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ZFF-Sonderinfo

AUS DEM ZFF

Mit der vergangenen letzten Sitzungswoche des Bundestages neigt sich die Legislaturperiode ihrem Ende zu und der Wahlkampf ist endgültig eröffnet: Das Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) zieht mit Blick auf die Situation von Familien eine gemischte Bilanz der letzten Jahre der Großen Koalition.

Starke-Familien-Gesetz und Ausweitung des Unterhaltsvorschusses auf der einen, Scheitern von Reformen und soziale Schieflage auf der anderen Seite – die familienpolitische Bilanz der zu Ende gehenden Legislaturperiode fällt sehr durchwachsen aus. Mit dem Starke-Familien-Gesetz wurden Leistungen für Bildung und Teilhabe verbessert und der Kinderzuschlag neugestaltet. Der Unterhaltsvorschuss wurde über das 12. Lebensjahr hinaus ausgeweitet und mit dem Gute-KiTa-Gesetz wichtige Schritte zur Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung und zur Entlastung der Eltern bei den Gebühren eingeleitet.

Neben diesen positiven Ansätzen sind andere wichtige familienpolitische Vorhaben gescheitert, so z.B. die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz gemäß der UN-Kinderrechtskonvention. Auch der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule wurde vorerst durch den Bundesrat gestoppt. Die Hoffnung auf eine Reform des Abstammungsrechts hat sich ebenfalls als vergeblich erwiesen, sodass die daraus resultierende Diskriminierung von Zwei-Mütter-Familien weiter besteht. Zudem hat sich die soziale Schieflage in der Familienförderung noch weiter verschärft: Während die Kinderfreibeträge im Steuerrecht ausgeweitet wurden, gab es bei den Regelsätzen im SGB II keine wesentliche Verbesserung. Insgesamt enttäuschend ist der Umstand, dass kaum Impulse zur Förderung einer partnerschaftlichen Familienorganisation gesetzt wurden.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Neben einer ohnehin gemischten familienpolitischen Bilanz der Legislaturperiode hat doch vor allem die Corona-Krise gezeigt, dass den Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und Familien ein viel zu geringer Stellenwert bei politischen Entscheidungen eingeräumt wurde. Vor allem arme Familien waren im Lockdown weitgehend auf sich allein gestellt, die digitale Ausstattung von Schulen und Schüler*innen ließ und lässt auf sich warten. Hier gilt es, verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen und die Auswirkungen der Corona-Krise abzufangen.“

Altenkamp fordert deshalb: „In der nächsten Legislaturperiode müssen Kinder, Jugendliche und Familien im Mittelpunkt stehen. Wir brauchen eine sozial- und geschlechtergerechte Familien- und Bildungspolitik. Von einer guten Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf über die konsequente Umsetzung der Kinderrechte, die Digitalisierung in Schulen bis hin zu niedrigschwelligen Angeboten der Familienbildung und der Bekämpfung von Kinderarmut – die Große Koalition hat nicht genug unternommen, um Fürsorge in Deutschland endlich sozial abzusichern und hinterlässt der Nachfolgeregierung einen entsprechend großen Handlungsbedarf.“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 30.06.2021

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Wolkig bis heiter? Die familienpolitische Bilanz der Großen Koalition

Berlin, 30.06.2021Mit der vergangenen letzten Sitzungswoche des Bundestages neigt sich die Legislaturperiode ihrem Ende zu und der Wahlkampf ist endgültig eröffnet: Das Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) zieht mit Blick auf die Situation von Familien eine gemischte Bilanz der letzten Jahre der Großen Koalition.

Starke-Familien-Gesetz und Ausweitung des Unterhaltsvorschusses auf der einen, Scheitern von Reformen und soziale Schieflage auf der anderen Seite – die familienpolitische Bilanz der zu Ende gehenden Legislaturperiode fällt sehr durchwachsen aus. Mit dem Starke-Familien-Gesetz wurden Leistungen für Bildung und Teilhabe verbessert und der Kinderzuschlag neugestaltet. Der Unterhaltsvorschuss wurde über das 12. Lebensjahr hinaus ausgeweitet und mit dem Gute-KiTa-Gesetz wichtige Schritte zur Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung und zur Entlastung der Eltern bei den Gebühren eingeleitet.

Neben diesen positiven Ansätzen sind andere wichtige familienpolitische Vorhaben gescheitert, so z.B. die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz gemäß der UN-Kinderrechtskonvention. Auch der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule wurde vorerst durch den Bundesrat gestoppt. Die Hoffnung auf eine Reform des Abstammungsrechts hat sich ebenfalls als vergeblich erwiesen, sodass die daraus resultierende Diskriminierung von Zwei-Mütter-Familien weiter besteht. Zudem hat sich die soziale Schieflage in der Familienförderung noch weiter verschärft: Während die Kinderfreibeträge im Steuerrecht ausgeweitet wurden, gab es bei den Regelsätzen im SGB II keine wesentliche Verbesserung. Insgesamt enttäuschend ist der Umstand, dass kaum Impulse zur Förderung einer partnerschaftlichen Familienorganisation gesetzt wurden.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Neben einer ohnehin gemischten familienpolitischen Bilanz der Legislaturperiode hat doch vor allem die Corona-Krise gezeigt, dass den Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und Familien ein viel zu geringer Stellenwert bei politischen Entscheidungen eingeräumt wurde. Vor allem arme Familien waren im Lockdown weitgehend auf sich allein gestellt, die digitale Ausstattung von Schulen und Schüler*innen ließ und lässt auf sich warten. Hier gilt es, verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen und die Auswirkungen der Corona-Krise abzufangen.“

Altenkamp fordert deshalb: „In der nächsten Legislaturperiode müssen Kinder, Jugendliche und Familien im Mittelpunkt stehen. Wir brauchen eine sozial- und geschlechtergerechte Familien- und Bildungspolitik. Von einer guten Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf über die konsequente Umsetzung der Kinderrechte, die Digitalisierung in Schulen bis hin zu niedrigschwelligen Angeboten der Familienbildung und der Bekämpfung von Kinderarmut – die Große Koalition hat nicht genug unternommen, um Fürsorge in Deutschland endlich sozial abzusichern und hinterlässt der Nachfolgeregierung einen entsprechend großen Handlungsbedarf.“

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Wir brauchen einen Kurswechsel! Zu den Folgen der Corona-Pandemie für Kinder, Jugendliche und Familien

Berlin, 17.06.2021 – Anlässlich der heutigen Anhörung des Parlamentarischen Begleitgremiums COVID-19-Pandemie im Deutschen Bundestag zu den gesundheitlichen und sozialen Folgen der Pandemie drängt das Zukunftsforum Familie (ZFF) darauf, die Belastungen und Herausforderungen von Kindern, Jugendlichen und Familien in der Pandemiebekämpfung endlich ernst zu nehmen.

In der Corona-Krise haben Familien gezeigt, dass sie die Gesellschaft im Innersten zusammenhalten: ob bei der Kinderbetreuung, der Pflege von Angehörigen, durch Homeschooling oder solidarische Nachbarschaftshilfe. Die Lasten, die der Lockdown des öffentlichen und sozialen Lebens mit sich gebracht hat, waren und sind ungleich verteilt. Familien erhielten nur unzureichende Unterstützung, um die enormen Herausforderungen in der Krise zu bewältigen, die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen wurden lediglich nachrangig behandelt. Hier zeigt sich die Notwendigkeit einer Reflektion und Neuausrichtung der Pandemiepolitik besonders deutlich – Zeit für einen Kurswechsel!

Alexander Nöhring, Geschäftsführer des ZFF, erklärt dazu: „Nach Monaten des Homeschoolings, der zusätzlichen Fürsorgearbeit, die übernommen werden musste, und vor dem Hintergrund der wachsenden wirtschaftlichen Unsicherheit durch die Krise sind Familien am Ende ihrer Kräfte. In besonderem Maße trifft dies auf Frauen zu, die den Löwenanteil der zusätzlichen Arbeit übernommen haben. Gleichzeitig waren arme Familien und Familien, die privat ihre Angehörigen pflegen, größtenteils auf sich allein gestellt. Die Rechte von Kindern und Jugendlichen auf Beteiligung, Förderung und Schutz wurden weitgehend außer Kraft gesetzt. Das ist die verheerende Bilanz der Krisenmonate.“

Nöhring fordert deshalb: „Wir brauchen dringend einen klaren Kurswechsel hin zu einer Politik, die die Bedarfe von Kindern, Jugendlichen und Familien in den Mittelpunkt rückt. Dazu gehören der Ausbau der sozialen Infrastruktur vor Ort, die digitale Wende in den Schulen, die konsequente Umsetzung der Kinderrechte, eine gute Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf und vielfältige Angebote an psychosozialer Beratung und Begleitung, um die Krisenmonate zu verarbeiten. Erst dann wird das Vertrauen von Familien in die Politik wiederhergestellt sein.“


Alexander Nöhring ist heute als Sachverständiger bei der Sitzung des Parlamentarischen Begleitgremiums COVID-19-Pandemie geladen. Die öffentliche Anhörung wird ab 10.30 Uhr live unter www.bundestag.de übertragen.


Die Stellungnahme des Zukunftsforum Familie e.V. können Sie hier nachlesen.

Das ZFF-Positionspapier „Familien auch in Krisenzeiten gut absichern! Positionspapier des Zukunftsforums Familie e.V. (ZFF) zur Situation von Kindern, Jugendlichen und Familien in der Corona-Pandemie“ finden Sie hier.

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ZFF-Info 10/2021

AUS DEM ZFF

Anlässlich der heutigen Anhörung des Familienausschusses im Deutschen Bundestag begrüßt das Zukunftsforum Familie (ZFF) den Vorschlag zur Einführung eines Rechtsanspruchs auf Elternschutz für den zweiten Elternteil nach der Geburt und fordert dessen zügige Umsetzung.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. schlägt vor, das Mutterschutzgesetz zu einem Elternschutzgesetz weiterzuentwickeln. Zentral soll ein Rechtsanspruch auf Elternschutz, also eine bezahlte Freistellung von zehn Arbeitstagen für den zweiten Elternteil oder eine soziale Bezugsperson, unmittelbar nach der Geburt des Kindes eingeführt werden. Analog zum Mutterschaftsgeld soll dem zweiten Elternteil während der Freistellung ein Lohnersatz von 100 Prozent zustehen, um allen Familien den finanziellen Spielraum zu geben, den Elternschutz auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Daneben sieht der Antrag ein Rückkehrrecht auf den früheren Arbeitsplatz sowie ein Diskriminierungs- und Kündigungsverbot im Zusammenhang mit dem Elternschutz vor.

Alexander Nöhring, Geschäftsführer des ZFF, erklärt dazu: „Junge Eltern wollen Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlicher aufteilen, sie brauchen von Anfang an entsprechende Rahmenbedingungen. Ein Elternschutz von zehn Arbeitstagen bei 100 Prozent Lohnausgleich ist ein wichtiger Baustein für Väter oder den zweiten Elternteil, um sich ab der ersten Lebenswoche in die familiäre Kinderbetreuung einzubringen und die Mutter in dieser besonderen Zeit zu unterstützen. Die Regelung hat aus Sicht des ZFF das Potential, auch längerfristige partnerschaftliche Wirkung zu entfalten und kann u.a. einen Anreiz für eine längere Elternzeit des zweiten Elternteils darstellen.“

Nöhring ergänzt: „Um Familien bei einer gleichberechtigten Aufteilung von Betreuung und Erziehung von Kindern zu unterstützen, braucht es nachhaltige Reformschritte, die an die Zeit des Mutter- bzw. Elternschutzes anschließen. Wir setzen uns daher für eine Ausdehnung der Partnermonate beim Elterngeld ein. Darüber hinaus müssen wir gerade einkommensschwache Eltern dabei unterstützen, ohne finanzielle Nöte in ihr Familienleben zu starten. Das ZFF fordert, das Basis-Elterngeld als Familienförderleistung nicht wie bislang auf Transferleistungen anzurechnen. Daneben muss die Lohnersatzrate, gerade bei kleinen Einkommen, erhöht werden. Nur so schaffen wir es, allen Eltern Angebote für eine partnerschaftliche Familienorganisation zu machen!“

Alexander Nöhring ist heute als Sachverständiger bei der Sitzung des Familienausschusses geladen. Die öffentliche Anhörung wird zeitversetzt am 08. Juni um 17 Uhr unter www.bundestag.de übertragen.

