszeit, in der viele Menschen daheim bleiben, sind Energiesperren grausam“, gibt Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes zu bedenken. „Man stelle sich nur eine kalte Wohnung ohne Elektrizität vor, in der man sich nicht einmal einen Tee kochen kann. Das droht gerade mehr Bürgerinnen und Bürgern als jemals zuvor“, so Rosenbrock weiter. Noch schlimmer ist nur der Wohnungsverlust, meint Rosenbrock: „Seit Jahren steigen die Mieten und die Zahl der Wohnungslosen. Die sowieso schon angespannte Situation wird sich weiter verschlechtern. Der Verlust der Wohnung muss auf jeden Fall verhindert werden!“
Neben dem Paritätischen Gesamtverband haben das Deutsche Kinderhilfswerk, der Kinderschutzbund, die BAG Wohnungslosenhilfe, der Deutsche Mieterbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Volkssolidarität, die Verbraucherzentrale Bundesverband, Tafel Deutschland, Sanktionsfrei, der SoVD und der VdK den Offenen Brief unterzeichnet. Der Offene Brief zum Schutz vor Energiesperren und Wohnungskündigungen kann unter www.dkhw.de/Offener-Brief-Energiepreiskrise heruntergeladen werden.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 07.12.2022
Mit einem Appell für eine Kindergrundsicherung zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland und für die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz hat heute in Berlin die Online-Fachtagung „Kinderrechte für Alle?! Klassismuskritische Arbeit in Kita und Grundschule“ begonnen. Dabei wurde insbesondere betont, dass es neben einer besseren finanziellen Unterstützung von Armut betroffener Kinder und ihrer Familien auch darauf ankomme, die kulturelle Teilhabe dieser Kinder zu verbessern und ihnen mehr Chancengerechtigkeit im Zugang zu Bildungsangeboten zu garantieren. Denn Armut bedeute nicht nur, ökonomisch benachteiligt zu sein, sie führe damit einhergehend zu schlechteren Chancen auf Erfolg im Schulsystem und auf dem weiteren Bildungsweg von Kindern. Entsprechend müssen auch für das Bildungssystem längst überfällige Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine Benachteiligung von Armut betroffener Kinder und Jugendlicher abbaut. Ausgerichtet wird die Tagung vom Deutschen Kinderhilfswerk im Projekt „Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Kindesalter“, das im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert wird.
„Mein Herzensprojekt ist die Kindergrundsicherung, denn es ist schwer zu ertragen, dass in unserem Land ein Fünftel der Kinder in Armut lebt. Aber mit finanzieller Unterstützung allein lässt sich Ausgrenzung nicht beseitigen. Auch kulturelle Ausgrenzung ist ein wichtiger Faktor und vereitelt oft den sozialen Aufstieg. Deshalb ist diese Fachtagung so wichtig, die sich mit Klassismus und Ausschlussmechanismen gerade in Kitas und Grundschulen befasst. Wichtig ist zudem, dass Kinder ihre Rechte kennen und den Raum haben sie wahrzunehmen. Das ist auch in diesem Jahr, in dem wir 30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland feiern, nach wie vor nötig. Deshalb gehören die Kinderrechte ins Grundgesetz“, sagte Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einem Grußwort zu Beginn der Fachtagung.
„Die Corona-Krise hat zu einer weiteren Verschärfung der Kinderarmut in Deutschland beigetragen. Viele Unterstützungsangebote für arme Kinder und ihre Familien fielen weg, wodurch Bildungsungleichheiten umso offensichtlicher hervortraten. Aktuell treiben der Krieg in der Ukraine sowie eine steigende Inflationsrate die Preise für Energie und Lebensmittel in ungeahnte Höhen, wodurch sich die ohnehin schon prekäre Lage der Betroffenen noch einmal verschlechtert. Doch Armut bedeutet nicht nur, ökonomisch benachteiligt zu sein, sie erschwert auch den Zugang zum kulturellen Leben und zu digitalen Teilhabemöglichkeiten, und sie führt zu schlechteren Chancen auf Erfolg im Schulsystem und auf dem weiteren Bildungsweg von Kindern. Dies stellt einen deutlichen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der UN-Kinderrechtskonvention dar, das besagt, dass alle Kinder unabhängig ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder ihres sozialen Status die gleichen Rechte besitzen“, betonte Kai Hanke, stellvertretender Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Die Online-Fachtagung „Kinderrechte für Alle?! Klassismuskritische Arbeit in Kita und Grundschule“ widmet sich der Frage, welche Auswirkungen die oft fest verankerten klassistischen Strukturen sowie Diskriminierungen auf die kinderrechtebasierte Demokratiebildung in Kita, Hort und Ganztag haben und wie man dem in der pädagogischen Praxis begegnen kann: Auf welche Barrieren im Bildungssystem stoßen von sozioökonomischer Benachteiligung betroffene Kinder und ihre Familien? Wie können klassistische Diskriminierungen erkannt und Kinder gezielt geschützt werden? Welche staatlichen Hilfen gibt es und wie gerecht sind diese? Welche Rolle können digitale Medien dabei spielen? Wie können Angebote so gestaltet werden, dass sie alle Kinder erreichen? Im Rahmen der Veranstaltung werden aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse sowie Konzepte, Methoden und Erfahrungen aus der Praxis vorgestellt und vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und bildungspolitischer Entwicklungen gemeinsam mit den Teilnehmenden diskutiert.
Zur Unterstützung der Demokratiebildung in Kita, Hort und Ganztag betreibt das Deutsche Kinderhilfswerk die Website www.kompetenznetzwerk-deki.de. Auf dieser Seite präsentiert das im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ geförderte Kompetenznetzwerk „Demokratiebildung im Kindesalter“ sich und seine Arbeit und bietet vielfältige Informationsangebote für Fachkräfte der frühkindlichen Bildung und Erziehung. Auf der Website finden die Besucherinnen und Besucher umfangreiche Informationen, Empfehlungen und praxisbezogene Tipps rund um das Thema Demokratiebildung im frühkindlichen und Primarbildungsbereich. Verantwortlich für die Website sind das Deutsche Kinderhilfswerk und das Institut für den Situationsansatz (ISTA) als Träger des Kompetenznetzwerkes. Dieses wird unter dem offiziellen Fördertitel „Kompetenznetzwerk Frühkindliche Bildung und Bildung in der Primarstufe“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 24.11.2022
So lautete die Kernforderung zweier Familienforen mit queeren Familien, die der Familienbeirat im Herbst 2022 durchführte. Queere Eltern berichteten von ihren diskriminierenden Erfahrungen und forderten rechtliche Gleichstellung mit Hetero-Eltern – auch um ihre Kinder besser zu schützen.
Der Familienbeirat geht mit Berliner Familien in Austausch und möchte wissen: Wo drückt der Schuh? Welche Unterstützung benötigen Familien? Was hilft ihnen? Was wünschen sich Berliner Familien? Und was erwarten sie von der Berliner Politik?
Die beiden im September und Oktober dieses Jahres durchgeführten Familienforen fanden in Kooperation mit dem Regenbogenfamilienzentrum in Schöneberg und LesLeFam in Lichtenberg statt.
In beiden Gesprächsrunden waren vor allem soziale und strukturelle Benachteiligungen in Form von Unverständnis bis hin zu offener Diskriminierung ihrer Familienform bzw. ihres Geschlechts auf gesellschaftlicher Ebene, die Ungleichbehandlung beim Abstammungsrecht sowie demütigende Erfahrungen mit Ämtern und Behörden Thema. Nach Ansicht der anwesenden Familien kann allein die queere Community einen geschützten Raum zur freien Entfaltung von Eltern und Kindern bieten. Angebote speziell für Regenbogenfamilien sind daher in der Stadt stark nachgefragt.
Die queeren Familien wünschen sich, dass Berlin seinen Ruf als „offene Stadt“ mehr entsprechen und bei Bundesratsinitiativen zur Verbesserung der rechtlichen Situation von queeren Familien eine Vorreiter*innenrolle übernehmen sollte.
Kazım Erdoğan, Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen: „Der Familienbeirat möchte durch aufsuchende Arbeit in Erfahrung bringen, wie Familien besser geholfen werden kann. Wir gehen dafür an Orte, wo sich die Familien aufhalten: in Schulen, Kitas, Familienzentren, Elterncafés usw. Die Anregungen der Familien werden dokumentiert und an die Politik weitergegeben. Sie fließen auch in den nächsten Berliner Familienbericht ein, den der Beirat erstellt.
Auch wenn Berlin mit drei Regenbogenfamilienzentren im Bundesvergleich sehr gut ausgestattest ist, müssen viele queere Familien oft lange Fahrwege in Kauf nehmen, um ein Angebot für speziell queere Familien wahrnehmen zu können. Wir danken allen Teilnehmenden der Familienforen für den regen Austausch und den Regenbogenfamilienzentren für ihre wichtige Arbeit.“
Die einzelnen Ergebnisse der beiden Familienforen mit queeren Familien finden Sie auf der Webseite des Familienbeirats (www.familienbeirat-berlin.de):
Die ärztliche Versorgung ist eine grundlegende Daseinsvorsorge und muss flächendeckend auch für Kinder gewährleistet sein.
Angesichts der aktuellen Überlastung in den Kinderkliniken ruft der Familienbund der Katholiken die Politik zu schnellem Handeln auf. „Wenn Kinder wegen einer Krankheit mit unmittelbarem Handlungsbedarf nicht unmittelbar behandelt werden können, dann ist ein grundlegendes Recht nicht gewährleistet. Dass so etwas elementar zum Leben Gehörendes gerade nicht gesichert ist, erschüttert mich, und ich frage mich, warum ich keinen gesellschaftlichen und politischen Aufschrei höre“, erklärte heute Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbundes der Katholiken. „Als aufgrund von Coronainfektionen eine Überlastung der Erwachsenenstationen drohte, sah das ganz anders aus.“
Der Familienbund fordert neben Notfallmaßnahmen grundlegende Vorsorgemaßnahmen, um das Problem der Gesundheitsversorgung in und außerhalb der Krankenhäuser anzugehen. In den letzten 30 Jahren wurden über 30 % der Kinderintensivbetten in Deutschland und damit eine grundlegende Gesundheitsversorgung abgebaut. Zusätzlich stehen entsprechende Betten wegen Personalmangels nicht zur Verfügung. „Es ist eine gesellschaftliche Pflicht, hier hinreichende Behandlungskapazitäten vorzuhalten“, führte Hoffmann weiter aus. „Es ist ein Skandal, dass die Kindermedizin schon seit langer Zeit unterfinanziert ist.“
Schlechte Abrechnungssysteme mit zu niedrigen Fallpauschalen, fehlendes Personal nicht nur in der Pflege, fehlende niedergelassene Kinderärzte, fehlende Intensivbetten, der Notstand der gesundheitlichen Versorgung von Kindern und ihren Familien zeigt die Auswirkungen eines Gesundheitssystems, das nur nach wirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet ist. Das derzeitig akute Problem wirft die Frage auf, wie viel katastrophaler es in den weiteren Wintermonaten noch kommen mag.
„Wir haben hier ein Problem, das sowohl erwartbar als auch prophezeit war, und dennoch gab es keinerlei Vorkehrungen. Es lässt mich fragend zurück, wie wir mit unseren Kindern und unserer Zukunft umgehen“, ergänzte Hoffmann.
Der Familienbund fordert hier unverzügliches Handeln, denn es muss ein gemeinsames Anliegen aller sein, dass Gesundheitsvorsorge nicht nur für Erwachsene prioritär ist. Dazu gehört auch die finanzielle Aufwertung der Pflegeberufe und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Damit die Quantität und Intensität der Arbeitsbelastung abnehmen, fordert der Familienbund zudem bessere Personalschlüssel. „Die Politik muss verhindern, dass Pflegekräfte in der aktuellen Überlastungssituation den Beruf verlassen und sich die Situation weiter verschlimmert“, so Ulrich Hoffmann. Er appellierte auch an die Allgemeinheit: „Ich möchte auch zur Solidarität von uns allen aufrufen, damit Infektionsketten gebrochen werden“.
Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken – Bundesverband vom 13.12.2022
Wir warten seit einem Jahr auf die Einlösung der Versprechen aus dem Koalitionsvertrag!
Die Ampelregierung ist heute seit einem Jahr im Amt. Aber der angekündigte queerpolitische Aufbruch lässt noch auf sich warten. Dazu erklärt Henny Engels, Mitglied des Bundesvorstands des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):
Ein Viertel der Legislatur der Ampelregierung ist vergangen. Mit dem Koalitionsvertrag haben die Koalitionsparteien SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP einen queerpolitischen Aufbruch versprochen und zahlreiche Vorhaben zur Verbesserung der Situation queerer Menschen in Aussicht gestellt. Mit der Vorstellung des Eckpunktepapiers für ein neues Selbstbestimmungsgesetz und dem Kick-off zur Umsetzung des Aktionsplans „Queer leben“ der Bundesregierung sind die ersten Schritte getan. Außerdem hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Dienstanweisung Asyl aktualisiert und hiermit der Anwendung des sogenannten Diskretionsgebots konsequent einen Riegel vorgeschoben. Das ist erfreulich. Trotzdem ist bis heute kein einziges Gesetzesvorhaben aus dem queerpolitischen Aufbruch verabschiedet worden.
Noch immer durchlaufen trans* Menschen in Deutschland tagtäglich den pathologisierenden, diskriminierenden und teuren Prozess der Personenstandsänderung wegen des sogenannten Transsexuellengesetzes (TSG). In einer demokratischen Gesellschaft muss die Grundlage staatlichen Handelns der Schutz der persönlichen Freiheit sein und nicht eine ideologisch aufgeladene Ordnungsvorstellung über Geschlechtszugehörigkeit.
Regenbogenfamilien warten seit vielen Jahren auf eine rechtliche Gleichstellung. Fast fünf Jahre nach der #EheFürAlle und über zwei Jahre nach Einführung des dritten Geschlechtseintrags „divers“ fehlt es nun aber noch immer an den erforderlichen rechtlichen Reformen im Familien- und Abstammungsrecht. Die gesellschaftliche Anerkennung und rechtliche Absicherung der Vielfalt an gelebten Familienformen wie Zwei-Mütter-Familien, Zwei-Väter-Familien, Mehrelternfamilien oder Familien mit trans* und intergeschlechtlichen Eltern müssen angegangen werden.
Durch die aktuelle Gesetzeslage entgehen der medizinischen Infrastruktur immer noch Blutspenden von Männern, die Sex mit Männern haben! Außerdem stehen bis heute längst überfällige Reformen im Antidiskriminierungsrecht aus, wie beispielsweise der flächendeckende Ausbau und die nachhaltige Finanzierung eines Netzwerkes zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen gegen Diskriminierung.
Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Menschen (LSBTIQ*) warten seit einem Jahr darauf, dass die Bundesregierung ihre Versprechen umsetzt! Der Aktionsplan „Queer leben“ ist hier ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings wurden dort überwiegend Punkte erneut bekräftigt, die bereits im Koalitionsvertrag angekündigt waren. Damit der Aktionsplan auch wirklich Leben verändert, müssen die angekündigten Maßnahmen nun umgesetzt und das heißt natürlich auch finanziert werden. Dafür schlägt der LSVD die Einrichtung eines Sonderfonds vor. Denn die LSBTIQ* Community braucht nicht noch mehr Worte der Hoffnung, sondern Taten und Gesetze, die das Leben in Deutschland für alle freier und damit demokratischer gestalten.
Quelle: Pressemitteilung Lesben- und Schwulenverband (LSVD) vom 08.12.2022
pro familia fordert Bundesregierung zum Handeln auf und bietet Unterstützung an
Die Bundesregierung hat die Einsetzung einer Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin für diesen Herbst angekündigt. Nun ist das Jahr fast vorbei und die Kommission wurde noch nicht eingesetzt. pro familia fordert die Bundesregierung auf, die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung umgehend einzusetzen. Gleichzeitig weist der Verband auf die vorhandene nationale und internationale Expertise hin und bietet seine Unterstützung an.
„Die Arbeit der Regierungskommission zur reproduktiven Selbstbestimmung darf kein Selbstzweck sein“, erklärt Monika Börding, Vorsitzende des pro familia Bundesverbands. „Ihr Ziel muss sein, eine solide Grundlage für Gesetzesänderungen in dieser Wahlperiode zu erarbeiten. Wenn die Regierung Gesetzesänderungen zum Schwangerschaftsabbruch in dieser Wahlperiode erreichen will, darf sie keine Zeit verlieren, sondern muss die Kommission zügig einsetzen und ihre Arbeit umfassend unterstützen.“
Die Regierung kann dabei auf die Fachkenntnisse und Unterstützung von Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen zu den verschiedenen Aspekten der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs zählen. Institutionen der Zivilgesellschaft haben sich in den letzten Jahren intensiv mit den Problemstellungen und mit Lösungsansätzen auseinandergesetzt. Mit seinem heute veröffentlichten Policy-Paper zu einem neuen Regelungsmodell zum Schwangerschaftsabbruch leistet der Deutsche Juristinnenbund einen wichtigen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung. Aufbauend auf seine Empfehlungen von 2012 erarbeitet der pro familia Bundesverband ebenfalls eine umfassende Positionierung. Dem Beispiel anderer Regierungen folgend sollte die Bundesregierung die Weltgesundheitsorganisation bitten, den deutschen Gesetzesreformprozess durch ihre wissenschaftliche Expertise zu unterstützen.
Der §218 StGB steht aus guten Gründen auf dem Prüfstand. Die Versorgungslage zum Schwangerschaftsabbruch verschlechtert sich. Die Stigmatisierung und Kriminalisierung Schwangerer und derjenigen, die sie bei einem sicheren Schwangerschaftsabbruch unterstützen, ist nicht länger haltbar.
Es ist geplant, dass sich die Kommission auch mit der Fortpflanzungsmedizin befassen wird. Dies ist ein wichtiger Schritt, denn auf diesem Gebiet besteht erhebliche Rechtsunsicherheit und Bedarf nach einer gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung zu Regelungsoptionen.
Der Bundestag hat heute beschlossen, dass der steuerliche Entlastungsbetrag für Alleinerziehende ab 2023 auf 4.260 Euro steigt. Der Finanzausschuss hatte diese Verbesse-rung für Alleinerziehende noch in das Jahressteuergesetz 2022 auf-genommen. „Ein gutes politisches Signal für Alleinerziehende, dass Politik auch ihre besondere Belastung in der Inflationskrise sieht und sie entlasten will“, betont Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV). „Auch wenn die Erhöhung besonders für Alleinziehende mit kleinen Ein-kommen eher ein Trostpflaster als ein Kühlschrankfüller ist.“ „Umso wichtiger ist, dass Familienministerin Lisa Paus heute zudem bei Twitter angekündigt hat, dass der nächste Schritt eine Umwand-lung in eine Steuergutschrift für Alleinerziehende sein soll“, unter-streicht Jaspers. „Eine Steuergutschrift wäre ein echter Fortschritt für Alleinerziehende! Denn ein Abzugsbetrag von der Steuerschuld bis hin zu einer Auszahlung würde auch Alleinerziehende mit kleinen und mittleren Einkommen gezielt unterstützen. Damit es zu keiner Schlechterstellung kommt, müsste diese an die maximale Wirkung des jetzigen Entlastungsbetrags anknüpfen und bei ca. 1.900 Euro liegen.“ „Familien mit kleinem Einkommen und somit viele Alleinerziehende und ihre Kinder treffen die steigenden Lebenshaltungspreise und Energiekosten besonders hart“, erläutert Jaspers. „Schnelle Abhilfe durch eine Steuergutschrift ist deshalb wichtig! Auch, weil das höhere Kindergeld ab 2023 im Zusammenspiel mit Unterhaltsvorschuss für viele Alleinerziehende verpufft.“
Quelle: Pressemitteilung Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) vom 02.12.2022
Kooperationsauftakt von der Familienkasse der BA und dem Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) zum Internationalen Tag der Menschenrechte
Familien stehen täglich vor den unterschiedlichsten komplexen Herausforderungen. Gerade in Zeiten finanzieller Unsicherheit durch Pandemie, Energiekrise und auch Inflation sind Familien von hohen sozialen und finanziellen Risiken betroffen – nicht nur im unteren Bereich der Einkommensverteilung. Sorgen und Nöte sind inzwischen bis weit in die Mittelschicht vorgedrungen und treffen nicht zuletzt insbesondere berufstätige Eltern und, in noch höherem Maße, allein- und getrennterziehende Berufstätige.
Mit der Kooperation zwischen der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) und dem Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) sollen alle Familien und Familienformen im Hinblick auf familienpolitische Leistungen sowie Teilhabe aktiv unterstützt und beraten werden. Ziel ist somit ein serviceorientierter, zielgruppengerechter, niederschwelliger Zugang zu den jeweiligen Leistungen durch enge Zusammenarbeit der beteiligten Akteurinnen und Akteuren und damit die Erhöhung der Inanspruchnahme der verschiedensten Familienleistungen.
Damit dies künftig gut gelingen kann, soll im Rahmen des Netzwerks an möglichst vielen Standorten und vor allem aber auch online das breite Spektrum an Hilfen für Familien und die jeweilige Expertise nach Bedarf kombiniert werden, um betroffene berufstätige Eltern zu unterstützen.
Information, zielgruppengerechte Beratung und Reduzierung von Hilfsbedürftigkeit ratsuchender Familien und Eltern unter besonderer Berücksichtigung der Belange berufstätiger Sorgeberechtigter – das ist also der Anspruch, dem sowohl die Familienkasse der BA als auch der Verband berufstätiger Mütter mit dieser Kooperation gerecht werden möchten. Die notwendige Expertise bringen beide im gegenseitigen Schulterschluss – auf Augenhöhe von Hauptamt und Ehrenamt – ein.
Um dem sozialen Bewusstsein aller Beteiligten Nachdruck zu verleihen, hat man sich für die Unterzeichnung am 09.12.2022 nicht irgendein Datum, sondern den Vortag des Internationalen Tags der Menschenrechte ausgesucht. Kinder haben ein Recht gewaltfrei und armutsfrei gesund aufwachsen zu dürfen. Kinderrechte sind Menschenrechte, das ist auch Anspruch dieser Kooperation.
Alle aktuellen Informationen rund um Kindergeld und Kinderzuschlag finden Familien online unter www.familienkasse.de.
Gemeinsames Statement von Karsten Bunk, Leiter der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Cornelia Spachtholz, Vorstandsvorsitzende des Verbands berufstätiger Mütter e.V. (VBM) und Initiatorin Equal Pension Day:
„Wir helfen Familien! Für die Familienkasse der BA ist das mehr als nur ein werbewirksamer Ausspruch. In vielen Bereichen geht das nur in einem stetig wachsenden Netzwerk von lokalen Akteurinnen und Akteuren, die das gleiche Ziel vor Augen haben. Mit der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung mit dem VBM legen wir den hierfür bereits gesetzten Grundsteinen gemeinschaftlich einen weiteren wichtigen Baustein hinzu.
Damit sind wir fachlich nicht nur deutlich breiter aufgestellt – der gegenseitige Blick über den jeweiligen Tellerrand eröffnet uns zudem viele weitere Themen und ermöglicht uns nachhaltig, voneinander und miteinander zu lernen.
Berufstätige Eltern brauchen eine gute Vereinbarkeit von Privatleben und Arbeit, Familien brauchen Infrastruktur, Zeit und Geld. Familien über ihre Ansprüche an Familienleistungen niederschwellig und barrierefrei zu informieren, ist unser gemeinsames Ziel.
Durch Kooperationen wie diese und der daraus resultierenden übergreifenden Zusammenarbeit können wir ein Zeichen setzen, wie es gelingen kann, familienrelevante Dienstleistungen zu kombinieren, zu modernisieren und weiterzuentwickeln, um auch in Zukunft in punkto Familienleistungen in Deutschland noch besser aufgestellt zu sein.“
Quelle: Pressemitteilung Verband berufstätiger Mütter e.V. vom 09.12.2022
Veranstalter: Netzwerk Familien | eaf Landesverband in der Nordkirche
Ort: Berlin und Livestream
die Transformation stellt den auf Erwerbsarbeit ruhenden Sozialstaat auf die Probe und lässt immer wieder den Ruf nach einem Grundeinkommen aufkommen. Auch in der jüngsten Debatte um das Bürgergeld spielte es eine Rolle.
Welche Lücken und Probleme im bestehenden Sozialsystem, welche Sehnsüchte werden durch das Grundeinkommen angesprochen? Welche Probleme und Fallstricke birgt es? Welche anderen Möglichkeiten haben wir, gute Arbeit und verlässliche soziale Sicherheit im Wandel zu gestalten?
Diese Fragen wollen wir mit Expert*innen aus Wissenschaft und IG Metall diskutieren.
obwohl Deutschland zu den reichsten Ländern der Welt gehört, lebt hierzulande jedes fünfte Kind in Armut. Die Bundesregierung will mit der Einführung der Kindergrundsicherung einen wichtigen Schritt im Kampf gegen Kinderarmut gehen. Die Eckpunkte dieses entscheidenden familienpolitischen Vorhabens sollen Anfang 2023 vorgestellt werden. Wir wollen mit Ihnen diskutieren, ob und wie die Kindergrundsicherung die wirklichen Bedarfe aller Kinder abdecken und dabei z.B. auch auf die Situation von Kindern und Jugendlichen eingehen kann, die in Angeboten der Jugendhilfe leben.
Wie kann die Kindergrundsicherung die Übergänge aus der stationären Unterbringung absichern? Wie kommen die BuT-Leistungen, die in die Kindergrundsicherung einfließen sollen, den Kindern und Jugendlichen einfach und unbürokratisch zugute? Wir laden Sie herzlich dazu ein, diese und weitere Fragen gemeinsam mit unseren Redner*innen zu diskutieren.
Die Lebens- und Arbeitswelten von Familien und Fachkräften in der Familienbildung haben sich in den letzten Jahren rasant verändert und vermehrt zu neuen Herausforderungen im Alltag geführt. Die andauernden Krisen beschleunigen den Wandel und verschärfen Alltagssorgen zusätzlich. Während sich viele Familien überlastet fühlen, richten sich andere in einer Art Krisenmodus ein. Zertifizierte Elternbegleiter:innen sind im kommunalen Kontext zu einer wichtigen Unterstützungsressource für besonders belastete Familien geworden. Professionell stehen sie Familien bei. Sie reagieren gezielt auf die aktuellen Bedarfslagen von Eltern und Kindern und können sie flexibel unterstützen, ihre Alltagsherausforderungen zu bewältigen.
Wir wollen an dem Tag miteinander ins Gespräch kommen, Fachimpulse diskutieren und gemeinsam überlegen, welche Chance die aktuellen Krisen für die Familienbildung darstellt und welche Möglichkeiten insbesondere Elternbegleiterinnen und Elternbegleiter haben, um Familien zu entlasten. Was brauchen die Familien und wir als Fachkräfte in sozial-, bildungs- und fachpolitischer Hinsicht? Hier eine Auswahl unserer Workshop-Themen:
Krisensituationen als Wachstums- und Entwicklungsfaktoren
Digitale Elternbegleitung: Mediale und neue Formate als Unterstützung von Familien
Arme und benachteiligte Familien in der Krise
Bildungschancen: Durch die Krise vermiest?
Umgang mit politischen Haltungen und Diskursen in der Krise
Ressourcen von Familien in Krisenzeiten
Unser digitales Dialogformat bietet die Gelegenheit, mit viele Adressatengruppen in den Austausch zu kommen. Eingeladen sind Fachkräfte, Trägervertreter:innen, kommunal und politisch Verantwortliche sowie interessierte Familien. Gemeinsam wollen wir in schwierigen Zeiten neue Wege der Familienbildungsarbeit ausloten und entwickeln.
62 Verbände, Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche Organisationen und namhafte Unterstützer*innen fordern die Bundespolitik dazu auf, Kinderarmut entschieden zu bekämpfen und die dafür notwendigen Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen. Dabei müssen soziale Infrastruktur und monetäre Leistungen ineinandergreifen.
Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Gerade arme und von Armut bedrohte Kinder, Jugendliche und ihre Familien werden seit Langem mit ihrer finanziellen Not alleine gelassen – in der Pandemie hat sich ihre Situation weiter verschlechtert, die Energiekrise und die Inflation verschärft sie dramatisch. Die Politik muss jetzt handeln und mit einer Kindergrundsicherung und mit einem Ausbau der sozialen Infrastruktur unterstützen!“
Denn Armut bedeutet für die betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht nur eine unzureichende Versorgung mit Gütern des alltäglichen Bedarfs, sondern auch geringere Bildungschancen und weniger Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe. Nachdem sich diese Problemlagen durch die Corona-Pandemie verschärft haben, drohen nun mit den aktuellen Preissteigerungen zusätzliche Einschränkungen im Alltag.
In der Erklärung fordern die unterzeichnenden Organisationen die Politik daher dazu auf, die Interessen und Bedarfe von Kindern und Jugendlichen endlich in den Mittelpunkt zu rücken und die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Gerade angesichts der steigenden Preise, die für viele Privathaushalte und soziale Einrichtungen schwer zu stemmen sind, darf jetzt nicht am falschen Ende gespart werden. Es ist unsere Aufgabe, die Lebensgrundlage und die Ansprüche von Kindern und Jugendlichen zu sichern!
Zum Ratschlag Kinderarmut:
Auf Initiative der Nationalen Armutskonferenz (nak) trafen sich 2016 zahlreiche bundesweit agierende Organisationen, um gemeinsam Perspektiven der Bekämpfung von Kinderarmut zu diskutieren. Die erste gemeinsame Erklärung „Keine Ausreden mehr: Armut von Kindern und Jugendlichen endlich bekämpfen!“ mit konkreten Forderungen zur Bundestagswahl wurde im Juni 2017 unter breiter medialer Beachtung veröffentlicht. Es folgten gemeinsame Erklärungen im Jahr 2018 und 2020. Kurz nach der Bundestagswahl im Jahr 2021 veröffentlichte der Ratschlag die Erklärung „Vier Jahre Zeit, um Kinderarmut endgültig zu beseitigen!“ und rief die Kampagne #4JahregegenKinderarmut ins Leben. Die heutige gemeinsame Erklärung führt diese Kampagne fort und fordert die Bundespolitik in Krisenzeiten dazu auf, besonderes Augenmerk auf die von Armut betroffenen Kinder, Jugendliche und ihre Familien zu legen und ihre Belange in den Mittelpunkt des politischen Handelns zu stellen.
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 15.11.2022
SCHWERPUNKT I: Internationaler Tag der Kinderrechte
Am 20. November 2022 ist internationaler Tag der Kinderrechte. Die SPD-Bundestagsfraktion steht für starke Kinderrechte sowohl in unserer Verfassung als auch in den jeweiligen Fachgesetzen. Aus gegebenem Anlass laden wir heute die Kritikerinnen und Kritiker von starken Kinderrechten im Grundgesetz ein, die Welt aus den Augen unserer Kleinsten zu sehen.
Leni Breymaier, kinder- und jugendpolitische Sprecherin:
„Um Kindern eine laute Stimme in unserer Gesellschaft zu geben, wollen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dass die Kernelemente der UN-Kinderrechtskonvention auch in unserer wichtigsten Wertesammlung, dem Grundgesetz, verankert werden. Neben die bereits sichtbaren Elternrechte sollen endlich auch starke Kinderrechte gestellt werden. Dabei geht es uns um mehr als Kinderschutz.“
Anke Hennig, zuständige Berichterstatterin:
„Wir wollen die besondere Berücksichtigung des Kindeswohls bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen. Wir wollen nicht nur zuhören, sondern machen uns für echte Förderung und Beteiligung von Kindern in allen Lebensbereichen stark. Diese zentralen Rechte sollen auch in unserer Verfassung nachlesbar sein.“
Kindergeld, Kinderzuschlag, bessere Kitas
Leni Breymaier, kinder- und jugendpolitische Sprecherin:
„Die SPD-Bundestagsfraktion hat immer die Wünsche und Interessen von Kindern und Jugendlichen im Blick. Ihnen zu Liebe haben wir unter anderem deutliche Verbesserungen beim Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und bei Grundsicherungsleistungen beschlossen. Darüber hinaus senken wir das aktive Wahlalter bei Europawahlen auf 16 Jahre.“
Anke Hennig, zuständige Berichterstatterin:
„Wir verbessern die Qualität in Kitas, sorgen für bezahlbare gute Angebote im ÖPNV und schaffen die Kostenheranziehung junger Menschen ab, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe leben. Langfristig arbeiten wir an einer Kindergrundsicherung, einem Kitaqualitätsentwicklungsgesetz und an der Verwirklichung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe. Denn: Kinder verdienen mehr.“
Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 19.11.2022
An diesem Sonntag ist der Internationale Tag der Kinderrechte. An diesem Tag wird weltweit durch verschiedene Aktionen auf die vor 33 Jahren verabschiedete UN-Kinderrechtskonvention aufmerksam gemacht. Hierzu können Sie die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Silvia Breher, wie folgt zitieren:
Der Tag der Internationalen Kinderrechte ist in diesem Jahr wichtiger denn je – gerade angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und weiterer Konflikte wie zum Beispiel im Iran. Denn in jedem Krieg, in jedem internationalen Konflikt leiden insbesondere die Kinder.
Die Unionsfraktion dankt allen Engagierten, die an diesem Tag mit vielen wichtigen Aktionen die Bedeutung der Kinderrechtskonvention untermauern und den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken.
In Deutschland haben wir in den letzten Jahren viele wichtige Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens auf den Weg gebracht. Dazu gehört beispielsweise das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, die Reform des Jugendschutzgesetzes, das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder, das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens, das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen oder auch das Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung.
Auch in unserem Land müssen wir gemeinsam weiter daran arbeiten, den Kindern beste Chancen für ihre Zukunft zu geben. Wir müssen insbesondere die frühkindliche Bildung und den Kinderschutz weiter vorantreiben. Das schaffen wir jedoch nur gemeinsam im Schulterschluss. Es ist an der Zeit, den vielen Worten und Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Für die Kinder, unsere Zukunft.“
Hintergrund:
Die UN-Kinderrechtskonvention legt wesentliche Standards zum Schutz der Kinder weltweit fest. Die vier elementaren Grundsätze, auf denen die Konvention beruht, beinhalten das Überleben und die Entwicklung, die Nichtdiskriminierung, die Wahrung der Interessen der Kinder sowie deren Beteiligung. Die UN-Kinderrechtskonvention wurde am 20. November 1989 von der UN-Generalversammlung angenommen.
Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 18.11.2022
Am 20. November 1989 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die UN-Konvention über die Rechte des Kindes. 196 Staaten haben in der Zwischenzeit diese Konvention, die allen Kindern auf der Welt in 54 Artikeln völkerrechtlich die gleichen verbindlichen Mindeststandards verbrieft, ratifiziert.
Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages als Interessenvertretung der Kinder und Jugendlichen im Parlament setzt sich mit ihrem Arbeitsprogramm aktiv für die Einhaltung und Stärkung der Rechte der Kinder ein.
Dazu erklärt für die Kinderkommission deren Vorsitzende, die Abgeordnete Sarah Lahrkamp:
„Kinderrechte gehören ganz besonders in Zeiten der Krisen auf die politische Agenda und dürfen nicht vergessen werden. Dabei ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche ernst genommen und gehört werden. Ihr Recht auf Beteiligung in Angelegenheiten, die sie betreffen, ist in der Kinderrechtskonvention verbrieft. Nur gemeinsam können wir es schaffen, eine friedvolle, gerechte und nachhaltige Zukunft für sie zu gestalten. Dafür soll der Tag der Kinderrechte ein Zeichen setzen.“
Auch in diesem Jahr sei der 20. November wieder ein wichtiger Aktionstag, denn durch Krieg, Klimawandel und die Folgen der Covid-19-Pandemie sei die Lage vieler Kinder auf der Welt dramatisch. Für die Kinderkommission sei es deshalb noch einmal besonders wichtig, den mit dem Übereinkommen verbundenen Auftrag ins Zentrum von Politik und Gesellschaft zu stellen und Verbesserungen bei der Umsetzung der Kinderrechte einzufordern.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Bundestag vom 17.11.2022
Das Deutsche Kinderhilfswerk mahnt zum heutigen Internationalen Tag der Kinderrechte deutliche Verbesserungen bei der Gesundheitsversorgung von Kindern in Deutschland an. Zudem fordert die Kinderrechtsorganisation mehr Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen, um die Gesundheitschancen von Kindern vom sozialen Status zu entkoppeln. Darüber hinaus muss die Versorgungslage im Bereich der Kinder- und Jugendpsychotherapie dringend verbessert werden. Und auch bei der Gesundheitsversorgung von geflüchteten Kindern sieht das Deutsche Kinderhilfswerk weiteren Handlungsbedarf.
„Alle Kinder haben ein Recht auf gesundes Aufwachsen. Wir sehen mit Sorge, dass die Gesundheitschancen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland sehr stark vom soziokulturellen Status des Elternhauses abhängig sind. Arme Kinder sind statistisch gesehen deutlich anfälliger für Übergewicht, haben eher motorische Entwicklungsprobleme, sind empfänglicher für Karies-Erkrankungen und stärker von psychischen Gesundheitsproblemen betroffen. Zudem neigen sie eher zu Verhaltensauffälligkeiten und Sprachstörungen. Deshalb müssen geeignete Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, die das Gesundheitsrisiko von Armut betroffener Kinder aktiv reduzieren. Wir brauchen Regelsätze, die eine gesunde Ernährung gerade von Kindern und Jugendlichen ermöglichen. Schulen und Kitas müssen zu Orten der Vermittlung eines ,gesunden Lebens‘ werden. Dabei geht es um die Themen Ernährung, Bewegung, Psychohygiene und der Umgang mit Belastungen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Zum in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Kinderrecht auf bestmögliche Gesundheit gehört auch die ausreichende Versorgung mit Kinder- und Jugendärzten. Es darf nicht sein, dass Eltern nach der Geburt eines Kindes oder nach einem Umzug keine Kinderärztin oder keinen Kinderarzt finden, oder für sich und ihre Kinder unzumutbar weite Wege auf sich nehmen müssen. Es braucht dringend Mechanismen der Bedarfsplanung und Bedarfsdeckung im Bereich pädiatrischer Betreuung, sonst droht insbesondere die Vorsorge auf der Strecke zu bleiben“, so Hofmann weiter.
„Zudem sollte daran gearbeitet werden, die sozialen Funktionen von Kita und Schule zu stärken und in der Schule nicht nur auf Qualifizierung zu setzen. Es gilt, in den Schulen den Leistungsdruck zu minimieren und den Lehrplan auszumisten, sowie genügend Zeit und Raum für den gemeinsamen Austausch zu schaffen. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Schaffung von Selbstwirksamkeitserfahrungen zur Resilienzförderung. Schließlich sollte auch daran gedacht werden, bei diesen Prozessen den Fachkräften Unterstützung in Form von Fortbildungsangeboten anzubieten. Außerdem braucht es einen Fokus auf die gesundheitliche Versorgung geflüchteter Kinder und Jugendlicher, da diese an vielen Stellen durch die Einschränkungen des Asylbewerberleistungsgesetzes unzureichend ist, und ,Kinder ohne Papiere‘ oftmals ohne medizinische Versorgung sind“, sagt Holger Hofmann.
Erst vor wenigen Wochen hatte der UN-Kinderrechtsausschuss bei der Frage der Gesundheitsversorgung von Kindern in Deutschland „dringende Maßnahmen“ angemahnt. So zeigte sich der Ausschuss beispielsweise besorgt darüber, dass es einen Mangel an qualifizierten medizinischen Fachkräften gibt, die auf die pädiatrische Gesundheitsversorgung spezialisiert sind. Kritisiert wurde auch, dass asylsuchende Kinder, Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder ohne regulären Aufenthaltsstatus nur begrenzten Zugang zu Gesundheitsdiensten haben. Kritikpunkt war zudem das hohe Maß an somatischen Störungen, Essstörungen und anderen selbstschädigenden Verhaltensweisen unter Kindern. In diesem Zusammenhang wurde ein verstärkter Ausbau gemeindebasierter psychosozialer Dienste sowie Beratungs- und Präventionsarbeit in Schulen, Heimen und alternativen Betreuungseinrichtungen gefordert.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 20.11.2022
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat am 20.November 1989 die UN-Kinderrechtskonvention mit 54 Artikeln verabschiedet, die inzwischen von 196 Staaten weltweit ratifiziert wurde.
„Insbesondere die Pandemie, als auch weltweite Kriege und Klimawandel hinterlassen einen Trampelpfad, einen tiefen Graben der Ungerechtigkeit und Chancenungleichheit für Kinder. Jedes Kind hat das Recht auf ein gesundes Aufwachsen, gewaltfrei, armutsfrei, mit gleichen Bildungs-, Teilhabe- und Selbstverwirklichungschancen auf ein selbstbestimmtes Leben mit einer nachhaltigen Zukunft. Das ist nicht nur verbrieftes Recht in Kurzfassung, sondern sollte uns vor allem auch Herzensangelegenheit sein. Wenn aber beide Argumente für politische Entscheidungsträger:innen nicht zählen sollten, dann muss uns klar sein, dass wir nur zukunftsfähig sind, wenn wir uns um die Ressourcen bestmöglich kümmern, die wir haben: Human Resources, von Anfang an!“, fordert Cornelia Spachtholz, Vorsitzende des Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) und Initiatorin des Equal Pension Day, alle Entscheider:innen der verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen auf, für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention Fürsorge zu tragen und ergänzt: „Für uns als Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) leiten wir ergänzend auch unseren Anspruch: „Uns Müttern mehr Karriere, den Vätern mehr Familie und unseren Kindern beide Eltern“, sowie die grundsätzliche Forderung nach einer Kinderwillkommenskultur ab.
Quelle: Pressemitteilung Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) vom 19.11.2022
Zum Einigungsvorschlag zum Bürgergeld erklärt der Sprecher für Bürgergeld Jens Teutrine:
„Es ist gut, dass dem Vermittlungsausschuss ein sachgerechter Einigungsvorschlag vorliegt. Unsere Herzensanliegen – leistungsfördernde Hinzuverdienstregelungen und verbesserte Qualifizierungsmöglichkeiten – erfahren breite Unterstützung. Es ist ein wichtiger Schritt zu mehr Leistungsgerechtigkeit, dass Schüler ihr selbstverdientes Geld aus einem Minijob behalten dürfen und sich eine Ausbildung finanziell deutlich mehr lohnt. Leistungsbezieher, die sich Stück für Stück aus der staatlichen Unterstützung herausarbeiten, werden belohnt und nicht wie im Hartz-IV-System bestraft. Wir begrüßen, dass die sogenannte Vertrauenszeit nun entfällt und damit klar ist, dass weiterhin zu jedem Zeitpunkt volle Sanktionen möglich sind. So stellen wir unmissverständlich klar, dass beim Bürgergeld das Prinzip Fördern und Fordern weiterhin gilt. Die Karenzzeit für das Schonvermögen war uns wichtig, damit kurzfristige soziale Bedürftigkeit nicht sofort dazu führt, dass die private Altersvorsorge, Erspartes oder Wohneigentum aufgelöst werden müssen. Das ist für uns eine Frage des Respekts vor Lebensleistung.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 22.11.2022
Die AWO zeigt sich erleichtert über die Einigung zur Einführung des Bürgergelds. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt:
„Die Einigung zwischen Ampel-Koalition und CDU/CSU ist ein wichtiger Schritt. Endlich können nun dringend gebrauchte Entlastungen auf den Weg gebracht werden. Jetzt ist Tempo angesagt. Jeder Tag ist wichtig, damit die Inflation insbesondere bei Lebensmittelpreisen wenigstens zum Teil kompensiert werden kann. Trotz aller Schwierigkeiten: Das ist endlich der lang geforderte Systemwechsel im Arbeits- und Sozialbereich!“
Die AWO bedauert es allerdings sehr, dass mit dem erzielten Kompromiss die Vertrauenszeit nun nicht mehr Bestandteil des neuen Bürgergelds ist. Michael Groß: „Hier wird eine große Chance vertan, den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen den Mitarbeitenden in den Jobcentern und den Leistungsbeziehenden positiv zu beeinflussen. Denn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit fördert Kooperation und Motivation – das ist wirksamer als jede Sanktion!“
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 22.11.2022
Die Regierungsparteien und die Union haben ihren Streit über das geplante Bürgergeld beigelegt. Mit dem Kompromiss-Vorschlag zum Bürgergeld-Gesetz befasst sich am Mittwochabend der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.
Dazu erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:
„Immerhin: das Bürgergeld kommt. Nach der Totalblockade im Bundesrat möchte man aufatmen. Wenigstens ein größerer Teil der Inflationslasten wird ausgeglichen, mehr sozialer Arbeitsmarkt, Beratung und Sozialarbeit sind versprochen. Verstörend ist in Zeiten einer komplexen und eben auch sozialen Krise die politische Fixierung auf eine Logik der Sanktionen und alte Slogans, die die Debatte geprägt haben. Das erinnert nicht nur an schwarze Pädagogik, es ist ein politischer Mythos, dass Leistungsberechtigte nur unter Zwang reagieren oder dass man ihnen mit Verlust der Altersvorsorge oder Wohnung drohen müsste, damit sie sich nicht einrichten. Richtig ist vielmehr: Mehr als die Hälfte der Leistungsbeziehenden blieb trotz schärfster Sanktionen und guter Wirtschaftslage jahrelang im Leistungsbezug – schlicht, weil es keine Alternativen gab und gibt. Der Ansturm bei den Tafeln zeigt, dass selbst im Leistungsbezug das Lebensnotwendige kaum gewährleistet ist. Selbstverständlich braucht es für Veränderungen in der persönlichen Situation engagiertes Mitwirken. Lösungen für multiple persönliche und soziale Problemlagen lassen sich aber nicht wegzwingen. Nur ein minimaler Teil der Menschen im Leistungsbezug war bisher Ziel von Sanktionen – und sie sind oft persönlich besonders belastet. Mit der weiteren Ausgestaltung des Bürgergeldes gehört die passgenaue Unterstützung in den Vordergrund. Schlechtreden hilft aber nicht gegen Armut.“
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 22.11.2022
Der Bundesrat hat am 14. November 2022 dem Bürgergeld-Gesetz nicht zugestimmt: In der Abstimmung erhielt der Bundestagsbeschluss nicht die erforderliche absolute Mehrheit von 35 Stimmen. Bundestag oder Bundesregierung können nun den Vermittlungsausschuss anrufen, um mit den Ländern über einen Kompromiss zu verhandeln.
Was der Bundestagsbeschluss vorsieht
Durch die vom Bundestag beschlossenen Änderungen sollen sich laut Begründung die über 5 Millionen Menschen, die in Deutschland Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitsuche konzentrieren können.
Der Gesetzesbeschluss gestaltet zudem die Berechnung der Regelbedarfe neu – sie sollen künftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst werden. Die Regelbedarfe für das kommende Jahr sind bereits entsprechend berechnet. Ab 1. Januar 2023 soll etwa ein alleinstehender Erwachsener 502 Euro erhalten – 53 Euro mehr als bisher.
Karenzzeit
Damit die Leistungsberechtigten sich auf die Arbeitsuche konzentrieren können, sieht der Gesetzesbeschluss für die ersten zwei Jahre des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit vor: Die Kosten für die Unterkunft sollen in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen werden, die Heizkosten in angemessener Höhe. Vermögen wird nicht berücksichtigt, sofern es nicht erheblich ist. Leistungsberechtigte müssen eine Selbstauskunft erteilen, um zu bestätigen, dass ihr Vermögen die Grenzwerte für das Schonvermögen nicht überschreitet.
Freibeträge und Kooperationsplan
Für Bürgergeldbeziehende sind zudem höhere Freibeträge geplant als bislang. Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird durch einen Kooperationsplan abgelöst, den Leistungsberechtigte und Integrationsfachkräfte gemeinsam erarbeiten. Dieser Plan soll dann als „roter Faden“ im Eingliederungsprozess gelten. Mit Abschluss des Kooperationsplans gilt eine Vertrauenszeit. In diesem Zeitraum wird ganz besonders auf Vertrauen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesetzt.
Leistungsminderungen weiter möglich
Wer Termine nicht wahrnimmt, müsste nach dem Gesetz in der vom Bundestag beschlossenen Fassung auch weiterhin mit Sanktionen rechnen – allerdings nur im Wiederholungsfall. Leistungsminderungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse betragen dann höchstens 30 Prozent des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs. Kosten der Unterkunft und Heizung werden nicht gemindert. Es gibt keine Leistungsminderung, sollte sie im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen. Die verschärften Sonderregelungen für die unter 25-jährigen Hilfeempfänger entfallen.
Arbeitsmarktzugang Geringqualifizierter
Geringqualifizierte sollen auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll Leistungsberechtigten helfen, die besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen.
Höhere Freibeträge für Nebenjobs
Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende könnten künftig mehr ihres selbstverdienten Geldes behalten, damit junge Menschen die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, einen Schüler- oder Studentenjob aufzunehmen. Die großzügigeren Freibeträge für Minijob-Verdienste würden bis zu drei Monate nach Schulabschluss gelten.
Sozialer Arbeitsmarkt
Außerdem sollen die Regelungen zum „Sozialen Arbeitsmarkt“ unbefristet gelten. Deren Ziel ist es, besonders arbeitsmarktfernen Menschen soziale Teilhabe durch längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung zu ermöglichen und Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen. Bislang sollte die Regelung am 31. Dezember 2024 auslaufen.
Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 14.11.2022
Die Zustimmungsversagung des Bundesrates zum Bürgergeld-Gesetzentwurf liegt nun als Unterrichtung (20/4466) durch die Bundesregierung vor. Ebenso wurde als Unterrichtung (20/4467) durch die Bundesregierung der Beschluss zur Anrufung des Vermittlungsausschusses vorgelegt.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 664 vom 16.11.2022
Bundesregierung verpflichtet sich ressortübergreifend zu Maßnahmen, um Akzeptanz von LSBTIQ* zu stärken
Die Bundesregierung hat heute den Aktionsplan „Queer leben“ beschlossen. Erstmalig gibt es damit eine ressortübergreifende Strategie auf Bundesebene für die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Der Aktionsplan enthält zahlreiche Maßnahmen in sechs Handlungsfeldern, um Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie alle queeren Menschen (LSBTIQ*) zu stärken und Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken.
Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragter): “Dieser Aktionsplan ist die Agenda für eine Politik des Respekts und der Anerkennung von Vielfalt. Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie alle queeren Menschen müssen gleichberechtigt, frei, sicher und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben können. Ich freue mich sehr, dass sich erstmals in der Geschichte eine Bundesregierung mit diesem Beschluss aktiv an die Seite queerer Menschen stellt. Mit dem heutigen Kabinettsbeschluss verpflichtet sich die Bundesregierung ressortübergreifend zu einer aktiven Politik für die Akzeptanz und den Schutz von LSBTIQ*. Sie sendet damit ein starkes, auch internationales Signal. Mit dem Aktionsplan will die Bundesregierung Queerfeindlichkeit entschieden entgegenwirken und in allen Bereichen die Akzeptanz von LSBTIQ* nachhaltig fördern. Die Ministerien haben zahlreiche Maßnahmen in sechs Handlungsfeldern vereinbart, die nun in den kommenden Jahren zusammen mit der Community umgesetzt werden sollen und müssen. Ich freue mich, diesen Arbeitsprozess gemeinsam mit den Verbänden und unter Einbeziehung der Länder zu koordinieren.”
Der Aktionsplan „Queer leben“ sieht Maßnahmen und Vorhaben in sechs Handlungsfeldern vor: Rechtliche Anerkennung, Teilhabe, Sicherheit, Gesundheit, Stärkung von Beratungs- und Community-Strukturen sowie Internationales.
Ausgewählte Maßnahmen aus jedem Handlungsfeld:
Handlungsfeld Rechtliche Anerkennung
Anerkennung Regenbogenfamilien (Reform des Abstammungs- und Familienrechts)
Diskriminierungsverbot wegen “sexueller Identität” im Grundgesetz
Ersetzung Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz
Reform Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Überprüfung der Asylverfahren für queere Geflüchtete und Einführung einer besonderen Rechtsberatung
Handlungsfeld Teilhabe
Forschung zur Lebenssituation von LSBTIQ* (gesundheitliche und soziale Lage, Geschichte)
Unterstützung von Projekten zur Akzeptanz und Bekämpfung von Gewalt und Diskriminierung
Sensibilisierung Kinder- und Jugendhilfe, Jugendarbeit, Kultur und Freizeit, Altenhilfe
Prävention gegen Rassismus, Sexismus, und LSBTIQ*-Feindlichkeit im Sport
Förderung von Diversität und Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz
Stärkung der Erinnerungsarbeit
Handlungsfeld Sicherheit
besserer Schutz vor Gewalt, Übergriffen und Anfeindungen und Verbesserung der statistischen Erfassung und Aufhellung Dunkelfeld
Berücksichtigung der Empfehlungen des GREVIO-Berichts zur Umsetzung der Istanbul-Konvention
Handlungsfeld Gesundheit
allgemeine Sensibilisierung für die Behandlung und Pflege von LSBTIQ* Verbesserung HIV/AIDS-Prävention
Rückstellungen bei Blutspende wegen sexueller Identität und Geschlecht beenden
Beseitigung von Schutzlücken: Evaluation des gesetzlichen Verbots von Konversionsbehandlungen sowie des Verbots unnötiger OPs an inter* Kindern
Prüfung, wie eine Kostenübernahme von künstlichen Befruchtungen diskriminierungsfrei gefördert werden kann
Verbesserung der trans* Gesundheitsversorgung
Handlungsfeld Stärkung von Beratungs- und Communitystrukturen
Dialog mit Ländern zum Ausbau und Stärkung der Antidiskriminierungsberatung und der Beratungsstrukturen für LSBTIQ* sowie der Selbstorganisation von LSBTIQ* in ländlichen Räumen
Handlungsfeld Internationales
Stärkung der Rechte, Repräsentanz und Ressourcen von LSBTIQ* in der Entwicklungszusammenarbeit und den Auswärtigen Beziehungen
Inklusive Gleichstellungspolitik in der EU und international
Stärkung der Menschenrechtsarbeit in Auslandsvertretungen und Sensibilisierung des diplomatischen Personals
Sexuelle Gewalt kann es überall und jederzeit geben – auch im persönlichen Umfeld
Anlässlich des 8. Europäischen Tages zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt haben Bundesfamilienministerin Lisa Paus und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, heute in Berlin die gemeinsame Aufklärungs- und Aktivierungskampagne „Schieb den Gedanken nicht weg!“ vorgestellt. Die Botschaft: Kinder und Jugendliche sind vor allem im eigenen Umfeld der Gefahr sexueller Gewalt ausgesetzt.
Seit Jahren werden konstant tausende Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch zur Anzeige gebracht. Doch das ist nur das polizeiliche Hellfeld, das Dunkelfeld ist ungleich größer. Es wird geschätzt, dass 1 bis 2 Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind – bei rund drei Viertel der Fälle geschieht das in der eigenen Familie oder im sozialen Nahfeld. Von den meisten Menschen wird dieses reale Risiko im eigenen Umfeld allerdings weitgehend verdrängt: 90% der Bevölkerung halten es zwar für wahrscheinlich, dass sexuelle Gewalt vor allem in Familien stattfindet. 85% halten es aber für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen, dass sexuelle Gewalt in ihrer eigenen Familie passiert oder passieren kann, so das Ergebnis einer FORSA-Umfrage im Auftrag der Unabhängigen Beauftragten.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „Nur wenn ich den Gedanken zulasse, dass auch Kindern in meinem persönlichen Umfeld sexuelle Gewalt angetan wird, kann ich notfalls handeln. Daher ist unsere zentrale Botschaft: Schieb den Gedanken nicht weg! Wir alle müssen uns bewusst machen, dass Missbrauch nicht nur in Institutionen, sondern in den meisten Fällen im vertrauten Umfeld der Kinder vorkommt. Genau hier setzt die Kampagne an und zeigt Handlungsmöglichkeiten auf. Ich muss kein Profi sein, um helfen zu können. Aber ich kann und sollte wissen, an wen ich mich wenden kann, wenn ich einen Verdacht habe. Jede und jeder kann etwas tun!“
Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM): „Die Vorstellung, dass sexuelle Gewalt woanders stattfindet, dient der eigenen Beruhigung – kann aber blind machen für möglichen Missbrauch im eigenen Umfeld. Wenn wir unsere Kinder besser schützen wollen, dürfen wir diese mögliche Realität nicht länger wegschieben. Erst wenn wir diesen Gedanken zulassen, fangen wir an, unsere eigene Hilflosigkeit zu überwinden. Und das ist der erste, wichtige Schritt. Nur wer Missbrauch als reale Gefahr erkennt und sich informiert, kann auch wirkungsvoll handeln, wenn es darum geht Kinder und Jugendliche besser vor Missbrauch zu schützen.“
Der Betroffenenrat bei der Unabhängigen Beauftragten: „Diese Kampagne soll Mut machen und dazu auffordern, selbst Verantwortung zu übernehmen und Teil einer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit zu werden: Immer da informiert zu handeln, wo Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt erleben und erwachsene Betroffene sexualisierte Gewalterfahrungen in der Familie oder anderen Tatkontexten offenlegen. Sexualisierte Gewalt in der Familie ist keine Privatangelegenheit, sondern Unrecht. Dieses oft fehlende Unrechtsbewusstsein führt in großen Teilen der Gesellschaft zum Schweigen über den Tatort Familie. Jedoch hat das Umfeld die Verantwortung und vor allem die Möglichkeit, zu helfen und den Betroffenen zur Seite zu stehen.“
Mit kontrastiven, irritierenden Aussagen wie: „Geh nicht mit Fremden mit! – Und wenn es gar kein Fremder ist?“ oder „Mach niemandem die Tür auf! – Und wenn die Gefahr schon drinnen ist?“ stellt die Kampagne gewohnte familiäre Denkmuster in Frage und weist auf die reale Gefahr von sexueller Gewalt im persönlichen Umfeld hin. Ziel ist es, Menschen zu befähigen, aktiv zu werden, wenn sie Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch schöpfen.
„Schieb den Gedanken nicht weg!“ ist als mehrjährige Kampagne konzipiert. Neben einer Vielzahl von Informationsmaterialien stärkt die Kampagne lokale Netzwerke und kommunale Initiativen und unterstützt diese mit einem Kampagnenbüro. Durch die Zusammenarbeit von Fachpraxis, Politik und Zivilgesellschaft sollen nachhaltige Bündnisse vor Ort zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt erreicht werden. Auch der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiger Partner, der die Kampagne und die bundesweiten und lokalen Aktivierungsmaßnahmen unterstützt.
Landingpage der Kampagne mit Materialien zum Download und Bestellen sowie zum Pressebereich der Kampagne: www.hilfe-portal-missbrauch.de
Informationen für eine betroffenensensible Berichterstattung und Hinweise auf Hilfeangebote unter: http://www.ubskm.de/medienpaket
Heute wurde im Kabinett erstmals ein Nationaler Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt verabschiedet.
Anke Hennig, zuständige Berichterstatterin: „Heute machen wir einen großen Schritt, um Gleichstellung und Akzeptanz von LSBTIQ* in der Gesellschaft voranzubringen und Diskriminierungen entschieden entgegenzutreten. Deshalb freue ich mich, dass der Nationale Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Kabinett verabschiedet wurde und damit endlich auch auf Bundesebene Realität wird. Der Aktionsplan ist ein starkes Zeichen an die Community und an die Gesellschaft. Es ist wichtig und gut, dass unsere Bundesregierung sich deutlich zur Stärkung der Rechte queerer Menschen bekennt und vielfältige Lebensrealitäten mitdenkt.“
Falko Droßmann, queerpolitischer Sprecher: „Dieser nationale Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ist eine große Chance und ein starker Aufschlag, um wichtige queerpolitische Anliegen ganzheitlich anzugehen. Jetzt muss dieser Aktionsplan der Bundesregierung allerdings auch mit Leben gefüllt werden. Damit das gelingt, stellt der Bundestag für den Start des Aktionsplans insgesamt 374.000 Euro im Haushalt 2023 zur Verfügung. Außerdem streben wir eine begleitende Selbstbefassung des Bundestages an. Wir werden uns parlamentarisch weiterhin dafür einsetzen, dass die vielen guten Maßnahmen auch umgesetzt werden können.“
Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 18.11.2022
Zur heutigen Erklärung des Ratschlags Kinderarmut 2022 erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung:
Es ist gut, dass mit der gemeinsamen Erklärung des Ratschlags Kinderarmut 2022 der Fokus auf die schwierige Situation von Kindern, Jugendlichen und Familien in Armut verstärkt wird – ein Fokus, den die Bundesregierung und insbesondere Familienministerin Lisa Paus seit Beginn der Krise auch setzt. Es ist unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe, in Krisenzeiten solidarisch mit armen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien zu sein.
Aus diesem Grund hat die Grüne Fraktion gemeinsam mit den Ampel-Partnerinnen im Zuge der Entlastungspakete wichtige Verbesserungen für Familien erreicht. Besonders wichtig ist dabei, dass monetäre Leistungen und Infrastrukturleistungen im Kampf gegen Kinderarmut Hand in Hand gehen. Wir haben das Kindergeld auf 250 Euro und den Kinderzuschlag auf bis zu 250 Euro erhöht sowie einen jährlichen Kindersofortzuschlag von 240 Euro für jedes Kind aus Familien mit geringem Einkommen beschlossen. Damit stellen wir entscheidende Weichen und gehen die ersten Schritte hin zur Kindergrundsicherung. Gerade weil die Kindergrundsicherung das zentrale Instrument gegen Kinderarmut ist, verfolgen wir ihre Einführung mit Hochdruck.
Gleichzeitig wird das Kitaqualitätsgesetz die Infrastruktur von Kindertages-einrichtungen stärken. Weiter setzen wir uns in der Ampelkoalition für die Fachkräfteoffensive und die Einführung des Rechts auf einen Ganztagsplatz in Grundschulen ein, um allen Kindern und insbesondere armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen eine verlässliche frühkindliche Bildung zu bieten.
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 15.11.2022
Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat am gestrigen Donnerstag in der Bereinigungssitzung zum Bundeshaushalt 2023 abschließend den Etat des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen beraten. Hierzu erklären Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher, und Markus Uhl, zuständiger Berichterstatter für den Einzelplan 25:
Christian Haase: „Die Ampel-Koalition hat in dieser Legislaturperiode bereits mehrfach das Vertrauen der Menschen in unserem Land im Bereich Bauen und Wohnen verspielt. Bewährte und beliebte Förderprogramme – wie für energieeffiziente Gebäude – sind überraschend vorzeitig beendet worden. Wenn Bundesministerin Geywitz beim bezahlbaren Wohnungsbau das abliefern möchte, was im Koalitionsvertrag steht, dann sollte sie schleunigst Gas geben.“
Markus Uhl: „Auch die Unsicherheiten beim Baukindergeld gehen zu Lasten von jungen Familien, die häufig das Baukindergeld in ihre Finanzierung mit eingeplant hatten. Die Menschen in unserem Land haben einen Anspruch auf Vertrauensschutz und Planungssicherheit. Von der jetzigen Ampel-Entscheidung sind etwa 15.000 bis 20.000 Familien betroffen. Die Koalition setzt hier die Prioritäten falsch. Während bei vielen Programmen und politischen Vorhaben heute schon klar ist, dass die bereitgestellten Mittel nicht abfließen werden, kürzt und spart die Ampel bei erfolgreichen Programmen für Familien, Eigenheimbesitzer und Kommunen. Die Koalition muss endlich anfangen, Politik mit Respekt vor den Menschen in unserem Land zu machen“.
Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 11.11.2022
Die Fraktion Die Linke hat eine Kleine Anfrage (20/4473) zu aktuellen Entwicklungen in der Leiharbeit gestellt. Neben den Daten zum Ausmaß der Leiharbeit erfragt sie auch, inwiefern die Regelung zum Equal Pay nach Kenntnis der Bundesregierung Einfluss auf die Verdienstentwicklung von Beschäftigten in der Leiharbeit hat.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 670 vom 18.11.2022
Das sächliche Existenzminimum eines Erwachsenen soll im kommenden Jahr 10.908 Euro betragen. Für 2024 geht der von der Bundesregierung als Unterrichtung vorgelegte 14. Existenzminimumbericht (20/4443) von 11.472 Euro aus. Außerdem wird das sächliche Existenzminimum eines Kindes mit 6.024 Euro für 2023 und mit 6.384 Euro für 2024 angegeben.
Der Entwurf des Inflationsausgleichsgesetzes (20/3496, 20/3871) sah dagegen zunächst eine Erhöhung des Grundfreibetrages ab 2023 um 285 Euro auf 10.632 Euro und ab 2024 um 300 Euro auf 10.932 Euro vor. Der Kinderfreibetrag sollte ab 2023 um 140 Euro auf 5.760 Euro und ab 2024 um weitere 228 Euro auf 5.988 Euro angehoben werden. „Aufgrund der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer Anpassung der vorgesehenen Erhöhungsbeträge beim Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag für 2023 und 2024 wird die Bundesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens entsprechend aktiv werden“, wird in dem Bericht angekündigt. Der Gesetzentwurf wurde inzwischen vom Finanzausschuss abgeändert (20/4378) und vom Deutschen Bundestag entsprechend beschlossen. So wird beispielsweise der Grundfreibetrag 2023 den Angaben im Existenzminumbericht folgend auf 10.908 Euro erhöht.
Für die Berechnung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums werden neben dem Regelbedarf auch die Wohnkosten zugrunde gelegt. Dabei wird für Alleinstehende von einer Wohnung mit einer Wohnfläche von 40 Quadratmetern und für Ehepaare ohne Kinder von einer Wohnung mit einer Wohnfläche von 60 Quadratmetern ausgegangen. Daraus ergeben sich nach Angaben der Regierung Bruttokaltmieten für Alleinstehende von 319 Euro im Monat für 2023 und 327 Euro im Monat für 2024.
Für Ehepaare werden die Bruttokaltmieten mit 491 Euro im Monat für 2024 angegeben. Die Regierung weist ergänzend darauf hin, dass Bezieher niedriger Erwerbseinkommen zur Verringerung ihrer Wohnkosten Anspruch auf Wohngeld haben können. Als Heizkosten werden im Jahr 2024 bei Alleinstehenden 92 Euro im Monat und bei Ehepaaren 125 Euro im Monat zugrundegelegt.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 654 vom 14.11.2022
38,5 % der Studierenden waren finanziell nicht in der Lage, unerwartete größere Ausgaben zu bestreiten
Wohnkosten: Ein Viertel der Studierenden insgesamt und mehr als die Hälfte derjenigen, die allein oder in Studierenden-WGs lebten, galt 2021 als überbelastet
Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung soll Studierende unterstützen, die angesichts geringer Einkommen durch die aktuell hohen Preise besonders belastet sind. 37,9 % der Studierenden in Deutschland waren im Jahr 2021 armutsgefährdet. Das teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Weltstudierendentags am 17. November anhand von Erstergebnissen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) 2021 mit. Noch deutlich höher war das relative Armutsrisiko für diejenigen, die allein oder ausschließlich mit anderen Studierenden zusammenlebten: Gut drei Viertel (76,1 %) von ihnen waren armutsgefährdet. Zum Vergleich: Insgesamt waren im vergangenen Jahr 15,8 % der Bevölkerung in Deutschland von Armut bedroht.
Eine Person gilt nach der Definition für EU-SILC als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt (Schwellenwert der Armutsgefährdung). 2021 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 15 009 Euro netto im Jahr oder 1 251 Euro im Monat. Das Einkommensreferenzjahr ist das Vorjahr der Erhebung.
38,5 % der Studierenden konnten ungeplante, größere Ausgaben nicht bestreiten
Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung sieht Einmalzahlungen für Studierende vor, um zusätzliche Belastungen, etwa durch eine größere Nachzahlung, zu stemmen. Finanzielle Engpässe zeigen sich auch darin, dass nahezu zwei von fünf Studierenden (38,5 %) im Jahr 2021 und damit schon vor der aktuellen Energiepreiskrise in Haushalten lebten, die nicht in der Lage waren, unerwartete größere Ausgaben aus eigenen finanziellen Mitteln zu bestreiten. Unter den allein oder zusammen mit Studierenden in Wohngemeinschaften lebenden Studierenden traf dies auf mehr als die Hälfte zu (55,5 %). In der Gesamtbevölkerung war knapp ein Drittel (31,9 %) finanziell nicht in der Lage, unerwartete größere Ausgaben zu bestreiten.
Wohnkostenbelastung für Studierende überdurchschnittlich hoch
Geringen finanziellen Spielraum lassen Studierenden auch ihre Ausgaben für Wohnen. 2021 lag der durchschnittliche Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Haushaltseinkommen für Studierende bei 31,6 % und damit deutlich über der Wohnkostenbelastung der Gesamtbevölkerung (23,3 %). Studierende, die allein oder in Studierenden-WGs lebten, mussten im Schnitt gut die Hälfte (51,1 %) ihres verfügbaren Einkommens für die Wohnkosten aufbringen.
Liegt die Wohnkostenbelastung auch nach Abzug möglicherweise erhaltener wohnungsbezogener Transferleistungen noch bei mehr als 40 %, gelten Haushalte als überbelastet. Im vergangenen Jahr lebte knapp ein Viertel (24,2 %) der Studierenden in Haushalten, auf die das zutraf. In der Gesamtbevölkerung hingegen lebten 10,7 % in einem überbelasteten Haushalt. Eine besonders starke Überbelastung durch Wohnkosten hatten auch hier Studierende, die allein oder in Studierenden-WGs lebten: Mehr als die Hälfte von ihnen (56,6 %) galt als überbelastet.
Methodische Hinweise:
Bei den Angaben handelt es sich um Ergebnisse der europäischen Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (European Union Statistics on Income and Living Conditions, EU-SILC). EU-SILC ist die amtliche Hauptdatenquelle für die Messung von Armutsgefährdung und Lebensbedingungen auf Bundesebene in Deutschland sowie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Erhebung ist in Deutschland seit dem Erhebungsjahr 2020 als Unterstichprobe in den Mikrozensus integriert.
Bei den hier erwähnten Ergebnissen für 2021 handelt es sich um Erstergebnisse.
Ausführliche Informationen zu den methodischen Änderungen, deren Auswirkungen auf EU-SILC sowie zum Unterschied zwischen Erst- und Endergebnissen sind auf einer Sonderseite verfügbar.
Studierende wurden in der vorliegenden Auswertung abgegrenzt als Personen, die angaben, sowohl im Vorjahr der Befragung als auch im Berichtsjahr zur Gruppe „Studierende, Schüler/-innen oder Azubis ohne Vergütung“ zu gehören und außerdem bereits im Vorjahr mindestens 18 Jahre alt waren.
In der Erhebung EU-SILC ist die Grundlage für die Einkommensmessung in einem Erhebungsjahr das verfügbare Haushaltsnettoeinkommen (nach Steuern und Sozialabgaben) des Vorjahres. Die Fragen zum Einkommen beziehen sich also auf das Vorjahr der Erhebung (Einkommensreferenzjahr).
Bei den Angaben zur Wohnkostenbelastung werden sowohl Miet- als auch Eigentümerhaushalte berücksichtigt. Der Begriff Wohnkosten bezeichnet die monatlichen Kosten, die mit dem Recht des Haushalts auf Wohnen in der Wohnung verbunden sind (bei Eigentümer/-innen: Grundsteuer; bei Mieter/-innen: Mietzahlungen). Die Nebenkosten (Wasser, Elektrizität, Gas und Heizung), die sich aus der tatsächlichen Nutzung der Wohnung ergeben, sind ebenfalls berücksichtigt. Außerdem sind enthalten: Ausgaben für die Instandhaltung der Wohnung beziehungsweise des Hauses, Hypothekenzinsen (bei Eigentümer/-innen), Versicherungsbeiträge (bei Eigentümer/-innen; bei Mieter/-innen, falls diese die Kosten tragen) und weitere Kosten wie zum Beispiel für Müllabfuhr und Straßenreinigung.
Bei den ausgewiesenen durchschnittlichen Anteilen der Wohnkosten werden möglicherweise vom Haushalt erhaltene wohnungsbezogene Transferleistungen noch nicht abgezogen. Als überbelastet wird ein Haushalt hingegen nur kategorisiert, wenn auch nach Abzug erhaltener Zuschüsse, wie z. B. des Wohngeldes, noch mehr als 40 % des verfügbaren Haushaltseinkommens für die Wohnkosten aufgewendet werden müssen.
Weitere Informationen:
Weitere Ergebnisse der Erhebung EU-SILC 2021 sind im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes auf den Themenseiten Lebensbedingungen und Armutsgefährdung sowie Wohnen veröffentlicht.
Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 16.11.2022
Die zentrale Webseite der kostenlosen AWO (Online-)Pflegeberatung ist technisch und gestalterisch optimiert worden. Sie ist nun im neuen Design unter awo-pflegeberatung.de barrierefrei nutzbar.
„Es ist wichtig, dass Menschen mit Beratungsbedarf schnell, einfach und ohne Hürden Unterstützung und Antworten bekommen“, sagt dazu die Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes, Brigitte Döcker, „mit der neuen Webseite haben jetzt noch mehr Menschen barrierearmen Zugang zu wichtigen Informationen und Beratungsangeboten.“
Beim Relaunch wurde das Erscheinungsbild modernisiert und ansprechender gestaltet. Die Navigation ist nun übersichtlicher und einfacher zu nutzen. Zudem ermöglicht das barrierefreie Webdesign Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen und Bedürfnissen, sich ohne fremde Hilfe auf den Seiten der AWO Pflegeberatung bewegen zu können. Mit der neuen Webseite erhalten die Nutzer*innen eine Übersicht über mögliche individuelle Beratungsformen und können diese online, telefonisch oder persönlich vor Ort in Anspruch nehmen. Die neue Infobox als Pflegeratgeber bietet für Ratsuchende hilfreiche Hintergrundinformationen zu häufigen Fragen und komplexeren Pflegethemen rund um die Pflegeversicherung, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit oder zum Thema Wohnen im Alter. Für eine erstmalige Nutzung der Online-Beratung erleichtert ein Erklärvideo den Einstieg. Neben der bisherigen Beratung per E- Mail, Einzel- oder Gruppen-Chat können Ratsuchende sich jetzt auch in einer Video- Sitzung mit den Berater*innen austauschen. Weiterhin steht neuen und bestehenden Nutzer*innen mit der neuen Beratungssoftware AYGOnet die Online-Beratung kostenlos und anonym zur Verfügung. Hierfür ist bei der ersten Kontaktaufnahme eine Anmeldung erforderlich, um für die weitere Beratung einen individuellen Benutzer*innen-Namen und ein Passwort wählen zu können.
„Die Pandemie hat dazu geführt, dass viele auch ältere und pflegebedürftige Menschen inzwischen selbstverständlicher online Angebote nutzen. Uns war es wichtig, diesem Nutzungsverhalten entgegen zu kommen und zum Beispiel die inzwischen vielerorts übliche Möglichkeit der Video-Beratung mit anbieten und gleichzeitig höchste Standards beim Schutz der Daten weiterhin gewährleisten zu können. Mit der neuen Software ist das nun möglich“, so Döcker abschließend.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 16.11.2022
Erhebung in den Caritas-Beratungsstellen – Auch Mietschulden und allgemeine Wohnprobleme nehmen zu
Der Anteil von Menschen mit Energieschulden in der Sozialberatung der Caritas hat sich innerhalb von drei Jahren verdoppelt. Auch Mietschulden, Wohnprobleme und finanzielle Schwierigkeiten kommen als Grund für die Beratung häufiger vor – Wohnprobleme betreffen dieses Jahr nahezu einen Drittel der Ratsuchenden und „finanzielle Schwierigkeiten“ knapp die Hälfte (46%). Das ergab eine Erhebung in den Beratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung, die jedes Jahr an einem bestimmten Tag im September durchgeführt wird. „Die 478 Bratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung sind die erste Anlaufstelle für Menschen, die soziale Probleme haben und mit irgendetwas nicht zurechtkommen. Sie sind ein verlässlicher Seismograph der Probleme und Notlagen im Land“, kommentiert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. „Viele Probleme sind ‚alte Bekannte‘, etwa Schulden oder Probleme mit dem Jobcenter. Aber die Bedeutung anderer Probleme nimmt zu: Die Wohnsituation, belastend hohe Mieten und Heizkosten bringen immer mehr Menschen in Bedrängnis. Energieschulden kommen immer häufiger vor – ein Trend, der bereits vor Februar 2022 einsetzte, durch die geopolitisch beeinflussten Energiepreisentwicklungen aber an Tempo gewonnen hat.“
Im Jahr 2019 waren am Stichtag Energieschulden für 4,8% der Ratsuchenden ein Grund für den Besuch der Beratungsstelle, in diesem Jahr lag der Anteil bei 10,8%. Mietschulden waren in diesem Jahr bei 9,6% der Klientinnen und Klienten ein Beratungsgrund. „Wohnprobleme“ sind in 30,8% der Beratungsfälle Thema, etwa Konflikte mit dem Vermieter oder eine Wohnung, die aufgrund ihrer Größe oder mangelnder Barrierefreiheit nicht mehr bedarfsgerecht ist.
Behördensprache für viele unverständlich
Mit 42% ist die Zahl der Ratsuchenden, die wegen „Sprachprobleme im Umgang mit den Behörden“ in die Beratung kommen, auffällig hoch. Das kann bei einigen daran liegen, dass sie (noch) nicht über genug Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen. Da aber nur 22% der Klientinnen und Klienten „Sprachprobleme im Alltag“ haben, ist die Differenz auf die lebensweltferne Sprache zurückzuführen, die Behörden verwenden. Für viele Menschen, egal welcher Herkunft und Nationalität, ist diese schlichtweg unverständlich.
„Der Staat kann die Menschen nicht gut unterstützen, sie weder fördern noch fordern, wenn er eine Sprache spricht oder schreibt, die sie nicht verstehen“, so die Caritas-Präsidentin. Responsivität als Anforderung der Vereinten Nationen an „gute Verwaltung“ setze aber voraus, dass sich Verwaltungshandeln am Empfängerhorizont orientiert.
Nutzung des 9-Euro-Tickets
Die Erhebung der Caritas-Sozialberatung hat 2022 auch erhoben, welcher Anteil der Ratsuchenden im Sommer das Angebot des 9-Euro-Tickets genutzt hat. Knapp 55% haben sich das Ticket besorgt, 33% haben berichtet, dass sie das „nicht brauchen“. Für 11% der Ratsuchenden hat sich das Ticket nicht gelohnt, „weil der ÖPNV zu schlecht ist“.
„Mehr als die Hälfte der Menschen in unseren Sozialberatungsstellen hat das 9-Euro-Ticket erworben. Das ist ein Riesenerfolg und verweist auf die Attraktivität öffentlichen Nahverkehrs gerade auch für Menschen, die mit dem Alltag zu kämpfen haben“, kommentiert die Caritas-Präsidentin. „Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für Teilhabe, eine gute ÖPNV-Infrastruktur und ein attraktives Tarifsystem sind daher heute elementar wichtig für eine soziale Politik.“
Mehr Informationen Jedes Jahr am dritten Donnerstag im Monat erheben die Beratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung Daten zu den an diesem Tag geführten Beratungsgesprächen: Profil der Ratsuchenden (Alter, Geschlecht, Familiensituation, Einkommen…) und Grund oder Gründe für die Beratung. In diesem Jahr sind 2.007 Vorgänge in die Erhebung eingeflossen. Mehr Details zu den Ergebnissen finden Sie hier.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 21.11.2022
Anlässlich der heutigen Pressekonferenz der Alzheimer Gesellschaften NRW mit der Pflege-Bevollmächtigten der Bundesregierung, Claudia Moll, fordert die Diakonie Deutschland die Einberufung eines Reformgipfels.
Diakonie-Vorständin Sozialpolitik, Maria Loheide:
„Wenn nicht endlich eine grundlegende Pflegereform kommt, fährt das Pflegesystem absehbar vor die Wand. Deshalb brauchen wir jetzt schnelles politisches Handeln. Auf einem Pflegegipfel müssen die dringenden Probleme beraten und die Bundesregierung zum Handeln bewegt werden. Die Pflegeversicherung ist unter anderem durch Sonderaufwendungen während der Pandemie in eine finanziell kritische Lage geraten. Gleichzeitig treiben höhere Energie- und Lebensmittelpreise und tarifliche Lohnsteigerungen die Eigenanteile für Pflegebedürftige in den Einrichtungen weiter in die Höhe. Auch pflegende Angehörige, die eine tragende Rolle in der Pflege übernehmen und vielfach auf eine eigene Berufstätigkeit verzichten, geraten angesichts der Preissteigerungen in Not. Besorgniserregend ist auch der Personalmangel in der Pflege. Schon heute fehlen Zehntausende Pflegekräfte. Das führt dazu, dass Pflegedienste nicht mehr alle pflegedürftigen Menschen versorgen können und auch in der vollstationären Pflege ist das Personal knapp. Diese drängenden Probleme können nur durch eine umfassende Pflegereform und in einem größeren politischen Rahmen gelöst werden. Wir brauchen dringend einen Pflegegipfel der Bundesregierung, um eine echte Reform in der Pflege anzugehen. Die Zeit drängt!“
Ein breites Bündnis von 77 nationalen und internationalen Verbänden und Organisationen ruft zum heutigen Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch die Europäische Union dazu auf, ihr Versprechen einzuhalten, das Internet zu einem sicheren Ort für Kinder zu machen. Die Organisationen begrüßen ausdrücklich die bisherigen Schutzmaßnahmen der Technologieunternehmen, für Kinder sichere digitale Umgebungen zu schaffen. Gleichzeitig muss festgestellt werden, dass die allermeisten Meldungen über sexuelle Gewalt gegen Kinder im Internet von einigen wenigen Anbietern stammen, während etliche Anbieter gar keine Maßnahmen ergreifen. Dieser Befund und das gleichzeitig exponentiell wachsende Ausmaß der sexuellen Ausbeutung und der sexuellen Gewalt gegen Kinder im Internet zeigen, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen und es deshalb einen soliden Rechtsrahmen braucht. Den Offenen Brief haben u.a. das Deutsche Kinderhilfswerk, die Kindernothilfe, ECPAT, die Stiftung Digitale Chancen und World Vision unterzeichnet.
„Anbieter müssen dazu verpflichtet sein, sexuelle Gewalt gegenüber Kindern in ihren Angeboten Einhalt zu gebieten. Sie sollten Missbrauchsmaterial aufdecken, melden und den Zugang dazu unterbinden müssen, indem sie es sperren oder das Material aus ihren Diensten entfernen. Alle Anbieter von Internetseiten sowie Social-Media- und Messengerdiensten stehen in der Verantwortung, ihre Strategien, Produkte und Voreinstellungen auch im Sinne eines effektiven Kinderschutzes auszurichten und so einen Beitrag für sichere digitale Umgebungen für Kinder zu befördern. Diese müssen von der Europäischen Union rechtlich abgesichert werden“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Die virale Verbreitung von Material über sexuelle Gewalt gegen Kinder hat sich enorm weiterentwickelt. So wurden bereits im Jahr 2019 in Europa etwa drei Millionen Bilder und Videos von sexuellem Kindesmissbrauch gemeldet. Der Missbrauch und dessen Fortsetzung durch die Existenz der Bild- und Videomaterialien erschwert es diesen Kindern, die Taten zu verarbeiten sowie möglichst unbeschwert und so gesund wie möglich weiter aufzuwachsen.