Die Stellungnahme des Zukunftsforum Familie e.V. anlässlich der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 07. Juni 2021 zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Zehn Tage Elternschutz zusätzlich einführen“ (Drs. 19/26979) finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 07.06.2021

Anlässlich der heutigen öffentlichen Anhörung im Familienausschuss des Bundestages begrüßt das Zukunftsforum Familie (ZFF) die Anstrengungen zur Unterstützung von Familien im Rahmen des „Aufholpaketes“, mahnt jedoch Nachbesserungen für eine niedrigschwellige Begleitung nach der Krise an. 

Im Rahmen des „Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und zur Änderung weiterer Gesetze“ soll ein Teil des von der Bundesregierung angekündigten „Corona-Aufholpaketes“ für Kinder und Jugendliche umgesetzt werden. Konkret betrifft dies die Zahlung eines einmaligen Kinderfreizeitbonus in Höhe von 100 Euro pro Kind/Jugendlichem sowie den Wegfall des einmaligen Antrags auf Lernförderung bis Ende 2023. Außerhalb dieses Gesetzesvorhabens ist, über Programmaufstockungen oder durch Erhöhungen des Umsatzsteueranteils der Länder u. a. geplant, die Bundesprogramme „Sprach-Kitas“ und „Frühe Hilfen“ auszubauen, Ferien- und Wochenendfreizeiten für Kinder, Jugendliche und Familien zu stärken und Mehrgenerationenhäuser besser auszustatten.

Darüber hinaus sollen mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf die pandemiebedingten Ausweitungen und Flexibilisierungen des Pflegezeitgesetzes verlängert werden. Ebenso wird im Bundeskindergeldgesetz klargestellt, dass der Kinderzuschlag eventuell bestehende Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind nicht mindert. 

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt: „Kinder und Jugendliche sind in einem hohen Ausmaß von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen. Viele sind psychisch und physisch belastet, Lernrückstände werden immer größer und insbesondere armutsbetroffene Kinder und Jugendliche fühlen sich zunehmend abgehängt. Es ist gut und richtig, dass das geplante ‚Aufholpaket‘ ein Stück mehr Unterstützung bringt. Der Kinderfreizeitbonus und die Ausweitung der Lernförderung sind wichtige Schritte und auch die Ausweitung der Schulsozialarbeit, der Bundesprogramme ‚Sprach-Kitas‘ sowie ‚Frühe Hilfen‘, der Jugend- und Familienfreizeiten und der Mehrgenerationenhäuser sind enorm wichtig. Zudem wird Familien endlich vertraut, indem sie den Freizeitbonus selbst in die Hand bekommen und damit für sich entscheiden können, wie dieser am sinnvollsten für ihre Kinder und Jugendlichen eingesetzt wird.“

Altenkamp mahnt an: „Eine Milliarde für die Bekämpfung der Lernrückstände und eine Milliarde für den Rest, auf zwei Jahre verteilt – angesichts der Gesamtkosten zur Bewältigung der Krise sind das nur die Brosamen. Zudem geben uns Kinder und Jugendliche deutlich zu verstehen, dass Lernunterstützung nötig, aber bei weitem nicht ausreichend ist. Es muss jetzt auch darum gehen, Druck und Zukunftsängste abzubauen, sodass Kinder wieder Kinder und Jugendliche wieder Jugendliche sein können. Mit freien Zeiten, Phasen der Entspannung, offener Kinder- und Jugendarbeit, Familienbildung und weiterer niedrigschwelliger Begleitung und Unterstützung. Das muss jetzt im Fokus stehen, auch finanziell.“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 31.05.2021

SCHWERPUNKT I: Kinderrechte im Grundgesetz

Zum Scheitern der Aufnahme von Kindern ins Grundgesetz erklären Ekin Deligöz, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik, und Katja Keul, Sprecherin für Rechtspolitik:

Wir haben von Beginn an gesagt, dass wir für einen schlechten Kompromiss nicht zur Verfügung stehen würden. Nach schwierigen Verhandlungen müssen wir feststellen, dass bei den Kinderrechten weder eine Einigung auf Förderung noch auf Schutz noch auf Beteiligung erzielt werden konnte. Besonders die Unionsfraktion hat eine Stärkung der Kinderrechte abgelehnt.

Wir bedauern das sehr, gleichzeitig können wir keiner Vorlage zustimmen, die keinerlei Fortschritt für die Kinderrechte in Deutschland bedeutet. Der Vorschlag der Koalition enthält mit der Gewährleistung verfassungsmäßiger Rechte und des rechtlichen Gehörs überflüssige Verweise auf bereits geltendes Recht und damit letztlich nur eine Umschreibung, dass sich für die Kinder in Deutschland nichts ändern soll.

Letztlich müssen wir feststellen, dass eine Verankerung wirksamer Kinderrechte im Grundgesetz zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen ist. Es bleibt zu hoffen, dass die gesellschaftliche Debatte weitergeht und eines Tages die erforderliche Zweidrittelmehrheit für stärkere Kinderrechte im Grundgesetz ermöglicht. Wir werden auch in der neuen Wahlperiode alles daran setzen, dass Kinder starke Rechte im Grundgesetz bekommen, die ihnen zustehen, damit wir für unsere Kinder in der Zukunft einen echten Mehrwert schaffen können.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 08.06.2021

Mit dem Scheitern, die Rechte der Kinder stark in unsere Verfassung aufzunehmen, ist der Großen Koalition bei einem weiteren Großprojekt die Puste ausgegangen. Justizministerin Lambrecht, im Nebenjob auch noch Familienministerin, hat es nicht geschafft, die nötige Mehrheit zu organisieren, um Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Kinder stehen nach extrem schweren Monaten der Pandemie immer noch nicht im Mittelpunkt der Politik. Das ist ein Armutszeugnis für die Koalition, es ist ein Armutszeugnis insbesondere für die Union, die den Vorschlag blockiert hat.

Kinderrechte gehören ins Grundgesetz, damit Kindeswohl und Interessen bei staatlichen Entscheidungen endlich maßgeblich berücksichtigt werden. Eine starke Formulierung muss das Recht von Kindern auf Schutz, auf Förderung und auf Beteiligung in den Dingen, die sie betreffen, beinhalten. Zuletzt hatten wir einen kosmetischen Vorschlag auf dem Tisch, der sogar hinter der geltenden Rechtslage wie den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention zurückging.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Und egal, ob es um die Stadtplanung oder um die Sozialpolitik geht, ihre Rechte müssen im Vordergrund stehen.

Wir brauchen jetzt dringend eine konsequente Armutsvermeidung mit einer echten Kindergrundsicherung. Wir müssen dafür sorgen, dass wir aus der Pandemie herauskommen mit umfassenden Angeboten für Bildung und Freizeit.

Quelle: Pressedienst Dienstag-Statement Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 08.06.2021

Für die heutige Sitzung des Rechtsauschusses des Bundestages war ursprünglich die Behandlung der Kinderrechte-Gesetzentwürfe von LINKEN, Grünen und FDP geplant. Doch zur Überraschung der Oppositionsfraktionen setzte die Koalition den Tagesordnungspunkt kurzerhand ab. Begründung: Man habe noch Beratungsbedarf. Worin dieser besteht, bleibt unklar. Erst gestern hatten Justizministerin Lambrecht und Unionsfraktionsvorsitzender Brinkhaus das Scheitern der Verhandlungen zur Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz eingeräumt.

Niema Movassat, Obmann der Fraktion DIE LINKE im Rechtsauschuss, erklärt dazu: „Wir bedauern, dass die Koalition nicht willens ist, sich mit den demokratischen Fraktionen auf eine Formulierung der Kinderrechte im Grundgesetz zu einigen. Aber dass sie heute im Ausschuss auch noch die Abstimmung über die Gesetzentwürfe von LINKEN, Grünen und FDP verhindern will, ist ein Skandal und dem Parlament unwürdig.“

Norbert Müller, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, ergänzt: „Das Versprechen der Kanzlerin und ihrer Koalition, Kinderrechte im Grundgesetz zu stärken, ist nichts wert. Gerade die Union hatte nie vor, irgendeiner Grundgesetzänderung zuzustimmen und hat nur zum Schein verhandelt. Ich bin nur noch wütend über dieses Manöver auf dem Rücken der Kinder.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 09.06.2021

„Die Koalition hat das Vorhaben, Kinderrechte endlich im Grundgesetz zu verankern, an die Wand gefahren“, kommentiert Norbert Müller, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, das heute bekanntgegebene Scheitern der Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz. Norbert Müller weiter:

„Erst wurden anderthalb Jahre in einer ergebnislosen Bund-Länder-AG verplempert, dann wertvolle Monate im Koalitionsstreit. Schließlich haben SPD und Union die Debatte über die seit Jahren vorliegenden Vorschläge von LINKEN und Grünen im Rechtsausschuss blockiert. Der vorliegende Regierungsvorschlag wäre ein großer Rückschritt. Dennoch waren wir immer zur Debatte und zu Kompromissen bereit. Mit der von der Union forcierten Entscheidung der Koalitionsfraktionen, DIE LINKE aus den Verhandlungen auszuschließen, war absehbar, dass es keine Mehrheit im Bundestag mehr geben wird. Nach den Bundestagswahlen müssen die Verhandlungen im Parlament zwischen allen demokratischen Fraktionen umgehend wiederaufgenommen werden. Dabei ist für uns klar: Wir wollen umfassende Rechte auf Schutz, Förderung und Beteiligung und einen Vorrang des Kindeswohls im Grundgesetz sichern.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 08.06.2021

Zum Scheitern der Verhandlungen über eine ausdrückliche Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz erklärt der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae:

„Es ist bedauerlich, dass die Verhandlungen über die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz an der Ambitionslosigkeit der Großen Koalition gescheitert sind. Die FDP-Fraktion hat sich zu keinem Zeitpunkt einer ausdrücklichen Verankerung von Kinderrechten verschlossen. Vielmehr haben wir uns durchgehend konstruktiv an den Verhandlungen beteiligt und eigene Verbesserungsvorschläge eingebracht. Zudem haben wir stets dafür geworben, die sexuelle Identität als negatives Diskriminierungsmerkmal in Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz aufzunehmen. Letztlich war die Große Koalition aber nicht in der Lage, ernsthaft auf konstruktive Vorschläge einzugehen. Eine neue Bundesregierung wird sich dem Thema mit größerer Sorgfalt widmen müssen.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 08.06.2021

Zum Scheitern des Koalitionsvorhabens, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, erklärt das Aktionsbündnis Kinderrechte (Deutsches Kinderhilfswerk, der Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland, in Kooperation mit der Deutschen Liga für das Kind):

„Das Scheitern der Verhandlungen über die Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz ist ein herber Dämpfer für die Kinder, Jugendlichen und Familien unseres Landes, die in den vergangenen Monaten ohnehin schon wenig Unterstützung erfahren haben. Die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass Kinderrechte bisher zu häufig übergangen werden.

Dass sich die Bundestagsfraktionen nicht auf eine gemeinsame Formulierung einigen konnten, ist enttäuschend. Kinder und ihre Familien hätten mehr Kompromissbereitschaft und Rückhalt über alle Parteien hinweg verdient. Mit dem Scheitern des Vorhabens wurde eine historische Chance verpasst, die Rechte von Kindern nachhaltig zu stärken.