Der Offene Brief „Civil Society and Child Rights Organisations Call to Action: We must make the Internet a Safe Place for Children“ mit allen unterzeichnenden Verbänden und Organisationen kann unter www.dkhw.de/OffenerBriefEU-EN in der englischen und unter www.dkhw.de/OffenerBriefEU-DE in der deutschen Version heruntergeladen werden.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 18.11.2022
Veranstalter: Landesarmutskonferenz Berlin (lak) und die Arbeiterwohlfahrt Landesverband Berlin
In Deutschland wurden im Jahr 2020 laut Polizeistatistik 132 Frauen von ihren (Ex-) Partnern getötet.
Die Autorinnen des Buches „Femizide“ – erschienen im Hirzel Verlag- Julia Cruschwitz und Carolin Haentjes sprachen mit Wissenschaftler*innen, Kriminolog*innen, Polizei, Anwält*innen, Überlebende, Zeug*innen und Angehörige und analysierten wissenschaftliche Studien.
Julia Cruschwitz wird an diesem Abend vor Ort sein und mit uns die erlangten Erkenntnisse teilen. Sie wird Auszüge aus ihrem Buch vorstellen, die wir gemeinsam mit Ihnen diskutieren möchten. Unsere Schwerpunkte werden u.a. im Bereich „Was sind Femizide, wer sind die Täter“ und „Umgangsrecht vs. Schutz vor Gewalt“ liegen.
Vor Ort erwartet Sie auch ein themenbezogener Büchertisch der Buchhandlung Anagramm (Mehringdamm 50, 10961 Berlin) sowie ein kleiner Getränkestand.
Es erwarten Sie Beiträge aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zum Thema: „Aktive Vaterschaft – Zwischen Wunsch und Wirklichkeit“.
Wir freuen uns auf unsere Gäste:
Ekin Deligöz, parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesfamilienministerin und Dr. Achim Dercks, stellv. DIHK-Hauptgeschäftsführer
Dr. David Juncke (Vizedirektor, Leitung Familienpolitik, Prognos AG) mit einem Fachimpuls:
„Zwischen gesellschaftlichen Trends und familiären Lebensbedingungen: Väter auf dem Weg zur partnerschaftlichen Vereinbarkeit“
Treten Sie anschließend miteinander zu einem dieser beiden Themen in den virtuellen (Bündnis-) Dialog:
Aktive Vaterschaft:
Wunsch?! – Welche Herausforderungen und Chancen erkennen Sie beim Thema „aktive Vaterschaft“?
Wirklichkeit?! – Welche (erfolgreichen) Projekte zum Thema „aktive Vaterschaft“ haben Sie umgesetzt?
Anbei finden Sie das Programm.
Registrierung: Bitte melden Sie sich hier für den Bündnisdialog an. Weitere Informationen sowie den Veranstaltungslink senden wir Ihnen anschließend rechtzeitig zu.
Bereichern Sie die Veranstaltung mit Ihren Beiträgen: Wir laden Sie ein, uns Ihre Fragen vorab per E-Mail zuzusenden. Wir werden diese anonymisiert in die Podiumsdiskussion und an den Thementischen einfließen lassen.
Anlässlich seiner Fachtagung „Sorgearbeit – selbstverständlich weiblich? Close the Care Gap!“ am 9. November gibt das Bündnis Sorgearbeit fair teilen Ergebnisse einer repräsentativen YouGov-Umfrage bekannt.
Das ZFF ist einer von 26 Mitgliedsverbänden des zivilgesellschaftlichen Bündnisses Sorgearbeit fair teilen. Das Bündnis setzt sich für die geschlechtergerechte Verteilung unbezahlter Sorgearbeit im Lebensverlauf ein. Seine Mitgliedsverbände haben sich zum Ziel gesetzt, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft für den Gender Care Gap und seine Auswirkungen zu sensibilisieren und sich für die Schließung der Sorgelücke einzusetzen.
Die Pressemitteilung des Bündnisses finden Sie hier.
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 10.11.2020
Bis zu 25.000 € mehr ist dem Staat künftig ein Kind von Spitzenverdienern bis zur Volljährigkeit wert. Diese Ungerechtigkeit durch das komplexe System der Kinderfreibeträge ist kaum bekannt. Durch das Inflationsausgleichsgesetz wird diese Schieflage fortgeschrieben. Denn dort werden neben dem Kindergeld erneut die Kinderfreibeträge erhöht. Das BÜNDNIS KINDERGRUNDSICHERUNG fordert von der Bundesregierung, stattdessen zielgerichtete Entlastungen für arme Familien und ihre Kinder und das Ende der unfairen Familienförderung.
Die vollständige Pressemitteilung des Bündnisses finden Sie hier.
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 10.11.2020
Anlässlich der heutigen Anhörung des Familienausschusses im Deutschen Bundestag bedauert das Zukunftsforum Familie (ZFF), dass mit der Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie keine nachhaltigen Verbesserungen für die Vereinbarkeit geplant sind und fordert die zügige Einführung einer Freistellung für den zweiten Elternteil nach der Geburt.
Mit der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie sind wichtige Impulse für Verbesserungen von Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Mitgliedstaaten auf den Weg gebracht worden. Die Bundesregierung erkennt allerdings nur einen geringen Umsetzungsbedarf und beschränkt sich auf wenige gesetzliche Änderungen. Es sind geringfügige Verbesserungen im Elterngeld- und Elternzeitgesetz sowie Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz vorgesehen, die insbesondere sorgetragende Beschäftigte in Kleinbetrieben betreffen. Voraussetzung in diesen Fällen bleibt aber weiterhin die Zustimmung der Arbeitgeber*innen – somit werden auch diese Verbesserungen kaum bei Familien ankommen.
Lisa Sommer, Referentin des ZFF, erklärt dazu: „Es ist bedauerlich, dass die Bundesregierung mit der Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie die Gelegenheit für weitreichende Verbesserungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verpasst hat. Junge Eltern wollen Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlicher aufteilen, sie brauchen von Anfang an entsprechende Rahmenbedingungen.
Laut Koalitionsvertrag haben die Ampelparteien ambitionierte Maßnahmen für mehr Partnerschaftlichkeit geplant – wie die Freistellung nach Geburt des Kindes für den zweiten Elternteil. Diese familienpolitische Leistung muss jetzt endlich zügig umgesetzt werden, denn die Zeit nach Geburt des Kindes ist eine ganz besondere Phase im Familienleben. Eine Freistellung gibt Vätern und zweiten Elternteilen den notwendigen Raum für den Aufbau und die Stärkung der Bindung zum Kind. Sie würde genauso Mütter entlasten, die im Wochenbett auf umfassende Unterstützung angewiesen sind. Darüber hinaus trägt die Regelung aus Sicht des ZFF das Potential, auch längerfristig partnerschaftliche Wirkung zu entfalten und kann u. a. einen Anreiz für eine längere Elternzeit des zweiten Elternteils setzen.“
Lisa Sommer ist heute als Sachverständige bei der Sitzung des Familienausschusses geladen. Die öffentliche Anhörung wird zeitversetzt am 08. November um 13 Uhr unter www.bundestag.de übertragen.
Die Stellungnahme des Zukunftsforum Familie e.V. anlässlich der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 07. November 2022 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur weiteren Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates“ sowie zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. „28 Tage Elternschutz für den zweiten Elternteil ab Geburt des Kindes einführen“ (BT-Drs. 20/2688) finden Sie hier.
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 07.11.2020
Als nicht weitgehend genug bewerten Sachverständige die von der Bundesregierung geplante Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Montagnachmittag deutlich. Der Gesetzentwurf (20/3447) sieht unter anderem vor, dass Arbeitgeber in Kleinbetrieben ihren Beschäftigten, die den Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegzeitgesetz beantragen, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zugang des Antrages antworten müssen. Im Fall einer Ablehnung des Antrags sei diese zu begründen. Ein Anspruch auf Freistellung sei nicht geplant.
Bewertet wurde bei der Anhörung auch ein Antrag der Linksfraktion (20/2688). Darin wird die Einführung einer 28-tägigen Freistellung von der Arbeit für den zweiten Elternteil ab Geburt des Kindes bei 100-prozentiger Entgeltfortzahlung gefordert.
Dörthe Gatermann vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge bewertete es positiv, dass künftig auch in Kleinbetrieben angestellte Eltern unterstützt würden. Zwar gebe es weiterhin keinen Rechtsanspruch auf eine Freistellung, doch werde bei Ablehnung zumindest eine Begründung des Arbeitgebers gefordert. Damit könne die Verhandlungsposition pflegender Angehöriger gestärkt und eine vermehrte Bewilligung solcher Freistellungsanträge bewirkt werden, sagte Gatermann. Diese Maßnahmen reichten aber nicht aus, um den wachsenden Bedarf nach Unterstützung pflegender Angehöriger zu decken. Benötigt werde unter anderem eine Harmonisierung der Schwellenwerte auf 15 Beschäftigte, befand sie. Derzeit gelten im Pflegezeitgesetz Unternehmen mit bis zu 15 Beschäftigten als Kleinbetriebe während beim Familienpflegzeitgesetz der Schwellenwert bei 25 Beschäftigten liegt.
Auch Ulrike Gebelein von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßte die vorgesehenen Begründungspflichten sowie das Vorhaben, pflegende Angehörige unter den Schutz der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu stellen. Die Umsetzung der EU-Richtlinie dürfe aber durch den Gesetzentwurf nicht als abgeschlossen gelten, warnte sie. Es brauche eine mindestens zehntägige Freistellungsregelung für Väter oder den gleichgestellten zweiten Elternteil nach der Geburt. Eine Verankerung dieses Rechtsanspruches sollte im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz erfolgen.
Die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie sei nicht umgesetzt, da es keine bezahlte Freistellung für Väter nach der Geburt gebe, sagte Elke Hannack vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). In Krisenzeiten bei Familien den Rotstift anzusetzen, sei aus familien- und gleichstellungspolitischer Sicht ein Fehler, sagte die DBG-Vertreterin. Auch für pflegende Angehörige enttäusche der Gesetzentwurf, weil an den Schwellenwerten bei Kleinbetrieben festgehalten werde. Der in der EU-Richtlinie vorgegebene Kündigungsschutz greife daher nicht, kritisierte Hannack. Hier müsse nachgebessert werden, indem die Schwellenwerte abgeschafft werden, verlangte sie.
Die Sozialwissenschaftlerin Lena Hipp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung bedauerte, dass das „Gelegenheitsfenster“, das sich durch die Umsetzung der Richtlinie geöffnet habe, nicht ausreichend genutzt worden sei, um tatsächliche Vereinbarkeit voranzutreiben. So wäre es aus ihrer Sicht sinnvoll, aus den zwei Partnermonaten bei der Elternzeit vier Monate zu machen. Ihren Studien zufolge würde eine Vielzahl von Vätern diese auch wahrnehmen. Hipp ging auch auf Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt ein, unter denen Frauen mit Kindern zu leiden hätten. Elternschaft, so ihre Forderung, müsse daher als geschütztes Merkmal in das Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen werden.
Dag Schölper vom Bundesforum Männer, dem Interessenverband für Jungen, Männer und Väter, sprach mit Blick auf den Verzicht des in der Richtlinie vorgegebenen „Vaterschaftsurlaubs“ von einer „Leerstelle im Gesetzentwurf“. Diese durch die Vereinbarkeitsrichtlinie vorgesehene Leistung habe einen eigenständigen Anspruchscharakter und sei eben nicht bereits durch die aktuellen Elterngeld- und Elternzeit-Regelungen abgedeckt, sagte er. Die Einführung eines solchen neuen und eigenständigen Anspruchs jenseits der bereits bestehenden Regelungen zu Elterngeld und Elternzeit könne einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Vater-Kind-Bindung von Anfang an zu stärken, die Väterbeteiligung an der Sorgearbeit zu erhöhen, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu verbessern und Müttern mehr Erwerbsperspektiven zu eröffnen, betonte Schölper.
Anders bewertet das Kerstin Plack von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Der Vaterschaftsurlaub müsse richtigerweise aufgrund einer Aussetzungsklausel in Artikel 20 Absatz 7 der Richtlinie in Deutschland nicht umgesetzt werden, sagte sie. Es sollte aus Sicht der BDA nicht auf anderer Grundlage zu einer solchen überzähligen Regelung kommen. Plack bewertete auch das für das Pflege- und das Familienpflegezeitgesetz vorgesehene Antragsverfahren zur Vereinbarung einer Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Kleinbetrieben als „zu weitgehend“. Die Schwellenwerte von Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz, sowie Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz hätten ihren Grund in der deutlich geringeren personellen wie finanziellen Belastbarkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Diese können Mitarbeiterausfälle aufgrund der dünneren Personaldecke häufig nicht durch eine Umverteilung oder Umorganisation abfangen.
Lisa Sommer vom Zukunftsforum Familie befand indes, dass der entsprechende Anspruch auf alle Betriebsgrößen ausgeweitet werden müsse, „sodass alle Beschäftigte Auszeiten oder eine Verringerung der Arbeitszeit für die Pflege von Angehörigen tatsächlich nutzen können“. Bedauerlich sei auch, dass mit der Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie nicht die Möglichkeit genutzt worden sei, umfassendere Verbesserungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerade in der frühen Familienphase zu initiieren wie etwa eine bezahlte Freistellung für zweite Elternteile, die explizit mit der Geburt des Kindes verknüpft sein sollte.
Beim Dax-Unternehmen SAP gib es laut Unternehmensvertreterin Nina Straßner seit 2020 eine „Väterzeit“. Während der gesetzlichen, achtwöchigen Mutterschutzzeit nach der Geburt bestehe bei SAP Deutschland für länger als sechs Monate im Unternehmen beschäftigte Väter die Möglichkeit, für 20 Prozent ihrer Arbeitszeit bezahlt freigestellt zu werden, sagte sie. Das Angebot werde sehr gut angenommen. In den ersten 15 Monaten hätten mehr als 500 Väter und weniger als zehn gleichgeschlechtliche Elternpaare das Angebot in Anspruch genommen, „wobei durch die Verankerung als bezahlte Freistellung kein zusätzliches Budget aufgewendet werde musste“.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 625 vom 07.11.2022
Mehrkindfamilien in Deutschland sehen sich häufig mit zwei Vorurteilen konfrontiert. Entweder gelten sie als privilegiert und vermögend, weil sie genug Geld für drei oder mehr Kinder aufbringen können. Oder sie werden als von Sozialleistungen abhängige „Problemfälle“ dargestellt. Doch tatsächlich sind Mehrkindfamilien übergangene Leistungsträger:innen der Gesellschaft. Sie brauchen aber gezieltere Unterstützung.
Wer in Deutschland in einer Familie mit mehreren Kindern lebt, ist häufiger von Armut betroffen, als das in Haushalten mit weniger Kindern der Fall ist. Fast ein Drittel (32 Prozent) aller Familien mit drei oder mehr Kindern gilt als einkommensarm, knapp 18 Prozent beziehen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Der Blick auf die Länderebene unterstreicht diesen Befund: Über alle Bundesländer hinweg haben Paarfamilien mit drei und mehr Kindern ein fast dreimal so hohes Armutsrisiko wie Paarfamilien mit zwei Kindern. Am häufigsten sind Mehrkindfamilien in Bremen (63 Prozent) von Armut betroffen, in Bayern ist das Risiko am geringsten (22 Prozent). Besonders schwierig ist die Lage für alleinerziehende Familien mit drei und mehr Kindern: Über 86 Prozent von ihnen sind auf Sozialtransfers angewiesen. Wie aus unserer neuen Studie „Mehrkindfamilien gerecht werden“ ebenfalls hervorgeht, sind Kinder aus kinderreichen Familien besonders häufig von Armut betroffen: Mit 46 Prozent lebt fast die Hälfte aller Kinder in Mehrkindfamilien im SGB II-Bezug.
In den insgesamt 1,3 Millionen Mehrkindfamilien in Deutschland – das entspricht etwa jeder sechsten Familie – stehen die Eltern in besonderer Weise vor der Herausforderung, Beruf und Kinderbetreuung miteinander zu vereinbaren. Die Erwerbstätigkeit beider Elternteile nimmt mit steigender Kinderzahl ab; in Familien mit drei und mehr Kindern liegt sie deutlich niedriger als bei Eltern mit einem oder zwei Kindern. Insgesamt ist in Mehrkindfamilien häufiger als in anderen Familien der Vater Hauptverdiener, während die Mutter dazu verdient. Die Mütter wenden im Durchschnitt aber auch pro Tag rund doppelt so viel Zeit für die Kinderbetreuung auf wie die Väter. Erst mit zunehmendem Alter der Kinder weiten Mütter – wie in anderen Familien auch – ihre Erwerbsbeteiligung aus. Zudem zeigen die Daten, dass rund 70 Prozent der Mütter von drei und mehr Kindern gut bis sehr gut ausgebildet sind. Das widerlegt das Klischee, Eltern von Mehrkindfamilien hätten überwiegend einen niedrigen Bildungsstand.
Kinderarmut durch Unterstützung von Mehrkindfamilien bekämpfen
„Da die Betreuung und Erziehung von drei und mehr Kindern viel Zeit kostet, können Eltern ihre Erwerbstätigkeit kaum ausweiten, sondern müssen sie meistens sogar reduzieren“, so Anette Stein, Direktorin des Programms Bildung und Next Generation. Für viele Familien stelle das angesichts der fehlenden Betreuungsmöglichkeiten und steigenden Lebensmittelkosten eine immer größere Herausforderung dar. „Die soziale Situation von Mehrkindfamilien muss viel stärker ins Blickfeld rücken – vor allem auch deshalb, um die Kinderarmut in Deutschland entschlossen zu bekämpfen“, appelliert die Expertin. Um ein besseres Verständnis für die Lebenswirklichkeit und die Bedarfe von Mehrkindfamilien zu gewinnen, haben Sabine Andresen, Professorin für Familienforschung an der Goethe-Universität Frankfurt, und ihr Team 20 von ihnen ausführlich befragt. Dabei wurde deutlich, dass die Sorge um finanzielle Engpässe als auch um ausreichend bezahlbaren Wohnraum Mehrkindfamilien ständig begleitet. Zudem beklagen sie Benachteiligungen im Alltag, da zum Beispiel Familientickets im öffentlichen Personennahverkehr, im Schwimmbad oder im Zoo häufig auf die klassische Zwei-Kind-Familie ausgerichtet sind. Eine zusätzliche Belastung stellen Vorurteile und Stigmatisierungen dar, denen sich Mehrkindfamilien häufig ausgesetzt sehen.
Die soziale Situation von Mehrkindfamilien muss viel stärker ins Blickfeld rücken – vor allem auch deshalb, um die Kinderarmut in Deutschland entschlossen zu bekämpfen.
Anette Stein, Direktorin des Programms Bildung und Next Generation der Bertelsmann Stiftung
„Mehrkindfamilien sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert“
„Mehrkindfamilien sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert; übersehen werden dabei ihre enormen Leistungen für die Gesellschaft“, betont Sabine Andresen. „Wer drei Kinder oder mehr großzieht, sorgt im Umkehrschluss dafür, dass der Generationenvertrag unserer solidarisch organisierten Sozialversicherungssysteme funktioniert. Ohne die Care-Arbeit der Eltern, vor allem der Mütter, die dafür häufig auf die eigene Karriere und damit ausreichende Altersvorsorge verzichten, wäre das nicht möglich. Schon deshalb schulden wir diesen Familien eine gezielte Unterstützung, mehr Wertschätzung sowie die Überwindung von Klischees.“
Um Kindern in Mehrkindfamilien ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen und ihnen bessere Chancen auf Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu eröffnen, plädieren wir weiterhin mit Nachdruck für die Einführung einer Kindergrundsicherung, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Hierauf hätte jedes Kind Anspruch, unabhängig von der Familienform und der Zahl der Geschwister. Wichtig ist, dass damit die tatsächlichen, altersgerechten Bedarfe von Kindern und Jugendlichen gedeckt werden. Kurzfristig sind angesichts der rasant steigenden Verbraucherpreise zudem schnelle und unbürokratische Entlastungen gerade für kinderreiche Familien vonnöten. Bei Angeboten und Vergünstigungen für Familien in Bereichen wie Mobilität, Freizeit, Sport und Kultur müssen die speziellen Bedürfnisse dieser Familienform stärker mitgedacht werden.
Erleichterungen bedarf es auch in der Betreuung und Erziehung. Neben einem Ausbau der Angebote in der Kindertagesbetreuung sollte die Care-Arbeit von Müttern und Vätern – in allen Familienformen – gesellschaftlich stärker anerkannt und gerechter zwischen den Geschlechtern aufgeteilt werden. Langfristig wäre Mehrkindfamilien damit geholfen, wenn sich Politik, Wissenschaft und Gesellschaft von der Norm der Zwei-Kind-Familie lösen würden. Denn Mehrkindfamilien sind vielfältig, was bei politischen Maßnahmen ebenso wie in der öffentlichen Wahrnehmung sowie in der Forschung konsequent berücksichtigt werden sollte.
Zur Bertelsmann-Studie zu Mehrkindfamilien erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie Mitglied im Ausschuss für Familie, Senior*innen, Frauen und Jugend:
Mit jedem Kind steigt das Armutsrisiko in Deutschland. Besonders gravierend ist dies für alleinerziehende Mehrkindfamilien. 1,3 Millionen Mehrkindfamilien gibt es in Deutschland. Mehr als jedes vierte Kind wächst in dieser Familienform auf. Dennoch sind sie viel zu selten Mittelpunkt der politischen Debatte. Aus diesem Grund ist die vorliegende Studie der Bertelsmann-Stiftung so wichtig. Sie zeigt: Mehrkindfamilien leisten Unglaubliches auch mit Blick auf unseren Generationenvertrag. Dennoch sind sie besonders von Diskriminierung und Vorurteilen betroffen. Sie und besonders die Mütter verzichten häufig für ihre Kinder auf Einkommen, Zeit für sich und eine ausreichende Altersvorsorge. Und das, obwohl 70 Prozent der Mehrkindmütter gut bis sehr gut ausgebildet sind. Die aktuellen Krisen – Inflation, steigende Energiepreise, Corona-Pandemie – belasten sie besonders.
Mehrkindmütter leisten einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Deshalb setzen wir uns in der Ampelkoalition mit dem Kita-Qualitätsgesetz, der Fachkräfteoffensive und der Einführung des Rechts auf einen Ganztagsplatz in Grundschulen für eine verlässliche frühkindliche Bildung ein. Damit schaffen wir gerade auch für Eltern mit mehreren Kindern Zuverlässigkeit, dass sie Job und Familie unter einen Hut bringen können. Zudem arbeiten wir aktuell mit Hochdruck an der Kindergrundsicherung. Mit ihr erhält jedes Kind unabhängig von der Familienform die Leistungen, auf die es einen Anspruch hat. Wichtig dabei für Mehrkindfamilien mit knappen Zeitressourcen: die automatische Berechnung und Auszahlung.
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 10.11.2022
Die heute veröffentlichte Studie zu Familien mit drei Kindern und mehr („Mehrkindfamilien gerecht werden“, Bertelsmann Stiftung 2022) trifft auf Wohlwollen beim Deutschen Familienverband (DFV). Der Verband ist nicht nur traditionell den Mehrkindfamilien zugeneigt – vor 100 Jahren gründete sich der DFV als Selbsthilfeorganisation kinderreicher Familien. Schon lange weist der DFV darauf hin, dass die wissenschaftliche Studienlage zu Familien mit mehr als drei Kindern unzureichend ist. Die veröffentlichte Studie hilft dabei, wissenschaftliche Lücken zu schließen.
„Die krisenhafte demographische Entwicklung hat vor allem damit zu tun, dass wir in Deutschland zu wenige kinderreiche Familien haben“, sagt Sebastian Heimann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes. „Familien mit drei und mehr Kindern müssen von der Politik nicht nur intensiver berücksichtigt werden. Der Staat muss Paaren grundsätzlich mehr Mut zu mehr Kindern machen.“
Fehlende politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Mehrkindfamilien führt viel zu lange zu ungeeigneten Wohnverhältnissen, finanziellen Schwierigkeiten, Betreuungsproblemen und anderen Nachteilen. Neben Vorurteilen und Stigmatisierung ist es nicht verwunderlich, dass sich immer weniger Familien für mehr als zwei Kinder entscheiden. Deutschland ist kein Land, dass kinderreiche Familien schätzt und unterstützt.
Wie der DFV mit den Elternklagen macht die Studie auf die Bedeutung von Familien für das umlagefinanzierte Sozialsystem aufmerksam. Mit der Erziehung von Kindern sorgen insbesondere Mehrkindfamilien dafür, dass der gesetzlichen Renten-, Pflege- und Krankenversicherung die Beitragszahler nicht ausbleiben und der Generationenvertrag aufrechterhalten wird.
„Es ist richtig, wenn die Autorinnen der Studie feststellen, dass die kürzlich vom Bundesverfassungsgericht geforderte proportional mit Anzahl der Kinder steigende Entlastung von Eltern in der Pflegeversicherung nur ein kleiner Schritt ist“, sagt Heimann. Der Deutsche Familienverband und der Familienbund der Katholiken zeigen in ihrem jährlich veröffentlichten Horizontalen Vergleich, dass gerade Sozialabgaben kinderreiche Familien belasten und unter das Existenzminimum drücken.
„Jede Reform, die zum Ziel hat, kinderreiche Familien zu entlasten, muss bei den Sozialabgaben anfangen. Eine Kindergrundsicherung wird die Kinder- und Familienarmut in Deutschland nicht lösen. Wie es derzeit scheint, ist die Kindergrundsicherung nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen“, so Heimann.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 10.11.2022
zu den heute veröffentlichten Zahlen der Bertelsmann-Stiftung zu Kinderarmut in Mehrkindfamilien erklärt Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes:
„Die Zahlen der Bertelsmann-Stiftung zeigen einmal mehr ganz deutlich: Mehrkindfamilien haben ein erhöhtes finanzielles Armutsrisiko. Ein Mindestlohn von zwölf Euro sorgt zwar dafür, dass Erwerbstätige allein über die Runden kommen. Mit jedem Kind, das in eine Familie mit geringem Einkommen geboren wird, steigt aber das Risiko auf die in der Regel unzureichenden Sozialleistungen des Staates angewiesen zu sein. Wer will, dass Arbeit sich lohnt, muss sich deshalb für eine armutsfeste Kindergrundsicherung einsetzen. Ich rufe insbesondere die Union und Herrn Merz auf, die Angriffe auf das geplante Bürgergeld einzustellen und stattdessen für eine gute Kindergrundsicherung einzutreten.“
Quelle: Pressemitteilung Der Kinderschutzbund – Bundesverband e.V. vom 10.11.2022
Mehr als ein Viertel der Kinder in Deutschland wächst mit zwei oder mehr Geschwistern auf Mehrkindfamilien sind so vielfältig wie andere Familien auch. Es gibt besonders reiche und besonders arme Familien darunter, Alleinerziehende, Migrant:innen, Lebensgemeinschaften, Regenbogenfamilien.
Die evangelische arbeitsgemeinschaft familie sieht sich durch die Ergebnisse der heute veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Interessen von Mehrkindfamilien in unserer Gesellschaft deutlich besser wahrgenommen werden müssen. „Es braucht ein Umdenken in Politik und Wirtschaft – also eine Abkehr von der Zwei-Kind-Norm“, so Präsident Dr. Martin Bujard. „Familienangebote, die sich nicht automatisch auch auf Familien mit mehr als zwei Kinder beziehen, haben die Bezeichnung „familienfreundlich“ nicht verdient.“
Die in der Studie vorgestellten Reformvorschläge in Bezug auf Generationenvertrag, Armutsbekämpfung und Kindergrundsicherung finden die volle Unterstützung der eaf. Der evangelische Familienverband weist insbesondere darauf hin, dass mehr Kinder in einer Familie aber auch deutlich mehr Sorgearbeit bedeuten:
„Gerade Familien mit mehr als zwei Kindern brauchen eine ihnen zugewandte Zeitpolitik. Wir benötigen Lösungen, die ausreichend Zeit für Sorgearbeit in der Familie ermöglichen, die Vereinbarkeit Familie und Beruf erleichtern und Partnerschaftlichkeit individuell gestalten lassen. Unser Konzept für eine Dynamische Familienarbeitszeit soll auch den vielfältigen Bedürfnissen von größeren Familien gerecht werden“, so Bujard.
Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 10.11.2022
Die Forschungslage über kinderreiche Familien ist überschaubar. In Berechnungen und Statistiken werden sie zu wenig berücksichtigt, auch wenn sich in den letzten zehn Jahren manches verbessert hat. Zu oft mangelt es an verwertbaren Daten. 2019 erschien die letzte wissenschaftliche Studie über dieses Familienmodell. „Vor diesem Hintergrund freuen wir uns sehr darüber, dass die Bertelsmann-Stiftung diese Daten erhoben und ausgewertet hat. Sie bestätigt unsere Erkenntnisse und Lösungsansätze ohne Ausnahme,“ freut sich die Vorsitzende des Verbands kinderreicher Familien Deutschland, Dr. Elisabeth Müller. „Die Berichte, Haltungen und Lebensleistungen dieser Familien wirken inspirierend und bereichern persönliche Lebensperspektiven.“ Gerade ein gutes Netzwerk und die Möglichkeit zu niederschwelligen Austausch über familiäre Bedarfe ist eine wichtige Zugangsressource zu Information für Eltern. So wird der Verband immer wieder als wichtige Plattform für die Kommunikation von Information und die Vertretung von Interessen kinderreicher Familien vor allem gegenüber der Politik genannt.
Die von Prof. Dr. Sabine Andresen (Goethe-Universität Frankfurt am Main) begleitete qualitative Studie gibt einen „live-Einblick“ (S. 22) in den Alltag von Mehrkindfamilien – mit leisen und lauten Tönen, Glücksmomenten und Freuden. Der Umgang mit Ressourcen sowie Herausforderungen und Belastungssituationen wird dabei nicht beschönigt, sondern in Relation gesetzt. „Entstanden sind Beobachtungen und Fakten, die unsere Wahrnehmung und Erfahrungen sowohl auf Verbands- als auch auf persönlicher Ebene abbilden. Dass unser Familienmodell bereichernd ist, wurde nun verschriftlicht“, so Müller. „Die ausführlichen Erzählungen und Einblicke in das Leben der Mehrkindfamilien sind für uns nicht überraschend. Sie zeugen von einer großen Authentizität, hohem Verantwortungsbewusstsein und von ausgeprägtem Reflektionsvermögen kinderreicher Eltern.“
Eltern von drei und mehr Kindern bewältigen einen anspruchsvollen Alltag. Sie verzichten zugunsten ihrer Kinder auf Einkommen, eigene Karrieren und häufig auf eine ausreichende Altersvorsorge. Das verdient Anerkennung und Wertschätzung. Denn sie sind Leistungsträger:innen unserer Gesellschaft, auch indem sie einen großen Beitrag zum sozialstaatlichen Generationenvertrag beisteuern, heißt es in der Studie. Vor diesem Hintergrund darf das Lebensmodell „familie3plus“ nicht mehr argwöhnisch und stiefmütterlich betrachtet werden. Müller fordert deshalb: „Es ist an der Zeit, Vorurteile und Stigmatisierungen gegenüber abzulegen. Was es braucht, ist eine passgenaue Familienpolitik, die Mehrkindfamilien in den Mittelpunkt der Gesellschaft rückt und den hohen Wert der Care-Arbeit samt des reichen Schatzes an Erfahrungen und vielfältigen Ressourcen, die in kinderreichen Familien stecken, anerkennt. Hierfür braucht es neben der notwendigen Wertschätzung auch finanzielle Unterstützung, damit die Entscheidung für ein drittes oder weiteres Kind nicht zum Armutsrisiko wird, denn die Studie zeigt, dass dieses bei Mehrkindfamilien fast viermal so hoch ist wie bei Zweielternfamilien mit einem Kind. Vor diesem Hintergrund ist es besonders unverständlich, dass die geplante Kindergelderhöhung zum 1.1.2023 nur das erste bis dritte Kind berücksichtigt. Aus unserer Sicht ist eine deutliche Erhöhung des Kindergelds ab dem dritten Kind dringend notwendig.“
Mehrkindfamilien sind vielfältig. Ihre spezifischen Bedarfe sollten bei politischen Maßnahmen ebenso wie in der Forschung und bei Datenerhebungen konsequent mitgedacht werden. Dies geschieht viel zu wenig. Musterberechnungen für Transferleistungen beispielsweise werden in der Regel nur für Eltern mit ein oder zwei Kindern erstellt. Mehrkindfamilien erfassen so nur schwer, was politische Entscheidungen für ihre zukünftige finanzielle Situation bedeuten.
Der Verband dankt allen beteiligten Familien für ihre Bereitschaft und Offenheit, Einblicke in ihren Alltag zu gewähren. Unser besonderer Dank gilt der Bertelsmann Stiftung und dem Forschungsteam um Frau Prof. Sabine Andresen. Sie verleihen mit ihrer Arbeit ca. 1,3 Millionen Familien mit drei und mehr Kindern, das entspricht fast sieben Millionen Menschen, in Deutschland eine Stimme.
Die Studie verleiht der Erziehungs- und Lebensleistung von Mehrkindmüttern- und -vätern großen Respekt und Anerkennung; sie gibt ihnen eine Stimme. „Mit diesem Rückenwind und der Bestätigung unserer Arbeit wünschen wir uns eine größere politische Rückendeckung und Ressourcen, die den Verband als Anlaufstelle für Mehrkindfamilien sichtbarer machen. Wir werden auch in Zukunft unsere Zielgruppe bestmöglich beraten, unterstützen und miteinander vernetzen“, so die Vorsitzende. Diese Veröffentlichung trägt zur Sichtbarkeit dieses Familienmodells „Mehrkindfamilie“ erheblich bei.
Die Bundesregierung will die Grundsicherung zu einem modernen Bürgergeld fortentwickeln und so die staatliche Unterstützung bürgernäher, unbürokratischer und zielgerichteter gestalten. Zu diesem Gesetzentwurf hat sich der Bundesrat am 28. Oktober 2022 geäußert. In ihrer Stellungnahme fordern die Länder die Bundesregierung insbesondere auf, die mit dem Gesetz verbundenen Kostenfolgen zu überprüfen und etwaige Mehrkosten der Länder und Kommunen zu refinanzieren.
Was die Bundesregierung vorhat: Dauerhafte Arbeitsmarktintegration
Nach dem Wunsch der Bundesregierung sollen sich die über 5 Millionen Menschen, die in Deutschland Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitsuche konzentrieren können.
Höhere Regelbedarfe
Ziel ist eine dauerhafte Arbeitsmarktintegration. Außerdem gestaltet der Entwurf die Berechnung der Regelbedarfe neu: Sie sollen künftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst werden. Die Regelbedarfe für das kommende Jahr wurden bereits entsprechend berechnet. Ab 1. Januar 2023 soll etwa ein alleinstehender Erwachsener 502 Euro erhalten – 53 Euro mehr als bisher.
2 Jahre Karenzzeit
Damit die Leistungsberechtigten sich auf die Arbeitsuche konzentrieren können, soll in den ersten zwei Jahren des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit gelten: Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen. Vermögen wird nicht berücksichtigt, sofern es nicht erheblich ist. Nach der Karenzzeit folgt eine entbürokratisierte Vermögensprüfung.
Auch hieran entzündet sich Kritik der Länder. Mit dieser Regelung würde eine nahezu unbegrenzte Anerkennung auch unangemessener Aufwendungen für Heizung während der zweijährigen Karenzzeit erfolgen, deshalb sollen die Kosten nur für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe übernommen werden, fordert der Bundesrat in seiner Stellungnahme.
Freibeträge und Kooperationsplan
Für Bürgergeldbeziehende gelten zudem höhere Freibeträge als bislang. Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird durch einen Kooperationsplan abgelöst, den Leistungsberechtigte und Integrationsfachkräfte gemeinsam erarbeiten. Dieser Plan soll dann als „roter Faden“ im Eingliederungsprozess gelten. Mit Abschluss des Kooperationsplans gilt eine Vertrauenszeit. In diesem Zeitraum wird ganz besonders auf Vertrauen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesetzt.
Leistungsminderungen weiter möglich
Wer Termine nicht wahrnimmt, muss nach den Plänen der Bundesregierung auch weiterhin mit Sanktionen rechnen – allerdings nur im Wiederholungsfall. Leistungsminderungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse betragen dann höchstens 30 Prozent des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs. Kosten der Unterkunft und Heizung werden nicht reduziert. Es gibt keine Leistungsminderung, sollte sie im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen. Die verschärften Sonderregelungen für die unter 25-jährigen Hilfeempfänger entfallen.
Arbeitsmarktzugang Geringqualifizierter
Geringqualifizierte sollen auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll Leistungsberechtigten helfen, die besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen.
Höhere Freibeträge für Nebenjobs
Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende können künftig mehr ihres selbstverdienten Geldes behalten. Der Freibetrag für Hinzuverdienste soll auf 520 Euro steigen, damit junge Menschen die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, einen Schüler- oder Studentenjob aufzunehmen.
Mit der Erhöhung des Freibetrags im Bereich zwischen 520 und 1 000 Euro von 20 auf 30 Prozent des erzielten Erwerbseinkommens steige der Anreiz zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze.
Bundesrat fordert weitere Schritte
Dies sei nur ein erster Schritt zur Verbesserung der Hinzuverdienstregelungen, monieren die Länder in ihrer Stellungnahme. Es sei insbesondere sicherzustellen, dass ebenso Personen, die Einkommen aus einer Ausbildungsvergütung oder Qualifizierung beziehungsweise Teilqualifizierung erhalten, sowohl von der Anhebung der Hinzuverdienstgrenzen als auch von der Neuausrichtung bei der Einkommensanrechnung im SGB II profitieren.
Sozialer Arbeitsmarkt
Nach dem Regierungsentwurf sollen die Regelungen zum „Sozialen Arbeitsmarkt“ künftig unbefristet gelten. Deren Ziel ist es, besonders arbeitsmarktfernen Menschen soziale Teilhabe durch längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung zu ermöglichen und Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen. Bislang sollte die Regelung am 31. Dezember 2024 auslaufen.
Nächste Schritte
Die Stellungnahme des Bundesrates wurde der Bundesregierung zugeleitet, die eine Gegenäußerung dazu verfasst und dem Bundestag zur Entscheidung vorlegt. Anschließend kommt das Gesetz noch einmal abschließend in den Bundesrat. Es bedarf seiner Zustimmung, um in Kraft treten zu können.
Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 28.10.2022
Die heutige öffentliche Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales hat den Kurs für das Bürgergeld aus Sicht der SPD-Fraktion bestätigt. Die Länder sind nun gefragt, die Verhandlungen über das Gesamtpaket schnellstmöglich abzuschließen.
„Die unabhängigen Sachverständigen geben dem Bürgergeld Rückenwind. Den Vorwurf der Union, dass sich Arbeit durch das Bürgergeld nicht mehr lohne, haben sie heute entkräftet.
Den von den Sachverständigen geforderten Anpassungen bei den Hinzuverdiensten kommt das zweite Bürgergeld-Paket nach. Ebenfalls bestätigte die Befragung, sich stärker auf gute Beratung und Bürokratieabbau zu konzentrieren. Der vorgesehene Fokus auf Weiterbildung wurde als notwendig eingeschätzt, um die Potenziale von Langzeitarbeitslosen für den Arbeitsmarkt zu heben. Deutlich wurde auch, dass die Ausgestaltung von Karenzzeit und Schonvermögen politisch zu klären sei. Dabei käme es darauf an, wie wichtig man die Bedeutung von Leistungsgerechtigkeit und Respekt vor Lebensleistung bewertet.
Die durch das Gesetz geschaffenen Rahmenbedingungen machen den Weg frei für eine bessere und zielgenauere Beratung. Die Bundesregierung setzt weiterhin auf das Prinzip des Förderns und Forderns mit dem Bürgergeld, gestaltet es aber zielgenauer und moderner aus.
Vor diesem Hintergrund sehen wir uns mit dem jüngst vorgelegten Kompromissvorschlag durch die heutige Anhörung klar bestätigt. Die Länder mit CDU-Regierungsbeteiligung sind jetzt am Zug, ihrerseits konkrete Vorschläge vorzulegen, um unnötige Verzögerungen aufgrund eines Vermittlungsverfahrens zu vermeiden. Es ist jetzt staatspolitische Verantwortung gefragt statt parteitaktischer Spielchen.“
Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 07.11.2022
Die Jobcenter brauchen mehr Geld und die These, mit dem Bürgergeld lohne sich Arbeit nicht mehr, ist mindestens umstritten. Das sind nur zwei von vielen Erkenntnissen aus der Anhörung zum Bürgergeld-Gesetzentwurf der Bundesregierung und diverser Oppositionsanträge, die der Ausschuss für Arbeit und Soziales am heutigen Montag durchgeführt hat.
Mit ihrem Bürgergeld-Gesetz (20/3878), nach Koalitionsaussagen die größte sozialpolitische Reform seit vielen Jahren, möchte die Ampel-Regierung von SPD. Grünen und FDP „Hartz IV hinter sich lassen“. Geplant sind unter anderem eine „Kooperation auf Augenhöhe“ zwischen Arbeitssuchenden und Jobcenter-Mitarbeitern, die Einführung einer zweijährigen Karenzzeit, in der das Vermögen und die Angemessenheit der Wohnung nicht überprüft werden, die Stärkung von Weiterbildung durch finanzielle Anreize. Außerdem soll der Soziale Arbeitsmarkt verstetigt und Sanktionen deutlich abgemildert werden. Die monatlichen Regelleistungen werden um einen Inflationsausgleich deutlich angehoben. Abgeschafft werden soll auch der „Vermittlungsvorrang in Arbeit“. Stattdessen sollen Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll jenen Leistungsberechtigten helfen, „die aufgrund vielfältiger individueller Probleme besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen“.
Insbesondere Vertreter verschiedener Wohlfahrtsverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), aber auch der Bundesagentur für Arbeit (BA) unterstützten die Pläne für das neue Bürgergeld und mahnten eine zügige Umsetzung an. Dass wesentliche Kernpunkte des Gesetzes (außer die Regelsatzerhöhung) nach neuesten Änderungen der Koalition nun erst zum 1. Juli 2023 in Kraft treten, sorgte unter anderem bei Eva Strobl von der BA für Erleichterung: „Die Arbeit der Jobcenter wird sich wesentlich verändern, dafür brauchen wir mehr Vorlaufzeit.“ Birgit Fix vom Deutschen Caritasverband betonte, es sei gut, wenn sich die Jobcenter nun auf ihre Kernaufgaben der Beratung und Vermittlung konzentrieren könnten. Um diese Ziele umzusetzen, müssten die Mittel im Haushalt 2023 aber deutlich aufgestockt werden. Das forderte auch Martin Künkler vom DGB. Ohne zusätzliches Geld für die Jobcenter werde es sehr schwierig, die neuen Schwerpunkte der Arbeitsvermittlung umzusetzen, die im übrigen zu komplex, schwierig und intransparent seien, kritisierte Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag. Auch Anna Robra von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mahnte, die Änderungen müssten für die Jobcenter umsetzbar sein, dies könne sie angesichts der komplizierten Vorgaben nicht unbedingt erkennen, sagte sie. Mempel und Robra kritisierten außerdem die Regelungen zur Karenz- und Vertrauenszeit und die Abschaffung des Vermittlungsvorangs. „Das alles mindert Anreize, sich aus dem Bezug herauszuarbeiten“, sagte Robra. Mempel forderte, die Karenzzeit beim Bürgergeld, wenn an ihr festgehalten werden solle, auf sechs Monate zu verkürzen.
Zum Thema Lohnabstandsgebot sagte DGB-Vertreter Martin Künkler: „Der Abstand zwischen Lohn und Bürgergeld ist gewahrt.“ Er verwies unter anderem auf den gestiegenen Mindestlohn und kritisierte, dass viele Berechnungen zum angeblich zu geringen Abstand unsauber seien, da sie Leistungen wie Kinder- und Wohngeld nicht mitberücksichtigten. Auch Elena Weber von der Diakonie Deutschland konnte nicht erkennen, warum sich durch das Bürgergeld Arbeit nicht mehr lohnen solle. „Wenn Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können, muss man zuerst die Frage nach den Löhnen stellen“, so Weber. BDA-Vertreterin Anna Robra hatte dazu eine andere Auffassung: „Der Kern des Problems ist, dass sich Arbeit dann nicht mehr lohnt, wenn ich mich aus dem Bezug herausarbeiten will.“ Deshalb müsste bei den Hinzuverdienstgrenzen nachgebessert werden, forderte sie.
Große Einigkeit herrschte unter den Expertinnen und Experten hingegen in der Frage, die Regelsätze ab Januar schnell zu erhöhen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 623 vom 07.11.2022
Der Bundesrat kritisiert die Pläne der Bundesregierung für das Bürgergeld als unzureichend. In seiner Stellungnahme dazu, die nun als Unterrichtung (20/4226) vorliegt, heißt es unter anderem, im Gesetzentwurf zum Bürgergeld sei die große Gruppe der erwerbstätigen Leistungsbeziehenden, die über Einkommen verfügt und deren Sozialleistungen deshalb teilweise reduziert werden, nur unzureichend berücksichtigt worden. „Der Schnellschuss zur Anpassung der Hinzuverdienstregelung bei Erwerbseinkommen von 520 Euro bis 1.000 Euro wirkt dabei wenig durchdacht und wird weder den betroffenen Leistungsbeziehenden noch dem Anliegen der Länder gerecht“, so die Länderkammer.
Um erwerbsfähige Leistungsbeziehende dauerhaft und nachhaltig aus dem SGB II-Leistungsbezug zu führen, müssten die Regelungen zum Hinzuverdienst umfassend gemäß den Eckpunkten der Länder auf den Prüfstand gestellt werden. Außerdem wollen die Länder an einer Beteiligung bei der Umsetzung der Änderungen der Anpassungsregelungen für die Einkommensanrechnung durch den Bund festhalten.
Sie kritisieren darüber hinaus die Regelungen zur Freistellung der Altersvorsorge bei der Vermögensanrechnung und zur Karenzzeit. Eine zwingende Festlegung als Altersvorsorge solle weiterhin Voraussetzung für die Berücksichtigung als Schonvermögen sein. Daher solle an der bestehenden gesetzlichen Regelung in vereinfachter Form festgehalten werden, zumal damit sichergestellt sei, dass es sich um Versicherungsverträge handelt, die tatsächlich der Altersvorsorge dienen, schreibt der Bundesrat. Es müsse ferner gesetzgeberisch sichergestellt werden, dass die Einführung der zeitlich begrenzten Karenzzeit nicht zu einer dauerhaften Berücksichtigung der tatsächlichen Bedarfe führt, weil die Träger während der Karenzzeit die Zusicherung ohne Prüfung der Bedarfe erteilen müssen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022
Die AWO begrüßt, dass der Bundestag soeben das Bürgergeld-Gesetz beschlossen hat. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt: „Mit der heutigen Entscheidung wird ein echter und dringend überfälliger Systemwechsel eingeleitet. Jetzt ist es am Bundesrat, am Montag den Weg für mehr Gerechtigkeit und soziale Teilhabe frei zu machen. Gerade in der jetzigen Situation brauchen wir ein klares Bekenntnis zu unserem Sozialstaat!“
Die AWO fordert die Länder deshalb mit Nachdruck dazu auf, die Einführung des Bürgergelds im Bundesrat nicht zu blockieren. „Die Karenzzeiten wurden während der Pandemie von der Großen Koalition beschlossen und sind eine wesentliche Verbesserung des sozialen Sicherungssystems. Die Koalitionsfraktionen haben nach Kritik aus Bundesrat und Opposition einen Kompromissvorschlag erarbeitet, der deutlich hinter diesen ursprünglich eingeführten Regelungen zurückbleibt. Wer das Bürgergeld jetzt stoppt, hat den Bezug zur Realität verloren und betreibt populistische Parteipolitik auf Kosten derer, die angesichts der Preissteigerungen dringend Unterstützung brauchen!“ appelliert Michael Groß.
Kritisch sieht die AWO dagegen die Anpassung der Regelsätze an die Inflationsentwicklung. Diese sorgten zwar für dringend nötige finanzielle Entlastung bei den Leistungsbeziehenden, doch blieben die langjährigen Unterdeckungen in der Grundsicherung weiter bestehen. Hier bestehe dringender Nachbesserungsbedarf. „Es ist ganz einfach“, sagt dazu Groß abschließend, „Werden zu niedrige Regelsätze fortgeschrieben, bleiben diese weiterhin zu gering.“
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 10.11.2022
Zur aktuellen Debatte über die Einführung eines Bürgergelds erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:
„Wir brauchen jetzt eine zielführende konstruktive Debatte und keinen parteipolitischen Zank. Bei der Ablösung von Hartz IV durch ein Bürgergeld geht es um Menschen mit schwierigen Erwerbsbiografien und Hindernissen auf dem Arbeitsmarkt. Sie haben wie alle ein menschenwürdiges Existenzminimum verdient und benötigen die Unterstützung der Solidargemeinschaft, um Fuß zu fassen. Wer in der politischen Mitte stehen will, muss die Menschen in den Mittelpunkt stellen und nicht die eigenen Interessen.
Jetzt ist politischer Reformwillen in allen Parteien nötig, damit die Menschen nicht das Vertrauen in den Sozialstaat verlieren. Ich appelliere deshalb an die Union, nach der entsprechenden Aufnahme der Anregungen der Bundesagentur, im Bundesrat den Weg für die Reform freizugeben, damit die dringend notwendige Erhöhung der Regelsätze und Reformschritte umgesetzt werden können. Vom Zaun gebrochene Debatten mit dem Ziel, die Reform aufzuhalten, werden die Situation der Betroffenen dramatisch verschlechtern. Dies gilt erst recht in diesen Zeiten steigender Energie- und Lebensmittelpreise. Wenn das Gesetz im Bundesrat blockiert wird, würde nicht nur die dringende Erhöhung der Regelsätze ausbleiben. Auch die Verbesserungen beim Schutz der Wohnung und Förderung der beruflichen Weiterbildung wären erst einmal Makulatur.“
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 08.11.2022
Neue Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle liegen vor.
Laut einer aktuellen Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist die zum Januar 2023 geplante Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung auf 502 Euro, über die der Deutsche Bundestag am morgigen Donnerstag im Zusammenhang mit einer Reform von Hartz IV und der Einführung eines sogenannten “Bürgergeldes” berät, viel zu niedrig. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müssten die Leistungen auf mindestens 725 Euro angehoben werden, um wirksam vor Armut zu schützen. Der Verband fordert eine entsprechende Erhöhung des Regelsatzes um 276 Euro plus die vollständige Übernahme der Stromkosten und mahnt die Politik zur Eile: Angesichts der Notlage der Betroffenen sei keine Zeit zu verlieren.
Der Paritätische kritisiert die regierungsamtliche Berechnungsmethode trotz der neuen Fortschreibungsmethodik als nicht geeignet, das verfassungsrechtlich gebotene soziokulturelle Existenzminimum abzusichern. “Ob Hartz IV oder Bürgergeld, an der eigentlichen Berechnungsmethode hat sich nichts geändert, die Leistungen bleiben trickreich kleingerechnet, reichen vorne und hinten nicht und gehen an der Lebensrealität der Menschen vorbei”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Angesichts der rasant steigenden Preise insbesondere für Energie und Lebensmittel stelle die geplante Erhöhung zum 1. Januar keine Verbesserung des Lebensstandards dar, sondern lediglich eine Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten der letzten 12 Monate.
Die Paritätische Forschungsstelle rechnet in ihrer aktuellen Expertise die seit Jahren bereits umstrittenen und auch von anderen Sozialverbänden kritisierten statistischen Manipulationen im Regelsatz heraus und nimmt darüber hinaus eine Anpassung an die aktuelle Preisentwicklung entsprechend des von der Ampel-Koalition vorgeschlagenen neuen Fortschreibungsmechanismus vor. Im Ergebnis müsste der Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen ab dem 1.1.2023 mindestens 725 Euro statt 502 Euro betragen.
Diese Berechnungen für einen armutsfesten Regelsatz werden durch eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa gestützt, nach der die Bevölkerung mehrheitlich nicht davon ausgeht, dass der mit dem Bürgergeld vorgesehene Regelsatz ausreicht, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Mit lediglich 6 Prozent geht nur eine ausgesprochen kleine Minderheit davon aus, dass der für Ernährung vorgesehene Betrag im Bürgergeld eine gesunde und ausgewogene Ernährung ermöglicht. In Hinblick auf die bisherige Unterstützung von Menschen mit geringen Einkommen, Rentner*innen und Studierenden sowie gemeinnützigen sozialen Einrichtungen in der Energie-Krise meint jeweils eine klare Mehrheit von etwa zwei Drittel der Befragten, dass diese bisher nicht ausreichend unterstützt werden.
Die repräsentative Umfrage wurde vom 28. Oktober bis 3. November 2022 vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbandes durchgeführt. Insgesamt wurden 1012 Personen über 18 Jahre im Rahmen der Mehrthemenumfrage des repräsentativen Online-Befragungspanels forsa.Omninet befragt.
Bundesseniorenministerium startet Kampagne
zur Stärkung der Pflegeausbildung
Während die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Zukunft weiter steigen wird, besteht bereits heute ein erheblicher Mangel an Pflegefachkräften. Um auch zukünftig eine gute und professionelle Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege gewährleisten zu können, muss die Ausbildung gestärkt werden. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) startet deshalb heute im Rahmen der „Ausbildungsoffensive Pflege“ die bundesweite Informations- und Öffentlichkeitskampagne „Pflege kann was“.
Bundesministerin Lisa Paus:„Wenn wir mehr Menschen für das Berufsfeld Pflege gewinnen wollen, müssen wir den Beruf attraktiver machen. Es gelingt, immer mehr Menschen für diese wichtige Arbeit zu begeistern. Die immense Bedeutung, die dieser Beruf hat, spiegelt sich endlich auch auf dem Ausbildungsmarkt wider. 2021 haben 7 Prozent mehr Menschen eine Ausbildung begonnen als im Jahr zuvor. Allerdings sind noch immer nur rund ein Viertel der Auszubildenden männlich und in der neuen hochschulischen Pflegeausbildung bleiben trotz hervorragender Berufsperspektiven viele Studienplätze unbesetzt. Das zeigt: Wir müssen besser über den Pflegeberuf informieren und die Möglichkeiten, die er bietet, aufzeigen.“
Die Kampagne „Pflege kann was“ soll über die vielfältigen Beschäftigungs- und Aufstiegschancen in der Pflege informieren und Vorurteilen gegenüber der Ausbildung und dem Beruf entgegenwirken. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler mit und ohne Hochschulzugangsberechtigung sowie Erwachsene, die sich beruflich neu orientieren wollen. Die Kampagne setzt dabei nicht auf kurzfristige Effekte, sondern auf kontinuierliche Information und soll bis zum Jahr 2025 laufen.
Weitere Informationen zur Pflegeausbildung und der Kampagne „Pflege kann was“ finden Sie unter www.pflegeausbildung.net.
Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 08.11.2022
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat am Mittwochvormittag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/3439) zur Abschaffung der Kostenheranziehung bei jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe mit den Stimmen aller Fraktionen des Bundestages zugestimmt. Der Gesetzentwurf war zuvor durch die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP leicht geändert worden.
Bisher gilt: In der Kinder- und Jugendhilfe werden junge Menschen, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe leben und die ein eigenes Einkommen haben, zu den Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe aus ihrem Einkommen herangezogen. Dies gilt auch für alleinerziehende Mütter oder Väter mit ihrem Kind, die in einer gemeinsamen Wohnform untergebracht sind (sogenannte Leistungsberechtigte nach Paragraf 19 SGB VIII). Der Kostenbetrag kann bis zu 25 Prozent des Einkommens betragen. Auch die Ehegatten und Lebenspartner der jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach Paragraf 19 SGB VIII werden abhängig von der Höhe ihres Einkommens zu den Kosten aus ihrem Einkommen herangezogen.
Das will die Bundesregierung nun ändern. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Kostenheranziehung bei jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach Paragraf 19 SGB VIII sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aufzuheben. Dadurch könnten die jungen Menschen und Leistungsberechtigten sowie ihre Ehegatten und Lebenspartner vollständig über das Einkommen, das sie erzielen, verfügen, heißt es im Entwurf. Zur Begründung schreibt die Regierung, dass die Kostenheranziehung dem Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe widerspricht. „Wachsen junge Menschen außerhalb ihrer Herkunftsfamilie auf, haben sie bereits mit zusätzlichen Herausforderungen umzugehen und dadurch einen schwierigeren Start in ein eigenständiges Leben. Dieser Start wird nochmal erschwert, wenn sie einen Teil ihres Einkommens, das sie zum Beispiel im Rahmen eines Schüler- oder Ferienjobs oder ihrer Ausbildung verdienen, abgeben müssen.“
Durch die Abschaffung der Kostenheranziehung verringern sich die Einnahmen der Kommunen um jährlich rund 18,3 Millionen Euro.
Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen bezieht sich auf das Einkommen, dass junge Menschen in Pflegefamilien durch die Berufsausbildungsbeihilfe erzielen. Bisher muss diese Beihilfe und das Ausbildungsgeld vollständig an das Jugendamt abgegeben werden. Künftig sollen sie einen Teil ihres Einkommens behalten dürfen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 637 vom 09.11.2022
Zur Einigung der Ampel im Rahmen des Inflationsausgleichsgesetzes über eine Erhöhung des Kindergeldes ab 2023 auf 250 Euro für jedes Kind erklärt die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge:
„Wir haben uns im Rahmen des Inflationsausgleichsgesetzes darauf verständigt, die Eckwerte bei der Einkommensteuer wie im Entlastungspaket vereinbart anzupassen. Zusätzlich konnten wir uns darauf einigen, dass das Kindergeld erneut zu erhöhen. Es ist ein großer Erfolg, dass Familien schon ab dem nächsten Jahr spürbar mehr Geld bekommen. Die hohen Preise für Energie und Lebensmittel treffen Familien mit geringen Einkommen besonders hart. Mit der Kindergelderhöhung auf 250 Euro monatlich für jedes Kind gehen wir nochmal deutlich über die bisher vereinbarte Erhöhung hinaus. Das ist ein wichtiger Schutz vor Kinderarmut.
Die Kindergelderhöhung ist zusammen mit dem Kinderzuschlag ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Kindergrundsicherung. Ab 2025 soll dann die Kindergrundsicherung dafür sorgen, dass Familien einfach und fair unterstützt werden und das ungerechte System aus zahlreichen Einzelmaßnahmen zu beenden. Die Kindergrundsicherung wird Kinderarmut wirksam bekämpfen.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 09.11.2022
Der Innenausschuss hat den Weg für eine Absenkung des Mindestwahlalters für das aktive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament von derzeit 18 auf 16 Jahre frei gemacht. Gegen die Stimmen der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion verabschiedete das Gremium am Mittwochvormittag einen entsprechenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Europawahlgesetzes (20/3499). Die Vorlage steht am Donnerstag zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums.
In der Begründung des Gesetzentwurfs schreiben die Koalitionsfraktionen, dass das derzeitige Mindestwahlalter für das aktive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europaparlament Menschen vom Wahlrecht ausschließe, „die an zahlreichen Stellen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich in den politischen Prozess einbringen können und wollen“. Gerade die junge Generation werde durch Fragen betroffen sein, die aktuell Gegenstand demokratischer Entscheidungsprozesse sind. Themen wie beispielsweise der Schutz des Klimas, die Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme angesichts des demographischen Wandels, die Prioritätensetzung bei öffentlichen Investitionen und die Regulierung des Internets sowie die hierzu getroffenen Entscheidungen gestalteten die Zukunft nachhaltig und hätten damit Wirkung weit über Legislaturperioden hinaus.
Wie die drei Fraktionen weiter ausführen, hat sich die Altersverteilung der Wahlberechtigten in den vergangenen 50 Jahren zu Lasten der Jüngeren verschoben. Die vorgesehene Absenkung des Wahlalters entspricht der Vorlage zufolge zudem der Entwicklung auf europäischer Ebene. So fordere die Legislative Entschließung des Europaparlaments vom 3. Mai 2022, „dass das Mindestwahlalter für die Ausübung des aktiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament künftig in der Regel 16 Jahre betragen soll“. Zuvor habe schon die EU-Verordnung vom 17. April 2019 über die Europäische Bürgerinitiative den Mitgliedstaaten ermöglicht, das Mindestalter für die Unterstützung einer solchen Initiative auf 16 Jahre abzusenken. Auch gebe es bereits europäische Staaten, in denen das aktive Mindestwahlalter zum Europäischen Parlament unter 18 Jahren liegt. So könne in Österreich und Malta bereits ab 16 Jahren gewählt werden und in Griechenland ab 17 Jahren.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 634 vom 09.11.2022
Der Bundesrat unterstützt die Pläne der Bunderegierung, Familien durch Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen zu entlasten. In seiner Stellungnahme zum geplanten Inflationsausgleichsgesetz fordert er jedoch weitere Maßnahmen, um zielgerichtet kinderreiche sowie arme oder armutsgefährdete Familien zu erreichen und sozial zu unterstützen – zum Beispiel durch Schulsozialarbeit, Mobile Jugendarbeit und Streetwork. Hierfür könnten bewährte Programme aus der Corona-Zeit schnelle Hilfe in der Fläche leisten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Krise stärken.
Kostenbelastung der Länder
Zugleich weist der Bundesrat darauf hin, dass das geplante dritte Entlastungspaket des Bundes zu hohen strukturellen Belastungen der Länder führt. Diese sehen sich zwar in der Mitverantwortung, einen angemessenen Beitrag zur Abmilderung der Folgen der hohen Energiepreise zu leisten, fordern aber eine Verständigung über die Höhe tragbarer Länderbelastungen sowie deutlichere Unterstützung durch den Bund.
Unterstützung für den Nahverkehr
Diese Gesamtverständigung zwischen Bund und Ländern müsse eine Nachfolgeregelung für das sogenannte 9-Euro-Ticket enthalten, ebenso eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel, um die Qualität des Nahverkehrs zu verbessern und auf die massiven Energiepreissteigerungen zu reagieren.
Der Bundesrat verlangt, dass der Bund die vollständigen Kosten für das Wohngeld übernimmt und zeitnah die außerordentlich steigenden Energie- und Sachkosten bei Krankenhäusern, Universitätskliniken sowie Pflegeeinrichtungen durch Bundeszuweisungen gegenfinanziert. Auch die Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterbringung, Betreuung und Integration von geflüchteten Menschen müsse wiederaufgenommen beziehungsweise intensiviert werden. Diese Forderungen hatte der Bundesrat bereits mehrfach erhoben.
Was die Bundesregierung plant
Um die mit der kalten Progression verbundenen schleichenden Steuererhöhungen zu dämpfen, soll das sogenannte Inflationsausgleichsgesetz für rund 48 Millionen Bürgerinnen und Bürger die Steuerlast an die Inflation anpassen. Weiteres Ziel ist es, Familien zu unterstützen – durch Anhebung des Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags sowie durch Erhöhung des Kindergeldes.
Der Begriff der „kalten Progression“ bezeichnet den Effekt, dass eine Gehaltserhöhung aufgrund der Inflation für Bürgerinnen und Bürger zwar faktisch nicht spürbar ist, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt. Trotz Gehaltssteigerung erhalten sie dadurch real weniger Geld. In der Vergangenheit hatte der Bundesrat immer wieder mit eigenen Initiativen und Appellen auf dieses Problem aufmerksam gemacht.
Die Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Oktober 2022 wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie formuliert eine so genannte Gegenäußerung dazu und legt dann beide Dokumente dem Bundestag zur Entscheidung vor. Die dortigen Beratungen haben bereits in erster Lesung begonnen. Nachdem der Bundestag das Gesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet hat, berät der Bundesrat dann noch einmal abschließend. Das Gesetz kann nur mit seiner Zustimmung in Kraft treten.
Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 28.10.2022
Der Finanzausschuss hat angesichts der hohen Inflation die geplanten Erhöhungen von steuerlichen Freibeträgen und Kindergeld noch weiter angehoben. In seiner Sitzung am Mittwoch unter Leitung des Vorsitzenden Alois Rainer (CSU) beschloss der Ausschuss einen entsprechenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zu dem von der Koalition eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (20/3496). Für den Entwurf in geänderter Fassung stimmten die Koalitionsfraktionen und die CDU/CSU. Die AfD-Fraktion enthielt sich, die Fraktion Die Linke lehnte ab.
Der Koalitionsentwurf sah ursprünglich eine Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages von derzeit 10.347 Euro auf 10.632 Euro im kommenden Jahr vor. Der Betrag soll jetzt auf 10.908 Euro steigen.
2024 sollte der Grundfreibetrag nach dem Gesetzentwurf weiter auf 10.932 Euro steigen. Mit dem Änderungsantrag wird dieser Wert auf 11.604 Euro angehoben.
Ebenfalls im nächsten Jahr erhöht werden soll das Kindergeld für das erste, zweite und dritte Kind auf einheitlich 250 Euro pro Monat. Vorgesehen waren im Koalitionsentwurf 237 Euro. Die Anhebungen gehen zurück auf die Angaben im 14. Existenzminimumbericht. Auch der steuerliche Kinderfreibetrag wird erhöht.
Die Anhebungen und die Verschiebungen der Tarifeckwerte im Einkommensteuertarif nach rechts führen nach Angaben der Fraktionen zu einem Ausgleich der Effekte der kalten Progression. Nicht verschoben wird jedoch der Eckwert der sogenannten Reichensteuer. Angehoben werden 2023 und 2024 die Freigrenzen für den steuerlichen Solidaritätszuschlag. Damit soll eine zusätzliche Belastung der Einkommensteuerpflichtigen vermieden werden.
Die SPD-Fraktion sprach von einer starken Anhebung der Beträge. Auch beim Solidaritätszuschlag werde jetzt sichergestellt, dass nur zehn Prozent den Zuschlag zahlen müssten und nicht weitere Steuerpflichtige in die Zahlungspflicht rutschen würden. Es gebe die größte Kindergelderhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik, was ein deutliches sozialpolitisches Zeichen sei.
Die CDU/CSU-Fraktion kritisierte das Verfahren. Existenzminimum- und Progressionsbericht hätten zu spät vorgelegen, und auch der Änderungsantrag der Koalition sei erst kurzfristig eingebracht worden. Das Verfahren sei kein Meisterstück, aber dem Ergebnis könne die Union zustimmen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßte den vollständigen Ausgleich der kalten Progression und dass es gelungen sei, eine massive Kindergelderhöhung auf 250 Euro für alle Kinder zu beschließen. Das sei ein wichtiger Schritt hin zu einer Kindergrundsicherung. Auch die FDP-Fraktion sprach von einem guten Gesetz. Man sei stolz darauf.
Die AfD-Fraktion warf der Koalition vor, nur die Symptome der Inflation zu bekämpfen. Die eigentlichen Ursachen würden nicht bekämpft. Der Änderungsantrag sei zu spät vorgelegt worden. Die Angaben im Existenzminimumbericht könnten nicht stimmen. So sei darin von Heizkosten für Alleinstehende von 88 Euro im Monat im nächsten Jahr die Rede.
Die Fraktion Die Linke kündigte eine Ablehnung des Gesetzentwurfs an. Die Begründung der Ablehnung werde im Bundestagsplenum gegeben.
Abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion, die die Eckwerte des Einkommensteuertarifs schon für 2022 zugunsten der Steuerpflichtigen verschieben wollte, um die kalte Progression noch in diesem Jahr vollständig auszugleichen. Außerdem sollte der Verlauf des Einkommensteuertarifs in Zukunft jährlich überprüft werden, um die kalte Progression zeitnah auszugleichen.
Ein mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen gleichlautender Entwurf der Bundesregierung (20/3871) wurde für erledigt erklärt.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 639 vom 09.11.2022
Die Zielsetzung des Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (20/3936) zur Ausweitung und Erhöhung des Wohngeldes ab 1. Januar 2023 ist am Montagmittag in einer Anhörung des Bauausschusses auf große Zustimmung bei Experten gestoßen. Allerdings warnten die Sachverständigen vor massiven Umsetzungsproblemen in den Kommunen und mahnten unter anderem Vereinfachungen beim Prüfverfahren an. Wegen des zu erwartenden Doppelaufwands wandten sie sich gegen die Pläne, das Wohngeld vorläufig auszuzahlen. Die Vertreter der Kommunen schlugen überdies die Einführung eines pauschalisierten Basis-Wohngelds in Höhe des gerade verabschiedeten Heizkostenzuschusses für die Dauer von sechs Monaten vor, „um Druck aus dem Kessel zu bekommen“, wie Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag betonte. Die Pauschale sollte nicht zurückgezahlt werden müssen.
Von Lojewski sprach insgesamt von massiven Problemen im Vollzug. Der zusätzliche Personalbedarf in den Wohngeldstellen sei extrem hoch, sie seien auf Hilfe angewiesen, um das Instrument „schnell und wirksam ausrollen zu können“, appellierte er.
Die Ausweitung des Wohngeldes auf schätzungsweise zwei Millionen Haushalte statt bisher rund 600.000 Haushalte sei im Grundsatz sehr zu begrüßen, urteilte Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Die Verankerung einer dauerhaften Heizkosten- sowie Klimakomponente sei ebenfalls richtig und sinnvoll. Jedoch sei die Reform in der Kürze der Zeit und mit Blick auf die angespannte Personalsituation in den Kommunen „nicht durchführbar“, warnte er. Erschwert würde die Lage durch die gleichzeitige Einführung des Bürgergelds, die Aufnahme von Flüchtenden und die Abarbeitung von Folgewirkungen der Corona-Pandemie.
„Die Menschen sind darauf angewiesen, das Geld möglichst zeitnah zu bekommen“, mahnte Heiko Gill vom niedersächsischen Umwelt- und Bauministerium. Um dies mit dem vorhandenen Personal zu gewährleisten, müsse das Antragsverfahren vereinfacht werden. Wie die Vertreter der Städte und Gemeinden regte er an, von der beabsichtigten vorläufigen Zahlung des Wohngeldes abzusehen, da sie eine Doppelbearbeitung der Anträge erforderlich mache.
Sebastian Klöppel vom Deutschen Städtetag verwies auf die komplexe Einkommensprüfung beim Wohngeld, die so schnell nicht vereinfacht werden könne. Auch mehr Digitalisierung sei so schnell nicht realisierbar. Daher könne nur ein pauschalisiertes Basis-Wohngeld den Kommunen den dringend benötigten zeitlichen Puffer verschaffen.
Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag appellierte darüber hinaus an die Politik, „realistisch mit den Erwartungen der Menschen“ umzugehen. Sie müsse die Antragsteller darauf einstimmen, dass nicht jeder Anspruchsberechtigte schon im Januar Geld überwiesen bekomme. „Andernfalls gibt es Ärger an der Basis und damit ist niemandem gedient.“
Erste Schätzungen in Bayern gingen von einem zusätzlichen Bedarf von mindestens 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den 96 Wohngeldbehörden aus, berichtete Sandra Rehmsmeier vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr. Dabei seien die Wohngeldstellen schon jetzt überlastet. Sie sprach sich für eine Umsetzung der Empfehlungen des Bundesrates vom 17. Oktober 2022 aus, in denen die Länderkammer sich ebenfalls gegen vorläufige Zahlungen und für die Einführung einer Bagatellgrenze von mindestens 500 Euro ausspricht.
Positiv hoben die Sachverständigen die geplanten, dauerhaften Komponenten für Heizkosten und Klima im Wohngeld hervor. Die Klimakomponente, mit der höhere Wohnkosten infolge von energetischen Maßnahmen im Gebäudebereich abgefedert werden sollen, sollte jedoch in einem späteren Reformschritt deutlich erhöht und tatsächlich an den Energieeffizienzstandard des jeweiligen Gebäudes gekoppelt werden, empfahl der Geschäftsführer des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung, Michael Neitzel. Dies sei derzeit wegen Zweifeln an der Rechtssicherheit der Energieausweise nicht umsetzbar.
Insgesamt sprach sich Neitzel für eine Evaluierung beider Komponenten und ihrer Effekte sowie für eine Anpassung der Heizkomponente an die Energiepreisentwicklung aus. Ähnlich äußerten sich der Geschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Christian Lieberknecht, und Kai H. Warnecke vom Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. Warnecke wies zudem darauf hin, dass selbstnutzende Wohneigentümer ebenfalls Anspruch auf Wohngeld haben könnten, was aber vielen nicht bewusst sei. Hier sei mehr Aufklärung nötig.
Birgit Fix vom Deutschen Caritasverband nannte die Stärkung des Wohngeldes und die Einführung von Heizkosten- und Klimakomponente einen „überfälligen Schritt“. Angesichts der explodierenden Preise befürwortete sie allerdings eine jährliche Dynamisierung der Ansprüche sowie einen zusätzlichen Härtefallfonds für verschiedene Zielgruppen, wie ihn die Expertinnen- und Expertenkommission Gas und Wärme vorgeschlagen hat. Das Wohngeld sollte außerdem um eine Stromkostenkomponente ergänzt werden.
Eine deutliche Ausweitung des Empfängerkreises auf alle von ihren Wohnkosten überlastete Haushalte forderte Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund. Mindestens 4,1 Millionen Haushalte seien davon allein in den großen Städten betroffen, also weit mehr, als die Reform erfasse, betonte sie. Eine Überlastung sei außerdem nicht erst gegeben, wenn ein Haushalt mehr als 40 Prozent fürs Wohnen aufbringen müsse, sondern beginne schon bei 30 Prozent. Ungeachtet dessen könne das Wohngeld mietrechtliche und wohnungspolitische Maßnahmen nicht ersetzen, betonte Weber-Moritz. Um die Wohnkosten zu senken, brauche es unter anderem mehr Sozialwohnungen und einen zeitlich begrenzten Mietenstopp.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 621 vom 07.11.2022
Mit dem Wohngeld-Plus-Gesetz will die Bundesregierung ab dem 1. Januar 2023 Haushalte mit niedrigeren Einkommen stärker bei steigenden Wohnkosten unterstützen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf (20/4230) von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bringt die Bundesregierung am Mittwoch, dem 9. November 2022, ohne vorherige Aussprache ein. Die Vorlage soll direkt an den Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen zur weiteren federführenden Beratung überwiesen werden. Am Donnerstag, den 10. November 2022, will der Bundestag über die bisher umfangreichste Reform des Wohngeldes abstimmen.
Sie soll drei Komponenten enthalten: Erstens die Einführung einer dauerhaften Heizkostenkomponente, die als Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete oder Belastung in die Wohngeldberechnung eingehen soll. Zweitens soll durch die Einführung einer Klimakomponente ein Zuschlag auf die Höchstbeträge der zu berücksichtigenden Miete oder Belastung in der Wohngeldberechnung erfolgen. Damit könnten laut Bundesregierung strukturelle Mieterhöhungen im Wohngeld aufgrund energetischer Maßnahmen im Gebäudebereich im gesamten Wohnungsbestand oberhalb der bisherigen Höchstbeträge berücksichtigt werden.
Drittens soll die Wohngeldformel angepasst werden. Danach sollen rund 1,4 Millionen Haushalte erstmalig oder erneut einen Wohngeldanspruch erhalten statt bisher rund 600.000 Haushalte. Zudem soll sich der Wohngeldbetrag von durchschnittlich rund 180 Euro pro Monat auf rund 370 Euro pro Monat erhöhen.
Wie bei jeder strukturellen Wohngeldreform solle auch bei dieser Reform eine Neuzuordnung der Gemeinden und Kreise zu den Mietenstufen des Wohngeldes erfolgen, um zwischenzeitlich veränderte regionale Mietenniveaus berücksichtigen zu können, schreibt die Bundesregierung. Um in Einzelfällen oder bei erhöhtem Geschäftsgang in den Wohngeldbehörden eine zügige Auszahlung der erhöhten Wohngeldbeträge zugunsten der Wohngeldhaushalte zu ermöglichen, sei zudem die Möglichkeit einer vorläufigen Zahlung vorgesehen. Diese vorläufige Zahlung stehe für den Fall, dass kein Wohngeldanspruch bestanden hat, unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
Um den Wohngeldbehörden in Bezug auf die Bemessung des Bewilligungszeitraumes mehr Flexibilität einzuräumen und die betroffenen Wohngeldhaushalte auch von bürokratischen Verpflichtungen zu entlasten, werde insbesondere bei gleichbleibenden Verhältnissen die Möglichkeit eröffnet, den Bewilligungszeitraum auf bis zu achtzehn Monate zu verlängern.
Bereits am 7. November 2022 befasst sich der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen in einer öffentlichen Anhörung mit dem am 11. Oktober 2022 von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf (20/3936) zur Erhöhung des Wohngeldes.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022
Der Bundesrat kritisiert die Pläne der Bundesregierung für das Bürgergeld als unzureichend. In seiner Stellungnahme dazu, die nun als Unterrichtung (20/4226) vorliegt, heißt es unter anderem, im Gesetzentwurf zum Bürgergeld sei die große Gruppe der erwerbstätigen Leistungsbeziehenden, die über Einkommen verfügt und deren Sozialleistungen deshalb teilweise reduziert werden, nur unzureichend berücksichtigt worden. „Der Schnellschuss zur Anpassung der Hinzuverdienstregelung bei Erwerbseinkommen von 520 Euro bis 1.000 Euro wirkt dabei wenig durchdacht und wird weder den betroffenen Leistungsbeziehenden noch dem Anliegen der Länder gerecht“, so die Länderkammer.
Um erwerbsfähige Leistungsbeziehende dauerhaft und nachhaltig aus dem SGB II-Leistungsbezug zu führen, müssten die Regelungen zum Hinzuverdienst umfassend gemäß den Eckpunkten der Länder auf den Prüfstand gestellt werden. Außerdem wollen die Länder an einer Beteiligung bei der Umsetzung der Änderungen der Anpassungsregelungen für die Einkommensanrechnung durch den Bund festhalten.
Sie kritisieren darüber hinaus die Regelungen zur Freistellung der Altersvorsorge bei der Vermögensanrechnung und zur Karenzzeit. Eine zwingende Festlegung als Altersvorsorge solle weiterhin Voraussetzung für die Berücksichtigung als Schonvermögen sein. Daher solle an der bestehenden gesetzlichen Regelung in vereinfachter Form festgehalten werden, zumal damit sichergestellt sei, dass es sich um Versicherungsverträge handelt, die tatsächlich der Altersvorsorge dienen, schreibt der Bundesrat. Es müsse ferner gesetzgeberisch sichergestellt werden, dass die Einführung der zeitlich begrenzten Karenzzeit nicht zu einer dauerhaften Berücksichtigung der tatsächlichen Bedarfe führt, weil die Träger während der Karenzzeit die Zusicherung ohne Prüfung der Bedarfe erteilen müssen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022
Die Bundesregierung hat die Forderung des Bundesrates zurückgewiesen, das Kindergeld für das vierte und jedes weitere Kind zu erhöhen. In der von der Bundesregierung als Unterrichtung (20/4224) vorgelegten Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (20/3871) hatten die Länder darauf hingewiesen, dass die starken Preissteigerungen gerade Familien mit mehr als drei Kindern belasten würden, da für alle Familienmitglieder unter anderem Lebensmittel zu stark gestiegenen Preisen beschafft werden müssten. Da Familien mit mehreren Kindern überdurchschnittlich oft von Armut betroffen sein, müssten gerade Familien mit mehr als drei Kindern besonders gut vor den Folgen der Preissteigerungen geschützt werden. Daher sollte das Kindergeld auch für das vierte und jedes weitere Kind um zwölf Euro angehoben werden.
Die Bundesregierung lehnt in ihrer Gegenäußerung den Vorschlag ab, da gestaffelte Kindergeldhöhen in der praktischen Anwendung kompliziert seien und zusätzlichen Bürokratieaufwand nach sich ziehen würden. Zur Vereinfachung und mit Blick auf die geplante Leistungsbündelung im Rahmen der Kindergrundsicherung sollten die unterschiedlichen Kindergeldhöhen deshalb allmählich angeglichen werden, bis das Kindergeld für alle Kinder gleich hoch sei. Das sei auch deshalb sinnvoll, weil bei den steuerlichen Freibeträgen für Kinder keine Staffelung nach der Anzahl der Kinder erfolge. Zudem weise der Bundesrat selbst darauf hin, dass viele arme und armutsgefährdete Familien von der Erhöhung des Kindergeldes nicht profitieren würden, weil es bei den Leistungen der Grundsicherung als Einkommen berücksichtigt werde. In diesen Fällen hätte eine Anhebung auch für das vierte und jedes weitere Kind im Ergebnis keine Leistungserhöhung zur Folge.
Angesichts ihrer hohen Belastungen durch das dritte Entlastungspaket des Bundes verlangen die Länder zudem eine Erhöhung der Leistungen des Bundes wie zum Beispiel die vollständige Übernahme der Ausgaben nach dem Wohngeldgesetz durch den Bund sowie Zuweisungen des Bundes zur Gegenfinanzierung der steigenden Energie- und Sachkosten bei dem Krankenhäusern und schließlich eine Wiederaufnahme beziehungsweise Intensivierung der Bundesbeteiligung an den Kosten für die Unterbringung, Betreuung und Integration von geflüchteten Menschen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022
Über geplante Maßnahmen zur Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen berichtet die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/4160) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/3606). Unter anderem soll danach das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) in dieser Legislaturperiode auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden und eine regelmäßige Berichtspflicht an den Bundestag beinhalten. Aktuell werden dazu alle Vorarbeiten geleistet, wie es in der Antwort weiter heißt. Der Gesetzgebungsprozess sei für das Jahr 2023 vorgesehen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 611 vom 01.11.2022
Beschäftigte mit Homeoffice-Möglichkeit haben weniger Krankentage als Beschäftigte ohne diese Arbeitsmöglichkeit. Das geht aus einer Antwort (20/4120) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/3545) der Fraktion Die Linke hervor. Demnach hatten einer Statistik aus dem Jahr 2021 zufolge Beschäftigte im Homeoffice im Durchschnitt 7,9 Fehltage in den vergangenen 12 Monaten. Bei Beschäftigten ohne Homeoffice waren es 12,9 krankheitsbedingte Fehltage.
Aus der Antwort geht auch hervor, dass Arbeiten im Homeoffice vor allem ein Phänomen höherer Einkommensgruppen ist: In der höchsten Einkommensgruppe nutzten den Angaben zufolge 86,8 Prozent im Jahr 2021 Homeoffice, in der niedrigsten waren es 25,7 Prozent. Nach Altersstufen gestaffelt, zeigt sich, dass jüngere Beschäftigte (bis 39 Jahre) das Homeoffice mit einem Anteil von rund 51 Prozent deutlich häufiger nutzen als ältere Beschäftigte (55 bis 67 Jahre) mit einem Anteil von rund 41 Prozent.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 610 vom 01.11.2022
Die Anspruchslöhne von erwerbslosen Geflüchteten liegen in den ersten beiden Jahren nach der Zuwanderung über dem durchschnittlichen Niveau von anderen Migrantengruppen in Deutschland. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer sinken sie. Im Durchschnitt sind arbeitsuchende Geflüchtete bereit, für den angegebenen Monatsverdienst mehr Stunden zu arbeiten. Das zeigen Ergebnisse einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2020 lag der monatliche Anspruchsverdienst – also das minimal geforderte Gehalt zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit – von erwerbslosen Geflüchteten inflationsbereinigt bei 1.529 Euro netto. Bei anderen erwerbslosen Personen mit eigener Migrationserfahrung lag er bei 1.374 Euro netto und bei Personen ohne Migrationshintergrund bei 1.350 Euro netto.
Allerdings waren Geflüchtete bereit, für dieses Gehalt länger zu arbeiten: Die angegebene Wochenarbeitszeit lag bei Geflüchteten durchschnittlich bei knapp 37 Stunden, also 5 Stunden mehr als die angegebene Wochenarbeitszeit von anderen Personen mit eigener Migrationserfahrung und ohne Migrationshintergrund. Somit lag der Anspruchslohn von Geflüchteten bei durchschnittlich 9,70 Euro netto pro Stunde. Bei Personen ohne Migrationshintergrund lag er bei 10,10 Euro netto. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer sanken die Anspruchslöhne der Geflüchteten allerdings deutlich: Geflüchtete, die sich zwei Jahre oder kürzer in Deutschland aufhielten, erwarteten durchschnittlich mindestens 10,40 Euro netto pro Stunde. Drei Jahre nach dem Zuzug sank der Anspruchslohn auf 9,60 Euro netto.
Der Anspruchslohn stieg mit den Qualifikationen und Deutschkenntnissen der Geflüchteten sowie mit der Haushaltsgröße und dem Vorhandensein von Kindern im Haushalt. „Das könnte sowohl auf höhere Lebenshaltungskosten als auch auf höhere Transferzahlungen – etwa Hartz IV oder Asylbewerberleistungen – in Haushalten mit mehr Personen zurückzuführen sein“, so IAB-Forscher Philipp Jaschke.
Der Anspruchslohn fiel niedriger aus für Geflüchtete, die bereits Stellen über die Arbeitsagenturen und Jobcenter gesucht oder Berufserfahrungen in Deutschland erworben hatten. „Geringe Deutschkenntnisse und unvollkommene Informationen haben oft zur Folge, dass Geflüchtete bei ihrer Ankunft in Deutschland den Arbeitsmarkt nicht genau kennen. Das betrifft etwa Qualifikationsanforderungen oder Löhne und Gehälter. Diese Informationsdefizite können die Einschätzungen hinsichtlich der Erwerbschancen und der erzielbaren Löhne verzerren,“ erklärt IAB-Forscher Ehsan Vallizadeh.
Die IAB-Studie basiert auf Auswertungen der ersten fünf Wellen der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten aus den Jahren 2016 bis 2020 von knapp 7.900 seit 2013 zugezogenen Asylsuchenden im erwerbsfähigen Alter von 18 bis 64 Jahren. Die Studie ist abrufbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2022/kb2022-20.pdf
Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 08.11.2022
In der Corona-Krise sind sowohl die Zahlen der von der Bundesagentur für Arbeit monatlich ausgewiesenen dualen Ausbildungsstellen als auch die der Bewerbenden ab dem zweiten Quartal 2020 gegenüber 2019 deutlich zurückgegangen. Dabei sank die Zahl der Bewerbenden stärker als das Stellenangebot. Im zweiten Jahr der Pandemie gab es den stärksten Rückgang bei der Zahl der erfolgreichen Vermittlungen in eine Ausbildung. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.
Verglichen mit dem Trend der Zahlen der Bewerbenden und des Stellenangebots sank die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge deutlich stärker. Diese Entwicklung deutet auf zunehmende Passungsprobleme hin. „Mögliche Gründe hierfür können etwa die fehlende Übereinstimmung zwischen angebotenen Stellen und beruflichen Wünschen von Ausbildungsinteressenten oder zwischen dem regionalen Angebot und der regionalen Nachfrage sein“, erklärt IAB-Direktor Bernd Fitzenberger. „Weitere Gründe sind, dass die Qualifikationen der Bewerbenden nicht dem Anforderungsprofil der Betriebe entsprechen oder dass junge Menschen Alternativen im tertiären Bildungsbereich, beispielsweise den Besuch einer Fachhochschule, vorziehen“, ergänzt Anna Heusler, Mitautorin der Studie.
Starke Rückgänge zeigen sich vor allem in Berufen, die besonders von der Corona-Krise betroffen waren, beispielsweise in den Bereichen „Kaufmännische Dienstleistungen, Handel, Vertrieb, Tourismus” sowie „Geisteswissenschaften, Kultur, Gestaltung”. Mit dem Rückgang der bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten Bewerbenden und der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge während der Krise setzt sich ein Trend fort, der schon vor der Pandemie begann. Dagegen nahm die Zahl der bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern registrierten betrieblichen Ausbildungsstellen längerfristig zu und ging erst mit Beginn der Pandemie zurück. „Pandemiebedingt erschwerte sich nicht nur die Kontaktaufnahme zwischen Ausbildungsinteressierten und Betrieben, sondern auch zwischen potenziellen Bewerbenden und den Arbeitsagenturen. Das beeinträchtigte die Aktivierung und Vermittlung von Jugendlichen“, so Anna Houštecká, Mitautorin der Studie. „Denkbar wäre allerdings auch, dass ausbildungsinteressierte Jugendliche zunehmend auf das Onlineangebot der BA zurückgreifen und sich ohne persönliche Beratung und Registrierung in einer Arbeitsagentur über mögliche Stellen informieren“, so Leonie Wicht weiter, Mitautorin der Studie.
Die Studie beruht auf Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Diese bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten Stellen, Bewerbenden und neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge umfassen. Die IAB-Studie ist abrufbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2022/kb2022-19.pdf.
Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 25.10.2022
Betreuungsquote steigt um 1,1 Prozentpunkte gegenüber dem von coronabedingten Einschränkungen geprägten Vorjahr
In Ostdeutschland ist mehr als die Hälfte der unter Dreijährigen in Tagesbetreuung, in Westdeutschland knapp ein Drittel
Mehr Personal in Kindertageseinrichtungen, aber weniger Tagesmütter oder -väter
Die Zahl der Kinder unter drei Jahren in Kindertagesbetreuung ist zum 1. März 2022 gegenüber dem Vorjahr um rund 28 800 auf insgesamt 838 700 Kinder gestiegen. Damit waren 3,6 % mehr unter Dreijährige in Kindertagesbetreuung als am 1. März 2021. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, lag die Betreuungsquote der unter Dreijährigen bundesweit bei 35,5 % (2021: 34,4 %). Damit setzte sich der im Jahr 2021 unterbrochene Trend steigender Betreuungsquoten wieder fort. Beim Personal gab es in den Kindertageseinrichtungen einen Zuwachs um 3,2 % gegenüber dem Vorjahr, während die Zahl der Tagesmütter oder -väter um 2,7 % zurückging.
Bei der Betreuungsquote handelt es sich um den Anteil der in Kindertageseinrichtungen (zum Beispiel in Kindertagesstätten) oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege (zum Beispiel ein öffentlich geförderter Betreuungsplatz bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater) betreuten Kinder an allen Kindern dieser Altersgruppe.
Anstieg der Betreuungsquote nach leichtem Rückgang im Vorjahr
Mit dem aktuellen Anstieg der Betreuungsquote bei den unter Dreijährigen um 1,1 Prozentpunkte setzt sich der langjährige Trend nach einer Unterbrechung im Jahr 2021 wieder fort. Damals war die Betreuungsquote erstmals seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2006 leicht gesunken, und zwar um 0,6 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2020 auf 34,4 %. Dieser bislang einmalige Rückgang hing vermutlich mit der Corona-Pandemie zusammen, die zu einer geringeren Nachfrage nach Betreuungsplätzen und zur Kündigung von Verträgen aufgrund einer Betreuung zuhause geführt haben kann. Außerdem verhinderten coronabedingte Einschränkungen bei der Eingewöhnung und bei „Schnuppertagen“ möglicherweise den Abschluss neuer Betreuungsverträge.
Höhere Betreuungsquoten in Ostdeutschland
In den ostdeutschen Bundesländern (einschließlich Berlin) waren zum Stichtag 31. März 2022 durchschnittlich mehr als die Hälfte aller Kinder unter drei Jahren in einer Tagesbetreuung (53,3 %). In Westdeutschland war die Betreuungsquote mit 31,8 % nach wie vor deutlich niedriger als im Osten. Im Bundesländer-Vergleich hatten Mecklenburg-Vorpommern (58,6 %), Sachsen-Anhalt (58,3 %) und Brandenburg (56,7 %) die höchsten Betreuungsquoten. Unter den westdeutschen Bundesländern erreichte Hamburg mit 49,2 % die höchste Quote, gefolgt von Schleswig-Holstein (36,4 %). Bundesweit am niedrigsten waren die Betreuungsquoten in Baden-Württemberg (29,9 %) und Bremen (30,2 %).
1,4 % mehr Kindertageseinrichtungen, aber 2,7 % weniger Tageseltern als im Vorjahr
Am 1. März 2022 gab es bundesweit rund 59 300 Kindertageseinrichtungen. Das waren über 800 Einrichtungen oder 1,4 % mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Die Zahl der dort als pädagogisches Personal oder als Leitungs- und Verwaltungspersonal beschäftigten Personen stieg um 22 700 oder 3,2 % auf rund 730 800. Demgegenüber sank die Zahl der Tagesmütter und -väter um 1 200 oder 2,7 % auf rund 41 900.
Methodische Hinweise:
Die Daten aus den Statistiken der Kinder und tätigen Personen in Kindertageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege sowie in Großtagespflegestellen spiegeln nicht in jedem Fall das tatsächliche Betreuungsverhalten am 1. März 2022 wider. Beim Personal wurden alle Personen berücksichtigt, die am Stichtag in einem gültigen Arbeitsverhältnis tätig waren. Zudem wurden alle Kinder angegeben, die am Stichtag ein Betreuungsverhältnis hatten, unabhängig davon, ob diese am Stichtag betreut wurden oder keine Betreuung stattfand.
Auf Basis der Ergebnisse der Statistik der Kindertageseinrichtungen berechnet das Statistische Bundesamt seit 2011 auch einen Personalschlüssel zur Betreuungssituation in Tageseinrichtungen für Kinder nach Gruppenformen und Bundesländern. In den vergangenen Monaten wurde diese Berechnungsweise des Personalschlüssels weiterentwickelt. Daten auf Grundlage des neuen Personal-Kind-Schlüssels sind nunmehr veröffentlicht. Die entsprechende Online-Tabelle sowie weitere Informationen zum neuen Personal-Kind-Schlüssel sind auf der Themenseite „Kindertagesbetreuung“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes verfügbar.
Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 21.10.2022
Claudia Mandrysch (53) wird ab Januar 2023 Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt.
Das Präsidium der Arbeiterwohlfahrt hat nach einem intensiven Auswahlprozess beschlossen, Claudia Mandrysch als Vorständin des AWO Bundesverbandes einzustellen. Ab November 2022 wird Mandrysch zunächst in Teilzeit ihren Dienst beginnen und ab Januar 2023 in Vollzeit als Vorständin für den AWO Bundesverband tätig werden. Nach einer Ausbildung der Sozialen Arbeit und Weiterbildungen und Praxiserfahrungen in der Sozial- und Suchttherapie ist Mandrysch über viele Jahre als Führungskraft in der Freien Wohlfahrtspflege tätig gewesen. Sie verfügt zudem über langjährige Erfahrung in der Führungskräfte- und Organisationsberatung.
Claudia Mandrysch: „Die AWO steht seit ihrer Gründung für Werte ein, die in diesen herausfordernden Zeiten richtungsweisend sind auf dem Weg in eine solidarische, gerechte Zukunft. Ich selbst habe mich zeitlebens für soziale Gerechtigkeit und sozialen Frieden eingesetzt. Von daher ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, die AWO in ihrer Rolle als Impulsgeberin für zentrale Themen unserer Zukunft zu stärken.“
Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt: „Claudia Mandrysch ist eine sehr erfahrene Führungskraft und verfügt über ausgewiesene Kenntnisse der Praxis der Freien Wohlfahrtspflege. Sie wird den Entwicklungsprozess der gesamten AWO und insbesondere des Bundesverbandes in diesen schwierigen Zeiten klug und sicher voranbringen.“
Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt: „In Claudia Mandryschs beruflichem Weg und Engagement spiegeln sich die AWO-Grundwerte deutlich wider. Ich freue mich sehr, dass wir mit ihr eine Vorständin gewinnen konnten, die das fachpolitische Profil der AWO dank ihrer Wurzeln in der sozialarbeiterischen Praxis mit großer Expertise weiter stärken wird.“
Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes: „Mit Claudia Mandrysch gewinnen wir eine Kollegin im Bundesvorstand, die ihre Führungsqualitäten unter anderem in der Führung eines Trägers der Wohlfahrtspflege mit 1.000 Mitarbeiter*innen nachgewiesen hat. In Zeiten gesellschaftlicher Krisen und Herausforderungen wird diese Expertise den Bundesverband in die Zukunft führen, damit die AWO auch weiter als starke Stimme für soziale Anliegen vernommen wird.“
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 21.10.2022
Die Freie Wohlfahrtspflege appelliert an Bundesminister Heil, eine bessere Erreichbarkeit von Jobcentern für alle Leistungsberechtigten und angemessene Corona-Schutzvorkehrungen für den Winter sicherzustellen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise müsse gewährleistet sein, dass Hilfesuchende nicht vor verschlossenen Türen stehen oder lange auf Termine warten müssen.
Viele Jobcenter und Arbeitsagenturen haben im Zuge der coronabedingten Kontaktbeschränkungen ihre Erreichbarkeit stark eingeschränkt und sind auch heute für Hilfesuchende nur eingeschränkt erreichbar, zum Teil mit gravierenden Folgen: Problemlagen für Hilfesuchende verschärfen sich und es kommt zu verspätetem Bezug von Leistungen der Existenzsicherung, was bis zum Verlust der Wohnung führen kann. Das geht aus einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) unter fast 1.000 Mitarbeitenden aus über 600 ihrer gemeinnützigen sozialen Beratungsstellen aus dem Sommer 2022 hervor.
Knapp 8 Prozent der Befragten gaben an, dass keine persönliche Beratung im Jobcenter vor Ort möglich ist. Rund 31 Prozent sagten, dass es keine frei zugängliche Eingangszone, z.B. zur Abgabe von Unterlagen gegen eine Empfangsbestätigung gibt und rund 28 Prozent, dass das Jobcenter keine regulären Öffnungszeiten hat.
Die Bundesregierung will mit dem neuen Bürgergeld das vertrauensvolle Miteinander und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe in den Jobcentern in den Mittelpunkt rücken. Mehr Bürgerfreundlichkeit und weniger Bürokratie sollen einkehren, lautet ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag.
BAGFW-Präsident Ulrich Lilie: „All das setzt voraus, dass alle Leistungsberechtigten ihr Jobcenter unkompliziert erreichen können, das ist eben nicht der Fall. Menschen, die auf das Jobcenter angewiesen sind, müssen sich darauf verlassen können, dass sie dort kompetent und zeitnah beraten werden und ihre Ansprechpersonen erreichbar sind. Wegen der starken Inflation drohen immer mehr Menschen finanziell abzurutschen. Ihnen muss aber besonders schnell geholfen werden.“
Digitale Angebote und Telefon-Hotlines sind wichtige Zugänge, die die Erreichbarkeit in digitalen Zeiten verbessern. Sie können das persönliche Gespräch und die Beratung jedoch nicht ersetzen. „Vor allem Menschen, die ihre Anliegen nicht digital oder telefonisch vorbringen können – weil sie nicht gut Deutsch sprechen, mit den digitalen Zugängen nicht zurechtkommen oder nicht richtig lesen und schreiben können – sind auf das persönliche Gespräch vor Ort angewiesen“, so Lilie weiter.
Die sozialen Beratungsstellen benennen als Folge der eingeschränkten Erreichbarkeit am häufigsten, dass Klientinnen und Klienten Hilflosigkeit erleben (76 Prozent) und sich Probleme verschärfen, weil eine schnelle persönliche Klärung nicht möglich ist (64 Prozent). Ebenso häufig (63 Prozent) kommt es laut der Befragten aufgrund der eingeschränkten Erreichbarkeit zu keinem oder verspäteten Bezug von existenzsichernden Leistungen. Rund 60 Prozent der Befragten geben an, dass zugesandte oder eingeworfene Unterlagen nicht oder deutlich verspätet die zuständigen Bearbeitenden erreichen und wie Wahrung von Fristen erschwert ist (49 Prozent).
Insgesamt fehlen Hilfesuchenden relevante Informationen, sagen 57 Prozent. (Drohenden) Wohnungsverlust bzw. anhaltende Wohnungslosigkeit benennen 37 Prozent als Folge.
Als konkrete Vorschläge für vor Ort umsetzbare Maßnahmen, die zu einer guten Erreichbarkeit auch in Pandemiezeiten beitragen können, nannten die sozialen Beratungsstellen u.a. die Nennung von Ansprechpersonen mit Telefonnummer und E- Mail-Adresse auf Bescheiden, die Einrichtung eines Notfalltresens, an dem täglich Dokumente gegen Empfangsbestätigung abgegeben werden können, die Einrichtung einer täglichen, persönlichen Notfallsprechzeit sowie einen Scanservice für Unterlagen, die direkt in die Fallakten eingepflegt werden.
Für die sozialen Beratungsstellen selbst resultiert aus der eingeschränkten Erreichbarkeit von Jobcentern und Arbeitsagenturen ein erhöhter Zeitaufwand für die Kommunikation mit diesen Behörden (80%), ein erhöhter Zeitaufwand pro Beratung (76%), eine erhöhte Beratungsfrequenz (55%), mehr Kriseninterventionen (53%) und insgesamt mehr Klientinnen und Klienten (52%).
An der Befragung haben sich bundesweit 990 Mitarbeitende aus über 600 Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege beteiligt. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, geben aber einen guten Einblick in die Problematiken in der Praxis. Die meisten Befragten kommen aus Beratungsstellen im Bereich der Migrations- und Flüchtlingsberatung, gefolgt von der Allgemeinen Sozialberatung und der Wohnungsnotfallhilfe. Der überwiegende Teil der Beratungsstellen ist in Nordrhein- Westfalen ansässig, gefolgt von Baden-Württemberg und Bayern.
Unter dem Motto #ausLiebe startet die Diakonie Deutschland zu ihrem 175. Jubiläum 2023 ihre neue bundesweite Imagekampagne. Sie rückt die Menschen in den Mittelpunkt, für die sich die Diakonie stark macht: Einkommensarme, Alte, Kranke, Familien, Wohnungslose, Geflüchtete und viele andere, die sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt sehen. Die Slogans und bildstarken Motive spielen mit dem Hashtag #ausLiebe und richten das Augenmerk auf soziale Themen und drängende Probleme. Damit knüpft die Jubiläumskampagne an die erfolgreiche „Unerhört!“-Kampagne an – auch diese warb mit der Doppeldeutigkeit der Begriffe für eine offene Gesellschaft, gegen Ausgrenzung und für mehr soziale Teilhabe.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: „Es geht uns in unserem Jubiläumsjahr um die Gegenwart und um die Zukunft. Nah bei den Menschen und am Puls der Zeit: Aus Liebe. Mit Professionalität und auf Augenhöhe unterstützen wir sehr unterschiedliche Menschen, ein Leben nach ihren Vorstellungen zu führen. Denn das ist der Geist der Diakonie. Dieser Spirit, der uns mit unseren Gründervätern und -müttern verbindet, entzündet sich an der Frage, die sich jede neue Generation der Diakonie stellt: Wie können wir heute unseren Beitrag für eine menschenfreundliche Gesellschaft leisten, die allen gerechte Teilhabe ermöglicht und Wertschätzung lebt?“
Die Jubiläumskampagne wurde von der Berliner Agentur glow entwickelt und als Mitmach-Kampagne für diakonische Verbände und Einrichtungen gestaltet. Neben Plakatwerbung und Veranstaltungen wird die Kampagne intensiv durch Social-Media-Aktivitäten begleitet.
Sebastian Wilke, Geschäftsführer Beratung, glow Berlin: „Wir freuen uns, dass sich die Diakonie für uns entschieden hat. Wir haben gemeinsam planvoll über ein Jahr lang darauf hingearbeitet. Die Kampagne ruht auf drei Säulen: Präsentieren, Mitmachen, Teilen. Zum Beispiel mit Großplakaten an Bahnhöfen und an viel besuchten Plätzen im öffentlichen Raum. Hier regen die Motive zum Nachdenken an – und zum Mitmachen.“
Die Kampagne #ausLiebe
„Manchmal heißt Liebe …“, so beginnen die Slogans auf den Plakat- und Social-Media-Motiven. Der Rest des Satzes variiert und erzählt vom Arbeitsalltag der Diakonie-Mitarbeitenden. „… Einen Antrag zu machen“ dient als Beispiel für die vielfältigen sozialen Beratungsangebote. „… Jemandem den Kopf zu waschen“ steht über dem Bild des Obdachlosen Manuel, der von Alexandru die Haare gewaschen und geschnitten bekommt. „… Ein Start-up zu gründen“ heißt es bei einem alten Stich von Johann Hinrich Wichern, der 1848 mit einer Brandrede die Gründung der modernen Diakonie initiierte. Aus dem „Start-up“ von 1848 hat sich heute eine der größten Arbeitgeberinnen in Deutschland mit 600.000 Mitarbeitenden und 700.000 freiwillig Engagierten entwickelt, die sich täglich und nächtlich für Menschen in Not einsetzen. „#ausLiebe hat Johann Hinrich Wichern die Diakonie gegründet und #ausLiebe hat sie auch in Zukunft ihren Platz in der Gesellschaft“, unterstreicht Lilie.
Der Kampagnenfilm führt emotional in die Welt der diakonischen Arbeit. Den Soundtrack hat der französische Elektro-Pop-Act French 79 beigesteuert.
Die Diakonie präsentiert die Kampagne mit Aktionen auf einem großen Stand auf dem Evangelischen Kirchentag vom 7. bis 11. Juni in Nürnberg. Am 22. September 2023 findet die Jubiläumsfeier im Museum für Kommunikation in Berlin statt.
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 07.11.2022
Bund und Länder haben sich auf ein umfassendes Entlastungspaket geeinigt. Die Diakonie begrüßt, dass mit den Beschlüssen über das 200 Milliarden-Euro-Entlastungspaket der Weg freigegeben ist, um die Bürgerinnen und Bürger von den enormen Preissteigerungen zu entlasten. Allerdings sind die Maßnahmen immer noch nicht zielgenau genug. “Die Regierungschefs müssen ihren Kompass deutlich stärker auf diejenigen ausrichten, die am stärksten unter der Inflation leiden und in ihrer Existenz bedroht sind: Einkommensarme und Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Das Prinzip Gießkanne, nachdem jeder ein Stück vom Kuchen bekommt, befördert eine wachsende Unzufriedenheit in der Gesellschaft. Es schadet der Demokratie, wenn die Ärmsten – und das sind rund 15 Millionen Menschen in Deutschland – die geringste Entlastung erfahren“, sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie.
Bewertung der Maßnahmen aus Sicht der Diakonie:
Die Gas- und Strompreisbremse ist ein sinnvolles Instrument, um Wirtschaft und Gesellschaft Planungssicherheit für diesen Winter zu geben. Die geplanten Abschlagszahlungen für Gas und Fernwärme sind jedoch ein Schritt zurück: Hiervon profitieren alle – von der Millionärin bis zum Hartz-4-Empfänger. Angesichts der für viele Menschen bedrohlichen finanziellen Lage ist das nicht nachvollziehbar. Stattdessen sind zielgenaue Hilfezahlungen nötig, die die Einkommensärmsten schnell und unbürokratisch erreichen. Diese müssten sofort greifen und dürfen nicht erst mit dem Inkrafttreten des Bürgergeldes und dann auch nur für Sozialleistungsbeziehende greifen. Statt komplizierter Antragsprüfungen sind unmittelbare und einfache Direktzahlungen nötig.
Die Entscheidung für ein bundesweites Nahverkehrsticket für 49 Euro ist gut. Leider wurde die Chance vertan, gleichzeitig ein 29-Euro-Sozialticket auf den Weg zu bringen, damit Mobilität und Teilhabe für alle möglich ist. Die Kosten des neuen Tickets liegen über dem Ansatz, der in der Grundsicherung für Mobilität vorgesehen ist.
Mit dem Hilfsfonds für die Sozialwirtschaft schützen Bund und Länder nun endlich auch die Sozialwirtschaft. Dieser Hilfsfonds beschränkt sich jedoch auf Einrichtungen, die auf Bundesebene von Sozialversicherungsträgern refinanziert werden. Daher ist ergänzend eine Unterstützung für soziale Einrichtungen und Dienste dringend erforderlich, die aus Mitteln der Länder und Kommunen refinanziert werden. Der Hilfsfonds lässt derzeit Einrichtungen der Eingliederungshilfe, der Jugendhilfe, Tageseinrichtungen für Kinder, die Wohnungslosenhilfe, Frauenhäuser, Familienerholungsstätten, Schuldnerberatung und Migrationsberatungsstellen außen vor.
Mit der Wohngeldreform soll der Kreis der Antragsberechtigten deutlich ausgeweitet werden. Die Sozialberatungsstellen berichten aber, dass schon jetzt die Ämter mit der Antragsbearbeitung kaum nachkommen. Dies gilt auch bei Neuanträgen auf die Grundsicherung, wenn Haushalte jetzt aufgrund der Preissteigerungen in die Antragsberechtigung rutschen. Darum setzt sich die Diakonie beim Wohngeld wie auch in der Grundsicherung für Vorschuss- und Vorauszahlung ein, wenn die Bedürftigkeit plausibel ist, und pauschale monatliche Ausgleichszahlungen in Höhe von 100 Euro für Haushalte mit Niedrigeinkommen für die nächsten Monate – ab sofort. Bisher erfolgen Vorauszahlungen nur, wenn Menschen Zahlungsunfähigkeit nachweisen können. Die Ärmsten können aber nicht warten, bis Sozialleistungsreformen im Vermittlungsausschuss besprochen, umgesetzt und dann noch die Neuanträge abgearbeitet wurden.
Hintergrund
Seit Monaten weist die Diakonie darauf hin, dass Menschen in der Grundsicherung oder im Wohngeldbezug, Einkommensarme, Kinder und Jugendliche, Rentnerinnen und Rentner angesichts steigender Energiepreise sofort mehr finanzielle Unterstützung benötigen. Unser Vorschlag: Diesen Menschen soll jeden Monat 100 Euro mehr über eine vom Bundestag zu verabschiedende Notlagenregelung unkompliziert, schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden. Wenn der Bundestag eine soziale Krise von nationaler Tragweite feststellt, soll dies zunächst für sechs Monate gelten. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würden hierdurch die nach Einkommen unteren 20 Prozent der Haushalte wirksam entlastet werden und einen ausreichenden Ausgleich für die zunehmenden Belastungen durch Inflation und Energiepreissteigerungen erhalten. Diese Haushalte geben nahezu zwei Drittel ihres Einkommens für Wohnen und Essen aus und sind von den Preissteigerungen am Stärksten betroffen. Das Bürgergeld muss jetzt kommen, allerdings reichen 50 Euro für Menschen in der Grundsicherung ab Januar nicht, um durch die Wintermonate zu kommen. Das Geld wird jetzt benötigt. Das gilt auch für das Kindergeld. 18 Euro Erhöhung ab Januar gleichen weniger als die Hälfte der gestiegenen Belastungen aus.
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 03.11.2022
In vielen deutschen Städten startet in diesen Tagen die Kältehilfe. Die Diakonie appelliert an alle Verantwortlichen in Städten und Gemeinden, für eine ausreichende Zahl an Übernachtungs- und Aufenthaltsplätze für wohnungslose Menschen zu sorgen. Die Einrichtungen der Kältehilfe brauchen ausreichend finanzielle Hilfen, um bei steigenden Lebensmittel- und Energiekosten genügend Plätze vorhalten zu können.
Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
„Dieser Winter wird für Menschen, die auf der Straße leben, eine besondere Herausforderung. Die steigenden Lebensmittelpreise belasten wohnungslose Menschen enorm, und sie können sich von ihrem wenigen Geld kaum noch etwas kaufen. Auch Corona bleibt für sie ein großes Risiko, weil sie häufig gesundheitlich vorbelastet sind. Minustemperaturen sind für wohnungslose Menschen eine Gefahr für Leib und Leben. Umso wichtiger ist es, dass Städte und Gemeinden alles dafür tun, ausreichend viele und infektionssichere Übernachtungs- und Aufenthaltsplätze zur Verfügung zu stellen.
Um das Angebot in den Notunterkünften und in den Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe aufrechterhalten zu können, brauchen die Träger der Kältehilfe ausreichend Geld. Die immensen Kostensteigerungen können mit den bisherigen Mitteln nicht finanziert werden. Deshalb benötigen wir von den Kommunen dringend verbindliche Zusagen über die Finanzierung der tatsächlichen Unterhaltskosten. Anders können die Menschen nicht vor dem Erfrieren geschützt werden.“
Hintergrund:
Nach einer bundesweiten repräsentativen empirischen Erhebung, die die Gesellschaft für innovative Sozialplanung und Sozialforschung e. V. und Kantar Public im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellt haben, leben in Deutschland etwa 37.400 Menschen ohne jede Unterkunft auf der Straße. Insbesondere im Winter sind sie den Witterungsbedingungen schutzlos ausgesetzt. Unter dem Namen Kältehilfe stellt unter anderem die Diakonie von November bis April deutschlandweit zusätzliche Übernachtungs- und Aufenthaltsplätze für wohnungslose Menschen zur Verfügung.
Aktion #wärmewinter
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie Deutschland rufen angesichts der hohen Belastung vieler Menschen durch die gestiegenen Energiepreise die Aktion #wärmewinter ins Leben. Diakonie und Kirche öffnen in diesem Herbst und Winter ihre Türen und schaffen in ganz Deutschland wärmende Orte, wo Betroffene Hilfe erhalten, sich aber auch über ihre Rechte informieren können. Mit der gemeinsamen Kampagne setzen Diakonie und Kirche ein Zeichen gegen soziale Kälte und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Weitere Infos: www.waermewinter.de
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 30.10.2022
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt in einer Stellungnahme das vom Bundesfamilienministerium und Bundesinnenministerium geplante Demokratiefördergesetz. Positiv stellt der djb heraus, dass das Gesetzesvorhaben ausdrücklich Ideologien gegen Geschlechtergerechtigkeit sowie Sexismus als Bedrohungen für das friedliche Zusammenleben beschreibt und die politische Bedeutung ihrer Bekämpfung hervorhebt.
Bezogen auf gleichstellungs- und frauenpolitische Aspekte von Demokratieförderung benennt der djb notwendige Anpassungen im Entwurf. So stellt der djb fest, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes allgemein von der „Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt“ und der Prävention u.a. „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ spricht. Frauenpolitischen Belangen und Aspekten von Geschlechtervielfalt wird jedoch durch ausdrückliche Benennung (zumindest in der Gesetzesbegründung) nach den Erfahrungen in der Rechtsanwendung weitaus besser Rechnung getragen.
Demokratiegefährdungen wirken sich in besonderem Maße zu Lasten von Frauen und ihrer demokratischen Teilhabe aus. Neben Sexismus als offensichtliche Demokratiegefährdung zu Lasten von Frauen betrifft dies auch rechtsradikale Einstellungen und Aktivitäten von bzw. für Frauen, die sich z.B. in Ideen wie dem „nationalen Feminismus“ manifestieren. Dazu erklärt die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig: „Es besteht eine Verbindung von Sexismus, Antifeminismus und Rechtsextremismus, die es im Blick zu haben gilt, über die in demokratiefördernden Projekten aufgeklärt und der argumentativ entgegengewirkt werden muss.
Zudem sind die Öffentlichkeit und insbesondere das Internet mit seiner Anonymität kein sicherer Raum für Frauen und ihre außerparlamentarische demokratische Teilhabe. Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen oder sich öffentlich äußern, sind in besonderem Maße Diffamierungen und Beleidigungen ausgesetzt. Diesen Demokratiegefährdungen entgegenzuwirken ist eine wesentliche Aufgabe des Staates, die in der Zivilgesellschaft ihre Ergänzung findet.
Begrüßenswert ist, dass der Staat sowohl eigene Maßnahmen durchführt als auch Maßnahmen Dritter und damit der Zivilgesellschaft fördert. Da die Förderung unter dem Vorbehalt eines erheblichen Bundesinteresses steht, kommt es wesentlich auf die Begriffsdefinition an. Insoweit besteht Anpassungsbedarf. Der djb schlägt daher in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf eine Neudefinition des Begriffs des „Bundesinteresses“ vor. Nur so ist sicherzustellen, dass Maßnahmen, die der Bekämpfung von geschlechtsbezogener Diskriminierung und der Förderung von Geschlechtergerechtigkeit dienen, auch als demokratiefördernde Maßnahmen förderfähig sind.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 01.11.2022
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat eine ausführliche Stellungnahme zur Digitalstrategie der Bundesregierung vom 30. August 2022 veröffentlicht. Die Digitalstrategie weist aus gleichstellungspolitischer Sicht erhebliche Leerstellen auf. Der djb begrüßt, dass sie Geschlechtergerechtigkeit und Diskriminierungsfreiheit als Ziele klar formuliert. Jedoch enthält sie gleichstellungspolitisch wenig Konkretes und kommt deswegen kaum über gut gemeinte Absichtserklärungen hinaus.
„Hier wurde die Chance vertan, sich am Dritten Gleichstellungsbericht zu orientieren, der die Problemfelder der digitalisierten Gesellschaft bereits hervorragend analysiert hat“, so die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig, „die dort erarbeiteten konkreten politischen Handlungsempfehlungen werden nicht aufgegriffen.“ Die Digitalstrategie ist voller Lippenbekenntnisse, nennt jedoch kein einziges konkretes Frauen- oder Mädchenförderprojekt. Dies ist äußerst bedauerlich, da der Staat mit digitalen Leuchtturmprojekten eine vorbildhafte Vorreiterrolle einnehmen sollte.
Die Digitalstrategie nennt unter anderem das Ziel, die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsmarkt zu stärken und will die Erwerbsbeteiligung der Frauen in von Männern dominierten Berufen erleichtern. Leider setzt sich hier das Prinzip „fix the women“ statt „fix the company“ fort. Die Digitalstrategie verpasst, Frauen als Inputgeberinnen mit eigenem Know-how aus ihren Berufen und ihrer sozialen Erfahrung heraus zu sehen, übersieht so entscheidende Innovationspotenziale und vergibt die Chance, den digitalen Wandel für eine geschlechtergerechtere diskriminierungsfreie Gesellschaft zu nutzen.
In der Strategie wird Digitalisierung als Querschnittsmaterie unter dem übergeordneten Leitmotiv der technologischen und digitalen Souveränität Deutschlands verstanden. Das schließt aus, dass ein eigenständiges Digitalministerium eingerichtet wird. Der djb empfiehlt, zumindest in der neuen Bundesstiftung Gleichstellung ein Digitalressort einzurichten, welches in Digitalprojekte verpflichtend einzubinden wäre. Auch im gerade neu konstituierten Dateninstitut für Deutschland sollten gleichstellungspolitische Kompetenzen aufgebaut werden.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 31.10.2022
Wissenschaftler:innen des DJI stellen bei der Jahrestagung am 8. und 9. November 2022 aktuelle Forschungsergebnisse und -projekte vor
Die Covid-19-Pandemie hat die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mitunter stark beeinträchtigt und soziale Ungleichheiten verschärft. Dies zeigt sich unter anderem an wichtigen Weichenstellungen in Bildungsverläufen, wie zum Beispiel am Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule und von der Schule in die Ausbildung. Die wissenschaftliche Jahrestagung 2022 des Deutschen Jugendinstituts (DJI) am 8. und 9. November 2022 in Berlin befasst sich mit Risiken für junge Menschen in verschiedenen Lebensphasen und mit wirksamer Prävention von sich verstetigender Benachteiligung – von der Familie über die Kita und die offene Jugendarbeit bis zum Internet.
„Viele junge Menschen und ihre Eltern haben in den letzten Jahren stark unter den Einschränkungen der Pandemie gelitten. Deshalb gilt es nun, das Thema psychische Gesundheit in allen Bildungsangeboten aufzugreifen – in den Kitas, in den Schulen und auch in der Kinder- und Jugendhilfe“, sagt DJI-Direktorin Prof. Dr. Sabine Walper. „In der Forschung untersuchen wir, ob sie die Alltags-, Gesundheits- und digitalen Kompetenzen haben, die sie für ein gesundes Aufwachsen benötigen und entwickeln Ansätze, diese zu stärken.“
Sabine Walper hält den Eröffnungsvortrag der wissenschaftlichen Jahrestagung des DJI und tauscht sich mit Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in einem Podiumsgespräch darüber aus, wie Forschung für politische Entscheidungen nutzbar gemacht werden kann. Die im Folgenden ausgewählten Forschungsergebnisse, die neben vielen weiteren auf der DJI-Jahrestagung präsentiert werden, geben wichtige Impulse für Politik und Praxis.
Verhaltensprobleme bei Kindern und Jugendlichen nehmen erneut zu
Inwiefern das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen während der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt wurde und immer noch beeinträchtigt wird, zeigen Daten aus der DJI-Studie „Kind sein in Zeiten von Corona“ und neue Auswertungen des DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland: AIltagswelten“, kurz AID:A. Bei den 3- bis 17-Jährigen nahmen im Jahr 2020 und erneut im Herbst 2021, also lange nach den strikten Lockdowns, Verhaltensprobleme zu. Mehr emotionale Reaktionen wie Weinen, Rückzug, Kopf- und Bauchmerzen, Probleme mit Gleichaltrigen, Hyperaktivität und Konzentrationsschwierigkeiten stellten die befragten Eltern bei ihren Kindern im Vergleich zur Befragung vor Corona im Jahr 2019 fest. Dies betraf diejenigen jungen Menschen am stärksten, die bereits zuvor benachteiligt waren, weil ihre Eltern finanziell belastet sind, über einen geringeren Bildungsabschluss verfügen oder einen Migrationshintergrund haben und deshalb mit der deutschen Sprache und dem Bildungssystem hierzulande weniger vertraut sind.
„Da für die Bewältigung emotionaler Probleme insbesondere bei jüngeren Kindern die Eltern eine wichtige Rolle spielen, kommt die Benachteiligung hier doppelt zum Tragen“, sagt Studienleiterin Dr. Alexandra Langmeyer. Deshalb plädiert die Leiterin der DJI-Fachgruppe „Lebenslagen und Lebenswelten von Kindern“ für eine gezielte Entlastung von benachteiligten Familien und den Ausbau der Familienhilfe.
Trotz Anstrengungen werden Familien in prekären Lebenslagen an Grundschulen oft nicht erreicht
Wie schwierig es zuweilen ist, benachteiligte Familien zu erreichen, zeigt die soeben veröffentlichte DJI-Studie „Zusammenhänge zwischen prekären Lebenslagen und Bildungsverläufen“ zum Übergang von Grundschulkindern auf weiterführende Schulen. Im Rahmen der Studie wurden Schulleitungen, Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter:innen an vier Münchner Grundschulen unter anderem zur Gestaltung des Übertritts und zur Zusammenarbeit mit finanziell belasteten Familien befragt. Eltern und Kinder gaben Auskunft zu ihren Bildungszielen, ihrer Lebenslage sowie zur Kenntnis und Nutzung von unterstützenden Angeboten.
Die Forschungsergebnisse machen deutlich, dass sich Kinder aus benachteiligten Familien zwar häufig einen Übertritt in die Realschule oder das Gymnasium wünschen und ihre Eltern versuchen, sie dabei zu unterstützen. Jedoch behindern sie dabei unter anderem mangelnde Sprachkenntnisse, fehlendes Wissen über die für den Übertritt zu erbringenden Leistungen und ein eingeschränkter Zugang zu oft kostenintensiven Übungsmaterialien und Nachhilfe. Die Anstrengungen seitens der Schulen scheinen diese Kinder nicht ausreichend zu erreichen.
Die Interviews mit den Befragten geben Aufschlüsse über mögliche Hürden beim Zugang zu Unterstützungsangeboten. So beklagten die Schulakteure, die Eltern nicht zu erreichen. Diese fühlten sich wiederum mit den schulischen Anforderungen überfordert. Den Studienergebnissen zufolge wurde Armut und Ressourcenknappheit der Familien häufig nicht wahrgenommen oder die Familien gingen aus Angst vor Stigmatisierung nicht offen damit um. Zudem fehlten aus Sicht der Lehrkräfte und der Eltern unterrichtsbezogene und lernunterstützende Angebote wie Nachhilfe, Förder- und Sprachkurse.
„Letztlich kann nur sichergestellt werden, dass die Angebote zur Förderung der Kinder genutzt werden, wenn sie für möglichst alle Kinder verfügbar sind“, konstatieren die Studienleiterinnen Dr. Claudia Zerle-Elsäßer und Dr. Christine Steiner. Sie empfehlen daher beispielsweise Standardangebote zur Förderung an Schulen zu etablieren, außerunterrichtliche Angebote stärker mit dem Fachunterricht zu verbinden sowie eine intensivere Vernetzung der Schulen mit Jugendsozialarbeit, Horten, Vereinen, anderen Schulen und auch Migrant:innen-Selbstorganisationen im jeweiligen Sozialraum.
Berufswahlprozesse wurden in Pandemiezeiten verzögert
Eine wichtige Weiche in der Bildungsbiografie junger Menschen ist auch der Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf. DJI-Forschende untersuchten, wie sich Übergangswege bei Jugendlichen an Haupt- und Realschulen durch die Pandemie verändert haben, indem sie die Befragungsdaten zweier Kohorten aus Studien des Forschungsschwerpunkts „Übergänge im Jugendalter“ am DJI miteinander verglichen. Die Ergebnisse des Kohortenvergleichs zeigen, dass Berufswahlprozesse in Pandemiezeiten verzögert wurden: Während die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen abnahm, stieg der Anteil an Jugendlichen, der eine weiterführende Schule besuchte. Gleichzeitig trafen die jungen Menschen die Übergangsentscheidung weniger selbstbestimmt: Der Anteil derjenigen, die diese Wahl als „Notlösung“ bezeichneten, war in der Corona-Kohorte doppelt so hoch. Von Autonomie und Kontinuität im Berufswahlprozess sprachen hingegen diejenigen, die einen konkreten Berufswunsch und Wissen über Berufe hatten. „Folglich sind bei der individuellen Bewältigung der Krise gerade persönliche Ressourcen entscheidend“, erklärt DJI-Wissenschaftler Dr. Frank Tillmann, der zusammen mit Irene Hofmann-Lun und Dr. Karen Hemming die Analysen vornahm.
Die Studie zeigt auch, dass die Schulleistungen bei vielen Jugendlichen nachgelassen haben und sich mehr als jeder dritte junge Mensch an Haupt- und Realschulen an der Schwelle ins Berufsleben Sorgen über seine Zukunft macht. Während der Corona-Pandemie betraf dies überproportional Mädchen sowie Jugendliche mit Migrationshintergrund, die beim Online-Unterricht verstärkt auf Sprachbarrieren stießen. „Während der Pandemie kam es zu einer Verstärkung der Bildungsbenachteiligung“, sagt Dr. Frank Tillmann. Es zeige sich der große Einfluss von persönlichen Ressourcen wie eine gefestigte berufliche Perspektive und Wissen über Ausbildungsberufe. „Diese Kompetenzen müssen künftig bei den Jugendlichen gezielter gefördert werden“, empfiehlt Tillmann.
Das Deutsche Kinderhilfswerk, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, der Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und der Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland fordern in einer gemeinsamen Stellungnahme eine stärkere Einbettung der Themen „Psychische Gesundheit“ und „Resilienzförderung“ in die Gesundheitsprävention im Bildungssystem. Im Zentrum sollte dabei die Vermittlung eines „gesunden Lebens“ stehen, für das Ernährung und Bewegung ebenso wichtig sind wie Psychohygiene und der Umgang mit Belastungen. Die Verbände stellen gleichzeitig fest, dass es Kindern, Jugendlichen und auch Fachkräften gerade im Nachgang von Schulschließungen und Distanzunterricht im Zuge der Corona-Pandemie helfen würde, wenn im schulischen System der Leistungsdruck minimiert sowie Zeit und Raum für den gemeinsamen Austausch ermöglicht werden.
Durch die Covid-19-Pandemie wurde besonders deutlich, dass die Versorgung mit Jugendpsychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern nicht in allen Regionen Deutschlands im Verhältnis zum Beratungs- und Behandlungsbedarf junger Menschen steht. Dem könnte durch eine kleinräumlichere Betrachtung der Versorgungsgebiete und damit einhergehender zusätzlicher Praxen begegnet werden. Die Verbände mahnen zudem an, dass sich das vorschulische ebenso wie das schulische Bildungssystem effektiver als bisher auf eine weitere Corona-Welle im Herbst vorbereitet. Dazu müssen die Einrichtungen bzw. ihre Träger mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet werden. Mit diesen sollten vor allem zusätzliche Personalressourcen geschaffen, aber auch zusätzliche Räumlichkeiten angemietet und Luftfiltergeräte sowie notwendige Hygienematerialien beschafft werden.
„Während der ersten Phasen der Covid-19-Pandemie waren junge Menschen von den damit einhergehenden Belastungen in besonderer Weise betroffen. Insbesondere der Wegfall gegebener Strukturen durch die Schließungen von Kindertagesstätten und Schulen, aber auch die Beschränkungen von Kontakten haben bei einer Vielzahl der Kinder und Jugendlichen zu Sorgen, Ängsten und Stress geführt. Bei nicht wenigen kam es auch zu Zwangs-, Ess- und Anpassungsstörungen sowie Depressionen – und bei manchen auch zu einer erhöhten Suizidalität. Auch die Wiederöffnung der Einrichtungen und die Rückkehr in den Schulalltag haben manche Kinder als schwierig empfunden, da sich in der Phase des Homeschooling Lernlücken aufgebaut haben, die bei den Betroffenen nun zu hohem Leistungsdruck sowie Versagensängsten beitragen. Zudem führt die zwischenzeitliche soziale Abstinenz bei einem Teil der Kinder zu Herausforderungen, sich nun wieder in Gruppen und Gemeinschaften zurechtfinden zu müssen. Deshalb ist es dringend erforderlich, zum einen durch eine bessere Versorgung mit Kinder- und Jugendpsychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern diesen Kindern schnell zu helfen. Zum anderen ist es aber auch wichtig, Kitas und Schulen für die nächsten Corona-Wellen sicher zu machen, damit diese als Lern- und Lebensorte von Kindern offenbleiben können. Und es muss klar sein, dass es zukünftig keine Beschränkungen mehr bei den sozialen Kontakten von Kindern und Jugendlichen geben darf“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Die schon vor der Pandemie bestehende schwierige Versorgungslage im Bereich der Kinder- und Jugendpsychotherapie wurde durch die getroffenen Maßnahmen weiter erschwert. Dadurch haben sich Wartezeiten weiter verlängert. Das ist so nicht hinnehmbar und stellt für alle Beteiligten und Betroffenen eine hohe Belastung dar. Politik und Kassenärztliche Vereinigungen sind gefordert, hier schnell und unbürokratisch Abhilfe zu schaffen und die Versorgungslage zu verbessern“, sagt Dr. Inés Brock-Harder, Vorsitzende des Bundesverbandes für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.
„Inzwischen haben weitere krisenhafte Entwicklungen die schwierige Situation leider eher verstetigt. Krieg in Europa und die zunehmende Deutlichkeit des Klimawandels verunsichern die gesamte Gesellschaft weiterhin. Gerade für Kinder und Jugendliche in der Entwicklung haben solche Erfahrungen eine oft lebenslange Bedeutung. Wir können dies kaum zu viel im Blick haben, es geht schlicht um unsere Zukunft, um unsere Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen“, sagt Dr. Annegret Brauer, stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland.
Die gemeinsame Stellungnahme von Deutschem Kinderhilfswerk, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, dem Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland und dem Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie steht unter www.dkhw.de/kinder-psychisch-stark-machen zum Download bereit.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 25.10.2022
Millionen Fahrgäste werden ab Anfang 2023 von einem bundesweiten 49-Euro-Monatsticket (dem neuen „Deutschlandticket“) profitieren. Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD e.V.) begrüßt das Angebot für Erwachsene und Vielfahrer; fordert jedoch eine dringende Nachbesserung für Kinder und Jugendliche.
„Mit einem Preis von 49 Euro ist das neue Ticket deutschlandweit gültig und vereinfacht komplizierte Tarifmodelle zwischen Verkehrsverbunden“, so Vorsitzende Dr. Elisabeth Müller. Allerdings wurde eine große Chance vertan. „Wir vermissen ein sachgerechtes Angebot, das schulpflichtige Kinder und Jugendliche in den Blick nimmt. Für sie bleiben die Tarife im ÖPNV unverändert hoch“, kommentiert Müller. Ausgaben für ÖPNV belasten die Geldbeutel von Mehrkindfamilien monatlich überproportional. Eine Familie mit zwei Erwachsenen und drei Kindern bzw. Jugendlichen zahlt mit dem „Deutschlandticket“ 245 Euro pro Monat.
Ein vergünstigtes Ticket für Kinder und Jugendliche im ÖPNV für 29 Euro wäre eine wirksame Maßnahme. Dies würde merklich das Familienbudget entlasten. Ein solches Rabattprogramm erlaubt Kindern und Jugendlichen eine eigenständige und selbstbestimmte Mobilität, entkoppelt sie vom „Eltern-Taxi“ und ist nachhaltiger und zukunftsorientierter. „Unsere nächste Generation wird so für ökologisch nachhaltige Mobilitätswege bereits im jungen Alter sensibilisiert, Kraftstoffe gespart und das Zeitbudget der Eltern wird aufgrund wegfallender Fahrtwege, die sich bei drei und mehr Kindern summieren, entlastet“, zählt Müller weiter auf.
Quelle: Pressemitteilung Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD) vom 04.11.2022
Prof. Dr. Trabert, Sprecher der AG Gesundheit der nationalen Armutskonferenz, fordert anlässlich der heutigen Tagung der Gesundheitsministerkonferenz eine vollständige Kostenbefreiung bei der Gesundheitsversorgung und Prävention für von Armut betroffene Menschen: „Es muss eine vollständige Kostenbefreiung bei der Gesundheitsversorgung und Prävention für einkommensarme Menschen geben: Untersuchungen und Behandlungen in Praxen oder Kliniken müssen für sie grundsätzlich kostenfrei möglich sein. Das schließt auch die Kosten für die Fahrt dorthin mit ein. Gehhilfen, Sehhilfen, Medikamente und anderes medizinisches Hilfsmaterial muss ebenso übernommen werden. Denn wer sich diese Dinge nicht leisten kann, bleibt krank und benachteiligt.“
Angesichts der drastisch steigenden Lebenshaltungskosten und der ohnehin schon erhöhten Erkrankungsgefahr vor allem für Armutsbetroffene seit Pandemiebeginn muss die Bundesregierung schnellstens konkrete Maßnahmen ergreifen, um gesundheitliche Risiken einzudämmen.
„Der Zugang zu und die Qualität von Gesundheitsversorgung spielt eine existenzielle Rolle in unserem Sozialsystem. Dieses muss dringend menschenorientierter werden. Es ist ein Baustein in der Praktizierung von sozialer Gerechtigkeit – die wiederum wichtig ist, um den sozialen Frieden im gesellschaftlichen Miteinander zu gewährleisten“, verdeutlicht der ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat Prof. Dr. Gerhard Trabert. „Gesundheit ist ein Menschenrecht. Förderung und Erhalt der Gesundheit und Gesundung dürfen nicht an den finanziellen Mitteln Einzelner scheitern.“
So sei es in §12 des UN-Sozialpakts festgehalten. Doch selbst in unserem reichen Land sehe es für einkommensarme Menschen in der Realität leider ganz anders aus. Allzu oft seien die Gesundheitskosten nicht adäquat abgedeckt, was zu einer Unterversorgung mit kritischen Auswirkungen, wie zum Beispiel chronischen Krankheiten, führt. „Kurz gesagt: Armut macht krank und Krankheit macht arm. Das darf so nicht bleiben!“, erklärt Trabert.
Nach Darstellung des bekannten Mainzer Sozialmediziners sind Krankheitsrisiken in unserer Gesellschaft sehr ungleich verteilt: Sie beträfen Menschen, die in beengten Verhältnissen leben müssen, etwa als Großfamilie in einer kleinen Wohnung oder als Geflüchtete in einer Gemeinschaftsunterkunft, Menschen, die in Berufen mit höherer Infektions- oder Verletzungsgefahr arbeiten, Menschen ohne Obdach mit erschwertem Zugang zu sanitären Anlagen, besonders stark. „Diese Lebensumstände für eine erhöhte Gesundheitsgefährdung treffen fast ausschließlich auf Menschen zu, die armutsbetroffen und auch dadurch schon einem höheren Risiko für physische und psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, etc. ausgesetzt sind“, erläutert Trabert.
Dazu komme, dass Präventions- und Gesundheitsinformationen häufig nicht für alle zielgruppengerecht aufbereitet werden. „Wenn es um die Sicherheit von Leib und Leben geht, müssen die Informationen doch für alle gut verständlich sein. Da muss die Bundesregierung sicherstellen, dass auch Menschen mit Lese- oder Verständnisschwäche oder mit Sprachbarrieren niedrigschwellig erreicht werden und alles begreifen können“, betont Manfred Klasen, Mitglied der AG Gesundheit der nak und Geschäftsführer der Saarländischen Armutskonferenz.
Armutsbetroffene Menschen bzw. ihre Vertretungen seien oft von Entscheidungsstrukturen ausgeschlossen. Hier fordert die nak: Auch sie müssen beteiligt werden, wenn es um die Ausgestaltung von Angeboten, Richtlinien und Gesetzen im deutschen Gesundheitsversorgungssystem geht.
Manfred Klasen: „Betroffene sind Expert*innen, deren Stimmen bei der Entwicklung, Umsetzung und Auswertung von Maßnahmen zur Gesundheitsversorgung und Prävention nicht fehlen dürfen!“
Hintergrundinformationen:
– Durchschnittlich geben Bürger:innen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 104 € privat für ihre Gesundheit aus.
Die Höhe der Gesundheitsausgaben hängt stark von den Einkommensverhältnissen der Haushalte ab.
2019 gaben Haushalte mit einem Einkommen unter 1300 Euro durchschnittlich 21 Euro pro Monat für Gesundheitsdienstleistungen und -produkte aus.
Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2600 Euro bis unter 3600 Euro investierten bereits mehr als dreimal so viel in Gesundheitsausgaben (pro Monat 78 Euro).
– Für sogenannte medizinische Verbrauchsgüter (Pflaster, Fieberthermometer, Schutzmasken,…) geben Haushalte im Durchschnitt 27 Euro pro Monat aus.
Die Ausgaben lagen in einkommensschwächeren Haushalten bei durchschnittlich 9 Euro bis 13 Euro pro Monat. In Haushalten mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von 2600 bis unter 3600 Euro betrugen die Ausgaben schon 23 Euro. Bei einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von 5000 Euro und mehr waren es dann durchschnittlich 50 Euro im Monat
– Der Hartz IV-Regelsatz sieht 17,37 € pro Monat für Gesundheit vor.
– Für Sozialleistungsbeziehende werden Präventions- und Gesundheitskosten wie z. B. Sehhilfen, Verhütung, Physiotherapie, Zahnersatz, apothekenpflichtige Medikamente i.d.R. nicht übernommen.
– Fahrten zu Praxen/Kliniken werden nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und nur nach vorheriger Genehmigung von der Krankenkasse übernommen.
– Das Robert-Koch-Institut kommt nach der Datenanalyse des sozioökonomischen Panels der Jahre 1992-2016 zu dem Ergebnis, dass 13 % der Frauen und 27 % der Männer aus der niedrigsten Einkommensgruppe nicht das 65. Lebensjahr erreichen.
In der höchsten Einkommensgruppe trifft dies lediglich auf 8 % der Frauen und 14 % der Männer zu.
Bezogen auf die mittlere Lebenserwartung bei Geburt liegt der Lebenserwartungsunterschied zwischen der niedrigsten und höchsten Einkommensgruppe bei Frauen bei 4,4 Jahren und bei den Männern bei 8,6 Jahren.
Dies bedeutet, dass von Einkommensarmut betroffene Menschen in dieser reichen bundesdeutschen Gesellschaft deutlich früher sterben als wohlhabende Mitbürger:innen. Diese konkreten Unterschiede in der Lebenserwartung sind eine extreme Ausprägungsform von sozialer Ungleichheit in einer Gesellschaft.
Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz vom 24.10.2022
In der Debatte über Energiearmut, das neue Bürgergeld und ein menschenwürdiges Existenzminimum kritisiert die Nationale Armutskonferenz, dass die Politik immer mehr staatliche Aufgaben auf die Tafeln und andere gemeinnützige Angebote verlagert. „Es kann nicht sein, dass Menschen, denen das Notwendige fehlt, sich auf eine Versorgung auf Spendenbasis verlassen müssen“, kritisiert Michael David, Sprecher der AG Grundsicherung der Nationalen Armutskonferenz (nak). An vielen Orten übernähmen zum Beispiel die Tafeln Aufgaben, die eigentlich durch die Jobcenter gelöst werden müssten. „Tatsächlich sind Tafeln aber eine Maßnahme gegen Lebensmittelverschwendung“, sagt David: „Sie können, wollen und dürfen sozialstaatliche Regelleistungen nicht ersetzen.“
Die Nationale Armutskonferenz fordert, die sozialen Menschenrechte der Menschen in Deutschland in diesem Herbst zum Maßstab staatlicher Hilfen zu machen. „Die Entlastungspakete der Bundesregierungen haben die Situation von in Armut Lebenden kaum im Blick“, kritisiert David. „Einmalzahlungen und Steuerentlastungen bringen denen nichts, die keinerlei Reserven haben.“ Auch decke die zum Januar 2023 geplante Erhöhung des Bürgergeldes von 50 Euro für die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung gerade einmal die Hälfte der durch die Inflation gestiegenen Kosten ab.
Jürgen Schneider, Interessenvertreter von Menschen mit Armutserfahrung in der nak-Koordination: „Nötig wären 100 Euro zum Sofortausgleich. Aber auch schon vor der Inflation war der Regelsatz um über 180 Euro zu niedrig. Die beliebigen Streichungen von Kosten für Küchenuhren, Weihnachtsbäume, Meerschweinchenfutter, Speiseeis, Balkonpflanzen und viele andere Positionen haben den Regelsatz künstlich auf Kante genäht.“
Grund für dieses „schmale Schein-Existenzminimum“, so Jürgen Schneider, sei die Ignoranz den sozialen Rechten der Menschen gegenüber. „2010 wurde nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Lohnabstandsgebot aus den Sozialgesetzbüchern gestrichen. Aber immer noch wird so getan, als sei dieses das höchste sozialstaatliche Glaubensbekenntnis. Dabei müssen Löhne zum Leben reichen, nicht minimale Sozialleistungen Menschen in prekäre Beschäftigung treiben.“
„Tatsächlich müsste sich die Bundesregierung am Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte orientieren“, erläutert Michael David. „Das Existenzminimum ist keine Gnade und kein Almosen, sondern ein verbrieftes, weltweit geltendes Menschenrecht.“
Hintergrund:
Die Positionen und weitergehenden Forderungen der Nationalen Armutskonferenz zur sozialen Krisensituation in diesem Herbst finden Sie hier:
Die Nationale Armutskonferenz (nak) ist ein Bündnis von Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sich für eine aktive Politik der Armutsbekämpfung einsetzen. Sie wurde im Herbst 1991 als deutsche Sektion des Europäischen Armutsnetzwerks EAPN (European Anti Poverty Network) gegründet. Neben Verbänden wirken in der nak auch Menschen mit Armutserfahrung bzw. Selbsthilfeorganisationen mit, die ihre Erfahrungen und Perspektiven einbringen und ihre Lösungsansätze im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung aufzeigen.
Mitgliedsorganisationen: AG Schuldnerberatung der Verbände; Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.; Armutsnetzwerk e.V.; AWO Bundesverband e.V.; Bahnhofsmission Deutschland e.V.; BAG der Landesseniorenvertretungen; BAG Schuldnerberatung e.V.; BAG Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit; BAG Wohnungslosenhilfe; BBI – Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen; Bundesverband Kulturloge e.V.; Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH), Deutscher Bundesjugendring; Deutscher Caritasverband e.V.; Deutscher Gewerkschaftsbund; Diakonie Deutschland; Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.; Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (IFF); Internationaler Bund (IB) Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V.; Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg; Landesarmutskonferenz Niedersachsen, Landesarmutskonferenz Rheinland-Pfalz; Selbstvertretung Wohnungsloser Menschen e.V., Tafel Deutschland e.V.; Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V.; Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland
Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz vom 21.10.2022
Webportal zur Information und Unterstützung für Betroffene und Berater*innen freigeschaltet.
Angesichts stark steigender Energiekosten starten Tacheles e.V. und der Paritätische Wohlfahrtsverband heute die bundesweite Kampagne “Energie-Hilfe”, mit der Menschen über ihre Rechte auf behördliche Übernahme von Energiekosten aufgeklärt werden sollen. Im Zentrum der Kampagne steht die Webseite www.energie-hilfe.org, die Betroffene hoher Energiekosten umfangreich über ihre sozialrechtlichen Ansprüche informiert und Musteranträge zur Verfügung stellt. Der Mangel an ausreichenden, gezielten Hilfen für die von Inflation und explodierenden Energiekosten am härtesten Betroffenen wird nach Einschätzung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und des Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V. zu einer deutlichen Steigerung der Anzahl an Anspruchsberechtigten im Bereich der Grundsicherung führen.
Um Betroffenen die Antragstellung zu erleichtern und die fristgerechte Wahrung von Ansprüchen zu ermöglichen, werden auf dem Portal www.energie-hilfe.org leicht verständliche und einfach zugängliche Informationen bereitgestellt und die nötigen Antragsformulare zum Download angeboten.
Beratungsstellen und -einrichtungen können sich auf der Website umfangreich über Anspruchsberechtigungen und Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung informieren.
„Trotz Doppelwumms wird es viele Menschen geben, die ihre Energierechnungen nicht mehr zahlen können”, warnt Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. „Die Website Energie-Hilfe.org leistet konkrete Hilfe, indem sie Betroffene über ihre Ansprüche aufklärt und die Antragstellung erleichtert.”
Harald Thomé, Vorstand von Tacheles e.V., ergänzt: „Mit dieser Kampagne richten wir uns insbesondere auch an die Menschen, die ihre hohen Energiekosten mit ihrem Einkommen nicht mehr bezahlen können und deshalb einen Anspruch auf zumindest teilweise Übernahme der Kosten haben. Anspruchsberechtigte, wie Erwerbstätige, Rentner*innen, Wohngeldbeziehende oder Auszubildende, müssen zur Wahrung ihrer Ansprüche jetzt schnell Anträge stellen. Für sie sind schnelle Aufklärung und Hilfe jetzt wichtig, nicht erst im nächsten Jahr!“
Flugblätter und Plakate, die auf die Aufklärungskampagne hinweisen, können auf der Website www.energie-hilfe.org heruntergeladen oder bestellt werden.
Unterstützt wird das Projekt von Tafel Deutschland e.V., dem Deutschen Mieterbund, Sanktionsfrei e.V. und der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen.
Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 07.11.2022
Das AGG soll reformiert werden. Im gesellschaftspolitischen Diskurs geht es dabei u.a. um die Frage, ob Elternschaft als Diskriminierungsmerkmal im AGG aufgenommen werden soll. Was steckt hinter der Forderung? Welche Diskriminierung erleben Eltern am Arbeitsplatz? Welche Bedarfe haben Eltern in der Antidiskriminierungsberatung? Warum und wie werden Eltern diskriminiert und was versteht man überhaupt unter Diskriminierung? Und macht es Sinn, dies im Rahmen des AGG explizit zu berücksichtigen? Diese und weitere Fragen wollen wir gerne im Rahmen dieser Inforeihe mit Ihnen diskutieren.
An der Veranstaltung wirken mit:
Tina Lachmayr, IQ Fachstelle Interkulturelle Kompetenz und Antidiskriminierung, VIA Bayern e.V.
Antje Wunderlich, Referat Forschung und Grundsatz, Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Jannetje Höring, KOBRA-Fachstelle für Vereinbarkeit, Berliner Frauenbund 1945 e.V.
Lara Pfeilsticker, Referat Beratung, Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Die Veranstaltung wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Für die Teilnahme an der Fachveranstaltung werden keine Beiträge erhoben.
Verantwortlich für inhaltliche Rückfragen:
Katrin Frank, Referentin Familienhilfe/-politik, Frauen / Frühe Hilfen
Der Paritätische Gesamtverband, Tel.: 030 24636-465, E-Mail: faf@paritaet.org.
Verantwortlich für die Veranstaltungsorganisation:
Stefanie Sachse, Sachbearbeitung Referat Familienhilfe/-politik, Frauen / Frühe Hilfen
Der Paritätische Gesamtverband, Tel.: 030 24636-323, E-Mail: stefanie.sachse@paritaet.org
Es findet wieder eine digitale Dialogveranstaltung statt.
Zum Einstieg in den Dialog wird Stefan Spieker, Geschäftsführer der FRÖBEL-Gruppe, einen kurzen Input geben.
Danach möchten wir mit Ihnen in den Austausch über Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse gehen – Ihre Fragen und Ideen sind uns wichtig und für Diskussionen wird ausreichend Zeit und Raum sein.
Mit dem Anmeldeblatt können Sie sich bis zum 14.11. anmelden.
Sexualisierte Gewalt an Kindern und deren Verbreitung im Netz bedeuten unfassbares Leid und schwerste Rechtsverstöße, die entschieden bekämpft werden müssen. Die Ampelpartner*innen haben sich auf konkrete Maßnahmen für den besseren Schutz von Kindern verständigt. Auch der jüngste Vorschlag der EU-Kommission enthält vielversprechende Ansätze zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt. Doch die vorgeschlagene Chatkontrolle schießt übers Ziel hinaus und begegnet schwerwiegenden grundrechtlichen Bedenken.
Wie ist der Kommissionsvorschlag aus Perspektive von Kinderschutz, Grundrechten und Digitalregulierung zu bewerten? Welche Potenziale, welche Gefahren birgt der Entwurf? Wie können Kinder effektiv geschützt werden? Welche rechtssicheren und wirksamen Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Kindern sind erforderlich?
Sexualisierte Gewalt gegen Männer im Kontext von Krieg und Vertreibung wird weder in der allgemeinen Öffentlichkeit noch in den Wissenschaften eingehender thematisiert. Das Bundesforum Männer richtet deshalb in Kooperation mit dem Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie (GWI) am 21. November 2022 von 17.00-18.30 Uhr eine Online-Fachveranstaltung aus.
Im Rückblick auf internationale bewaffnete Konflikte der vergangenen vier Jahrzehnte soll in dem Vortrag »Sexualisierte Gewalt gegen Männer und Jungen im Kontext von Krieg und Vertreibung« von Dr. Yuriy Nesterko eine Annäherung an das Phänomen unternommen werden. Aus psychologischer Perspektive wird es um die Bedeutung von Streben nach Überlegenheit, Stärke und Dominanz gehen, das sich in der männlichen sexualisierten Gewalt manifestiert.
Im anschließenden Gespräch wird – auch unter dem Eindruck der aktuellen Kriegssituation in der Ukraine – der Frage nachgegangen, inwiefern eine feministische Außenpolitik zu einer Perspektiverweiterung beiträgt, sodass auch Männer* als Teil der vulnerablen Gruppen anerkannt werden.
Veranstalter: Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.
In der digitalisierten Welt werden Menschen ohne geeignete Technikausstattung und Anwenderkompetenz zunehmend ausgegrenzt. Ob im Beruf oder im sozialen Umfeld, in der Schule, bei der Stellensuche, im Kontakt mit Ärzten, Banken, Schufa, Jobcentern oder anderen Behörden – digitale Fähigkeiten werden heute überall vorausgesetzt. Gerade Bürger:innen mit Armutserfahrung stehen da oft im Abseits. Laut Statistik verfügt etwa ein Drittel von ihnen nicht einmal über einen internetfähigen Computer im Haushalt.
Wie lässt sich das Recht auf digitale Teilhabe – im Sinne eines „Digitalen Existenzminimums“ – im neuen Bürgergeld und anderen Bereichen der Grundsicherung verankern? Wie sollen sich Behörden und Einrichtungen der Daseinsvorsorge aufstellen, um digitale Zugänge zu erleichtern? Welche Bildungsanstrengungen müssen unternommen werden, um mehr Menschen stärker am digitalen Leben teilhaben zu lassen?
Die Diakonie Deutschland, das Armutsnetzwerk und der Evangelische Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA) laden Sie herzlich ein, über diese und weitere Fragen mit Expertinnen, Betroffenen und Mitgliedern des Deutschen Bundestages zu diskutieren!
Online-Fachgespräch am Dienstag, 22.11.2022, 10:00 bis 13:00 Uhr
Digitales Existenzminimum – wie kommen Armutsbetroffene zu mehr digitaler Teilhabe?
Anmeldung: Wir bitten Interessierte, sich bis zum 16.11.2022 über eveeno online anzumelden. Sie erhalten die Zugangsdaten zur Konferenz dann wenige Tage vor der Veranstaltung. Die Teilnahme ist kostenlos. https://eveeno.com/885785591
Hinweis: Wir bitten Vertreter:innen von sozialen Einrichtungen, auch Interessierten in ihrem Umfeld, die keinen eigenen Digitalzugang haben, die Teilnahme an dieser Veranstaltung zu ermöglichen.
Mit dem Wandel gesellschaftlicher Normen und Rollenbilder haben sich Erwartungen und Vorstellungen von Männlichkeit transformiert und sind vielfältiger geworden. Diese Umorientierung zerrt an tradierten Männerbildern, die von Dominanz geprägt sind, und führt für manche zu Ängsten und Verunsicherungen. Gleichzeitig verschärfen sich im digitalen Raum und rechten Kreisen Gegenreaktionen und Aggressionen, befördert von dem vielfach diskutierten Phänomen der „toxischen Männlichkeit“, die sich oft in sozialen Medien multiplizieren und die antifeministische Bewegung des Maskulismus befeuern.
Einer, der diese Welt hautnah kennengelernt hat, ist Tobias Ginsburg. In seinem Buch „Die letzten Männer des Westens“ gibt er Einblick in seine Erfahrungen aus anderthalb Jahren verdeckter Recherche unter fiktiven Identitäten in rechtsextremen Netzwerken, faschistischen Männerbünden und antifeministischen Organisationen. Günther Wallraff spricht in seinem Vorwort zum Buch von einem „Höllengang in ein Finsterreich des Männlichkeitswahns“. Ginsburg gibt nicht nur investigative Einblicke in diese gefährlichen Parallelwelten, er versucht auch zu ergründen, welcher Reiz von ihnen ausgeht, weshalb sich Menschen ihnen zuwenden und wie sie sich im Hass verlieren.
Was kann kritische Männlichkeit dem entgegensetzen?
Inwiefern ist das Thema Männlichkeit auch politisch?
Was kann durch Gesetzgebung bewirkt werden und wo ist die Gesellschaft in der Pflicht?
Diese und weitere Fragen möchten wir mit Euch diskutieren und bieten dafür im Anschluss an eine spannende Lesung von Tobias Ginsburg das partizipative Diskussionsformat der Fish Bowl an, zu dem wir Menschen aller Geschlechter und aller sexuellen Orientierungen herzlich einladen.
Wir sprechen unter anderem mit: Falko Droßmann MdB, Sprecher der AG-Queer der SPD Bundestagsfraktion Najib Faizi, Performer und LGBTQ-Media-Aktivist
und Tobias Ginsburg, Schriftsteller und Theaterregisseur
Die Moderation übernehmen: Franziska Richter, Kultur & Politik/Politik in Ostdeutschland, Friedrich-Ebert-Stiftung Franziska Schröter, Projekt gegen Rechts, Friedrich-Ebert-Stiftung
Zum Abschluss des Abends laden wir ein zu einem weiteren Austausch bei Imbiss & Getränken, während Tobias Ginsburg eine Signierstunde anbietet.
Die Teilnahme ist kostenfrei, aber eine vorherige Anmeldung ist aus Organisations- und Sicherheitsgründen notwendig.
Kurz vor der Veranstaltung versenden wir eine Anmeldebestätigung per E-Mail.
Veranstalter: AWO Bundesverband e. V. / Projektleitung DEVI – Demokratie stärken. Vielfalt stärken.
An diesem Fachtag wollen wir darüber sprechen und miteinander in Austausch kommen, wie Adultismus und Macht in der Kindertagesbetreuung wirksam sind. Wir wollen einen kritischen Blick auf Machtverhältnisse in der Kindertagesbetreuung werfen und gemeinsam überlegen, wie wir ihnen entgegenwirken können.
Diese Veranstaltung ist eine Kooperation des AWO Bundesverbands und der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Sie findet im Rahmen des Begleitprojekts „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ statt.
Weitere Informationen entnehmen Sie bitte der angefügten Einladung.
Seit fast drei Jahren leben wir in einer Coronavirus-Pandemie. Ausgerechnet die Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen, die schon vor Beginn der Pandemie in prekären Verhältnissen lebten und vielfältigen Benachteiligungen ausgesetzt waren, haben sich im Laufe der Pandemie weiter verschärft. Das Mitte 2021 initiierte Corona-Aufholpaket, mit dem noch bis Ende 2022 Kinder und Jugendliche durch Angebote in den Bereichen Bildung, Sprachförderung, Freizeit und Erholung unterstützt werden sollten, läuft in wenigen Monaten aus. Kinder und Jugendliche werden jedoch auch danach mit den Folgen der Pandemie für ihre psychische und körperliche Gesundheit, ihre soziale Teilhabe und schulischen Erfolgserlebnisse zu kämpfen haben. Als wäre dies alles nicht genug, löst der Ukraine-Krieg neue Ängste aus. Die steigenden Preise bei Lebensmitteln, Strom, Gas, Schulmaterialien und Dingen des täglichen Lebens drängen vor allem Familien mit geringen Einkommen an den Rand des Existenzminimums. Viele Kinder, Jugendliche und Familien, aber auch die Fachkräfte in den Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe sind am Limit.
Welche dringend notwendigen Weichenstellungen und Rahmenbedingungen jetzt auf den Weg gebracht und zügig umgesetzt werden müssen, um jedem Kind gute Voraussetzungen für ein gesundes Aufwachsen und soziale Teilhabe zur Verfügung zu stellen, darüber möchten wir mit Ihnen und weiteren Akteuren aus Politik, Verbänden und Praxis, aus der Kinder- und Jugendhilfe und der Zivilgesellschaft sowie mit jungen Menschen selbst im Rahmen der Online-Veranstaltung
„Stärkung von Kindern und Jugendlichen in Krisenzeiten – Was folgt nach dem Corona-Aufholpaket? Erkenntnisse aus dem Brennglas“
ins Gespräch kommen. Beiliegend übersenden wir Ihnen das Veranstaltungsprogramm mit Anmeldelink. Gerne können Sie sich unter folgendem Link auch direkt anmelden: Anmeldung Onlineveranstaltung Staerkung (carinet.de). Wir laden Sie herzlich ein und freuen uns über Ihre Teilnahme!
Veranstalter: evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V.
Hinter jedem Konflikt stehen unerfüllte Bedürfnisse, die es den Betreffenden erschweren, eine verbindende Kommunikation zu führen.
Uns interessiert der bewusste Perspektivwechsel in Situationen, in denen wir uns als Fachkraft besonders herausgefordert fühlen.
Gerade dann kann der Blick durch eine andere, vielleicht auch „Goldene Brille“ den Kontakt zu einem Elternteil, einem Kind und auch zu Kolleg:innen wieder ermöglichen. Gemeinsam wollen wir schauen, wie Krisen und Konflikte in der Zusammenarbeit und bei Elterngesprächen konstruktiv gelöst werden können.
Die Veranstaltung richtet sich an Vertreter:innen von Kindertagesstätten, Familienzentren, Familienbildungsstätten, Schulsozialarbeit, Mitarbeiter:innen kommunaler Behörden sowie Elternbegleiter:innen und Fachkräfte aus Familienbildung, Beratung und sozialer Arbeit.
Einsamkeit ist ein relevantes Themenfeld für Politik und Gesellschaft. Das Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) arbeitet an einer systematischen Erfassung von Projekten und Initiativen, die mit ihren Angeboten Menschen bei der Bewältigung ihrer Einsamkeit unterstützen oder vorbeugen wollen. Ziel der Systematisierung ist es, ein Verständnis der verschiedenen Ansätze zur Vorbeugung und Bewältigung von Einsamkeit sowie deren Zusammenwirken in der Gemeinschaft zu entwickeln. Das KNE hat dazu einen kurzen Online-Fragebogen entwickelt und ruft alle Projekte und Initiativen auf, an der Befragung teilzunehmen. Der Online-Fragebogen richtet sich an Personen, welche in Projekten und Initiativen zum Thema Vorbeugung und Bekämpfung von Einsamkeit engagiert sind. Weitere Informationen und den Fragebogen finden Sie hier: https://kompetenznetz-einsamkeit.de/forschung/forschung-online-befragung
Weitere Informationen zum Thema Einsamkeit, aktuelle Veranstaltungshinweisen und Veranstaltungsdokumentationen, neue Veröffentlichungen sowie weitere Informationen aus dem Netzwerk finden sich auf der Webseite (www.kompetenznetz-einsamkeit.de), im Newsletter (https://kompetenznetz-einsamkeit.de/das-kne/newsletter ) oder auf Twitter (@gegenEinsamkeit).
Der Progressive Eltern- und Erzieher*innen-Verband NRW ist überzeugt, dass sich für Familien Wege aus den sich überlagernden Krisen auf Dauer nur über die Verbindung von Hilfen und Bildung für das Heute und das Morgen realisieren lassen.
Das PEV-Positionspapier „Krise braucht Bildung“ formuliert Forderungen an die Landesregierung sowie die Landtagsabgeordneten der demokratischen Fraktionen in Nordrhein-Westfalen zur Familienpolitik und -unterstützung.
Das Zukunftsforum wird 20 Jahr alt. Grund genug, um auf 20 Jahre Einsatz für solidarische, geschlechtergerechte, vielfalts- und armutssensible Rahmenbedingungen für Familien zurückzuschauen.
Unsere Chronik können Sie hier herunterladen oder als Druckexemplar bei uns bestellen.
Heute findet die ZFF-Fachtagung „Arbeitsmarkt und Familie: Wie können wir die Arbeitswelt familienfreundlich gestalten?“ statt. Rund 80 Interessierte und Expert*innen aus Politik, Wissenschaft und Praxis nehmen teil.
Es entspricht dem Wunsch vieler junger Eltern, Beruf und Familienarbeit partnerschaftlich vereinbaren zu wollen. Die Realität zeigt allerdings, wo das Modell an Grenzen stößt. Frauen übernehmen weiter den Großteil der Sorgearbeit und gehen vielfach einer nicht existenzsichernden Beschäftigung nach. Männer kehren nach einer kurzen Elternzeit häufig in eine überlange Vollzeittätigkeit zurück. Trends und Strukturen auf dem Arbeitsmarkt, wie zunehmend flexible und verdichtete Arbeitsverhältnisse, verstärken Herausforderungen für Familien. Ziel der heutigen Veranstaltung ist es zu diskutieren, wie eine Arbeitswelt aussehen kann, die eine gute Vereinbarkeit ermöglicht, familienfreundlich ausgestaltet ist und die Übernahme von Sorgearbeit selbstverständlich in Erwerbsverläufe integriert.
Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF), erklärt: „Erwerbsarbeit ist für Familien enorm wichtig. Sie ist zentral für die familiäre ökonomische Absicherung und sie ist wichtiger Taktgeber für die zeitliche Gestaltung des Alltags. Dabei verbringen Eltern heute mehr Zeit bei der Erwerbsarbeit als noch vor wenigen Jahrzehnten, denn v.a. westdeutsche Mütter arbeiten heute häufiger und in einem größeren Umfang. Die Organisation und die Bedingungen der Arbeitswelt üben damit entscheidenden Einfluss für Menschen mit Sorgeverantwortung aus.“
Altenkamp ergänzt: „Die Corona-Pandemie hat uns deutlich vor Augen geführt, dass Politik und Gesellschaft seit Jahren davon ausgehen, dass Sorgearbeit nebenbei erledigt werden kann – zu Lasten von Frauen, die den Bildungs- und Betreuungsbedarf mehrheitlich aufgefangen haben. Aus Sicht des ZFF müssen wir die Arbeitswelt so gestalten, dass sie zum Leben passt: Sorgearbeit muss selbstverständlicher Teil der Erwerbsbiografie sein – auch in Krisenzeiten!“
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 11.10.2022
Das Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) feiert heute sein 20-jähriges Bestehen. Zudem hat die Mitgliederversammlung den achtköpfigen Vorstand in großen Teilen im Amt bestätigt.
Bei einem Festakt wird heute Abend auf „20 Jahre ZFF“ mit zahlreichen Gästen aus Politik und Verbänden angestoßen. Unter den Gästen ist auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus MdB.
Die Versammlung hat darüber hinaus den Vorstand in großen Teilen im Amt bestätigt. Sie wählte heute in Berlin Britta Altenkamp aus dem Bundespräsidium der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Bezirk Niederrhein erneut für weitere zwei Jahre zur Vorsitzenden.
Stellvertretende Vorsitzende sind die Kita-Fachberaterin Birgit Merkel, stellvertretende Präsidentin der AWO Region Hannover e.V. und unser neues Vorstandsmitglied Meike Schuster, Leiter:in der Familienbildungsstätte des Progressiven Eltern- und Erzieher*innen-Verband NRW e. V. (PEV).
In ihrem Amt als Beisitzer*innen wurden Ines Albrecht-Engel, Mitglied im Präsidium des AWO-Bezirk Hannover e. V, Wolfgang Jörg MdL und Vorsitzender des AWO Unterbezirks Hagen-Märkischer Kreis e. V., Anita Leese-Hehmke, Mitglied im Vorstand des AWO Landesverbandes Berlin e. V., Selvi Naidu, Vorstandsmitglied des AWO Bundesverbandes e. V. und Jürgen Tautz, AWO Landesverband Sachsen e. V., bestätigt.
Wir gratulieren den Gewählten und freuen uns auf eine weiterhin hervorragende Zusammenarbeit!
Verabschieden müssen wir uns leider von unserem langjährigen stellvertretenden Vorsitzenden Dieter Heinrich. Der Geschäftsführer des Progressiven Eltern- und Erzieher*innen-Verband NRW e.V. (PEV) hat den Verband mit seinen Ideen und seiner Leidenschaft seit seiner Gründung im Jahr 2002 geprägt. Wir sagen Danke für die intensive und tolle Zeit!
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 10.10.2022
Das Bündnis Sorgearbeit fair teilen begrüßt 13 neue Mitglieder im Bündnis.
Das Bündnis Sorgearbeit fair teilen wächst: Anfang Oktober hat sich die Mitgliederzahl von 13 auf 26 verdoppelt. Weitere Anträge auf Mitgliedschaft sind willkommen.
Die Pressemitteilung des Bündnisses finden Sie hier.