Das Aktionsbündnis Kinderrechte wird sich weiter für eine Verankerung der Kinderrechte in der deutschen Verfassung einsetzen. Die im Aktionsbündnis vertretenen Kinderrechtsorganisationen rufen Bund und Länder dazu auf, weiter eine tragfähige Lösung zur Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz zu suchen. Es braucht eine starke und eindeutige Formulierung für die Kinderrechte, die unabhängig von den Elternrechten gegen den Staat gelten. Dies wäre eine wichtige Grundlage für kindgerechtere Lebensverhältnisse und bessere Entwicklungschancen für alle Kinder, für eine stärkere Rechtsposition und mehr Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland.“

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk, Deutscher Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland und Deutsche Liga für das Kind vom 08.06.2021

Der Kinderschutzbund zeigt sich enttäuscht über die gescheiterten Verhandlungen zu der Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz.

In der Corona-Krise hatte der Kinderschutzbund oft den Eindruck, dass Kinder in der Politik keine hohe Priorität haben. Dieser Eindruck setzt sich beim Umgang mit den Kinderrechten fort. „Ein deprimierendes Signal für Kinder und Familien in Deutschland“, findet der Präsident des Kinderschutzbunds, Heinz Hilgers.

„Wir brauchen echte Kinderrechte im Grundgesetz. Zu echten Kinderrechten gehören Schutz, Förderung und Beteiligung von Kindern sowie der Vorrang des Kindeswohls“, sagt Heinz Hilgers dazu. Der Kinderschutzbund wird weiter für die Kinderrechte kämpfen. „Neben der Kindergrundsicherung ist die Aufnahme echter Kinderrechte ins Grundgesetz der wichtigste Wahlprüfstein für den Kinderschutzbund“, erklärt Bundesgeschäftsführer Daniel Grein. Der Kinderschutzbund erwartet, dass eine zukünftige Regierung im Koalitionsvertrag festhält, dass echte Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden.

Dass das möglich ist, zeigen zwei Bundesländer: „Hessen hat nach einem überragenden Ergebnis einer Volksabstimmung ein gutes Beispiel abgegeben. Und erst kürzlich hat Bremen gezeigt, dass ernstgemeinte Kinderrechte in der Landesverfassung erreichbar sind“, so Heinz Hilgers.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Kinderschutzbund – Bundesverband e.V. vom 08.06.2021

Laut Aussage von Justiz- und Familienministerin Lambrecht wird die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen. Die Parteien geben sich nun gegenseitig die Schuld daran, dass eine abschließende Verhandlungsrunde mit Vertreter*innen der Bundestagsfraktionen ergebnislos verlief. „Dass die Parteien keinen Kompromiss finden, ist kaum zu glauben! Kinder und Jugendliche sind die Verlierer“, bedauert Martin Bujard, Präsident der eaf. „Die Corona-Pandemie hat überdeutlich gezeigt, wie groß und dringend der Handlungsbedarf ist. Deshalb haben wir bereits im Januar davor gewarnt, das Vorhaben in die nächste Wahlperiode zu verschieben.“

 

Die eaf hatte schon früh befürchtet, dass der vorgelegte Regierungsentwurf die erforderlichen Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat verfehlen könnte und deshalb bereits Mitte Januar einen ausführlich begründeten Alternativvorschlag vorgelegt. Dieser verhindert sowohl ein Zurückfallen hinter die Regelungen der UN-Kinderrechtskonvention, wie es von der Opposition kritisiert wurde, als auch eine Verschiebung des wohlaustarierten Grundrechts-gefüges zwischen Eltern, Kindern und Staat, was wiederum von der Union abgelehnt wird.

 

„Eine Übernahme einzelner Rechte aus der UN-Kinderrechtskonvention ist gar nicht nötig, hat aber zu dem Streit um die richtige Formulierung geführt. Diese Klippe könnte mit der Einigung auf ein Staatsziel umschifft werden“, erläutert Bujard. „Wir meinen, es reicht aus, Kinder unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung zu stellen und sich mittels eines Staatsziels auf die tatsächliche Durchsetzung aller Kinderrechte aus der UN-Kinderrechtskonvention zu einigen. So aber wird die große Chance verpasst, jetzt, wo wir es besonders dringlich brauchen, einen Startschuss für eine aktivere Politik für Kinder und Jugendliche abzugeben.“

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V. (eaf) vom 09.06.2021

Die Kindernothilfe kritisiert die deutsche Regierung für das Scheitern der Verhandlungen zur Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz. Obwohl das Vorhaben im aktuellen Koalitionsvertrag verankert ist, wurde gestern bekannt, dass es nicht umgesetzt wird. „Die Regierung wird ihr Versprechen nicht halten und hat damit eine riesengroße Chance zur Stärkung der Kinder und ihrer Rechte vertan“, so Katrin Weidemann, Vorstandsvorsitzende der Kindernothilfe.

„Es ist unfassbar enttäuschend, dass die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz an Detailfragen scheitert“, sagt Katrin Weidemann, Vorstandsvorsitzende der Kindernothilfe. Obwohl das Vorhaben im aktuellen Koalitionsvertrag verankert ist, wurde gestern bekannt, dass es nicht umgesetzt wird. Justiz- und Familienministerin Christine Lambrecht hatte nach einer abschließenden Verhandlungsrunde mit den Bundestagsfraktionen die Nachricht veröffentlicht, dass es keine Zweidrittelmehrheit für den Vorstoß geben wird. 

Wie wichtig Kinderrechte sind und dass sie viel weiter reichen als Menschenrechte, zeige sich einmal mehr in der Pandemiezeit, sagt Weidemann mit Blick auf die steigenden Zahlen zu Gewalt gegen Kinder. „Wir sehen in einer Grundgesetzänderung die Chance, den Staat stärker in die Pflicht zu nehmen, kindgerechte Lebensverhältnisse zu schaffen und Kinderarmut zu bekämpfen“, so Weidemann weiter.

Die Sorge von Kritikern einer solchen Regelung, die Freiheit und die Verantwortung der Elternrechte einzuschränken, könne die Kindernothilfe nicht teilen. „Kinder haben ein Recht darauf, bei Dingen, die ihr Leben betreffen, einbezogen zu werden. Es ist beschämend, dass Kindern und Jugendlichen mit dieser Entscheidung wieder einmal deutlich gemacht wird, wie wenig ihre Bedürfnisse zählen!“

Der jahrelange Einsatz der Kindernothilfe und vieler Kinderrechtsorganisationen erlebe einen großen Rückschritt. „Aber wir geben nicht auf und kämpfen in der nächsten Legislaturperiode weiter dafür, dass Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden“, so Weidemann.

 
Quelle: Pressemitteilung Kindernothilfe vom 08.06.2021

SoVD-Präsident Adolf Bauer: „Die Rechte von Kindern müssen gestärkt werden, das steht fest. Das dieses Vorhaben nun wieder aufgeschoben wird, enttäuscht mich maßlos.“

Kinder haben keine starke Lobby in der Politik. So jedenfalls die Schlussfolgerung des Sozialverband Deutschland (SoVD) nach den gescheiterten Verhandlungen der Bundesregierung zur Verankerung echter Kinderrechte im Grundgesetz. 

„Es ist ein Armutszeugnis für die große Koalition, dass es nach monatelangen Verhandlungen nicht möglich ist ein Gesetz zur ausdrücklichen Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz auf den Weg zu bringen. Die Rechte von Kindern müssen gestärkt werden, das steht fest. Dass dieses Vorhaben nun wieder aufgeschoben wird, enttäuscht mich maßlos“, sagt SoVD-Präsident Adolf Bauer.

Gemeinsam mit Organisationen, wie dem Deutschen Kinderhilfswerk, UNICEF Deutschland, dem Kinderschutzbund und der Deutschen Liga für das Kind, beteiligt sich der SoVD an dem Bündnis „Kinderrechte ins Grundgesetz – aber richtig!“. Wir werden nicht lockerlassen und uns weiter für die Aufnahme echter Kinderrechte im Grundgesetz stark machen, die den Ansprüchen der UN-Kinderrechtskonvention gerecht werden“, so Bauer.

Entscheidend ist, dass die Kinderrechte im Grundgesetz einen eigenen Absatz erhalten. „Wenn die Kinderrechte im Grundgesetz unmittelbar mit den Elternrechten verknüpft werden,führt das zu Konflikten zwischen Eltern- und Kinderrechten, die schlichtweg vermeidbar sind“, betont der SoVD-Präsident.

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Quelle: Pressemitteilung Sozialverband Deutschland e.V. vom 08.06.2021

SCHWERPUNKT II: Elternschutz nach der Geburt

Die von der Linksfraktion geforderte Weiterentwicklung des Mutterschutzgesetzes zu einem Elternschutzgesetz, das die Einführung einer zehntägigen Freistellung von der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich für den zweiten Elternteil oder eine zu benennende soziale Bezugsperson nach der Geburt eines Kindes vorsieht, stößt auf ein geteiltes Echo. Während dies von Arbeitnehmervertretern, Familienverbänden und dem Deutschen Frauenrat ausdrücklich begrüßt wird, lehnen dies Arbeitgeber und Vertreter der Wirtschaft ab. Dies zeigte sich in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag über den entsprechenden Antrag der Fraktion Die Linke (19/26979).

Ausdrücklich begrüßt wurde die Forderung von Alexander Nöhring vom Zukunftsforum Familie, Alexandra Nordmann vom Deutschen Frauenrat, Anja Weusthoff vom Deutschen Gewerkschaftsbund und Sandra Runge vom Deutschen Juristinnenbund. Nöhring argumentierte, dass der vorgeschlagene Elternschutz auch die Väter beziehungsweise den zweiten Elternteil in der besonderen Lebensphase nach der Geburt eines Kindes unterstütze. Dadurch werde die gesamte Familie gestärkt. Nordmann führte aus, dass der zehntägige Anspruch auf Freistellung mit Lohnersatz für den zweiten Elternteil zur unabhängigen Existenzsicherung von Frauen beitrage und Vätern einen Anreiz setze, sich langfristig stärker in der Familie zu engagieren. Auch Weusthoff argumentierte, dass der Elternschutz einen guten Start in eine gerechtere Aufteilung der Sorgearbeit in der Familie darstelle. Runge wies darauf hin, dass die „EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige“ einen zehntägigen Freistellungsanspruch für den zweiten Elternteil vorsehe. Dies müsse auch in deutsches Recht umgesetzt werden.

Auf Ablehnung stieß der Antrag der Linken hingegen bei Vertretern der Arbeitnehmer und der Wirtschaft. Übereinstimmend wiesen Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen, Kerstin Plack von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Caroline Rigo vom Zentralverband des deutschen Handwerks die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Elternschutz ab. Einerseits sprachen sie sich zwar dezidiert dafür aus, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. Der Linken-Antrag sei jedoch weder zielführend noch nötig. Liebing, Plack und Rifo verwiesen darauf, dass die Elternzeit und das Elterngeld deutlich über die Vorgaben der EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinausgingen. Insofern sei ein erweiterter Elternschutz nicht nötig. Zum anderen handle es sich beim bestehenden Mutterschutzgesetz vorrangig um ein Arbeitsschutzgesetz, das den besonderen Anforderungen einer Schwangerschaft und der besonderen Schutzbedürftigkeit von Mutter und Kind nach der Entbindung Rechnung trage. Eine Ausweitung dieses Schutzes auf die Väter passe nicht in die Systematik. Ebenfalls auf Ablehnung stieß die Forderung, den Elternschutz auf eine von der Mutter benannte soziale Bezugsperson auszuweiten. Dies würde zu einer nicht überschaubaren Gruppe von Anspruchspersonen führen, befanden Plack und Rigo. Liebing räumte aber ein, dass bei der Elternzeit für Väter in manchen Unternehmen noch Nachholbedarf bestehe. Hier müsse es zu einem weiteren Umdenken in der Unternehmenskultur kommen.

Nina Katrin Straßner vom Softwareunternehmen SAP berichtete von den guten Erfahrungen, die das Unternehmen mit der freiwilligen Einführung einer Väterzeit gemacht habe. Diese sehe vor, dass Väter während der Mutterschutzzeit für 20 Prozent ihrer Arbeitszeit bezahlt freigestellt werden können. In den ersten 15 Monaten nach Einführung hätten mehr als 500 Väter von dieser Regelung Gebrauch gemacht. Dies habe sich auch auf die Unternehmenskultur insgesamt positiv ausgewirkt. Zudem habe sich die Elternzeitquote bei den Vätern in der Folgezeit erhöht, führte Straßner aus.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 753 vom 07.06.2021

Bindung und Partnerschaftlichkeit stärken durch bezahlte Freistellung für zweiten Elternteil!

Die Geburt eines Kindes ist einer der bedeutendsten und emotional tiefgreifendsten Augenblicke – nicht nur für die Mutter, sondern auch für den zweiten Elternteil. Da ist es wichtig, den Kopf frei zu haben für das, worauf es ankommt: Die Bindung zum Kind zu stärken und als Familie zusammenzuwachsen.

Nicht zuletzt deswegen fordert der DGB einen Rechtsanspruch einzuführen auf eine zehntägige bezahlte Freistellung des zweiten Elternteils rund um die Geburt. Die „EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (2019/1158)“ konsequent umzusetzen und in einem eigenständigen Vaterschaftsfreistellungsgesetz die Voraussetzungen für eine enge Vater-Kind-Bindung und mehr Partnerschaftlichkeit bei der Verteilung der Sorge- und Hausarbeit zu verbessern, ist das Gebot der Stunde.

Denn die letzten Jahre zeigen: Familien- und gleichstellungspolitische Reformen haben traditionelle Rollenvorstellungen und Fehlanreize bei den strukturellen Rahmenbedingungen zur ungleichen Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit in Deutschland nicht beseitigt. Frauen übernehmen immer noch die Hauptlast der Sorge- und Hausarbeit und reduzieren dafür ihre Erwerbsarbeitszeit. Die ungleiche Teilhabe am Arbeitsmarkt verhindert die eigenständige Existenzsicherung, schmälert Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und erhöht das Risiko für Altersarmut. 

Für mehr Partnerschaftlichkeit brauchen Männer und Frauen endlich einen Paradigmenwechsel. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kindern muss gestärkt und die Übernahme von Sorgeverantwortung durch Väter durch gezielte Anreize besser unterstützt werden.

Studien zeigen, dass die Unternehmenskultur einen relevanten Einfluss darauf hat, wie die Sorgeverantwortung in Paarhaushalten verteilt ist. Zwar ist eine familienfreundliche Unternehmenskultur noch keineswegs die Regel, aber sie ist eine maßgebliche Bedingung für partnerschaftliche Vereinbarkeit. Untersuchungen zur Inanspruchnahme von Elternzeit zeigen zudem, dass für Väter die Sorge vor negativen beruflichen Folgen zu den drei häufigsten für einen Verzicht auf Elternzeit zählt. Statt auf den guten Willen der Unternehmen hoffen zu müssen, würde die Einführung einer Vaterschaftsfreistellung einen verbindlichen Rechtsanspruch schaffen, der die Unternehmenskultur nachhaltig verändern kann.

Die am 20. Juni 2019 verabschiedete „EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (2019/1158)“ setzt Mindeststandards, mit denen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbessert werden soll. Ein vom DGB in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten des Arbeits- und Sozialrechtlers Stefan Treichel zeigt: Die aktuellen Regelungen in Deutschland reichen nicht aus. Die Vaterschaftsfreistellung muss unabhängig von bisherigen Regelungen eingeführt werden. Und auch andere familienpolitisch relevante Regelungen müssen grundlegend nachjustiert werden, darunter diejenigen zur Elternzeit und Pflegezeit und jene im Bereich des allgemeinen Teilzeitrechts.

Diese Forderungen bekräftigt der DGB in seiner Stellungnahme anlässlich einer öffentlichen Anhörung zum Antrag der Fraktion DIE LINKE „Zehn Tage Elternschutz zusätzlich einführen“ (BT-Drs. 19/26979) vom 24. Februar 2021. 

Als Sachverständige wird Anja Weusthoff den DGB in der öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Bundestag zum Antrag der Fraktion DIE LINKE vertreten. Die Anhörung findet am Montag, den 07. Juni 2021 von 14.00 Uhr – 15.45 Uhr digital statt.


Hier könnt ihr die Stellungnahme des DGB zum Antrag der Fraktion DIE LINKE herunterladen:

 
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand vom 07.06.2021

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Zehn Tage Elternschutz zusätzlich einführen“.

1. Forderung

Die Fraktion DIE LINKE fordert im Rahmen des unter II gestellten Antrages auf, unverzüglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, um die „EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (2019/1158)“ umzusetzen, das bestehende Mutterschutzgesetz zu einem Elternschutzgesetz weiterzuentwickeln und darin einen Rechtsanspruch auf Elternschutz festzuschreiben, der eine bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung von zehn Arbeitstagen für den zweiten Elternteil oder für eine von der leiblichen Mutter benannte soziale Bezugsperson unmittelbar nach der Geburt des Kindes vorsieht. Dabei werden folgende Regelungen gefordert

1. Eine Entgeltfortzahlung von 100 Prozent, die sicherstellt, dass die Lohnfortzahlung für fünf Tage durch Arbeitgeber*innen und die weiteren fünf Tage durch Entgeltfortzahlung durch den Bundeshaushalt erfolgen und 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze nach § 223 Absatz 3 SGB V nicht überschreitet.

2. Ein Rückkehrrecht auf den früheren Arbeitsplatz.

3. Die Festschreibung eines Diskriminierungs- und Kündigungsverbot im Zusammenhang mit dem Elternschutz.

2. Stellungnahme

a)  10-tägiger bezahlter Freistellungsanspruch („Rechtsanspruch auf Elternschutz“) für den zweiten Elternteil oder eine von der leiblichen Mutter benannte Bezugsperson unmittelbar nach der Geburt des Kindes.

Art 4 der EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (2019/1158), die bis zum August 2022 umgesetzt werden muss, sieht einen 10-tägigen Freistellungsanspruch für den zweiten Elternteil vor. Dieser gewährt Vätern bzw. dem zweiten Elternteil unabhängig vom Familienstand einen gesetzlichen Anspruch auf bezahlte Freistellung anlässlich der Geburt – mindestens in Höhe des Krankengeldes. 

Die Regelung eines im Mutterschutzgesetz verankerten Freistellungsanspruchs wird daher vom djb unterstützt und begrüßt. Wichtig ist, dass es sich um einen eigenständigen Rechtsanspruch handeln sollte, der nicht in den Regelungen des Elterngelds aufgehen und als fiktiver Elterngeldverbrauch bewertet werden sollte. Die Freistellung aus Anlass der Geburt –   zusätzlich zu Elternzeit und Elterngeld bedeutet nicht nur eine Entlastung für die gebärende Mutter, sondern fördert die Eltern-Kind-Beziehung des anderen Elternteils von Anfang an. Letztere haben dann aufgrund der Lohnersatzleistung den finanziellen Spielraum, sich bereits in der frühen familiären Phase nach der Geburt um das Kind zu kümmern. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass der 10-tägige Elternschutz oftmals den Grundstein dafür legen wird, dass der zweite Elternteil im Anschluss Elternzeit, ggf. auch Teilzeit in Elternzeit beansprucht. Dadurch wird ein wichtiger Anreiz gesetzt, Fürsorgearbeit und Erwerbsarbeit innerhalb der Familie partnerschaftlich aufzuteilen.

b) Rückkehrrecht nach der Elternzeit

Das unionsrechtlich zu gewährleistende Recht auf Rückkehr auf den vorherigen oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu den Bedingungen aus der Zeit vor Beginn des Mutterschutzes sowie auf alle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, die im Laufe der Schutzfristen entstanden sind, bedarf einer Regelung im MuSchG bzw. im BEEG. Das Rückkehrrecht nach der Elternzeit wird bislang lediglich über das Direktions- und Weisungsrecht nach § 106 GewO erfasst. Hier sollte zur Stärkung der Rechte von Elternzeit-Rückkehrenden eine klare gesetzliche Regelung existieren. Dies könnte auch dazu beitragen, dass Elternzeitrückkehrer seltener ihren Arbeitsplatz verlieren bzw. degradiert werden, wie dies oftmals in der Praxis der Fall ist. Der djb hält die eindeutige gesetzliche Regelung des Rückkehrrechts nach der Elternzeit für einen längst überfälligen Schritt, der Familien dabei unterstützen wird, Beruf und Familie leichter miteinander zu vereinbaren.

c) Diskriminierungs-/Kündigungsverbot im Zusammenhang mit der Elternzeit

Es gibt inzwischen sowohl statistische Erhebungen als auch zahlreiche Beschwerden bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes[1], die belegen, dass Personen, die Fürsorgearbeit leisten, etwa betreuende Eltern oder Personen, die Angehörige pflegen, in der Arbeitswelt erheblich benachteiligt werden. Fälle wie z.B. die Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge während der Elternzeit, Degradierungen, Kündigungen, und Vorlage von Aufhebungsverträgen nach der Rückkehr aus der Elternzeit belegen dies anschaulich. Auch abwertende Bemerkungen, wenn das Kind oder andere Angehörige erkrankt sind, der Ausschluss von Karriereprogrammen etc. sind Ausdruck solcher Schlechterstellung von Eltern und haben nachteilige Folgen für Erwerbsbiographien bis hin in das Rentenalter – für Mütter, aber auch für Väter, die Sorgeaufgaben übernehmen.   

Die Corona-Krise hat diese Benachteiligungen noch verschärft. Aufgrund geschlossener bzw. nicht vollständig geöffneter Betreuungseinrichtungen und negativer wirtschaftlicher Folgen, die in vielen Fällen Umstrukturierungen und betriebsbedingte Kündigungen zur Folge haben, stehen sehr häufig Mütter in Elternzeit im Fokus der (strategischen) Überlegungen.

Der Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) erfasst fürsorgeleistende Erwerbstätige derzeit allenfalls über das Merkmal Geschlecht. Hier kann die Benachteiligung von Eltern und Pflegenden zwar als mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts einzuordnen sein. Eine solche Benachteiligung setzt jedoch den Nachweis voraus, dass entweder Frauen oder Männer besonders betroffen sind. Der Schutz des AGG greift daher nicht, wenn Mütter und Väter in gleicher Weise als Eltern gegenüber Nichteltern benachteiligt werden. Bei Männern, die im Gegensatz zur Mehrzahl der anderen männlichen Beschäftigten in einem Unternehmen, die Sorge für Kinder oder Angehörige übernehmen wollen, etwa durch die langfristige Inanspruchnahme von Elternzeit und Familienpflegezeit, stellt sich zudem die Frage nach der richtigen Vergleichsgruppe. 

Der djb regt daher an, sich vertieft mit Benachteiligungen von Eltern und pflegenden Angehörigen im Erwerbsleben zu befassen und zu prüfen, inwieweit diese Benachteiligungen vom Schutz des AGG umfasst sind und ggf. entsprechende Reformen auf den Weg zu bringen. Der Diskriminierungsschutz sollte dann auch Pflegeeltern einbeziehen.

Die bis 2022 umzusetzenden EU-Vereinbarkeitsrichtlinie, die darauf zielt, die die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf zu verbessern, bietet den passenden Anlass sich in der kommenden Legislaturperiode mit diesem Vorhaben zu befassen.

Die Aufnahme einer weiteren Kategorie zum Schutz fürsorgender Erwerbstätiger und ein klarer gesetzlicher Auftrag könnten auch dazu beitragen, dass sich Unternehmen familienfreundlich ausgestalten und Vorgesetzte, Betriebsrät*innen, Gleichstellungsbeauftragte etc. bei der Umsetzung familienfreundlicher Maßnahmen unterstützen. 