Konferenz in Berlin verabschiedet gemeinsame Erklärung
Mit der Selbstverpflichtung, Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern weltweit voranzutreiben und einem Appell an die iranische Regierung, Verfolgung und Gewalt insbesondere gegen Frauen und Mädchen zu beenden, ist heute das Treffen der G7-Gleichstellungsminister*innen in Berlin zu Ende gegangen. Auf Einladung von Bundesfrauenministerin Lisa Paus trafen sich die Minister*innen, um gemeinsam mit der Vorsitzenden des G7-Beirats für Gleichstellungsfragen, Prof. Dr. Jutta Allmendinger, und der Vorsitzenden des Deutschen Frauenrats, Dr. Beate von Miquel, Herausforderungen und Fragen der Gleichstellungspolitik zu diskutieren.
Im Mittelpunkt der Konferenz standen die Strukturen der G7-Gleichstellungspolitik und die Situation von Gründerinnen und selbstständigen Frauen. Auch die geschlechtergerechte Verteilung von Care-Arbeit und die Folgen der COVID-19 Pandemie auf Frauen und Mädchen sowie die Stärkung der Rechte von LGBTIQ*-Personen wurden diskutiert. Aktuell wichtigstes politisches Thema war die Situation von Frauen und Mädchen in der Ukraine und im Iran. Mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter endet die Konferenz heute.
Bundesgleichstellungsministerin Lisa Paus: „Unter der deutschen Präsidentschaft haben sich die G7 zu einer ehrgeizigen gleichstellungspolitischen Agenda verpflichtet. In der Gruppe der Sieben bildet die Gleichstellung der Geschlechter nun ein Leitprinzip über alle politischen Bereiche und Ziele hinweg. Gleichstellung ist ein universelles Menschenrecht und ein Grundwert demokratischer Gesellschaften. Rund um den Globus müssen Frauen aber noch immer für dieses Recht kämpfen. Bis heute ist Gleichstellung in keinem Land der Welt vollständig erreicht. Seit Tagen bewegen uns besonders die Bilder aus dem Iran. Auch deshalb sendet unsere gemeinsame Erklärung eine klare Botschaft: Wir müssen mehr tun. Wir müssen schneller sein. Wir werden zusammenstehen.“
In einem sechsseitigen Joint Statement bekräftigen die G7-Gleichstellungsminister*innen ihr anhaltendes gemeinsames Engagement für eine geschlechtergerechte Welt. Sie verpflichten sich darin selbst, weiterhin mit aller Kraft für die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte von LGBTIQ*-Personen einzutreten. Konkret bekräftigen die G7-Gleichstellungsminister*innen ihre Solidarität mit den protestierenden Menschen im Iran und rufen die iranische Regierung auf, die Menschenrechte zu achten und die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung zu beenden.
Die Gemeinsame Erklärung greift aber auch weitere wichtige gleichstellungspolitische Themen auf, darunter die Förderung von selbständigen Frauen und Gründerinnen, Bildungsgerechtigkeit, geschlechtergerechte Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit und die Prävention von und den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Minister*innen verstehen die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit als politische Querschnittsaufgabe und begrüßen die Berücksichtigung gleichstellungspolitischer Fragestellungen in allen G7-Fachsträngen.
Konkrete Ziele in der G7-Gleichstellungspolitik – „Dashboard on Gender Gaps“
Die G7-Gleichstellungsminister*innen haben die Strukturen und Mechanismen der G7-Gleichstellungspolitik weiter vorangebracht. Die Einführung des „G7 Dashboards on Gender Gaps“ auf dem G7-Gipfel in Elmau war dazu ein wesentlicher Meilenstein. Für das Dashboard wurden gemeinsam mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zwölf Indikatoren zur Messung der Fortschritte u.a. in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, unternehmerische Tätigkeit, Frauen in Führungspositionen, politische Teilhabe, Partnerschaftsgewalt und Entwicklungszusammenarbeit. Der jährliche Bericht soll Handlungsbedarfe und Erfolge der G7-Gleichstellungspolitik transparent machen und als verbindliche Arbeitsgrundlage innerhalb der G7 etabliert werden.
Förderung von selbständigen Frauen und Gründerinnen
Die G7-Gleichstellungsminister*innen beschäftigten sich auf ihren Treffen auch mit der beruflichen Selbständigkeit und eigenständigen Gewerbetätigkeit von Frauen. Im Durchschnitt der G7-Länder sind nur neun Prozent aller arbeitenden Frauen selbstständig und nur knapp zwei Prozent haben eigene Angestellte. Als bestehende Hindernisse wurden insbesondere eingeschränkte Finanzierungsmöglichkeiten, bestehende Geschlechterklischees und fehlende Vorbilder identifiziert. Verschiedene Maßnahmen, dem entgegenzuwirken, wurden diskutiert.
Gleichstellung unter der deutschen G7-Präsidentschaft
Die Gleichstellung der Geschlechter spielt eine zentrale Rolle während der deutschen Präsidentschaft. Deutschland verfolgt im „G7 Gender Equality Track“ mehrere Arbeitsschwerpunkte. Dazu gehören die Strukturen der G7-Gleichstellungspolitik, die gerechte Verteilung von Care-Arbeit, die Förderung von Gründerinnen und selbstständigen Frauen sowie der Einsatz von LGBTIQ*-Personen sowie Themen der bisherigen G7-Agenda. Dazu gehören unter anderem die wirtschaftliche Stärkung von Frauen, Bildungsgerechtigkeit sowie Prävention und Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt. Bis Ende des Jahres wird Bundesgleichstellungsministerin Lisa Paus den Arbeitsprozess der G7-Gleichstellungsminister*innen ausrichten und leiten. Begleitet wird der Prozess durch die zivilgesellschaftliche Dialoggruppe Women7, die im Mai ihre Forderungen an die G7-Präsidentschaft übergeben hat. Im Herbst folgen die Empfehlungen des G7-Beirats für Gleichstellungsfragen. Der G7-Vorsitz wechselt jährlich zwischen den Mitgliedern. Am 1. Januar 2023 wird Japan den Vorsitz übernehmen.
Aktuelle Situation im Iran
Die Konferenz hat eine gemeinsame Erklärung zur Situation im Iran beschlossen:
“Wir, die G7-Ministerinnen und Minister für die Gleichstellung der Geschlechter, stehen solidarisch an der Seite derjenigen, die nach dem Tod in Gewahrsam von Jina Mahsa Amini gegen die Verletzung und Missachtung ihrer Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich des Rechts auf Meinungs- und Redefreiheit, im Iran auf die Straße gehen. Wir rufen die iranische Regierung dazu auf, den Sorgen ihres eigenen Volkes Gehör zu schenken, dessen Rechte zu achten und der andauernden brutalen Unterdrückung friedlicher Proteste, welche in Widerspruch zu den Verpflichtungen des Irans gemäß dem ICCPR steht, sofort ein Ende zu setzen. Frauenrechte sind Menschenrechte und die iranischen Behörden sind völkerrechtlich verpflichtet zu gewährleisten, dass alle Frauen und Mädchen all ihre Menschenrechte gleichberechtigt und in vollem Umfang ausüben können. Unsere Hochachtung gilt dem Mut der iranischen Frauen und Mädchen, die gemeinsam mit ihren Mitbürgern friedlich demonstrieren. Wir, die G7-Ministerinnen und Minister für die Gleichstellung der Geschlechter, schließen uns ihnen an, indem wir der iranischen Regierung eine eindeutige Botschaft senden: Sie muss jeder Form der Verfolgung und der Gewalt gegen alle Iranerinnen und Iraner, insbesondere aber iranische Frauen und Mädchen, ein Ende setzen.”
Die vollständige Gemeinsame Erklärung der G7-Gleichstellungsministerinnen und -minister ist auf der Website der G7-Präsidentschaft (https://www.g7germany.de/g7-de) und auf der Homepage des Bundesgleichstellungsministeriums www.bmfsfj.de/g7-joint-statement abrufbar.
Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 14.10.2022
Europarat veröffentlicht Bericht zum Stand der Umsetzung des Übereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Deutschland
Heute legt der Europarat den sogenannten GREVIO-Bericht vor. Er evaluiert, in wieweit Deutschland die Vorgaben der Istanbul-Konvention bereits umgesetzt hat und wo noch Handlungsbedarf besteht. In Istanbul entstand 2011 das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. Die Evaluierung wurde von einem Expertengremium (engl. Abkürzung: GREVIO) im Auftrag des Europarats verfasst.
Die GREVIO-Expertinnen loben Deutschland für zahlreiche Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene, die das Ziel haben, den Schutz von Frauen vor Gewalt effektiv voran zu bringen.
Zugleich betonen sie allerdings, dass trotz der Fortschritte weiter Handlungsbedarf besteht. Sie fordern die zuständigen staatlichen Ebenen in Deutschland auf, mehr Frauenhausplätze zu schaffen und das Beratungsangebot für von Gewalt betroffene Frauen weiter auszubauen. Dabei soll auf eine ausgeglichene geographische Verteilung geachtet werden. Außerdem sollen die Bedürfnisse besonders verletzlicher Gruppen, wie Frauen mit Behinderungen, geflüchteter Frauen oder queeren Menschen, berücksichtigt werden. Jede Frau und ihre Kinder müsse einen gesicherten Zugang zum Hilfesystem haben.
Weiter mahnt der GREVIO-Bericht an, dass Deutschland die Verpflichtung noch nicht ausreichend umsetzt, koordinierte politische Maßnahmen gegen Gewalt zu beschließen. Deutschland brauche daher eine Koordinierungsstelle auf Bundesebene und die Entwicklung einer langfristigen Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Auch solle es künftig verpflichtende Trainings für alle Berufsgruppen geben, die in Kontakt mit Opfern oder Tätern von Gewalt kommen. Zudem solle das Umgangsrecht mit Rücksicht auf die Interessen von Gewaltopfern reformiert werden.
Dazu erklärt Bundesfrauenministerin Lisa Paus: „Ich stehe zur vorbehaltlosen Umsetzung der Istanbul-Konvention. Wir haben sie im Koalitionsvertrag vereinbart, und sie ist für mich als Frauenministerin und Feministin eine wichtige Richtschnur. Wir werden daher das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder absichern. Wir haben vereinbart, auf Bundesebene einen Rechtsrahmen für die verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern zu schaffen. Wir wollen in der Bundesregierung eine Koordinierungsstelle einrichten, die eine ressortübergreifende Strategie zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen erarbeitet. Außerdem wird mein Ministerium noch in diesem Jahr eine unabhängige Beobachtungsstelle schaffen. Dort werden Daten und Erkenntnisse zur Gewalt gegen Frauen zusammengeführt. Ich danke dem Europarat für die gründliche Analyse des Umsetzungsstands in Deutschland. Sie zeigt uns, wo wir noch besser werden müssen.“
Hintergrund:
Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, schützt Frauen und Mädchen vor jeglicher Form von Gewalt. Sie ist als völkerrechtlicher Vertrag rechtlich bindend für diejenigen Staaten, die sie ratifiziert haben. In Deutschland trat die Konvention am 1. Februar 2018 in Kraft. Die Konvention sieht die Überwachung der staatlichen Umsetzung durch eine unabhängige Expertengruppe „GREVIO“ vor.
GREVIO hat das erste Monitoringverfahren für Deutschland im Februar 2020 eröffnet. Im Rahmen dieses Verfahrens hat die Bundesregierung im September 2020 einen Staatenbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland beim Europarat eingereicht. Im September 2021 folgte ein Länderbesuch von GREVIO-Expertinnen, und nun hat GREVIO den angehängten Bericht basierend auf den Informationen aus dem Staatenbericht, Berichten aus der Zivilgesellschaft und dem Länderbesuch vorgelegt.
Bundesfamilienministerin Paus und DIHK-Präsident Adrian vergeben „Innovationspreis Vereinbarkeit“ an familienfreundliche Unternehmen
Unter dem Titel „Vereinbarkeit schafft Innovation“ haben Bundesfamilienministerin Lisa Paus und DIHK-Präsident Peter Adrian beim Unternehmenstag „Erfolgsfaktor Familie“ 2022 mit Unternehmensvertreter*innen diskutiert, wie es Betrieben gelingen kann, mit Vereinbarkeitsangeboten Strukturen flexibler und damit die Arbeitsorganisation innovativer zu gestalten.
Im Rahmen der Veranstaltung wurden auch die Gewinner des „Innovationspreises Vereinbarkeit“ durch die Bundesfamilienministerin und den DIHK-Präsidenten ausgezeichnet. Bewerben konnten sich Unternehmen, die während der Corona-Pandemie innovative Lösungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf (weiter) entwickelt haben. Ausgewählt wurden die vier Gewinner von einer unabhängigen Jury aus Auditorinnen und Auditoren für das audit berufundfamilie.
Die Gewinner des „Innovationspreis Vereinbarkeit 2022“ sind:
Kategorie „Kleine Unternehmen“: e-koris GmbH, ein Betrieb für Arbeiten der klassischen Elektrotechnikinstallation in Bayern. Ein neuartiges Arbeitszeit-Modell, bei dem die 13 Beschäftigten ihre Arbeitstage immer zum Monatsanfang frei wählen können, überzeugte hier die Jury.
Kategorie „Mittlere Unternehmen“: Wismut GmbH, ein Betrieb für Bergbau-Sanierung mit Sitz in Sachsen und Thüringen: Hier wurde die neue Mitarbeitenden-App wi2go als fester Bestandteil der standortübergreifenden internen Kommunikation etabliert. So können alle Beschäftigten, von denen aufgrund ihrer gewerblichen Tätigkeit rund 50 Prozent nicht über Intranet oder E-Mail erreichbar sind, in die Informations- und Kommunikationsprozesse eingebunden werden.
Kategorie „Große Unternehmen“: Roche Diagnostics GmbH, ein in Baden-Württemberg ansässiges Pharma-Unternehmen, das als deutschlandweit erster Arbeitgeber eine finanzielles Förderungsmodell für Eltern bietet, die beide zwischen 28 und 32 Stunden pro Woche arbeiten – auch wenn ein Elternteil in einem anderen Unternehmen beschäftigt ist.
Sonderpreis: DZ Bank AG aus Hessen. Hier können Mitarbeitende ihre Überstunden über einen Stundenpool spenden, sodass Kolleg*innen mit außergewöhnlichen familiären Belastungen freigestellt werden können. Zudem erhöhte die Bank bis Mai 2022 jede gespendete Stunde um eine zusätzliche Stunde.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „Die Gewinner unseres Innovationspreises sind Vorbilder für betriebliche Vereinbarkeitslösungen und damit für alle anderen Unternehmen in Deutschland. Mit kreativen Ideen haben sie während der Pandemie ad hoc neue Konzepte auf die Beine gestellt und ihre Beschäftigten effektiv bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt. Arbeitgeber*innen sind gut beraten, solche Konzepte für die Fachkräftesicherung zu nutzen. Als Bundesfamilienministerin werde ich mich dafür einsetzen, die Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu verbessern.“
„Mit einem passgenauen Angebot zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie binden Unternehmen ihre Fachkräfte und versichern sich ihrer Loyalität“, betont Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. „Gerade in diesen für viele Unternehmen wirklich schwierigen Zeiten ist eine loyale Belegschaft unbezahlbar. Die Erfahrung in der Corona-Krise hat gezeigt: Betrieben mit flexiblen Strukturen gelingt es besser als anderen, ihren Mitarbeitenden unterstützende Vereinbarkeitsangebote zu machen und davon wirtschaftlich zu profitieren. Familienbewusste Angebote wie Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibilität machen Unternehmen resilienter und stärken sie für Herausforderungen in Krisenzeiten oder bei der Suche nach Fachkräften.“
Das Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“
Das Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ ist mit rund 8.300 Mitgliedern bundesweit die größte Plattform für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die sich für eine familienbewusste Personalpolitik engagieren oder interessieren. Das Netzwerk wurde 2007 vom Bundesfamilienministerium und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag gegründet. Mitglied können alle Unternehmen und Institutionen werden, die sich zu einer familienbewussten Personalpolitik bekennen und sich engagieren wollen. Die Mitgliedschaft ist kostenfrei.
Mehr Informationen zum Unternehmensnetzwerk und zum „Innovationspreis Vereinbarkeit“ finden Sie unter: www.erfolgsfaktor-familie.de
Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 30.09.2022
Der 17. Oktober 2022 ist der Welttag zur Beseitigung von Armut. Auch in einem reichen Land wie Deutschland sind viele Kinder und Jugendliche von sozialer Ausgrenzung bedroht. Dem treten wir von der SPD-Bundestagsfraktion mit guten Kitas und Schulen, passgenauen Familienleistungen und einem tragfähigen sozialen Auffangnetz entgegen.
„Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland sollen die Chance haben, ihre individuellen Lebensträume zu verwirklichen. Deshalb werden wir das Gute-Kita-Gesetz mit einem Kita-Qualitätsgesetz fortsetzen. Deshalb setzen wir auf Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld, Kindersofortzuschlag, Kinderboni und auf ein neues Bürgergeld. Und deshalb werden wir die zentralen Familienleistungen für die Existenzsicherung von Kindern und Jugendlichen langfristig in eine Kindergrundsicherung zusammenführen. Damit werden sozial benachteiligte Familien endlich einen einfachen Zugang zu einer angemessenen finanziellen Grundausstattung bekommen – für mehr Chancen und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft.“
Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 16.10.2022
Wir stärken das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung von Frauen. Für die SPD-Bundestagsfraktion ist klar: Frauen müssen sich selbstbestimmt für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden können.
Leni Breymaier, frauenpolitische Sprecherin:
„Wir sind im 21. Jahrhundert – es wird Zeit, dass ein unumstrittenes Recht auf reproduktive Selbstbestimmung für Frauen fester Bestandteil in unserer Gesellschaft wird.
Es braucht eine neue Diskussion über den § 218 StGB, der Schwangerschaftsabbrüche seit über 150 Jahren im Strafrecht regelt. Deswegen schaffen wir eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung. Ziel der Kommission ist auch, die Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches zu prüfen. Für uns ist klar: Der Abbruch einer Schwangerschaft gehört nicht ins Strafrecht.“
Sonja Eichwede, rechtspolitische Sprecherin:
„Den § 219a StGB haben wir bereits gestrichen. Endlich machen sich Ärztinnen und Ärzte nicht mehr strafbar, wenn sie öffentlich Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen. In der wohl schwerwiegendsten Konfliktsituation können Frauen so schnell die sachlichen Informationen erhalten, die sie brauchen. Ein wichtiger Schritt für mehr reproduktive Selbstbestimmung und Gleichberechtigung.“
Josephine Ortleb, zuständige Berichterstatterin:
„Wir werden sogenannten Gehsteigbelästigungen einen gesetzlichen Riegel vorschieben. Es darf nicht sein, dass Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegner vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Arztpraxen schwangere Frauen psychisch unter Druck setzen. Sie nehmen Frauen in Konfliktsituationen ihr Recht auf Informationen und Beratung. Und wir brauchen eine flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen. Das werden wir sicherstellen.
Die SPD-Bundestagsfraktion steht fest an der Seite der Frauen. Wir wollen in einer freien Gesellschaft leben, in der Frauen frei und selbstbestimmt über ihre Mutterschaft entscheiden können.“
Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 27.09.2022
Zum Beschluss der Führungspositionen-Richtlinie an diesem Montag im Rat der Europäischen Union in Brüssel erklärt Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik:
Die EU-Richtlinie für mehr Frauen in Führungspositionen kommt. Mit der Annahme im Rat der Europäischen Union am heutigen Montag gelten zukünftig in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindliche Standards, um den Frauenanteil in den Führungsetagen börsennotierter Unternehmen zu erhöhen. Das ist ein echter Erfolg der Ampelregierung, denn zehn Jahre lang war die Umsetzung der Richtlinie von der Vorgängerregierung blockiert worden.
Der Weg zur paritätischen Machtverteilung in Führungsgremien ist noch weit: In keinem der europäischen Mitgliedsländer sind Frauen und Männer gleichermaßen in Führungspositionen repräsentiert. Das zeigt, dass die Richtlinie nichts an ihrer Gültigkeit verloren hat und der Handlungsbedarf immer noch hoch ist. Als Ampelregierung denken wir Geschlechtergerechtigkeit europäisch. Mit der für die Mehrheit entscheidenden Zustimmung Deutschlands im Rat zur Führungspositionen-Richtlinie bekennen wir uns zu Chancengleichheit als gemeinsamem europäischen Wert.
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 17.10.2022
Zum Bericht der Bundesregierung zum Startchancenprogramm zur Stärkung von allgemein- und berufsbildenden Schulen erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung:
Mit dem Startchancenprogramm investieren wir weiter in Bildungsgerechtigkeit und unterstützen gezielt Schulen in benachteiligten Quartieren und Regionen. Der Bericht der Bundesregierung ist der Auftakt für das Leuchtturmvorhaben der Bildungspolitik der Ampel. Trotz schwieriger politischer Lage gehen wir die ersten Schritte bei der Umsetzung eines zentralen grünen Bildungsprojektes.
Das Startchancenprogramm ist ein Meilenstein, mit dem wir uns vom Gießkannenprinzip in der Bildungsfinanzierung verabschieden und dort ansetzen, wo auch wirklich Bedarf besteht. Deswegen werden wir bezüglich des Verteilungsschlüssels zwischen den Bundesländern ergebnisoffen über Alternativen zum „Königsteiner Schlüssel“ diskutieren. Innerhalb eines Landes sollte anhand sozialer Indikatoren über die Mittelverteilung und Schulauswahl entschieden werden.
Das Startchancenprogramm wird aus mehreren Säulen bestehen.
Den Sanierungsstau der teils maroden Schulinfrastruktur gehen wir mit einem Investitionsprogramm an und achten dabei besonders auf Klimagerechtigkeit und Barrierefreiheit.
Mit einem Chancenbudget geben wir Schulen die Freiheit, in innovative Lernkonzepte und neue Ideen in der Bildung zu investieren. Besonders am Herzen liegt uns zum Beispiel die Zusammenarbeit mit außerschulischen Bildungsträgern – von Umweltbildung über politische Bildung hin zur Kooperation mit Sportvereinen. Denn Bildung ist mehr als nur Pauken.
Wir werden massiv in neue Stellen für Schulsozialarbeit investieren. Bildung ist die größte Ressource für Chancengerechtigkeit. Deswegen brauchen wir mehr Fachpersonal in multiprofessionellen Teams neben den Lehrkräften, die wir somit auch entlasten, um den Kindern und Jugendlichen eine bessere individuelle Betreuung anzubieten.
Angesicht des Fachkräftemangels und zehntausender offener Ausbildungsstellen müssen wir jetzt dringend handeln. Wir investieren über das Startchancenprogramm daher gezielt in eine frühe Berufsorientierung und die Modernisierung von Berufsschulen.
Als Bundestagsfraktion legen wir besonderen Wert auf eine gute Zusammenarbeit mit den Ländern, eine starke Beteiligung des Bundestags und eine enge wissenschaftliche Begleitung des weiteren Prozesses.
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 01.10.2022
Zur Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ab 1. Oktober 2022 erklärt die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge:
Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ist ein wichtiger Schritt zu mehr Gerechtigkeit in Deutschland. Für über sechs Millionen hart arbeitende Menschen bedeutet das eine Gehaltserhöhung zum 1. Oktober und spürbar mehr Geld auf dem Konto. Gerade jetzt, wo die Preise fürs Heizen und für Lebensmittel so dramatisch gestiegen sind, ist dieser Schritt wichtiger denn je. Zusammen mit den umfassenden Entlastungspaketen der Ampel und den Preisbremsen für Strom und Gas wird die Mindestlohnerhöhung vielen Menschen helfen, sicherer durch den Winter zu kommen.
Wer Vollzeit arbeitet, muss gut davon leben können. Die Mindestlohnerhöhung führt aber nicht nur jetzt zu besserer Bezahlung, sondern sorgt auch für eine bessere soziale Absicherung und höhere Rentenansprüche. Damit verringern wir Armut und soziale Ungleichheit.
Die Mindestlohnerhöhung sorgt für mehr Lohngerechtigkeit und Gleichberechtigung. Die Anhebung auf 12 Euro kommt insbesondere Frauen, Beschäftigten in Ostdeutschland und Menschen mit Migrationsgeschichte zu Gute. Für Arbeitnehmer*innen in Branchen wie Handel, Gastgewerbe, Logistik, Gesundheits- und Sozialwesen wird das zu spürbaren Verbesserungen führen.
Der Mindestlohn ist allerdings nur ein Baustein für faire Bezahlung. Darüber hinaus haben wir uns als Ampel-Koalition vorgenommen, das Tarifsystem zu stärken. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge zukünftig nur noch an Unternehmen gehen, die mindestens in Tarifhöhe entlohnen. Das wird bessere Löhne und regelmäßige Tariferhöhungen für viele Beschäftigte zur Folge haben.
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 30.09.2022
Anschlussfinanzierung für Sprach-Kitas sicherstellen und Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch stärken
Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages berät in der heutigen Sitzung zum Bundeshaushalt 2022 den Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Hierzu erklären Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher, und Paul Lehrieder, zuständiger Berichterstatter für den Einzelplan 17:
Christian Haase: „Familienpolitik ist mehr als die Auszahlung von Kindergeld. Entscheidend ist, wie der Bund die Gelder zur Stärkung der Familien, insbesondere junger Eltern und Kinder, einsetzt. Hier verspricht die Ampel viel, hält mit dem Familienetat jedoch wenig. Wir als Union wollen die Chancen für die Kinder in unserem Land verbessern, denn sie sind unsere Zukunft. Gleichzeitig wollen wir die Eltern entlasten. Wir fordern daher eine Anschlussfinanzierung des Bundesprogramms Sprach-Kitas. Kindliche Sprachentwicklung ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Bildungslaufbahn. Die aktuelle Grundschulstudie ist besorgniserregend.“
Paul Lehrieder: „Entgegen gegensätzlich lautender Aussagen der Ampel wurde im Sommer das Ende des Erfolgsprogramms „Sprach-Kitas. Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ verkündet. Dies führte zu großer Unsicherheit und Unverständnis bei Trägern, Fachkräften, Ländern und Kommunen. Den durch das Programm zusätzlichen 7.500 Fachkräften in rund 6.900 Einrichtungen drohen Planungsunsicherheit oder Jobverlust. Ausgetragen wird dies auf dem Rücken unserer Kinder. Neben der Anschlussfinanzierung für die Sprach-Kitas setzt sich die Union weiterhin für eine Mittelerhöhung für die Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne der Unabhängigen Beauftragten für sexuellen Kindesmissbrauch ein. Frühkindliche Bildung und Kindesschutz haben für uns Priorität.“
Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 19.10.2022
Zum morgigen Aktionstag Mietenstopp erklärt Caren Lay, mieten-, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:
„Am morgigen Samstag werden Aktionen und Proteste für einen bundesweiten Mietenstopp in über 50 Städten erwartet. Aufgerufen hat das Bündnis Mietenstopp. Es gibt viele gute Gründe am Aktionstag Mietenstopp teilzunehmen. Schon vor der Pandemie und den steigenden Energiepreisen war die Hälfte der Miethaushalte in den Städten durch die Wohnkosten überlastet. Allein in den vergangenen zwölf Monaten sind die Wohnkosten nochmal um elf Prozent gestiegen. Viele Mieterinnen und Mieter wissen nicht mehr, wie sie die gestiegenen Kosten bezahlen sollen und erleben eine akute Notsituation. Es braucht sofort einen bundesweiten Mietenstopp. Als LINKE fordern wir darüber hinaus ein ‚Krisenpaket Miete‘: Schutz vor Kündigungen, keine Zwangsräumungen, ein Verbot von Indexmieten, einen Energiepreis- und Mietendeckel.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 07.10.2022
„Abtreibungen haben immer stattgefunden und sie werden auch immer stattfinden. Die Frage ist nur, wie sicher sie sind. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, diese endlich im Rahmen der Gesundheitsversorgung so sicher wie möglich zu machen. Paragraf 218 muss gestrichen werden“, erklärt Heidi Reichinnek, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, anlässlich des Safe Abortion Day am 28. September. Reichinnek weiter:
„Zehn Monate ist die Regierung nun im Amt. Paragraf 219a ist in dieser Zeit endlich abgeschafft worden – dafür hat DIE LINKE lange gekämpft. Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland aber nach wie vor grundsätzlich strafbar. Das ist und bleibt ein Skandal. Die Koalition hat zwar eine Legalisierung in Aussicht gestellt, die Umsetzung aber in eine Kommission verlagert, die immer noch nicht ihre Arbeit aufgenommen hat. Es ist noch nicht einmal geklärt, wer in der Kommission sitzen wird.
Frauen in Deutschland brauchen endlich legalen und kostenlosen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. Das bedeutet auch eine flächendeckende Verfügbarkeit im ganzen Land. 100 km Anfahrt und wochenlange Wartezeit für einen Beratungstermin oder den Abbruch selbst sind nicht zumutbar. Außerdem müssen Schwangerschaftsabbrüche oft genug von den Betroffenen selbst bezahlt werden. Wäre das nicht alles schon schlimm genug, stehen vor den Praxen auch noch Abtreibungsgegnerinnen und -gegner und belästigen die Frauen. Und obwohl die Bundesregierung auch dagegen vorgehen will, ist auch hier immer noch nichts passiert.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 27.09.2022
Die Regelsätze sollen spürbar um 200 Euro erhöht werden, um ihre Wirkung gegen Inflation und Armut zu entfalten. Das fordert Die Linke in einem Antrag (20/4053). Das Bürgergeld werde seinem Namen nicht gerecht, sondern bleibe buchstäblich ein Armutszeugnis. Die Verbesserungen beim Bürgergeld gingen an den meisten langjährigen Betroffenen vorbei, denn sie hätten weder große Wohnungen noch Vermögen, kritisieren die Abgeordneten.
Sie fordern deshalb von der Bundesregierung, Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Regelbedarfe nach den Sozialgesetzbüchern II und XII (Zweites und Zwölftes Sozialgesetzbuch) sowie dem Regelbedarfsermittlungsgesetz vorzulegen. In diesen sollen die Regelbedarfe für alle Altersstufen auf Grundlage einer neuen Ermittlungs- und jährlichen Fortschreibungsmethodik zum 1. Januar 2024 neu berechnet werden. Dabei sollen Leistungsberechtigte und ihre Interessenvertretungen sowie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wohlfahrts- und Sozialverbänden sowie von Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen beteiligt werden. Es muss nach Ansicht der Linken sichergestellt werden, dass der Ernährungsanteil eine gesunderhaltende Ernährung für alle möglich macht. Für die Zwischenzeit sollen die Regelbedarfe durch Zuschläge (bis zu 200 Euro) ergänzt werden.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 581 vom 19.10.2022
Sachverständige haben am Montag begrüßt, dass die Bundesregierung die Qualität der Kindertagesbetreuung weiter verbessern will. In der Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (20/3880) setzten sie aber auch Akzente für die künftige Entwicklung von Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege. Der Regierung geht es in dem Entwurf darum, das „Gute-KiTa-Gesetz“ auf Grundlage des Evaluationsberichts von 2021 zu reformieren. Demnach sollen bereits begonnene Maßnahmen der Länder zur Qualitätsentwicklung und zur Entlastung der Eltern bei den Beiträgen fortgesetzt werden können. Neue Maßnahmen ab dem 1. Januar 2023 sollen aber ausschließlich dazu dienen, qualitative Handlungsfelder „von vorrangiger Bedeutung“ weiterzuentwickeln. Es sollen also keine länderspezifischen Maßnahmen zur Beitragsentlastung mehr umgesetzt werden können. Zusätzlich sollen die bisher vier vorrangigen Handlungsfelder um drei weitere ergänzt werden: die Förderung der kindlichen Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung, die Förderung der sprachlichen Bildung und die Stärkung der Kindertagespflege.
Susanne Viernickel, Professorin an der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, riet dazu, die personalbezogenen Handlungsfelder hervorzuheben. Es herrsche eklatanter Personalmangel in den Kitas. Für einen bundesweit gleichwertigen Zugang zur Kindertagesbetreuung müssten die personellen Rahmenbedingungen verbessert und mittelfristig angeglichen werden. Sie empfahl, die Regelungen zur Entlastung von Elternbeiträgen aus dem Gesetz herauszuhalten. Jeder in die Beitragsentlastung investierte Euro gehe dem Ziel der Qualitätsverbesserung verloren. Es gehe aber nicht darum, beides gegeneinander auszuspielen, betonte Viernickel. Im Kita-Qualitätsgesetz sei die Entlastung jedoch „fehlplatziert“. Das Gesetz müsse sich auf Strukturen konzentrieren, auf den Fachkraft-Kind-Personalschlüssel, die Qualität des Personals, die Gruppengrößen. Auch das Handlungsfeld der guten Kita-Leitung sei zu beachten. Bei den personellen Ressourcen sei in allen Ländern noch „Luft nach oben“, sagte Viernickel.
Elke Alsago von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wies ebenfalls auf die Personalsituation in den Kitas hin. Es gebe unbesetzte Stellen, hohe Krankenstände, permanente Überforderung und Frustration, die Erzieherinnen fühlten sich von der Politik alleingelassen. Sie appellierte, die nächste Förderphase 2022/2023, in denen der Bund vier Milliarden Euro bereitstellen will, zu nutzen und die Förderung in eine Strategie einzubauen, die es den Fachkräften ermöglicht, die Entwicklung der Kinder gut zu begleiten. Durch den Fachkräftemangel stehe das System vor dem Kollaps, warnte Alsago. Bund und Länder müssten gemeinsam einen Stufenplan vorlegen, wie das System, auch das Ausbildungssystem, quantitativ und qualitativ ausgebaut werden kann. Der Bund müsse mehr zusteuern als bisher.
Matthias Dantlgraber vom Familienbund der Katholiken monierte, dass nun sieben von zehn Handlungsfelder priorisiert werden sollen. Zentral für ihn seien die Handlungsfelder des guten Betreuungsschlüssels und qualifizierter Fachkräfte. Kritisch sah er, dass Länder unter Umständen auch weiterhin Fördermittel für Beitragsentlastungen einsetzen können. Beitragsentlastungen und Qualitätsverbesserungen sah er in einem Konkurrenzverhältnis. Er sprach sich für eine einkommensabhängige Beitragsstaffelung aus. Wenn einige Länder bei den Beiträgen entlasten und andere in die Qualität investieren, dann drohe wieder ein Auseinanderdriften bei der Qualität, sagte Dantlgruber. Ausdrücklich befürwortete er bundeseinheitliche Qualitätsmaßstäbe.
Arne Koopmann von der Evangelisch-lutherische Kirche Ahlhorn/Oldenburg, der nach eigenen Angaben drei Kitas in Niedersachsen im 194 Plätzen leitet, plädierte für die Fortsetzung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“, das die Bundesregierung zum Jahresende einstellen will. 80 Prozent der bei ihm betreuten Kinder hätten eine Sprachbenachteiligung. Wenn die geförderte Sprachentwicklung wegfallen würde, so Koopmann, wäre dies ein „bildungspolitischer Kahlschlag“. Dass die Beitragsfreiheit dazu führt, dass mehr Eltern ihre Kinder in Kitas schicken, könne er nicht bestätigen.
Heiko Krause vom Bundesverband für Kindertagespflege hob hervor, dass die Kindertagespflege eine gleichrangige Betreuungsform sei, die von 23 Prozent der Eltern bevorzugt werde. Heute gebe es kein Kindertagespflegepersonal mehr, das nicht qualifiziert sei. Krause setzte sich für eine auskömmliche Vergütung der Fachkräfte in der Kindertagespflege ein. Auch Maria-Theresia Münch vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge begrüßte die Priorisierung der Kindertagespflege in dem Gesetzentwurf. Notwendig wäre aus ihrer Sicht, die Fördermittel insgesamt zu erhöhen. Sie plädierte dafür, sich auf Personalentwicklung und den Ausgleich sozialer Ungleichheit zu konzentrieren.
Katharina Queisser von der Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege sagte mit Blick auf Gebührenfreiheit, es müssten Wege gefunden werden, um den Zugang zur frühkindlichen Bildung so niederschwellig wie möglich zu halten. Sie empfahl zudem, die Förderung der Sprach-Kitas zusätzlich zum Budget des Gesetzentwurfs zu verstetigen. Doreen Siebernik von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte Perspektiven für Fachkräfte und Familien. Aus keinem anderen Berufsfeld verschwänden Fachkräfte so schnell wie aus dem Berufsfeld der Erzieherinnen. Den Gesetzentwurf sah sie nur als Zwischenschritt. Mittelfristig müssten die Ressourcen für das System der frühkindlichen Bildung erhöht werden.
Stefan Spieker von der gemeinnützigen GmbH Fröbel Bildung und Erziehung, die nach seinen Angaben 20.000 Kinder in zwölf Bundesländern betreut, erklärte, er unterstütze den Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/3277), der ebenfalls Gegenstand der Anhörung war und eine Fortsetzung des Sprach-Kita-Bundesprogramms über das Jahresende hinaus fordert. Die Verträge der betroffenen Fachkräfte liefen aus und man wisse nicht, wie viele wann wieder eingesetzt werden können.
Jörg Freese vom Deutschen Landkreistag befürwortete ebenfalls die Forderung des Unionsantrags. Die Sprachförderung müsse fortgesetzt werden. Die vom Gesetzentwurf verlangte Staffelung der Elternbeiträge nannte Freese „anmaßend und übergriffig“. Es gebe Länder, die mit ihren Staffelungen bereits gute Erfahrungen gemacht hätten. Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund appellierte an den Bund, einen Weg für die dauerhafte Finanzierung der Kitas zu finden. Regina Offer vom Deutschen Landkreistag sagte, es gebe keinen sachlichen Grund, das Sprachförderprogramm auslaufen zu lassen. Die Sorge sei, dass jahrelang aufgebaute Strukturen wegfallen: „Es entsteht Unruhe in den Kitas.“
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 567 vom 18.10.2022
Die Bundesregierung hält am Auslaufen des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ zum Ende des Jahres fest. Das machte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen), am Montag während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses deutlich. An der Wichtigkeit der sprachlichen Förderung von Kindern in den Kitas gebe es bei der Bundesregierung keinen Zweifel, sagte sie. Daher sei es das Ziel, die Förderung über das Kita-Qualitätsgesetz zu verstetigen. Den Ländern würden dafür in den kommenden zwei Jahren zusätzliche zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. „Für die sechsmonatige Übergangszeit, bis diese Mittel auch in Anspruch genommen werden können, versuchen wir eine zusätzliche Finanzierung zu verhandeln“, sagte die Staatssekretärin.
Für eine weitere Bundesförderung des Programms für zwei Jahre, ehe dann die Länder die Zuständigkeit übernehmen, plädiert Wenke Stadach, Leiterin einer Sprach-Kita in Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Ihre öffentliche Petition wurde von 277.882 Personen mitgezeichnet. Durch das Programm seien in vielen Kitas Strukturen und Kompetenzen geschaffen worden, damit Kinder bei ihrem Spracherwerb unterstützt und praktische Inklusionsarbeit ermöglicht wird. Konkret bedeute dies, „dass wir für Kinder und Familien, die es nicht so einfach haben, ein Angebot schaffen, das nicht nur zur Chancengleichheit beiträgt, sondern gerade denjenigen hilft, die diese Hilfe besonders benötigen“, schreibt die Petentin in der Eingabe.
Vor den Abgeordneten erläuterte sie, als Kita-Leiterin erst Mitte des Jahres vom Auslaufen des Programms informiert worden zu sein. Diese Entscheidung habe für Wut und Frust sowie Verunsicherung bei vielen Kollegen gesorgt. „Einige von ihnen haben sich aufgrund der Unsicherheit neue Jobs gesucht“, sagte Wenke Stadach. Der Schaden sei also jetzt schon entstanden und werde mit jedem weiteren Tag, der ohne klare Zukunft für die Sprach-Kitas vergehe, größer. Für eine weitere Bundesförderung plädiere sie auch im Interesse einer bundesweiten Chancengleichheit, sagte Stadach. Künftig sei zu befürchten, dass einzelne Bundesländer die Sprachförderung unterstützen, andere aber nicht.
Die Projektleiterin der Evaluation des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“, Professor Yvonne Anders von der Universität Bamberg, verwies auf Studien, wonach ein großer Anteil der Kinder in den Grundschulen nicht die für eine weitere Bildungskarriere erforderlichen sprachlichen Kompetenzen erwirbt. 50 bis 80 Prozent der in der Grundschule zu beobachtenden sprachlichen Unterschiede seien auf den vorschulischen Bereich zurückzuführen, sagte Anders, die die Petentin begleitete. „Wir konnten in der Evaluation mehrfach zeigen, dass das, was in den Sprach-Kitas seit Jahren tagtäglich passiert, nachweislich die sprachpädagogische Prozessqualität steigert“, betonte sie. Jedes vierte Kind, so die Erziehungswissenschaftlerin, habe derzeit einen Sprachförderbedarf. „Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es geboten, eine Lösung zu finden, die die über viele Jahre evidenzbasiert geschaffenen Strukturen nicht zerstört.“
Die Familien-Staatssekretärin sicherte zu, dass es von Seiten des Ministeriums eine ganz große Bereitschaft dazu gebe, die geschaffenen Servicestellen zu erhalten und den nötigen Übergang des Programms gemeinsam mit den Bundesländern zu gestalten. Bereits im April sei das Ministerium dazu mit den Ländern in die Gespräche gegangen und habe mehrere Möglichkeiten aufgezeigt, wie ein solcher Übergang gestaltet werden könne. „Wir machen Druck auf alle Seiten, damit wir zu einem Konsens kommen“, betonte sie. Noch sei dieser aber nicht erreicht.
Die Petentin forderte eine schnelle Lösung. Am besten sei ein zweijähriger Übergang, so dass alles „ohne Wenn und Aber“ geklärt werden könne. Auf keinen Fall dürften die Sprach-Kitas aber bei dem politischen Hin- und Her-Geschiebe am Ende ganz hinten runterfallen, so Stadach. „Bis Ende Oktober sollten wir wissen, wie es weitergeht, um für das kommende Jahr planen zu können“, sagte die Kita-Leiterin.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 564 vom 17.10.2022
Angesichts der drastisch steigenden Preise haben mehrere Sachverständige in einer Anhörung des Finanzausschusses am Montag die bisher von der Koalition geplanten Maßnahmen im Inflationsausgleichsgesetz als unzureichend bezeichnet und deutlich höhere Entlastungen vor allem der Familien angemahnt. Als Hauptgrund wurden die in dem Gesetzentwurf zugrunde gelegten Inflationsprognosen bezeichnet, die von der Realität längst bei weitem überholt worden seien.
Grundlage der vom Ausschussvorsitzenden Alois Rainer (CSU) geleiteten Anhörung war der von den Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (20/3496). Der Entwurf sieht verschiedene steuerliche Maßnahmen wie die Anhebung des Grundfreibetrages und des Kinderfreibetrages sowie ein höheres Kindergeld vor. Das Kindergeld soll im nächsten Jahr für das erste, zweite und dritte Kind auf einheitlich 237 Euro pro Monat erhöht werden. Diese Erhöhung in einem Schritt soll für die Jahre 2023 und 2024 gelten. Somit steigt das Kindergeld für das erste und zweite Kind um 18 Euro und für das dritte Kind um zwölf Euro monatlich.
Der Bund der Steuerzahler erklärte, im Sinne eines schnellen Inflationsausgleichs für die Steuerzahler wäre es geboten, schon den Steuertarif 2022 mit einer höheren Inflationsrate zu indexieren. Auch die Annahme der Bundesregierung einer Inflationsrate von rund 5,76 Prozent für den Steuertarif 2023 sei kein echter Inflationsausgleich. Der Gesetzgeber müsse den Einkommensteuertarif 2023 um die zu erwartende Inflation 2023 bereinigen, die nach der derzeitigen Prognose der Gemeinschaftsdiagnose 8,8 Prozent betragen werde.
Professor Johanna Hey (Universität zu Köln) erklärte, wenn sich die Entwicklung der Inflation so fortsetze wie in den letzten Monaten, sei bei Grund- und Kinderfreibeträgen eine weitere Anhebung erforderlich. Sie kritisierte, dass sich der Entwurf des Inflationsausgleichsgesetzes auf die mittlerweile überholte Frühjahrsprojektion der Bundesregierung zur Inflation für 2022 von 5,76 Prozent stütze. Das sei die „Crux“ des Gesetzentwurfs.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bezeichnete eine Inflationsbereinigung des Einkommensteuertarifs als grundsätzlich sinnvoll. Angesichts der hohen fiskalischen Kosten sollte diese auf Steuerpflichtige mit niedrigen und mittleren Einkommen konzentriert werden. Diese seien von der Inflation besonders stark betroffen. Die Kindergelderhöhung wurde als sinnvoll bezeichnet. Auf eine Erhöhung des Kinderfreibetrags könne jedoch verzichtet werden, da Familien mit hohem Einkommen bisher zu stark zusätzlich steuerlich entlastet würden. Ein vollständiger Ausgleich der kalten Progression sei „nicht das richtige Signal“. Die Kosten würden sich auf bis zu 13 Milliarden Euro belaufen.
Der Deutsche Familienverband begrüßte die Maßnahmen zum Abbau der kalten Progression, erklärte aber andererseits, dass die geplanten Erhöhungen bei Kinderfreibetrag und Kindergeld leider deutlich hinter dem Notwendigen zurückbleiben würden. Kindergeld, Kinderfreibetrag und weitere kinderbezogene Freibeträge müssten kurzfristig an die Inflationsrate angepasst werden. Nach Ansicht der Organisation werden große Familien zu wenig entlastet. Das vierte Kind und weitere Kinder würden bei der vorgesehenen Kindergelderhöhung leer ausgehen. Als problematisch wurde der im Gesetzestitel gewählte Begriff eines „fairen Einkommensteuertarifs“ bezeichnet. Es gehe bei der Besteuerung weniger um Fairness, sondern um Gerechtigkeit. Alleinerziehende und Kinderreiche würden leer ausgehen. Das sei ein „fatales Zeichen“.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisierte, dass Bezieher höherer Einkommen durch den Kinderfreibetrag stärker entlastet würden als Normalverdiener. Beim heutigen System gelte: Je höher das Einkommen, desto größer sei der sich daraus ergebende finanzielle Vorteil durch den Kinderfreibetrag. Gleichzeitig reiche das geringere Kindergeld für viele Kinder nicht aus, um gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten. In Deutschland lebten 20 Prozent aller Kinder in Armut. Eine gerechte Förderung von Kindern müsse das Ziel sein. Daher müsse der Kinderfreibetrag zugunsten eines für alle erhöhten Kindergeldes im Rahmen einer Kindergrundsicherung abgeschafft werden.
Katja Rietzler vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung bezeichnete die Änderungen am Einkommensteuertarif für das Jahr 2023 als nicht dringend. Sie wies darauf hin, dass die Einkommensteuerbelastung in Deutschland nach wie vor deutlich unter dem Niveau der 1990er Jahre liege. In der aktuellen Situation sollte zielgerecht mit Unterstützungsmaßnahmen am unteren Ende der Einkommensskala gearbeitet werden.
Auch die Arbeiterkammer Bremen bezeichnete den Abbau der kalten Progression als wenig zielgenau. Es böten sich alternative Maßnahmen an. Die Arbeiterkammer schlug vor, den Grundfreibetrag deutlich über den durch das Existenzminimum gebotenen Rahmen hinaus anzuheben, beispielsweise auf 12.000 Euro.
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter bedauerte, dass das Ziel des Gesetzentwurfs, die Inflation auszugleichen, für Alleinerziehende nicht erreicht werde. Wegen der Anrechnung auf Unterhaltsleistungen werde die Anhebung des Kindergelds zum Nullsummenspiel. Viele Alleinerziehende fühlten sich von der Politik allein gelassen.
Professor Frank Hechtner (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) kritisierte, dass der Progressionsbericht von der Bundesregierung noch nicht vorgelegt worden sei. Es müsste wohl ein höherer Wert zum Ausgleich der kalten Progression eingesetzt werden, als im Gesetzentwurf vorgesehen. Professor Rudolf Mellinghoff (Ludwig-Maximilians-Universität München) sagte, angesichts der aktuellen Inflationsverhältnisse sollte der Progressionsbericht in jedem Jahr und nicht nur alle zwei Jahre vorgelegt werden. Dass Bezieher höherer Einkommen stärker von den Maßnahmen profitieren würden, sei eine natürliche Folge des progressiv verlaufenen Steuertarifs. Nur bei einer „Flat Tax“ (einheitlicher Steuersatz) würden alle gleich profitieren.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 561 vom 17.10.2022
Die von der Bundesregierung geplante Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe (20/3439) wird von Sachverständigen unterschiedlich beurteilt. Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Montagnachmittag wurde das Vorhaben mehrheitlich als richtiger Schritt bezeichnet, von dem aber jene junge Menschen nicht profitierten, die eine Berufsausbildung für Menschen mit Behinderung oder eine geförderte Ausbildung über das Arbeitsamt beziehungsweise das Jobcenter absolvieren oder in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sind. Die Kritik anderer Sachverständiger an dem Entwurf zielte darauf ab, dass damit eine Verselbständigung der Jugendlichen erschwert werde und sie teils bessergestellt würden als Jugendliche, die eine Ausbildung machen und im Elternhaus leben.
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Kostenheranziehung bei jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach Paragraf 19 SGB VIII sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aufzuheben. Bislang werden junge Menschen, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe leben und die ein eigenes Einkommen haben, mit bis zu 25 Prozent davon zu den Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe herangezogen.
Maike Brummelman vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands (CJD) sprach von einem wichtigen Schritt auf dem Weg zur gleichberechtigten Teilhabe „des betroffenen Personenkreises“. Um dem Gedanken der Inklusion gerecht zu werden, sei es aber geboten. „für alle jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe Benachteiligungen abzuschaffen“.
Ähnlich argumentierte Juliane Meinhold vom Paritätischen Gesamtverband. Für alle jungen Menschen, die eine Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt machen, verbessere sich die Situation deutlich, „weil keine Kostenheranziehung in Bezug auf die Ausbildungsvergütung erfolgt“. Wer aber eine Berufsausbildung für Menschen mit Behinderung oder eine geförderte Ausbildung über das Arbeitsamt oder Jobcenter absolviert oder in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sei, erhalte keine sozialversicherungspflichtige Ausbildungsvergütung, sondern eine Netto-Unterhaltszahlung. Diese werde als Ausbildungsgeld bezeichnet und zur Finanzierung der Kinder- und Jugendhilfeleistung herangezogen.
Die Möglichkeit, finanzielle Rücklagen für den Übergang in ein eigenständiges Leben und eine sichere Existenz zu bilden, müsse für alle jungen Menschen und für jede Form von Einkommen gelten, forderte Sebastian Hainski vom Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit. Es brauche eine Entbürokratisierung der Kinder- und Jugendhilfe, „sodass benötigte Hilfe auch wirklich bedingungslos und bedürfnisorientiert bei allen jungen Menschen in unserer Gesellschaft ankommt“.
Aus Sicht von Marie Hesse vom Bayerischen Landesjugendamt kann die Abschaffung der Kostenheranziehung durchaus eine Motivation der jungen Menschen zur Aufnahme von Erwerbstätigkeiten darstellen. Für die Jugendämter sei damit auch eine Verwaltungsvereinfachung verbunden. Allerdings, so Hesse weiter, sei die Kostenheranziehung geeignet, um junge Menschen darauf vorzubereiten, ihr Einkommen im Hinblick auf Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung einzuteilen. Falle dies künftig weg, müsse von einem zusätzlichen pädagogischen Bedarf ausgegangen werden. Darüber hinaus sehe sie eine Besserstellung junger Menschen in stationären Einrichtungen beziehungsweise Pflegefamilien im Vergleich zu jungen Menschen, die im Haushalt ihrer Eltern leben und einen Beitrag zur Lebenshaltung abführen müssten.
Josef Koch von der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen stimmte dem Gesetzentwurf und seinen Zielsetzungen voll umfänglich zu. Die Heranziehung bestrafe Jugendliche und junge Erwachsene dafür, in der Jugendhilfe zu sein, befand er. Koch verwies zugleich darauf, dass die Hauptgründe für eine Unterbringung Jugendlicher und junger Erwachsener in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie eine Gefährdung des Kindeswohls sowie eine Unterversorgtheit der jungen Menschen sei. Davon zu reden, dass die Unterbringung wie in einem Ferienhaus bei freier Kost und Logis erfolge, sei angesichts der massiven Belastungen und Benachteiligungen dieser jungen Menschen falsch.
Vor dem Hintergrund der besonderen Biografien und der Lebensbedingungen, die ursächlich für das Aufwachsen in stationärer Jugendhilfe waren, sei die Kostenheranziehung eine weitere Hürde und keine Unterstützung zur selbständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung, befand Laurette Rasch vom Verein Careleaver. Kostenheranziehung in jeder Form widerspräche auch dem im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) verankerten Inklusionsgedanken, demzufolge die Regelungen der Kinder- und Jugendhilfe gleichermaßen für junge Menschen mit und ohne Behinderungen gelten und diese unterstützen sollen.
Lob für den Gesetzentwurf gab es von der Fachanwältin für Sozialrecht Gila Schindler, die zugleich Regelungslücken ansprach. So bleibe die Situation der besonders belasteten jungen Menschen, die von einer Behinderung betroffen sind, in einem wesentlichen Aspekt ungeregelt. Diese Personen könnten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit Teilhabeleistungen zur beruflichen Eingliederung beanspruchen, so Schindler. Ob und in welcher Höhe das gewährte „Ausbildungsgeld“ angerechnet wird, werde von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe unterschiedlich bewertet. Die Betroffenen seien so einem Gefühl der behördlichen Willkür ausgesetzt, dass für junge Menschen regelmäßig noch viel schwerer zu ertragen sei, als für lebenserfahrenere Personen.
Michael Wagner, Jugendamtsleiter in Memmingen (Baden-Württemberg), steht der Abschaffung der Kostenheranziehung kritisch gegenüber, „weil es die Verselbständigung der jungen Menschen erschwert“. Erst wenn sie aus der stationären Jugendhilfe hinaus und in die erste eigene Wohnung ziehen, würden sie lernen müssen, dass das verdiente Geld zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhaltes verwendet werden müsse. Auch könne der Anreiz, den Schritt in ein selbstständiges Leben zu wagen, damit reduziert werden, gab er zu bedenken.
Jörg Freese vom Deutschen Landkreistag bezeichnete den erst 2021 im KJSG aufgenommenen Kompromiss, die Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe mit eigenem Einkommen von 75 Prozent auf 25 Prozent zu senken, als „gut und sinnvoll“. Als Vertreter der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände räumte Freese ein, dass die Haltung in den Kommunen zu dieser Fragestellung nicht einheitlich sei. „Weit überwiegend“ werde aber die Komplettabschaffung abgelehnt. Der nicht zu leugnenden insgesamt schwierigen Lebenssituation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der stationären Jugendhilfe oder in Pflegefamilien werde bereits durch die Absenkung der Kostenheranziehung auf 25 Prozent ausreichend Rechnung getragen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 528 vom 10.10.2022
Mit dem Wohngeld-Plus-Gesetz will die Bundesregierung ab dem 1. Januar 2023 Haushalte mit niedrigeren Einkommen stärker bei steigenden Wohnkosten unterstützen. Über einen dazu von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegten Gesetzentwurf (20/3936) debattiert der Bundestag erstmals am Donnerstag, dem 13. Oktober 2022.
Um die durch steigende Energiekosten und energieeffiziente Sanierungen entstehenden höheren Wohnkosten besser abzufedern, soll die bisher umfangreichste Reform des Wohngeldes drei Komponenten enthalten: erstens die Einführung einer dauerhaften Heizkostenkomponente, die als Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete oder Belastung in die Wohngeldberechnung eingehen soll, zweitens die Einführung einer Klimakomponente und drittens eine Anpassung der Wohngeldformel. Danach sollen rund 1,4 Millionen Haushalte erstmalig oder erneut einen Wohngeldanspruch erhalten, bisher sind es rund 600.000 Haushalte. Zudem soll sich der Wohngeldbetrag von durchschnittlich rund 180 Euro pro Monat auf rund 370 Euro pro Monat erhöhen.
Im Verlauf der knapp 70-minütigen ersten Lesung wird der Bundestag auch über den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf „zur Änderung des Heizkostenzuschussgesetzes und des Elften Buches Sozialgesetzbuch“ (20/3884) beraten. Beide Vorlagen sollen im Anschluss an den federführenden Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen überwiesen werden.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 535 vom 12.10.2022
Das Arbeitslosengeld II im Besonderen und die staatliche Grundsicherung im Allgemeinen sollen reformiert und durch ein neues „Bürgergeld“ abgelöst werden. Das sieht ein Gesetzentwurf (20/3873) der Bundesregierung vor, der am Donnerstag in erster Lesung vom Bundestag beraten wird.
Darin verweist die Bundesregierung zwar auf die Leistungsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme, die gerade in den vergangenen Pandemie-Jahren vielen Menschen ein soziales Netz geboten hätten. „Zugleich haben die außergewöhnlichen Herausforderungen, mit denen sich Staat und Gesellschaft in Folge des Kriegs in der Ukraine konfrontiert sehen, es vielen Menschen in den sozialen Mindestsicherungssystemen erschwert, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Gerade die dynamischen Preisentwicklungen bei Energie und Lebensmitteln sorgen hier für erhebliche Probleme.“ Deshalb sei eine Erhöhung der monatlichen Regelbedarfe (unter anderem auf 502 Euro für eine alleinlebende Person) dringend geboten, schreibt die Regierung.
Darüber hinaus begründet sie die Initiative mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt, die sich seit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2005 grundlegend geändert habe: Arbeitskräfte, insbesondere qualifizierte Arbeitskräfte, würden vielerorts gesucht, gleichzeitig würden Langzeitarbeitslose zu oft von dieser Entwicklung nicht profitieren. Daher solle das Bürgergeld sich stärker als das bisherige System auf Qualifizierung und Weiterbildung der Arbeitssuchenden konzentrieren.
Konkret sieht der Entwurf unter anderem vor, in den ersten zwei Jahren des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit gelten zu lassen, damit sich die Leistungsberechtigten stärker auf Arbeitssuche und Weiterbildung konzentrieren können. Die Kosten für Unterkunft und Heizung sollen in dieser Zeit in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen werden. Auf eine Prüfung des Vermögens soll verzichtet werden, „sofern es nicht erheblich ist“, also 60.000 Euro für eine Person beziehungsweise 30.000 für jede weitere im Haushalt lebende Person nicht übersteigt. Nach Ablauf der Karenzzeit soll es eine entbürokratisierte Vermögensprüfung mit höheren Freibeträge geben.
Vorgesehen ist auch, die bisherige Eingliederungsvereinbarung durch einen Kooperationsplan abzulösen, der von den Leistungsberechtigten und den Integrationsfachkräften gemeinsam erarbeitet wird. Dieser Plan dient dann als „roter Faden“ im Eingliederungsprozess und wird als Kernelement des Bürgergeld-Gesetzes bezeichnet. Mit Abschluss des Kooperationsplans soll dann eine sechsmonatige Vertrauenszeit gelten. In diesem Zeitraum werde ganz besonders auf Vertrauen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesetzt. Lediglich wiederholte Meldeversäumnisse würden sanktioniert – mit maximal zehn Prozent Leistungsminderung, schreibt die Regierung.
Abgeschafft werden soll der „Vermittlungsvorrang in Arbeit“. Stattdessen sollen Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll jenen Leistungsberechtigten helfen, „die aufgrund vielfältiger individueller Probleme besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen“.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 527 vom 10.10.2022
Die Bundesregierung will die Qualität der Kindertagesbetreuung weiter verbessern und hat dazu den Entwurf eines Gesetzes (20/3880) zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (KiTa-Qualitätsgesetz) vorgelegt.
Die Regierung verweist darin auf den Evaluationsbericht zum 2018 beschlossenen KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz („Gute-KiTa-Gesetz“). Dieser habe im Herbst 2021 gezeigt, dass an unterschiedlichen Stellen des Gesetzes sowie in Bezug auf die Pflicht zur Staffelung der Kostenbeiträge nach dem SGB VIII (Achtes Sozialgesetzbuch) Reformbedarf bestehe, um die Ziele dieses Gesetzes zu erreichen.
Mit dem vorliegenden Entwurf soll das „Gute-KiTa-Gesetz“ auf Grundlage der Empfehlungen der Evaluation weiterentwickelt werden. Demnach sollen bereits begonnene Maßnahmen der Länder zur Qualitätsentwicklung und zur Entlastung der Eltern bei den Beiträgen zwar fortgeführt werden können. Neue Maßnahmen ab dem 1. Januar 2023 sollen aber ausschließlich zur Weiterentwicklung der qualitativen „Handlungsfelder von vorrangiger Bedeutung“ dienen. Künftig sollen also keine neuen länderspezifischen Maßnahmen zur Beitragsentlastung mehr umgesetzt werden können. Zusätzlich sollen die „Handlungsfelder von vorrangiger Bedeutung“ um das Handlungsfeld 6 (Förderung der kindlichen Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung), das Handlungsfeld 7 (Förderung der sprachlichen Bildung) und das Handlungsfeld 8 (Stärkung der Kindertagespflege) ergänzt und stärker priorisiert werden. Durch die Änderung werden die Länder verpflichtet, Maßnahmen überwiegend in den Handlungsfeldern von vorrangiger Bedeutung zu ergreifen. Um die beabsichtigte Wirkung der im SGB VIII geregelten Pflicht zur Staffelung der Kostenbeiträge für die Kindertagesbetreuung zu stärken, soll es eine verbindliche Vorgabe sozialer Staffelungskriterien geben, die eine stärkere Ausrichtung der Beiträge an der finanziellen Situation der Familien bewirken sollen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 526 vom 10.10.2022
Bislang sind die jährlich zur Verfügung stehenden Mittel des Bundesförderprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ nicht ausgeschöpft worden. Das teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/3749) auf eine Kleine Anfrage (20/3404) der CDU/CSU-Fraktion zur Situation der Frauenhäuser in Deutschland mit.
In erster Linie sei dies darauf zurückzuführen, dass Bauvorhaben in Planung und Umsetzung komplex sind, die antragstellenden Träger vielfach nicht über Erfahrungen mit Bauvorhaben verfügen und aktuell äußere Faktoren massive Auswirkungen auf die Planungen hätten. Die Förderanfragen und -anträge zeigten aber, dass der Bedarf an investiven Maßnahmen zur Stärkung des Hilfesystems im Feld hoch sei, schreibt die Regierung. „Die Förderanfragen, die die für die Administration zuständige Bundesservicestelle im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) erreichen, sind von ganz unterschiedlicher Qualität. Dies macht teilweise einen hohen Beratungs- und Nachbesserungsaufwand notwendig, bis hin zu grundlegenden Veränderungen des Vorhabenzuschnitts. Dies führt im Ergebnis zu Verzögerungen in der Antragstellung und Projektumsetzung sowie Verlagerungen des Mittelabrufs und des Mittelabflusses.“ Die Bundesregierung habe die administrativen Kapazitäten für die Beratung und Antragsbearbeitung deshalb erweitert und das Finanz-Monitoring der Mittelbedarfsplanungen verstärkt, heißt es weiter in der Antwort.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 525 vom 10.10.2022
Frauen sind deutlich häufiger aufgrund einer psychischen Belastungsstörung arbeitsunfähig geschrieben als Männer. Das geht aus einer Antwort (20/3671) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/3374) der Fraktion Die Linke hervor, in der sich die Regierung auf Zahlen für das Jahr 2020 – die aktuellsten Daten – bezieht. Aus den Statistiken geht ferner hervor, dass vor allem die Bereiche Öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung/Gesundheits- und Sozialwesen und Erziehung und Unterricht unter derartigen Arbeitsausfällen zu leiden hatten. Auch bei Rentenzugängen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach psychischen und Verhaltensstörungen waren Frauen 2020 deutlich stärker repräsentiert als Männer.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 519 vom 06.10.2022
Die Fraktion Die Linke fordert in einem Antrag (20/3791), 32 Jahre nach der Wiedervereinigung einen Schutzschirm gegen Inflation und Armut zu spannen und die Lohn- und Renteneinheit herzustellen.
Darin wirft die Fraktion der Bundesregierung vor, das Land auf eine soziale Katastrophe hinzusteuern, von der die ostdeutschen Bundesländer aufgrund des Lohn- und Rentengefälles besonders hart betroffen seien. „Die Verteuerungen können den Angleichungsprozess zwischen Ost und West um Jahre zurückwerfen“, mahnen die Abgeordneten.
Sie fordern von der Bundesregierung deshalb unter anderem, einen Schutzschirm gegen Inflation und Armut zu spannen, der ein Sofortprogramm beinhaltet, aus dem alle Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen ein Jahr lang monatlich 125 Euro plus 50 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied erhalten. Ein Preisdeckel für ein Grundkontingent an Gas und Strom für Privathaushalte soll eingeführt und Strom- und Gassperren verboten werden. Außerdem soll eine Übergewinnsteuer auf Milliardengewinne der Energiekonzerne eingeführt und ein Rettungsfonds für Unternehmen eingerichtet werden, der – ähnlich wie in der Corona-Krise – Insolvenzen aufgrund der hohen Energiepreise verhindert.
Die Regierung soll außerdem die Voraussetzungen für gleiche Löhne und Gehälter in Ost und West – und damit die Lohneinheit – schaffen, indem der gesetzliche Mindestlohn zügig über 12 Euro hinaus angehoben wird, Leiharbeit und sachgrundlose Befristungen verboten werden, eine erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen gesetzlich geregelt wird sowie die Gewerkschaften – unter Beachtung der Tarifautonomie – dabei unterstützt werden, Tarifverträge abzuschließen, mit denen immer noch bestehende pauschale Differenzierungen nach Ost und West aufgehoben werden. Die gesetzliche Rente soll in die Lage versetzt werden, den Lebensstandard zu sichern und vor Armut im Alter zu schützen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 511 vom 05.10.2022
Die Bundesregierung plant im Zuge der Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes auch Folgeänderungen in anderen Gesetzen. Der Meinungsbildungsprozess dazu, welche Gesetze und welche Anpassungen dies betreffen wird, ist noch nicht abgeschlossen. Das schreibt die Regierung in ihrer Antwort (20/3559) auf eine Kleine Anfrage (20/3264) der AfD-Fraktion. In Regelungsbereiche, bei denen die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liege, greife die Bundesregierung grundsätzlich nicht ein, heißt es in der Antwort weiter.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 509 vom 04.10.2022
Die Bundesregierung beabsichtigt, im Hinblick auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Weiterentwicklung des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes die Zusammenführung beider Gesetze konkret in den Blick zu nehmen. Das schreibt die Regierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/3447) zur Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige. Diese Gegenäußerung liegt nun als Unterrichtung (20/3710) vor.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 508 vom 04.10.2022
Die Bundesregierung arbeitet intensiv an einer Lösung für das Problem des fehlenden Mutterschutzes bei Selbstständigen. Das machten die Parlamentarischen Staatssekretärinnen Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen; Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) am Montagnachmittag während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses deutlich. Grundlage der Sitzung war die Petition der selbstständigen Tischlermeisterin Johanna Röh, die 111.794 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden hatte.
Selbstständige Schwangere müssten den gleichen gesetzlichen Mutterschutz genießen wie Angestellte, heißt es in der Eingabe. Eine Schwangerschaft dürfe keine Existenzbedrohung darstellen oder zu einer Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt führen. „Vor allem für Gründerinnen, Chefinnen in investitionsintensiven Branchen und Selbstständige in körperlich arbeitenden Berufszweigen müssen Instrumente geschaffen werden, die schwangerschaftsbedingte Betriebsschließungen verhindern“, schreibt die Petentin.
Während eine angestellte Tischlerin mit Bekanntwerden der Schwangerschaft sofort ein betriebliches Beschäftigungsverbot bei voller Lohnfortzahlung bekommen hätte, sei sie weiter auf der Baustelle aktiv gewesen, um den Fortbestand ihres Betriebes zu sichern, sagte Röh vor den Abgeordneten. Wäre sie insolvent gegangen, hätte sie das in den letzten Jahren in den Betrieb geflossene Kapital verloren, ihre Auszubildende hätte sich einen neuen Ausbildungsplatz suchen müssen und sie den Betrieb später wieder neu aufbauen oder sich eine Anstellung suchen müssen. „Womöglich noch bei einem Tischlermeister, der Familie und Betrieb problemlos vereinbaren kann, weil er nicht derjenige ist, der selbst das Kind bekommt.“ Das sei keine Chancengleichheit, sagte sie.
In der Coronapandemie, so Röh, sei es auch gelungen, Unternehmen aufzufangen. „Das erwarten wir bei uns auch“, machte sie deutlich. Aktuell sei es aber so, dass sie zwar Haushaltshilfe hätte beantragen können, aber keine Betriebshilfe.
Wirtschafts-Staatssekretärin Brantner machte deutlich, dass das Thema in ihrem Ministerium angekommen sei. Es sei eine Arbeitsgruppe gegründet worden, die mit Verbänden und Betroffenen nach Lösungen suche. Brantner lud die Petentin ein, sich daran zu beteiligen. „Wir müssen Lösungen finden, auch wenn diese nicht trivial sind“, sagte die Staatssekretärin.
Das Mutterschutzgesetz erfasse die Selbstständigen nicht, da es von Arbeitgebern fordere, Schutzzonen für Arbeitnehmerinnen zu schaffen, erläuterte Familien-Staatssekretärin Deligöz. Schutzmöglichkeiten könnte es über die privaten und gesetzlichen Krankenkassen geben, die aber auch begrenzt wären, sagte sie. Interessant sei das Vorbild aus der Landwirtschaft, so Deligöz. Hier gebe es schon die Möglichkeit, landwirtschaftliche Betriebshilfe zu beantragen. Um auf dieser Basis eine Betriebshilfe auch für Handwerksbetriebe zu schaffen, sei sie in Gesprächen mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Es könne über den berufsständischen Weg laufen, sagte sie. Österreich, so die Staatssekretärin, mache das beispielsweise über Beiträge der Selbstständigen.
Die die Petentin begleitende Anwältin Angela Heinssen warb vor dem Ausschuss für eine schnelle Lösung. Das koste vielleicht etwas, sagte sie. Die Rendite, die es auch kurzfristig gebe, indem Firmen gegründet, Handwerksbetriebe übernommen und Arztpraxen im ländlichen Raum gesichert würden, sei aber unschätzbar.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 483 vom 26.09.2022
Kinder und Jugendliche sind nach Einschätzung von Gesundheitsexperten während der Corona-Pandemie besonders belastet worden. Bei einem Fachgespräch am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestages wiesen Ärzte und Psychologen auf die teils gravierenden Folgen des Lockdowns und der Schulschließungen hin. Nach übereinstimmender Ansicht der Fachleute hätten die Belange von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie politisch stärker berücksichtigt werden müssen.
Der Kinder- und Jugendarzt Burkhard Rodeck, zugleich Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), bezweifelte, dass mit den politischen Entscheidungen in der Pandemie die Belange und Bedarfe von Kindern und Jugendlichen immer adäquat berücksichtigt worden sind. Er betonte, im Gegensatz zu Erwachsenen sei die Krankheitslast bei Kindern in der Coronakrise extrem gering ausgefallen. Sehr wenige Kinder seien nach einer Infektion gestorben, vor allem vorerkrankte Kinder. Zwar gebe es auch bei Kindern Corona-Langzeitfolgen, in der Regel aber mit guter Prognose.
Ähnlich argumentierte Lutz Hempel, Vorstandsmitglied der Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland (GKinD). Die Covid-Erkrankung sei bei Kindern und Jugendlichen in der Regel gut behandelbar gewesen. Es habe allerdings viele Fälle von RSV-Erkrankungen (Respiratorisches Synzytial-Virus) gegeben, eine Folge der Isolation von Kleinkindern, deren kindliches Immunsystem nicht ausreichend gestärkt worden sei. Dies könne noch Auswirkungen haben auf künftige Grippeerkrankungen. Nach Hempels Einschätzung war die Covid-Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen weniger dramatisch als der Lockdown. Er mahnte, es dürfe nie wieder zu einer so drastischen Einschränkung des Lebens von Kindern und Jugendlichen kommen.
Auf die psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen in der Pandemie ging der Forscher und Psychotherapeut Julian Schmitz ein, der von einer starken Zunahme an psychischen Erkrankungen in der Altersgruppe sprach. Zu den Gründen gehörten Alltagseinschränkungen und Schulschließungen. Die psychische Belastung dauere an, hinzu kämen als Gründe aktuell wirtschaftliche Probleme, Kriegsangst und Sorge wegen des Klimawandels.
Schmitz nannte die Versorgungslage für Patienten mit psychischen Störungen katastrophal. In der Pandemie hätten sich die Wartezeiten auf einen ambulanten Psychotherapieplatz in ländlichen Gebieten verdoppelt. Betroffene warteten teilweise ein Jahr und länger. Er forderte eine kurzfristige Verbesserung der therapeutischen Lage mit Sonderzulassungen und einer angepassten Bedarfsplanung sowie eine frühzeitige Intervention bei auffälligen Kindern.
Ursula Marschall vom Barmer Institut für Gesundheitsforschung sieht Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie ebenfalls als besonders belastet an. Sie wandte sich aber gegen die Darstellung, wonach es sich um eine verlorene Generation handele. Sie forderte mehr zielgruppengerechte Angebote für die psychische Versorgung, die Sicherstellung in der ambulanten Psychotherapie und mehr Gruppentherapieangebote.
Nach Aussage von Ulrike Ravens-Sieberer, Forschungsdirektorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, zeigen Studien, dass die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie höher war als vorher. Der Lockdown habe einen deutlichen Anstieg der Belastung gebracht. Betroffen seien vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Beobachtet worden seien vermehrt Stresssymptome und Ängstlichkeit. Helfen könnten ein gutes Familienklima und Strukturen im Alltag.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 464 vom 21.09.2022
Bundesweit stehen im kommenden Jahr deutlich weniger Kita-Plätze zur Verfügung, als benötigt werden. Insbesondere die westdeutschen Länder können den Betreuungsbedarf von Eltern für ihre Kinder noch nicht decken. Doch es fehlt nicht nur an Plätzen, sondern häufig auch an einer kindgerechten Personalausstattung, gerade in Ostdeutschland. Um das zu ändern, braucht es viel mehr Fachkräfte, doch genau die fehlen. Das Problem verlangt dringend nach politischen Antworten.
In Deutschland gibt es noch immer zu wenig Kita-Plätze, um die Nachfrage zu decken. Gemessen an den Betreuungswünschen fehlen im kommenden Jahr voraussichtlich bis zu 383.600 Plätze bundesweit: 362.400 im Westen und 21.200 im Osten. Das geht aus neuen Berechnungen der Bertelsmann Stiftung für das aktuelle Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme hervor. Um den Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen, müssten zusätzlich zum vorhandenen Personal weitere 93.700 Fachkräfte im Westen und 4.900 im Osten eingestellt werden. Für diese insgesamt 98.600 Personen würden zusätzliche Personalkosten von 4,3 Milliarden Euro pro Jahr entstehen, von denen der Großteil (4,1 Milliarden Euro) auf die westdeutschen Bundesländer entfiele. Hinzu kämen Betriebs- und mögliche Baukosten für Kitas. Noch herausfordernder als die Finanzierung wird es jedoch sein, die benötigten Fachkräfte für die Kitas zu gewinnen.
Um die Zahl der fehlenden Kita-Plätze in allen Bundesländern zu ermitteln, hat die Bertelsmann Stiftung die Betreuungsquoten der Kita-Kinder im Jahr 2021 mit dem Anteil der Eltern abgeglichen, die im gleichen Jahr in der Kinderbetreuungsstudie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) einen Betreuungsbedarf äußerten. Ein genauerer Blick zeigt, dass in fast allen Bundesländern, vor allem in den westdeutschen, die Nachfrage der Eltern nach Kita-Plätzen höher ist als der Anteil an Kindern, die 2021 betreut wurden. Der größte Mangel besteht im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen mit 101.600 fehlenden Kita-Plätzen, während in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen kein Platzausbau erforderlich ist. Auch in den Stadtstaaten ist der Platzmangel unterschiedlich ausgeprägt. In Berlin gibt es 17.000 Kita-Plätze zu wenig, was einer Unterversorgung von rund sieben Prozent entspricht. In Bremen fehlen 5.400 (rund dreizehn Prozent) und in Hamburg 3.700 Plätze (drei Prozent). Der Ausbaubedarf unterscheidet sich darüber hinaus nach Altersgruppe. Den Berechnungen zufolge fehlen für unter dreijährige Kinder in Westdeutschland rund 250.300 Kita-Plätze, in Ostdeutschland (inklusive Berlin) sind es rund 20.700. Für die Kinder ab drei Jahren gibt es in den westdeutschen Bundesländern 112.100 Plätze zu wenig, gegenüber 500 im Osten.
„Rechtsanspruch auf Betreuungsplatz endlich erfüllen“
„Trotz des massiven Kita-Ausbaus in den vergangenen Jahren finden noch immer zu viele Eltern keinen Platz für ihre Kinder. Das ist in doppelter Hinsicht untragbar: Die Eltern müssen die Betreuung selbst organisieren, während den Kindern ihr Recht auf professionelle Begleitung in der frühen Bildung vorenthalten wird. Schon jetzt ist abzusehen, dass sich der gesetzlich verankerte Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung auch 2023 vielerorts nicht einlösen lässt“, sagt Anette Stein, Expertin für frühkindliche Bildung der Bertelsmann Stiftung. Seit 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, für Kinder ab drei Jahren besteht er schon seit 1996.
Die Problemlage tritt noch deutlicher zutage, wenn auch die Qualität der frühkindlichen Bildung verbessert werden soll. Denn noch immer werden bundesweit 68 Prozent aller Kita-Kinder in Gruppen betreut, deren Personalschlüssel nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen entsprechen. In Ostdeutschland trifft dies auf rund 90 Prozent der Kita-Kinder zu, doch auch im Westen ist der Anteil mit 63 Prozent zu hoch. Damit 2023 nicht nur ausreichend Kita-Plätze zur Deckung der Betreuungsbedarfe bereitstehen, sondern auch alle Plätze kindgerechte Personalschlüssel aufweisen, müssten 308.800 Fachkräfte zusätzlich beschäftigt werden. Das entspräche Personalkosten von rund 13,8 Milliarden Euro jährlich.
„Die Länder und Kommunen müssen den Platzausbau jetzt mit Nachdruck vorantreiben“, sagt Anette Stein. Zwar sieht das neue Kita-Qualitätsgesetz vor, dass der Bund 2023 und 2024 jeweils bis zu zwei Milliarden Euro für die frühkindliche Bildung bereitstellt. Doch weil diese Mittel nicht reichen werden, sei es laut Stein unausweichlich, dass der Bund in größerem Umfang in die dauerhafte Finanzierung des Kita-Systems einsteigt. Die Bundesmittel sollten dazu eingesetzt werden, den Qualitätsausbau in Form kindgerechter Personalschlüssel voranzutreiben. Dieses Vorhaben hat die Ampelregierung im Koalitionsvertrag vereinbart.
Arbeitsbedingungen spürbar verbessern – auch durch bessere Personalausstattung
Allerdings sind die Kosten nicht das Kernproblem. „Die größte Hürde auf dem Weg zu genügend Plätzen und mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung ist und bleibt der enorme Fachkräftemangel. Es muss jetzt sehr schnell gelingen, viel mehr Personen für das Berufsfeld zu gewinnen“, betont Stein, und verweist auf die Wechselwirkung: „Mit mehr Personal verbessern sich die Arbeitsbedingungen für alle. Damit steigen die Chancen, dass sich mehr Menschen für die Arbeit in einer Kita entscheiden, und zugleich die vorhandenen Fachkräfte im Beruf verbleiben.“ Damit mittelfristig eine bessere Personalausstattung möglich ist, braucht es eine verbindliche Strategie, wie zukünftig mehr und qualifiziertes Personal hinzukommen wird. Hierfür können gesetzlich verankerte Stufenpläne hilfreich sein. Ansonsten verlieren die Kitas ihre Attraktivität als Arbeitsplatz und können ihren Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen.
Es wird Zeit beanspruchen, die benötigten Fachkräfte zu gewinnen und vor allem zu qualifizieren. Dennoch muss es bereits jetzt gelingen, das vorhandene Kita-Personal zu entlasten. Dazu kann die zusätzliche Beschäftigung von Hauswirtschaftskräften gehören. Vor allem aber sollte das jetzige Aufgabenspektrum von Kitas konsequent überprüft und priorisiert werden. Denn die Anforderungen an das Kita-Personal sind sehr vielfältig und lassen sich mit der aktuellen Personalbemessung nicht mehr umsetzen. „Die Politik muss gemeinsam mit der Praxis und mit Beteiligung der Eltern die Frage beantworten: Worauf kann verzichtet werden, ohne das Recht der Kinder auf Bildung und gutes Aufwachsen zu verletzen?“, so Stein.
Zusatzinformationen
Für das Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme wurden Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik (Stichtag 1. März 2021), des BMFSFJ („Kindertagesbetreuung Kompakt“, 2021) und weiteren amtlichen Statistiken ausgewertet. Die Berechnungen haben das LG Empirische Bildungsforschung der FernUniversität in Hagen, Economix Research & Consulting und die Bertelsmann Stiftung durchgeführt. Die Daten und Quellen sind auf der Seite www.laendermonitor.de sowie in den Länderprofilen unter www.laendermonitor.de/laenderprofile zu finden. Eine kompakte Darstellung der Ergebnisse bietet dazu die Online-Broschüre www.bertelsmann-stiftung.de/kitapersonal-braucht-prioritaet.
Quelle: Pressemitteilung Bertelsmann Stiftung vom 20.10.2022
Studie untersucht Gender Gap bei Einkommenserwartungen – Abiturientinnen gehen davon aus, dass sie mit 35 Jahren in Vollzeitjob mit Hochschulstudium fast 16 Prozent weniger Gehalt haben werden als Männer – Politik sollte unter anderem Anreize für gleichmäßigere Aufteilung von Sorgearbeit stärken, um Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit weiter zu verbessern
Bereits kurz nach dem Abitur erwarten Frauen, dass sie im Alter von 35 Jahren in einem Vollzeitjob mit Hochschulabschluss ein um 15,7 Prozent niedrigeres monatliches Nettoeinkommen haben werden als Männer. Das ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen Studie, die auf Daten des Berliner-Studienberechtigten-Panels (Best Up) basiert und an der auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) beteiligt ist. Für Tätigkeiten, die eine Berufsausbildung voraussetzen, ist der Gender Gap in den Einkommenserwartungen mit 13 Prozent demnach etwas geringer. Fast die Hälfte der Unterschiede bei den Einkommenserwartungen von Frauen und Männern geht darauf zurück, dass Frauen aufgrund erwarteter familiärer Verpflichtungen mit weniger Einkommen rechnen. Obwohl sich Männer gleichermaßen ausreichend Zeit für die Familie wünschen, gehen sie im Gegensatz zu Frauen nicht davon aus, dass sie deshalb später Abstriche bei ihrem Erwerbseinkommen machen müssen.
„Dass Frauen und Männer unterschiedliche Vorstellungen von ihrem späteren Einkommen haben, mag auf den ersten Blick nicht problematisch erscheinen – doch das Gegenteil ist der Fall: Wenn Frauen beispielsweise mit geringen Erwartungen in Gehaltsverhandlungen gehen, bekommen sie womöglich tatsächlich ein niedrigeres Gehalt. Zudem können Einkommenserwartungen mit darüber entscheiden, ob sich junge Menschen nach dem Abitur überhaupt für ein Studium einschreiben. Über solche Kanäle trägt der Gender Gap bei den Einkommenserwartungen zum tatsächlichen Gender Pay Gap bei“, erklärt DIW-Ökonom Andreas Leibing aus der Abteilung Bildung und Familie im DIW Berlin.