Ein verbesserter gesetzlicher Schutz von Elternschaft und Fürsorgearbeit wird unter dem Stichwort „parenthood“ bereits auf europäischer Ebene von EU-Projekten wie
parents@work diskutiert.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb)  vom 07.06.2021

Heute beschäftigt sich der Familienausschuss in einer öffentlichen Anhörung mit einem Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Einführung eines zehntägigen Elternschutzes. Grundlage ist eine EU-Richtlinie, die einen Rechtsanspruch auf einen sogenannten „Vaterschaftsurlaub“ vorsieht. Deutschland hat ein im EU-Vergleich modernes Elterngeld, zu dem die bezahlte Freistellung eine sinnvolle Ergänzung wäre.

„Ein Kind kriegt man nicht mal eben so. Das Team Eltern muss schon zur Geburt gemeinsam an den Start gehen können“, betont eaf-Präsident Dr. Martin Bujard und stellt fest: „Ausschließlich den Müttern bei der Geburt eine bezahlte Freistellung einzuräumen, ist nicht mehr zeitgemäß. Eltern sehen die Familiengründung als gemeinsame Aufgabe und wollen sich von Anfang an gegenseitig partnerschaftlich unterstützen.“

Zwar ist es auch jetzt schon möglich, dass Väter, bzw. Co-Mütter, für kurze Zeit unbezahlte Elternzeit nehmen können. Die bezahlte Elternzeit beginnt aber erst ab einem Zeitraum von mindestens zwei Monaten. Mehr als die Hälfte der Väter nehmen gar keine Elternzeit, viele Familien geben an, dass die Väter aus finanziellen Gründen nicht so lange aussteigen können oder berufliche Nachteile fürchten.

„Hier ist noch ein Bewusstseinswandel in der Arbeitswelt notwendig“, so Bujard. „Das Signal einer bezahlten Freistellung für Väter zum Zeitpunkt der Geburt richtet sich an die Gesellschaft, aber insbesondere an Arbeitgeber und Kollegen: Mit der Geburt eines Kindes sind beide Eltern für den Familienalltag zuständig und das kann dann auch bei beiden dazu führen, dass die Erwerbsarbeit phasenweise zurückstehen muss.“ Eltern von Anfang an Zeit für ihr Familienleben zu ermöglichen, ist ein wichtiges Anliegen der eaf.

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 07.06.2021

SCHWERPUNKT III: Internationaler Kindertag

Anlässlich des Internationalen Kindertags am 1. Juni erinnert Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, an die überfällige Einführung des Umgangsmehrbedarfs für Kinder getrennt lebender Eltern im Hartz-IV-Bezug. Wenn ein Kind im Wechselmodell bei beiden Eltern lebt, werden die Leistungen des Regelbedarfs tageweise zwischen den Eltern aufgeteilt. Jeder Tag, den das Kind bei einem Elternteil verbringt, fehlt beim anderen am Ende des Monats. Dinge, die in beiden Haushalten angeschafft werden müssen, sowie höhere Kommunikationskosten sind dabei nicht vorgesehen. Auch die Kosten für das Kinderzimmer laufen einfach weiter. Konflikte sind vorprogrammiert. Wohlfahrtsverbände und Sozialexperten fordern daher seit Jahren die Einführung eines Umgangsmehrbedarfs. Er würde kaum Kosten verursachen, hätte aber eine große Wirkung. Doch die Bundesregierung verschleppt die Einführung des Umgangsmehrbedarfs für Kinder. Kipping erklärte dazu:

„Die Untätigkeit der Bundesregierung ist beschämend. Alle Kinder sollen das Recht haben, den Umgang mit ihren Eltern zu genießen, auch wenn die Lebensumstände gerade nicht einfach sind. Kinder, deren Eltern beide auf Hartz IV angewiesen sind und getrennt leben, haben ohnehin ein Päckchen zu tragen. Die Bundesregierung schuldet ihnen mehr Einsatz, um diese Last etwas zu mildern. Doch sie liefert nur Nichtstun. Sie hat eine ganze Wahlperiode verstreichen lassen, ohne beim Umgangsmehrbedarf voranzukommen. Sie hat damit Kinder, die ohnehin keinen leichten Start ins Leben haben, erneut im Stich gelassen. Die Folge: Getrennt lebende Eltern in Hartz IV werden bestraft, wenn sie sich um ihre Kinder kümmern.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 31.05.2021

Der Deutsche Familienverband (DFV) fordert zum Welteltern- und Internationalen Kindertag die Altersgrenze beim Kindergeld wieder anzuheben.

Familien, deren Kinder in der Ausbildung sind, erhalten Kindergeld bis zum vollendeten 25. Lebensjahr. Durch die Pandemie ist es zu Verzögerungen bei Berufsausbildung oder Studium gekommen, so dass Familien ihre Kinder länger finanziell unterstützen werden. „Mehrere Bundesländer haben die Regelstudienzeit pandemiebedingt verlängert und damit den BAföG-Bezug erweitert. Eltern finanzieren jedoch die Ausbildung ihrer Kinder entscheidend mit. An dieser Stelle braucht es Unterstützung in Form eines verlängerten Kindergeldes bis 27“, sagt Klaus Zeh, Präsident des DFV.

Der Familienverband setzt sich für eine Erweiterung des Kindergeldbezugs bis zum vollendeten 27. Lebensjahr ein. Einerseits soll damit der zusätzlichen Belastung von Familien bei der Ausbildung ihrer Kinder in der Coronapandemie Rechnung getragen werden. Andererseits fordert der DFV die Ausweitung des Kindergeldbezugs bereits seit Jahren. „Kindergeld bis zum Alter von 27 Jahren muss dauerhaft bestehen. Viele Bundesländer sind ab 2015 zum G-9-Modell, also der längeren Schulzeit, zurückgekehrt. Außerdem sind Studiengänge gegen Ende besonders kostenintensiv“, so Zeh.

Vor 2007 lag die Altersgrenze beim Kindergeld bereits bei 27 Jahren. Danach wurde sie stufenweise auf 25 Jahre herabgesetzt, um eine schnellere Aufnahme der Berufstätigkeit des Kindes anzuregen. Eine weitere Begründung für die Absenkung war, dass Kinder durch frühere Einschulungen und verkürzte Schulzeiten (G-8) ihre Berufsausbildung oder das Studium früher abschließen können (Bundestagsdrucksache 16/1545). „Die Einschätzungen, die zu Herabsenkung der Altersgrenze beim Kindergeldbezug geführt haben, haben sich nicht bewahrheitet. Viele Familien und ihre Kinder werden bei den Kosten für die Ausbildung über das 25. Lebensjahr hinaus im Regen stehen gelassen. Kindergeld muss krisenfest sein“, sagt der Verbandspräsident. „Eine Ausweitung des Kindergeldes bis zum 27. Lebensjahr ist unausweichlich.“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 31.05.2021

Kinder und Jugendliche, insbesondere aus sozial benachteiligten Verhältnissen, leiden am meisten unter den Corona-bedingten Einschränkungen – häufig im Stillen. Sie brauchen dringend mehr Unterstützung, damit sie nicht zu den Verlierern der Corona-Pandemie werden. Zum Internationalen Kindertag am 1. Juni plädiert die Diakonie dafür, die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu stärken und ihre Perspektiven in alle politischen Entscheidungsprozesse zur Pandemiebewältigung einzubeziehen.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Kinder und Jugendliche sind durch die Pandemie gleich in mehrfacher Weise betroffen, teilweise mit dramatischen Folgen. Kinder waren, so zeigt es die polizeiliche Kriminalstatistik 2020, häufiger häuslicher Gewalt ausgesetzt. Da Kindertageseinrichtungen geschlossen waren, konnten beispielsweise blaue Flecken nicht auffallen und Kinder nicht frühzeitig geschützt werden. Insbesondere Kinder aus ärmeren Verhältnissen werden nach wie vor um ihre Bildungschancen gebracht. Für das Homeschooling fehlten ihnen oftmals die digitale Ausstattung und Eltern, die sie beim Lernen unterstützen konnten. Aber auch auf Spiel und altersgemäße Freizeitbeschäftigung mussten Kinder und Jugendliche weitgehend verzichten, weil Abenteuerspielplätze oder Freizeiteinrichtungen geschlossen sind.“

Trotz weiter sinkender Inzidenzzahlen gehen Kinder und Jugendliche immer noch nicht regelmäßig in die Schule und können Freundinnen und Freunde noch nicht uneingeschränkt treffen. Sie verbringen oftmals viel Zeit vor dem Bildschirm, fühlen sich mit ihren Interessen nicht wahrgenommen. Viele sorgen sich um ihre Zukunft. Deshalb brauchen sie dringend mehr Unterstützung: „Bei allen politischen Entscheidungen müssen die Situation und die Perspektiven der Kinder und Jugendlichen gehört und einbezogen werden. Sie gehören bei allen Maßnahmen und Prozessen zur Pandemiebewältigung ganz oben auf die Agenda. Das geplante Aufholprogramm für Kinder und Jugendliche der Bundesregierung muss jetzt zügig und unbürokratisch umgesetzt werden“, fordert Loheide. „Und dabei darf es nicht bleiben.“

Damit Kinder und Jugendliche sich von den Folgen der Corona-Pandemie erholen, Defizite in der Bildung und der sozialen Entwicklung aufholen können, müssen die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe in den nächsten Jahren in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen gestärkt werden. Das betrifft die Angebote und Hilfen der Kindertagesbetreuung, Familienberatung und Familienerholung, Kinder- und Jugendarbeit sowie Jugendsozialarbeit. Ihre Finanzierung muss ausreichend gesichert sein und darf nicht den Sparplänen der Kommunen zum Opfer fallen. „Die Politik wird sich daran messen lassen müssen, wie es gelingt, Kinder und Jugendliche nachhaltig zu fördern. Dazu reichen keine einmaligen Programme, sondern nur eine Stärkung der Angebote und Sicherung der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche“, so Loheide.

Weitere Informationen:

Pressemitteilung des Bundeskriminalamtes zu den Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 zu Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche: https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2021/Presse2021/210526_pmkindgewaltopfer.html

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 31.05.2021

Die Corona-Pandemie hat Kindern und Jugendlichen viel abverlangt. Sie haben sich nach Kräften mit der ungewöhnlichen Situation arrangiert, auf Kontakte, Sport- und Freizeitan­gebote verzichtet und dabei versucht, schulisch am Ball zu bleiben. Mit einem Aufholprogramm will die Bundesregierung sie nun stärken und fit machen für die Zukunft. Die evangelische arbeitsgemeinschaft familie (eaf) begrüßt das Anliegen der Regierung, insbesondere, da neben dem schulischen Aufholen auch Ferienfreizeiten und außerschulische Angebote gefördert werden. Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass die Debatte in den Schulen und Kultus­ministerien zu stark auf das Schließen der schulischen Lernlücken abzielt. Dadurch werden Kinder einseitig vor allem als Schüler*innen wahrgenommen. Die Perspektive der Kinder und Jugendlichen, ihre Situation in der Pandemie, sollte im Hinblick auf Entwicklungsprozesse und psychische Gesundheit ganzheitlich in die Bildungsdebatte eingebracht werden, gerade auch durch das „Jugendministerium“, dass das BMFSFJ auch ist.

eaf-Präsident Dr. Martin Bujard stellt fest: „Der defizitorientierte Blick auf fehlenden Lernstoff schwächt unnötig das Selbstvertrauen der Kinder und verunsichert sie. Dabei haben die Kinder viel geleistet und durch ihren Verzicht auf Bildung und auf Kontakte zu Gleichaltrigen in der Krise Solidarität geübt. Aus unserer Sicht kommt es nun darauf an, den Kindern und Jugendlichen erst einmal Zeit für vielfältige soziale Kontakte und außerschulische Erfahrungen zu lassen. Dafür müssen wir Erwachsenen sorgen. Viele Kinder haben Ängste und andere psychische Beschwerden entwickelt. Das Letzte was sie jetzt brauchen, ist der Druck, ganz schnell ganz viel Schulstoff aufholen zu müssen.“

Auch Eltern und Lehrkräfte sollten sich freimachen von der Vorstellung, den Schüler*innen nun möglichst schnell den verpassten Lernstoff nahebringen zu müssen. Vielmehr ist es in Anbetracht der durch die Pandemie sichtbar gewordenen Versäumnisse wichtig, gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen neue, zukunftsorientiertere Bildungsansätze zu entwickeln. Dies haben auch die jugendlichen Expert*innen aus dem Projekt „Fragt uns 2.0“ der Bertelsmann Stiftung gefordert. „Dafür braucht es entschieden mehr Zeit und Gelassenheit“, so Bujard weiter.

Der Zeithorizont des Aufholpakets greift aus Sicht der eaf zu kurz, die Folgen der Corona-Krise werden auch über das Jahr 2022 hinaus zu spüren sein. Die Familien haben die Hauptlast der Pandemie getragen und sind weit über ihre Belastungsgrenze hinaus gegangen. Eltern und Kinder benötigen deshalb langfristig finanziell abgesicherte Strukturen mit ausreichend personellen Ressourcen, bei denen sie Unterstützung finden können. Schulpsycholog*innen und Schulsozialarbeit für die Schüler*innen sind dabei genauso wichtig wie Angebote der Familienberatung, Familienbildung und Familienerholung für die Eltern bzw. die gesamte Familie.

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 01.06.2021

SCHWERPUNKT IV: Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung

2./3. Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen CDU/CSU und SPD

Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter

Ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote sorgen für mehr Chancengerechtigkeit und unterstützen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deshalb wollen wir, dass der Rechtsanspruch auf gute Ganztagsbildung zügig umgesetzt wird. Die meisten Eltern wünschen sich ein Ganztagsangebot, doch bislang steht nicht einmal für die Hälfte der Kinder im Grundschulalter ein entsprechendes Angebot zur Verfügung.
Ein rein quantitativer Ganztagsausbau verbessert allerdings weder die Bildungs- noch die Chancengerechtigkeit. Entscheidend ist, dass die Angebote auch qualitativ abgesichert werden. Dafür nötig sind hochwertige Angebote, lernfördernde Räumlichkeiten, eine moderne Ausstattung und ein gutes Zusammenspiel aller Lehr- und Fachkräfte. Um das sicherzustellen, fordern wir eine faire Kostenteilung zwischen Bund, Länder und Kommunen und die Definition hoher Qualitätsstandards im SGB VIII. Erforderlich ist außerdem, gemeinsam mit den Ländern, eine Qualifizierungsoffensive, um ausreichend pädagogisches Fachpersonal an Schulen zu gewinnen. Die bittere Pille des Gesetzentwurfs: Die Regierung lässt Grundschulkinder noch ein weiteres Jahr warten, bevor der Rechtsanspruch in Kraft tritt.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 07.06.2021

Ab dem Schuljahr 2026/27 soll stufenweise ein bundesweit gültiger Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschülern eingeführt werden. Der Rechtsanspruch soll zunächst für die erste Klassenstufe gelten und bis 2030 Jahr für Jahr bis zur vierten Klasse ausgeweitet werden. Der Familienausschuss billigte am Mittwoch den entsprechenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD (19/29764) ohne Gegenstimmen in geänderter Fassung. Die AfD-, die FDP- und die Linksfraktion enthielten sich der Stimme. Der Bundestag wird am Freitag abschließend über die Gesetzesvorlage beraten und abstimmen.

Zuvor hatte der Ausschuss ebenfalls ohne Gegenstimmen bei Enthaltung der AfD und der FDP einen Änderungsantrag der Koalition angenommen. Dieser sieht vor, dass die vom Bund bereitgestellten Mittel für Investitionskosten nicht nur für den Neubau, den Umbau sowie die Sanierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur verwendet werden dürfen, sondern auch für die Ausstattung, soweit damit zusätzliche Betreuungsplätze oder räumliche Kapazitäten geschaffen werden. Zudem wird im Ganztagsfinanzierungsgesetz die Frist zum Erwerb von Anwartschaften auf die Bonusmittel um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2022 verlängert.

Zudem verabschiedete der Ausschuss ohne Gegenstimmen bei Enthaltung der AfD, FDP und Linken einen Entschließungsantrag, in dem die Bundesländer aufgefordert werden, die vom Bund bereitgestellte Beteiligung an den jährlichen Betriebsausgaben vollumfänglich an die mit der Umsetzung des Rechtsanspruchs beauftragten Träger weiterleiten. Zudem sollen die Länder gemeinsam mit dem Bund eine Fachkräfteoffensive starten, um den zusätzlichen Bedarf an pädagogischem Betreuungspersonal zu decken.

Zur Realisierung des Rechtsanspruchs stellt der Bund Ländern und Kommunen Investitionshilfen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Darüber hinaus soll er sich auch an den laufenden Betriebskosten beteiligen. Finanziert werden soll dies über eine Änderung der Umsatzsteuerverteilung zugunsten der Länder. So sollen im Jahr 2026 rund 100 Millionen Euro, 2027 rund 340 Millionen Euro, 2028 rund 580 Millionen Euro und 2029 rund 820 Millionen Euro an die Länder fließen. In den Folgejahren rechnet der Bund mit rund 960 Millionen Euro, die an die Länder umverteilt werden sollen.

Die Koalitionsfraktionen verwiesen darauf, dass mit dem Rechtsanspruch die bestehende Lücke in der Ganztagsbetreuung von Kindern geschlossen werde. Die Koalition setze damit eine zentrale Vereinbarung ihres Koalitionsvertrages um. Durch die Verschiebung des ursprünglich bereits ab 2025 geplanten Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung und dessen stufenweise Umsetzung räume man Ländern und Kommunen mehr Zeit für die Umsetzung ein. Mit dem verabschiedeten Änderungsantrag habe man zudem weitere Wünsche der Länder erfüllt.

Übereinstimmend begrüßten auch alle Oppositionsfraktionen den Rechtsanspruch. FDP, Linke und Grüne monierten allerdings, dass der Gesetzentwurf keine verbindlichen Vorgaben zur Qualität des Betreuungsangebot mache. Zudem fehle es an einer Fachkräfteoffensive. Dass die Koalition diese Fachkräfteoffensive nun in einem Entschließungsantrag anmahne, zeige deutlich, was im Gesetzentwurf fehle, hieß es aus den Reihen der FDP. Die AfD kritisierte, dass die Betriebskosten trotz Beteiligung des Bundes überwiegend durch die Länder und Kommunen zu tragen seien.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 769 vom 09.06.2021

Der geplante Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter soll stufenweise ab dem 1. August 2026 in Kraft treten. Dies sieht der von Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Ganztagsförderungsgesetzes (19/30236) vor. Der Rechtsanspruch soll mit Beginn des Schuljahres 2026/2027 zunächst für Grundschüler der ersten Klasse gelten und dann jährlich um je eine weitere Klassenstufe ausgeweitet werden. Ab dem 1. August 2029 sollen somit alle Grundschulkinder der Klassenstufen eins bis vier einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung haben.

Über den gleichlautenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD (19/29764) hat der Bundestag bereits im Mai in erster Lesung beraten. Der Entwurf der Bundesregierung wurde gemäß Artikel 76 Grundgesetz zunächst dem Bundesrat zur Stellungnahme vorgelegt. Dieses Verfahren der gleichzeitigen Einbringung zweier identischer Gesetzentwürfe wird angewendet, um das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen.

Zur Realisierung des Rechtsanspruchs stellt der Bund Ländern und Kommunen Investitionshilfen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Darüber hinaus soll er sich auch an den laufenden Betriebskosten beteiligen. Finanziert werden soll dies über eine Änderung der Umsatzsteuerverteilung zugunsten der Länder. So sollen im Jahr 2026 rund 100 Millionen Euro, 2027 rund 340 Millionen Euro, 2028 rund 580 Millionen Euro und 2029 rund 820 Millionen Euro an die Länder fließen. In den Folgejahren rechnet der Bund mit rund 960 Millionen Euro, die an die Länder umverteilt werden sollen. Die Investitionskosten der Länder abzüglich der Bundesmittel beziffert der Bund je nach Betreuungsbedarf auf 1,38 bis 3,18 Milliarden Euro. Ab dem Jahr 2030 sollen sich die Betriebskosten der Länder auf 2,22 bis 3,42 Milliarden belaufen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 739 vom 03.06.2021

Die geplante stufenweise Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler ab 2026 stößt bei Sozial-und Familienverbänden, Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern sowie Wissenschaftlern auf große Zustimmung. Angemahnt wird jedoch der Mangel an Fachkräften in den kommenden Jahren. Vertreter der Kommunen bewerten den Gesetzentwurf hingegen äußerst kritisch. Sie befürchten eine finanzielle Überbelastung. Der Bund müsse sich stärker engagieren. Dies wurde in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD (19/29764) und einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/22117) deutlich.

Claudia Linsel vom Paritätischen Landesverband begrüßte die Verankerung des Rechtsanspruchs im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Die bereits bestehenden Rechtsansprüche auf Betreuung vor dem Schuleintritt würden so logisch weitergeführt. Die Kindertagesbetreuung könne dazu beitragen, soziale, kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe von Kindern sicherzustellen, sagte Linsel. Maria Theresia Münch vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge wies darauf hin, dass eine Verankerung im SGB VIII die einzige Möglichkeit für den Bund darstelle, bundesweit für gleichwertige Lebensverhältnisse für Familien und Kinder zu sorgen. Allerdings sei es fraglich, ob der Bund den Kommunen weitere Aufgaben im SGB VIII zuweisen könne. Elke Alsago von der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und Björn Köhler von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßten die Verankerung des Rechtsanspruchs im SGB VIII ausdrücklich. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit hätten gezeigt, dass die Länder nur dann ausreichend Plätze für die Ganztagsbetreuung von Kindern zur Verfügung stellten, wenn bundesweit ein entsprechender Rechtsanspruch gelte, führte Alsago aus.

Übereinstimmend vertraten alle Sachverständigen die Auffassung, dass der Rechtsanspruch für Grundschüler eine gravierende Lücke in der Kindertagesbetreuung schließt. Miriam Hoheisel vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter führte aus, dass sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Eltern bei Beginn der Schulzeit ihrer Kinder bislang sehr schwierig gestalte. Vor allem für Alleinerziehende sei der Rechtsanspruch besonders wichtig, da sie ansonsten in vielen Fällen keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen könnten. Zugleich monierte sie, dass der Rechtsanspruch erst ab 2026 stufenweise eingeführt werden soll. Auch Thomas Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut kritisierte, dass der Rechtsanspruch faktisch erst bis zum Ende des Jahrzehnts für alle vier Klassenstufen der Grundschule umgesetzt werde.

Ebenfalls einstimmig mahnten alle Sachverständigen eine Offensive zur Gewinnung von ausreichend pädagogischem Fachpersonal an. Nach Schätzung des Deutschen Jugendinstituts würden bei Umsetzung des Rechtsanspruchs etwa eine Million Betreuungsplätze geschaffen und etwa 100.000 Betreuer zusätzlich eingestellt werden müssen, führte Alsago an. Der Gesetzentwurf mache jedoch keine Angaben dazu, wie dieses Personal gewonnen werden soll. Eine Fachkräfteoffensive wie von den Grünen in ihrem Antrag gefordert, sei deshalb notwendig. Dieser Forderung schlossen sich die deutliche Mehrheit der Sachverständigen an. Donata Kluxen-Pyta von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände lehnte allerdings den von den Grünen geforderten Rechtsanspruch auf Weiterbildung, um den Einstieg in den Erzieher-Beruf zu erleichtern, ab. Dies gehe am Sinn der Förderung von beruflicher Weiterbildung vorbei.