Gemeinsam mit C. Katharina Spieß, Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), und Frauke Peter vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) hat Leibing die Angaben von 308 Frauen und 205 Männern aus dem Jahr 2014 ausgewertet. Im Rahmen von Best Up wurden Schülerinnen und Schüler an insgesamt 27 Berliner Schulen befragt.
Ausbau der Kindertagesbetreuung und mehr Frauen in Führungspositionen als Ansatzpunkte
Für das Szenario eines Vollzeitjobs mit Hochschulabschluss erwarten Frauen den Berechnungen zufolge im Durchschnitt ein monatliches Nettogehalt von 3 153 Euro. Männer hingegen rechnen mit durchschnittlich 3 740 Euro. Die Einkommensabschläge, die Frauen aufgrund ihrer Präferenz für Zeit mit der Familie erwarten, sind bei Karrieren mit einem vorausgesetzten Masterabschluss größer als mit einem Bachelorabschluss. „Dies deutet darauf hin, dass Frauen bereits nach dem Abitur davon ausgehen, eine Vollzeitarbeit eher mit einem geringen Stundenumfang ausüben zu können, und damit bestimmte Karrieren für sich von vornherein ausschließen“, vermutet Peter. Männer hingegen erwarten nicht, dass sie solche Kompromisse werden eingehen müssen.
„Wenn Frauen beispielsweise mit geringen Erwartungen in Gehaltsverhandlungen gehen, bekommen sie womöglich tatsächlich ein niedrigeres Gehalt. Zudem können Einkommenserwartungen mit darüber entscheiden, ob sich junge Menschen nach dem Abitur überhaupt für ein Studium einschreiben. “ Andreas Leibing
Wenn die Politik den Gender Pay Gap nachhaltig reduzieren wolle, müsse sie also auch die Einkommenserwartungen junger Menschen in den Fokus nehmen, schlussfolgern Leibing, Peter und Spieß. Zum einen sollte in den Schulen rechtzeitig vor dem Abitur darüber informiert werden, wie sich im späteren Arbeitsleben Familien- und Erwerbsarbeit ohne große Einkommensabschläge vereinbaren lassen. Zum anderen müsste diese Vereinbarkeit aber auch noch deutlich verbessert werden. „So sollten Anreize gesetzt werden, damit sich Frauen und Männer die Familienarbeit gleichmäßiger aufteilen“, empfiehlt Spieß. „Auch der weitere Ausbau der Kindertagesbetreuung, insbesondere im Bereich ganztägiger Angebote, muss mit Nachdruck verfolgt werden.“ Zudem seien mehr Frauen in Führungspositionen wichtig – sie könnten ein Vorbild für junge Frauen sein und zeigen, dass Karriere und Familie zusammengehen, ohne Abstriche beim Einkommen machen zu müssen.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 19.10.2022
DIW-Studie liefert erstmals repräsentative Daten zu NutzerInnen von Tafeln – Rund 1,1 Millionen Menschen besuchten Tafeln im ersten Halbjahr 2020 – Drei Viertel der Befragten sind erwerbslos – Ein Viertel sind Kinder – BesucherInnen überdurchschnittlich häufig gesundheitlich beeinträchtigt – Krieg in der Ukraine und Inflation könnten Situation verschärfen
Alleinerziehende und Schwerbehinderte nutzen Tafeln besonders häufig – jeweils rund ein Drittel der TafelbesucherInnen gibt an, zu diesen Gruppen zu gehören. Das zeigt eine Studie von DIW-Wissenschaftlern, für die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet wurden. Der Datensatz erlaubt erstmals eine belastbare Schätzung der Zahl von TafelbesucherInnen und deren demografischer Eigenschaften, zuvor lagen keine verallgemeinerbaren Daten vor. Demnach nutzten im ersten Halbjahr 2020 knapp 1,1 Millionen Menschen in Deutschland die Tafeln, das sind etwa 1,3 Prozent der Bevölkerung. „Offenbar gibt es eine relevante Gruppe von Menschen, die mithilfe der Tafeln ihre Nahrungsmittelversorgung sicherstellen müssen“, sagt Markus M. Grabka, Studienautor und Mitglied im Direktorium des SOEP im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Mehr als zwei Drittel der TafelbesucherInnen sind von Armut betroffen
Die größte Gruppe unter den TafelbesucherInnen sind Erwerbslose. Drei Viertel der Befragten gaben an, keiner Arbeit nachzugehen. Zu den TafelbesucherInnen gehört aber auch eine Gruppe von zwölf Prozent, die Vollzeit arbeiten. Zwei Drittel der TafelbesucherInnen beziehen ein Einkommen unterhalb der Armutsrisikoschwelle. Im Schnitt geben die TafelnutzerInnen an, über etwa die Hälfte des Durchschnittseinkommens der restlichen Bevölkerung zu verfügen. Die Lebensmittelausgaben belasten diese Gruppe – trotz Tafelbesuchs – besonders: Etwa ein Fünftel ihres Einkommens geben sie im Schnitt für Lebensmittel aus. „Die Tafeln stellen ein zunehmend wichtiges Angebot zur Bewältigung von Armut dar, sie können aber keine Dauerlösung für die Betroffenen sein“, so Jürgen Schupp, Studienautor und Senior Research Fellow im DIW Berlin.
„Die Tafeln stellen ein zunehmend wichtiges Angebot zur Bewältigung von Armut dar, sie können aber keine Dauerlösung für die Betroffenen sein.“ Jürgen Schupp
Ein Viertel der TafelbesucherInnen sind Minderjährige. Gemessen am Bevölkerungsschnitt sind SeniorInnen über 65 Jahren hingegen eher unterdurchschnittlich vertreten. Scheidung und Trennung sind häufig Auslöser finanzieller Notsituationen, dementsprechend besuchen Menschen, die solche Ereignisse erlebt haben, Tafeln überdurchschnittlich häufig. Am auffälligsten ist jedoch die Gruppe der Alleinerziehenden: Mit einer Inanspruchnahmequote von vier Prozent nimmt fast jede 20. alleinerziehende Person Tafeln in Anspruch. „Dass vor allem Familien Tafeln nutzen müssen, wirft kein gutes Licht auf die soziale Absicherung von Kindern“, so Schupp. „Die Ampelkoalition muss jetzt zügig die Kindergrundsicherung auf den Weg bringen.“
Tafeln können staatliche Armutsbekämpfung nur ergänzen, nicht ersetzen
Wer eine Tafel besucht, ist häufig von gesundheitlichen Problemen betroffen. Mehr als ein Drittel der TafelbesucherInnen gibt an, in einem „weniger guten“ oder „schlechten“ Gesundheitszustand zu sein. Zudem geben die Befragten deutlich öfter als der gesellschaftliche Durchschnitt an, sich häufig traurig zu fühlen, was auf Einschränkungen der mentalen Gesundheit hinweist.
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und im Zuge der Preissteigerungen werden Tafeln noch stärker beansprucht. „Die Tafeln können kein Ersatz der staatlichen Verantwortung für die Gewährung staatlicher Sozialleistungen sein; für langfristige Armutsbekämpfung müssen zudem staatliche Maßnahmen dafür sorgen, die Ursachen von Armut zu bekämpfen“, sagt Grabka. „Es wird nicht ausreichen, mit dem Grundbetrag des Bürgergeldes nur die Inflation beim Hartz-IV-Satz auszugleichen“, gibt Schupp zu bedenken. Zudem gelte es, bestehende staatliche Förderungen von Initiativen der Tafelbewegung zur Weiterentwicklung als Lotsenzentren fortzuführen und bei Bedarf auszubauen.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 28.09.2022
Durch neue Preisschübe bei Haushaltsenergie und Nahrungsmitteln sowie den Wegfall von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket hat die Inflation im September für alle Haushalte in Deutschland noch einmal deutlich angezogen, auf durchschnittlich 10,0 Prozent. Weit überdurchschnittlich belastet sind einkommensschwache Familien und, in etwas abgeschwächter Form, Alleinlebende mit niedrigem Einkommen. Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben trugen Familien mit niedrigem Einkommen im September eine Inflationsbelastung von 11,4 Prozent, bei ärmeren Singles waren es 10,8 Prozent. Dagegen weisen Alleinlebende mit hohem Einkommen wie in den Vormonaten die im Vergleich geringste haushaltsspezifische Teuerungsrate auf: 8,0 Prozent. Damit hat sich die soziale Schere bei den Inflationsraten gegenüber August noch einmal deutlich geöffnet, von 2,1 auf 3,4 Prozentpunkte. Das ist der höchste in diesem Jahr gemessene Wert und liegt daran, dass die größten Preistreiber – Haushaltsenergie und Lebensmittel – bei den Einkäufen von Haushalten mit niedrigen bis mittleren Einkommen einen größeren Anteil ausmachen als bei wohlhabenden. Auch Alleinerziehende und Familien mit jeweils mittleren Einkommen hatten mit 10,4 Prozent bzw. 10,2 Prozent etwas überdurchschnittliche Teuerungsraten zu tragen, während kinderlose Paare und Alleinlebende mit jeweils mittleren Einkommen mit 9,9 Prozent sehr nahe am allgemeinen Durchschnitt lagen. Familien und Alleinlebende mit jeweils höheren Einkommen wiesen unterdurchschnittliche Raten von 9,3 bzw. 9,5 Prozent auf (siehe auch die Abbildung der pdf-Version dieser PM, Link unten, und die Informationen zur Methode unten). Das ergibt der IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen liefert.*
„Die spezifischen Inflationsraten zeigen, dass Haushalte mit geringeren Einkommen durch den Preisanstieg bei Haushaltsenergie überproportional belastet sind und sich hier auch die Verteuerung der Nahrungsmittel stärker niederschlägt“, erklären Dr. Silke Tober und Prof. Dr. Sebastian, die den Monitor erstellen. So schlugen bei Familien mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen diese beiden Gütergruppen des täglichen Grundbedarfs mit 7,2 Prozentpunkten auf die haushaltsspezifische Inflationsrate von 11,4 Prozent durch, bei einkommensschwachen Alleinlebenden machten sie sogar 7,9 Prozentpunkte der 10,8 Prozent spezifische Teuerung aus. Bei einkommensstarken Alleinlebenden entfielen darauf hingegen lediglich 3,3 Prozentpunkte von insgesamt 8,0 Prozent. Bei diesen Haushalten sorgten dagegen die im Vorjahresvergleich ebenfalls erheblichen Preisanstiege bei Pauschalreisen, Gaststättendienstleistungen oder Wohnungsinstandhaltung für höhere Ausgaben. Erheblich von den Preissprüngen bei Lebensmitteln und Haushaltsenergie betroffen waren auch Familien mit mittleren Einkommen, bei denen diese Komponenten 5,3 Prozentpunkte von 10,2 Prozent Teuerungsrate ausmachten. Zusätzlich schlugen bei Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen auch die Kostensteigerungen für Kraftstoffe und öffentlichen Verkehr nach Auslaufen von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket spürbar zu Buche.
Das Problem, dass Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen aktuell auch noch besonders hohe Inflationsbelastungen tragen, wird dadurch verschärft, dass vor allem Ärmere grundsätzlich besonders unter starker Teuerung leiden, unterstreichen Tober und Dullien: Die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, sind kaum zu ersetzen. Zudem besitzen diese Haushalte kaum Spielräume, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten.
Gaspreisbremse: Politik muss Prüfauftrag für Obergrenze bei Entlastung ernst nehmen
Umso wichtiger sind nach Analyse der Inflationsexpertin und des wissenschaftlichen Direktors des IMK die Stabilisierung von Einkommen und die staatliche Entlastungspolitik. Die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen gingen, insbesondere nach den durch das 3. Entlastungspaket vorgenommenen Ergänzungen, „weitgehend in die richtige Richtung“, konstatieren Tober und Dullien. So komme die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro, die Erwerbstätige im September erhalten haben, und die im Dezember an Menschen im Ruhestand und andere zuvor ausgelassene Gruppen gezahlt wird, insbesondere Haushalten mit niedrigerem Einkommen zugute, da sie versteuert werden muss. Dasselbe gilt für die Pauschalen, die für Kinder gezahlt wurden.
Die Vorschläge der Gaskommission für eine Gaspreisbremse sind für die Forschenden ein wichtiger Baustein, um weitere deutliche Preisschübe in den kommenden Monaten zumindest in wichtigen Teilen abzufangen. Auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas und der Verzicht auf die Gasumlage lassen Tober und Dullien – bei allen Unwägbarkeiten durch weitere Eskalationen im Ukraine-Krieg – etwas optimistischer auf den weiteren Inflationsverlauf schauen als noch vor einem Monat.
Dabei ist die Gaspreisbremse in der derzeit diskutierten Form nach Analyse von IMK-Direktor Dullien insgesamt „ein großer Beitrag, um über den Winter Zahlungsausfälle und finanzielle Not bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein zu verhindern“. Der Staat würde im Schnitt etwas mehr als 40 Prozent der Heizrechnung übernehmen, wenn Haushalte weiter so Gas verbrauchen wie im Vorjahr. Diese prozentuale Entlastung ist unabhängig vom Gasverbrauch und Einkommen, und gilt damit für Menschen in einer 60-Quadratmeter-Wohnung genauso wie für jene mit einem alten, schlecht isolierten Haus auf dem Land.
Die vorgeschlagene prozentuale Übernahme der Heizkosten basierend auf dem üblichen Verbrauch durch den Staat bedeute allerdings auch, dass Haushalte mit hohem Verbrauch und hoher Heizrechnung in Euro gerechnet stärker entlastet werden als Haushalte mit niedrigem Verbrauch. Und während es auch bei Geringverdienenden Haushalte mit hohem Gasverbrauch gibt, kommt das in den oberen Einkommensdezilen mit durchschnittlich größeren Wohnflächen häufiger vor. Wenn die Entlastung ohne Obergrenze geschehe, erhielten Besitzer von großen Luxusimmobilien Entlastungsbeträge, die im Extremfall den Durchschnitt um ein Mehrfaches übersteigen könnten.
Da Energieversorger aktuell gar nicht wissen, ob hinter einem Anschluss beispielsweise eine Villa mit Privatschwimmbad oder ein Mehrfamilienhaus mit 10 Mietparteien steckt, sei dieses Problem administrativ nicht einfach zu lösen, betont Dullien. Schon gar nicht bei dem enormen Zeitdruck, unter dem die Gaskommission arbeiten musste. Die Kommission habe die Problematik aber erkannt und deshalb einen deutlichen Prüfauftrag an die Bundesregierung gegeben, wie man die Entlastung zumindest bei Haushalten mit extremem Energieverbrauch begrenzen kann. Eine im Kommissionsbericht genannte Möglichkeit wäre eine Höchstzahl an Kilowattstunden, die als subventioniertes Grundkontingent gutgeschrieben werden. Das empfehlen auch Tober und Dullien: Eine mögliche Schieflage sollte „unbedingt dadurch korrigiert werden, dass Obergrenzen eingezogen werden, die nur dann durchlässig sind, wenn nachgewiesen wird, dass es sich bei dem Anschluss um einen Anschluss mehrerer Wohnungsparteien handelt.“
Informationen zum Inflationsmonitor
Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich.
Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.
Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 18.10.2022
Hoher Anteil von Personen aus Alleinerziehenden-Haushalten und Alleinlebenden in den unteren Einkommensgruppen
Rund die Hälfte aller Personen im Ruhestand mit Nettoäquivalenzeinkommen unter 22 000 Euro im Jahr
Fast ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland konnte 2021 größere, unerwartet anfallende Ausgaben nicht bestreiten
Die Einführung einer Strompreisbremse, die Erhöhung des Kindergeldes, Einmalzahlungen für Studierende sowie Rentnerinnen und Rentner und ein höheres Wohngeld für mehr Berechtigte – die Bundesregierung hat im Rahmen des dritten Entlastungspaketes eine Vielzahl von Maßnahmen beschlossen. Profitieren sollen davon insbesondere Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stand nach Ergebnissen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) 2021 einem Fünftel der Bevölkerung in Deutschland ein jährliches Nettoäquivalenzeinkommen von unter 16 300 Euro zur Verfügung. Beim Äquivalenzeinkommen handelt es sich um ein um Einspareffekte in Mehrpersonenhaushalten bereinigtes Pro-Kopf-Einkommen. Einkommensreferenzjahr ist das Vorjahr der Erhebung. So hatten zwei Fünftel (40 %) der Bevölkerung ein Nettoäquivalenzeinkommen von unter 22 000 Euro im Jahr. Auf der anderen Seite hatten zwei Fünftel (40 %) der Bevölkerung ein Einkommen von 28 400 Euro und mehr.
Alleinerziehenden-Haushalte überdurchschnittlich oft in unteren Einkommensgruppen
Zu den 40 % der Bevölkerung mit den geringsten Einkommen zählen überdurchschnittlich oft Personen aus Alleinerziehenden-Haushalten. Fast zwei Drittel (64,6 %) von ihnen verfügten 2021 über ein Nettoäquivalenzeinkommen von weniger als 22 000 Euro im Jahr, bei gut einem Drittel (33,2 %) betrug es weniger als 16 300 Euro. Ähnliches gilt für Personen in Haushalten mit zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern: 57,7 % der Personen dieser Haushalte hatten ein Nettoeinkommen von weniger als 22 000 Euro im Jahr. Für Personen in Haushalten mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern bzw. einem Kind traf das auf 36,0 % bzw. 29,7 % zu.
Jede zweite alleinlebende Person mit Einkommen unter 22 000 Euro
Auch bei Personen, die ohne Kinder lebten, zeigen sich hinsichtlich der Einkommensverteilung deutliche Unterschiede zwischen den Haushaltstypen: So zählte 2021 mehr als die Hälfte (53,2 %) der alleinlebenden Erwachsenen zur Bevölkerung mit einem Einkommen von unter 22 000 Euro im Jahr. Knapp ein Drittel (32,2 %) der Alleinlebenden verfügte über ein Einkommen von weniger als 16 300 Euro und war demnach der untersten Einkommensgruppe zuzurechnen. Personen in Haushalten, in denen zwei bzw. drei oder mehr Erwachsene zusammenlebten, ließen sich hingegen häufiger den zwei oberen der fünf Einkommensgruppen zuordnen (49,0 % bzw. 55,7 %). Zu den obersten 40 % der Einkommensverteilung gehören Personen mit mindestens 28 400 Euro Nettoeinkommen im Jahr und zu den obersten 20 % diejenigen mit mindestens 38 100 Euro.
Rund die Hälfte aller Personen im Ruhestand mit Einkommen unter 22 000 Euro
Bei der Betrachtung der Einkommensverteilung nach der sozialen Stellung zeigt sich, dass die Hälfte (50,1 %) der Personen im Ruhestand im Jahr 2021 ein Nettoeinkommen von unter 22 000 Euro hatte, fast ein Viertel (24,6 %) verfügte über weniger als 16 300 Euro. Bei Studierenden, Schülerinnen und Schüler ab 16 Jahren lag der Anteil bei 55,4 % bzw. 35,6 %.
Bei Arbeitslosen und anderen nichterwerbstätigen Personen ab 16 Jahren gab es mit 77,1 % bzw. 58,3 % einen noch höheren Anteil in den zwei untersten Einkommensgruppen. Mehr als jede zweite arbeitslose Person (54,7 %) zählte zudem zu den 20 % der Bevölkerung mit den geringsten Einkommen. Bei den abhängig Erwerbstätigen sowie Selbstständigen gehörte hingegen gut die Hälfte (52,8 % bzw. 52,1 %) zu den zwei einkommensstärksten Gruppen der Bevölkerung.
3,7 % der Bevölkerung in Deutschland im Zahlungsverzug bei Versorgungsbetrieben
Insbesondere der Belastung durch stark steigende Energiepreise sollen die Maßnahmen des dritten Entlastungspaketes der Bundesregierung entgegenwirken. Im Jahr 2021 lebten 3,7 % der Bevölkerung in Deutschland in Haushalten, die bei Rechnungen von Versorgungsbetrieben wie etwa Strom- oder Gasanbietern im Zahlungsverzug waren. Der Anteil in Deutschland war geringer als beispielsweise im Nachbarstaat Frankreich, wo er 7,1 % betrug. Das geht aus Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat hervor. In den Niederlanden waren mit 1,2 % dagegen vergleichsweise wenige Personen bei der Begleichung von Rechnungen für Versorgungsleistungen im Rückstand.
Fast ein Drittel der Bevölkerung hierzulande kann ungeplante Ausgaben nicht bestreiten
Deutlich höher fiel 2021 der Anteil der Personen aus, die in Haushalten lebten, welche aufgrund der finanziellen Situation nicht dazu in der Lage waren, größere, unerwartet anfallende Ausgaben aus eigenen Finanzmitteln zu bestreiten. In Deutschland traf dies im Jahr 2021 auf fast ein Drittel (31,9 %) der Bevölkerung zu. Niedriger fiel der Anteil etwa in Frankreich aus: Hier konnten 27,6 % der Bevölkerung für ungeplante Ausgaben nicht eigenständig aufkommen. In den Niederlanden lag der Anteil mit 15,1 % hingegen wesentlich niedriger. In Rumänien, Kroatien, Griechenland, Zypern und Lettland verfügten jeweils mehr als 40 % der Bevölkerung nicht über ausreichende finanzielle Rücklagen für ungeplante größere Ausgaben. Als unerwartet anfallende Ausgabe galt in jedem Staat in Abhängigkeit vom Einkommensniveau eine andere Summe. In Deutschland ging es um unerwartete Ausgaben in Höhe von 1 150 Euro oder mehr.
Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 05.10.2022
Der Bundestag befasst sich in seiner heutigen Sitzung mit dem Wohngeld-Plus-Gesetz. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der AWO:
„Die Wohngeldreform ist eine wichtige Maßnahme zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts in unserer Gesellschaft. Dadurch werden gezielt Menschen mit niedrigen Einkommen oberhalb der Grundsicherungssysteme unterstützt, die sich angesichts der massiv steigenden Preise bisher von der Politik vergessen gefühlt haben. Was wir jetzt nicht brauchen, sind Sozialneid und ein Gegeneinander-Ausspielen von Leistungsberechtigten in der Grundsicherung und Menschen mit niedrigen Einkommen. Stattdessen müssen wir solidarisch durch diese Krise und dürfen niemanden zurücklassen. Die Ausweitung des Berechtigtenkreises im Wohngeld und die Einführung einer dauerhaften Heiz- und Klimakostenkomponente sind prinzipiell geeignete Mittel hierfür.“
Mit Sorge betrachtet die AWO jedoch die langen Wartezeiten bis zur Bewilligung der Leistung. Das Gesetz sieht zwar die Möglichkeit zur vorläufigen Zahlung des Wohngeldes vor, im Falle der späteren Nicht-Bewilligung droht jedoch die Rückforderung der geleisteten Zahlungen. Dies schreckt Menschen mit geringen Einkommen von einer Beantragung der Leistung ab und verschärft das Problem der sowieso geringen Nicht-Inanspruchnahme im Bereich des Wohngeldes weiter. Stattdessen müssten aus Sicht der AWO dringend Mittel für Personalaufstockungen in den gewährenden Stellen bereitgestellt werden und mehrsprachige und für jeden verständliche Informationskampagnen zur intensiven Bewerbung des Wohngeldes folgen.
Unabhängig von den zu begrüßenden Entlastungen durch das neue Wohngeld verweist die AWO auf den weiter bestehenden enormen Handlungsbedarf in der Wohnungspolitik: „Das Wohngeld entlastet zwar viele Haushalte, die schon vor der Inflation mit den steigenden Mieten zu kämpfen hatten“, so Michael Groß weiter, „doch löst das Wohngeld-Plus Gesetz nicht das Problem der seit Jahren horrend steigenden Mieten. Die Bundesregierung muss daher unverzüglich dafür sorgen, dass Mieten durch eine starke Mietpreisbremse begrenzt werden. Und: Das Angebot im sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau muss massiv vergrößert werden. Wohnen ist ein Menschenrecht und Wohnraum kein Renditeobjekt!“
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 13.10.2022
Am Mittwoch, den 19.10.2022, laden die AWO-Präsident*innen Kathrin Sonnenholzner und Michael Groß zum Pressegespräch, um die Ergebnisse ihrer Deutschlandreise zu sozialen Einrichtungen und Diensten vorzustellen und Forderungen an die Politik darzulegen.
Die AWO-Präsident*innen waren angesichts von Inflation und Energiekrise seit August auf Reisen zu Einrichtungen und Beratungsstellen in ganz Deutschland, um sich vor Ort ein Bild von der Lage der Menschen und der Situation der sozialen Infrastruktur zu machen. Ihr Resümee ist ernüchternd:
Armut in Deutschland ist in der Infrastruktur, im öffentlichen Raum, in Einrichtungen und in den Quartieren erlebbar und sichtbar. Besonders im Zuhause vieler Millionen Menschen in einem der reichsten Länder der Erde ist Armut mit ihren Konsequenzen für den Alltag allgegenwärtig.
Bei immer mehr Menschen reicht das Geld nicht bis zum Ende des Monats, viele unverzichtbare Anlaufstellen stehen unter steigendem Druck – weil die Fachkräfte seit Jahren am Limit arbeiten, weil immer neue Herausforderungen dazu kommen, und weil die Teuerungen auch die Träger an die Grenze des finanziell Machbaren bringen.
Ohne das schnelle und entschlossene Handeln der Politik sind sozialer Zusammenhalt und Frieden ernstlich in Gefahr. Welche Schritte aus Sicht der AWO nun zwingend notwendig sind, dazu sprechen Kathrin Sonnenholzner und Michael Groß zur Abschlusskonferenz.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 12.10.2022
Die Frauenhauskoordinierung e. V. (FHK) feiert am morgigen 5. Oktober mit einem Festakt ihr 20-jähriges Bestehen und damit ihren engagierten und beharrlichen Einsatz gegen geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen. Dazu erklärt Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes:
„Der Einsatz für den Abbau von Gewalt gegen Frauen und für die Verbesserung der Hilfen für misshandelte Frauen und deren Kinder wird leider auch weiterhin notwendig sein. Seit Jahren wird ein Anstieg geschlechtsspezifischer Gewalt in sozialen Nahbeziehungen verzeichnet, der sich in den allermeisten Fällen gegen Partnerinnen, Ehefrauen und Ex-Partnerinnen richtet. Mit im Haushalt lebende Kinder sind dabei immer Mitbetroffene der Gewalt.“
Es fehlt nach wie vor für viele gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder der Zugang zu Schutz und Hilfe ohne Hürden. Sei es räumlich, finanziell oder weil spezifische Problemlagen vorliegen: Gewaltbetroffene Frauen können sich oftmals nach wie vor nicht aus der gefährlichen Gewaltsituationen in der Partnerschaft und/oder Familie retten. Um hier Verbesserungen für das Hilfe- und Unterstützungssystem zum Schutz vor häuslicher Gewalt zu erzielen, braucht es endlich einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen zur Finanzierung des Hilfesystems und die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Schutz und Hilfe bei geschlechtsspezifischer Gewalt.
„Es dürfen nicht wieder ungenutzte Jahre vergehen, bis es hier zur nachweislichen Absicherung der Gewaltschutzinfrastruktur und somit zur Verbesserung des notwendige Schutzes und Hilfe für gewaltbetroffene Frauen kommt“, so Selvi Naidu, „Wir erwarten, dass in dieser Legislaturperiode endlich entscheidende bundesgesetzliche Verbesserungen auf den Weg gebracht und verabschiedet werden, die für eine nachhaltige Verbesserung in Frauenhäusern und Fachberatungsstellen sorgen und somit für gewaltbetroffene Frauen“.
Der Frauengewaltschutz wurde in vielen Jahrzehnten mit hohem persönlichem Engagement insbesondere von Frauen für Frauen aufgebaut. Neue Herausforderungen im Kontext von Partnerschaftsgewalt wie Digitale Gewalt und die zunehmende Sichtbarkeit der vielfältigen Bedarfe von Frauen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, wohnungslosen Frauen oder Frauen mit Flucht- und Migrationserfahrungen brauchen umgehend passende Lösungen und professionelle Hilfeangebote.
Die AWO als Teil des bundesweiten Gewaltschutznetzes bietet in mehr als 40 Frauenhäusern und Schutzwohnungen sowie in mehr als 35 Frauenberatungsstellen Unterkunft, Notfallhilfe, telefonische und digitale Beratung sowie Begleitung an.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 04.10.2022
Anlässlich des Internationalen Tags für einen sicheren Schwangerschaftsabbruch fordert der AWO Bundesverband die Bundesregierung auf, die in diesem Jahr mit der Streichung des §219a StGB begonnenen Reformen fortzusetzen und die stetige Verschlechterung der medizinischen Versorgungslage für ungewollt schwangere Personen in Deutschland zu stoppen.
Aus Sicht der AWO geht das nur über die Abschaffung des §218 StGB und eine gesetzliche Neuregelung, die einen wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen sichert. Dazu erklärt Selvi Naidu, Vorstandsmitglied des AWO Bundesverbandes:
„Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat in diesem Jahr erneut festgestellt, dass Abtreibungsverbote oder Einschränkungen wie eine Pflichtberatung oder Wartezeiten nicht dazu führen, dass weniger Abbrüche durchgeführt werden. Sie erhöhen stattdessen die medizinischen Risiken für die Betroffenen. Jährlich sterben immer noch rund 39.000 Frauen weltweit an den Folgen von unsachgemäß durchgeführten Abtreibungen.“
Auch in Deutschland ist der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen durch die seit 1871 bestehende Gesetzeslage eingeschränkt. Seit 2003 hat sich die Zahl der Kliniken und Praxen, die Abbrüche vornehmen, im bundesweiten Durchschnitt fast halbiert. Eine bundesweit einheitliche, niedrigschwellig zugängliche und qualitativ hochwertige Versorgung nach neuesten medizinischen Standards ist so nicht gewährleistet, wie auch eine umfangreiche Recherche des Magazins correctiv im Frühjahr zeigte.
„Das Recht, im Laufe des Lebens selbst darüber zu entscheiden, ob und wie viele Kinder ein Mensch bekommen möchte, ist aus unser Sicht zentral für eine freie und geschlechtergerechte Gesellschaft. Selbstbestimmte Familienplanung schließt daher auch sexuelle und reproduktive Rechte wie das Recht auf einen legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch ein. Das Totalverbot in Polen und die dramatische Lage in den USA sollten dazu führen, dass wir in Deutschland in die andere Richtung gehen und eine menschenrechtskonforme und evidenzbasierte Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen einführen“, führt Selvi Naidu weiter aus.
Die AWO setzt sich gemeinsam mit ihren bundesweit vorhandenen Schwangerschaftsberatungsstellen für die Verwirklichung der sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen ein. Sie kämpft für umfassende sexuelle Bildung und Aufklärung und gute Beratung, eine bundesgesetzliche Regelung für die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für alle Geschlechter sowie eine gesetzliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches.
Weitere Informationen zur Schwangerschaftsberatung der AWO: www.awo-schwanger.de
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 28.09.2022
Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt fordert zum heutigen Europäischen Tag der pflegenden Angehörigen, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben zur Entlastung pflegender Angehöriger unmittelbar umzusetzen.
Von derzeit 4,1 Mio. pflegebedürftigen Menschen werden 3,3 Millionen zu Hause versorgt, davon wird bei 2,1 Millionen Pflegebedürftigen die Pflege allein durch Angehörige übernommen. Damit sind pflegende Angehörige – zumeist Frauen – eine tragende Säule der pflegerischen Versorgung in Deutschland: Ohne sie würde das Pflegesystem unmittelbar zusammenbrechen. Auch europaweit werden viele Menschen zu Hause von ihren meist weiblichen Angehörigen gepflegt. Die Europäische Kommission schätzt, dass fast 8 Millionen Frauen in der EU aufgrund unbezahlter Pflege- und Betreuungstätigkeit nicht berufstätig sein können. Pflegende Angehörige sind auch in Deutschland häufig armutsbedroht.
Dazu erklärt Kathrin Sonnenholzner, Vorsitzende des Präsidiums der Arbeiterwohlfahrt: „Der Koalitionsvertrag hatte gute Ansätze zur Unterstützung und Entlastung pflegender Angehöriger vorgesehen. Einer davon betrifft die regelhafte Dynamisierung des Pflegegeldes ab 2022. Passiert ist aktuell im vierten Quartal des Jahres nichts. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung mit Verweis auf die aktuelle Krisenlage die wichtigen Vorhaben des Koalitionsvertrages in der Pflege einfach fallen lässt. Gerade in dieser unsicheren und finanziell stark belastenden Krisensituation brauchen pflegende Angehörige die zugesagte finanzielle Unterstützung und den Ausbau von Entlastungsangeboten.“
Das sogenannte Pflegegeld, ein gesetzlich festgeschriebener Betrag, der pflegenden Angehörigen zusteht, wurde seit 2017 nicht mehr angehoben – gerade angesichts der derzeitigen Preissteigerungen reicht es nun bei Weitem nicht mehr aus. „Pflege darf pflegende Angehörige, die ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Pflege An- und Zugehöriger aufgeben, nicht in Armut bringen. Sie darf die Pflegenden auch nicht überfordern und letztlich selbst krank und pflegebedürftig machen. Pflege ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die AWO setzt sich daher für eine Reform der Pflegeversicherung hin zu einer solidarischen Bürgerversicherung ein, die die Finanzierung von Pflege zukunftsfest und solidarisch auf eine breite Basis stellt. Nur so können die Vorhaben und Projekte des Koalitionsvertrages überhaupt durch die Soziale Pflegeversicherung finanziert werden. Das Argument leerer Pflegekassen lassen wir insofern nicht gelten“, so Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbands.
Die jüngst veröffentlichte Europäische Pflegestrategie stellt fest, dass pflegende Angehörige nicht nur finanziell, sondern auch durch Schulungen, Beratung und psychologische und finanzielle Hilfen besser unterstützt werden sollten (https://awo.org/eu-pflegestrategie).
Der Ausbau von Entlastungsangeboten wie der Tages- und Kurzzeitpflege sowie flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige analog des Elterngeldes stehen jedoch weiterhin aus. Zudem sollten bürokratische Zugangswege für Leistungsbeanspruchungen wie für Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, aber auch regelmäßige gesundheitsfördernde Aktivitäten erleichtert und unterstützt werden. Um kontinuierliche und frühzeitige Hilfen zu bekommen, wäre darüber hinaus ein einheitliches und unabhängiges Beratungsangebot als Bürgerservice in kommunaler Trägerschaft nötig.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 26.09.2022
Der Bundesausschuss der Arbeiterwohlfahrt hat am Wochenende in Magdeburg die Bundesregierung dazu aufgefordert, den sozialen Zusammenhalt im Land stärker in den Blick zu nehmen.
„Es fehlen aktuell wichtige Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Landes – Das setzt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft aufs Spiel“, erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt. „Wir können nicht akzeptieren, dass vor dem Hintergrund der Schuldenbremse der soziale Bereich kaputt gespart wird. Die Schuldenbremse ist ökonomischer Unfug und muss abgeschafft, mindestens aber ausgesetzt werden. Der Staat muss antizyklisch handeln können“, so Groß.
Zusätzlich hält die AWO vor dem Hintergrund der wachsenden sozialen Aufgaben ein festes, prozentuales Ziel vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) für Verteidigungsausgaben für falsch und befürchtet, dass so weitere Kürzungen begründet werden sollen. Während die Bundesregierung sich für Verteidigungsausgaben das Ziel von 2% am BIP gesetzt hat, befürchtet die AWO massive Kürzungen in sozialen Bereichen – von der Arbeitsmarktförderung bis zur Migrationsberatung.
Viele Menschen erleben täglich stark steigende Preise für Lebensmittel und Energie, sie haben Angst vor einem weiteren Auseinanderdriften unserer Gesellschaft. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung besitzen in Deutschland die reichsten 10% der Gesellschaft über 62%, die untersten 60% aber insgesamt nur etwas über 3% des Vermögens. „Jetzt Einsparungen vorzunehmen, anstatt Krisengewinner zur Kasse zu bitten, ist absurd. Die Bundesregierung muss zeigen, dass sie handlungsfähig ist, und in die soziale Infrastruktur investieren! Soziale Sicherheit und Verteidigungspolitik dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das muss auch der Bundesfinanzminister einsehen“, erklärt Groß abschließend.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 26.09.2022
Die Gleichstellungsbeauftragte des Präsidiums der Arbeiterwohlfahrt, Helga Kühn-Mengel, hat heute den zweiten verbandlichen Gleichstellungsbericht vorgestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass bereits innerhalb von vier Jahren konkrete Fortschritte hin zu mehr Vielfalt erzielt werden konnten. Dazu erklärt Kühn-Mengel:
„Der Bericht bestätigt, dass ernst gemeinte gleichstellungspolitische Vorhaben erfolgreich sind: In nur wenigen Jahren ist es gelungen, mehr Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt in der AWO in ganz Deutschland zu schaffen. So ist der Frauenanteil bei den Einrichtungsleitungen deutlich gestiegen und Gleichstellungsinstrumente werden in den Landes- und Bezirksverbänden der AWO verstärkt eingesetzt. Das macht uns stolz. Gleichzeitig sehen wir auch: Es gibt noch viel zu tun. Beispielsweise sind Frauen in Führungspositionen ab dem mittleren Management noch deutlich unterrepräsentiert – ein Hinweis darauf, dass die „Gläserne Decke“ auch hier wirkt. Das wollen und werden wir jetzt angehen.“
Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes, ergänzt: „Der Bericht ist auch ein wichtiges Signal dafür, dass wir innerverbandliche Gleichstellung mit verstärkten Kräften fortsetzen werden. Schließlich sind die Verwirklichung von Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt in den eigenen Strukturen eine wichtige Voraussetzung, um den Verband mit seinen gesellschaftlich unverzichtbaren Angeboten und sozialen Dienstleistungen zukunftsfähig aufzustellen. Grundlegende Voraussetzung dafür sind die Anerkennung und Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangslagen und Bedürfnisse der Beschäftigten und der Schutz vor Diskriminierung.“
Dafür wurden aus dem Bericht Handlungsempfehlungen abgeleitet. Dazu gehören z. B. die Stärkung der Gender- und Vielfaltskompetenz von Beschäftigten und insbesondere Führungskräften, die geschlechtergerechte und vielfaltssensible Gestaltung von Stellenausschreibungen und Auswahlverfahren sowie die Etablierung neuer Führungsmodelle wie Führen in Teilzeit und Top-Sharing.
Ein Meilenstein für die innerverbandliche Gleichstellung war der erste Gleichstellungsbericht der Arbeiterwohlfahrt. Er lieferte 2018 kurz vor dem 100-jährigen Verbandsjubiläum erstmals eine solide Datengrundlage zum Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in der AWO und erste Zahlen zur Vielfalt in der Belegschaft. Der Bericht bildete den Auftakt für eine intensive Auseinandersetzung im gesamten Verband. Mit dem 2. Gleichstellungsbericht für das Hauptamt der Arbeiterwohlfahrt setzt der Verband die Berichtserstattung fort.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 24.09.2022
Ob bei den Lebensmitteln, den Energiekosten, der Miete oder anderen Ausgabeposten: Die Preise steigen in hohem Tempo. Besonders für diejenigen, die schon vor der Krise finanziell nicht über die Runden gekommen sind, prekär Beschäftigte, arme Rentner*innen und Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen, ist die Aussicht auf Herbst und Winter äußerst düster. Viele Menschen fürchten, bald ganz ohne Heizung und Strom dazustehen oder am Ende des Monats hungern zu müssen. Die bisher von der Bundesregierung geplanten Entlastungen ändern daran wenig, sie sind völlig unzureichend. Den größten Anteil beim jüngsten Entlastungspaket hat zudem die geplante Steuerentlastung, von der der Chefarzt achtmal so stark profitiert wie die Kassiererin.
Wir fordern eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung
Das geplante „Bürgergeld“ setzt trotz kleiner Verbesserungen Hartz IV als System der Verarmung und der Angst weiter fort. Daran ändert auch die zum 1.1.2023 angekündigte Anpassung der Regelsätze an die Inflation der letzten Monate wenig. 502 statt 449 Euro für eine alleinstehende Person sollen die Menschen in der Grundsicherung über den Monat bringen. Doch das ist bei weitem nicht genug. Die Anpassung kommt viel zu spät und geht von einem kleingerechneten Ausgangswert aus, der schon jetzt nicht zum Leben reicht. Auf den Tag gerechnet steht Betroffenen so sehr wenig Geld zu, von dem sie dann Lebensmittel, Strom, Kleidung, Schuhe, Anschaffung von Möbeln, und vieles andere bezahlen sollen – sofern das Jobcenter nicht schon etwas davon für ein vorheriges Darlehen o. ä. aufrechnet. Für Lebensmittel bleiben so rechnerisch knapp 6 Euro pro Tag übrig. Dass das reicht, glauben offenbar nicht einmal die Leitungen der Jobcenter mehr, die von NRW haben schon Anfang 2022 in einem offenen Brief eine sofortige Erhöhung der Regelsätze um 100 Euro verlangt!
Wir fordern konkret:
Die Regelsätze müssen auf mindestens 678 Euro ab 2023 erhöht werden. Bis dahin ist ein sofortiger monatlicher Zuschlag von mindestens 150 Euro notwendig.
Der Strom muss zusätzlich zum Regelsatz übernommen werden.
Bei massiven Preissteigerungen muss der Regelsatz zügig angeglichen werden.
Die Wohnkosten einschließlich Heizkosten müssen für alle Grundsicherungsempfänger*innen vollständig in tatsächlicher Höhe übernommen werden.
Der Regelsatz soll das Existenzminimum sichern und Teilhabe ermöglichen. Leistungskürzungen wie zum Beispiel Sanktionen müssen deshalb ausgeschlossen werden.
Es reicht!
Das „Bündnis AufRecht bestehen“ will die Unzufriedenheit und die Wut vieler Menschen bei einem dezentralen Aktionstag unter dem Motto „Bürgergeld: Für eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung“ klar zum Ausdruck bringen. Bisher haben bereits Gruppen in Berlin, Bonn, Dortmund, Herne, Koblenz, Kaiserslautern, Münster, Oldenburg und Wolfsburg verschiedene Aktivitäten angekündigt, die vor allem am 14.Oktober stattfinden sollen. Wir sind sicher, dass noch mehr dazu kommen. Eine Übersicht, wo etwas stattfindet, gibt es hier: https://www.erwerbslos.de/aktivitaeten/792-uebersicht-ueber-bisher-geplante-aktionen-rund-um-den-aktionstag-14-10-2022
Quelle: Pressemitteilung Das Bündnis ‚AufRecht bestehen‘ vom 10.10.2022
Das Bündnis für ein „Kita-Qualitätsgesetz”, das der AWO-Bundesverband, der KTK-Bundesverband und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) tragen, stellt fest, dass die Empfehlungen zum Entwurf des Zweiten Kita-Qualitätsgesetzes (Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung) „weit hinter den Qualitätsanforderungen zurückbleiben“. Die Empfehlungen sollen am Freitag im Bundesrat beraten werden. Der Ende August veröffentlichte Entwurf der Bundesregierung beinhalte hilfreiche Ansätze, um die Qualität in der Kindertagesbetreuung bundesweit zu verbessern. Er könne aber nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem echten Qualitätsgesetz sein. Die nun diskutierten Änderungsempfehlungen aus der Länderkammer „weichen das Regierungspapier entscheidend auf“.
„Die Haltung einzelner Länder und Kommunen ist ein Rückschritt im Qualitätsdialog für eine zukunftsfähige frühkindliche Bildung”, sagt Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Donnerstag in Frankfurt a.M. „Seit Jahren hat das Qualitätsbündnis darauf gedrängt, den Fokus auf bildungspolitische Qualitätsaspekte zu legen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Bund in der kommenden Periode genau das in den Blick nehmen will”, so Siebernik weiter „Die Forderung der Länder, weiter auch in Beitragsfreiheit der Eltern statt in Maßnahmen in Handlungsfeldern von vorrangiger Bedeutung investieren zu dürfen, geht in die völlig falsche Richtung. Damit verabschieden sich einzelne Länder von der Qualitätsverbesserung.”
Auch Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des KTK-Bundesverbandes, äußert Unverständnis über die Stoßrichtung der Bundesrats-Empfehlungen. „Jetzt ist es dringend notwendig, an einem Strang zu ziehen und das System mit Investitionen in Struktur und Personal zu stabilisieren“, betont Bieber. „Und es kommt jetzt auf Hilfe an, die bei den Familien ankommt. Gerade eine bundesweit verpflichtende Staffelung der Kostenbeiträge für die Kindertagesbetreuung, wie im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen, würde viele Familien entlasten, die es in diesen Zeiten besonders nötig haben.“
„Wir fordern, dass der Bundesrat dem Gesetzesentwurf der Regierung zustimmt, ohne die Empfehlungen zu berücksichtigen”, unterstreicht Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes. „Der Entwurf ist bei weitem nicht perfekt. Es ist klar, dass wir in der frühen Bildung in einer außerordentlich kritischen Situation sind. Bis 2030 fehlen mehr als 100 000 Fachkräfte in den Kitas, der Rechtsanspruch auf den schulischen Ganztag zeichnet sich am Horizont ab und wir stellen ein enormes regionales Auseinanderklaffen in der quantitativen sowie qualitativen Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung fest. Genau deshalb müssen jetzt die Weichen für ein echtes Qualitätsentwicklungsgesetz gestellt werden”, sagt Naidu abschließend.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 06.10.2022
„Wir müssen Menschen davor schützen, dass sie wegen Schulden ihre Wohnung verlieren und auf der Straße landen. Und wir brauchen bezahlbare Wohnungen für Menschen, die in Wohnungslosigkeit geraten“, fordert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa bei der Auftaktveranstaltung zu den heute startenden Armutswochen.
Vom 17.10.2022, dem Internationalen Tag zur Beseitigung der Armut bis zum 14.11.2022, dem Welttag der Armen, ruft der Deutsche Caritasverband (DCV) gemeinsam mit seinen Fachverbänden Sozialdienst katholischer Frauen (SkF Gesamtverein) und Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) Bundesverband auf, den Blick auf die Wohn-Situation von Menschen in schwierigen Lebenslagen zu richten.
Wie hart steigende Kosten für Wohnen und Heizen in Deutschland arme Menschen treffen und wie sehr gerade sie von Wohnungsverlust bedroht sind, zeige sich aktuell besonders drastisch angesichts dramatisch steigender Energiepreise. „Die Kosten des Wohnens bergen gesellschaftspolitisches Konfliktpotenzial, gerade weil sie von allgemeiner Geldentwertung und Inflationsängsten begleitet werden. Deshalb sind schnell wirksame Maßnahmen notwendig. Wohnungswirtschaft und Gesetzgeber, Kommunen und Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Nachbarschaft können und müssen ihren Teil zur Lösung der Probleme beitragen“, unterstreicht Welskop-Deffaa. Es sei zu beobachten, dass der Kreis derer, die sich von Wohnungsverlust bedroht fühlen, größer werde: Familien und Alleinstehende mit wenig Einkommen, Rentner_innen oder gesundheitlich beeinträchtigte Personen gerieten in existenzbedrohliche Situationen.
Mehr Frauen und Kinder von Wohnungslosigkeit betroffen
„Leider steigt die Zahl der von Wohnungslosigkeit betroffenen Frauen und damit auch die Zahl der Kinder, die kein Zuhause mehr haben. Wir brauchen dringend ausreichend Mitarbeiter_innen, die präventiv beraten können, um so zu verhindern, dass Zwangsräumungen und Verschuldung zum Verlust der Wohnung führen. Hilfreich und zwingend erforderlich sind mehr Wohnprojekte und Wohnungen, die bedarfsgerechte Hilfen und Betreuungsleistungen bereits mit integrieren“, unterstreicht Renate Jachmann-Willmer, Bundesvorstand SkF Gesamtverein.
Neue Wohngemeinnützigkeit notwendig
„Neue Wohnformen und Wohnprojekte müssen verstärkt gefördert werden. Wir brauchen eine neue Wohngemeinnützigkeit, mehr genossenschaftliche Wohnformen und Bauweisen, die den sozialen Zusammenhalt stärken“, fordert Stephan Buttgereit, Generalsekretär SKM Bundesverband.
Knapper Wohnraum und steigende Mieten haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben von Menschen mit niedrigen Einkommen. Sie erleben sich nahezu chancenlos auf dem Wohnungsmarkt. Und sie müssen täglich überlegen, ob sie etwas zu Essen einkaufen können oder es für die Miete aufsparen. Denn meist geben sie ein Drittel ihres Einkommens für die Wohnkosten aus. Bund, Länder und Kommunen müssen daher entschlossen handeln, um die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, die Bereitstellung preiswerter Wohnungen für benachteiligte Menschen und die Förderung von Wohnungsgenossenschaften voranzubringen. Akteure wie die Wohnungs- und Bauwirtschaft und die Wohlfahrtsverbände müssen einen Beitrag zur Lösung des Problems leisten.
Projekte und Lösungen gegen Wohnraummangel
Deshalb stellen DCV, SkF und SKM Praxis-Projekte vor, die zeigen, wie es gelingen kann, den Wohnraummangel zu minimieren und präsentieren Lösungen für Armutsbetroffene, die den Zusammenhalt fördern.
Nicht nur für Menschen zuhause, sondern auch für Menschen im Pflegeheim werden die steigenden Preise für Energie und Grundbedarfe des täglichen Lebens in diesen Wochen zum Problem. Die Steigerungen der Personalkosten kommen als weitere Herausforderung hinzu. Der Deutsche Caritasverband sieht daher dringenden Handlungsbedarf in der Pflegepolitik. „Der Sozialstaat muss dafür Sorge tragen, dass Pflegebedürftigkeit nicht automatisch in den Sozialhilfebezug führt. Der Pflegeversicherung kommt dabei eine zentrale Aufgabe zu, für die sie dringend gestärkt werden muss,“ so Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes.
Der Caritasverband begrüßt, dass mit der von der Bundesregierung jetzt in Angriff genommenen Ausweitung der Wohngeldansprüche auch für Menschen, die in Altenheimen leben, die Wohnkosten sozialstaatlich besser abgefedert werden sollen. „Die Wohngeldreform muss so gestaltet werden, dass das Wohngeld für die Menschen in Einrichtungen der Altenhilfe einfach zu beantragen und praxisgerecht bemessen ist,“, betont die Caritas-Präsidentin. Der politische Handlungsbedarf in der Pflege sei damit aber nicht erledigt, es müssten dringend weitere Schritte folgen.
„Eine gute Lösung für die Pflege muss an mehreren Hebeln ansetzen. Wichtig wäre, dass der Bund die Kosten der medizinischen Behandlung von Pflegebedürftigen sowie die Ausbildungskosten, die derzeit über die Eigenanteile zu finanzieren sind, übernimmt.“
Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen
Die Caritas unterstützt die Idee eines Zuschusses des Bundes an die Pflegeversicherung, um die Pflegeversicherung zu entlasten: Der Bund sollte die Rentenbeiträge pflegender Angehöriger in den Bundeshaushalt übernehmen, so dass der Pflegeversicherung dieser Betrag zur Entlastung zur Verfügung steht.
Vorkehrungen für den Coronawinter
Jenseits der strukturellen Reformen in der Pflege müssen pflegepolitische Vorkehrungen getroffen werden für die nächsten Phasen der Pandemie, die längst nicht vorbei ist. Kommen im nächsten Jahr eine oder mehrere neue Infektionswellen auf uns zu, müssen Pflege-Einrichtungen, insbesondere in der Tagespflege, erneut mit Einnahmeneinbußen rechnen. Voraussichtlich werden auch zusätzliche Kosten anfallen, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen und sie zum Beispiel durch Leiharbeiterinnen oder Leiharbeiter ersetzt werden müssen.
„Auch im Coronawinter 2022/23 muss alles getan werden, um die Orte aufrecht zu erhalten, an denen die Menschen gepflegt und betreut werden. Der Schutz eines sozialen Netzes, das auch in Krisenzeiten verlässlich trägt, geht nicht zum Nulltarif,“ so der Deutsche Caritasverband.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 27.09.2022
Zum heute vorgelegten Expertenbericht des Europarats, der Deutschland gravierende Defizite beim Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt attestiert, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack am Freitag in Berlin:
„Wir fordern einen Rechtsanspruch auf sofortigen Schutz und Hilfe für alle Opfer von häuslicher Gewalt, von der vor allem Frauen betroffen sind. Das Hilfesystem muss für alle greifen, unabhängig von Geschlecht, von sexueller Orientierung, Aufenthaltsstatus, Herkunftsort oder gesundheitlicher Einschränkung.
Dafür müssen endlich bundesweit verbindliche Regelungen her, die ein breitgefächertes und bedarfsgerechtes Unterstützungsangebot sicherstellen. Dafür braucht es flächendeckend mehr Schutzräume für Betroffene und mehr Beratungsangebote. Dafür müssen aber auch zuständige Behörden wie Justiz- und Jugendämter rund um die Uhr telefonisch erreichbar sein.
Seit Jahren überfällig sind eigenständige bundesgesetzliche Regelungen für die Einrichtung von Gewaltschutzambulanzen und für bindende Mindeststandards für Länder und Kommunen. Ebenso braucht es Regelungen, um den Lebensunterhalt für von Gewalt betroffene Menschen für die Zeit ihrer Unterbringung in einer Schutzeinrichtung sicherzustellen, und zwar unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.“
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand vom 07.10.2022
Vor den abschließenden Bundestags-Beratungen am Freitag über das Stabilisierungsfondsgesetz appelliert die Diakonie, Krankenhäuser, Pflegeheime und andere systemrelevante Einrichtungen der sozialen Infrastruktur zügig von den rasant steigenden Energiekosten zu entlasten. Nach einer neuen Umfrage der Bank für Sozialwirtschaft (BfS) bringt die Kostenexplosion bereits viele Einrichtungen in Existenznöte. So rechnen fast 40 Prozent der Befragten 2022 mit einem Jahresdefizit. Mehr als 70 Prozent berichten von einer Verschlechterung ihrer Liquiditätssituation.
Dazu erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:
„Der sozialen Infrastruktur droht wegen der rasanten Inflation der teilweise Zusammenbruch. Gemeinnützige Einrichtungen können die enormen Kostensteigerungen vor allem für Energie nicht auffangen, weil sie aus rechtlichen Gründen keine Rücklagen bilden dürfen. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, damit es nicht zu irreparablen Schäden an der sozialen Infrastruktur kommt, unter denen vor allem die Schwächsten leiden würden: Alte, Kranke und Menschen mit Behinderungen.“ „Wie dramatisch die finanzielle Lage der Einrichtungen vielerorts ist, zeigt das neue Trendbarometer zur Lage in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft der BfS“, erklärt Lilie: „Die Inflation treibt die Einrichtungen in dramatische Liquiditätsengpässe. Ohne die zügige Unterstützung der öffentlichen Hand droht eine Pleitewelle, die die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung bedrohen würde. Bereits jetzt müssen dringend notwendige Investitionen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Immobilien auf Eis gelegt werden. Wenn die Politik jetzt nicht zielgerichtet und schnell handelt, wird die Rechnung für die Steuerzahlerinnen und -zahler am Ende noch sehr viel teurer werden.“
Hintergrund
Für das „Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft“ hat die BFS Service GmbH ausgewählte Vertreter*innen von insgesamt mehr als 1.000 Einrichtungen in den Branchen und Leistungsfeldern des Sozial- und Gesundheitswesens sowie der Freien Wohlfahrtspflege befragt. Die Umfrage wurde vom 16. September bis zum 6. Oktober 2022 durchgeführt.
Heute debattiert der Bundestag in erster Lesung sowohl über das Bürgergeldgesetz als auch über die Reform des Wohngeldes. Dazu äußert sich Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
„Die beiden Gesetzentwürfe bringen wichtige Verbesserungen mit sich für die leistungsberechtigten Menschen. Sie reichen aber nicht aus, um ihr Existenzminimum in diesem Winter abzusichern. Schon vor der Inflation war der Regelsatz nach wissenschaftlichen Berechnungen um 180 Euro zu niedrig, nun soll ab Januar eine inflationsbedingte Erhöhung um monatlich nur 52 Euro kommen. Einen konsequenten Bruch mit der Hartz-IV-Systematik bedeutet der vorliegende Gesetzentwurf zum Bürgergeld nicht.
Die Wohngeldreform erreicht nicht alle Haushalte, die Unterstützung brauchen. Um noch mehr Wohnungslosigkeit zu verhindern, brauchen wir schnell ergänzend ein Kündigungs- und Zwangsräumungsmoratorium für Mietwohnungen. Mittel- und langfristig führt an einer neuen, sozial ausgestalteten Wohnungspolitik kein Weg vorbei.“
Kommunen und Länder sind angesichts der Zahl ankommender Flüchtlinge in diesem Jahr stark herausgefordert. Geflüchtete Menschen müssen oftmals in Behelfsunterkünften leben. Dort haben sie weder Privatsphäre, noch können sie zur Ruhe kommen. Anlässlich des Treffens von Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit Vertreterinnen und Vertretern von Kommunen und Ländern über die derzeitige Flüchtlingslage äußert sich Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
„Menschen, die in Deutschland ankommen, entfliehen furchtbaren Gefahren für Leib und Leben. Nur in Solidarität von Bund, Ländern und Kommunen mit den Menschen, die Schutz bei uns suchen, sind diese Herausforderungen zu meistern. Geflüchtete Menschen aus der Ukraine bei uns aufzunehmen ist zudem ein deutliches Signal der Geschlossenheit an Kreml-Machthaber Putin. Eine restriktive Abschottungspolitik, in der Hoffnung, dass weniger Menschen zu uns kommen, wird nicht weiterhelfen.“
Der Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine, die Integration von Anfang an, habe zum bisherigen Erfolg geführt. Dieser Weg müsse nun konsequent weiterbeschritten und für alle anderen Menschen geöffnet werden, die in Deutschland Schutz suchen.
„Es wäre ein verpasste Chance, jetzt nicht die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Menschen, die kommen, schnell auf dem Arbeitsmarkt entsprechend ihrer Qualifikation Fuß fassen können“, so Loheide weiter. „So wird die Aufnahme geflüchteter Menschen auch zu einem Gewinn für unsere Gesellschaft. Arbeitsverbote müssen dringend abgeschafft und das Chancen-Aufenthaltsrecht schnell umgesetzt werden, damit geduldete Menschen eine klare Perspektive bekommen.“
Die schnelle Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine in das SGB II war richtig. Aus Sicht der Diakonie muss die Sicherung des Existenzminimums für alle Menschen in Deutschland gelten und das Asylbewerberleistungsgesetz gehört abgeschafft.
„Menschen, die zu uns kommen, müssen schnell in den Kommunen ankommen, statt über Monate untätig in Großeinrichtungen der Länder zu verharren“, so Loheide.
Hintergrund:
Nicht nur Länder und Kommunen, auch die Zivilgesellschaft ist herausgefordert. Die Diakonie unterstützt den Prozess des Ankommens von Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten mit über tausend Migrationsfachdiensten. Das sind bedarfsgerechte Angebote wie Psychosoziale Zentren für psychisch belastete und traumatisierte Menschen, die zunächst ihre Erfahrungen verarbeiten und gesundwerden müssen. Das ist Asylverfahrensberatung, um Schutzsuchende im Verfahren zu unterstützen, damit durch ihre gezielte Mitwirkung schnell gute Entscheidungen über ihren Schutzstatus erzielt werden können. Das sind Migrationsberatung und Jugendmigrationsdienste, die bei der Integration begleiten. Da sind Angebote der Jugendhilfe für unbegleitete Minderjährige. Dass die Bundesregierung, Länder und Kommunen diese Dienste unterstützen, ist ein wichtiges Zeichen.
Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer beriet 2021 in 280.000 Fällen und erreichte fast 500.000 Menschen und ihre Familien, hauptsächlich aus Syrien, Afghanistan, Irak, Bulgarien und der Türkei. Am 1.1.2022 gab es in Deutschland insgesamt 1.369 gemeinnützige Beratungsstellen für erwachsene Zugewanderte.
Am Tag des Flüchtlings im Rahmen der Interkulturellen Woche fordert die Diakonie Deutschland von Bund und Ländern deutlich größere Anstrengungen zur sicheren und altersgerechten Unterbringung und Versorgung von jungen Geflüchteten. Vor allem in Berlin, Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg seien die Zahlen zuletzt spürbar gestiegen, wie eine Stichprobe der Diakonie Deutschland unter Einrichtungen der Diakonie im Bundesgebiet ergab. Mittlerweile kämen täglich so viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie seit langem nicht mehr.
„Um die jungen Menschen unterbringen zu können, werden vielfach die dafür gesetzlich vorgesehenen Standards von Politik und Verwaltung nicht umgesetzt“, bemängelt Diakonie-Sozialvorständin Maria Loheide. „Hier darf keine Sparpolitik auf Kosten von Kindern und Jugendlichen betrieben werden, von denen viele traumatische Erlebnisse auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung erlebt haben. Wir müssen ihnen eine sichere Zukunft und schnelle Integration ermöglichen.“
Zusätzlich erschwert wird die Versorgung der vielen jungen Geflüchteten der Stichprobe zufolge durch den Personalmangel bei öffentlichen Stellen und Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege wie der Diakonie. „Auch hier ist die Politik gefordert, gemeinsam mit den Trägern Abhilfe zu schaffen und für eine gesicherte Finanzierung von Personalkapazitäten zu sorgen“, sagt Loheide.
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 30.09.2022
Diakonie setzt auf mehr Frauen in ihren Führungsetagen. Angestrebt wird eine verbindliche Quote von mindestens 50 Prozent in Leitungspositionen und Entscheidungsgremien. In diesem Jahr präsentiert sich die Diakonie erstmals mit einem eigenen Stand beim Karriere- und Netzwerkevent herCAREER. Die Leitmesse für Karriereplanung von Frauen findet vom 6. bis 7. Oktober 2022 in München statt.
Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland und Schirmfrau des Netzwerkes Frauen in Führung in Kirche und Diakonie (FiF): „Frauen sind in den obersten Führungsetagen der Wohlfahrtspflege mit knapp einem Drittel nach wie vor unterrepräsentiert, obwohl sie rund 75 Prozent der Mitarbeitenden ausmachen. Das darf so nicht bleiben. Es wird höchste Zeit, dass Frauen als Chefinnen zum Zuge kommen und die soziale Zukunft gestalten. Wir brauchen mehr Tempo und Ernsthaftigkeit bei diesem Thema. Deshalb machen wir uns für eine verbindliche Quote von mindestens 50 Prozent von Frauen in Gremien und Führungspositionen der Diakonie stark.“
Andrea Betz, Vorständin der Diakonie München und Oberbayern: „Bei der herCAREER gibt es unzählige Gelegenheiten, sich mit Frauen zu vernetzen, gegenseitig zu stärken und auszutauschen. Welche Karrierechancen sich für Frauen in Führungspositionen bei der Diakonie heute bieten, wird an unserem Stand sichtbar. Für eine Generation von Führungskräften, der es wichtig ist, die Zukunft positiv mitzugestalten und in einem werteorientierten Job zu arbeiten, ist die Sozialwirtschaft besonders attraktiv.“
Infos zur Messe
Die Messe herCAREER findet vom 6. bis 7. Oktober im MOC Event Center Messe München statt. Der Stand der Diakonie ist in Halle 2. Am 7. Oktober 2022 um 12.00 Uhr sprechen Maria Loheide und Andrea Betz im Auditorium.
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 07.10.2022
Am Freitag, den 7. Oktober 2022 erschien der GREVIO-Bericht für Deutschland. Bei GREVIO (Group of experts on action against violence) handelt es sich um eine Expert*innengremium des Europarats, welches die Umsetzung der Istanbul-Konvention überprüft. Ihr Ergebnis: der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt gelingt in Deutschland nicht ausreichend. „Der GREVIO-Bericht zeigt einmal mehr, dass im Bereich der Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt noch viel zu tun ist und nun der Gesetzgeber in der Pflicht ist, weitergehende Maßnahmen zu treffen, um die Vorgaben des Europarates umzusetzen,“ so die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb) Prof. Dr. Maria Wersig.
Bereits im November 2020 hatte der djb einen Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland vorgelegt. Auf Einladung des Expert*innengremiums folgte sodann ein Fachgespräch mit der Vorsitzenden der Strafrechtskommission Dr. Leonie Steinl und der stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Anne-Katrin Wolf während des Staatenbesuchs der Delegation.
Viele der zentralen Forderungen des djb haben daher auch Eingang in den GREVIO-Bericht gefunden. So sollten nach Empfehlung der Expert*innen unter anderem Schulungen für die Justiz erfolgen, die das Bewusstsein für die Dynamik von Gewalt in Paarbeziehungen schärfen. Zudem muss geschlechtsspezifische Gewalt in den Statistiken berücksichtigt und so die Datenlage verbessert werden und der Zugang zu Frauenhäusern muss auch in ländlichen Gebieten erweitert werden. Darüber hinaus fehlt es weiterhin an einem Straftatbestand, der alle Formen der psychischen Gewalt unter Strafe stellt. Auch der Aufforderung, eine staatliche Koordinierungsstelle einzurichten, ist die Bundesregierung bis jetzt nicht nachgekommen.
Die Bundesregierung sollte den Bericht zum Anlass nehmen, die Lage von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland endlich zu verbessern. Dr. Leonie Steinl, Vorsitzende der Strafrechtskommission des djb fordert daher: „Es wird Zeit, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte vorbehaltslose Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland endlich Realität wird.“
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 10.10.2022
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat im Rahmen der arbeits- und sozialrechtlichen Abteilung des 73. Deutschen Juristentages 2022 eine Stellungnahme abgegeben. „Die Lücke zwischen der durchschnittlichen Rente von Männern (1179 Euro) und von Frauen (801 Euro) ist nach wie vor erheblich. Deswegen greifen Maßnahmen zu kurz, die allein die Finanzierbarkeit der Rente in den Blick nehmen. In der Diskussion um die Zukunft der Alterssicherung bedarf es einer Gleichstellungsperspektive.“, betont die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig.
Aus Sicht des djb muss Alterssicherung zuvörderst eine öffentliche Aufgabe bleiben. „Mit der Verlagerung der Alterssicherung auf betriebliche und private Vorsorgearten besteht das Risiko, dass sich der sogenannte Gender Pension Gap weiter verschärft. Denn sie berücksichtigen Sorgearbeit weniger und enthalten keine flächendeckenden, solidarischen Elemente. Die Alterssicherung hängt dadurch noch stärker von der Wahl des Berufs, von Tarifbindung und von der Größe des Unternehmens ab.“, führt Wersig aus.
Der djb fordert weiter, die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Selbstständige, Beschäftigte in Minijobs sowie versicherungsfreie Personen wie Beamt*innen, Soldat*innen und Richter*innen auszuweiten. Außerdem bedarf es Reformmaßnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung, beispielsweise eine gleichberechtigte Aufteilung von Anwartschaften während der Ehe und nicht nur im Fall der Scheidung. Soziale Elemente – insbesondere die Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten – sind flächendeckend auszubauen.
Um eine geschlechtergerechte Alterssicherung zu erreichen, muss auch der Gender Pay Gap angegangen werden. Der djb plädiert seit Jahren dafür, Anreize im Sozial- und Steuerrecht für Erwerbstätigkeit von Frauen zu setzen und die entgegenstehenden Anreize, wie Minijobs und Ehegattensplitting abzubauen. Auch die paritätische Verteilung von Sorgearbeit sollte gesetzlich gefördert werden, z.B. indem die sogenannten Partnermonate beim Elterngeld ausgeweitet werden und der Kündigungsschutz nach der Eltern- oder Pflegezeit gestärkt wird. Zudem fehlt es noch immer an der notwendigen Infrastruktur für die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen.
Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert von Bund, Ländern und Kommunen einen stärkeren Fokus und größere Kraftanstrengungen zur Verbesserung der Situation in den Kindertageseinrichtungen in Deutschland. Dazu braucht es aus Sicht der Kinderrechtsorganisation sowohl mehr finanzielle Mittel und bundeseinheitliche Mindeststandards in der Qualität als auch eine groß angelegte Fachkräfteoffensive. Dies muss mit einer weitreichenden Verbesserung der häufig prekären Arbeitsbedingungen und dem vermehrten Bau von Kindertageseinrichtungen ebenso einhergehen wie mit einer zukunftsfähigen Weiterentwicklung der Ausbildungen pädagogischer Fachkräfte, um künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein und das Berufsfeld nachhaltig attraktiver zu gestalten. Gute Kitaangebote für alle zu schaffen und zu erhalten ist eine Daueraufgabe, die Länder und Kommunen nicht allein stemmen können. Deshalb muss das finanzielle Engagement des Bundes nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes verstetigt werden. Die im Kita-Qualitätsgesetz vorgesehenen zwei Milliarden Euro für die nächsten beiden Jahre sind hier ein guter Anfang.
„Die heute von der Bertelsmann Stiftung vorgelegten Zahlen zu fehlenden Kita-Plätzen und der an vielen Stellen mangelhaften Personalausstattung in deutschen Kitas sind keine Überraschung, sondern vielmehr ein weiteres Alarmsignal. Wenn mehr als zwei Drittel aller Kita-Kinder in Gruppen betreut werden, deren Personalschlüssel nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen entsprechen, ist das schlichtweg ein bildungspolitischer Skandal. Deutschland steuert damit sehenden Auges auf eine bildungspolitische Katastrophe zu. Schon mehrfach haben auch Kita-Fachkräfte Alarm geschlagen, da sie das Kindeswohl kaum gewährleisten können. Das darf nicht weiter mehr oder weniger achselzuckend hingenommen werden. Besonders besorgniserregend ist, dass bundesweit hunderttausende Fachkräfte fehlen, die auch nicht so einfach hervorgezaubert werden können. Hier fallen uns die Versäumnisse der Vergangenheit schmerzhaft auf die Füße und müssen schnellstmöglich durch politische Offensiven aufgefangen werden, um das Wohl unserer Kinder zu sichern“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, anlässlich der Veröffentlichung des „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme 2022“ der Bertelsmann Stiftung.
„Bereits im letzten Jahr hatte die Bertelsmann Stiftung festgestellt, dass eine kindgerechte Personalausstattung und zugleich ausreichend Plätze in allen Kitas in diesem Jahrzehnt nicht mehr zu realisieren sind. Dieser Personalmangel wird sich durch den Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung für Grundschulkinder weiter verschärfen. Es muss also eine massive Erhöhung derjenigen Mittel erfolgen, die zielgerichtet in die Ausbildung von Erzieherinnen und Erzieher, aber auch in die Gewinnung und Qualifizierung neuer Fachkräfte investiert werden müssen“, so Hofmann weiter.
„Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn elementare Rechte wie das Recht auf Partizipation im Kitaalltag kaum Berücksichtigung finden. Von einer flächendeckenden Mitbestimmung von Kindern in Kindertageseinrichtungen als wesentlichem Qualitätsfaktor sind wir noch weit entfernt. Deshalb sollte auch hier ein Schwerpunkt der weiteren Arbeit in den Kitas gesetzt werden, denn so können die Potentiale der Kinder besser gefördert und wichtige Akzente in der dringend notwendigen Weiterentwicklung der Demokratieförderung gesetzt werden. Kitas sind prädestiniert dafür, zu Lern- und Erfahrungsorten für Kinderrechte zu werden“, so Holger Hofmann.
Zur Unterstützung der Demokratiebildung in Kita, Hort und Ganztag betreibt das Deutsche Kinderhilfswerk die Website www.kompetenznetzwerk-deki.de. Auf dieser Seite präsentiert das im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ geförderte Kompetenznetzwerk „Demokratiebildung im Kindesalter“ sich und seine Arbeit und bietet vielfältige Informationsangebote für Fachkräfte der frühkindlichen Bildung und Erziehung. Auf der Website finden die Besucherinnen und Besucher umfangreiche Informationen, Empfehlungen und praxisbezogene Tipps rund um das Thema Demokratiebildung im frühkindlichen und Primarbildungsbereich. Verantwortlich für die Website sind das Deutsche Kinderhilfswerk und das Institut für den Situationsansatz (ISTA) als Träger des Kompetenznetzwerkes. Dieses wird unter dem offiziellen Fördertitel „Kompetenznetzwerk Frühkindliche Bildung und Bildung in der Primarstufe“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 20.10.2022
Das Deutsche Kinderhilfswerk mahnt anlässlich der Herausgabe einer Festschrift zum 50. Geburtstag der Kinderrechtsorganisation nachdrücklich eine kindgerechtere Gesellschaft an. Auch wenn es in letzten Jahren und Jahrzehnten einige Fortschritte in diese Richtung gegeben hat, ist es weiterhin notwendig, Kinderinteressen in Deutschland mehr Geltung zu verschaffen. „Das Übergehen von Kinderinteressen, die Schließung von Spielstraßen, die Verwahrlosung oder der Rückbau von Kinderspielplätzen, Klagen gegen Kinderlärm oder Restaurants und Hotels, in denen Kinder keinen Zutritt haben, sind Anzeichen einer kinderentwöhnten und an manchen Stellen sogar kinderfeindlichen Gesellschaft“, betonen Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes und Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Die Festschrift versammelt Akteurinnen und Akteure, die mit ihrer Arbeit dazu beitragen, Deutschland kindgerechter zu gestalten und den Rechten und Interessen von Kindern langfristig zu der ihnen zustehenden vorrangigen Berücksichtigung zu verhelfen. Dabei geht es in den Beiträgen u.a. von Klaus Hurrelmann, Christoph und Carolin Butterwegge, Thomas Rauschenbach, Lothar Krappmann, Ingrid Paus-Hasebrink und Aladin El-Mafaalani beispielsweise um die wirtschaftliche und soziale Teilhabe aller Kinder, ihre stärkere politische Beteiligung auf allen föderalen Ebenen, um kulturelle Bildung, die Entwicklung kinderfreundlicher Spiel- und Entwicklungsräume sowie Demokratieförderung und Medienbildung.
„Die Zukunft hält Herausforderungen bei der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland bereit, für die es noch mehr Kraft, noch mehr Ausdauer, neue Ideen, vor allem ganz offensichtlich einen konsequenteren und breiteren gesellschaftlichen Rückhalt braucht. Nach wie vor lebt beispielsweise eine Vielzahl von Kindern in unserem Land alltäglich mit armutsbedingten Belastungen und Einschränkungen – mit weitreichenden Auswirkungen für ihre Zukunft! Noch immer warten wir auf eine verfassungsrechtliche Absicherung von Kinderrechten in unserem Land – 30 Jahre, nachdem die Bundesrepublik sich dazu verpflichtet hat, alles Notwendige zu tun, um Kinderrechten zur Umsetzung zu verhelfen! Bei allem für Kinder Erreichten bleibt doch noch sehr viel zu tun, um die Umsetzung von Kinderrechten in Deutschland so konsequent zu gewährleisten, wie es uns die UN-Kinderrechtskonvention vorgibt“, so Thomas Krüger und Anne Lütkes weiter.
Die Festschrift „Kinderrechte in Deutschland – Interdisziplinäre Perspektiven auf Errungenschaften und Herausforderungen kinderrechtlicher Arbeit in Deutschland“ erscheint unter der ISBN 978-3-96848-065-7 im Kopaed Verlag und kostet 18 Euro.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 28.09.2022
Das Deutsche Kinderhilfswerk begrüßt anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte nachdrücklich die geplante Absenkung der Altersgrenze bei Europawahlen auf 16 Jahre. Mit der Absenkung nimmt der Bundestag eine wichtige Chance zum Ausbau der Partizipationsrechte von Jugendlichen wahr. Gerade angesichts des aktuellen demografischen Wandels ist eine Stärkung der Beteiligungsrechte für junge Menschen ein entscheidender Faktor für eine zukunftssichere Gesellschaftspolitik, die mittelfristig auch eine Absenkung des Wahlalters für weitere Volksvertretungen nach sich ziehen sollte.
„Die Absenkung der Altersgrenze bei Europawahlen auf 16 Jahre ist mehr als überfällig. Damit werden die Partizipationsrechte von voraussichtlich 1,4 Millionen Jugendlichen gestärkt. Kinder und Jugendliche verfolgen gesellschaftliche Prozesse sehr aufmerksam, fühlen sich jedoch mit ihren Interessen und Bedürfnissen nicht berücksichtigt und zu einem großen Teil von den politischen Parteien nicht vertreten. Dabei sind gerade sie diejenigen, die am längsten von heute getroffenen politischen Entscheidungen betroffen sein werden. Die Absenkung des Wahlalters bei Landtags- und Kommunalwahlen in zahlreichen Bundesländern hat gezeigt, dass unsere Demokratie von der politischen Partizipation von Jugendlichen durch das Wahlrecht profitiert. Um die Interessen von Kindern und Jugendlichen stärker in politische Entscheidungsprozesse einzubinden, tritt das Deutsche Kinderhilfswerk dafür ein, die Wahlaltersgrenze auf allen Ebenen, also von der Europa- bis zu den Kommunalwahlen, zunächst auf 16 Jahre und in einem zweiten Schritt auf 14 Jahre abzusenken“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Neben einer Absenkung des Wahlalters braucht es nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes zudem eine Stärkung der Beteiligungsstrukturen in Kita, Schule und Jugendhilfe, sowie einen Ausbau kommunalpolitischer Beteiligungslandschaften, etwa durch Kinder- und Jugendparlamente mit verbindlichen Beteiligungskonzepten und Mitwirkungsrechten. So wie Mitwirkungsinitiativen vor allem dort funktionieren, wo es eine Begleitung durch Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe gibt, sollte ein Wahlrecht für Jugendliche zu einer Kultur der Demokratiebildung führen, die eine Legitimation unseres demokratischen Systems nachhaltig stärkt.
Zum Thema Wahlalter hat das Deutsche Kinderhilfswerk die Broschüre „Absenkung des Wahlalters – Eine Auseinandersetzung mit Argumenten gegen eine Absenkung der Altersgrenzen bei politischen Wahlen“ veröffentlicht. Die Publikation fasst die gängigen Argumente gegen eine Absenkung des Wahlalters aus den zahlreichen Debatten zusammen und stellt entsprechende Fachbeiträge zur Seite, welche die Gegenargumente insbesondere aus kinderrechtlicher Perspektive entkräften. Dabei wird beispielsweise dem Argument begegnet, dass die Absenkung des Wahlalters negative Folgen für die Demokratie habe und zu einer Stärkung der Parteien an den extremen politischen Rändern führe. Ein weiterer Beitrag tritt der Behauptung entgegen, dass Jugendliche aufgrund von noch nicht voll entwickelten kognitiven Fähigkeiten, die Verantwortung, die mit einer Teilnahme an Wahlen einhergeht, nur unzureichend wahrnehmen könnten. Die Broschüre kann beim Deutschen Kinderhilfswerk im Online-Shop bestellt werden oder steht unter www.dkhw.de/Argumentationshilfe-Wahlalterabsenkung zum kostenlosen Download bereit.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 22.09.2022
Vielseitige Ferienangebote im Berliner Familienportal
Bunt wie ein Herbstwald werden auch die Ferien in Berlin! Kids & Co. erwartet ein großes Programm mit kreativen Workshops, coolen Museumsbesuchen und spannenden Ausflügen in die Natur.
„Süßes, sonst gibt´s Saures!“ heißt es am 31. Oktober, wenn zu Halloween Hexen und Vampire durch die Straßen geistern. Zahlreiche Kultur- und Freizeiteinrichtungen bieten Gruselspaß für die ganze Familie. So können Kids im Museum für Kommunikation schaurige Masken basteln oder im FEZ mit dem Halloween-Express durch den Geisterwald fahren und danach mit Stockbrot am Lagerfeuer sitzen.
Noch mehr Event-Tipps gibt es in den Herbstferien-News und im Veranstaltungskalender des Berliner Familienportals. Ganz einfach nach Bezirk, Tag oder Zeit filtern und aus zahlreichen Events das passende heraussuchen.
Umsonst ins Schwimmbad, in den Zoo oder Tierpark gehen und viele Preisvorteile bei einer großen Auswahl an Herbstferienangeboten genießen: So richtig günstig wird es für Familien mit dem Super-Ferien-Pass 2022/23! Erworben werden kann er direkt beim JugendKulturService oder in vielen anderen Verkaufsstellen.
Quelle: Pressemitteilung Berliner Beirat für Familienfragen vom 18.10.2022
Anlässlich der heutigen öffentlichen Anhörung im Familienausschuss fordert der Familienbund eine stärkere Konzentration des KiTa-Qualitätsgesetzes auf zentrale Qualitätsaspekte der frühkindlichen Bildung. Es muss vor allem in qualifiziertes Personal investiert werden, um Familien in ihrem Alltag chancengerecht zu unterstützen.
„Die Betreuung unserer Kinder muss besser werden. Das neue Kita-Qualitätsgesetz bietet den Bundesländern dafür mit Mitteln des Bundes neue Möglichkeiten. Der Familienbund unterstützt das, fordert aber eine stärkere Priorisierung der wichtigsten qualitativen Handlungsfelder“, erklärte Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbundes der Katholiken.
Das Bestreben der Regierung, mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kitaqualität bundesweit einheitliche Standards zu erreichen und auf diese Weise zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung sowie bei der Vereinbarkeit beizutragen, ist ein wichtiges Zeichen für Familien und deren Lebensrealitäten. In vielen Einrichtungen gibt es laut aktuellen Studien und wissenschaftlichen Empfehlungen Verbesserungsbedarf. Aus Sicht des Familienbundes sollten vorrangig die personalorientierten Maßnahmen im Zentrum der Qualitätsentwicklung stehen, mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Fachkraft-Kind-Schlüssel sowie der Gewinnung und Sicherung von Fachkräften. Hier handelt es sich um Bereiche, in denen gegenwärtig die größten Herausforderungen mit Blick auf die Qualität der Kita-Angebote liegen.
Mit dem geplanten Auslaufen des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“ zum Ende des Jahres ist die Aufwertung der Maßnahmen zur Sprachförderung dringend erforderlich. „Das erfolgreiche Bundesprogramm hätte weitergeführt werden müssen. Jetzt muss es wenigstens um eine praktikable Übergangslösung gehen, um die mit dem Programm gewonnen Fachkräfte zu halten. Alle Kinder profitieren von einer Sprachförderung. Dies erleichtert den Schulstart, die Integration und fördert das Lernen“, führt Hoffmann aus. Die Überführung der finanziellen Förderung des Schwerpunkts Sprache und Teilhabe in das Kita-Qualitätsgesetz und damit vom Bund auf die Länder soll nach Auffassung der Bundesregierung verstetigen, was bisher in einem Sonderprogramm aufgebaut wurde. Der Familienbund fürchtet jedoch, dass die Sprachförderung im Ergebnis geschwächt wird.