Auf massive Kritik stößt der Gesetzentwurf hingegen bei Kommunen und Landkreisen. Übereinstimmend lehnten Stefan Hahn vom Deutschen Städtetag, Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund und Jörg Freese vom Deutschen Landkreistag die Verankerung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler im SGB VIII ab. Sie machten einerseits verfassungsrechtliche Gründe geltend, da der Bund mit diesem Gesetz in die Kompetenz der Länder im Bildungssektor eingreife. Ein Rechtsanspruch müsse vielmehr in den jeweiligen Schulgesetzen der Länder verankert werden. Hahn, Lübking und Freese argumentierten zudem, dass die zusätzlichen finanziellen Belastungen durch die Kommunen nicht getragen werden könnten. Trotz der geplanten finanziellen Beteiligung des Bundes müssten Länder und Kommunen dauerhaft mehr als die Hälfte der Investitionskosten und knapp 80 Prozent der Betriebskosten tragen, führt Hahn in seiner schriftlichen Stellungsnahme aus. Die drei Sachverständigen bekannten sich allerdings ebenfalls ausdrücklich dazu, die Ganztagsangebote für Grundschulkinder auszubauen. Um dies zu gewährleisten, müssten Bund und Länder jedoch eine verfassungsrechtlich und finanziell tragfähige Lösung finden.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 721 vom 31.05.2021

SCHWERPUNKT V: Corona-Krise

Mit der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie befasst sich die Grünen-Fraktion in einer Kleinen Anfrage (19/30029). Die Abgeordneten wollen von der Bundesregierung wissen, wie viele Kinder und Jugendliche sich bisher infiziert haben.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 727 vom 02.06.2021

Die geplante Fristverlängerung für Bewilligungen von Bundesmitteln aus dem fünften Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung 2020-2021“ um ein Jahr bis zum 30. Juni 2022 wird von Experten einhellig begrüßt. Dies zeigte sich in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag über den entsprechenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD zur Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und weiterer Gesetze (19/29765). Nicht ganz so einhellig positiv fiel das Urteil der Sachverständigen über das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ aus.

Jörg Freese von der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände begrüßte die Fristverlängerung für die Bewilligung von Bundesmitteln aus dem Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung 2020-2021“ ausdrücklich. Die Fristverlängerung erfolge auf ausdrücklichen Wunsch der Länder und Kommunen. Die Länder hatten darauf hingewiesen, dass die für das Investitionsprogramm vorgesehenen Fristen vor allem wegen der anhaltenden Anforderungen der Corona-Pandemie zu knapp bemessen seien, um die Errichtung von 90.000 zusätzlichen Betreuungsplätzen für Kinder bis zum Schuleintritt zu realisieren. Die Fristen würden die notwendigen Zeitabläufe für die Planung und Umsetzung von Baumaßnahmen nicht ausreichend berücksichtigen. Auch alle anderen Sachverständigen begrüßten die verlängerte Frist als „sachgerecht“ und „sinnvoll“.

Begrüßt wurden zudem der Kinderfreizeitbonus in Höhe von 100 Euro je Kind als Unterstützung für bedürftige Familien und Familien mit kleinen Einkommen im Rahmen des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“. Hein Hilgers vom Kinderschutzbund begrüßte die Regelung, dass Eltern gemeinsam mit ihren Kindern frei entscheiden können, wofür sie den Kinderfreizeitbonus ausgeben wollen. Die Haltung, Familien Vertrauen entgegenzubringen und ihnen eigene Gestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen, sollte auch bei künftigen Förderentscheidungen maßgeblich sein. Auch Martin Künkler vom Deutschen Gewerkschaftsbund bewertete den Kinderfreizeitbonus prinzipiell positiv. Allerdings sei er noch nicht bedarfsdeckend, um eine ausreichende Teilhabe zu gewähren und die Mehrbelastungen aufgrund der Corona-Pandemie zu kompensieren. Zustimmung äußerten Hilgers und Künkler für die Regelung, dass der gesonderte Antrag auf Übernahme der Aufwendungen für die Leistungen für Lernförderung bis zum 31. Dezember 2023 entfallen soll. Miriam Hoheisel vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter begrüßte zudem ebenso wie Hilgers und Künkler, dass mit dem Gesetz der generelle Nachrang des Kinderzuschlags für Familien mit kleinen Einkommen gegenüber dem Unterhaltsrecht geregelt werden soll. So soll sichergestellt werden, dass der Kinderzuschlag den jeweiligen aktuellen unterhaltsrechtlichen Bedarf des Kindes nicht mindert.

So sehr die Sachverständigen die einzelnen Regelungen des Gesetzentwurfes begrüßten, so prinzipiell fiel ihre Kritik an der Bundesregierung im Umgang mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie aus. Niels Espenhorst vom Paritätischen Gesamtverband wies darauf hin, dass Kinder und Jugendliche die Verlierer der Pandemie seien, vor allem jene aus einkommensschwachen Familien. Seit mehr als einem Jahr verzichteten junge Menschen weitestgehend auf die Infrastruktur in Kitas, Schulen, Vereinen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Die Auswirkungen seien dramatisch. „Will man Kinder und Jugendliche jetzt wirklich mit 100 Euro und ein bisschen Nachhilfe abspeisen?“, fragte Espenhorst. Im vorliegenden Gesetzentwurf wie auch im gesamten Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ fehle eine nachhaltige Stärkung der Angebote für Kinder und Jugendliche. In diesem Sinne argumentierte auch der Humanwissenschaftler Michael Klundt von der Hochschule Magdeburg-Stendal. Aufholen müssten eigentlich nicht die Kinder- und Jugendlichen, sondern die Regierenden für die versäumte Bildungs-, Sozial- und Familienpolitik während der Corona-Pandemie.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 722 vom 01.06.2021

Die junge Generation ist unter Druck: Die Pandemie verbaut ihr viel, zugleich muss sie die Älteren versorgen und soll die Gesellschaft voranbringen. Geld könnte helfen.

Junge Menschen sind in vielerlei Hinsicht die Hauptleidtragenden der Pandemie. Nicht, weil sie vom Coronavirus gesundheitlich stärker bedroht würden. Sondern vielmehr, weil viele von ihnen in der wichtigen, formenden Lebensphase empfindlich getroffen wurden und werden. Gleichzeitig hatten sie nicht die Chance, sich vor den Auswirkungen der Pandemie zu schützen. Das trifft auf Kitakinder, Schülerinnen, Studenten, Berufseinsteigerinnen und viele andere junge Menschen gleichermaßen zu. Politik und Gesellschaft haben deren Situation zu lange ignoriert. Während viele Industrieunternehmen mit nur geringen Einschränkungen ihr Geschäft verfolgen konnten und teilweise sogar noch großzügige Hilfen erhalten haben, hatten Schulen und Kitas für mehr als ein Jahr geschlossen oder waren nur eingeschränkt funktionsfähig. Die Politik braucht nun dringend eine Strategie, wie sie diesem Schaden begegnen will. Andernfalls läuft sie Gefahr, einen Teil der jungen Generation für immer zu verlieren.

Eltern können nicht alles auffangen

Wissenschaftliche Studien von Ökonominnen und Soziologen zeigen, wie enorm groß der Schaden der Pandemie für die junge Generation ist. Viele wurden aus ihren sozialen Strukturen herausgerissen und waren auf sich allein gestellt. Natürlich haben die Eltern versucht, ihre Kinder, so gut es ging, zu unterstützen und diesen Schaden zu kompensieren. Aber selbst beim besten Willen der Eltern kann dies nur begrenzt gelingen. Zumal viele Eltern noch stärker als sonst in ihrem Arbeitsleben gefordert waren und die Mehrheit eben nicht im Homeoffice arbeiten kann, um sich nebenbei um die Kinder zu kümmern – und selbst das ist eine fast unlösbare Aufgabe.

Einkommensschwache sind besonders betroffen

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass junge Menschen zwar weniger stark direkt gesundheitlich vom Virus betroffen waren. Aber die indirekten gesundheitlichen Schäden sind häufig höher. So deutet sich an, dass Depressionen gerade unter jungen Menschen besonders stark zugenommen haben. Auch bei der Bildung haben fast alle jungen Menschen große Nachteile erfahren müssen. Aber dieser Schaden ist extrem ungleich verteilt. Kinder und Jugendliche aus einkommensschwächeren Familien und in Brennpunktbereichen haben besonders starke Bildungsnachteile erfahren müssen.

Wo ist die Strategie?

Ein solcher Schaden für Gesundheit, soziale Strukturen und Bildung ist in den meisten Fällen nicht in ein oder zwei Jahren aufzuholen. Die Pandemie wird die Schere zwischen verschiedenen sozialen Gruppen vor allem bei jungen Menschen deutlich vergrößern. Der Politik fehlt eine Strategie, bisher gab es lediglich Lippenbekenntnisse. Die Politik muss weg von einer engstirnigen und kurzfristigen Perspektive. Die zentrale Frage lautet: Was muss nun geschehen, damit alle jungen Menschen gute Zukunftsperspektiven und Chancen haben, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es möchten und verdienen?

Ein „Startgeld“ oder „Lebenschancenerbe“ (wie ich es in einer früheren Kolumne bereits vorgeschlagen habe) in Höhe von 20.000 Euro für jeden jungen Menschen nach Abschluss des ersten Berufsabschlusses sollte ein wichtiger Teil einer solchen Strategie sein. Dies wäre eine ganz wichtige und unmittelbar wirksame Unterstützung für junge Menschen, die jetzt vor dem Einstieg ins Berufsleben stehen.

20.000 Euro Startgeld

Ein solches Startgeld würde junge Menschen bei drei für ihr Leben existenziellen Aspekten unterstützen: Autonomie, Flexibilität und Sicherheit. So würde ein solches Startgeld jungen Menschen mehr Freiheiten eröffnen, beispielsweise einen weniger gut bezahlten Job anzunehmen und stattdessen Tätigkeiten mit einer stärkeren sozialen Komponente zu verfolgen. Es würde die Flexibilität erhöhen, weil es Menschen erleichtern würde, sich fortzubilden oder einen beruflichen Richtungswechsel zu vollziehen – beispielsweise ein Risiko einzugehen und sich selbstständig zu machen. Und es würde denen mehr Sicherheit geben, die sich beispielsweise sorgen, ob sie sich für ihre junge Familie eine Wohnung leisten können.

Die Ausgestaltung eines solchen Startgeldes könnte recht einfach und transparent geschehen: Jeder Mensch erhält einmalig nach Abschluss des ersten Berufsabschlusses oder spätestens mit dem vollendeten 21. Lebensjahr ein Lebenschancenkonto mit 20.000 Euro. Dieses Geld kann jederzeit mit einer unbürokratischen Erklärung für die Verwendung – für Fortbildung oder Qualifikation, für soziale Tätigkeit (wie die Pflege von Angehörigen oder ein gemeinnütziges Engagement) oder um sich beruflich selbstständig zu machen – abgerufen werden. Es kann aber auch gespart werden, um beispielsweise später einen beruflichen Wechsel vorzunehmen oder sich eine Auszeit für Familie oder Verwandte zu nehmen.

Mehr Autonomie

Bei knapp 600.000 Menschen in einem Jahrgang würde ein solches Startgeld den deutschen Staat jedes Jahr knapp zwölf Milliarden Euro kosten. Das ist eine erhebliche Summe. Aber aus mindestens zweierlei Perspektive ist dies weniger, als man denkt – und dazu noch hervorragend investiertes Geld. So gibt der deutsche Staat jedes Jahr allein 100 Milliarden Euro an Steuermitteln für die ältere Generation und deren gesetzliche Rente aus – langfristige Tendenz: stark steigend. Es ist gerade die junge Generation, die mit ihren Steuern und Beiträgen die heutigen Renten bezahlt. Und wenn die junge Generation diese Leistung auch in zehn oder 20 Jahren noch erbringen soll, braucht sie heute eine deutlich bessere Unterstützung, um produktiv und erfolgreich im Arbeitsleben sein zu können: durch ein exzellentes Bildungssystem, aber eben auch durch Unterstützung im Arbeitsleben und mehr Autonomie, das Leben eigenständig gestalten zu können.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 27.05.2021

Ab kommender Woche ist die Impfung von Kindern ab dem Alter von 12 Jahren möglich. Der Deutsche Familienverband (DFV) plädiert für eine Impfpriorisierung von Eltern, um Kinder zu schützen.