Als weitere große Veränderung zum Gute-Kita-Gesetz sollen neue Beitragsreduzierungen zukünftig nicht mehr über Bundesmittel finanziert werden können. Hier sieht der Familienbund Chancen, die zusätzlichen Mittel für wirklichen Qualitätsgewinn einzusetzen. Bestehende Beitragsreduzierungen können jedoch in erheblichem Umfang weiterhin über Mittel aus dem Kitaqualitätsgesetz finanziert werden. Das kritisiert Hoffmann: „Angesichts begrenzter Mittel gibt es eine Konkurrenz zwischen Beitragsreduzierungen und Qualitätsverbesserungen. Solange Mindestqualitätsstandards nicht erreicht werden, spricht sich der Familienbund nicht für eine generelle Beitragsfreiheit, sondern für eine einkommensabhängige, Familien mit unteren und mittleren Einkommen deutlich entlastende Staffelung der Elternbeiträge aus. Eines ist dabei klar: Beiträge dürfen niemals und nirgends eine Zugangshürde zu frühkindlicher Bildung und Betreuung darstellen, Teilhabe darf gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten nicht infrage stehen.“
Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation fordert der Familienbund, die Beiträge so zu gestalten, dass Familien und Alleinerziehende diese möglichst kleinschrittig gestaffelt nach Einkommen sowie der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder entrichten können. Der Gesetzentwurf kann trotz einiger Schwächen einen wichtigen Beitrag für eine ganzheitliche, qualitativ hochwertige Ausgestaltung des Kita-Alltags leisten. Für Ulrich Hoffmann ist das ein zentrales Anliegen: „Denn eine hohe Qualität der frühkindlichen Bildung und Betreuung kommt grundsätzlich allen Kindern zugute und führt zu Chancengleichheit und Gerechtigkeit zwischen den Kindern.“
Als nächsten Schritt sieht der Familienbund die Dringlichkeit, ein echtes Qualitätsgesetz mit bundesweit verbindlichen Mindeststandards in zentralen Qualitätsbereichen zu initiieren.
Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken – Bundesverband vom 17.10.2022
Menschen mit Armutserfahrungen diskutieren auf dem 15. Treffen der Menschen mit Armutserfahrung mit Politiker:innen
„Es ist gut, wenn Politiker:innen nicht nur mit Politiker:innen oder Privilegierten reden. Menschen mit Armutserfahrung brauchen mehr Gehör. Das, und eine selbstverständliche politische und gesellschaftliche Beteiligung muss Normalität sein.“ So fasst es die Teilnehmende Erika Biehn aus Sicht von 70 Menschen zwischen 12 und 77 Jahren zusammen, die sich zum jährlichen „Treffen der Menschen mit Armutserfahrung“ in Berlin getroffen haben.
Materielle Existenzsicherung, der Klimawandel und gesellschaftliche Teilhabe standen im Mittelpunkt der Gespräche, die die Teilnehmenden mit den Bundestagsbgeordneten Kai Whittacker (CDU/CSU), Stephanie Aeffner und Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündis90/Die Grünen,) Jessica Tatti, (Die Linke) und Jens Teutrine (FDP)sowie mit Svenja Appuhn von der Grünen Jugend führten. Im Vorfeld hatte bereits ein Gespräch mit Annika Klose (SPD) stattgefunden.
„Es ist wichtig, dass Menschen mit Armutserfahrungen mitreden, wenn es um die Berechnung der Regelsatzhöhe, die Reform des Bürgergeldes oder Lösungen für die Preissteigerungen oder Mobilität geht“, so Heike Wagner und Heide Mertens vom Vorbereitungsteam. So seien die Regelsätze deutlich zu niedrig und deckten existentielle Bedürfnisse nicht ab. Die Entlastungspakete zur Energiekrise wirkten nicht zielgenau, um Menschen, die in Armut leben, ausreichend zu helfen.
„Es zeigt sich einmal mehr: Armutsbetroffene sind Expert:innen in eigener Sache. So war manchem Politiker:in nicht klar, dass es Unterschiede im SGB XII und SGB II z.B. in Bezug auf anrechnungsfreies Einkommen oder Wohnkosten gibt, die Erwerbsunfähige deutlich benachteiligen“, berichtet der Teilnehmende Kay Raasch. Auch der Vorschlag für Mitbestimmungsgremien in den Jobcentern sei interessiert aufgegriffen worden.
Die Wahl einer Vorbereitungsgruppe für das nächstjährige Treffen und anschließende gemeinsame Aktionen mit dem „Bündnis AufREcht bestehen“ zum Bürgergeld rundeten die Tagung ab.
Hintergrundinformation:
Das Treffen der Menschen mit Armutserfahrungen ist das Herzstück der Nationalen Armutskonferenz (NAK), einem Zusammenschluss von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Fachverbänden und der Selbstorganisation von Menschen mit Armutserfahrung (https://www.nationale-armutskonferenz.de/) Die Tagung findet jährlich statt. In diesem Jahr trafen sich über 70 Personen in Berlin, um gemeinsam Probleme und Lösungen im Kampf gegen Armut zu diskutieren. Die Teilnehmenden führten am Mittwoch, 13. Oktober Gespräche mit Fachabgeordneten aus dem Bereich Arbeitsmarkt und Soziales im Bundestag.
Im Gespräch schilderte Kai Whittacker (Union) die aktuellen Diskussionen über das SGB II und verwies auf seine umfangreiche und persönliche Expertise zu Armutserfahrungen. Die unterschiedlichen Freibetragsregelungen in den SGB II und XII wurden gemeinsam kritisch bewertet. Zentrales Anliegen der Union bleibt die Vermittlung in Arbeit. Den Teilnehmenden war wichtig, darüber zu informieren, dass Armut viele Dimensionen hat. Ebenso stellten sie die Problematik Wohnungsloser und von zugewanderten EU-Bürger:innen zur Diskussion, die nach ihrer Ansicht politisch nicht ernst genug genommen werde.
Stephanie Aeffner von Bündnis 90 / Die Grünen wies auf ihre eigene Erfahrung in der Selbstorganisation hin. Höhere Regelsätze und ein grundlegendes Umsteuern in der Existenzsicherung wurden als wichtige Themen der Grünen deutlich, zugleich aber auch die Grenzen der Durchsetzbarkeit in der jetzigen Regierungskoalition. Die Forderung der Armutskonferenz, in den Jobcentern Menschen mit Armutserfahrung an Entscheidungs- und Mitbestimmungsstrukturen zu beteiligen, wurden von ihr und MdB Wolfgang Strengmann-Kuhn positiv aufge-nommen. Weitere Gesprächsthemen waren nicht ausreichend gedeckte Stromkosten und komplizierte und zu umfassende Anrechnungsregelungen von Einkommen.
Jessica Tatti von den Linken machte deutlich, dass die Beteiligung von Menschen mit Armutserfahrung bei der Regelsatzentwicklung und Reformen am Existenzminimum ihrer Fraktion ein wichtiges Anliegen sei. Die am Gespräch Beteiligten waren sich einig, dass Leistungsberechtigte auch ein aktive Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht in den Jobcenterbeiräten erhalten sollten.
Im Gespräch mit dem FDP-Abgeordneten Jens Teutrine war Kinderarmut ein wichtiges Thema. Die Teilnehmenden verwiesen auf hohe Hürden und deutliche Abbruchkanten bei nur wenig steigenden Einkommen beim bisherigen Kinderzuschlag. Interessiert nahm der Abgeordnete die Schilderungen zu Trennungssituation war, die zu Mangellagen in beiden Haushalten führen. Unterschiedlich wurden Sanktionsregelungen bewertet, Gemeinsamkeiten fanden sich beim Thema Entbürokratisierung, Beschleunigung der Antragsbearbeitung und der Beteiligung von Betroffenen in Schiedsstellen.
Svenja Appuhn von der Grünen Jugend nahm im Gespräch Anregungen von teilnehmenden Kindern und Jugendlichen auf, wie sich stärker gegen Klimawandel, Unterrichtsausfall an den Schulen und mangelnde Ausstattung mit Geräten an den Schulen engagiert werden kann. Die Kinder und Jugendlichen wiesen darauf hin, dass oft schon die Frage, wer sich welchen Computer leisten kann, über eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht entscheidet.
Aufgrund der Berichterstattergespräche zum Bürgergeld konnte Annika Klose (SPD) nicht am Tagungstermin selbst Gespräche führen. Hier soll es alternative Gesprächsmöglichkeiten geben; bereits im Vorfeld hatte ein intensiverer mehrständiger Austausch mit der Armutskonferenz stattgefunden, in dem die Bürgergeldreform breit diskutiert wurde.
Quelle: Pressemitteilung Nationalen Armutskonferenz vom 14.10.2022
Ein breites Bündnis ruft am 22. Oktober in sechs Städten zu Demos für eine solidarische Krisenpolitik auf. Hilf mit, dass viele auf die Straße gehen und teile die Sharepics zur Demonstration!
Am 22. Oktober wird es in ganz Deutschland laut für eine solidarische Krisenpolitik: ver.di, GEW, Greenpeace, BUND, Attac, Campact, Paritätischer Gesamtverband, Finanzwende und Volkssolidarität unterstützt u.a. von Fridays for Future, WWF und Sanktionsfrei rufen zu Demos unter dem Motto #SolidarischerHerbst auf. In Zeiten von Inflation und Energiepreiskrise fordert das Bündnis: Soziale Sicherheit schaffen und fossile Abhängigkeiten beenden!
Die Demos starten am 22.10. um 12 Uhr in Berlin, Dresden, Düsseldorf, Hannover, Frankfurt am Main und Stuttgart.
Hier gibt es Sharepics zum Teilen passend für deine Stadt für Facebook und Instagram, Instagram-Stories oder deinen WhatsApp-Status. Klick einfach auf den jeweiligen Link und lade das Bild herunter:
Der Finanzausschuss des Bundestages berät heute in einer Anhörung über das Inflationsausgleichsgesetz. „Der Gesetzesentwurf verfehlt das Ziel, Alleinerziehende in der Infla-tion wirksam zu entlasten. Die Kindergelderhöhung wird für viele Kin-der von Alleinerziehenden erneut zum Nullsummenspiel. Wir fordern, das Zusammenspiel von Unterhaltsvorschuss und Kindergeld zu ver-bessern und zügig die geplante Steuergutschrift für Alleinerziehende umzusetzen. Denn sie brauchen eine tatsächliche Verbesserung dringend“, kritisiert Miriam Hoheisel, Bundesgeschäftsführerin des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV). Das Kindergeld wird sowohl mit den Leistungen des SGB II als auch mit dem Unterhaltsvorschuss voll verrechnet und erreicht somit viele armutsgefährdete Kinder nicht. Jedes zweite Kind in Armut wächst im Haushalt einer Alleinerziehenden auf. Bei Kindern, die Unterhalt er-halten, wird das halbe Kindergeld verrechnet. In Alleinerziehenden-Haushalten stehen somit nicht 18 Euro mehr Kindergeld zur Verfü-gung, sondern 9 oder nur 0 Euro. Um vom höheren Kinderfreibetrag zu profitieren, haben Alleinerziehende oftmals ein zu kleines Ein-kommen. Auch durch den Ausgleich der kalten Progression haben vor allem Menschen mit hohen Einkommen ein deutliches Plus. „Da-bei treffen Familien mit kleinem Einkommen und somit viele Alleiner-ziehende und ihre Kinder die steigenden Lebenshaltungspreise und Energiekosten besonders hart“, bemängelt Hoheisel. „Der VAMV fordert, das Kindergeld nur zur Hälfte auf den Unterhalts-vorschuss anzurechnen, wie beim Unterhalt. Das wäre für Alleiner-ziehende eine wirkungsvolle, dringend notwendige Entlastung. Leider hat der Bundestag gerade einen entsprechenden Antrag der Opposi-tion abgelehnt“, bemängelt Hoheisel. „Dabei hatten in der Anhörung des Familienausschusses hierzu die Sachverständigen einhellig die-se Erhöhung des Unterhaltsvorschuss befürwortet.“ „Umso wichtiger ist es, die angekündigte Steuergutschrift für Allein-erziehende zügig umzusetzen. Denn diese würde auch Alleinerzie-hende mit kleinen und mittleren Einkommen gezielt unterstützen, wenn sie gut ausgestaltet wird. Die Steuergutschrift ist im Koalitions-vertrag in einem Atemzug mit dem Sofortzuschlag genannt – das hat die Erwartung geweckt, dass auch diese schnell kommt“, betont Hoheisel.
Quelle: Pressemitteilung Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) vom 17.10.2022
Mit der diesjährigen Jahrestagung in hybridem Format setzt das Deutsche Jugendinstitut die Tradition der jährlichen wissenschaftlichen Veranstaltungen fort und schafft wiederum die Gelegenheit, neue Forschungsergebnisse zu aktuellen Fragen vorzustellen und gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Fachpraxis sowie Politik und Administration zu diskutieren.
Das Programm mit allen Informationen finden Sie hier.
Sie können sich unter folgendem Link für die Jahrestagung anmelden:
Termine: 21. November, 29. November, 6. Dezember 2022, jeweils von 9.00-13.00 Uhr
Veranstalter: evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V.
Während der Pandemie wurden alte und neue Konzepte für digitale Lehre in der Weiterbildung erprobt, verfeinert, verworfen… Wir wollen gemeinsam bilanzieren und uns auf den Weg machen: Was bedeutet das für die Zukunft der Familienbildung? Für unsere Angebote? Für unsere Fachkräfte? Für unsere Zielgruppen? Was wünschen sich Teilnehmende? Was kam gut an und soll bleiben? Wie kann die neue Präsenz in der Einrichtung gestaltet werden? Welche neuen Ideen für Digitales gibt es? Eine Frage ist hierbei: Welche Angebote entfalten sich am besten gemeinsam vor Ort, welche passen besser digital? In diesem dreiteiligen Workshop wollen wir begleitet von Impulsen durch die Workshopleitung gemeinsam und in Kleingruppen konkret an Ihrer Angebotsplanung arbeiten. Bringen Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und Ideen mit. Sollten Sie an einem der Termine verhindert sein, verabreden Sie gerne eine Vertretung aus Ihrer Einrichtung, denn wir wollen über die drei Termine hinweg miteinander im Prozess bleiben.
Workshopleiterin: Prof. Dr. Christina Müller-Naevecke, Erwachsenenbildnerin und Hochschuldidaktikerin, Beauftragte für Didaktik und Digitalisierung in der Lehre, Professur für Angewandte Pädagogik
Zielgruppe: Leitungskräfte und Hauptamtliche, sowie Fachbereichsleitungen und Multiplikator:innen in der Erwachsenen- und Familienbildungsarbeit
Weitere Informationen zur Veranstaltung und zur Anmeldung finden Sie hier.
Termine: 28.11.2022 von 16:00-17:30 Uhr (Durchlauf A) oder 18:00-19:30 Uhr (Durchlauf B)
Veranstalter: Progressiver Eltern- und Erzieher*innen-Verband (PEV) NRW e.V.
Natürlich ist alles in der Realität etwas komplexer und startet erst 2026 mit den Kindern des ersten Schuljahrgangs. Ein Ausführungsgesetz soll bis dahin in NRW die Standards und Beteiligungsmöglichkeiten bei Bildung, Betreuung und Erziehung festlegen– so steht es im aktuellen Koalitionsvertrag. Gute Absichten sind wichtig – wir wollen auch gute Ergebnisse erreichen!
Deshalb müssen bei allen Überlegungen die Interessen und Bedarfe von Kindern und ihren Familien im Vordergrund stehen. Wenn Politik und Fachverbände über Rahmenbedingungen „streiten“, müssen die Absicht und Ziele der Ganztagsbetreuung für die „Betroffenen“ benannt und zum Maßstab gemacht werden.
Weitere Informationen zur Veranstaltung und zur Anmeldung finden Sie hier.
Mit einer festlichen Abendveranstaltung am 5. Dezember werden wir das Vernetzungstreffen aller Aktiven in der gleichstellungspolitischen Szene eröffnen. Am 6. Dezember lädt ein Fachtag mit inhaltsreichen Workshops und Paneldiskussionen zum Austausch ein. Pandemiebedingt planen wir ein hybrides Format in Berlin mit Livestreams für wesentliche Teile der Veranstaltung.
Weitere Informationen zum Programm, zu den Speaker*innen und zur Anmeldung finden Sie in Kürze auf
Im Abstand von fünf Jahren erhebt das Statistische Bundesamt Einkommen und Ausgaben der Bevölkerung in Deutschland über die repräsentative Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). Diese Daten dienen unter anderem zur Ermittlung des Existenzminimums von Kindern. Davon hängt gerade in diesen Zeiten viel ab: die Höhe des Bürgergelds und Kinderzuschlags, die Höhe des steuerlichen Kinderfreibetrags und Kindergelds sowie die Höhe des Mindestunterhalts und Unterhaltsvorschusses.
Eine Reform des Sorge-, Umgangs- und Unterhaltsrechts wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Nunmehr ist eine Modernisierung des Familienrechts auch im aktuellen Koalitionsvertrag festgehalten. Der Deutsche Verein weist ausdrücklich darauf hin, dass bei den anstehenden Diskussionen um eine umfassende Reform des Familienrechts und Familienverfahrensrechts insbesondere auch auf die Fälle zu schauen ist, in denen aus unterschiedlichen Gründen die gemeinsame Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung nicht im Sinne des Kindeswohls ist oder nicht verwirklicht werden kann.
Angesichts der Gewaltbetroffenheit von Frauen als Menschenrechtsverletzung, der Handlungsaufträge der Istanbul-Konvention sowie der noch immer überwiegend ungesicherten Situation von Fachberatungsstellen und Frauenhäusern und der Zugangsschwierigkeiten für viele gewaltbetroffene Frauen zu Schutz und Beratung spricht sich der Deutsche Verein dafür aus, eine neue eigenständige Regelung auf Bundesebene zur Absicherung des Hilfesystems für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder außerhalb der bestehenden Sozialgesetzbücher zu schaffen.
Die Empfehlungen formulieren konkrete Anforderungen an ein solches Bundesgesetz. So ist dieses so auszugestalten, dass ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes Schutz- und Beratungsangebot zu vergleichbarer Qualität in Deutschland umgesetzt und gesichert wird. Voraussetzung für den Zugang zu Schutz und Beratung soll allein die Betroffenheit der Frauen und ihrer Kinder von Gewalt oder drohender Gewalt sein. Das neue Bundesgesetz soll die Regelungen für die erforderliche Beratung und Unterstützung der gewaltbetroffenen Frauen und ihrer Kinder, für die gebotene Prävention und Öffentlichkeitsarbeit sowie für die Sicherung der Unterkunft im Frauenhaus einschließlich ihrer Finanzierung umfassen. Leistungen zur materiellen Existenzsicherung für die gewaltbetroffenen Frauen sollen nicht Bestandteil des neuen Bundesgesetzes sein, sondern in den bestehenden Gesetzbüchern verbleiben.
In Deutschland gelten rund 2,2 Millionen Schülerinnen und Schüler als „bildungsarm“, denn sie verfügen zum Beispiel nicht über die Mindestkompetenzen in Deutsch und Mathematik. Die Gründe dafür sind vielfältig, und ebenso vielfältig ist diese Zielgruppe, die seit PISA vereinfachend „Risikogruppe“ genannt wird. Meist handelt es sich um Kinder und Jugendliche, die in ökonomisch prekären Verhältnissen aufwachsen, sowie Schülerinnen und Schüler aus Förderschulen.
Wer für die „Risikogruppe“ neue Zugänge im Bildungssystem öffnen und ihre Bildungschancen verbessern will, muss die realen Lebenswelten dieser Kinder, Jugendlichen und Familien genau in den Blick nehmen. Denn um wirksam zu werden, müssen sich die Interventionsstrategien auf die jeweiligen Problemlagen beziehen.
Die Autorinnen und Autoren der Publikation „Bildung im Sozialraum“ haben das mittels Interviews getan. Und sie geben dezidierte Empfehlungen, wie aus Risiken Chancen erwachsen können.
Berlin, 10.10.2022 – Das Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) feiert heute sein 20-jähriges Bestehen. Zudem hat die Mitgliederversammlung den achtköpfigen Vorstand in großen Teilen im Amt bestätigt.
Bei einem Festakt wird heute Abend auf „20 Jahre ZFF“ mit zahlreichen Gästen aus Politik und Verbänden angestoßen. Unter den Gästen ist auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus MdB.
Die Versammlung hat darüber hinaus den Vorstand in großen Teilen im Amt bestätigt. Sie wählte heute in Berlin Britta Altenkamp aus dem Bundespräsidium der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Bezirk Niederrhein erneut für weitere zwei Jahre zur Vorsitzenden.
Stellvertretende Vorsitzende sind die Kita-Fachberaterin Birgit Merkel, stellvertretende Präsidentin der AWO Region Hannover e.V. und unser neues Vorstandsmitglied Meike Schuster, Leiterin der Familienbildungsstätte des Progressiven Eltern- und Erzieher*innen-Verband NRW e. V. (PEV).
In ihrem Amt als Beisitzer*innen wurden Ines Albrecht-Engel, Mitglied im Präsidium des AWO-Bezirk Hannover e. V, Wolfgang Jörg MdL und Vorsitzender des AWO Unterbezirks Hagen-Märkischer Kreis e. V., Anita Leese-Hehmke, Mitglied im Vorstand des AWO Landesverbandes Berlin e. V., Selvi Naidu, Vorstandsmitglied des AWO Bundesverbandes e. V. und Jürgen Tautz, AWO Landesverband Sachsen e. V., bestätigt.
Wir gratulieren den Gewählten und freuen uns auf eine weiterhin hervorragende Zusammenarbeit!
Verabschieden müssen wir uns leider von unserem langjährigen stellvertretenden Vorsitzenden Dieter Heinrich. Der Geschäftsführer des Progressiven Eltern- und Erzieher*innen-Verband NRW e.V. (PEV) hat den Verband mit seinen Ideen und seiner Leidenschaft seit seiner Gründung im Jahr 2002 geprägt. Wir sagen Danke für die intensive und tolle Zeit!
Wie können wir die Arbeitswelt familienfreundlich gestalten?
Fachtagung am 11. Oktober 2022, 10.15 Uhr bis 16.00 Uhr
Hotel Aquino, Hannoversche Str. 5b, 10115 Berlin
Schon länger lässt sich die Erwerbsbeteiligung und die Übernahme von Sorgearbeit miteinander in Einklang bringen – zumindest, wenn wir der politischen Programmatik der vergangenen Jahre Glauben schenken. Dies entspricht auch dem Wunsch vieler junger Eltern: Eine Mehrheit gibt an, Beruf und Familienarbeit partnerschaftlich vereinbaren zu wollen. Die Realität zeigt allerdings, wo das Modell an Grenzen stößt. Frauen übernehmen weiter den Großteil der Sorgearbeit und gehen vielfach einer nicht existenzsichernden Beschäftigung nach. Männer kehren nach einer kurzen Elternzeit häufig in eine überlange Vollzeittätigkeit zurück.
Verschiedene Trends und Strukturen auf dem Arbeitsmarkt verstärken die Herausforderungen für eine gute Vereinbarkeit. Hierzu zählen u. a. die zunehmende Flexibilisierung, die Verdichtung des Arbeitsaufkommens oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
Aus Sicht des ZFF müssen gesellschaftliche Rahmenbedingungen, wie auch Arbeitsverhältnisse selbst, so gestaltet sein, dass Sorgearbeit als selbstverständlicher Teil von Erwerbsverläufen ermöglicht wird. Aber wie können diese Rahmenbedingungen mit Blick auf den Arbeitsmarkt ausgestaltet werden? Gemeinsam mit u. a. Prof. Dr. Bettina Kohlrausch und Teresa Bücker, wollen wir in unterschiedlichen Formaten diskutieren, wie der Weg zu einer familienfreundlichen Arbeitswelt aussehen kann.
Das ausführliche Programm und alle weiteren Infos finden Sie in der Einladung. Die Anmeldung kann hier online erfolgen. Anmeldeschluss ist der 30. September 2022.
Veranstalter: Berliner Landeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit rbb24 Inforadio
Ort: Berlin
Alexander Nöhring, Geschäftsführer des ZFF, wird neben anderen Expert*innen ebenfalls an der Diskussion teilnehmen. Wir freuen uns auf einen spannenden Abend.
Die Zahl der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen ist in Berlin sehr hoch. Fast jedes dritte Kind lebt in einer Familie, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen ist. Jedes vierte Kind unter 18 Jahren in Berlin lebt in einer Familie, die von relativer Einkommensarmut bedroht ist. Einkommensarmut hat dabei weitreichende und unterschiedliche Folgen: Die Teilhabemöglichkeiten von Kindern und ihren Familien sind erheblich eingeschränkt; ihre gesundheitliche Situation und ihre Bildungschancen werden negativ beeinflusst. Im Jahr 2021 hat die Berliner Landeskommission zur Prävention von Kinder- und Familienarmut ihren ersten Bericht vorgelegt. Die neue Bundesregierung hat sich die Einführung einer Kindergrundsicherung vorgenommen.
Vor diesem Hintergrund möchten wir fragen:
Was bedeutet es, in Berlin als Kind einer armen Familie aufzuwachsen?
Wie steht es um die Chancengerechtigkeit in den Bereichen Bildung und Gesundheit für Kinder armer Familien?
Welche Bedeutung haben der Bericht und die erarbeitete Strategie für die Berliner Politik?
Welche Faktoren spielen eine Rolle dabei, ob eine Familie in Armut lebt?
Was tut Politik in Berlin, aber auch im Bund, um Armut entgegen zu wirken und Kindern andere Wege aufzuzeigen?
Was verändert die Kindergrundsicherung für arme Kinder und Jugendliche in Berlin?
Was brauchen Kinder aus armen Familien?
Weitere Informationen sowie die Anmeldung finden Sie hier.
Anlässlich der Einigung des Koalitionsausschusses auf ein Drittes Entlastungspaket begrüßt das Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) die darin beschlossenen Maßnahmen, fordert aber eine umfassende und nachhaltige Unterstützung für arme Kinder und ihre Familien.
Der Koalitionsausschuss hat sich gestern auf ein weiteres Entlastungspaket geeinigt. Neben Maßnahmen auf dem Energiemarkt wie z.B. einer Strompreisbremse sieht dieses auch verschiedene Unterstützungsinstrumente für Familien vor. Diese umfassen insbesondere die Erhöhung von Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und die Regelsätze im Bürger*innengeld.
Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Wir begrüßen, dass Familien, v.a. auch Haushalte ohne oder mit nur geringen Einkommen, im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung mitbedacht werden. Die Ausweitung des Wohngelds hilft Familien, die steigenden Heizkosten zumindest teilweise abzufedern. Die Erhöhung des Kinderzuschlags und auch des Kindergeldes sind auf den ersten Blick gute Maßnahmen, greifen jedoch in ihrer aktuellen Systematik zu kurz. Familien im SGB-II-Bezug, Alleinerziehende oder Asylbewerberleistungsbezieher*innen gehen bei den Verbesserungen der Familienleistungen zum jetzigen Zeitpunkt vollkommen leer aus.
Hinzu kommt: Die steigenden Kosten für Strom, Lebensmittel oder dem Heizen fallen bei armen Familien besonders drastisch aus. Sie wohnen häufiger in schlecht isolierten Wohnungen, die zusammen mit stark stromverbrauchenden Geräten, wie alte Kühlschränke, die Kosten beim Energieverbrauch weiter in die Höhe treiben.“
Altenkamp ergänzt: „Es braucht eine nachhaltige Entlastung für Familien, die am meisten von steigenden Preisen betroffen sind. Für uns wäre ein dauerhafter Aufschlag von 78 Euro pro Monat und Kind der beste Weg. Dieser muss für alle Kinder und Jugendliche ausgezahlt werden, die hier aufwachsen, mit den Kinderfreibeträgen in der Steuer verrechnet, in den Sozialleistungen anrechnungsfrei gestellt werden und vollständig bei Kindern in Alleinerziehenden-Haushalten ankommen. Darüber hinaus darf die Umsetzung einer Kindergrundsicherung nicht aus den Augen verloren werden. Nur mit einer neuer Leistung, die wirklich bei allen Kindern ankommt, können wir Armut und Ausgrenzung nachhaltig bekämpfen!“
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 05.09.2022
Mit Blick auf die weiter steigende Inflation und damit der Preise vor allem für Nahrungsmittel, Verkehr und Energie fordert das Zukunftsforum Familie e. V. (ZFF) die Bundesregierung auf, in dem anstehenden dritten Entlastungspaket einen dauerhaften Kinderbonus in Höhe von 78 Euro pro Monat und Kind – dies entspricht der Höhe der derzeit willkürlich gekürzten Grundsicherungsbeträge – einzuführen, um Familien zielgenau zu unterstützen. Dieser Bonus muss gezahlt werden, bis eine angemessene Kindergrundsicherung umgesetzt ist.
Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Die Preise vor allem für Nahrungsmittel, Energie und Verkehr steigen weiter und es ist kein Ende in Sicht. Im Gegenteil: Die höheren Kosten für Gas werden erst im Herbst in den Familien zu Buche schlagen, wenn horrende Nachzahlungen anfallen und monatliche Abschläge erhöht werden. Wir begrüßen es daher sehr, dass die Bundesregierung derzeit ein drittes Entlastungspaket schnürt. Allerdings darf dabei nicht aus dem Blick geraten, wer am stärksten unter den aktuellen Preisanstiegen zu leiden hat und wer daher am stärksten unterstützt werden muss. Es sind vor allem einkommensarme Familien und Haushalte knapp oberhalb der Sozialleistungsgrenze. Bereits jetzt wissen viele Eltern schon nicht mehr, wie sie morgen noch etwas zu Essen auf den Tisch bringen sollen. Dies gilt umso mehr für Alleinerziehenden-Haushalte und Familien mit mehreren Kindern. Und dies nach Jahren der Corona-Krise mit all ihren Einschränkungen und erhöhten Kosten. Es droht eine soziale Katastrophe!“
Altenkamp ergänzt: „Ein dauerhafter Kinderbonus wäre aus unserer Sicht ein geeignetes Mittel, um jetzt schnell zu unterstützen. Dieser muss für alle Kinder und Jugendliche ausgezahlt werden, die hier aufwachsen, mit den Kinderfreibeträgen in der Steuer verrechnet, in den Sozialleistungen anrechnungsfrei gestellt werden und vollständig auch bei Kindern in Alleinerziehenden-Haushalten ankommen. Die Höhe kann sich aus dem ableiten, was Kindern und Jugendlichen derzeit in den Sozialleistungen durch willkürliche Streichungen durch den Staat vorenthalten wird: 78 Euro pro Monat und Kind. Mittelfristig muss das sozioökonomische Existenzminimum für Kinder und Jugendliche neu und realistisch bemessen werden und in der Kindergrundsicherung aufgehen.“
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 31.08.2022
Anlässlich der heutigen Übergabe des Teilberichts des unabhängigen Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf an Bundesfamilienministerin Lisa Paus fordern AWO und ZFF eine schnelle Umsetzung der Beiratsempfehlungen.
Von derzeit fast fünf Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden über dreiviertel zu Hause und überwiegend von Angehörigen versorgt. Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist damit eine der zentralen familienpolitischen Herausforderungen unserer Zeit und die Situation der pflegenden Angehörigen hat sich unter den Bedingungen der Corona-Pandemie weiter verschärft. In der Folge sind viele pflegende Angehörige – überwiegend Frauen – enormen finanziellen, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Viele Angehörige stehen dabei vor der enormen Herausforderung, diese Verantwortungsübernahme mit einem Beruf zu vereinbaren.
Kathrin Sonnenholzner, Vorsitzende des Präsidiums der Arbeiterwohlfahrt, erklärt: „Für unsere Gesellschaft ist die Pflege alter Menschen genauso wichtig wie die Betreuung und Erziehung von Kindern. Deshalb muss sie genau so in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung abgesichert werden. Die enormen Leistungen der pflegenden Angehörigen müssen anerkannt werden. Bisher passiert das nicht, denn die bestehenden Instrumente aus Pflege- und Familienpflegezeit reichen bei Weitem nicht aus, um die Vereinbarkeit von informeller Pflege und Erwerbstätigkeit zu verbessern.“
Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie e.V., ergänzt: „Die Ampelregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, diese unhaltbare Situation für pflegende Angehörige anzugehen. Mit den Empfehlungen des unabhängigen Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf liegen nun gute Vorschläge auf dem Tisch, wie die bestehenden Regelungen als steuerfinanzierte Lohnersatzleistung zusammengeführt und analog zum Elterngeld ausgestaltet werden können. Es ist dringend an der Zeit, die Reformvorschläge auf den Weg zu bringen, denn pflegende Angehörige verdienen nicht nur Anerkennung, sondern zügig zeitliche und finanzielle Entlastung.“
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 26.08.2022
Wie sieht ein sozial- und geschlechtergerechtes Elterngeld aus?
Im Podcast „Zukunft gerecht“ der FES Online Akademie diskutiert die ZFF-Referentin Lisa Sommer mit anderen Expert*innen Reformvorschläge für die Weiterentwicklung dieser wichtigen Familienleistungen: https://soundcloud.com/fesonline/familien-im-elterngeld-labyrinth
Am 20. September wird in Deutschland der Weltkindertag gefeiert. Jedes Jahr wird an diesem Tag dazu aufgerufen, die Rechte und Interessen aller Kinder ins Zentrum von Politik und Gesellschaft zu stellen.
In diesem Jahr steht der Tag unter dem Motto „Gemeinsam für Kinderrechte“. Damit soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass Kinder und Jugendliche das Recht haben, über ihre eigene Zukunft mitzuentscheiden.
Die Vorsitzende der Kinderkommission, Sarah Lahrkamp, MdB, erklärt hierzu:
„Von allen Krisen, mit denen sich unsere Gesellschaft konfrontiert sieht, sind gerade unsere Kinder stark betroffen. Corona, Ukraine-Krieg und Klimawandel sind dabei nur die aktuellsten Beispiele. In solchen Zeiten muss das in der UN-Kinderrechtskonvention verbriefte Recht von Kindern auf Beteiligung in Angelegenheiten, die sie betreffen, gewährleistet werden. Kinder und Jugendliche müssen gehört und ernst genommen werden.
Auf kommunaler Ebene funktioniert dies schon ganz gut, allerdings gibt es darüber hinaus noch großes Verbesserungspotential. Gemeinsam mit Bund, Ländern, Kommunen und der gesamten Gesellschaft muss es uns gelingen, die Rechte, Interessen und die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen noch konsequenter in politischen und alltäglichen Entscheidungen mit einzubeziehen. Nur gemeinsam mit ihnen, nicht ohne sie, ist eine zukunftsorientierte Politik möglich, es gibt noch viel zu tun.“
In Deutschland wird nicht nur am 20. September, sondern auch am 1. Juni ein Kindertag begangen. In der Bundesrepublik wird seit 1954 der von der UN ins Leben gerufene „Weltkindertag“ gefeiert, während schon in der ehemaligen DDR am 1. Juni der „Internationale Kindertag“ begangen wurde. So werden seit der Wiedervereinigung an zwei Tagen die Rechte, Bedürfnisse und Anliegen der Kinder besonders in den Blick genommen.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Bundestag vom 19.09.2022
„Gemeinsam für Kinderrechte“. Das ist das Motto des Weltkindertages am 20.09.2022. Die SPD-Bundestagsfraktion leistet mit zahlreichen Hilfen für Kinder, Jugendliche und Familien sowie einem neuen Anlauf für „Kinderrechte ins Grundgesetz“ dazu wichtige Beiträge.
Leni Breymaier, stellvertretende familien- und kinderpolitische Sprecherin:
„Nicht nur am Weltkindertag wünsche ich mir für alle Kinder „Wurzeln“ und „Flügel“. Wir geben Familien Halt, indem wir für sie Entlastungspakete schnüren und für beste Bildungschancen von Anfang an sorgen. Damit Kinder ihre Zukunftsträume leben können, kämpfen wir gerade in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten gegen Kinderarmut. Wir bahnen schon heute den Weg für eine Kindergrundsicherung, unter anderem mit deutlichen Erhöhungen beim Kindergeld. Wir kämpfen für offene und gute Kitas damit sich alle Kinder auch in Zeiten von pandemischen Herausforderungen frei entfalten können. Und wir sorgen für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen in Zeiten des Klimawandels indem wir Kurs beim Klimaschutz halten.“
Anke Hennig, zuständige Berichterstatterin:
„Es wird Zeit, dass die Union ihre politisch motivierte Blockadehaltung zur Änderung des Grundgesetzes zu Gunsten von Kinderrechten endlich aufgibt. Alle Kinder und Jugendlichen müssen einen grundgesetzlich verbrieften Anspruch darauf haben, gefördert, beteiligt und geschützt zu werden. Nur eine Grundgesetzänderung ist ein klares Bekenntnis zur vollumfassenden Umsetzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Deutschland.“
Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 19.09.2022
Anlässlich des Weltkindertages erklären Nina Stahr und Emilia Fester, Mitglieder im Ausschuss für Familie, Senior*innen, Jugend und Frauen:
Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie Mitglied im Ausschuss für Familie, Senior*innen, Jugend und Frauen:
Gerade Kinder aus Familien mit geringem Einkommen leiden besonders unter den psychosozialen Folgen der Corona-Pandemie und den steigenden Kosten für Lebensmittel und Energie. Wir haben einen konkreten Plan im Kampf gegen Kinderarmut. Wir sichern die Unterstützung aus dem ersten bis dritten Entlastungspaket über das Heute hinaus für Kinder ab. Der Kindersofortzuschlag hilft Familien mit geringem Einkommen bereits jetzt mit 240 Euro pro Jahr pro Kind. Die Kindergelderhöhung für das erste bis dritte Kind auf 237 Euro im Monat entlastet zusätzlich gezielt. Sowohl Kindergelderhöhung als auch Kinderzuschlag sind die ersten zentralen Schritte auf dem Weg zur Kindergrundsicherung, die endlich Kinderarmut wirksam bekämpfen wird. Arme Kinder sollen mit der Kindergrundsicherung endlich ihr Recht auf Teilhabe wahrnehmen können. Familien entlasten wir durch eine automatische Berechnung und Auszahlung von einem Berg an Bürokratie. Ab 2025 soll die Kindergrundsicherung ausbezahlt werden. Darin werden Kindergeld und Kinderzuschlag, Leistungen aus dem Arbeitslosengeld II und Teile des Bildungs- und Teilhabegesetzes gebündelt.
Emilia Fester, Mitglied im Ausschuss für Familie, Senior*innen, Jugend und Frauen:
Insbesondere in Krisen sind Kinder die ersten, die übersehen werden. Viel zu oft wird übersehen, dass Kinder nicht nur unsere Zukunft, sondern schon jetzt ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft sind. Deswegen müssen wir ihre Rechte endlich garantieren: Mit Kinderrechten im Grundgesetz. Kinder und Jugendliche verdienen es, im Grundgesetz eigene Erwähnung zu finden, über die Definition als Besitztum ihrer Eltern hinaus. Sie sind Individuen, brauchen besonderen Schutz, aber auch Förderung und gerechte Möglichkeiten, sich entsprechend ihrer Vorlieben und Talente zu entwickeln.
Zu den Kinderrechten zählt für uns neben Gleichheit, Gesundheit und Bildung auch und insbesondere das Recht auf Beteiligung. Deswegen setzen wir uns unter anderem für eine Absenkung des Wahlalters ein. Noch in dieser Woche werden wir im Bundestag über die Absenkung des Wahlalters auf 16 für die Europawahlen beraten. Dies kann nur ein erster Schritt sein.
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 20.09.2022
Heute ist Weltkindertag. Dazu können Sie die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Silvia Breher, wie folgt zitieren:
„Zum heutigen Weltkindertag wünsche ich mir für alle Kinder, dass sie eine echte Chance für ihre Zukunft bekommen. Kein Kind darf in Armut aufwachsen. Kein Kind darf von Bildung ausgeschlossen werden. Wir alle – Eltern, Großeltern, Politik – haben dafür zu sorgen, ihnen die bestmöglichen Startchancen zu geben. Die Ampel redet zwar viel und gern über Identitätspolitik, streicht im gleichen Atemzug aber massiv Gelder im Kinder- und Jugendbereich, wie beispielsweise im Bereich der frühkindlichen Bildung mit dem Förderstopp des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“ oder auch dem Bundesprogramm „Kita-Einstieg“. Dies ist eine Politik der Verantwortungslosigkeit und der Kurzsichtigkeit; eine Politik, die Bildungsarmut nicht bekämpft, sondern eher befördert. Die Union wird mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dafür kämpfen, diese Politik der Verantwortungslosigkeit zu beenden. Wir werden das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ retten. Denn was wir jetzt brauchen, ist eine Politik, die Kinder schützt und ihnen die Weichen für bestmögliche Startchancen im Leben stellt.“
Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 20.09.2022
Anlässlich des Weltkindertages übt der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt scharfe Kritik am gesellschaftlichen und politischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Der Verband fordert mehr politische Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und nachhaltige Investitionen in Armutsprävention, Teilhabe und Bildung. Anderenfalls werde die Zukunft ganzer Generationen auf’s Spiel gesetzt. Dazu erklärt AWO-Präsident Michael Groß:
„Wir haben von Kindern und Jugendliche in den letzten Jahren außerordentliche Anpassungsleistungen abverlangt. Die Belastungen (vulnerabler) Kinder und ihrer Familien sind zusätzlich zur Pandemie durch Krieg, Inflation und spürbare Klimakrisenfolgen noch verstärkt worden. Wir sind dabei, die Zukunft dieser Generationen zu verspielen, und nehmen in Kauf, dass sich Bildungs- und Chancengräben weiter vertiefen. Seit Jahrzehnten wissen wir, wie wichtig die Weichenstellungen in Kindheit und Jugend für ein erfolgreiches und glückliches Leben sind. Trotzdem ist jedes fünfte Kind von Armut bedroht; durch die Pandemie hat sich die Gesamtsituation weiter verschärft. Fast 3 Millionen Kinder leben hierzulande in Armut. Schulen sind marode, wichtige Förder-, Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebote werden gestrichen, die Digitalisierung wurde verschlafen und für Schulen und Betreuungseinrichtungen gibt es nach wie vor keine flächendeckenden Maßnahmen, um Kinder, ihre Familien und die in den Angeboten Beschäftigten besser vor der nächsten Corona-Welle und deren Langzeitfolgen zu schützen. Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe kämpfen mit dem Fachkräftemangel und unzureichender Finanzierung. Bundesweit fehlen bis zu 40.000 Lehrkräfte. Es braucht jetzt eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, um diesen unerträglichen Missstand zu beenden.“
Die AWO fordert daher einen grundlegenden Kurswechsel. Groß: „Der sichere Zugang zu Bildungs- und Teilhabeangeboten muss gewährleistet sein – und zwar für alle Kinder.
Ein besonderer Blick muss auf armutsbelastete Kinder, Kinder mit Behinderungen, Kinder mit chronischen Erkrankungen und deren Familien sowie auf geflüchtete Kinder und Jugendliche und ihre Familien gelegt werden. Gute Bildung in Kindertageseinrichtungen und Schulen braucht auch hinsichtlich gleichwertiger Lebensverhältnisse verbindliche Qualitätsstandards, genügend ausreichend personelle und finanzielle Ressourcen und eine gute Ausstattung, damit Bildung nicht vom Wohnort abhängt. Kinder und Jugendliche sind Expert*innen in eigener Sache. Sie sind an den Debatten zu Schließungen, (Wieder-)Öffnungen von Bildungs-, Betreuungs- und Jugendeinrichtungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zu beteiligen. Die Prozesse sind inklusiv und barrierefrei zu gestalten. Ressourcen sind dafür bereit zu stellen.
Politisches Handeln ist auf die Behebung der Probleme in der Gegenwart gerichtet. Aber gute Politik ist daran erkennbar, dass sie die Zukunft im Blick hat. Der Fokus muss darauf gerichtet sein, Kindern eine gerechte, friedliche, gesunde und nachhaltige Welt zu schaffen.“
Ende 2022 läuft das Mitte letzten Jahres initiierte Corona-Aufholpaket aus, mit dem Kinder und Jugendliche durch Angebote in den Bereichen Bildung, Sprachförderung, Freizeit und Erholung unterstützt werden. Die Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen, die schon vor Beginn der Pandemie in prekären Verhältnissen lebten und vielfältigen Benachteiligungen ausgesetzt waren, haben sich während der Pandemiejahre deutlich verschärft. “Wir sind dankbar, dass mit dem Aufholpaket Maßnahmen realisierbar waren, die Angstspiralen unterbrochen haben und jenen Zukunftsmut stärkten, den die Kinder und Jugendlichen angesichts der aktuellen Hyperkrisen leicht verlieren. Corona, Krieg, Energie- und Klimakrise führen zu gesellschaftlichen Lähmungen, gegen die so leicht kein Kraut gewachsen ist“, betont Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes.
Zukunftssorgen, Depressionen und Einsamkeitsgefühle bringen Familien ans Limit
Zusätzliche Ängste und Sorgen löst aktuell der Ukraine-Krieg aus. Die steigenden Preise bei Lebensmitteln, Strom, Gas, Schulmaterialien und Dingen des täglichen Lebens drängen vor allem Familien mit geringen Einkommen an den Rand des Existenzminimums. Der deutlich sicht- und spürbare Klimawandel lässt gerade die junge Generation an einer zukünftig auskömmlichen Lebensgrundlage zweifeln. Caritas-Beratungsstellen berichten, dass viele Kinder, Jugendliche und Familien am Limit sind.
Dauerhafte Unterstützung und akute Hilfe für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern
Neben zeitlich befristeten Bundesprogrammen und nachhaltiger finanzieller Entlastung der Familien, ist vor allem eine verlässliche und niederschwellige Infrastruktur vor Ort dringend notwendig. Familien und ihre Kinder brauchen dauerhaft Ansprechpartner, nicht nur im Rahmen einer Projektlaufzeit. Die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe, ihre Einrichtungen und Dienste, müssen gerade auch in Zeiten steigender Energie-Preise gesichert werden.
Familien in ohnehin belasteten Lebenslagen profitieren ganz besonders von den Frühen Hilfen, den Erziehungsberatungsstellen, der Schulsozialarbeit, den Kindertageseinrichtungen und der Jugendsozialarbeit. In der Pandemie erfolgreich entwickelte Projekte, wie die Bildungsbuddys der Berliner Caritas oder die Babylotsinnen, die sich in der Corona-Zeit als besonders verlässliche Ansprechpartnerinnen junger Eltern erwiesen haben, brauchen eine nachhaltige Absicherung, ebenso wie Beratungsangebote im Bereich der Suizidprävention. „Aus unserer Caritas-Onlineberatungsstelle zur Suizidprävention für unter 25-Jährige „[U25]“ wissen wir, dass der Bedarf an solchen Gesprächs- und Beratungsangeboten bei Kindern und Jugendlichen im Zuge der Pandemie weit über 30 Prozent so stark gestiegen ist, dass er aktuell nicht mehr gedeckt werden kann“, berichtet Welskop-Deffaa.
Zum Weltkindertag am 20. September appelliert die Diakonie Deutschland an Bund und Länder, jetzt zügig ein Entlastungspaket für Kinder umzusetzen.
Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Die Folgen des Ukraine-Kriegs mit stark steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen treffen insbesondere Kinder aus Familien mit kleinen Einkommen. Wenn das Geld knapp ist und nichts mehr für Bildungs- und Freizeitangebote vorhanden ist, wird es für diese Kinder immer schwerer teilzuhaben und mitzuhalten. Die von der Ampel-Koalition angekündigte Kindergelderhöhung von 18 Euro ist viel zu wenig. Kinder brauchen sofort eine ausreichende Unterstützung.“
In ein echtes Entlastungspaket für Kinder gehören aus Sicht der Diakonie Deutschland:
– eine Kindergrundsicherung, die Kindern eine faire Teilhabe ermöglicht.
– ein verlässliches Angebot für eine offene Ganztagsbetreuung mit Hausaufgabenhilfe sowie Sport-, Freizeit- und Ferienaktivitäten.
– ein gesundes kostenloses Mittagessen in allen Kitas und an allen Schulen.
– ein Familen-Sozialticket im bundesweiten Nahverkehr für 29 Euro.
Maria Loheide: „Kinder und Jugendliche, insbesondere aus einkommensarmen Familien, gehören ganz oben auf die To-Do-Listen der Regierungen in Bund und Ländern. Sie gehörten bereits zu den Hauptleidtragenden der Corona-Pandemie und sind mit am stärksten von den Preissteigerungen bei Haushaltsenergie und Lebensmitteln betroffen. Jetzt ist die Politik gefragt, ihnen eine tragfähige Brücke über den Inflations-Winter zu bauen.“
Hintergrund:
Jedes Jahr werden zum Weltkindertag in Deutschland die Rechte der Kinder ins Zentrum der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt. Grundlage ist die UN-Kinderrechtskonvention. Sie sieht unter anderem vor, dass Kinder sicher leben können, Nahrung, medizinische Versorgung und Ausbildung erhalten und mitreden dürfen, wenn über ihr Wohlergehen entschieden wird. Der Weltkindertag 2022 steht in Deutschland unter dem Motto „Gemeinsam für Kinderrechte“. Die UN begehen den Weltkindertag am 20. November. In Deutschland wird er seit 1954 am 20.September gefeiert.
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 19.09.2022
Zum heutigen Weltkindertag rufen das Deutsche Kinderhilfswerk und UNICEF Deutschland Politik und Gesellschaft dazu auf, zu ihrer Verantwortung zu stehen und sich zusammen mit Kindern und Jugendlichen für die Verwirklichung der Kinderrechte einzusetzen. Die zahlreichen aktuellen Krisen und Konflikte hätten besonders schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben und die Zukunft junger Menschen, so die beiden Kinderrechtsorganisationen. Erforderlich seien jetzt die gezielte Stärkung von Kindern und Jugendlichen, mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten sowie die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz.
Bei einer Veranstaltung vor dem Berliner Reichstag appellierten die Organisationen zusammen mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus und engagierten Kindern und Jugendlichen mit einem großen Banner und Plakaten an alle Verantwortlichen, die Umsetzung der Kinderrechte weiter gemeinsam voranzutreiben.
Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „Die Interessen der Kinder brauchen mehr Aufmerksamkeit. Wann immer es um Kinder geht, muss ihr Wohl im Mittelpunkt stehen. Ihre Interessen gegenüber dem Staat sollen bei allen Entscheidungen, die sie betreffen, gestärkt werden: bei Behörden- und Gerichtsentscheidungen bis hin zum Bundesverfassungsgericht. Deswegen ist es unser Ziel, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben deutlich schlechtere Chancen auf eine gesunde Entwicklung, auf gute Bildung und auf soziale Teilhabe. Kinder von armen Eltern sind später viel häufiger selbst arm als Kinder aus besser gestellten Familien. Das ist ungerecht. Deshalb setze ich mich gegen Kinderarmut ein – beispielsweise mit dem Nationalen Aktionsplan ‚Neue Chancen für Kinder in Deutschland‘, mit einer besseren Vereinbarkeit von Familien und Beruf und mit der Kindergrundsicherung.“
Georg Graf Waldersee, Vorstandsvorsitzender UNICEF Deutschland: „Angesichts multipler Krisen gilt es zu unserer Verantwortung zu stehen, uns entschlossen für Kinder und ihre Rechte einzusetzen und unseren Blick ganz gezielt auf die Interessen und das Wohl von Mädchen und Jungen in Deutschland zu richten. Immer mehr Kinder und junge Menschen fordern ihre Rechte ein und möchten mit eigenen Ideen ihre Zukunft gestalten. Stellen wir sicher, dass wir ihnen zuhören, sie unterstützen und ihrem Anspruch auf Partizipation entsprechen! Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist eine große Chance. Sie wird uns alle und unsere Gesellschaft insgesamt weiterbringen. Die Probleme unserer Zeit können wir nur gemeinsam angehen und lösen.“
Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes: „Wir müssen bei der Verwirklichung der Kinderrechte in Deutschland endlich entschiedener vorwärtskommen. Beispielsweise durch Kinderrechte im Grundgesetz. Aber auch die Bundesländer und die Kommunen sind gefragt, hier braucht es ein gemeinsames Agieren aller föderaler Ebenen. Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz fordert übrigens auch die große Mehrheit der Menschen: Laut repräsentativer Umfrage für den Kinderreport des Deutschen Kinderhilfswerkes in diesem Jahr halten 94 Prozent der Kinder und Jugendlichen die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz für sinnvoll, um die Interessen der jungen Generation zukünftig besser zu berücksichtigen, bei den Erwachsenen sind es immerhin 84 Prozent. Die Zeit ist also reif!“
Bundesweite Aktionen zum Weltkindertag
Unter dem Motto „Gemeinsam für Kinderrechte“ finden heute erstmals nach zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen wieder bundesweit in vielen Städten und Gemeinden Demonstrationen, Feste und andere Veranstaltungen für Kinder und Familien statt. Zahlreiche Vereine und Initiativen möchten so auf die Lage von Kindern und Jugendlichen aufmerksam machen.
Zum Weltkindertag stellt UNICEF Deutschland die Perspektive von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt. Bei der kreativen Mit-Mach-Aktion „Kinder erobern die Straßen“ bringen junge Menschen mit bunten Kreidebildern auf Straßen, auf Bürgersteigen und in Garageneinfahrten ihre Anliegen zum Ausdruck. Eltern, Nachbar*innen und Passant*innen können die Zeichnungen der Kinder fotografieren und unter dem Aktions-Hashtag #wiestarkwäredasdenn in den sozialen Medien posten. Auch bei der Social-Media-Aktion „#GenZukunft – Make some Noise“ stehen die Forderungen der jungen Generation nach einer lebenswerten Zukunft, Chancengerechtigkeit und Klimaschutz im Zentrum. Unterstützt werden beide Aktionen von zahlreichen prominenten Fürsprecher*innen, wie Fußballprofi Julian Draxler sowie der Band Glasperlenspiel.
Das Deutsche Kinderhilfswerk feiert den Weltkindertag mit einem großen „Kinderrechte-Spezial“ für Kinder in ganz Deutschland. Und das für einen ganzen Monat: Auf der Kinderinternetseite www.kindersache.de/weltkindertag können Kinder und Jugendliche seit Anfang September in vielen interessanten Artikeln und anschaulichen Videos Neues über ihre Rechte lernen oder ihr Wissen vertiefen, zum Beispiel bei einem neuen Kinderrechte-Fotoquiz oder mit der Videoreihe „Kinder fragen – Expert*innen antworten“. Zudem können die Nutzer*innen tolle Teilhabe-Projekte von anderen Kindern und Jugendlichen kennenlernen und sich im Friedensraum #GemeinsamFürFrieden austauschen, sich inspirieren lassen und eigene Friedensaktionen vorstellen.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk und UNICEF Deutschland vom 20.09.2022
Anlässlich des Weltkindertags stellt der Kinderschutzbund gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus seine Kampagne „Gewalt ist mehr, als Du denkst“ vor. Psychische Gewalt wird oftmals bagatellisiert oder gar nicht erst wahrgenommen. Der Kinderschutzbund möchte aufklären.
„Wer sein Kind tagelang ignoriert, es von seinen Freundinnen oder Freunden isoliert oder es demütigt, der übt Gewalt aus. Vielen Menschen ist das nicht bewusst, aber: Das Recht auf gewaltfreie Erziehung erschöpft sich eben nicht im Verzicht auf körperliche Bestrafungen“, so Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbunds.
Der Kinderschutzbund wird deshalb in diesem und im Jahr 2023 seinen Schwerpunkt auf die Aufklärung über psychische Gewalt legen.
„Seelische Verletzungen gehören leider für viele Kinder zum Alltag, sei es im Elternhaus, aber auch in Kita oder Schule. Gewalt schafft aber keine Einsicht bei Kindern, sondern demonstriert, wer der Stärkere ist“, so Hilgers weiter.
Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung – so steht es seit 2000 im Bürgerlichen Gesetzbuch. Die Bundesregierung möchte noch einen Schritt weitergehen und die Kinderrechte in die Verfassung schreiben.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus : „Kinderrechte müssen immer im Vordergrund stehen, an jedem Tag im Jahr. Das gilt erst recht für Krisenzeiten. Leider haben wir während der Pandemie gerade erst erlebt, dass dies nicht automatisch der Fall ist. Deshalb ist es unser Ziel als Ampelregierung, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern und uns dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention zu orientieren. Es geht dabei um eine umfassende Stärkung der Interessen von Kindern gegen entgegenstehende staatliche Interessen. Kinder dürfen beispielsweise in der Bau- und Verkehrsplanung oder in der Haushaltspolitik nicht einfach hinten herunterfallen. Kinderrechte sind kein nice-to-have: sie zu achten und bestmöglich zu verteidigen, ist für mich nicht verhandelbar.“
Alle Informationen zur Kampagne des Kinderschutzbundes finden Sie auf kinderschutzbund.de.
Quelle: Pressemitteilung Kinderschutzbund – Bundesverband e.V. vom 20.09.2022
Zum Kabinettsbeschluss zur Einführung eines Bürgergeldes erklärt der Sprecher für Bürgergeld der FDP-Fraktion Jens Teutrine:
„Mit der Bürgergeldreform passen wir das Grundsicherungssystem an die aktuellen Herausforderungen des Arbeitsmarktes an. Ziel der Bürgergeldreform ist ein Sozialstaat, der nicht nur Bedürftigkeit versorgt, sondern Chancen schafft, sich von der Abhängigkeit von Sozialleistungen zu befreien. Wir machen die Grundsicherung unbürokratischer, schaffen mehr Fairness und Leistungsgerechtigkeit. Mit der Abschaffung des Vermittlungsvorrangs, dem Weiterbildungsgeld und Bürgergeldbonus setzen wir in Zeiten von Fachkräftemangel echte Anreize zu Weiterbildung und Qualifikation. Mit besseren Hinzuverdienstmöglichkeiten für Erwachsene oberhalb der Minijob-Grenze setzen wir Arbeitsanreize, damit sich Arbeit und die Ausweitung der Arbeitsstunden lohnt. Einkünfte aus Minijobs von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bedarfsgemeinschaften werden künftig nicht mehr angerechnet. Damit schaffen wir eine der leistungsfeindlichsten Ungerechtigkeiten des Sozialstaats ab.
Das Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen durch die Hintertür. Das Prinzip Fördern und Fordern bleibt bestehen. Wer nicht zu Terminen im Jobcenter erscheint oder Mitwirkung verweigert, muss auch im Bürgergeld mit Leistungsminderungen von bis zu 30 Prozent rechnen. Es gibt keine sanktionsfreie Zeit, denn Terminverletzungen werden auch während der sogenannten Vertrauenszeit sanktioniert. Das ist eine Grundvoraussetzung für die nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt. Mitwirkungspflichten im Rahmen der eignen Möglichkeiten sind ein Gebot der Fairness gegenüber denjenigen, die mit ihren Steuerzahlungen unseren Sozialstaat finanzieren. Beim neuen Bürgergeld wird auch künftig die jährliche Erhöhung präzise auf Basis Inflation berechnet – aber nicht mehr erst bis zu 1,5 Jahre später. Statt mehr Umverteilung, wie es sich einige wünschen, gibt es eine faire Anpassung an die Inflation.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 14.09.2022
SPD verabschiedet sich endgültig von ihren Wurzeln als angebliche Arbeiterpartei
Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Bürgergeldgesetzes beschlossen. Dazu erklärt der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Stephan Stracke:
„Das Bürgergeld sorgt dafür, dass Nichtarbeit deutlich attraktiver wird. Das ist eine Respektlosigkeit gegenüber den Arbeitslosen und den Steuerzahlern, die mit ihren Beiträgen das Solidarsystem finanzieren. Das bewegt sich in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Die Ampel will mit dem Bürgergeld das Schonvermögen für Langzeitarbeitslose sowie die Regelsätze erhöhen und in den ersten sechs Monaten des Leistungsbezugs eine sogenannte „Vertrauenszeit“ einführen, in der es faktisch keine Sanktionen und keinen Vermittlungsdruck geben wird.
Es ist bei rund 2 Millionen offenen Stellen absurd, wenn Nichtarbeit immer attraktiver gemacht wird anstatt alles daran zu setzen, die Leute wieder in Arbeit zu bringen. Ohne Not wird der bewährte Grundsatz von Fördern und Fordern geschwächt. Die SPD verabschiedet sich mit diesem Entwurf endgültig von ihren Wurzeln als angebliche Arbeiterpartei.
Unser Ansatz war und ist es, die Menschen schnell wieder in Arbeit zu vermitteln und diese vorrangig im Betrieb weiter zu qualifizieren. Damit waren wir in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich. Unter der unionsgeführten Bundesregierung haben wir die Arbeitslosigkeit seit 2005 halbiert. Die Erfahrung zeigt: Je schneller die Vermittlung erfolgt, desto einfacher ist es, die Leute wieder in Arbeit zu bringen.“
Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 14.09.2022
„Die Ampel löst ihr vollmundiges Versprechen nicht ein, Hartz IV zu überwinden. Zwar finden sich im Gesetzentwurf Licht und Schatten, das Wichtigste aber fehlt: eine ehrliche Bemessung und Erhöhung der Regelsätze“, erklärt Jessica Tatti, arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, mit Blick auf das Bürgergeld-Gesetz, das heute im Bundeskabinett auf den Weg gebracht wurde. Tatti weiter:
„Die Erhöhung der Regelsätze um 50 Euro ist zwar besser als nichts. Das ist jedoch keine Wohltat der Regierung, sondern gleicht lediglich die Inflation dieses Jahres aus. Die miese Kleinrechnerei beim Regelsatz geht einfach weiter. Die Erhöhung ist viel zu niedrig und lässt Menschen in Hartz IV bis Januar total im Stich. Es ist auch schon jetzt klar, dass die Preise im kommenden Jahr stark weiter ansteigen werden. Trotz Regelsatzerhöhung bleibt es somit bei einem massiven Kaufkraftverlust für die Betroffenen. Wir fordern einen ehrlich berechneten Regelsatz von 687 Euro.
Im Gesetzentwurf finden sich einige positive Ansätze, etwa die zweijährige Übergangsfrist für Wohnungskosten und Vermögen. Das sind gute Nachrichten für Neu-Antragsteller, bringt aber denen nichts, die schon länger in Hartz IV sind. Auch den Verzicht auf das Eintreiben kleiner Rückforderungen begrüßen wir – schließlich setzt die Ampel damit alte Forderungen der Linksfraktion um. Dagegen will die Ampel weiterhin Sanktionen verhängen, die für die Betroffenen ein Leben unter dem Existenzminimum bedeuten. Das ist ein Armutszeugnis und widerspricht massiv dem Gerede von Augenhöhe und Respekt. Die Ampel betreibt eine Politik der sozialen Kälte. So wird Hartz IV nicht überwunden, sondern Armut zementiert.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 14.09.2022
Heute hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Einführung eines Bürgergeldes beschlossen. Die dort vorgenommene Anpassung der Regelsätze an die Preisentwicklung zum 1. Januar 2023 ist jedoch laut Arbeiterwohlfahrt unzureichend und komme zu spät, um die aktuelle Teuerung der Lebenshaltungskosten auszugleichen. Dazu erklärt AWO-Präsident Michael Groß:
„Es ist ein erster Schritt, dass ab kommendem Jahr die Miete für die ersten beiden Jahre im Bezug übernommen wird. Gerade im derzeitigen Wohnungsmarkt dürfen Menschen nicht auch noch vor den drohenden Wohnungsverlust gestellt werden. Für eine wirkliche Entlastung hätte es aber eine deutliche Erhöhung der Regelsätze gebraucht. Die rund 50 Euro mehr für alleinstehende Erwachsene klingen nur auf den ersten Blick viel, denn angesichts der schon zuvor zu niedrigen Regelsätze und der derzeitigen Inflation wird damit gerade einmal so die Teuerungsrate ausgeglichen. Das reicht hinten und vorne nicht aus, um Menschen und ihre Familien bei existenzieller Not zu entlasten. Das Bürgergeld in seiner jetzigen Form ist nicht die grundlegende Reform, die es gebraucht hätte, um eine Abkehr von Hartz IV ernsthaft umzusetzen.“
Der Verband kritisiert zudem, dass das so oft betonte Prinzip von Vertrauen im Gesetzentwurf nicht wirklich konsequent und durchgehend umgesetzt werde: „Die überwältigende Mehrheit der Leistungsbeziehenden möchte kooperieren und einen Weg in den Arbeitsmarkt finden“, so Groß, „Im vorliegenden Entwurf sind bisher nur erste Schritte erkennbar, die unbedingt noch stringenter ausgearbeitet werden müssen.“
Den Vorwurf, die Erhöhung der Regelsätze benachteilige Arbeitnehmende, weist der Verband hingegen zurück. „Statt eine Neiddebatte nach unten anzufachen, sind die Arbeitgeber in der Pflicht, über Gehaltsstrukturen nachzudenken, die Menschen ermöglichen, von ihrer Arbeit gut zu leben. Alles andere sind Nebelkerzen“, so Groß abschließend.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 14.09.2022
Nach einem Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sollen mit dem geplanten Bürgergeld die Regelsätze in der Existenzsicherung zum 1. Januar 2023 steigen. Für alleinstehende Erwachsene soll der Betrag monatlich 502 Euro betragen und damit 50 Euro höher liegen als der Hartz IV-Satz. Dazu erklärt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
„Die Regelsatzanpassung hinkt bereits jetzt den aktuellen Kostensteigerungen hinterher. Es ist zwar ein großer Fortschritt, dass zukünftig die voraussichtliche Preisentwicklung im Laufe des Jahres Maßstab für die jährliche Anpassung im Januar sein soll. Bisher wurde mit Blick nach hinten angepasst. Allerdings darf es bei der Umstellung keine Lücke geben. Die rückwirkende Anpassung auf Grund der Preisentwicklung 2022 darf nicht ausfallen, sondern muss ebenfalls nachvollzogen werden. Damit wären im Januar nicht 52 Euro, sondern rund 100 Euro mehr im Monat nötig.“
Loheide zufolge reicht es nicht aus, die jährliche Inflations-Anpassung der Regelsätze zu verändern: „Auch die Berechnungsmethode für das Existenzminimum muss der Realität angepasst werden. Für Erwachsene liegt der Regelsatz wegen unsachgemäßer Abzüge derzeit mindestens um 180 Euro und für Kindern um über 70 Euro zu niedrig. Die bisherige Berechnungsmethode muss mit dem neuen Bürgergeld ebenfalls korrigiert werden. Maßstab muss der tatsächliche Bedarf der Menschen sein.“
Das heute im Bundeskabinett beschlossene Bürgergeld setzt auf Vertrauen und nimmt viel Druck. Bei der Ermittlung der Höhe des Bürgergeldes ist jedoch auf eine realistische und an die Lage angepasste Berechnung zu setzen.
Berlin, 14. September 2022 –„Das geplante Bürgergeld gibt der Grundsicherung einen neuen Charakter: Anreize statt Drohungen, Hilfe statt Demotivation, Weiterbildung statt schnellstmöglicher Vermittlung in prekäre Jobs: Hier setzt das Bürgergeld ganz wichtige Punkte. Vor allem wird damit ein berechtigter Vertrauensvorschuss gewährt. Der grundsätzliche Wegfall der Sanktionen in den ersten Monaten wird hoffentlich zu einer besseren Zusammenarbeit von Leistungsempfänger*innen und Mitarbeitenden in den Jobcentern beitragen,“ erklärte Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbundes der Katholiken heute vor der Diskussion im Kabinett.
Der Familienbund begrüßt, dass Sanktionen nur noch als Ultima Ratio eingesetzt werden sollen. Studien zeigen hier seit vielen Jahren, dass Sanktionen Menschen nicht in Arbeit bringen, vielmehr verfestigen sie deren Situation. „Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe, um nachhaltige Vermittlung in zukunftssichere Arbeit“, so Ulrich Hoffmann. „Dafür ist es dringend notwendig, in der Beratung mehr den Einzelfall in den Blick zu nehmen. Das setzt auch strukturelle Änderungen und eine hinreichende Personalausstattung in der Arbeitsverwaltung voraus. Der neue Geist des Gesetzes muss auch in der Praxis ankommen.“
Hoffmann führt fort: „Die erhöhten Regelsätze sind ein wichtiger Ansatz um Familien in prekären Lagen besserzustellen. Aber sie sind weiterhin zu niedrig. Hier sehen wir noch dringenden Handlungsbedarf. An dieser Stelle ist eine realistische Neuberechnung des Existenzminimums gefragt, damit die Regelsätze nicht nur ein Ausgleich der Inflation im Rahmen eines kritikwürdigen Berechnungssystems sind.“
Aktuell sieht der Familienbund der Katholiken die Grundsicherungsleistungen nicht mehr als existenzsichernd an. Bei einer Neuberechnung der Regelbedarfe ist von einer Mindesterhöhung von 100 € auszugehen, die als Zuschlag gewährt werden sollte, bis eine konkrete Neuberechnung vorliegt.
„Besonders unterstützen wir, dass in den ersten zwei Jahren die Wohnungsgröße nicht zu Debatte steht, denn so können Familien in ihrem gewohnten Umfeld bleiben und sich darauf konzentrieren, eine neue Arbeit zu finden. Gut ist, dass auch an den Strukturen gearbeitet wurde. So kann ein formloser, digitaler Antrag, aber auch der Fokus auf Bildung, Menschen in Übergangsphasen besser auffangen und neue Wege ermöglichen“ äußerte sich Ulrich Hoffmann.
Die Konzentration auf eine Förderung, d.h. eine Veränderung der persönlichen Lage und nicht auf die Leistungsminderung, unterstützt der Familienbund. Nur so kann ein Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Staat mit einer Perspektive aufgebaut werden.
„Natürlich muss sich jetzt eine Reform des Wohngeldes und auch ein Moratorium für die steigenden Energie- und Heizkosten anschließen, damit Familien bis in die Mitte der Gesellschaft nicht in existenzielle Schieflagen geraten“ fügte Hoffmann abschließend hinzu. „Zum anderen sind Kinderfreibetrag, Kindergeld und -zuschlag deutlich anzupassen, damit geringverdienende Familien, Mehrkindfamilien und Alleinerziehende ebenfalls im Blick bleiben.“
Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken – Bundesverband vom 14.09.2022
Die Bundesregierung hat am Wochenende ihr Maßnahmenpaket zur Sicherung der Energieversorgung und Stärkung der Einkommen vorgestellt. Einige der vorgesehenen Maßnahmen, wie die Einmalzahlungen für Rentner*innen und Studierende, wurden jüngst von der AWO gefordert. Deutlicher Nachbesserungsbedarf besteht jedoch bei den Ärmsten der Gesellschaft und bei den Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt:
„Es ist zu begrüßen, dass die Regierungskoalition frühzeitig Maßnahmen ergreift, damit Privathaushalte angesichts der weiter zu erwartenden Preissteigerungen finanzielle Unterstützung erfahren. Während jedoch Unternehmen Berücksichtigung gefunden haben, wurden die gemeinnützigen Einrichtungen und Dienste vergessen, die ebenfalls stark mit den massiv steigenden Energiepreisen zu kämpfen haben.“ Hier muss dringend nachgebessert werden und eine Entlastung erfolgen, denn die gemeinnützigen Träger mit ihren Einrichtungen dürfen nicht auf das Entlastungspaket oder Förderprogramme für Wirtschaftsunternehmen zugreifen. Sie stehen ohne jede Unterstützung oder Entlastung da.“
Aus armutspolitischer Sicht sei das Paket jedoch eine herbe Enttäuschung: Eine Erhöhung der Regelsätze um gerade einmal 50 Euro kann die langjährige Unterdeckung in der Grundsicherung nicht ausgleichen und darf den Leistungsberechtigten nicht erst im nächsten Jahr zu Gute kommen. Besonders arme Kinder leiden unter den massiven Preissteigerungen und profitieren auch nicht von den geplanten Erhöhungen des Kindergeldes und Kinderzuschlags. Der seit Juli gewährte monatliche Sofortzuschlag für arme Kinder und Jugendliche müsse daher mindestens verdoppelt werden – und zwar sofort.
Noch unklar ist auch die Finanzierung des Pakets: Statt über die von vielen geforderten und in anderen Ländern umgesetzte Übergewinnsteuer soll das deutsche Entlastungspaket unter anderem durch „Zufallsgewinne“ am Strommarkt finanziert werden, wobei hier noch viele Details offen sind. Zudem berücksichtigt der vorgesehene „Basis-Strompreisdeckel“ alle Haushalte und somit auch jene mit hohem Einkommen. Gleiches gelte für die Maßnahme, den geplanten Anstieg des CO2-Preises aufzuschieben. „Anstatt das Erreichen der Klimaziele weiter zu gefährden, muss die Bundesregierung schnell ein System für eine gerechte Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung schaffen“, so Groß. Der Bundesarbeitsminister habe im Mai mit einem aus dem CO2-Preis finanzierten und sozial gestaffelten Klimageld einen richtigen Vorschlag gemacht, der dringend weiter verfolgt werden sollte. Stattdessen werden durch die beschlossene Maßnahmen nun aber insbesondere einkommensstarke Haushalte entlastet, welche nachweislich weit mehr CO2-Emissionen verursachen als einkommensschwache. Die Folgen der Klimakrise würden dann aber wieder vornehmlich arme und verletzliche Bevölkerungsgruppen treffen.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 05.09.2022
Zum Ergebnis des Koalitionsausschusses vom Wochenende sagt Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes: „Es ist gut, dass sich die Regierungskoalition an diesem Wochenende auf das dritte Entlastungspaket geeinigt hat und dafür mit 65 Mrd. Euro viel Geld in die Hand nimmt. Die sozialen Folgen der politisch verursachten Gasknappheit werden spürbar abgefedert. Damit hört die Koalition auf die Stimme der Sozial- und Wohlfahrtsverbände, die das seit Wochen mit Nachdruck gefordert haben. Das Konzept von Versorgungssicherheit, dem die Koalition folgt, geht sichtbar über den Einkauf von Gas an den Weltmärkten hinaus. Es geht darum, das Land sicher durch die Krise zu führen. Wir unterstützen die Regierung auf diesem Weg.“
Wohngeldreform und Energieberatung
„Ich begrüße, dass zukünftig 2 Mio. Bürgerinnen und Bürger Wohngeld erhalten können. Gerade Menschen mit geringem Einkommen brauchen in der Energiekrise dringend Unterstützung. Die Einführung und dauerhafte Verankerung einer Heizkostenkomponente ist die richtige Antwort“, sagt die Caritas-Präsidentin. Gesamtgesellschaftlich ein wichtiges Signal sei, dass auch auf Mieterinnen und Mieter geschaut wird, die mit den Betriebskostenvorauszahlungen in Schwierigkeiten geraten. „Ich bin dankbar, dass in jedem Fall Strom- und Gassperren verhindert werden sollen. Einen wertvollen Beitrag dazu leisten Energieberatungen wie der Stromspar-Check der Caritas. Dieses wichtige Angebot muss ausgebaut werden – zum Beispiel durch einen Ersti-Check für Azubis und Studierende in WGs. Hier sehen wir Nachbesserungsbedarf im Haushalt des Klimaministeriums,“ so Welskop-Deffaa.
Strompreisbremse lässt Fragen offen
„Die Strompreisbremse, die die Koalition für den Grundbedarf ankündigt, soll Energiesparanreize erhalten, so das Ergebnispapier vom Wochenende. Wie das gelingen soll, ist noch nicht überzeugend dargestellt. Hier wird der Deutsche Caritasverband genau hinschauen, denn wir dürfen mit den finanziellen Entlastungen den ökologischen Enthusiasmus nicht bremsen.“
Entlastung der unterstützungsbedürftigen Haushalte
Das Volumen des Entlastungspaketes sei beeindruckend, es sei gut, dass diesmal nicht nur die Erwerbstätigen, sondern auch Rentnerinnen und Rentner und Studierende mit bedacht werden, denn der steigende Energiepreis belaste alle Haushalte. „Die Entlastung muss dabei auch neben den Studierenden an Hochschulen die Auszubildenden in den sozialen Berufen wie in der Pflege und im Erziehungsbereich umfassen“, fordert Welskop-Deffaa.
„Es ist auch gut, dass mit der Anhebung von Kindergeld und Kinderzuschlag und mit der Anpassung der Sozialleistungen an die zu erwartende Inflation für Menschen im unteren Einkommensbereich konkrete Verbesserungen geplant werden. Es wird darauf ankommen, diese Ankündigungen in einem ehrgeizigen Zeitplan und angemessen umzusetzen. Wir erwarten, dass die Einlösung dieser Zusage eine Anhebung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2023 auf deutlich mehr als 500 Euro notwendig macht,“ sagt Caritas-Präsidentin Welskop-Deffaa.
Nachfolge für das 9-Euro-Ticket
Der Deutsche Caritasverband ist erleichtert, dass die Koalition mit dem Entlastungspaket 1,5 Milliarden Euro für den Nachfolger des 9-Euro-Tickets in die Hand nehmen will. Dass es gelingen kann Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit mit einem bundesweiten Nahverkehrsticket zu versöhnen, haben die letzten 3 Monate gezeigt. Diese Erfolgsgeschichte müsse und könne jetzt fortgeschrieben werden. “Wir appellieren an die Bundesländer, ihren Beitrag dazu zu leisten“, so Welskop-Deffaa.
Schutzschirm für soziale Infrastruktur
Die steigenden Energiepreise belasten auch die Einrichtungen der sozialen Infrastruktur – die Kitas, die Pflegeeinrichtungen die Krankenhäuser. „Wir gehen davon aus, dass der Schutzschirm für die sozialen Dienstleister, den die SPD in ihrem Fraktionsbeschluss angemahnt hat und der im Koalitionsausschuss offenkundig noch nicht Thema war, zeitnah folgt. Es nützt den Familien, die höheres Kindergeld bekommen nichts, wenn die Kitas schließen müssen, weil sie die Heizkosten nicht mehr finanzieren können,“ so Welskop-Deffaa. „Die steigenden Energiepreise der Pflegeeinrichtungen dürfen nicht allein auf die Eigenanteile für die Bewohnerinnen und Bewohner abgewälzt werden“, so Welskop-Deffaa.
Globale Solidarität
Es stärke die Solidarbereitschaft der Bevölkerung, dass die Zufallsgewinne der Anbieter auf dem Strommarkt begrenzt werden und die Einnahmen an dieser Stelle genutzt werden sollen, um die sozialen Ausgleichsmaßnahmen zu finanzieren. „Für den Deutschen Caritasverband ist es wichtig, dass die Solidarität in Krisenzeiten nicht an nationalen Grenzen endet. Die Aussagen zur Globalen Ernährungssicherheit im Entlastungspaket markieren für uns das Mindestmaß dessen, was hier von Deutschland gefordert ist.“
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 04.09.2022
Wie gerecht und wie klimafreundlich sind die aktuellen Entlastungsvorschläge der Ampel-Koalition und wie schnell lassen sie sich umsetzen? Das hat eine neue Studie des DIW Econ im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland untersucht. Ihr Ergebnis: Ein sozial ausgestalteter Heizkostenzuschuss ist einem Gaspreisdeckel vorzuziehen; Ein 29-Euro-Ticket und ein Mobilitätsgeld anstelle der Pendlerpauschale hätten eine positive Verteilungswirkung, ohne ökologische Fehlanreize zu setzen. Ein breites Bündnis aus Sozial- und Klimaverbänden fordert die Bundesregierung dazu auf, im geplanten dritten Entlastungspaket verteilungsgerechte und klimafreundliche Maßnahmen auf den Weg zu bringen.
Aufgrund der weiterhin hohen fossilen Energiepreise sind der Studie zufolge vor allem zielgerichtete Zuschüsse für Haushalte mit geringem Einkommen notwendig. Die Studie analysiert und bewertet fünf aktuell diskutierte Maßnahmen zur Entlastung der Bevölkerung hinsichtlich ihrer Verteilungswirkung, ökologischer Anreizwirkung und Umsetzbarkeit. „Wir fordern ein gerechtes und klimafreundliches Entlastungspaket. Eine zukunftsweisende Gesamtlösung, die die aktuelle finanzielle Notlage vieler Menschen ausgleicht, gesellschaftliche Lasten zur Krisenbewältigung gerecht verteilt und den Klimaschutz konsequent vorantreibt: Das ist unser Anspruch an die Bundesregierung”, sagt Malte Hentschke-Kemper, stellvertretender Geschäftsführer der Klima-Allianz Deutschland.
„Die akuten politischen Antworten auf die Energiekrise müssen so gestaltet sein, dass Klimaschutz, Versorgungssicherheit und soziale Gerechtigkeit ausgewogen berücksichtigt sind. Daher setzen wir uns für zielgenaue Maßnahmen ein, die arme Menschen besonders entlasten. Sie sind deutlich stärker von der fossilen Inflation betroffen. Ein sozial ausgestalteter Heizkostenzuschuss setzt genau dort an, wo die Not jetzt am größten ist“, betont Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes. „In diesem Winter bedarf es außerdem eines Moratoriums für Strom- und Gassperren als Akutmaßnahme, damit überschuldete Haushalte nicht im Dunkeln und Kalten sitzen müssen. Parallel erwarten wir als Caritas von der Bundesregierung vor allem, dass sie verstärkt die Maßnahmen fördert, die das Energiesparen leicht machen. Unser Stromsparcheck ist hier ein Good-Practice-Beispiel, das zeigt, wie es geht“, so Welskop-Deffaa.
„Die Studie zeigt, dass ein deutschlandweites 29-Euro-Ticket besonders Menschen mit geringem Einkommen unterstützt und einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet”, sagt Viviane Raddatz vom WWF Deutschland, Sprecherin der Klima-Allianz Deutschland. „Eine attraktive Preisgestaltung muss aber zwingend mit mehr Investitionen in den Ausbau der Bahninfrastruktur verknüpft werden.”
„Der Tankrabatt und die Anhebung der Pendlerpauschale haben massive ökologische Fehlanreize gesetzt und kamen überwiegend Menschen mit höherem Einkommen zugute”, kritisiert Raddatz. Die Studie hingegen schlägt eine Umstrukturierung der Pendlerpauschale zu einem Mobilitätsgeld von 10 Cent/km vor. „Ein nach Verkehrsmitteln gestaffeltes Mobilitätsgeld könnte den Anreiz erhöhen, den Arbeitsweg mit klimafreundlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Gleichzeitig entlastet es im Gegensatz zur Pendlerpauschale geringe Einkommen stärker, da eine Direktauszahlung vorgesehen ist für den Fall, dass das Einkommen unterhalb der steuerpflichtigen Grenze liegt”, so Raddatz weiter.
„Die Finanzierung eines 29-Euro-Tickets und anderer Maßnahmen kann durch die Reform klimaschädlicher Subventionen, wie beispielsweise des Dienstwagenprivilegs und der Pendlerpauschale, sichergestellt werden. Das wäre eine Win-win-Situation für mehr Klimaschutz und eine sozial gerechte Krisenbekämpfung”, betont Carolin Schenuit vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, Sprecherin der Klima-Allianz Deutschland.
Auch von den gestiegenen Lebensmittelkosten sind einkommensschwache Haushalte besonders stark betroffen. Dafür schlägt die Studie eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Grundnahrungsmittel vor. „Diese Maßnahme wirkt zwar sehr breit, aber mit ihr kann die Bundesregierung sinnvolle Entlastungen mit einem klaren Impuls für klimafreundliche und gesunde Ernährung verbinden”, so Schenuit.
Das 3. Entlastungspaket der Bundesregierung verspricht Entlastungen für Familien. Gleichzeitig ignoriert es Kinderreiche.
„Einkommensverluste und Preissteigerungen setzen Familien in allen sozialen Schichten erheblich zu. Selbst die Erhöhung des Kindergeldes wird die gestiegenen Lebenshaltungskosten von Familien nicht abfangen können“, sagt Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes.
Besonders scharf kritisiert der DFV, dass kinderreiche Familien bei der Kindergeldanpassung außen vor gelassen werden. Gerade Familien mit mehr als zwei Kindern haben Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt unter den gegenwärtigen Bedingungen zu bestreiten. Das Entlastungspaket sieht bisher jedoch ausschließlich eine Kindergelderhöhung beim ersten und zweiten Kind vor.
Für den Deutschen Familienverband gilt ein wichtiger Grundsatz: „Jedes Kind muss dem Staat gleich viel Wert sein.“ Daher fordert der DFV ein Kindergeld in Höhe von mindestens 330 Euro. Das bedeutet, dass das Kindergeld der maximalen steuerlichen Wirkung des Kinderfreibetrages entsprechen muss. Eine Kindergelderhöhung und die Anpassung des Kinderfreibetrages an den Grundfreibetrag für Erwachsene sind wichtige Maßnahmen, die in der gegenwärtigen Energiekrise umgesetzt werden müssen.
Energiebesteuerung
Der Angriffskrieg Russlands hat Energiepreise stark verteuert. Doch bereits vor dem Krieg jagte bei den Automobiltreibstoffen, beim Heizen und beim Strom ein Preishoch das andere.
„Der Staat ist einer der größten Preistreiber bei den Energiekosten. Das wird oft vergessen. Abgaben und Steuern machen teilweise mehr als 50 Prozent der Energiekosten aus“, so Zeh. „Die Energiegrundversorgung ist für viele Familien zum Luxusgut geworden. Familien haben sprichwörtlich Angst vor der nächsten Nebenkostenabrechnung.“
Kaufkraftbereinigt hat Deutschland weltweit einen der teuersten Strompreistarife. Die CO2-Steuer verteuert jährlich nicht nur Energie, sondern die gesamte Warenkette. Das führt zu Preissteigerungen in jedem einzelnen Wirtschaftssektor. Angefangen bei Schulmaterialien, über Lebensmittel bis hin zu den Wohnkosten. Die erhebliche Verteuerung der Energieträger hat die Lenkungswirkung der CO2-Steuer bei Weitem überstiegen. Bereits jetzt nimmt der Staat 50 Milliarden Euro im Jahr an Umweltsteuern ein. Darin sind die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung nicht eingerechnet.
„Durch die Energiepreissteigerung erhält der Staat steuerliche Mehreinnahmen in Milliardenhöhe. Der Staat ist der größten Zufallsgewinner der derzeitigen Verteuerungswelle. Diese Zufallsgewinne müssen an die Verbraucher zurückgezahlt werden. Der Deutsche Familienverband fordert das Ende der CO2-Besteuerung. Energie darf nicht künstlich noch teurer gemacht werden“, sagt Zeh.
Der DFV sieht weitere energiepolitische Maßnahmen im Entlastungspaket positiv. So etwa die Einführung einer Strompreisbremse auf den Basisverbrauch. Vage ist jedoch, wie der Basisverbrauch ermittelt wird und bei welchem Strompreis überhaupt gedeckelt wird. Klar ist jedenfalls, dass ohne eine Steigerung auf der Energieangebotsseite der Strompreis spürbar hoch bleiben wird.
„Bei der Strompreisdeckelung muss die Bundesregierung den Turbo einschalten. Es wird Familien wenig bringen, wenn die Strompreisbremse erst nach dem Winter greift. Gerade in der kalten Jahreszeit werden viele Familien die Gasheizung herunter- und die Elektroheizung aufdrehen“, sagt Zeh.
Deutschland-Ticket
Mobilität ist und bleibt für Familien ein wichtiges Thema. Das 9 Euro-Ticket hat gezeigt, dass die Regionalbahnnetze für die große Anzahl der Reisenden nicht ausgelegt sind. Die Folgen waren für alle spürbar: regelmäßig verspätete Züge, Fahrtenausfälle, brechend volle Zugabteile und stehen gelassene Fahrgäste – zu oft Mütter und Väter mit Kinderwägen.
Bezahlbare Mobilität ist ein wichtiger Eckpfeiler einer guten Familienpolitik. Die Probleme, die das 9 Euro-Experiment zu Tage gebracht hat, müssen für eine massentaugliche Mobilitätsversorgung dringend gelöst werden.
„Wenn Eisenbahnmobilität familiengerecht sein soll, bedarf es erheblicher Investitionen in die Infrastruktur. Es braucht zweigleisige Bahnverbindungen, mehr Zuggarnituren, schnellere und mehr Trassen und höhere Wartungsintervalle. Der Deutsche Familienverband spricht sich deutlich für das 365 Euro-Ticket aus. 1 Tag, 1 Euro, 365 Tage mobil sein – das sind die richtigen Zahlen für eine Verkehrswende“, so Zeh.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 05.09.2022
Die Ampel-Koalition hat sich auf ein drittes Entlastungspaket geeinigt. Dazu erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:
„Mit den Beschlüssen des Koalitionsausschusses hat die Regierung richtige und wichtige Weichen gestellt. Dringende Korrekturen wie Einmalzahlungen an Rentnerinnen und Rentner, Studierende und Auszubildende kommen. Für Leistungsberechtigte in der Grundsicherung zählen die tatsächlichen und zukünftigen Preissteigerungen, so dass es zum ersten Januar zu 50 Euro Anpassung kommen soll. Basis-Strompreisdeckel und Kindergelderhöhung tragen zu direkt wirksamen Entlastungen bei. Nach dem 9-Euro-Ticket kommt ein günstiges bundesweites Nahverkehrsticket, dass die Hürden für die Mobilität auch und gerade bei kleinen Einkommen senkt.
Die Menschen erwarten: die Beschlüsse müssen zügig umgesetzt, im Detail aber noch zielgenauer werden, insbesondere mit Blick auf Einkommensarme. So können wir bei Grundsicherungsbeziehenden nicht bis zum ersten Januar auf erste Entlastungen warten. Es muss klar sein: bei niemandem darf das Licht ausgehen oder die Heizung abgestellt werden. Auch Sozial- und Pflegeeinrichtungen brauchen direkte Hilfen bei den Energiekosten. Beim Nahverkehrsticket muss neben 49 Euro für die bundesweite Nutzung ein 29-Euro-Sozialticket Standard werden, damit wirklich niemand auf der Strecke bleibt.
Solidarität und Zusammenhalt sind entscheidend für den sozialen Frieden und unsere gemeinsame Sicherheit. Dafür leistet das Paket einen wichtigen Baustein.“
Zu den Ergebnissen des Koalitionsausschusses erklärt Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes:
„Das Entlastungspaket ist eine Enttäuschung für arme Kinder in unserem Land. Kinder, die Sozialgeld erhalten, lässt die Ampel-Regierung im Stich. Auch für sie steigen die Ausgaben für Lebensmittel, Schulmaterial, Herbst- und Winterkleidung. Sie brauchen dringend Entlastung, etwa über die Anhebung des Sofortzuschlags um 50€. Ich fordere den Deutschen Bundestag deshalb zur Nachbesserung auf.“
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Kinderschutzbund – Bundesverband e.V. vom 05.09.2022
eaf begrüßt das 3. Entlastungspaket und erwartet gesellschaftliche Solidarität auf allen Ebenen
Die evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) begrüßt das 3. Entlastungspaket der Bundesregierung. Die darin geplante Abschöpfung von Zufallsgewinnen zur Finanzierung von Strompreissenkungen trägt aus Sicht der eaf dazu bei, dass das gesellschaftliche Gleichgewicht wiederhergestellt wird. Denn während bis jetzt einige Unternehmen zufällig von Krieg und Krise profitieren, sehen sich viele Familien in Deutschland ebenso unverschuldet mit den mittelbaren Konsequenzen – an der Supermarktkasse und bei der drohenden Stromrechnung – des russischen Angriffskrieges konfrontiert.
„Unsere Solidarität mit der Ukraine ist nicht verhandelbar. So lange warme Worte reichten, waren sich da alle einig. Wenn es jetzt darum geht, die finanziellen und sozialen Kosten zu tragen, müssen wir ebenso solidarisch sein – nach innen und außen. Moral ist keine Frage des Geldbeutels. Doch es ist leichter, von der Verteidigung demokratischer Werte zu sprechen, wenn man warm und trocken sitzt. Existenzängste, wie sie einkommensschwache Familien in diesen Tagen erleben, sind keine Lappalie. Es war deshalb absolut überfällig“, so eaf-Präsident Dr. Martin Bujard, „dass sich die Gesellschaft als solidarische Einheit versteht und Kosten und Gewinne wieder gerechter verteilt werden.“
Der evangelische Familienverband wiederholt zudem seine Forderung, dass jedes Kind dem Staat gleich viel wert sein muss. Dies gilt für die Erhöhung des Kindergeldes ebenso wie bei den Ansprüchen, die sich aus dem neuen Paket errechnen. Der Vorwurf von Präsident Bujard: „Wieder einmal wurden die Familienverbände nicht in die Diskussion miteinbezogen. Unsere Forderung nach einem Familiengipfel im Kanzleramt bleibt aktuell.“
Die eaf begrüßt vor allem die Einführung einer Strompreisbremse als direkt wirksames Element für Familien. Der Verband weist aber darauf hin, dass andere – kommunale – Maßnahmen den Gas- und Stromverbrauch in einigen Haushalten unfreiwillig nach oben treiben würden: „Die Tendenz, öffentliche Angebote wie Warmwasser zum Duschen in Sporthallen und Schwimmbädern zurückzufahren und damit die Kosten zu privatisieren, muss gestoppt werden. Auf diese Art werden Privathaushalte zur Entlastung der kommunalen Haushaltet belastet“, so Bujard.
Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V. vom 07.09.2022
Für den Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD e.V.) ist die Ankündigung im dritten Entlastungspaket, das Kindergeld nur um je 18 Euro für das erste und zweite Kind zu erhöhen und damit alle dritten und weiteren Kinder unberücksichtigt zu lassen, absolut unverständlich. „Dass man Familien mit drei und mehr Kindern nicht bei den Hilfsmaßnahmen mitdenkt, ist überaus enttäuschend. Hier braucht es dringend einer Nachbesserung. Die Mehrbelastung ist für Familien mit drei und mehr Kindern eindeutig höher und das muss berücksichtigt werden,“ erläutert Dr. Elisabeth Müller, Vorsitzende des Verbandes. Der KRFD e.V. fordert die Verantwortlichen daher dringend zur Anpassung auf. „Das Ausblenden von kinderreichen Familien ist schlichtweg falsch und verdrängt Mehrkindhaushalte aus der Mitte der Gesellschaft“, stellt Müller fest.
Für Mehrkindfamilien bedeutet das Vorhaben, dass 36 Euro anteilig der Kinderzahl aufgeteilt werden müssen. Damit erhält eine Familie mit drei, vier oder weiteren Kindern genauso viel Unterstützung wie eine Familie mit zwei Kindern. „Warum hört diese Förderung ab dem dritten Kind auf?“, fragt Dr. Müller in Richtung der Verantwortlichen und fügt an: „Für die Unterstützung lediglich des ersten und zweiten Kindes gibt es keinerlei sachliche Rechtfertigung!“
Der gesellschaftliche Beitrag, der von Mehrkindfamilien ausgeht, und die Unterstützung, die sie in dieser Krisenzeit erfahren, stehen in einem deutlichen Missverhältnis,“ so die Vorsitzende. Durch den Ukrainekrieg und die Inflation dramatisch gestiegenen Lebensmittel- und Rohstoffpreise verteuert sich der tägliche Grundbedarf rasant. „Insbesondere Familien mit drei und mehr Kindern stehen vor riesigen Herausforderungen und wissen zunehmend nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen und Einkäufe noch bezahlen sollen. Sie leisten ein großes „Mehr“ an unbezahlter Care-Arbeit bei oftmals nur eineinhalb zur Verfügung stehenden Gehältern. So entstehen fundamentale Ängste um die eigene Existenz. Gerade diese Familien, die den Mut für dritte und weitere Kinder haben, sollten in Krisenzeiten von der Regierung besonders geschützt und unterstützt werden.“
Quelle: Pressemitteilung Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD e.V.) vom 05.09.2022
Pläne sind in Summe nicht geeignet, den Ärmsten im Herbst Zuversicht zu geben.
Statement von Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands zum heute vorgestellten dritten Entlastungspaket:
“Die angekündigte Ausweitung des Kreises der Wohngeldberechtigten ist absolut begrüßenswert. Hier handelt es sich um eine sozialpolitisch überfällige und wirklich wichtige Maßnahme, die allerdings erst im kommenden Jahr greifen wird. Ansonsten muss man sagen: Mit diesem Entlastungspaket werden in erster Linie Fehler und Ungerechtigkeiten aus dem letzten Paket korrigiert, aber keinerlei zusätzliche zielgerichteten Hilfen auf den Weg gebracht, die auch den Ärmsten in der Grundsicherung in diesem Herbst substantiell Unterstützung und Entlastung bringen würden. Dass Rentner*innen und Studierende jetzt auch wie alle anderen eine einmalige finanzielle Unterstützung erhalten und beim Heizkostenzuschuss im Wohngeld noch einmal nachgelegt wird, ist nur gerecht, gut und wichtig, aber ganz sicher nicht genug.
Wir hätten nicht damit gerechnet und sind wirklich entsetzt, dass diese Bundesregierung in diesem Jahr überhaupt keine weiteren zielgerichteten Hilfen auch für Menschen in der Grundsicherung plant. Die angekündigte Anhebung der Grundsicherung auf knapp 500 Euro ab dem 1. Januar ist allenfalls ein schlechter Witz und wird, wenn überhaupt, gerade die Inflation ausgleichen. So kann das neue Bürgergeld ganz sicher nicht als soziale, innovative Errungenschaft verkauft werden. Der Paritätische bleibt bei seiner Forderung nach einer pauschalen Anhebung der Regelsätze um 200 Euro ab Oktober. Zusätzlich sind die Stromkosten als Bestandteil der Wohnkosten in voller tatsächlicher Höhe zu übernehmen.
Alles in allem sind die vorgelegten Pläne nicht geeignet, um den Menschen in diesem Herbst wirklich Zuversicht zu geben. Ein Hauptproblem bleibt der steuerpolitische Kurs der Bundesregierung: Wer an Steuererleichterungen um jeden Preis festhält, dabei Steuererhöhungen ausschließt und die Schuldenbremse nicht verhandeln will, beraubt sich des eigenen Handlungsspielraums. Eine wuchtige Krisenbewältigung, die diese Gesellschaft zusammenhält und alle mitnimmt, braucht eine beherzte Finanz- und Steuerpolitik und klare sozialpolitische Prioritäten. Beides bleibt die Ampel bisher schuldig.”
Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 04.09.2022
Die Bundesregierung hat sich auf ein drittes Entlastungspaket verständigt. „Die angekündigte Kindergelderhöhung wird für viele Kinder von Alleinerziehenden jedoch zum Nullsummenspiel“, kritisiert Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV). „Denn sie wird sowohl mit den Leistungen des SGB II als auch mit dem Unterhaltsvorschuss verrechnet und erreicht somit viele armutsgefährdete Kinder nicht.“ Bei Kindern, die Unterhalt erhalten, wird das halbe Kindergeld mit dem Kindesunterhalt verrechnet. „In Alleinerziehenden-Haushalten stehen somit nicht 18 Euro mehr Kindergeld zur Verfügung, sondern 9 oder nur 0 Euro. „Dabei treffen Familien mit kleinem Einkommen und somit viele Alleinerziehende und ihre Kinder die steigenden Lebenshaltungspreise und Energiekosten besonders hart. Denn aufgrund des mit 43 Prozent übermäßig hohen Risikos in Armut zu leben, hatten viele Alleinerziehende auch vor der Inflation bereits ihre Belastungsgrenze erreicht oder überschritten. Für sie macht jeder Euro mehr oder weniger einen Unterschied“, so Jaspers.
Die geplante Erhöhung des Kinderzuschlags erreicht Familien mit geringem Einkommen und damit auch viele Alleinerziehende. „Um die Belastungen der Inflation aufzufangen sind 21 Euro jedoch viel zu wenig“, kritisiert Jaspers. Zusammen mit dem Kindergeld, Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes und ggf. dem Wohngeld soll der Kinderzuschlag das Existenzminimum von Kindern sicherstellen. „Dieses ist jedoch systematisch zu niedrig bemessen und führt zu einer Unterdeckung existenzieller Bedarfe von Kindern und Jugendlichen. Die Inflation hat dies noch weiter verschärft“, erklärt Jaspers und betont: „Notwendig wäre kurzfristig ein Aufschlag auf mindestens 78 Euro!“
„Jedes zweite Kind in Armut wächst im Haushalt einer Alleinerziehenden auf. Damit Entlastungen und existenzsichernde Leistungen auch für Kinder von Alleinerziehenden in gleicher Weise greifen können, muss sichergestellt werden, dass diese auch tatsächlich bei Ihnen ankommen, statt mit anderen Leistungen oder dem Kindesunterhalt verrechnet zu werden. Dies gilt insbesondere auch für die Ausgestaltung der Kindergrundsicherung. Diese muss nun zügig umgesetzt werden, da nur eine neue Leistung, die alle Kinder gleichermaßen erreicht, Armut wirksam bekämpfen kann“, so Jaspers weiter.
Quelle: Pressemitteilung Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) vom 06.09.2022
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, das Programm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ auch über das Jahr 2022 hinaus fortzuführen und als dauerhaftes Bundesprogramm zu verstetigen. Auf Anregung des Saarlandes und Mecklenburg-Vorpommerns fasst er am 16. September 2022 einstimmig eine entsprechende Entschließung und leitete sie der Bundesregierung zu.
Hintergrund: Sprachförderung seit 2016
Seit 2016 unterstützt das Bundesprogramm teilnehmende Einrichtungen durch zusätzliches Fachpersonal bei der Gestaltung alltagsintegrierter sprachlicher Bildung als Bestandteil der Qualitätsentwicklung in der Kindertagesbetreuung. Dabei verbindet es das Thema Sprache mit den Handlungsfeldern der Zusammenarbeit mit Familien, der inklusiven Pädagogik sowie seit 2021 auch der Digitalisierung. Mit der Förderung sollen vorwiegend Kindertageseinrichtungen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit sprachlichem Förderbedarf unterstützt werden. Dies umfasst insbesondere Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien, die einer besonderen Unterstützung im Spracherwerb bedürfen, oder Familien mit Migrationsgeschichte
Aufstockung aufgrund der Pandemie
Im Rahmen des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ wurde das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit insgesamt 100 Millionen Euro aufgestockt und verlängert.
Tausende zusätzlicher Fachkräfte
Die Ansätze des Programms hätten sich bewährt, betont der Bundesrat: In rund 6.900 Kitas seien durch fast 7.500 zusätzliche Fachkräfte mehr als eine halbe Million Kinder erreicht worden. Damit sei etwa jede achte Kita in Deutschland eine Sprach-Kita.
Im Koalitionsvertrag vorgesehen
Im Koalitionsvertrag für die Jahre 2021-2025 zwischen den Parteien der Ampel-Koalition im Bund sei angekündigt worden, das Programm weiterentwickeln und verstetigen zu wollen. Eine solche Verstetigung würde das Unterstützungsangebot im frühpädagogischen Schlüsselbereich der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung aufrechterhalten, argumentieren die 16 Bundesländer. Sie würde auch den Sprachförderkräften und den Fachberatungen eine berufliche Perspektive über 2022 geben.
Der Stellenwert, den die frühkindliche sprachliche Bildung in Kindertagesstätten für die Verbesserung von Bildungs- und Teilhabechancen von Kindern mit besonderem Sprachförderbedarf habe, sei immens. Das Bundesprogramm sei in der Fachpraxis sehr gut angenommen, nachgefragt und als fachliche Bereicherung wahrgenommen worden. Die geförderten Kindertageseinrichtungen trügen wesentlich dazu bei, die Weichen für eine erfolgreiche Bildungsbiografie von Anfang an zu stellen.
Bundesregierung am Zug
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich mit der Länderforderung befasst. Feste Fristen gibt es hierfür nicht.
Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 16.09.2022
Am morgigen Dienstag debattiert der Bundestag über den Haushalt des Familienministeriums. Zum Förderstopp der Sprach-Kitas hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion heute einen Antrag eingebracht, um das Förderprogramm weiterzuführen. Dazu erklärt die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher:
„Die Ampel schadet unseren Kindern mit dem plötzlichen Stopp der Sprach-Kita-Förderung. Sie nimmt billigend einen Rückwärtsgang in der sprachlichen Förderung von Klein- und Kitakindern in Kauf. Das ist kurzsichtig und verantwortungslos gegenüber den Kindern, Familien und Kitas. Wer eine solche Politik der Rückabwicklung für gut heißt, kann es mit der Integration und Teilhabe für die Jüngsten und Schwächsten unserer Gesellschaft nicht ernst meinen.
Das Ende der Sprach-Kitas hätte fatale Folgen. In fast allen Kitas gibt es Kinder mit besonderem sprachlichen Unterstützungsbedarf. Pandemiebedingte Lernrückstände und die vielen aus der Ukraine geflüchteten Kinder verdeutlichen den akuten Handlungsbedarf mehr denn je. Und was macht die Ampel? Sie benachteiligt die Benachteiligten noch einmal. Wenn die Kinder später einmal zu den Einschulungstests müssen, wird der Aufschrei groß sein. Wir als Unionsfraktion fordern deshalb das Bundesprogramm zur Förderung der Sprach-Kitas fortzusetzen.
Die Ampel argumentiert, dass die sprachliche Förderung im neuen „Gute-Kita-Gesetz II“ enthalten sei. Doch das ist eine Täuschung. Denn sie haben nicht das Fördervolumen erhöht. Das Budget des neuen „Gute-Kita-Gesetz II“ entspricht dem alten „Gute-Kita-Gesetz“. Gestrichen wurden aber die Förderprogramme Sprach-Kitas, die Fachkräfteoffensive Erzieherinnen und Erzieher sowie das Programm Kita-Einstieg. Es stehen mehrere hundert Millionen Euro weniger für die frühkindliche Bildung zur Verfügung. Die Ampel trickst und schummelt. Verantwortliches Regieren sieht anders aus.
Bereits jetzt haben sich schon viele der rund 7.500 Fachkräfte in den Sprach-Kitas nach anderen Jobs umgesehen. Es droht der Zusammenbruch etablierter pädagogischer Strukturen und ein Aderlass an pädagogischem Personal – bei sowieso angespannter Personalsituation. Diese Tendenz müssen wir durch entschlossenes Handeln unverzüglich aufhalten.“
Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 05.09.2022
Die Bundesregierung soll ihren Entschluss, das Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ einzustellen, revidieren. Dies fordert die CDU/CSU-Union in einem Antrag (20/3277). Im aktuellen Gesetzentwurf für den Bundeshaushalt 2023 seien keine Mittel mehr für das Programm vorgesehen. Es sei in der aktuellen Situation „verantwortungslos“, ein solches Programm so kurzfristig und ohne Abschlussfinanzierung einzustampfen. Laut Antragsteller rechtfertigt die Bundesregierung diese Entscheidung unter anderem damit, dass die „erprobten Strukturen und Ansätze“ des Programms in die Verantwortung der Länder übergehen sollen.
Durch das Bundesprogramm wurden laut Antrag rund 6.900 Kitas gefördert – also etwa jede achte Kita. Insgesamt sollen rund eine halbe Millionen Kinder von der Sprachförderung profitiert haben.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 443 vom 09.09.2022
Heute startet die bundesweite Kampagne „Sprach-Kitas retten“, die sich für einen Erhalt und Fortführung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ einsetzt. Die Bundesregierung hat in ihrem Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 keine Finanzmittel für die Fortsetzung der Sprach-Kitas eingeplant, obwohl die drei Regierungsparteien im Koalitionsvertrag genau das Gegenteil versprochen haben. Dazu erklärt Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes:
„Im Koalitionsvertrag ist die Fortführung und Weiterentwicklung des Bundesprogramms verankert. Ein Ende ist also nicht nur ein fatales Zeichen für die Kindertagesbetreuung, sondern schlicht ein Wortbruch. Die frühkindliche Bildung muss gefördert werden, damit Chancengerechtigkeit nicht nur ein leeres Versprechen auf dem Papier bleibt. Hier wird am falschen Ende gespart!“
Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ ist das erfolgreichste Kita-Programm des Bundes und sorgt tagtäglich durch zusätzliche Mittel und Fachpersonal für eine bessere Qualität der Sprachbildung, Integration und Inklusion von Kindern. In der aktuellen Situation, in der sich Einrichtungen der frühkindlichen Bildung mit Fachkräftemangel, Corona-Pandemie und der zusätzlichen Betreuung von Kindern und Familien aus der Ukraine auseinandersetzen müssen, wäre der Wegfall der Sprach-Kitas ein fataler Fehler mit langfristigen, negativen Folgen.
„Die Empörung im Arbeitsfeld ist gewaltig, nachdem bekannt wurde, dass das Programm nicht fortgesetzt werden soll“, so Döcker, „Erste Länder überlegen, wie ein Plan B mit eigenen Mitteln kurzfristig umgesetzt werden könnte. Aber jede kurzfristige Lösung hat Auswirkungen, die Mittel müssten an anderen Stellen eingespart werden. Zudem ist die Unsicherheit bei den Fachkräften enorm gestiegen. Es darf einfach keinen Bruch in der Förderung geben!“
Ohne die weitere Förderung durch Bundesmittel werden aufgebaute Strukturen wegfallen, Mitarbeiter*innen werden das Arbeitsfeld verlassen, die Beteiligung mit Eltern wird reduziert und Hunderttausende Kinder werden in ihrer Sprachentwicklung nicht mehr so gefördert werden können, wie es durch das Bundesprogramm möglich war. Dabei läuft das System Kindertagesbetreuung derzeit sowieso am Limit, die Belastungen durch die Pandemie wirken immer noch nach und die Personalsituation ist schwierig.
Um für den Erhalt der rund 7.000 Sprach-Kitas und geförderten Fachberatungsstellen des Programms zu kämpfen, unterstützt die Kampagne „Sprach-Kitas retten“ eine beim Deutschen Bundestag eingereichte Petition von Wenke Stadach, Kita-Leiterin einer Sprach-Kita aus Neubrandenburg. Die Petition wird in den nächsten Tagen zur Online-Unterstützung durch die Bundestagsverwaltung freigeschaltet und kann dann auch über das Petitionsportal des Deutschen Bundestags unterzeichnet werden. Bereits jetzt sammeln im Rahmen der Kampagne „Sprach-Kitas retten“ in ganz Deutschland engagierte Fachkräfte, Eltern, Träger und Organisationen handschriftliche Unterschriften für die Petition. Erreicht sie vor Ablauf der Zeichnungsfrist von vier Wochen das Quorum von 50.000 Unterschriften, muss eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss durchgeführt werden, bei der die zuständigen Fachministerien Rede und Antwort stehen werden.
Die AWO unterstützt die Kampagne „Sprach-Kitas retten“ und fordert die Regierungsparteien auf, im anstehenden parlamentarischen Verfahren für den Bundeshaushalt 2023 die geplante Streichung zu verhindern. In einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis aus Gewerkschaften, Verbänden, Wissenschaftler*innen, Eltern und Fachkräften in der frühkindlichen Bildung werden wir alles dafür tun, dass die Politik ihr im Koalitionsvertrag gegebenes Versprechen einhält und die Sprach-Kitas in Deutschland fortführt.
Hintergrund:
Das Bundesprogramm Sprach-Kita fördert seit 2016 die sprachliche Bildung in Kitas. Gefördert wurden fast 7000 Kitas durch zusätzliche unterstützende Sprachfachkräfte, über 500 000 Kinder wurden so in den letzten Jahren erreicht. Zudem wurden die Kitas durch zusätzliche Fachberatungen unterstützt.
Die Kampagne „Sprach-Kitas retten“ setzt sich für die Fortführung des Bundesprogramms ein. Zentrales Element der Kampagne ist eine Petition über den Bundestag, das Ziel sind 50 000 Unterschriften in vier Wochen, damit eine öffentliche Anhörung im Bundestag erfolgt. Homepage zur Kampagnenseite: www.sprachkitas-retten.de
Auf der Website zur Kampagne www.sprachkitas-retten.de finden sich Informationen zur Kampagne und den geplanten Aktionen sowie die Möglichkeit der direkten Unterschrift der Petition. Der Kampagnenhashtag ist #SprachkitasRetten.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 17.08.2022
Weit über 50.000 Unterschriften für Petition an den Bundestag
Gemeinsame Pressemitteilung des Deutschen Caritasverbandes und seines Fachverbandes KTK-Bundesverband
Weit über 50 000 Personen haben die Petition der Kampagne „Sprach-Kitas retten“ an den Deutschen Bundestag unterzeichnet – deutlich vor der Zeichnungsfrist am 20. September. Das bedeutet, dass es zeitnah eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zur Fortsetzung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ geben wird.
Anfang Juli war bekannt geworden, dass das Bundesfamilienministerium die Förderung des seit 2016 bestehenden Programms zum Jahresende vorzeitig beenden will, obwohl im Koalitionsvertrag seine Verlängerung zugesichert wurde. Der Deutsche Caritasverband und sein Fachverband „Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder“ (KTK-Bundesverband) fordern eine Rücknahme der Entscheidung: Es muss in der aktuell extrem herausfordernden Situation in den Kitas alles getan werden, um qualifizierte Kräfte, wie sie über das Sprach-Kita-Programm gewonnen werden konnten, zu halten.
Überführung an die Bundesländer ist bis Ende 2022 nicht zu machen
Dass das zweite Kita-Qualitätsgesetz nun vorsieht, den Bundesländern Fördermittel für die sprachliche Bildung zu geben, löst das Problem aus Caritas-Sicht nicht: „Es ist richtig, dass die Bundesländer die Verantwortung für die Sprachbildung in Kitas übernehmen“, so Clemens Bieber, Vorsitzender des KTK-Bundesverbandes. „Die zielgenaue und notwendige Förderung durch das Bundesprogramm Sprach-Kitas lässt sich mit den für die nächsten beiden Jahren vorgesehenen Mitteln des Kita-Qualitätsgesetzes nicht nachbauen“. Bis Jahresende bliebe auch keinesfalls genug Zeit, die Sprach-Kita-Strukturen von Bund auf Länder zu überführen, so der KTK-Vorsitzende.
Der Bund darf keine Mittel aus den Kitas abziehen – erst recht nicht nach zwei Jahren Pandemie
„Kinder brauchen gute Kitas. Sie brauchen Räume, in denen sie diskriminierungsfreies Miteinander erfahren, in denen spielerisch Sprachbildung, Lebenswelterkundung und Krisenresilienz gefördert werden. Die Herausforderungen der Pandemie sind noch nicht bestanden, da wachsen mit den Folgen des Kriegs gegen die Ukraine neue heran: Es kommen Woche für Woche Kinder aus der Ukraine an und viele, die schon da sind, bleiben länger in Deutschland, als ihre Familien ursprünglich gehofft haben“, unterstreicht Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes. „Zum jetzigen Zeitpunkt darf der Bund keine Mittel aus den Kitas abziehen – schon gar nicht solche, die wie das Bundesprogramm Sprach-Kitas gezielt Einrichtungen dabei unterstützen, ihren Beitrag zu Integration und Inklusion zu leisten. Das Programm muss mindestens wie ursprünglich geplant bis Ende 2024 fortgesetzt werden und es bedarf gemeinsamer Anstrengungen von Bund und Ländern, es perspektivisch in eine Regelförderung zu überführen.“
„Dass Erzieherinnen und Erzieher in kurzer Zeit so zahlreiche Unterschriften von Eltern und Großeltern sammeln konnten – auch weit über die betroffenen Einrichtungen hinaus – zeigt, dass vielen die schwierige Lage der Einrichtungen bewusst ist und dass sie es als Aufgabe der Politik ansehen, etwas daran zu ändern“, kommentiert Mirja Wolfs, zweite Vorsitzende des KTK-Bundesverbandes. „Diese Aufgabe muss nun angenommen werden.“
Hintergrund zum Bundesprogramm Sprach-Kitas Seit 2016 fördert der Bund mit dem Programm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ deutschlandweit Kindertageseinrichtungen und Träger und leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration, Inklusion und Spracherziehung von Kindern. Die im Programm vorgesehenen Qualifizierungen und Weiterbildungen des gesamten Personals einer Einrichtung stärken nachhaltig die Qualität der Kinderbetreuung.
In ganz Deutschland sind gegenwärtig 6.804 Sprach-Kitas und 264 Fachberatungsstellen (Stand Juli 2022) eingerichtet. Durch das Bundesprogramm profitieren in jeder achten Kita in Deutschland über 500.000 Kinder von zusätzlichen Fachkräften und Mitteln. In 2022 stellt der Bund für die Sprach-Kitas rund 250 Millionen Euro zur Verfügung. Im Haushaltsentwurf der Bundesregierung sind für das Jahr 2023 keine Mittel für die Fortführung des Programms vorgesehen.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e. V. und Fachverband „Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder“ (KTK-Bundesverband) vom 12.09.2022
Die Diakonie Deutschland appelliert an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, sich bei den heute beginnenden Haushaltsverhandlungen für den Erhalt von „Sprach-Kitas“ stark zu machen. Der Bund finanziert über das Programm „Sprach Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ bundesweit zusätzliche Sprachförderfachkräfte an Standorten, an denen besonders viele Kinder mit hohem Förderbedarf betreut werden. Die Mittel für das Programm sollen ab dem kommenden Jahr gestrichen werden, obwohl die Bundesregierung im Koalitionsvertrag eine Fortführung versprochen hatte.
Dazu erklärt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
„Zurzeit müssen die Kindertageseinrichtungen den Mangel an pädagogischen Fachkräften, die Auswirkungen der Pandemie und die zusätzliche Betreuung von Kindern und Familien aus der Ukraine bewältigen. Vor diesem Hintergrund wäre der Wegfall der Sprach-Kitas ein schwerwiegender Fehler. Eine Rolle rückwärts bei den Sprach-Kitas hätte langfristige negativen Folgen für die Qualität der Betreuung der Kinder.“ Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ sei das erfolgreichste Kita-Programm des Bundes und sorge tagtäglich durch zusätzliche Mittel und Fachpersonal für eine bessere Qualität der Sprachbildung, Integration und Inklusion von Kindern, so Loheide.
Die Entscheidung des Bundeskabinetts vom Juli, das Programm zur Förderung der Sprach-Kitas nicht fortzuführen, kam für Einrichtungen, Träger und Verbände völlig unerwartet. Die Ampel-Koalition hatte ursprünglich sogar eine Verstetigung des Programmes vereinbart.
Die Diakonie Deutschland unterstützt die Kampagne „Sprach-Kitas retten“ (www.sprachkitas-retten.de). Gemeinsam mit anderen Organisationen, Eltern und Fachkräften in der frühkindlichen Bildung setzt sie sich dafür ein, dass die Bundesregierung das im Koalitionsvertrag gegebene Versprechen einhält und die Sprach-Kitas in Deutschland fortführt.
Hintergrund:
Jede achte Kita in Deutschland ist eine Sprach-Kita. 6.804 Kitas werden durch das Programm mit ungefähr 7.500 Fachkräften gefördert. 523.936 Kinder und ihre Eltern profitieren aktuell noch von den zusätzlichen Angeboten. Sie sind nun alle von dem abrupten Ende des Programmes betroffen. Für das geförderte Personal laufen nach jetzigem Stand die Verträge zum Jahresende aus. Die Qualität der Angebote im Bereich der Sprachbildung wird durch ein ersatzloses Auslaufen des Programmes sinken, was besonders für Kinder aus schwierigen sozialen Lebensverhältnissen und für Kinder mit Migrationshintergrund so kurzfristig nicht auszugleichen sein wird. Damit bricht ein Angebot weg, das vor allem für benachteiligte Kinder Bildungschancen verbessert. Der Wegfall von Fachkräften für Sprachbildung wird sich gravierend auf die pädagogische Arbeit in den betroffenen Einrichtungen auswirken. Die frühe Förderung der Sprache ist einer der wichtigsten Faktoren für erfolgreiche Bildungsbiografien.
Aus diesem Grund unterstützt die Diakonie Deutschland die Aktivitäten der Kampagne „Sprach-Kitas retten“ sowie die Bundestagspetition für den Erhalt der Sprach-Kitas. Erreicht die Petition 50.000 Unterschriften, kommt es zu einer Anhörung im Bundestag. Diese kann bis zum 15. September noch per Unterschriftenliste und bis 20. September online unter: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2022/_08/_01/Petition_137016.nc.html gezeichnet werden. Bislang wurden über 40.000 Unterschriften gesammelt.
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 06.09.2022
Bundesregierung will vier Milliarden Euro in die Qualität der frühkindlichen Bildung investieren. Ziel sind bundesweite Standards.
Das Bundeskabinett hat am 24. August den Gesetzentwurf für das KiTa-Qualitätsgesetz beschlossen. Mit dem Gesetz soll die Qualität in der Kindertagesbetreuung deutschlandweit weitentwickelt und ein wichtiger Auftrag aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „Heute ist ein guter Tag für die Chancengerechtigkeit in unserem Land. Denn Chancengerechtigkeit fängt mit der Kita an. Hier wird das Fundament gelegt: für Bildung, für eine gesunde Entwicklung und für soziale Teilhabe. Alle Kinder in Deutschland sollen die Chance auf gute frühkindliche Bildung haben, egal, wo sie wohnen, egal, ob ihre Eltern reich oder arm sind. Wir investieren deshalb allein in den kommenden beiden Jahren vier Milliarden Euro ganz gezielt in die Qualität der Kindertagesbetreuung und frühkindlichen Bildung: in qualifiziertes Fachpersonal, in gute Ausstattung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung. Und ganz explizit auch in die sprachliche Bildung. Mit dem KiTa-Qualitätsgesetz machen wir einen großen Schritt für mehr Qualität in Kindertagesbetreuung in ganz Deutschland. Aber wir gehen noch weiter. Unser Ziel sind bis zum Ende der Legislaturperiode bundesweite Standards, damit die Qualität überall im Land gleichermaßen hoch ist.“
Der Entwurf des KiTa-Qualitätsgesetzes sieht vor, dass die Länder überwiegend (über 50 Prozent der Mittel) in sieben vorrangige Handlungsfelder investieren:
Bedarfsgerechtes Angebot
Fachkraft-Kind-Schlüssel
Gewinnung und Sicherung von qualifizierten Fachkräften
Starke Leitung
Sprachliche Bildung
Maßnahmen zur kindlichen Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung
Stärkung der Kindertagespflege
Neue Maßnahmen der Länder für Beitragsentlastungen der Eltern können nicht über das KiTa-Qualitätsgesetz finanziert werden. Beitragsentlastungen, die im Zuge des bisherigen Gute-Kita-Gesetztes eingeführt wurden, sollen aber fortgesetzt werden können, sofern ansonsten die Schwerpunktsetzung (mind. 50 Prozent der Mittel) auf die sieben vorrangigen Handlungsfelder sichergestellt ist. Zukünftig soll außerdem die Beitragsgestaltung sozial gerechter werden: Das Einkommen, die Anzahl der Geschwister und die Betreuungszeiten sollen bundesweit verpflichtende Staffelungskriterien für Kita-Beiträge sein. Familien mit geringem Einkommen, die etwa Sozialleistungen, Kinderzuschlag oder Wohngeld erhalten, bleiben künftig bundesweit von den Beiträgen befreit.
Der nächste wichtige Schritt für mehr Qualität in Kitas und Kindertagespflege wird das geplante Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards für die Kindertagesbetreuung sein, das in dieser Legislaturperiode in Kraft treten soll. Dazu soll eine Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Länder und der Kommunen konkrete Vorschläge entwickeln. Die Arbeitsgruppe tagt Ende August zum ersten Mal und wird sich regelmäßig mit Expertinnen und Experten von Verbänden, Gewerkschaften, Elternvertretungen, aus der Wissenschaft und Praxis austauschen.
Hintergrund
Mit dem KiTa-Qualitätsgesetz wird das Gute-KiTa-Gesetz abgelöst, mit dem der Bund von 2019 bis 2022 den Ländern rund 5,5 Milliarden Euro für die Weiterentwicklung der Qualität und die Verbesserung der Teilhabe in der Kindertagesbetreuung zur Verfügung gestellt hat. Um die Qualitätsentwicklung weiter zu stärken, werden mit dem KiTa-Qualitätsgesetz die Ergebnisse des Monitorings und der Evaluation des Gute-KiTa-Gesetzes aufgegriffen.
Anlässlich des morgigen Aktionstages für sexuelle Selbstbestimmung erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Frauen- und Familienpolitik, und Canan Bayram, Obfrau im Rechtsausschuss:
Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht. Zur sexuellen Selbstbestimmung gehört zwingend eine gute Versorgung von Frauen und ein freier Zugang zu allen Beratungsstellen und medizinischen Einrichtungen für ungewollt Schwangere. Das muss sichergestellt werden – ohne Einschränkungen, ohne Belästigung oder gar Anfeindungen. Denn: Eine Schwangere entscheidet, ob sie eine Schwangerschaft fortsetzen möchte oder nicht. Der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch kriminalisiert dies aktuell noch. Die damit einhergehende Stigmatisierung dieser strafrechtsbasierten Regelung führt auch dazu, dass ungewollt Schwangere vor den Beratungsstellen und Praxen von Abtreibungsgegner*innen belästigt und diffamiert werden. Ungewollt Schwangere sind zur Beratung verpflichtet und so diesen sogenannten Gehsteigbelästigungen schutzlos ausgeliefert. Diese schwer erträglichen Belästigungen machen eine vertrauliche bzw. anonyme Beratung unmöglich. Hinzu kommt, dass es aktuell nicht ausreichend Beratungseinrichtungen und Praxen gibt, die Abbrüche durchführen. Ungewollt Schwangere müssen daher teils weite Strecken zurücklegen und die wenigen Beratungsstellen und Praxen können leichter zur Zielscheibe von Abtreibungsgegner*innen werden.
Als Ampelregierung werden wir die flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen sicherstellen und wollen Schwangerschaftskonfliktberatung künftig auch online ermöglichen. Frauen dürfen nicht in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt oder in ihrer selbstbestimmten Entscheidung gefährdet werden. Wir verurteilen solche Gehsteigbelästigungen vor Beratungsstellen und Praxen aufs Schärfste und arbeiten intensiv an einer gesetzlichen Lösung für wirksame Maßnahmen.
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 16.09.2022
Am heutigen Mittwoch hat das Bundeskabinett den Regierungsentwurf zum Inflationsausgleichsgesetz beschlossen. Dazu erklären die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann, und der Berichterstatter Johannes Steiniger:
Antje Tillmann: „Endlich greift die Regierung unsere Forderung auf und gleicht die steuerlichen Belastungen aus, die mit der so genannten kalten Progression einhergehen – leider erst ab dem Jahr 2023. Wünschenswert wäre es gewesen, dies auch schon für 2022 zu tun und nicht erst ab dem kommenden Jahr.
Aufgrund der gestiegenen Inflation fallen die Lohnabschlüsse dieses Jahr erfreulicherweise höher aus. Das führt jedoch dazu, dass Steuerpflichtige einem höheren Steuersatz unterliegen, obwohl sie trotz höherer Löhne aufgrund der Inflation keine erhöhte Kaufkraft haben.“
Johannes Steiniger: „Auch begrüßen wir, dass die Bundesregierung den Kinderfreibetrag und das Kindergeld erhöht. Es ist jedoch peinlich, dass der Koalitionsausschuss ursprünglich die Anhebung des Kindergelds für das dritte Kind vergessen hatte. Erst durch unsere Intervention in der Bundestagsdebatte hat der Finanzminister nachgesteuert und die Anhebung für das dritte Kind nachgeholt.“
Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 14.09.2022
„Wir teilen die Forderung, den Deutsch-Sprachnachweis beim Familiennachzug generell abzuschaffen und nicht – wie von der Bundesregierung geplant – nur für Fachkräfte. Der Familiennachzug muss insgesamt vereinfacht und beschleunigt werden“, erklärt Gökay Akbulut, migrations- und familienpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zum heutigen Aufruf von Verbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen zum bestehenden Sprachnachweis beim Familiennachzug. Akbulut weiter:
„DIE LINKE hatte vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf hierzu vorgelegt, damit Deutschkenntnisse nicht bereits vor der Einreise nach Deutschland nachgewiesen werden müssen (BT-Drs. 20/1850). Durch unsere parlamentarischen Anfragen konnten wir in Erfahrung bringen, dass jährlich mehr als 10.000 Familienzusammenführungen an dem Spracherfordernis scheitern. Das ist nicht hinnehmbar.
Für viele Ehepartnerinnen und -partner ist der Sprachnachweis aufgrund finanzieller oder persönlicher Umstände eine zu große Hürde. Diese Regelung ist nach meiner Auffassung mit dem Menschenrecht auf Familienleben unvereinbar. Ohnehin lässt sich Deutsch in Deutschland viel leichter und schneller erlernen als im Ausland.
Ich habe daher kein Verständnis dafür, dass die Ampelkoalition auf diese schikanöse Regelung nur beim Familiennachzug zu Fachkräften verzichten will, anstatt sie ganz abzuschaffen, wie es auch im Koalitionsvertrag vereinbart war. Diese Ungleichbehandlung beim Ehegattennachzug ist ein Schlag ins Gesicht vieler Familien, die wegen des Spracherfordernisses zwangsweise getrennt leben müssen. Familienleben ist ein Menschenrecht und kein Privileg, das gewährt werden kann, um den Zuzug von Fachkräften anzukurbeln.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 13.09.2022
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf (20/3439) zur Abschaffung der Kostenheranziehung bei jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe vorgelegt.
Bisher gilt: In der Kinder- und Jugendhilfe werden junge Menschen, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe leben und die ein eigenes Einkommen haben, zu den Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe aus ihrem Einkommen herangezogen. Dies gilt auch für alleinerziehende Mütter oder Väter mit ihrem Kind, die in einer gemeinsamen Wohnform untergebracht sind (sogenannte Leistungsberechtigte nach Paragraf 19 SGB VIII). Der Kostenbetrag kann bis zu 25 Prozent des Einkommens betragen. Auch die Ehegatten und Lebenspartner der jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach Paragraf 19 SGB VIII werden abhängig von der Höhe ihres Einkommens zu den Kosten aus ihrem Einkommen herangezogen.
Das will die Bundesregierung nun ändern. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Kostenheranziehung bei jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach Paragraf 19 SGB VIII sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aufzuheben. Dadurch könnten die jungen Menschen und Leistungsberechtigten sowie ihre Ehegatten und Lebenspartner vollständig über das Einkommen, das sie erzielen, verfügen, heißt es im Entwurf. Zur Begründung schreibt die Regierung, dass die Kostenheranziehung dem Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe widerspricht. „Wachsen junge Menschen außerhalb ihrer Herkunftsfamilie auf, haben sie bereits mit zusätzlichen Herausforderungen umzugehen und dadurch einen schwierigeren Start in ein eigenständiges Leben. Dieser Start wird nochmal erschwert, wenn sie einen Teil ihres Einkommens, das sie zum Beispiel im Rahmen eines Schüler- oder Ferienjobs oder ihrer Ausbildung verdienen, abgeben müssen.“
Durch die Abschaffung der Kostenheranziehung verringern sich die Einnahmen der Kommunen um jährlich rund 18,3 Millionen Euro.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 459 vom 20.09.2022
Die Bundesregierung hat einen Entwurf eines Gesetzes (20/3447) zur weiteren Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige vorgelegt.
Zur Umsetzung der Richtlinie werden im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, im Pflegezeitgesetz und im Familienpflegezeitgesetz sowie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verschiedene Änderungen vorgenommen: Arbeitgeber, die den Wunsch eines Elternteils, die Arbeitszeit in der Elternzeit zu verringern oder zu verteilen, nicht entsprechen, werden verpflichtet, ihre Entscheidung zu begründen. Arbeitgeber in Kleinbetrieben werden verpflichtet, Beschäftigten, die den Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegzeitgesetz beantragen, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zugang des Antrages zu antworten. Im Fall einer Ablehnung des Antrags ist diese zu begründen. Für Beschäftigte in Kleinbetrieben, die mit ihrem Arbeitgeber eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegezeitgesetz vereinbaren, wird geregelt, dass sie die Freistellung vorzeitig beenden können, wenn die oder der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege der oder des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar ist. Außerdem soll ein Kündigungsschutz für die Dauer der vereinbarten Freistellung eingeführt werden. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll für Fragen im Zusammenhang mit Diskriminierungen, die unter diese Richtlinie fallen, zuständig sein.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 458 vom 19.09.2022
Für das Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ interessiert sich die Unionsfraktion in einer Kleinen Anfrage (20/3404). Darin fragt sie die Bundesregierung unter anderem nach der Art der geförderten Projekte und der dafür bereitgestellten Finanzmittel.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 458 vom 19.09.2022
Die Fraktion Die Linke hat eine Kleine Anfrage (20/3260) zu Struktur und Ausmaß der geringfügigen Beschäftigung in Deutschland gestellt. Sie möchte von der Bundesregierung unter anderem erfahren, welche Qualifikationsniveaus Minijob-Beschäftigte haben.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 444 vom 12.09.2022
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit haben 2021 knapp vier Millionen sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte ein Bruttomonatsentgelt im unteren Entgeltbereich verdient. Das entspricht einem Anteil von 18,1 Prozent an allen Vollzeitbeschäftigten. Sie haben somit weniger als zwei Drittel des Medianverdienstes von Vollzeitbeschäftigten verdient. Derzeit liegt die Niedriglohnschwelle für eine Vollzeittätigkeit bei 2.344 Euro. Das geht aus einer Antwort (20/3209) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/2936) der Fraktion Die Linke hervor.
Nach Angaben der Bundesregierung gab es außerdem im Dezember 2021 insgesamt rund 7,38 Millionen geringfügig Beschäftigte, davon waren rund 4,23 Millionen ausschließlich geringfügig tätig und rund 3,15 Millionen im Nebenjob geringfügig beschäftigt.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 442 vom 08.09.2022
Beschäftigte haben im Jahr 2021 insgesamt rund 59 Milliarden Arbeitsstunden geleistet, davon waren 0,8 Prozent unbezahlte und 0,5 Prozent bezahlte Überstunden. Das teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/3202) auf eine Kleine Anfrage (20/2930) der Fraktion Die Linke mit. Sie bezieht sich darin auf Angaben des Statistischen Bundesamtes, die auf Ergebnissen des Mikrozensus basieren.
In der Antwort werden die Überstunden nach Beschäftigungsformen detailliert aufgelistet. Demnach machten Beschäftigte mit Homeoffice-Nutzung im Durchschnitt vier Überstunden pro Woche, während Beschäftigte ohne Homeoffice-Nutzung im Durchschnitt 2,7 Überstunden pro Woche machten. Diese Zahlen basieren auf Daten des IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung).
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 442 vom 08.09.2022
Die Fraktion Die Linke hat eine Kleine Anfrage (20/3148) zum Corona-Aufholpaket der Bundesregierung gestellt. Darin fragt sie die Bundesregierung unter anderem nach der Aufstockung des Programms Sprach-Kita und nach der Aufstockung des Kinder- und Jugendplans.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 429 vom 30.08.2022
Mit den Lasten, die speziell Frauen in der Corona-Pandemie zu tragen haben, befasst sich die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (20/3174). Die Abgeordneten wollen wissen, wie die Bundesregierung verhindern will, dass Frauen einer Doppelbelastung und/oder Einbrüchen in der Erwerbstätigkeit ausgesetzt sind, sollte es erneut zu Unregelmäßigkeiten im Schul- und Kitabetrieb kommen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 429 vom 30.08.2022
Der Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend soll im kommenden Jahr geringfügig steigen. Der Einzelplan 17 des Regierungsentwurfs für den Bundeshaushalt 2023 (20/3100) sieht Ausgaben von 12,88 Milliarden Euro vor gegenüber 12,39 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Als Einnahmen sind 200,07 Millionen Euro veranschlagt (2022: 179,07 Millionen Euro). Mit 12,63 Milliarden Euro bilden die Zuweisungen und Zuschüsse das Gros des Etatentwurfs (2022: 12,39 Milliarden Euro).
Für gesetzliche Leistungen für Familien sind 11,45 Milliarden Euro eingeplant (2022: 10,76 Milliarden Euro). Größter Einzelposten ist das Elterngeld, das mit 8,28 Milliarden Euro zu Buche schlägt (2022: 7,73 Milliarden Euro). Auf das Kindergeld und den Kinderzuschlag entfallen 1,8 Milliarden Euro (2022: 1,7 Milliarden Euro), davon 1,47 Milliarden Euro auf den Kinderzuschlag für geringverdienende Familien und 195 Millionen Euro auf das Kindergeld. Für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind 1,06 Milliarden Euro eingeplant nach 1,02 Milliarden Euro in diesem Jahr.
Eingespart werden soll bei der Kinder- und Jugendpolitik, für die noch 616,5 Millionen Euro bereitstehen (2022: 1,02 Milliarden Euro). Deutlich geringer in dem Kapitel soll der Ansatz für Maßnahmen zur Umsetzung der Qualifizierungsoffensive ausfallen. Dafür sind 2023 31,05 Millionen Euro eingeplant nach 388,92 Millionen Euro in diesem Jahr. Aufgestockt werden sollen allerdings die Ausgaben zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie, und zwar von 183,5 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro. Die Zuschüsse und Leistungen für laufende Zwecke an Länder, Träger und Aufgaben der freien Jugendhilfe summieren sich auf 224,35 Millionen Euro (2022: 296,01 Millionen Euro).
511,84 Millionen Euro soll die Ministerin für die Stärkung der Zivilgesellschaft, für Familien-, Gleichstellungs- und Seniorenpolitik ausgeben können (2022: 578,95 Millionen Euro). Davon entfallen 346,27 Millionen Euro auf die Stärkung der Zivilgesellschaft (2022: 356,1 Millionen Euro) und 207,2 Millionen Euro auf den Bundesfreiwilligendienst (wie 2022).
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 409 vom 15.08.2022
Über die Zahl der erteilten Visa zum Familiennachzug zu Flüchtlingen und zu subsidiär Schutzberechtigten im vergangenen und im laufenden Jahr berichtet die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/2842) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (20/2217). Danach wurden im Jahr 2021 weltweit 9.891 Visa zum Familiennachzug zu Flüchtlingen erteilt und im Jahr 2022 (Stand 14. Juni) 4.527. Die Zahl der weltweit erteilten Visa zum Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten lag den Angaben zufolge im vergangenen Jahr bei 5.958 und im laufenden Jahr bis zum genannten Stichtag bei 3.656.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 407 vom 11.08.2022
Der Bundesrat fordert in einem Gesetzentwurf (20/2912) die dauerhafte Erhöhung der Mittel des Fonds Frühe Hilfen und eine regelmäßige, bedarfsgerechte Anpassung dieser Mittel. Zur Begründung verweist die Länderkammer darauf, dass die jährliche Unterstützung der verbindlichen Netzwerkstrukturen in den Frühen Hilfen in Höhe von 51 Millionen Euro seit 2014 nicht angepasst worden sei. Es finde aber durch veränderte Rahmenbedingungen eine stetige Entwertung der vorhandenen Mittel statt, so der Bundesrat. Dazu trügen insbesondere die gestiegene Anzahl von Kindern im Alter von null bis drei Jahren, die Häufung von psychosozialen Belastungen beziehungsweise psychischen Erkrankungen von Eltern, die zu einem höheren Unterstützungsbedarf im Bereich der Frühen Hilfen geführt haben, sowie die regelmäßigen Anstiege der Personal- und der Sachkosten durch Tarifabschlüsse beziehungsweise die Inflation bei.
„Um die von den Kommunen umgesetzten Maßnahmen Früher Hilfen dauerhaft auf einem bundesweit vergleichbaren und bedarfsgerechten Niveau sicherstellen zu können, ist es notwendig, den im Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) genannten Betrag in Höhe von 51 Millionen Euro ab dem Jahr 2023 bis 2025 schrittweise auf 96 Millionen Euro anzuheben“, fordert der Bundesrat. Ab dem Jahr 2026 soll er entsprechend der Entwicklung der Bevölkerung der unter Dreijährigen, der Tarifabschlüsse und des Verbraucherpreisindexes alle drei Jahre im Zuge der vorgesehenen Aktualisierung des Verteilschlüssel angepasst werden, sofern sich daraus jeweils ein Mittelzuwachs ergibt.
Die Länderkammer hatte in der Vergangenheit schon mehrfach eine Erhöhung dieser Mittel gefordert, der letzte Gesetzentwurf dazu war aber in der vergangenen Wahlperiode der Diskontinuität anheim gefallen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 389 vom 01.08.2022
Studie untersucht, worauf steigende Ungleichheit der Erwerbseinkommen zurückgeht – Verschiebungen bei der Arbeitszeit und Diskrepanz zwischen gewünschtem und tatsächlichem Erwerbsumfang sind Treiber – Flexiblere Arbeitszeiten und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nötig
Die monatlichen Bruttoerwerbseinkommen der Beschäftigten in Deutschland waren im Jahr 2018 deutlich ungleicher verteilt als 1993. Wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt, geht der Anstieg allerdings nicht in erster Linie auf ungleichere Stundenlöhne zurück, sondern auf die Entwicklung der Arbeitszeit und besonders darauf, wie diese mit den Stundenlöhnen zusammenhängt. Demnach arbeiten Beschäftigte mit hohen Stundenlöhnen im Vergleich zu Beschäftigten mit geringen Stundenlöhnen heute mehr Stunden pro Woche als früher. In vielen Fällen deckt sich die gewünschte Arbeitszeit nicht mit der tatsächlichen, zum Beispiel bei Müttern, die im Durchschnitt deutlich weniger Stunden erwerbstätig sind als sie eigentlich möchten. Gutverdienende wiederum arbeiten tendenziell mehr Stunden als gewollt. Hätten alle Beschäftigten genau so viel oder wenig arbeiten können wie gewünscht, wäre die Ungleichheit der Erwerbseinkommen in den vergangenen 25 Jahren nur halb so stark gestiegen.
„Viele Beschäftigte arbeiten ungewollt zu wenig oder zu viel – das ist sowohl aus Wohlfahrtsperspektive als auch sozialpolitisch problematisch“, erklärt Carsten Schröder, Mitglied des Direktoriums des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) im DIW Berlin. „Dass beispielsweise Mütter häufig unterbeschäftigt sind, deutet darauf hin, dass die nicht hinreichende Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor die beruflichen Perspektiven und Karrierewege von Müttern einschränkt.“
Veränderungenin der Erwerbsbevölkerung spielen nur untergeordnete Rolle
Für die Studie hat Schröder gemeinsam mit Mattis Beckmannshagen von der Freien Universität Berlin SOEP-Daten der Jahre 1993 bis 2018 ausgewertet. In ihrer Untersuchung nutzten sie ein spezielles Ungleichheitsmaß, die mittlere logarithmische Abweichung. Diese erlaubt es, die Entwicklung der Ungleichheit in drei Teile zu zerlegen: Stundenlöhne, Arbeitszeit und den Zusammenhang von beiden. Die Berechnungen ergaben, dass etwa 15 Prozent der bis 2018 im Vergleich zu 1993 gestiegenen Ungleichheit der Erwerbseinkommen auf die zunehmende Ungleichheit der Stundenlöhne zurückzuführen sind. 40 Prozent resultieren aus der zunehmenden Ungleichheit der Arbeitszeiten und 45 Prozent sind im wachsenden Zusammenhang von Stundenlohn und Arbeitszeit begründet.
Beschäftigte mit hohen Stundenlöhnen arbeiten im Vergleich zu Beschäftigten mit niedrigen Stundenlöhnen heute mehr als früher. Dies liegt vor allem daran, dass im unteren Lohnquintil – also bei den 20 Prozent der Beschäftigten mit den geringsten Stundenlöhnen – die durchschnittliche Arbeitszeit zwischen 1993 und 2018 deutlich gesunken ist. Dadurch wird die Ungleichheit der Erwerbseinkommen deutlich erhöht. Dass sich die Erwerbsbevölkerung im Untersuchungszeitraum verändert hat, spielt hingegen kaum eine Rolle: Sowohl den höheren Anteil erwerbstätiger Frauen als auch den Anstieg der Beschäftigten im Dienstleistungssektor konnten die Studienautoren in ihrer Berechnung isolieren – fast ohne Effekt auf die Ungleichheit der Erwerbseinkommen.
Brückenteilzeit ist guter erster Schritt zu mehr Arbeitszeitflexibilität
Der Haupttreiber für die Ungleichheit der Erwerbseinkommen sind also die Arbeitszeiten und die systematischen Unterschiede zwischen gewünschtem und tatsächlichem Erwerbsumfang. Ein Ansatzpunkt sei eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, etwa indem die Kinderbetreuungsangebote noch mehr an den Bedarfen der Beschäftigten ausgerichtet werden, so die Studienautoren. Auch flexiblere Arbeitszeitmodelle gehörten auf die Agenda. „Mit der sogenannten Brückenteilzeit hat die Politik bereits einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht“, sagt Beckmannshagen. Beschäftigte größerer Unternehmen können temporär ihre Arbeitszeit reduzieren und haben einen gesetzlichen Anspruch, später in ihren Vollzeitjob zurückzukehren.
„Mit der sogenannten Brückenteilzeit hat die Politik bereits einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht.“ Mattis Beckmannshagen, Freie Universität Berlin
Doch auch die Arbeitgeber seien am Zug: „Wenn Beschäftigte arbeiten können wie gewünscht, dann sind sie in der Regel motivierter und produktiver – das sollte eigentlich im ureigenen Interesse von Unternehmen sein“, so Schröder. Eine Hürde sind die Minijobs mit ihren Verdienstgrenzen, die beispielsweise durch die Anhebung des Mindestlohns künftig mit noch weniger Arbeitszeit erreicht werden. Hier wären Reformen nötig, die von der Beschränkung von Minijobs auf Gruppen wie SchülerInnen und StudentInnen bis hin zur kompletten Abschaffung reichen können.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vom 17.08.2022
Anders als bei der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 gibt es kaum Arbeitsagenturen, die negative Auswirkungen auf die Beschäftigung befürchten. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte sein, dass sich der Mangel an Arbeitskräften zwischenzeitlich massiv verschärft hat. Das zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die sich auf die monatliche Befragung der 155 regionalen Arbeitsagenturen durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) stützt.
Bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erwarten 86 Prozent der Agenturen für ihre Bezirke von der Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro keine Beschäftigungseffekte, während dies bei der geringfügigen Beschäftigung auf 70 Prozent zutrifft. Die übrigen Agenturen erwarten positive oder negative Wirkungen, die Anteile halten sich fast die Waage.
Vor der Einführung des Mindestlohns im Dezember 2014 hatte noch etwa ein Fünftel der Agenturen Beschäftigungsverluste befürchtet. Eine Rolle für die aktuell wesentlich neutralere Erwartungshaltung spielt die stark wachsende Knappheit an Arbeitskräften: Dabei erwarten Agenturen, die eine größere Knappheit an Arbeitskräften beim Stellenbesetzungsprozess melden, tendenziell auch positivere Effekte der Mindestlohnerhöhung auf die geringfügige Beschäftigung.
„Die stark gestiegene Knappheit am Arbeitsmarkt trägt dazu bei, dass die Mindestlohnerhöhung die betriebliche Nachfrage nach Arbeitskräften weniger stark dämpft. Arbeitskräfte werden gehalten oder hätten bessere Jobchancen, falls es doch zu Entlassungen kommt“, erklärt Enzo Weber, Leiter des Forschungsbereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“. „Sollte sich die realwirtschaftliche und geopolitische Situation nochmals massiv verschlechtern, würde dies den Arbeitskräftebedarf dämpfen. Die anstehende Erhöhung des Mindestlohns könnte sich dann negativer auf die Beschäftigung auswirken“, ergänzt Christian Hutter, Mitautor der Studie.
Familien mit niedrigem Einkommen tragen aktuell weiter die höchste Inflationsbelastung, Alleinlebende mit hohem Einkommen die geringste: Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben sind die Preise im August 2022 um 8,8 Prozent bzw. um 6,7 Prozent gestiegen, während der Wert über alle Haushalte hinweg bei 7,9 Prozent lag. Der Abstand hat sich im Vergleich zum Juli wieder leicht vergrößert. Das liegt daran, dass die größten Preistreiber – Haushaltsenergie und Lebensmittel – bei den Einkäufen von Haushalten mit niedrigen bis mittleren Einkommen einen größeren Anteil ausmachen als bei wohlhabenden. Auch Alleinerziehende, Familien und kinderlose Paare mit jeweils mittleren Einkommen hatten mit 8,5 Prozent, 8,4 Prozent bzw. 8,2 Prozent überdurchschnittliche Teuerungsraten zu tragen, während Familien mit höheren Einkommen bei 7,9 Prozent genau im Mittel lagen. Das ergibt der IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen liefert.*
Besonders ausgeprägt fiel der Anstieg der haushaltsspezifischen Inflationsrate gegenüber Juli für Alleinlebende mit niedrigen Einkommen aus: Ihr Warenkorb verteuerte sich im August um 8,3 Prozent, nach 7,7 Prozent im Vormonat. Ohne die im August noch wirksame Preisdämpfung durch das 9-Euro-Ticket wären ärmere Singles sogar erstmals die Haushaltsgruppe mit der höchsten Preissteigerung gewesen. Alleinlebende mit mittleren bzw. höheren Einkommen lagen mit Raten von 8,0 und 7,7 Prozent im August leicht ober- bzw. unterhalb der allgemeinen Preissteigerung (siehe auch die Informationen zur Methode unten und die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Für den Herbst sind neue Preisschübe absehbar, insbesondere beim Gas. Ob die soziale Spreizung bei den haushaltsspezifischen Inflationsraten dann weiter zunimmt, hängt nach Einschätzung von IMK-Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien und Inflationsexpertin Dr. Silke Tober stark davon ab, ob wirksame Energiepreisbremsen eingeführt werden, oder nicht.
In Folge des Ukrainekriegs und von weiterhin durch die Corona-Pandemie angespannten Lieferketten erreichte die Teuerungsrate für alle Haushalte im August wieder den bisherigen Höchststand vom Mai. Dabei sind die Unterschiede je nach Haushaltskonstellation und Einkommen sozial hoch problematisch, zeigt der IMK Inflationsmonitor: Mit 2,1 Prozentpunkten zwischen ärmeren Familien und wohlhabenden Alleinlebenden war die Differenz im August wieder leicht größer als im Juli, nachdem sie zuvor etwas gesunken war. Bei Familien mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen schlugen die besonders stark anziehenden Komponenten Haushaltsenergie und Lebensmittel mit 5,8 Prozentpunkten auf die haushaltsspezifische Inflationsrate von 8,8 Prozent durch, bei einkommensschwachen Alleinlebenden machten sie sogar 7,1 Prozentpunkte der 8,3 Prozent spezifische Teuerung aus. Bei einkommensstarken Alleinstehenden entfielen darauf hingegen 2,9 Prozentpunkte von insgesamt 6,7 Prozent. Bei diesen Haushalten sorgten im August dagegen die im Vorjahresvergleich ebenfalls erheblichen Preisanstiege bei Pauschalreisen, beim Autokauf, für Wohnungsinstandhaltung oder Kraftstoff für höhere Ausgaben – Positionen, die zum Teil auch für kinderlose Paare oder einkommensstarke Familien relevant waren.
„Die haushaltsspezifischen Inflationsraten zeigen, dass Haushalte mit geringeren Einkommen durch den Preisanstieg bei Haushaltsenergie überproportional belastet sind und sich hier auch die Verteuerung der Nahrungsmittel stärker niederschlägt“, schreiben Dullien und Tober. Dieser Trend könnte sich in den kommenden Monaten weiter verschärfen, da bisher noch nicht alle Preissteigerungen von Haushaltsenergie im Großhandel an die Privathaushalte weitergegeben wurden. Weiter verstärkt werde der Preisanstieg durch die ab Oktober eingeführten Gasumlagen, die durch die Mehrwertsteuersenkung auf Gas nur gedämpft, aber nicht kompensiert werden. So dürften die Verbraucherpreise für Erdgas allein durch die Kombination beider Maßnahmen um gut 15 Prozent steigen. Das werde im Oktober einen zusätzlichen Anstieg der allgemeinen Inflationsrate um 0,35 Prozentpunkte verursachen – und Menschen mit niedrigeren Einkommen proportional stärker belasten. Zudem haben Haushalte mit niedrigem Einkommen grundsätzlich ein besonderes Problem mit starker Teuerung, erinnern Dullien und Tober. Denn die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, sind kaum zu ersetzen. Zudem besitzen diese Haushalte kaum Spielräume, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten.
Die von der Bundesregierung in den Entlastungspaketen I und II beschlossenen und für das Entlastungspaket III angekündigten Maßnahmen „gehen weitgehend in die richtige Richtung“, konstatieren Tober und Dullien. Positiv heben die Forschenden die Energiepreispauschale hervor, die in diesem Monat an Erwerbstätige und im Dezember unter anderem an Rentnerinnen und Rentner ausgezahlt wird. Ebenfalls positiv bewerten sie die angekündigte Preisbremse für Strom und die „Aussicht auf einen Gaspreisdeckel“. Für die Frage, wie sich die Inflation in den kommenden Monaten unter sozialen Aspekten entwickeln wird, sei es äußerst wichtig, dass diese beiden Instrumente genutzt und wirksam ausgestaltet werden.
Informationen zum Inflationsmonitor
Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich.
Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.
Im 2. Quartal 2022 wurden rund 25 600 Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland gemeldet. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, nahm die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche damit im 2. Quartal 2022 gegenüber dem 2. Quartal 2021 um 11,5 % zu. Nach Rückgängen im Jahr 2021 (-5,4 % gegenüber 2020) und im Jahr 2020 (-0,9 % gegenüber 2019) nahm die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in den ersten beiden Quartalen 2022 deutlich zu. Ob und wie diese Entwicklung mit dem Verlauf der Corona-Pandemie zusammenhängt, bleibt anhand der Daten nicht eindeutig bewertbar.
69,8 % der Frauen, die im 2. Quartal 2022 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen, waren zwischen 18 und 34 Jahre alt, 18,8 % zwischen 35 und 39 Jahre. 8,7 % der Frauen waren 40 Jahre und älter, 2,6 % waren jünger als 18 Jahre. Rund 42 % der Frauen hatten vor dem Schwangerschaftsabbruch noch kein Kind zur Welt gebracht.
96 % der gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche wurden nach der Beratungsregelung vorgenommen. Eine Indikation aus medizinischen Gründen oder aufgrund von Sexualdelikten war in den übrigen 4 % der Fälle die Begründung für den Abbruch. Die meisten Schwangerschaftsabbrüche (50 %) wurden mit der Absaugmethode durchgeführt, bei 35 % wurde das Mittel Mifegyne® verwendet. Die Eingriffe erfolgten überwiegend ambulant, davon 83 % in Arztpraxen beziehungsweise OP-Zentren und 14 % ambulant in Krankenhäusern.
Weitere Informationen:
Detaillierte Informationen zu den Schwangerschaftsabbrüchen sind in den Tabellen zur Schwangerschaftsabbruchstatistik (23311) in der Datenbank GENESIS-Online und im Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung des Bundes unter www.gbe-bund.de abrufbar, sowie auf der Themenseite Schwangerschaftsabbrüche. Dort gibt es auch eine Übersicht über die Zahl der Meldestellen, also Kliniken und Arztpraxen, in denen grundsätzlich Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden.
Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt (Destatis) vom 13.09.2022
Im Jahr 2021 haben die Sozialhilfeträger in Deutschland 15,3 Milliarden Euro netto für Sozialhilfeleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ausgegeben. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, stiegen die Ausgaben damit um 6,5 % gegenüber dem Vorjahr.
Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung machte wie im Vorjahr mehr als die Hälfte der insgesamt 15,3 Milliarden Euro Nettoausgaben für Sozialhilfeleistungen im Jahr 2021 aus: Auf diese Leistung, die vollständig aus Erstattungsmitteln des Bundes an die Länder finanziert wird, entfielen nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 8,1 Milliarden Euro. Das waren 7,6 % mehr als im Vorjahr. Der erneut größte prozentuale Anstieg im Vorjahresvergleich war bei der Hilfe zur Pflege mit +10,0 % auf 4,7 Milliarden Euro zu verzeichnen. Die Ausgaben für die Hilfe zum Lebensunterhalt blieben mit knapp 1,2 Milliarden Euro in etwa auf Vorjahresniveau. In die Hilfen zur Gesundheit, die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten sowie die Hilfe in anderen Lebenslagen flossen zusammen knapp 1,3 Milliarden Euro und damit -4,2 % weniger als im Vorjahr.
Weitere Informationen:
Ergebnisse der Statistik der Ausgaben und Einnahmen der Sozialhilfe stehen im Themenbereich Sozialhilfe zur Verfügung (einschließlich Erstattungszahlungen des Bundes nach § 46a SGB XII für Nettoausgaben der Sozialhilfeträger für Geldleistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII an die Länder; Datenquelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales). Ferner sind Basisdaten und lange Zeitreihen zur Statistik der Ausgaben und Einnahmen der Sozialhilfe nach § 121 SGB XII (seit dem Berichtsjahr 2017 ohne Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) über die Tabellen „Ausgaben und Einnahmen der Sozialhilfe“ (22111) in der Datenbank GENESIS-Online abrufbar.
Methodische Hinweise:
Die Angaben beziehen sich auf Leistungen der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Nicht enthalten ist zum Beispiel die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch SGB II („Hartz IV“).
Ausgaben und Einnahmen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII) werden nicht mehr als Bestandteil der Statistik nach § 121 SGB XII erhoben, weil die entsprechenden Angaben im Rahmen der Erstattungszahlungen des Bundes an die Länder nach § 46a SGB XII in Höhe von 100 % der Nettoausgaben der Sozialhilfeträger für Geldleistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erfasst werden.
Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt (Destatis) vom 19.08.2022
Deutlicher Anstieg der zusammengefassten Geburtenziffer auf 1,58 Kinder je Frau
Bei Geburt des ersten Kindes waren die Mütter 30,5 Jahre und die Väter 33,3 Jahre alt
Im Jahr 2021 wurden mit 795 492 Neugeborenen rund 22 000 Babys mehr geboren als 2020. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, ist die zusammengefasste Geburtenziffer erstmals seit 2017 wieder gestiegen, und zwar von 1,53 Kindern je Frau im Jahr 2020 auf 1,58 Kinder je Frau 2021. Zu diesem Anstieg dürfte die relativ stabile Lage auf dem Arbeitsmarkt in Verbindung mit der besonderen Situation während der Corona-Pandemie zum Zeitpunkt der Zeugung beigetragen haben. Im Jahresverlauf ist die Geburtenhäufigkeit besonders im 1. und im 4. Quartal 2021 angestiegen.
Geburtenziffer in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen am stärksten gestiegen, Rückgänge in Thüringen und Sachsen
Die Geburtenziffer ist 2021 vor allem in den westlichen Bundesländern angestiegen. Am stärksten war der Anstieg in Baden-Württemberg (+5 %), gefolgt von Bayern und Hessen (jeweils +4 %). In den ostdeutschen Bundesländern waren dagegen nur geringe Zuwächse von ein bis zwei Prozent zu verzeichnen. In Thüringen und Sachsen nahm die Geburtenziffer sogar leicht ab (-1 %).
Die höchste Geburtenziffer wurde 2021 in Niedersachsen mit 1,66 Kindern je Frau gemessen. Am niedrigsten war sie in Berlin mit 1,39.
Geburtenziffer bei den deutschen Frauen deutlich erhöht, bei den Ausländerinnen fast unverändert
Bei den Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit war die Geburtenziffer 2021 mit 1,49 Kindern je Frau deutlich höher als im Vorjahr (1,43 Kinder je Frau). Bei den Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit blieb die Geburtenziffer mit 2,01 Kindern je Frau fast unverändert (2020: 2,00 Kinder je Frau).
Der Frauenjahrgang 1972 hat durchschnittlich 1,53 Kinder je Frau zur Welt gebracht
Die Gesamtzahl der im Laufe des Lebens geborenen Kinder betrug bei den Frauen des Jahrgangs 1972, der 2021 mit 49 Jahren das Ende der statistisch definierten fertilen Phase erreicht hat, durchschnittlich 1,53 Kinder je Frau. Diese sogenannte endgültige Kinderzahl war zuvor bei den Frauen der 1960er Jahrgänge kontinuierlich gesunken und hatte beim Jahrgang 1968 ihr historisches Minimum mit 1,49 Kindern je Frau erreicht. Die in den 1970er Jahren geborenen Frauen werden durchschnittlich mehr Kinder zur Welt bringen. Die endgültige Kinderzahl wird voraussichtlich spätestens beim Jahrgang 1979 die Marke von 1,6 Kindern je Frau erreichen. Dieser Anstieg ist vor allem auf die gestiegene Geburtenhäufigkeit bei den deutschen Frauen im Alter über 30 Jahren zurückzuführen.
Altersunterschied zwischen den Eltern bei Geburt des ersten Kindes betrug 2,8 Jahre
Beim erstgeborenen Kind der Frau betrug 2021 das durchschnittliche Alter der Mütter 30,5 Jahre und das der Väter 33,3 Jahre. Unabhängig von der Folge des Kindes waren 2021 die Mütter bei einer Geburt im Durchschnitt 31,8 Jahre und die Väter 34,7 Jahre alt.
2021 wurden durchschnittlich 1,47 Kinder je Mann geboren
Wie in den meisten wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern ist in Deutschland die durchschnittliche Kinderzahl je Mann – die sogenannte Vaterschaftsziffer – niedriger als die zusammengefasste Geburtenziffer der Frauen. Hierzu trägt vor allem bei, dass die Anzahl potenzieller Väter aufgrund der längeren fertilen Phase höher ist als die Anzahl potenzieller Mütter.
Die Vaterschaftsziffer lag 2021 mit 1,47 Kindern je Mann höher als 2020 (1,43 Kinder je Mann). Ähnlich wie die Geburtenziffer der Frauen nahm sie 2021 zum ersten Mal seit 2017 wieder zu.
Die zusammengefasste Geburtenziffer wird zur Beschreibung des aktuellen Geburtenverhaltens herangezogen. Sie gibt an, wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens bekäme, wenn ihr Geburtenverhalten so wäre wie das aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im betrachteten Jahr. Die zusammengefasste Geburtenziffer ist die Summe (und damit Zusammenfassung) der für jedes Alter von 15 bis 49 Jahren berechneten altersspezifischen Geburtenziffern eines Jahres. Dabei stellt eine altersspezifische Geburtenziffer die Relation zwischen den Lebendgeborenen der Mütter eines bestimmten Alters und der Zahl der Frauen in diesem Alter dar.
Angaben zur endgültigen Kinderzahl der Frauen eines Jahrgangs (Kohorte) liegen ab dem Jahrgang 1930 vor. Diese kohortenbezogene Geburtenziffer wird als Summe der altersspezifischen Geburtenziffern berechnet, die in den Jahren nachgewiesen wurden, in denen der entsprechende Jahrgang seine fertile Phase von 15 bis 49 Jahren durchlief.
Die zusammengefasste Vaterschaftsziffer der Männer wird analog der zusammengefassten Geburtenziffer der Frauen berechnet, die Zahl der lebend geborenen Kinder bezieht sich jedoch auf die männliche Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 69 Jahren.
Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt (Destatis) vom 03.08.2022
Mittelvergabe meist nach dem Prinzip Gießkanne – WZB-Studie zu den Aufholprogrammen
Ob Mathe-Nachhilfe, Förderstunden oder Feriencamp – das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ sollte Kindern und Jugendlichen helfen, pandemiebedingte Lernlücken zu schließen. Eine erste Bilanz des zwei Milliarden Euro teuren Bund-Länder-Pakets hat jetzt das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) vorgelegt. Das zentrale Ergebnis der Studie: Die selbstgesteckten Ziele des Programms wurden nur sehr bedingt erreicht. Ein Team um den WZB-Bildungsforscher Marcel Helbig hat erstmals für alle 16 Bundesländer untersucht, wie die Hilfen konzipiert und umgesetzt wurden.
Weitgehend verfehlt wurde das Ziel, jene Schüler*innen zu erreichen, deren Lernfortschritte unter Schulschließungen und Distanzlernen besonders gelitten haben – Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien und mit Migrationshintergrund. Die Mehrheit der Länder hat ihre Mittel vorwiegend nach dem Gießkannenprinzip verteilt. So erhielten in vielen Bundesländern vergleichsweise privilegierte Schulen wie etwa Gymnasien oder Privatschulen im selben Umfang Mittel wie sozial belastete Schulen. Gerade außerschulische Angebote wie private Nachhilfe oder freiwillige Ferienprogramme, die in vielen Landesprogrammen ein starkes Gewicht haben, kamen besonders förderbedürftigen Schüler*innen nicht im angestrebten Maße zugute. Nur wenige Bundesländer haben teilweise die Mittel auf Grundlage von Lernstandserhebungen (Brandenburg) oder Sozialindizes (Hamburg, Hessen und teilweise Nordrhein-Westfalen) vergeben.
Nur vereinzelt wurden mit den Aufholprogrammen Schüler*innen jener Klassenstufen unterstützt, in denen wichtige Weichen für den weiteren Bildungsweg gestellt werden, wie beim Übergang von der Grundschule auf weiterführende Schulen. Für die Mehrheit der Länder bleibt es zudem fraglich, inwieweit die angekündigte Unterstützung in den Kernfächern Deutsch und Mathematik stattfand.
Ob das Aktionsprogramm tatsächlich geholfen hat, pandemiebedingte Lernrückstände aufzuholen, bleibt laut Studie eine offene Frage – und wird es wohl auch bleiben. Der Grund: Eine systematische Datenerhebung ist nicht erfolgt. Lernstandserhebungen fanden weit überwiegend dezentral an den Schulen statt, häufig nicht in standardisierter Form, und wurden später nicht systematisch zusammengeführt. Auch die Teilnahme an den neu geschaffenen Angeboten wurde unzureichend dokumentiert.
Ein Kernproblem der Aufholprogramme bestand in der Gewinnung von pädagogischem Personal. Hier zeigt die Studie mit den ihr vorliegenden Zahlen, dass kein Land seine selbstgesteckten Personalziele erreicht hat – weder bei den (befristeten) Einstellungen noch bei der Zahl der durchgeführten Förderangebote.
Dass individuelle Förderung zum Abbau von Lernrückständen am besten dort gelingt, wo bereits Strukturen bestehen, zeigt die Studie am Beispiel von Hamburg, wo die Umsetzung des Corona-Aufholprogramms am vielversprechendsten erscheint. In Hamburg werden seit Langem Lernrückstände systematisch an den Schulen bearbeitet und es wird so weit wie möglich auf Klassenwiederholungen verzichtet. Darüber hinaus gibt es hier ein Recht auf Ganztagsbeschulung bis 14 Jahre. Diese Strukturen konnten auch für den Abbau von Lernrückständen genutzt werden und mussten nicht erst aufgebaut werden.
Als positiv bewerten die Autor*innen, dass durch das Aktionsprogramm lokale Kooperationen aufgebaut oder vertieft und neue pädagogische Angebote geschaffen wurden. „Das sind wichtige Impulse für die längerfristige Schulentwicklung“, sagt Marcel Helbig. Auch hätte das Aufholprogramm zu einer besseren Kommunikation und Kooperation der Länder beigetragen.
Für die Studie wurden neben umfassenden Dokumentenanalysen Interviews mit Vertreter*innen aller Landesverbände der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) geführt.
Quelle: Pressemitteilung Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung vom 06.09.2022
Die in der AGF zusammengeschlossenen Verbände betonen die Bedeutung einer Familienpflegezeit mit einem angemessen hohen und sozial ausgewogenen finanziellen Ausgleich.
Anlässlich der Übergabe eines Berichtsteils des unabhängigen Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf an Familienministerin Lisa Paus betonen die Verbände den großen Schritt, der mit der Einführung einer solchen Leistung für die Familien gegangen werden würde. „Die Einführung einer 36-monatigen Familienpflegezeit, die einen sozial ausgestalteten, angemessenen monetären Ausgleich bei Arbeitszeitreduzierungen durch pflegende Angehörige beinhaltet, wäre ein Meilenstein für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ein großer Schritt in Richtung Anerkennung der pflegerischen Leistungen in Familien“, betont Sidonie Fernau, AGF-Vorsitzende.
Die Familienorganisationen heben hervor, dass Familien durch einen Pflegefall vor besondere Herausforderungen gestellt werden. Diese entstünden oft plötzlich und unerwartet, auch Dauer und Intensität der Pflege seien nicht planbar.
„Zur Unterstützung der Betroffenen braucht es ein ganzes Bündel an Maßnahmen, wobei die Einführung einer gut funktionierenden Familienpflegezeit mit einem angemessenen finanziellen Ausgleich eine herausragende Bedeutung hat. Die derzeitigen Gesetze Pflegezeit und Familienpflegezeit, die die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf unterstützen sollen, zeigen keine ausreichenden Entlastungseffekte. Nun ist die Bundesregierung gefordert, die bereits existierenden Vorschläge aufzugreifen und entsprechend umzusetzen“, so die AGF-Vorsitzende.
Der unabhängige Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wurde 2015 durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingesetzt. Er befasst sich als nicht öffentliches Fachgremium mit Fragen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, begleitet die Umsetzung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen und berät das Ministerium über deren Auswirkungen. Alle vier Jahre wird dem BMFSFJ ein Bericht vorgelegt. Bereits in seinem ersten Bericht 2019 hat der Beirat die Einführung einer neu ausgestalteten 36-monatigen Familienpflegezeit vorgeschlagen. Der heute übergebene Berichtsteil wurde aufgrund der hohen Aktualität des Themas vorzeitig übergeben. Der Gesamtbericht wird im Jahr 2023 fertig gestellt. Die AGF wirkt als Mitglied im Beirat mit.
Quelle: Pressemitteilung Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V. vom 26.08.2022
Zum heutigen Internationalen Tag der Demokratie fordert die AWO ein stärkeres Engagement gegen die wachsende Armut und soziale Ungleichheit. Dazu erklärt Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes:
„Soziale Ungleichheit führt nicht nur dazu, dass Menschen von Teilhabe ausgeschlossen werden, sondern ist letztlich auch eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie.“
Seit der Corona Pandemie hat sich die soziale Ungleichheit unter anderem mit Blick auf die Verteilung von Einkommen und Vermögen deutlich verschärft. Die in Folge des Krieges in der Ukraine steigenden Energiepreise und die Inflation führen nun zu Sorgen vor wachsender Armut und Ungleichheit. Für Teile der Gesellschaft ist die Teilhabe an materiellen und kulturellen Gütern nicht mehr gesichert. Aus diesen Schieflagen und Sorgen entstehen Konflikte, die zu einer Polarisierung in der Bevölkerung führen können und die sich beispielsweise darin äußern, dass sich menschenverachtende Einstellungen verbreiten. Auch Vertrauensverluste in Politik, Wissenschaft und Medien sind Folgen zunehmender sozialer Ungleichheit. Hinzu kommt die Vereinnahmung des Themas durch rechte Akteure, die Ängste schüren, gesellschaftliche Spaltungen vorantreiben und die tatsächlichen Gründe für soziale Ungleichheit ignorieren.
Der heutige Internationale Tag der Demokratie bietet die Möglichkeit, einen geschärften Blick auf diese aktuelle Herausforderungen und Angriffe auf unsere Demokratie zu werfen. Der im Jahr 2007 von den Vereinten Nationen eingeführte Internationale Tag der Demokratie soll daran erinnern, dass Demokratie nur dann gut funktioniert, wenn viele Menschen sich immer wieder für sie einsetzen. Das tun auch die „Zusammenhalt durch Teilhabe“ Projekte in der AWO, die am heutigen Internationalen Tag der Demokratie gemeinsam die Online-Fachtagung „Demokratie für alle – aber wie? Soziale Gerechtigkeit zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Ansätze der AWO“ veranstalten.
„Mit der digitalen Fachtagung wollen wir uns heute mit den aktuellen Entwicklungen und den Ansätzen sowie Möglichkeiten der AWO beschäftigen, um – wie in unserem Grundsatzprogramm verankert – Ungleichheiten zu überwinden, soziale Gerechtigkeit zu schaffen und allen Menschen Teilhabe zu ermöglichen“, so Naidu. Mehr als 150 Interessierte aus verschieden Gliederungen der AWO werden sich im Rahmen der Tagung über Fragen sozialer Ungleichheit und Demokratiegefährdung weiterbilden und austauschen. „Wir nutzen diesen Anlass auch, um sichtbar zu machen, dass wir die wachsende Ungleichheit als Herausforderung verstehen, die wir ernstnehmen und angehen müssen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in diesen herausfordernden Zeiten zu stärken“, so Naidu abschließend.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 15.09.2022
Anlässlich des morgigen MBE-Aktionstages fordert der AWO Bundesverband, den Haushaltstitel im Bundesprogramm Migrationsberatung für erwachsene Zuwander*innen zu korrigieren. Andernfalls stünden schon in wenigen Monaten Ratsuchende vor geschlossenen Türen der Beratungsstellen.
Selvi Naidu, Mitglied des AWOBundesvorstandes, erklärt dazu: „Die von der Bundesregierung geplante Kürzung der Förderung für die Migrationsberatung für Erwachsene macht uns fassungslos.“ Noch im Mai hatte der Bundestag den Haushaltstitel – auch im Blick auf die Folgen des Ukrainekriegs – um 8 Millionen Euro erhöht. Im Haushaltsplanentwurf für 2023 sind demgegenüber plötzlich nur noch 57 Millionen Euro vorgesehen, das sind mehr als 25 Prozent weniger als im Jahr 2022.
Die bundesweiten Dienste der Migrationsberatung erfüllen im Einwanderungsland Deutschland zentrale Aufgaben: Sie bieten hochqualifizierte Beratung und Unterstützung bei Arbeits-, Wohnungs-, Ausbildungssuche und Behördengängen. Sie beraten zu Abschlüssen, vermitteln in Sprach- oder Integrationskurse und noch vieles mehr.
„Wo sollen Menschen, die nach Deutschland geflohen sind und sich hier neu orientieren müssen, mit ihren vielen Fragen hin? Wer soll die zukünftigen Fachkräfte beraten, die nach Deutschland einwandern sollen? Das alles übernehmen die Migrationsfachdienste der Wohlfahrtsverbände“, so Naidu.
Bundesweit gibt es mehr als 1.300 Beratungsstellen, die AWO berät bundesweit in mehr als 240 Beratungseinrichtungen. Sie bieten seit vielen Jahren und Jahrzenten Beratung, sind ein verlässliches Angebot für die Menschen vor Ort.
„Wir verstehen nicht, warum diese Beratungsangebote gerade jetzt so massiv zurückgefahren werden sollen, wenn flüchtende Menschen aus vielen Kriegsregionen der Welt, zuletzt aus der Ukraine, unsere Unterstützung brauchen. Ausgerechnet jetzt, wenn die Bundesregierung – zu Recht – den Fachkräftemangel und damit Einwanderung auf die Agenda setzt. Das steht nicht nur den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags, sondern auch dem gelebten Leben in Deutschland entgegen. Wir brauchen einen stabilen Haushaltstitel und eine Absicherung der Ausstattung für die Folgejahre für die Migrationsberatung“, so Naidu abschließend.
Morgen, am 14. September 2022, laden vor diesem Hintergrund bundesweit MBE-Beratungsstellen zum Aktionstag ein. Sie öffnen ihre Türen, stellen ihre Arbeit vor und zeigen auf, was es heißen würde, wenn diese wichtige Beratungsstruktur kurzfristig massiv abgebaut würde und Menschen im neuen Jahr vor verschlossenen Türen stünden.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 13.09.2022
Zum bundesweiten Tag der wohnungslosen Menschen am 11. September warnt die Arbeiterwohlfahrt vor einer Verschärfung der Wohnungskrise. Das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel, bis 2030 Wohnungslosigkeit in Deutschland überwunden zu haben, sei in Gefahr. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt:
„Bis 2030 will die Bundesregierung mit einem Maßnahmenpaket Wohnungslosigkeit in Deutschland auf Null reduziert haben. Aktuell gerät die Erreichbarkeit dieses Ziels gehörig ins Wanken, denn dafür werden u. a. neue Wohnungen gebraucht. Im Koalitionsvertrag ist der Bau von jährlich 400.000 Wohnungen, davon 100.000 Sozialwohnungen, vorgesehen. Aufgrund der derzeitigen Bedingungen – darunter steigende Energiepreise und Preissteigerungen bei Baustoffen – wird diese Zielmarke in diesem Jahr nicht mehr erreicht. Deshalb brauchen wir einen neuen Plan für die verbleibende Zeit, der die veränderten Rahmenbedingungen berücksichtigt. Und: In der derzeitigen Lage müssen wir verhindern, dass durch die Mehrbelastungen der privaten Haushalte noch mehr Menschen ihre Wohnungen verlieren. Haushalte mit geringen Einkommen dürfen nicht weiter belastet werden. Für von Armut betroffene Menschen ist die Gefahr groß, dass sie in die Wohnungslosigkeit abrutschen. Es braucht gezielte Maßnahmen, um sie zu schützen – zum Beispiel müssen Mieterhöhungen im Bestand deutlich begrenzt werden. In stark angespannten Wohnungsmärkten sollten Mieten befristet auf sechs Jahre gar nicht steigen, in weniger angespannten Wohnungsmärkten maximal um sechs Prozent in drei Jahren, soweit die bislang gezahlte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigt. Die Mietpreisbremse muss deutlich nachgeschärft werden und bundesweit gelten, um Mieterhöhungen bei Neuvermietung zu deckeln.“
Die AWO unterstützt die Kampagne WOHNUNG_LOS! der Bundesarbeitsgemeinschaft für Wohnungslose (BAG W):
Gestern hat die Europäische Kommission eine EU-Pflegestrategie vorgelegt. Diese hat zum Ziel, hochwertige, bezahlbare und leicht zugängliche Pflege- und Betreuungsdienste in der gesamten EU zu fördern. Die EU-Pflegestrategie wird begleitet von konkreten Vorschlägen zur Finanzierung bezahlbarer und hochwertiger Langzeitpflege und zur Überarbeitung der europäischen Ziele zu frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung.
Dazu erklärt Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes:
“Die EU-Pflegestrategie zeigt die vielfältigen Herausforderungen im Bereich der Langzeitpflege auf und nennt konkrete Empfehlungen, diesen zu begegnen. Bis 2050 werden mehr als 38 Mio. Menschen in der EU Pflegedienstleistungen in Anspruch nehmen müssen, das sind 7 Millionen mehr als derzeit. Schon heute herrscht in der Pflege europaweit Personalmangel. Während auf der einen Seite für viele Pflegebedürftige in der EU die Inanspruchnahme von Pflegeleistungen nicht finanzierbar ist, sind die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung, insbesondere für Frauen, die 90% der Pflegekräfte ausmachen, stark verbesserungswürdig. Diese Herausforderungen lassen sich auch in Deutschland beobachten.”
Die gestern von der EU-Kommission vorgelegte Pflegestrategie bietet gute Lösungsansätze und Vorschläge für konkrete Maßnahmen, die nun von den nationalen Regierungen zeitnah umgesetzt werden müssen. Die AWO nimmt daher die Bundesregierung in die Pflicht, sich für eine rasche Annahme der Empfehlungen der Kommission einzusetzen und einen ambitionierten Aktionsplan zur Stärkung der Langzeitpflege vorzulegen. Wichtige Punkte sind dabei:
Die Tarifverhandlungen und der soziale Dialog müssen weiter gefördert werden, mit dem Ziel eines flächendeckenden Tarifvertrags, mit dem angemessene Löhne und bessere Arbeitsbedingungen sichergestellt werden.
Qualitativ hochwertige, bezahlbare Langzeitpflege muss sichergestellt werden, um Pflegebedürftigen einen angemessenen Lebensstandard zu garantieren und die gesundheitliche Ungleichheit zu verringern.
Angemessene (finanzielle) Unterstützung für pflegende Angehörige muss gewährleistet werden.
Da die Herausforderungen im Pflegesektor alle EU-Mitgliedstaaten betreffen, appelliert die AWO zudem an die Bundesregierung, proaktiv gemeinsam mit allen Mitgliedstaaten an Lösungen vor allem bezüglich des Fachkräftemangels zu arbeiten und langfristige Zielsetzungen zu verfolgen. Auch dürfen die von der Kommission angekündigten Vorhaben betreffend Digitalisierung und Innovation in der Pflege nicht außer Acht gelassen werden.
Der gesamte Vorschlag der Europäischen Kommission kann unter diesem Link (PDF) abgerufen werden.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 08.09.2022
Betreuung durch Angehörige wird durch Personalnot in der Pflege noch wichtiger – Caritas begrüßt Vorschlag der Einführung eines Familienpflegegelds
„Höchste Zeit, der Situation pflegender Angehöriger die nötige Aufmerksamkeit zu schenken! Ebenso wie Eltern kleiner Kinder sind sie durch die Anforderungen der Pandemie an die Grenze ihrer Leistungskraft gekommen,“ kommentiert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa die Ergebnisse des Beirats zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Der Deutsche Caritasverband fordert eindringlich eine bessere Anerkennung der von pflegenden Angehörigen erbrachten Leistungen und konkrete Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
Die heute der Bundesfamilienministerin vom Unabhängigen Beirat zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf vorgelegten „Empfehlungen zur Familienpflegezeit und zum Familienpflegegeld“ gehen aus Sicht der Caritas in die richtige Richtung. „Die Erweiterung des begünstigten Pflegenden über den Kreis der Familienmitglieder hinaus und die Einführung eines neuen Familienpflegegeldes als Lohnersatzleistung mit unbürokratischem Antragsverfahren sind gute Ansätze“, begrüßt Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.
Freistellung für die Begleitung der letzten Lebensphase
„Besonders unterstützen wir die Forderung einer Auszeit zur Unterstützung der letzten Lebensphase eines Nächsten oder einer Nächsten. Die vorgeschlagene, bis zu drei Monate dauernde Freistellung, als Karenzzeit zur Begleitung des Sterbens ist ein wichtiges Element einer menschenfreundlichen Sorgekultur“. Auch der Vorschlag, dass jedes Jahr eine zehntägige Pflegefreistellung in Anspruch genommen werden kann, wird von der Caritas unterstützt. Die aktuelle Regelung sieht eine nur einmalige Freistellung im Pflegefall vor.
„Wir brauchen unkomplizierte Lösungen, die den Pflegenden finanziell und organisatorisch die notwendige Flexibilität geben, wenn die Mutter, der Ehemann oder die Schwester auf häusliche Unterstützung angewiesen sind“, fügt die Caritas-Präsidentin hinzu. „Dabei müssen wir gleichzeitig sicherstellen, dass niemand dauerhaft vom Arbeitsmarkt abgeschnitten wird, wenn er oder sie eine Auszeit zur Pflege eines Angehörigen nimmt.“ Die coronainduzierte Retraditionalisierung der innerfamiliären Rollenverteilung sollte keinesfalls verstärkt werden, so der Caritasverband, der aus den Erfahrungen seiner ambulanten Pflegedienste weiß, dass es immer noch in den allermeisten Fällen die Frauen sind, die ihre Erwerbstätigkeit für die Pflege von Angehörigen reduzieren.
Strukturen für die Entlastung von Pflegenden, faire Regeln für Live-Ins
Der Ausbau von Strukturen, die pflegende Angehörige entlasten oder deren Einsatz ergänzen können, muss unbedingt Teil der Lösung sein. Neben Tages- und Kurzzeitpflegeplätzen müssen faire Regeln für die Beschäftigung von Betreuungspersonal zu Hause (Live-Ins) zwingend zum Gesamtpaket gehören. Dass bei der Live-In-Betreuung Modelle möglich sind, die den Interessen aller Beteiligten gerecht werden, zeigt das Caritas-Projekt CariFair. Weitere Informationen unter: www.carifair.de
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e. V. vom 26.08.2022
Caritas und Diakonie äußern sich anlässlich der Ersten Lesung zum Bundeshaushalt Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag
Die angekündigten Mittelkürzungen bei der Förderung von Arbeit und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen in Höhe von 609 Millionen Euro müssen dringend zurückgenommen werden, appellieren der Deutsche Caritasverband und die Diakonie Deutschland an die Bundestagsabgeordneten. Heute berät der Bundestag in erster Lesung über die Summen, die im Etat des Bundeshaushaltes für Arbeit und Soziales künftig für die Jobcenter bereitgestellt werden.
Mit passgenauen Angeboten die Tür in den ersten Arbeitsmarkt aufstoßen
„Die vom Arbeitsministerium vorgelegte Bürgergeldreform setzt auf die richtige Karte, indem sie die Arbeitsmarktpolitik auf Kompetenzerwerb und langfristige Überwindung von Langzeitarbeitslosigkeit ausrichtet. Bildung, berufsbezogene Qualifizierung und Teilhabeförderung im sozialen Arbeitsmarkt kosten Geld und müssen mit ausreichend Mitteln im Eingliederungstitel hinterlegt werden. Um Menschen, die schon seit mehreren Jahren erwerbslos sind, wirksam mit passgenauen Unterstützungsangeboten die Tür in den ersten Arbeitsmarkt aufzustoßen, braucht es eine auskömmliche Ausstattung des Verwaltungstitels. Der Bundestag muss hier nachbessern“, fordert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.
Nachhaltige Arbeitsförderung gibt es nicht zum Spartarif
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: „Es darf kein Zurück zu einer Politik der kurzfristigen Maßnahmen geben, die kaum Perspektiven bieten. Eine nachhaltige Arbeitsförderung, zum Beispiel durch Qualifizierungen, die zu einem Berufsabschluss führen, gibt es nicht zum Spartarif. Jobcenter müssen die notwendigen Gelder erhalten, um qualitativ hochwertige, zielgerichtete Förderung anbieten zu können, die den tatsächlichen Bedarfen gerecht wird. Diese Investitionen zahlen sich am Ende aus. Sie helfen dabei, dass Menschen dauerhaft im Arbeitsmarkt ankommen und sich nicht von Job zu Job hangeln müssen.“
Bürgergeldreform: Erhöhung des Regelbedarfs auf 500 Euro reicht nicht!
Caritas und Diakonie kritisieren außerdem, dass die durch die Inflation steigenden Kosten von Menschen in Grundsicherung im Haushaltsansatz nicht hinreichend berücksichtigt werden. Die im Zuge der Bürgergeldreform angekündigte Erhöhung des Regelbedarfs auf 500 Euro reicht nicht aus, um den Menschen in dieser Krisenzeit angemessene Teilhabe zu ermöglichen.
Hintergrundinformation:
Der Bundestag befasst sich am 8. September mit dem Einzelplan 11 Arbeit und Soziales, der im Bereich der „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ der Jobcenter, dem sogenannten Eingliederungstitel, eine Reduzierung der Mittel um 609 Millionen Euro im Vergleich zum Bundeshaushalt 2022 vorsieht. Der Haushaltsansatz für „Verwaltungskosten zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende“, aus dem insbesondere das Jobcenterpersonal finanziert wird, beträgt 5,05 Milliarden Euro und damit 807 Millionen weniger als 2021 tatsächlich ausgegeben wurde.
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. und Deutscher Caritasverband e. V. vom 08.09.2022
Zum Tag der Wohnungslosen am 11. September appellieren die Diakonie Deutschland und der Evangelische Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e.V. (EBET) an die Bundesregierung, Einkommensarme vor dem Verlust ihrer Wohnung zu schützen. Zugang zu Wohnraum müssen auch Wohnungslose erhalten.
„Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt führt dazu, dass wohnungslose Menschen fast keine Chance auf eine eigene Wohnung haben. Es braucht endlich eine soziale Wohnungspolitik, die obdach- und wohnungslose Menschen im Blick hat. Der von der Bundesregierung angekündigte Nationale Aktionsplan zur Überwindung von Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 ist dringend notwendig und muss schnell entwickelt und umgesetzt werden“, so Diakonie und EBET. In einem Positionspapier schlagen sie unter anderem vor, den sozialen Wohnungsbau auszuweiten und nicht-gewinnorientierte Wohnungsanbieter sowie den Kündigungsschutz für Mieterinnen und Mieter zu stärken.
Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Die Folgen des Ukraine-Kriegs mit steigenden Energiekosten verschärfen insbesondere die Lage für von Armut betroffene und von Armut bedrohte Menschen. Immer mehr Menschen, die bislang gut zurechtkamen, geraten in die existenzielle Schieflage. Sie wissen nicht, wie sie die weiter steigenden Energiepreise bezahlen sollen. Wer aufgrund der gestiegenen Nebenkosten Zahlungsschwierigkeiten mit der Miete bekommt, darf seine Wohnung nicht verlieren. Daher brauchen wir ein Moratorium, das Mieterinnen und Mieter in diesem Fall vor einer Kündigung schützt.“
Dr. Jens Rannenberg, Vorsitzender EBET:
„Aktuell werden in den Städten viel zu wenig bezahlbare Wohnungen gebaut. Die hohen Neuvertragsmieten sind für Mitbürgerinnen und Mitbürger mit niedrigen Einkommen unbezahlbar. Wohnungslose Menschen sehen sich einer Konkurrenzsituation ausgesetzt, bei der sie keine Chance auf eine Wohnung haben. Sie müssen aber möglichst schnell in eigenen Wohnraum vermittelt werden. Es braucht mehr Fördermittel des Bundes, damit mehr bezahlbarer Wohnraum gebaut werden kann.“
Beide Verbände begrüßen die Initiative des Bundespräsidenten, das Thema Wohnungslosigkeit am Tag der Wohnungslosen in den Mittelpunkt zu rücken. „Wir freuen uns, dass der Bundespräsident zum Tag der Wohnungslosen zu einem Austausch ins Schloss Bellevue geladen hat und gemeinsam mit der Diakonie und weiteren Akteuren und Expertinnen über Strategien und Ideen zur Überwindung von Wohnungslosigkeit diskutiert. Wir brauchen breite Bündnisse auf allen Ebenen – im Bund, in den Ländern und nicht zuletzt in den Kommunen. Sonst wird die Wohnungsnot in Deutschland weiter zunehmen“, so Diakonie und EBET.
Die Lebenslagenuntersuchung des EBET, die dieses Jahr veröffentlicht wurde, zeigt deutlich, dass sich die Situation wohnungsloser Menschen in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert hat. Insbesondere Menschen, die auf der Straße leben, sind in einer existenziellen Notlage. Viele haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen, da sie aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat nach Deutschland emigriert sind. Sie besitzen häufig auch keinen Krankenversicherungsschutz. „Nötig sind daher auch ein verbesserter Zugang zum Gesundheitssystem sowie ein Sozialleistungsanspruch für alle bei uns lebenden Menschen. Nur so kann soziale Teilhabe für alle Menschen verwirklicht werden“, so die Verbände.
Weitere Informationen:
Positionspapier Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 überwinden – Menschenrecht auf angemessenen Wohnraum verwirklichen! https://go.diakonie.de/ebet
Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. und Evangelische Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e.V. vom 09.09.2022
Die am 31. August 2022 vorgestellte Digitalstrategie der Bundesregierung enthält vielversprechende Absichten. Ob sie die Grundlage eines progressiven Politikwechsels ist, bleibt jedoch offen. Ein wichtiger gleichstellungspolitischer Erfolg ist, dass das vom Deutschen Juristinnenbund e.V. (djb) seit Jahren geforderte Gesetz gegen Gewalt im Netz nun bis zum Jahr 2025 endlich kommen soll. Während der Koalitionsvertrag nur die technischen Aspekte der Digitalisierung behandelte, verspricht die Digitalstrategie zudem die Auseinandersetzung mit Machtstrukturen im digitalen Wandel und die Berücksichtigung feministischer Datenpolitik. Dazu gehört das klare Bekenntnis, dass engagierte Menschen sich in der digitalen Gesellschaft vernetzen können und vor digitaler Gewalt, Hassrede und Desinformation geschützt werden müssen. Dies ist uneingeschränkt zu begrüßen.
Konkrete Projekte in diese Richtung finden sich aber nicht. Der Schwerpunkt der Strategie liegt auf technischen Infrastrukturprojekten und massenhafter Datengenerierung. „Das Versprechen ‚durch eine effektive Nutzung des Potenzials von Daten das Leben für alle Menschen besser zu machen‘ verkennt, dass eine machtkritische Herangehensweise hier unverzichtbar ist und nicht erst auf später verschoben werden kann. Die Digitalstrategie lässt den innovativen soziotechnischen Ansatz vermissen, wie ihn der Dritte Gleichstellungsbericht für eine geschlechtergerechte Gestaltung von Digitalisierung aufgezeigt hat“, so die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig. „Die Digitalpolitik der Bundesregierung hat nicht nur ein technisches Umsetzungs-, sondern schlicht ein Erkenntnisproblem und weckt somit wenig gleichstellungspolitisches Vertrauen.“
Positiv ist, dass digitalisierungsbezogene Kompetenzen vermittelt werden sollen. Neue, innovative Bildungsansätze sind dabei jedoch nicht vorgesehen, vielmehr liegt der Fokus auf technischen Medienkompetenzen und MINT-Förderung unter Rückgriff auf bereits existierende Initiativen, wie den Girl’s Day. Dass keinerlei konkrete Projekte zur Überwindung des Digital Gender Gap und des Gender Data Gap enthalten sind, ist empörend. Damit fällt die Digitalstrategie sogar noch zurück hinter das im Koalitionsvertrag zumindest im gesundheitspolitischen Bereich gegebene Versprechen, den Gender Data Gap zu beseitigen.
Die Umsetzungsfrist der Richtlinie (EU) 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige ist am 2. August 2022 abgelaufen, ohne dass diese im deutschen Recht vollständig umgesetzt wurde.
Die Vereinbarkeitsrichtlinie soll die Chancengleichheit von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und die Gleichbehandlung fördern und die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben für alle Arbeitnehmer*innen erleichtern. In der Richtlinie sind dafür individuelle Rechte vorgesehen – diese gilt es zeitnah und vollständig umzusetzen.
„Insbesondere ein vergüteter Freistellungsanspruch für den zweiten Elternteil nach der Geburt unabhängig von der Elternzeit ist längst überfällig. Obwohl ein solcher Anspruch in der EU-Richtlinie und im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, warten wir noch immer auf die Umsetzung.“, so die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig.
Die Bundesregierung hat zur Umsetzung der Richtlinie einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser schafft jedoch kaum Verbesserungen und beseitigt die bestehenden Defizite nicht (siehe Stellungnahme des djb vom 4. Mai 2022).
Der djb fordert insbesondere:
analog zum Mutterschutz eine zweiwöchige und vergütete Freistellungspflicht für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes einzuführen;
eine diskriminierungsfreie Inanspruchnahme des Freistellungsrechts nach der Geburt auch bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu gewährleisten;
die Vergütung bei der Freistellung nach der Geburt des zweiten Elternteils an der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder am Mutterschaftsgeld zu orientieren;
den Freistellungsanspruch des zweiten Elternteils anlässlich der Geburt auf Selbstständige auszuweiten und die finanzielle Absicherung von selbstständigen Eltern generell zu verbessern;
die Möglichkeiten für Arbeitnehmer*innen zu verbessern, sich für die Pflege von Angehörigen oder im gleichen Haushalt lebenden Personen freistellen zu lassen;
den Kündigungsschutz bei der Inanspruchnahme von Eltern- und Pflegezeiten zu stärken;
die Telearbeit in das Antragsrecht für flexible Arbeitsregelungen einzubeziehen.
Die Folgen der Pandemie belasten Jugendliche und junge Erwachsene in fast allen Lebensbereichen weiterhin stark. Das zeigen erste Ergebnisse einer bislang unveröffentlichten Untersuchung im Rahmen des Surveys des Deutschen Jugendinstituts (DJI), die in der neuen Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse erschienen sind. In der Langzeitstudie werden regelmäßig etwa 1.500 junge Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren befragt. Viele sehen demnach eine der größten Herausforderungen in Schule, Studium und Beruf: Lediglich 55 Prozent der Befragten waren im Herbst 2021 – also lange nach den Phasen der strikten Lockdowns und des Homeschoolings – mit ihrer (Aus-)Bildungssituation zufrieden. Das sind 16 Prozentpunkte weniger als im Jahr 2019 vor der Pandemie. Auch die Freundschaftsbeziehungen litten in diesem Zeitraum stark: Zwar messen die 15- bis 25-Jährigen ihren Freund:innen nach wie vor hohe Bedeutung zu, doch der Anteil, der mit dem eigenen Freundeskreis zufrieden ist, reduzierte sich gegenüber 2019 um fast 20 Prozentpunkte.
„Die Lebenszufriedenheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bleibt in vielerlei Hinsicht massiv beeinträchtigt“, bilanziert DJI-Direktorin Prof. Dr. Sabine Walper auf Basis der neuen Forschungsdaten aus AID:A 2021. Zwar sei Corona wegen weiterer aktueller Krisen medial in den Hintergrund gerückt, doch der Bedarf an Unterstützung sei nach wie vor hoch. „Gerade junge Menschen mussten aufgrund der Pandemie auf vieles verzichten, was Jugend ausmacht“, betont Walper: Der über lange Zeit eingeschränkte Aktionsradius, die ins Digitale verlagerten Beziehungen zu Gleichaltrigen, die veränderten Lernbedingungen, die Hürden beim Auszug aus dem Elternhaus und beim Einstieg in Ausbildung, Studium und Beruf – all dies wirke sich immer noch negativ auf das Wohlbefinden der Altersgruppe aus. Besonders betroffen seien junge Menschen aus finanziell benachteiligten Familien.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus im Interview über politische Konsequenzen
Im Mittelpunkt der aktuellen Doppelausgabe von DJI Impulse mit dem Titel „Der lange Weg aus der Pandemie“ stehen deshalb die Erfahrungen Jugendlicher und junger Erwachsender. Auf Grundlage von vielfältigen Forschungsbefunden und Praxiserfahrungen analysieren Wissenschaftler:innen des DJI, aber auch profilierte Forscher:innen aus ganz Deutschland und Großbritannien sowie Expert:innen aus Fachpraxis und -politik in 17 Beiträgen die Situation der jungen Menschen. Und nicht zuletzt kommen auch Jugendliche selbst zu Wort.
In einem Interview bezieht Bundesfamilienministerin Lisa Paus politisch Stellung zu den Ergebnissen der aktuellen Studien. Sie setzt sich unter anderem dafür ein, jungen Menschen mehr Gehör zu verschaffen und ihre Beteiligung zu stärken. Hierfür sei der Nationale Aktionsplan Kinder- und Jugendbeteiligung wichtig, genauso wie die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. „Für mich ist ganz klar, wir dürfen die Pandemiebekämpfung nicht weiter zulasten der Kinder und Jugendlichen betreiben“, sagt Paus im Gespräch mit DJI Impulse.
Neue Videoreihe begleitet ab sofort jeden Schwerpunkt von DJI Impulse
Neben einer stärkeren Jugendbeteiligung in Politik und Gesellschaft fordert Walper im neuen DJI-Videocast Perspektiven differenzierte, gut vernetzte Angebote für professionelle Unterstützung, Beratung und Therapie. In der Videoreihe, die ab sofort die thematischen Schwerpunkte in DJI Impulse begleitet, benennen DJI-Wissenschaftler:innen auf Basis der wissenschaftlichen Analysen im Forschungsmagazin zentrale Herausforderungen und formulieren Lösungsansätze. Ziel ist es dabei, die wissenschaftliche Perspektive crossmedial zu verbreiten und in gesellschaftliche Debatten einzubringen, um lösungsorientierte Diskussionen anzustoßen.
Das Forschungsmagazin DJI Impulse berichtet allgemein verständlich über die wissenschaftliche Arbeit am DJI, einem der größten sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute in Deutschland. Regelmäßig informieren Wissenschaftler:innen über relevante Themen aus den Bereichen Kindheit, Jugend, Familie sowie Bildung und liefern Impulse für Politik, Wissenschaft und Fachpraxis.
Die aktuelle Ausgabe 2/2022 von DJI Impulse mit dem Titel „Der lange Weg aus der Pandemie“ kann kostenlos bestellt und heruntergeladen werden, auch ein Abonnement des Forschungsmagazins ist möglich: www.dji.de/impulse
Das Deutsche Kinderhilfswerk zeigt in einem Gutachten deutliche Defizite in der Verankerung von Kinderrechten in den rechtlichen und programmatischen Rahmengebungen für den schulischen Hort- und Ganztagsbereich auf. Das heute vorgelegte Gutachten der Kinderrechtsorganisation weist darauf hin, dass es im Bundesländervergleich innerhalb der Schul- und Kitagesetze sowie der Bildungs- und Rahmenlehrpläne eine große Heterogenität insbesondere beim Stellenwert von Kinderrechten und Demokratiebildung gibt. Die größten Lücken in den rechtlichen Vorgaben zeigen sich hierbei hinsichtlich der expliziten Nennung von Kinderrechten und Demokratiebildung, der sinngemäßen Verankerung des Diskriminierungsverbots sowie einem umfassenden Inklusionsverständnis.
„Kinderrechte müssen immer und überall der Maßstab sein, wenn es um die Interessen von Kindern und Jugendlichen geht. Das gilt sowohl für den schulischen Bereich als auch für außerschulische Angebote. Deshalb brauchen wir eine verbindliche und wirksame Festschreibung der Kinderrechte in allen gesetzlichen und programmatischen Vorgaben. Der bisherige Flickenteppich in diesem Bereich muss durch eine einheitliche Rahmengebung beendet werden. Demokratieförderung darf nicht erst dann beginnen, wenn Kinder und Jugendliche kurz vor der Teilnahme an ihren ersten Wahlen stehen. Demokratie muss als Alltag für Kinder erlebbar sein, schon für die Kleinsten. Wir dürfen aber auch nicht alles, was die Schulen selbst nicht schaffen, auf den Hortbereich abwälzen. Hier gilt es eine vernünftige Balance zu finden“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
In keinem Schulgesetz werden die Kinderrechte oder die UN-Kinderrechtskonvention explizit erwähnt. Zudem finden sich nur in einzelnen Ausführungsgesetzen der Bundesländer explizite Hinweise auf die Vermittlung und Verankerung von Demokratiebildung. Ein ganzheitliches Bild davon, wie Demokratiebildung im Primarbereich verstanden wird und umgesetzt werden soll, zeigt sich nicht. Neben den Defiziten zeigt das Gutachten aber auch Potentiale auf. Ein ganzheitliches Verständnis von Demokratiebildung deutet sich in den Bildungsplänen fast aller Bundesländer an, diese enthalten auch zum Teil konkrete Methoden zur Umsetzung im pädagogischen Alltag. Explizite Bezüge zur UN-Kinderrechtskonvention und sinngemäße Aussagen zu einzelnen Kinderrechten sind dabei aber trotzdem nur in der Hälfte der untersuchten ergänzenden Empfehlungen der Bildungspläne enthalten. Häufig haben sie zudem nur einen Empfehlungscharakter für pädagogische Einrichtungen und Fachkräfte. Zudem finden Hort- bzw. Ganztagseinrichtungen, sowie außerschulische Angebote der Kinder- und Jugendhilfe für den Primarbereich, in den Bildungsplänen und den ergänzenden Empfehlungen nicht durchgehend Berücksichtigung.
Besonders große Entwicklungsbedarfe sieht das Gutachten insgesamt bezüglich eines umfassenden Inklusionsverständnisses, im Sinne von Nicht-Ausgrenzung und gleichberechtigter Teilhabe aller Kinder. Nur ein Schulgesetz (Mecklenburg-Vorpommern) enthält hierauf Hinweise. Ähnlich verhält es sich mit verbindlichen Hinweisen auf Beschwerdeverfahren sowie auf unabhängige Beschwerdestellen, die dem Recht von Schülerinnen und Schülern auf Beschwerde Rechnung tragen. Zudem enthalten die spezifischen Formulierungen für den Grundschulbereich innerhalb der Schulgesetze keine Hinweise auf das Diskriminierungsverbot.
Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert deshalb alle Bundesländer auf, den identifizierten Lücken konstruktiv und nachhaltig zu begegnen, sowie an erkannten Potenzialen und Chancen anzusetzen und diese weiterzuentwickeln. Dies ist auch hinsichtlich der qualitativen Ausgestaltung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung relevant. Kinderrechte sowie deren Umsetzung dürfen nicht vom Engagement einzelner Fachkräfte abhängen. Sie müssen immer und überall der Maßstab sein, wenn es um die Rechte und Interessen von Kindern und Jugendlichen geht. Deshalb braucht es in allen gesetzlichen und programmatischen Vorgaben eine verbindliche und wirksame Festschreibung der Kinderrechte, des Diskriminierungsverbotes und von (unabhängigen) Beschwerdestellen, die durch ein umfassendes Inklusionsverständnis, das sämtliche Dimensionen von Diskriminierung bzw. Ausgrenzung mitdenkt, geprägt sind.
Umfangreiche Informationen zur Unterstützung der Demokratiebildung in Kita, Hort und Ganztag bietet die Website www.kompetenznetzwerk-deki.de. Auf dieser Seite präsentiert das im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ geförderte Kompetenznetzwerk „Demokratiebildung im Kindesalter“ sich und seine Arbeit im Online-Bereich. Auf der Website finden die Besucherinnen und Besucher umfangreiche Informationen, Empfehlungen und praxisbezogene Tipps rund um das Thema Demokratiebildung im frühkindlichen und Primarbildungsbereich. Verantwortlich für die Website sind das Deutsche Kinderhilfswerk und das Institut für den Situationsansatz (ISTA) als Träger des Kompetenznetzwerkes. Dieses wird unter dem offiziellen Fördertitel „Kompetenznetzwerk Frühkindliche Bildung und Bildung in der Primarstufe“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Das Deutsche Kinderhilfswerk startet ab heute die großangelegte Kampagne „Für ein kindgerechtes Deutschland“. Die Kinderrechtsorganisation ruft in neun deutschen Städten mit Plakaten dazu auf, Deutschland kindgerecht mitzugestalten und wirbt um Spenden für Kinder und Jugendliche. Unterstützt wird das Deutsche Kinderhilfswerk dabei vom Außenwerbungsunternehmen Ströer, das deutschlandweit Plakatflächen vermarktet, zum Beispiel an Bushaltestellen und Bahnhöfen.
Mit den eingenommenen Spenden fördert das Deutsche Kinderhilfswerk sowohl einzelne Kinder in ihrer individuellen Situation als auch bundesweit Projekte, die Deutschland zu einem kinderfreundlicheren Ort machen. Dabei stehen drei Schwerpunkte im Vordergrund: Bildung, Bewegung und Beteiligung.
So finanziert das Deutsche Kinderhilfswerk Kindern, die von Armut betroffen sind, beispielsweise Nachhilfe sowie die Teilnahme an Schulausflügen und außerschulischen Aktivitäten, um zu mehr Chancengerechtigkeit beizutragen. Ebenso maßgeblich für ein kindgerechtes Deutschland ist die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Deshalb fördert das Deutsche Kinderhilfswerk Projekte, bei denen Kinder ihre Interessen selbst vertreten können. Damit Kinder ihr Recht auf Spiel und Bewegung wahrnehmen und gut aufwachsen können, unterstützt das Deutsche Kinderhilfswerk zudem Projekte für eine kinderfreundliche Stadtgestaltung sowie mehr Spielmöglichkeiten.
„Ein herzliches Dankeschön an das Unternehmen Ströer, das uns bei dieser Plakatkampagne großzügig unterstützt. Als Deutsches Kinderhilfswerk haben wir unser diesjähriges 50. Jubiläum zum Anlass genommen, verstärkt darauf aufmerksam zu machen, dass es auf die gesamte Gesellschaft ankommt, damit Deutschland ein kindgerechtes Land wird. Die Belange von Kindern müssen in unserem Land endlich oberste Priorität haben. Besonders wichtig ist uns dabei, mehr Chancengerechtigkeit zu schaffen: Alle Kinder müssen faire Chancen im Leben erhalten – unabhängig von ihrer Herkunft und den finanziellen Möglichkeiten ihrer Familien“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Angesichts der zahlreichen Herausforderungen brauchen Kinder gerade jetzt starke Partner und Fürsprecher. Deshalb unterstützten wir gern die Kampagne ‚Für ein kindgerechtes Deutschland‘, um unsere Mitmenschen für das Thema zu sensibilisieren und um die nötige Aufmerksamkeit auf das Deutsche Kinderhilfswerk, sein Anliegen und sein wichtiges Angebot für Kinder, Jugendliche und Eltern zu lenken“, sagt Alexander Stotz, CEO Ströer Media Deutschland GmbH.
Die Plakate werden für zwei Wochen in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, München, Nürnberg und Stuttgart auf mehr als 2.000 Flächen zu sehen sein. Weitere Informationen zur Kampagne des Deutschen Kinderhilfswerkes für ein kindgerechtes Deutschland finden Sie unter: www.dkhw.de/kindgerecht. Mehr zum Jubiläum unter www.dkhw.de/50-jahre.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 06.09.2022
Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert im Vorfeld der heute beginnenden Anhörung der Bundesregierung vor dem UN-Kinderrechtsausschuss die mangelhafte Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland. So ist Deutschland bei der Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz in den letzten 30 Jahren seit Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention noch keinen Schritt weitergekommen. Zudem fehlt nach wie vor eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland. Auch bei der gesellschaftlichen Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen und der nachhaltigen Absicherung von Qualität und Chancengleichheit im Bildungssystem sieht das Deutsche Kinderhilfswerk nach wie vor große Leerstellen. Eine Fehlstelle besteht auch in der nach wie vor mangelhaften Überprüfbarkeit der Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland, was vorrangig auf ein fehlendes systematisches Monitoringsystem und große Rückstände bei der Datenverfügbarkeit zum Thema zurückzuführen ist.
„Ganz oben auf der Tagesordnung der Bundesregierung muss die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz stehen. Diese sind ein unverzichtbarer Baustein, um kindgerechtere Lebensverhältnisse und bessere Entwicklungschancen für alle Kinder zu schaffen, ihre Rechtsposition deutlich zu stärken, und Kinder an den sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen. Mit der Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention besteht die große Chance, langfristig eine tragfähige Grundlage für ein kinder- und familienfreundliches Land zu schaffen“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Zudem braucht es eine konsequente Ausrichtung der politischen Entscheidungen an den Interessen der Kinder und Jugendlichen. Das strukturelle Problem der Kinderarmut in Deutschland muss umfassend beseitigt werden. Das wichtigste Instrument dafür ist eine Kindergrundsicherung. Damit sollte der bestehende Familienlastenausgleich abgelöst, bestehende kindbezogene Leistungen transparent gebündelt und das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern bedarfsgerecht gewährleistet werden“, so Krüger weiter. „Bei der Kinderarmut haben die Corona-Pandemie und die gegenwärtige Energiekrise mit ihren explodierenden Preisen als Verstärker gewirkt, ohne dass seitens der Politik ausreichend darauf reagiert wurde. Auch deshalb brauchen wir bis zur Einführung einer Kindergrundsicherung deutliche Aufschläge auf die bisherigen Transfersysteme wie beispielsweise dem Sofortzuschlag, um Kinder und Jugendliche materiell hinreichend auszustatten. Unterstützt durch die Kindergarantie der Europäischen Union muss die Bundesregierung jetzt die Chance ergreifen, endlich eine ressortübergreifend abgestimmte Strategie zur Bekämpfung der Armut bei Kindern umzusetzen.“
„Die Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche in Deutschland müssen dringend weiter ausgebaut werden. Auch wenn sich in vielen Bundesländern und in zahlreichen Kommunen in den letzten Jahren einiges zum Positiven verändert hat, wird der Partizipation von Kindern und Jugendlichen oftmals nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei kommt der Bundesebene für den Wissenstransfer und bundesweite Maßnahmen besondere Bedeutung zu. Deshalb gehört das Thema verstärkt auf die bundespolitische Agenda. Die Corona-Pandemie hat uns schonungslos vor Augen geführt, dass sich selbst etablierte Beteiligungsverfahren als nicht krisenfest erwiesen haben. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an sie betreffenden Entscheidungen muss immer und überall endlich zu einer Selbstverständlichkeit werden. Denn Kinder und Jugendliche werden durch frühe Beteiligungserfahrungen in ihren sozialen Kompetenzen gefördert, gleichzeitig leistet frühe Beteiligung von Kindern einen fundamentalen Beitrag zur langfristigen Stärkung unserer Demokratie“, sagt Thomas Krüger.
„Und wir brauchen auch eine breite überparteiliche Initiative zur besseren Umsetzung der Kinderrechte im Verwaltungs- und Justizsystem. Denn zahlreiche Studien zeigen auf, dass die Situation von Kindern und Jugendlichen in behördlichen und gerichtlichen Verfahren in Deutschland oftmals weder den internationalen menschenrechtlichen Anforderungen noch den Leitlinien des Europarates für eine kindgerechte Justiz entspricht. Denn obwohl Verfahren ihre Interessen betreffen und die Entscheidungen weitreichende Folgen für ihr Leben haben, werden Kinder häufig nicht kindgerecht beteiligt und angehört“, so Krüger abschließend.
Die Anhörung der Bundesregierung vor dem UN-Kinderrechtsausschuss findet am 05./06.09.2022 in Genf statt. Sie ist Teil des laufenden Staatenberichtsverfahrens zum Fünften und Sechsten Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention). Der Fünfte und Sechste Staatenbericht wurde von der Bundesregierung im Jahr 2019 vorgelegt. Der Kinderrechtsausschuss (Committee on the Rights of the Child) besteht aus 18 unabhängigen Expertinnen und Experten. Ihm obliegt durch Prüfung der Staatenberichte der einzelnen Länder die Kontrolle über die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Zum deutschen Staatenbericht legt der Ausschuss Ende September seine Empfehlungen (Abschließende Bemerkungen) an die Bundesregierung vor, die es dann umzusetzen gilt.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 05.09.2022
„Die Familie ist der Ort, an dem Kinder Respekt und Solidarität, Gleichberechtigung und Toleranz lernen. Familien brauchen Zeit, um in alltäglichen demokratischen Aushandlungsprozessen und Kompromissfindungen am Küchentisch und im Kinderzimmer Kinder darin zu bestärken, andere Meinungen zu tolerieren, einander respektvoll zu begegnen und das gesellschaftliche Zusammenleben aktiv mitzugestalten“, sagt eaf-Präsident Dr. Martin Bujard anlässlich des Internationalen Tags der Demokratie.
Er erläutert: „Wenn Kinder erleben, dass ihre Meinung gehört und ernstgenommen wird, ist ‚demokratische Mitbestimmung‘ nicht länger ein abstrakter Begriff, der ihnen nur in der Schule begegnet, sondern ein Wert, der mit Leben gefüllt und im Alltag konkret greifbar wird. Kinder, die eine solche Familienkultur erfahren, gelangen zu einem natürlichen Verständnis demokratischer Werte, das sich über die Jahre festigt und tief verankert.“
Um Familien in ihrer besonderen Rolle bei der Demokratiebildung zu unterstützen, fordert die eaf, dass Familienbildung, -beratung und -erholung explizit als Adressaten des geplanten Demokratiefördergesetzes benannt werden. In diesen Arbeitsfeldern wird wichtige präventive Arbeit im Bereich der Demokratieförderung geleistet. „Damit wollen wir Familien das Rüstzeug an die Hand geben, um auch in Zukunft das Fundament für unsere Demokratie zu bauen“, schließt Dr. Martin Bujard.
Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V. vom 15.09.2022
Auf dem Familiensommer der Koordinierungsstelle für Alleinerziehende (KOOST) in Neukölln am 18.08.2022 war die Meinung der Alleinerziehende gefragt! Es kamen viele Themen auf den Tisch. Im Ergebnis gibt es viele Anregungen für die Politik und Verwaltung zur Verbesserung des Alltags von alleinerziehenden Familien.
Der Berliner Beirat für Familienfragen sucht den Austausch mit den Berliner Familien und begann seine Gesprächsrunden auf dem Familiensommer der Koordinierungsstelle für Alleinerziehende (KOOST) in Neukölln am Nachmittag des 18.08.2022.
Bei der Gesprächsrunde wurden viele Themen angesprochen, die Familien und insbesondere Alleinerziehende bewegen: die Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Ausbildung, die notwendigen finanziellen Unterstützungen und drohende Armut, die zeitliche Belastung durch bürokratische Vorgänge, die Wichtigkeit von Netzwerken und Orten der Begegnung für Alleinerziehende, die fehlende Anerkennung durch die Gesellschaft und vieles andere mehr.
Hier finden Sie die Ergebnisse der Gesprächsrunde und hier die Impressionen zum Familiensommer.
Kazım Erdoğan, Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen: „Der Familienbeirat möchte durch aufsuchende Arbeit in Erfahrung bringen, wie Familien besser geholfen werden kann. Wir gehen dafür an Orte, wo sich die Familien aufhalten: in Schulen, Kitas, Familienzentren, Elterncafés usw. Die Anregungen der Familien werden dokumentiert und an die Politik weitergegeben. Sie fließen auch in den nächsten Familienbericht ein, den der Beirat erstellt.“
Wir danken allen Alleinerziehenden für den regen Austausch und ihre Anregungen. Der Pfarrgemeinde danken wir für Nutzung der Räumlichkeiten in der Briesestraße 17.
Quelle: Pressemitteilung Berliner Beirat für Familienfragen vom 14.09.2022
Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. bietet ab sofort eine Hotline an, unter der sich Familien, die von exorbitanten Energienachzahlungen betroffen sind, für eine Erstberatung melden können. „Den Familien können wir zwar leider keine Finanzspritze aufs Konto geben. Wir schauen uns dafür jede Familie individuell an und versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden und Perspektiven aufzuzeigen, wie sie durch die schwere Situation kommen könnten“, macht die verantwortliche Hotline-Koordinatorin, Annika Kröller, Mut. „Niemand soll mit seinen Problemen und Fragen allein bleiben. Unser Team fängt die ersten Befürchtungen von Eltern auf und hört zu! Wir besprechen, wie und wo man ggf. noch Energie einsparen und Anträge zur finanziellen Unterstützung stellen könnte.“
Falls betroffene Haushalte Hilfe und Tipps rund um das Thema „Energiekostennachzahlung“ suchen, helfen wir gern weiter. Die Hotline dient dazu, die Sorgen von Mehrkindeltern nach Erhalt des Rechnungsbriefes aufzufangen. Es ist ein Erstberatungsangebot des KRFD e.V. und von Montag bis Freitag zwischen 10 und 12 Uhr unter der Telefonnummer 0157/32788738 erreichbar.
Quelle: Pressemitteilung Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. vom 31.08.2022
Angesichts hoher Wohnkosten und explodierender Preise für Energie und Lebensmittel drängt der Paritätische auf Entlastungen.
Mit der Forderung nach einem Mietenstopp und weiteren umfassenden Maßnahmen reagiert der Paritätische Wohlfahrtsverband auf die jüngste Mitteilung des Statistisches Bundesamtes wonach die einkommensärmsten Mieter*innen aktuell 42,6 Prozent ihres Einkommens allein für die Wohnkosten aufbringen müssen. Der Paritätische Gesamtverband fordert die Bundesregierung auf, noch in diesem Jahr entsprechende Entlastungsmaßnahmen umzusetzen.
„Das Gemisch aus explodierenden Lebenshaltungskosten und übermäßigem Einkommensverzehr durch Mietbelastung ist ein echtes Armutsrisiko”, erklärt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Der Verband geht davon aus, dass sich die Situation mit den steigenden Energiepreisen und der angekündigten Gasumlage noch weiter verschärfen wird. Es brauche daher dringend umfassende Hilfen für Menschen mit niedrigen Einkommen durch Anhebung und Ausweitung des Wohngeldes, aber auch einen Schutzschirm der Mieter*innen, damit niemand auf Grund steigender Kosten seine Wohnung verliert oder im Winter frieren muss. Mit einem Strom-, Energie- und Mietmoratorium müsse die Bundesregierung dafür sorgen, dass Mieter*innen vor diesem Schicksal bewahrt würden, so der Verband.
Darüber hinaus müsse die überkommene Wohnungspolitik prinzipiell in Frage gestellt werden. „In Deutschland haben wir gerade noch einmal gut eine Million Sozialwohnungen und jedes Jahr fallen Zehntausende weiter weg. Von den versprochenen 100.000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr ist die Bundesregierung meilenweit entfernt.“ Man bräuchte wieder mehr bezahlbaren Wohnraum für alle, wodurch auch die Mittelschicht entlastet würde, denn: „Eine einfache und halbwegs zentrale Drei-Zimmer-Wohnung ist in vielen Städten selbst für Durchschnittsverdienende oft zu teuer und schwer zu bekommen“, so Schneider weiter. Er begrüße, dass die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag die Wohngemeinnützigkeit wieder einführen wolle und mahnte eine schnelle Umsetzung an. Es brauche zudem dringend wirksame Mietpreisbegrenzungen durch einen Mietenstopp. Gemeinsam mit vielen Organisationen und Initiativen ruft der Paritätische Gesamtverband deshalb zu einem bundesweiten Aktionstag für bezahlbaren Wohnraum am 8. Oktober auf.
Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 26.08.2022
Zum Schulstart nach den Sommerferien in August und September appelliert UNICEF Deutschland an Bund, Länder und Kommunen, die Schulen, Kitas und weitere Einrichtungen für Kinder trotz vermutlich im Herbst erneut steigender Covid-19-Zahlen tatsächlich offen zu halten. Deutschland muss nach Einschätzung von UNICEF dringend eine langfristige Strategie entwickeln, um die negativen Auswirkungen der Pandemie und künftiger Krisensituationen für Kinder und Jugendliche zu minimieren, so UNICEF Deutschland heute. Dabei sollen auch die Anstrengungen zum Schutz und zur Förderung der psychischen Gesundheit von Heranwachsenden gestärkt werden.
„Für viele Schülerinnen und Schüler beginnt jetzt das vierte Schuljahr unter Pandemiebedingungen, viele jüngere Kinder kennen bisher nur einen Schulalltag im Ausnahmezustand. Bund und Länder haben zwar versichert, Schulen und Kitas offen zu halten, doch es kommt jetzt darauf an, rechtzeitig alles dafür zu tun, dieses Versprechen auch einhalten zu können,“ so Georg Graf Waldersee, Vorsitzender von UNICEF Deutschland. Es müsse vorausschauend in die bauliche, digitale und personelle Ausstattung der Einrichtungen investiert werden.
Seit März 2020 wurden Kitas und Schulen in Deutschland zumindest teilweise 38 Wochen geschlossen – länger als beispielsweise in Frankreich (12 Wochen) oder Spanien (15). Das Aussetzen des Präsenzunterrichts, aber auch lange Phasen häuslicher Quarantäne bedeuteten erhebliche Belastungen für die Familien. Untersuchungen belegen, dass sie bei Kindern Empfindungen wie Angst und Einsamkeit verstärkt haben – vielfach mit negativen Auswirkungen auf ihr Sozial- oder Schlafverhalten sowie ihr psychisches Wohlbefinden. Aber auch die während der Pandemie zunehmend hohe psychische Belastung vieler Eltern und familiäre Spannungen beeinträchtigen die Entwicklung von Kindern.
Die Schließungen von Schulen und Kitas müssen deshalb aus Sicht von UNICEF in Deutschland wie weltweit vermieden und die psychischen Folgen der Pandemie und weiterer Krisen dringend stärker adressiert werden. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung mit den Bundesländern eine langfristige Strategie entwickeln und umsetzen, um die Rechte von Kindern und Jugendlichen robuster abzusichern. „In mehr als zwei Jahren Pandemie wurden die Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen zu wenig gehört und immer wieder hintangestellt. Dies zeigt, dass die Rechte von Kindern in Deutschland dringend stärker ins Zentrum der Politik gerückt werden müssen. Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz ist dafür der erste wichtige Schritt“, so Georg Graf Waldersee.
Quelle: Pressemitteilung UNICEF e.V. vom 16.08.2022
Wie können wir in Zukunft den sozialen Zusammenhalt sicherstellen, wenn die Bevölkerung immer diverser wird – nicht nur in Bezug auf Herkunft und Geschlecht, sondern etwa auch auf Alter, Gesundheit, Bildungserwerb, Zugang zum Arbeitsmarkt und Familienstrukturen? Wir freuen uns darauf, diese Frage mit vier herausragenden Wissenschaftler*innen in unserer Quadriga-Talks-Webinar-Serie zu diskutieren.
Geringe Jahrgangstärken, steigende Bildungsaspirationen seitens der Jugendlichen, unbesetzte Ausbildungsplätze – eine Teillösung für den Fachkräftemangel könnte in einem Blick auf die Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ohne Berufsausbildung liegen. Seit mehreren Jahrzehnten liegt ihr Anteil unverändert bei ca. 15 % der 20- bis 34-Jährigen, d.h. jede/r sechste bis siebente junge Mensch! In dem Vortrag wird aufgezeigt, welche kognitiven Potentiale diese Jugendlichen haben, ob es Unterschiede in Persönlichkeitseigenschaften gibt und an welcher Stelle sie dem Ausbildungssystem verloren gehen.
Eine weitere Teillösung könnte in einer stärkeren Integration von zugewanderten Jugendlichen liegen – doch auch hier bleiben Potentiale unerkannt. Die präsentierten Befunde sollen die Teilnehmenden anregen, über Rekrutierungsprozesse und Anforderungen nachzudenken und im Dialog voneinander zu lernen – das hilft den Jugendlichen wie den Betrieben – und letztlich dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Weitere Informationen sowie die Anmeldung finden Sie hier.
Veranstalter: Internationale Tag Alleinerziehender Deutschland e. V. i. G.
Ort: Berlin
Alleinerziehende stärken: Wir fordern das Bedarfsgemeinschaftssplitting, an Stelle des Ehegattensplittings. Man muss sich mal vorstellen, dass Alleinerziehende die Steuerklasse 1 haben, wenn eine weitere Person im Haushalt Geld verdient, die kein Kindergeld mehr bezieht. Das kann eine neue Beziehung aber auch das eigene Kind sein, obwohl noch weitere minderjährige Kinder im Hausstand leben. Sie zahlen höhere Steuern als Ehegatten ohne Kind! Gibt’s nicht?! Na, dann fragen Sie mich!
Wir fordern ein gutes Unterhaltsvorschussgesetz, dass Kinder bis zum 25. Lebensjahr, bzw. bis nach der ersten absolvierten Ausbildung resp. Studiums, unabhängig von dem Einkommen des betreuenden Elternteils, aber auch unabhängig von der Bedarfsgemeinschaft, vollständig absichert. Nicht der bisher behördlich geglaubte Anspruch soll das Maß sein, sondern die Düsseldorfer Tabelle. Nach ihr muss auch der Unterhaltsvorschuss berechnet werden. Wir sagen Nein zu Ungerechtigkeit gegenüber Alleinerziehenden und wollen mehr Politik nur für Alleinerziehende!
N Ä S C H E N V O L L V O N U N(G E)R E C H T ? D A N N W E H R D I C H ! A L L E I N E R Z I E H E N D E O R G A N I S I E R E N S I C H ! 28. September 2022 17.00 – 20.00 Uhr Berlin-Mitte Alexanderplatz Weltzeituhr
Väter mit Migrationserfahrung finden eher selten den Weg in Angebote der Familienbildung und haben wenig Kontakt zu den Bildungseinrichtungen Kita und Schule. Wie können sie besser im Sinne einer Erziehungspartnerschaft erreicht werden? Inna Senn, Koordinatorin der Arbeitsgemeinschaft Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge in Niedersachsen (afmn e.V.) wird als Referentin die Arbeit des MigrantenElternNetzwerks vorstellen. Das Netzwerk bietet kostenlose Informationsveranstaltungen über das niedersächsische Bildungssystem in verschiedenen Sprachen (Deutsch, Arabisch, Englisch, Ukrainisch usw.) an. Broschüren und Erklärvideos greifen einzelne Aspekte des Kita- und Schulbesuchs auf. Welche Erfahrungen sind dabei bisher gemacht worden? Was ist für zugewanderte Familien wichtig? Wie können Väter bei der Bildung und Erziehung ihrer Kinder einbezogen werden? Welche Erwartungen haben Väter an Kindertagesbetreuung und Schulen? Welche Schwierigkeiten oder Missverständnisse gibt es?
Informationen aus dem MigrantenElternNetzwerk Niedersachsen unter men-nds.de
Bitte melden Sie sich bis zum 07. Oktober 2022 per E-Mail an bei Vassiliki Kefalas, kefalas@guv-ev.de.
Das Referat für Familienpolitik des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung koordiniert die Arbeit des Landesarbeitsforums „Aktive Vaterrolle“ mit dem Ziel, die Partnerschaftlichkeit in der Familie über die Stärkung einer aktiven Vaterrolle und die Förderung eines neuen Rollenverständnisses in der Familie zu stärken. Die Veranstaltungsreihe mit Experten und Expertinnen aus unterschiedlichen Bereichen möchte den fachlichen Austausch dazu fördern. Alle Termine und weitere Informationen finden Sie im Niedersächsischen Väterportal www.vaeter-in-niedersachsen.de.
Die Online-Fachgespräche werden von Gleichberechtigung und Vernetzung e.V. organisiert und begleitet. Die Teilnahme ist kostenfrei.
Die Online-Sessions werden per Zoom bzw. Skype for Business durchgeführt. Sie erhalten nach der Anmeldung einen Zugangslink.
„Bürgergeld“ – Für eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung
Unsere Hauptforderungen sind
eine deutliche Erhöhung der Regelsätze auf ein realistisches Niveau – laut Berechnungen des Paritätischen Gesamtverbands liegt das aktuell bei 678 Euro,
die sofortige Anpassung der Regelsätze bei größeren Preissteigerungen in den besonders relevanten Bereichen der Existenzsicherung,
die dauerhafte Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten einschließlich der Heizkosten,
die Herausnahme der Stromkosten aus dem Regelsatz sowie ihre Übernahme bis zu einem am Stromspiegel orientierten Grundverbrauch,
Veranstalter: Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen
Die Veranstaltung ist der Auftakt zur Veröffentlichung unserer Politikempfehlungen mit demselben Titel für eine Stärkung der Gleichstellungspolitik in der Regionalentwicklung.
Die digitale Veranstaltung findet am 17. Oktober 2022 von 10:00 Uhr – 12:00 Uhr, via Zoom, statt.
Weitere Informationen entnehmen Sie der Einladung.
Was brauchen Regenbogenfamilien? Wo drückt der Schuh? Was hilft ihnen im Alltag? Welche Herausforderungen haben sie zu bewältigen und was wünschen sie sich? Und was erwarten sie von der Berliner Politik und vom Familienbeirat?
Diese Fragen möchte der Berliner Beirat für Familienfragen mit queeren Familien diskutieren.
Interessierte Familien sind herzlich eingeladen. Für eine Kinderbetreuung wird nach Anmeldung gesorgt. Weitere Informationen sind hier auf der Webseite des Familienbeirats: www.familienbeirat-berlin.de
Veranstalter: Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V. (VAMV)
Ort: Oldenburg
Häusliche Gewalt betrifft viele Familien, Frauen deutlich häufiger als Männer. Besonders verwundbar sind auch die Kinder in den von häuslicher Gewalt betroffenen Familien. Sie bedürfen eines besonderen Schutzes. Die gewaltbetroffenen Elternteile sind weitreichenden Gefahren ausgesetzt und benötigen effektiven Schutz und Hilfe.
Im Falle einer Trennung stellen sich im Hinblick auf die Schutzrechte der Kinder und der gewaltbetroffenen Elternteile noch einmal ganz neue Fragen mit Blick auf das Ziel, Elternrechte und berechtigte Schutzinteressen nicht gegeneinander auszuspielen.
Bei der Fachtagung sollen folgende Fragen im Mittelpunkt stehen:
Wird häusliche Gewalt in familienrechtlichen Verfahren zum Umgangs- und Sorgerecht angemessen berücksichtigt? Werden die Istanbul-Konvention und die sich daraus ergebenden Schutzansprüche für Kinder und gewaltbetroffene Elternteile in Deutschland bereits vollständig umgesetzt?
Stellt miterlebte Gewalt gegen einen Elternteil für das betroffene Kind eine Kindeswohlgefährdung dar?
Welche Formen psychischer Gewalt gibt es und wie kann diese in familienrechtlichen Verfahren erkannt und angemessen berücksichtigt werden?
Was hält gewaltbetroffene Elternteile davon ab, Gewaltgeschehnisse in sorge- und umgangsrechtlichen Verfahren zu thematisieren?
Weitere Informationen zur Fachtagung finden Sie in dem Flyer.
Unbezahlte Sorgearbeit wie Kindererziehung, Pflege und Hausarbeit wird in Deutschland nach wie vor überwiegend von Frauen geleistet. Die Verantwortungsübernahme für Sorgearbeit inklusive der kognitiven Belastung durch die Planungs- und Organisationsarbeit (Mental Load) hat für sie erhebliche Nachteile auf dem Arbeitsmarkt und beim Erwirtschaften eigener Einkünfte bis hin zur Rente zur Folge. Männer bleiben unter Druck, das Haupteinkommen zur Existenzsicherung überwiegend oder alleine zu erwirtschaften.
Mit seiner Fachtagung möchte das Bündnis Sorgearbeit fair teilen den Blick auf diese Befunde lenken und unterstreichen, dass die Politik gefordert ist, Maßnahmen zur Schließung der Sorgelücke auf den Weg zu bringen. Dies ist dringend notwendig, um die Gleichstellung voranzubringen – umso mehr vor dem Hintergrund der Folgen der Corona-Krise.
Neben einem Statement seitens des BMFSFJ erwarten Sie spannende Impulse von Teresa Bücker und Prof. Dr. Bettina Kohlrausch sowie eine Podiumsrunde unter Beteiligung von Abgeordneten des Deutschen Bundestages.
Bitte merken Sie sich den Termin bereits heute vor. Die Einladung sowie das vollständige Programm erhalten Sie in Kürze.
Weitere Informationen entnehmen Sie dem Save the Date.
In diesem Jahr feiert die Deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik (DGfZP) ihr 20-jähriges Bestehen. Nachdem wir anlässlich unseres 10-jährigen Jubiläums der Frage nach gegangen sind, wie man sich das Konstrukt Zukunft theoretisch vorstellen kann, sollen im Zentrum diesmal die gesellschaftlichen Akteure und Agenturen stehen, die emphatisch „Zukunft machen“. Gefragt werden soll danach, wie (spät-) moderne Gesellschaften ihren Weg in die Zukunft organisieren – heute und in Zukunft. Dabei sollen unterschiedliche Weltsichten ebenso wie manifeste wirtschaftliche und politische Interessen zur Sprache kommen.
Welche Rolle spielen beim Finden einer guten Zukunft Politik und Wirtschaftsunternehmen? Sind Wissenschaft und Forschung in unserem Land so organisiert, dass sie einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, wie können zum Beispiel „Sprunginnovationen“ angeregt werden? Wie kann es gelingen, dass Wege in die Zukunft nicht mehr nur von den fachlichen und politischen Eliten entschieden werden, sondern mehr als bisher unter Beteiligung der Betroffenen? Wie können die Interessen zukünftiger Generationen adäquat berücksichtigt werden? Warum ist es so schwer, in verschiedenen politischen Arenen Prävention statt nachträglichem Reagieren als grundlegendes Politikmuster umzusetzen? Welchen Einfluss haben die Amalgamierung kultureller Traditionen mit Elementen westlichen Denkens auf die Erschließung der Zukunft in anderen Teilen der Welt, etwa in der Volksrepublik China? Und nicht nur aus aktuellem Anlass: Welche systematischen Zusammenhänge bestehen zwischen Zeit, Zukunftspolitik und Frieden?
Weitere Informationen sowie die Anmeldung finden Sie hier.
Da pädagogische Qualität kein eindeutig beschriebener Marker ist und an die Kindertagesbetreuungspraxis beständig neue Anforderungen gestellt werden, bleibt auch die Kompetenzentwicklung von Fachkräften ein lebenslanger, dynamischer Prozess und bedarf einer beständigen Reflexion und Überprüfung
Die AWO sieht sich als Trägerin in der Verantwortung für die Qualität und Weiterentwicklung der beruflichen Praxis in der Kindertagesbetreuung.
Es wird deutlich, dass die Gestaltung einer demokratischen und partizipativen Einrichtung sowie die Arbeit mit dem individuellen Willen und den Bedürfnissen der Familien und Kinder ein Merkmal pädagogischer Qualität ist. Darüber hinaus sind mit verschiedenen gesetzlichen Regelungen Demokratieentwicklung, Inklusion und Partizipation nicht länger fakultative Themen in der Kindertagesbetreuung, sondern gesetzlich verankerte Querschnittsthemen, die die Praxis prägen sollen.
Die Fortbildung zielt auf eine Erweiterung der Qualität im Arbeitsfeld Kindertagesbetreuung. Dabei gilt es neben der Weiterentwicklung von Fertigkeiten und Wissen, auch die Motivation für die spezifischen Themen zu verstärken und Handlungsfähigkeit zu erweitern. Hier werden sowohl individuelle, als auch Teamentwicklungen angesprochen.
Die Fortbildung umfasst 40 Unterrichtseinheiten an fünf Tagen (à acht UE) und besteht aus zwei Blöcken. Der erste Block (drei Tage) stellt die professionelle Haltung, Rolle und Selbstreflexion sowie die Praxisthemen Vielfalt, Diskriminierung und Inklusion in den Mittelpunkt. Der zweite Block (zwei Tage) richtet seinen Fokus auf Demokratieförderung und Partizipationsprozesse, sowie auf den Praxistransfer.
Weitere Informationen sowie die Anmeldung finden Sie hier.
Unter dieses Überschrift startet der Evangelische Verband Kirche Wirtschaft Arbeitswelt, am 05.09. 2022 mit einer online Petition.
Im Petitionstext heißt es:
„Die Sicherung des Existenzminimums darf nicht mehr nur als Grundversorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Wohnraum und Mobilität verstanden werden. Heute braucht es auch ein digitales Existenzminimum. Denn in praktisch allen Lebensbereichen werden digitale Fähigkeiten erwartet, sei es im Beruf oder auf der Stellensuche, in der Ausbildung oder bei einer Umschulung, im sozialen Umfeld und natürlich auch im Kontakt mit Jobcentern und anderen Sozialbehörden.
Gerade arme Menschen erleben die Digitalisierung oft nicht als Chance, sondern als zusätzliche Ausgrenzung, da es ihnen nicht zuletzt an der passenden Ausstattung mit digitalen Endgeräten fehlt.
Wir fordern funktionsfähige digitale Endgeräte für alle Menschen in der Grundsicherung!“
Das Handbuch ist Wissenssammlung und Ratgeber zugleich. Es baut auf den Erfahrungen vor Ort auf und wird von der Servicestelle Prävention stetig weiterentwickelt. Es enthält den Qualitätsrahmen zum Aufbau einer kommunalen Gesamtstrategie gelingenden Aufwachsens sowie Praxishandreichungen zu vielfältigen Aspekten der Entwicklung und Umsetzung dieser Gesamtstrategie. Zum Bestellformular für die gedruckte Version der Broschüren geht´s hier entlang.
Während es im Feudalismus noch üblich war, dass Privilegien bestimmten Gesellschaftsschichten wie dem Adel, der Kirche oder Offizieren vorbehalten waren, so ist es heutzutage (laut dem Grundgesetz) ein Ziel, dass nicht bestimmte Menschen(-Gruppen) benachteiligt oder bevorzugt werden dürfen, sondern alle Inhaber*innen derselben Rechte sind. Dennoch zeigt sich weiterhin, dass Privilegien bestimmte Personengruppen mit mehr Vorteilen ausstatten, sodass für sie Zugänge leichter und Barrieren niedriger werden. Privilegierte Personen können daher Ziele schneller erreichen und erfahren weniger Widerstand bei deren Umsetzung. Sie erleben sich dadurch häufig als wirksamer und selbstbestimmter. Sie begegnen in vielen Lebensbereichen mehr „offenen Türen“ und müssen weniger Konflikte bei der Umsetzung ihrer Wünsche und Bedürfnisse bewältigen. Dadurch haben privilegierte Menschen z. B. in ihrer Lebensgestaltung mehr Freiheiten als andere Menschen.
„Wenn du nicht darüber nachdenken musst, bist du privilegiert!“
Dieser Satz veranschaulicht, dass wir vorhandene Privilegien im Alltag kaum reflektieren. Oft werden uns Privilegien erst dann bewusst, wenn wir sie selbst nicht genießen, von ihnen nicht profitieren und besonders dann, wenn wir aufgrund fehlender Privilegierung Benachteiligung erfahren – aber gleichzeitig erleben, dass andere davon nicht betroffen sind. Ungleichheits- und Ungerechtigkeitserfahrungen sind oft prägende Momente in der persönlichen Diskriminierungserfahrung. Außerdem können solche Erlebnisse beständig wiederkehren und sich in Form von Alltagsdiskriminierung einprägen. Sprich: Fehlende Privilegien können bewirken, dass Personen tagtäglich damit konfrontiert werden, dass sie in gewissen Bereichen unprivilegiert sind.
Privilegien in der Kindertagesbetreuung
Wie im online abrufbaren Themenblatt Adultismus– Auseinandersetzung, Auswirkungen und Verwobenheit dargelegt, kommen Kinder sehr früh mit Diskriminierung in Kontakt. Durch Adultismus als Alltagsdiskriminierung lernen sie, wie Unterdrückung und Machtstrukturen funktionieren, und erleben, dass Machtmissbrauch und Abwertung anderer der Sicherung eigener Privilegien dienen können.
Bei den meisten Privilegien handelt es sich um geburtsbedingte, unveränderliche Eigenschaften, die schon ab dem frühen Kindesalter wirkmächtig sind. Ob in der Interkation von Fachkräften mit Kindern, mit Erziehungsberechtigten oder Kolleg*innen – überall können verschiedene Privilegien und daraus erwachsende Ungleichbehandlung beobachtet werden.
Die Auseinandersetzung mit und Reflexion von Privilegien soll dafür sensibilisieren, Ungleichheit zu hinterfragen und Beteiligungsmöglichkeiten zu stärken. Dies ist mit der Aufgabe verbunden, als Fachkraft eigene Vorannahmen, Vorurteile und Privilegien, aber auch Benachteiligungen, Diskriminierungen und Marginalisierungen zu erkennen. Es umfasst auch, Kinder und deren Erziehungsberechtigte als Akteur*innen anzuerkennen, die aus unterschiedlichen Lebensrealitäten kommen und mit verschiedenen Privilegien ausgestattet sind, und täglich an der Überwindung von Diskriminierung und Ausgrenzung mitzuwirken.
Privilegien Macht, Einfluss und Handlungsmöglichkeiten
Adultismus ist eine Diskriminierungsform. Er bezeichnet die Herabsetzung von Kindern durch Erwachsene aufgrund ihres Alters. Adultismus benennt das bestehende Machtgefälle und die Machtungleichheit zwischen Kindern und Erwachsenen. Er kann jedoch auch zwischen älteren und jüngeren Kindern auftreten. Abwertung und Diskriminierung aufgrund des Alters ist eine sehr verbreitete Erscheinung und tagtäglich zu beobachten. Die bestehende Machtungleichheit zwischen Minderjährigen und Erwachsenen wird hierbei ausgenutzt. Der Machtmissbrauch gegenüber Kindern entsteht oft im Kontext von Überlegenheit, Bequemlichkeit und pauschalisierenden Vorannahmen von Kind-Sein. Wie bei anderen Diskriminierungsformen auch, entstehen besondere Herausforderungen und Regeln, die nur einseitig festgelegt werden und nur einseitig wirksam sind. Sprich, es werden Verhaltensweisen und Regeln aufgestellt, die von Kindern verlangt werden, aber selbstverständlich nicht für Erwachsene gelten. Dadurch wird eine fest definierte Gruppe (Kinder) aufgrund eines Merkmals (Minderjährigkeit) benachteiligt.
Adultismus entfaltet seine Wirkung nicht nur allein, sondern auch in Verbindung mit anderen Diskriminierungsformen. Die Verwobenheit von mehreren Diskriminierungsformen wird Intersektionalität genannt. Besonders wichtig dabei ist, dass nicht einfach zwei soziale Merkmale wie bspw. Behinderungen und Geschlecht addiert werden und die betroffene Person im Ergebnis doppelte Diskriminierung erfährt. Ganz im Gegenteil hilft Intersektionalität dabei, wie durch ein Vergrößerungsglas die unterschiedlichen Bedingungen einer Diskriminierung zu erkennen. Die Erfahrungen von Mädchen mit Behinderungen unterscheiden sich sowohl von den Erfahrungen der Jungen mit Behinderungen als auch von denen der Mädchen ohne Behinderungen.
Vermeintlich alle Kinder sind von Adultismus betroffen und vermeintlich alle Erwachsenen haben Adultismus in ihrer Biografie erlebt. Dennoch haben auch andere Diskriminierungsformen, denen Kinder ebenfalls ausgesetzt sein können, einen weiteren Einfluss auf ihren Lebensalltag. Verschiedene Diskriminierungsmerkmale, die zeitgleich einwirken, können eine zusätzliche Belastung darstellen. An den Beispielen „Adultismus und Gender“ sowie „Adultismus und Kinder mit Behinderungen“ wurde skizziert, welche spezifischen Herausforderungen zusätzlich entstehen können.
Adultismus verdeutlicht das bestehende Machtgefälle zwischen Kindern und Erwachsenen. Es soll dafür sensibilisieren die Machtungleichheit zu Hinterfragen und Beteiligungsmöglichkeiten zu stärken. Es ist damit die Aufgabe verbunden, Kinder als gleichwertige Akteure anzuerkennen und an alltäglichen Entscheidungen und Prozessen zu beteiligen. Demokratie stärken und Vielfalt gemeinsam gestalten; für eine selbstreflexive und vorurteilssensible Kindertagesbetreuung. Das sind die Herausforderungen an die pädagogische Praxis.
Mit dem Projekt „DEVI – Demokratie stärken. Vielfalt gestalten.“ möchte der AWO-Bundesverband die Themen Selbstreflexivität, Vorurteilsbewusstsein sowie Demokratieentwicklung und Vielfalt gezielt in den Fokus stellen und die professionelle Auseinandersetzung mit Ihnen Fördern.
Die Publikation mit der Artikelnummer 12125 kann unterwerbung@awo.org bestellt werden.
Der neue Sonderband der Fachzeitschrift „Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit“ widmet sich dem spätestens seit Corona hochaktuellen Gesundheits- und sozialpolitischen Thema Einsamkeit. Beiträge unter anderem von Psychiater Manfred Spitzer, Gerontologe Johannes Pantel, Soziolog*innen wie Janosch Schobin und Praktiker*innen der Sozialen Arbeit untersuchen die verschiedenen „Facetten eines Gefühls“.
Das Thema Einsamkeit ist mit einem Tabu behaftet. Statistische Erhebungen für Deutschland belegen, dass jüngere Menschen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren und Menschen im hohen Alter, vor allem wenn sie von Armut betroffen sind, überdurchschnittlich häufig unter einem Mangel an sozialen Bindungen leiden. Einsamkeit kann wehtun. „Einsamkeit mag vielleicht keine Krankheit sein, aber körperliche und psychische Erkrankungen wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Probleme oder Depressionen können die Folge sein“, so AWO Bundesvorsitzende Brigitte Döcker im aktuellen TUP-Sonderband.
An der Erkenntnis, dass eine als leidvoll erlebte soziale Isolation krank macht, daran besteht in der Wissenschaft heute kein Zweifel mehr. Im Verlaufe der Pandemie hat sich der Umgang gewandelt. Armut, Krankheit, Alter, Homeoffice, Leben nach der Flucht, Leben im Gefängnis, der Verlust von Erwerbsarbeit, die Bedeutung von Freundschaft, die Wichtigkeit von Quartiersarbeit – im aktuellen TUP-Sonderband werden verschiedene Facetten von Einsamkeit benannt, analysiert und so diskutiert, dass ein angemessener Umgang mit dem Gefühl Einsamkeit möglich wird. „Denn klar ist“, betont Döcker, „Fühlen sich einzelne Menschen und ganze Gruppen dauerhaft ausgeschlossen und einsam, gerät auch das demokratische Miteinander in Gefahr.“
Berlin, 05.09.2022 – Anlässlich der Einigung des Koalitionsausschusses auf ein Drittes Entlastungspaket begrüßt das Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) die darin beschlossenen Maßnahmen, fordert aber eine umfassende und nachhaltige Unterstützung für arme Kinder und ihre Familien.
Der Koalitionsausschuss hat sich gestern auf ein weiteres Entlastungspaket geeinigt. Neben Maßnahmen auf dem Energiemarkt wie z.B. einer Strompreisbremse sieht dieses auch verschiedene Unterstützungsinstrumente für Familien vor. Diese umfassen insbesondere die Erhöhung von Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und die Regelsätze im Bürger*innengeld.
Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Wir begrüßen, dass Familien, v.a. auch Haushalte ohne oder mit nur geringen Einkommen, im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung mitbedacht werden. Die Ausweitung des Wohngelds hilft Familien, die steigenden Heizkosten zumindest teilweise abzufedern. Die Erhöhung des Kinderzuschlags und auch des Kindergeldes sind auf den ersten Blick gute Maßnahmen, greifen jedoch in ihrer aktuellen Systematik zu kurz. Familien im SGB-II-Bezug, Alleinerziehende oder Asylbewerberleistungsbezieher*innen gehen bei den Verbesserungen der Familienleistungen zum jetzigen Zeitpunkt vollkommen leer aus.
Hinzu kommt: Die steigenden Kosten für Strom, Lebensmittel oder dem Heizen fallen bei armen Familien besonders drastisch aus. Sie wohnen häufiger in schlecht isolierten Wohnungen, die zusammen mit stark stromverbrauchenden Geräten, wie alte Kühlschränke, die Kosten beim Energieverbrauch weiter in die Höhe treiben.“
Altenkamp ergänzt: „Es braucht eine nachhaltige Entlastung für Familien, die am meisten von steigenden Preisen betroffen sind. Für uns wäre ein dauerhafter Aufschlag von 78 Euro pro Monat und Kind der beste Weg. Dieser muss für alle Kinder und Jugendliche ausgezahlt werden, die hier aufwachsen, mit den Kinderfreibeträgen in der Steuer verrechnet, in den Sozialleistungen anrechnungsfrei gestellt werden und vollständig bei Kindern in Alleinerziehenden-Haushalten ankommen. Darüber hinaus darf die Umsetzung einer Kindergrundsicherung nicht aus den Augen verloren werden. Nur mit einer neuer Leistung, die wirklich bei allen Kindern ankommt, können wir Armut und Ausgrenzung nachhaltig bekämpfen!“