Die Pandemie hat es besonders deutlich gezeigt: Eltern sind systemrelevant. Sie sorgen rund um die Uhr für ihre Kinder und leisten damit der Gesellschaft einen großen Dienst – ohne Bezahlung. „Dass unbezahlte Sorgearbeit in unserer Gesellschaft keine Wertschätzung findet, zeigt sich in der Impfstrategie der Bundesregierung. Eltern und ihre Erfordernisse sind unberücksichtigt geblieben, obwohl sie große Lasten in der Pandemie zu schultern hatten. Mit dem Impfangebot für Kinder hat sich die Situation leider nicht verbessert“, sagt Sebastian Heimann, Bundesgeschäftsführer des DFV.

Die ab nächsten Montag geltende Impfmöglichkeit für Minderjährige stellt Eltern vor die schwierige Frage, ob der Nutzen der Impfung vor mögliche Risiken zu stellen ist. Zwar wurde der Impfstoff Biontech/Pfizer von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ab einem Alter von 12 Jahren zugelassen, eine Impfung ihrer Kinder ist für Eltern jedoch oftmals bedenklich. Sie machen sich Sorgen um ihre Kinder. „Die meisten Erwachsenen sind selbst noch nicht geimpft. Würde man Eltern bevorzugt ein Impfangebot unterbreiten, würde es die Bekämpfung der Corona-Pandemie beschleunigen“, so Heimann. „Gesunde Eltern sind der beste Schutz für Kinder.“

Es spricht vieles dafür, Eltern zuerst zu impfen. Sie haben allein aufgrund des Alters ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf als gesunde Minderjährige. Fallen Eltern wegen einer Covid-19-Erkrankung aus, hat das direkte Konsequenzen für die Kinder – insbesondere bei Alleinerziehenden oder kinderreichen Familien. Außerdem bleiben mit der Impfung von den 12- bis 16-Jährigen immer noch die jüngeren Kinder unberücksichtigt und damit auch Übertragungswege für das Coronavirus offen. „Statt sich auf die Impfung von Kindern und Jugendlichen zu konzentrieren, sollten Mütter und Väter in den Vordergrund gestellt werden. Sind die Erwachsenen im Umfeld der Kinder geimpft, bietet das Schutz für die Kinder – und zwar für alle“, sagt Heimann.

Nach Auffassung des Bundesgeschäftsführers würde die Impfung von Eltern die Rückkehr der Schulkinder zum Präsenzunterricht absichern. „Da Lehrkräfte bereits geimpft sind, wären mit den Eltern zentrale Kontaktpersonen von Kindern immunisiert. Das Argument, dass der Schulbesuch die Verbreitung des Coronavirus begünstigt, wäre hinfällig. Kindern wäre es nach langer Zeit wieder möglich, in die Schule zu gehen“, so Heimann. „Die Impfstrategie der Bundesregierung enthüllt, wie sehr es in unserer Gesellschaft an grundlegendem Verständnis für Familien mangelt. Es bleibt zu hoffen, dass die Pandemie es den Menschen ins Bewusstsein bringt.“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 01.06.2021

In einer Mitteilung (en) vom 26. Mai bedauert Eurochild, dass Kinder trotz der nachteiligen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf ihre Rechte und ihr Wohlbefinden in den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen weitestgehend unberücksichtigt geblieben sind. Aus diesem Grund fordert die Organisation die Europäische Union mit Nachdruck auf, die Bedarfe und Notlagen von Kindern bei der Bewertung der Pläne miteinzubeziehen. Insgesamt wurden 16 Pläne analysiert, die die EU-Mitgliedstaaten erstellen sollen, um im Rahmen von NextGenerationEU (de) finanzielle Mittel zur Unterstützung von Reformen und Investitionen seitens der Europäischen Union zur erhalten. Ziel der Mittelbereitstellung ist es, die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf Wirtschaft und Gesellschaft abzufedern. Darüber hinaus sollen Wirtschaft und Gesellschaft in Europa nachhaltiger und krisenfester und besser auf die Herausforderungen und Chancen des ökologischen wie digitalen Wandels vorbereitet werden.

Quelle: Ausgabe EU-Monitoring 05/2021 der Beobachtungsstelle für gesellschaftspolitische Entwicklungen in Europa vom 03.06.2021

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

4. Bundeskongress mit 1.400 digital zugeschalteten Teilnehmenden

Seit zehn Jahren gibt es die Qualifizierung zur Elternbegleiterin und zum Elternbegleiter. Das wurde heute beim inzwischen vierten Bundeskongress gewürdigt und gefeiert – mit bundesweit 1.400 digital zugeschalteten Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Elternbegleiterinnen und Elternbegleiter stehen Familien bei Fragen zur Entwicklung und Bildung ihrer Kinder zur Seite und unterstützen sie dabei, ihre Erziehungskompetenz zu stärken. Sie tun dies im Alltag vor Ort, auf Augenhöhe und vertrauensvoll. Bis heute haben bundesweit nahezu 14.000 Fachkräfte eine Qualifizierung zur Elternbegleiterin oder zum Elternbegleiter wahrgenommen.

In ihrer Grußbotschaft dankte Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht den Elternbegleiterinnen und Elternbegleitern für ihre besondere Arbeit, bei der es darum gehe, dass alle Kinder in unserem Land gut aufwachsen können.

In einem Impulsreferat ging die Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut und Vorsitzenden der 9. Familienberichtskommission, Frau Prof. Dr. Sabine Walper, der Frage nach, welche Unterstützung Mütter und Väter brauchen, damit ihre Kinder alle Chancen im Leben haben. Dr. David Juncke, Leiter des Bereichs Familienpolitik bei der Prognos AG, stellte die heute veröffentlichte Studie „Bestandsaufnahme der Angebote in der Familienbildung und Familienberatung“ vor.

Eines der zentralen Ergebnisse der Studie ist: Familienbildung und Familienberatung leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Stärkung von Familien in Deutschland. Deutlich wurde, dass Familien in besonderen Lebenslagen wie Alleinerziehende und sozio-ökonomisch schwächere Familien mittlerweile besser als noch vor 15 Jahren mit familienunterstützenden Angeboten erreicht werden. Dazu tragen auch die Programme des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bei, wie die Frühen Hilfen, Elternbegleitung und die Mehrgenerationenhäuser.

Die Parlamentarische Staatssekretärin Caren Marks erklärte auf der Tagung: „Die Studie bestätigt eine positive Entwicklung bei der Familienbildung und Familienberatung. Sie bestätigt damit, dass wir mit unserer Arbeit der vergangenen Jahre zur Unterstützung und Hilfe für Familien wesentlich beigetragen haben. Die Studie zeigt jedoch auch, dass wir weiter dranbleiben müssen und beispielsweise noch mehr Väter und Familien mit Migrationshintergrund erreicht werden müssen, vor allem mit mehr niedrigschwelligen und Angeboten direkt dort, wo die Familien sind. Ab 2022 beginnen wir mit einem neuen Förderprogramm. Damit sollen Eltern und Kinder in benachteiligten Lebenslagen, besonders auch Familien mit kleinen Einkommen, durch Elternbegleitung gezielt gestärkt werden, damit sie Leistungen wie den Kinderzuschlag oder das Bildungs- und Teilhabepaket in Anspruch nehmen können und ihre Teilhabechancen verbessert werden.“

Caren Marks betonte gegenüber den Teilnehmenden aus den Bereichen der Familienbildung, Kita, Familienzentren, Pädagogik, aber auch aus anderen Bundesprogrammen wie Sprach-Kita, Kita-Einstieg, Mehrgenerationenhäuser oder Lokalen Bündnissen für Familie und den qualifizierten Elternbegleitern: „Kinder haben ein Recht auf frühe Förderung sowie auf gute und gleiche Bildungschancen. Dafür stehen wir gemeinsam mit Ihnen ein, den Elternbegleiterinnen und Elternbegleitern. Sie beraten Eltern auf Augenhöhe. Sie begleiten bei Amtsgängen und helfen ihnen, ihre Kinder gut zu fördern: von der richtigen Kita oder der weiterführenden Schule bis hin zu allgemeinen Erziehungsfragen. Ich freue mich, dass wir seit 2011 so viele Fachkräfte dafür gewinnen konnten, dass sie sich haben weiterqualifizieren lassen und seitdem Eltern kompetent zur Seite stehen.“

Pandemiebedingt fand der Kongress digital statt, was der Nachfrage an themenbezogenen Workshops für den 2. Kongresstag am 10.06.2021 keinen Abbruch getan hat. Im Gegenteil, einzelne Workshops zu den Themen Digitalisierung oder Vernetzung im Sozialraum sind ganz besonderes stark nachgefragt und zeigen damit die Relevanz für die Praxis bei den Elternbegleiterinnen und Elternbegleitern vor Ort, die vor allem in den vergangenen Pandemiemonaten viele Herausforderungen bewältigen mussten. Es ist ihnen trotz der Einschränkungen gelungen, neue Formate und Angebote zu schaffen und den Kontakt zu den Familien zu halten: per Videotelefonie, über soziale Medien oder mit Paket-Aktionen mit Büchern und Spielzeug.

Zum 10-jährigen Jubiläum Elternbegleitung wird ein „Chartbook“ zu den Ergebnissen aus dem Bundesprogramm „Elternchance ist Kinderchance“ (2011–2015) sowie dem über den Europäischen Sozialfond kofinanzierten Bundesprogramm „Elternchance II“ (2015–2021) veröffentlicht. Das Chartbook gibt anhand von Zahlen und Fakten einen kompakten Überblick über die Ziele und Ergebnisse der Qualifizierungsprogramme, aber auch Informationen zu den Herausforderungen und Entwicklungen im Feld der Elternbegleitung.

Zum ESF-Bundesprogramm Elternchance II

Die Förderung der Qualifizierung über die großen Bundesprogramme wie Bundesprogramm Elternchance ist Kinderchance (2011–2015) und dem ESF-Bundesprogramm Elternchance II (2015–2021) läuft bis zum 31.12.2021. Elternbegleitung ist ein präventives Angebot aus der Familienbildung und zielt auf die Stärkung der Familie als zentralem Ort der (frühen) Bildung und Förderung der Kinder ab. Bildungsbegleitung von Familien leistet einen wesentlichen Beitrag zur Bildungszukunft und sozialen Chancengleichheit aller Kinder.

Weiterführende Links:

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 09.06.2021

Für noch mehr starke Familien

Als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in den Familienberatungsstellen wissen Sie genau, welche Schwierigkeiten Familien gerade in der Coronavirus-Pandemie zu bewältigen haben. Mehr noch: Sie stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite, informieren über Hilfsangebote und klären individuelle Fragen. Dafür danke ich Ihnen herzlich!

Gerade Familien mit geringem Einkommen brauchen jetzt Unterstützung. Deshalb haben wir bereits Anfang 2020 Erleichterungen beim Kinderzuschlag geschaffen. Schnell hat sich gezeigt: Der Bedarf ist da. Hilfreich ist jetzt, dass der Kinderzuschlag 2021 auf bis zu 205 Euro pro Kind pro Monat gestiegen ist. Unser Ziel ist, dass sich der Kinderzuschlag bei Familien mit geringem Einkommen als bekannte und gefragte Leistung etabliert. Mit dem KiZ-Lotsen können Familien vorab prüfen, ob ein Anspruch in Betracht kommt. Die Antragstellung selbst haben wir vereinfacht und digitalisiert. Informationen zum Kinderzuschlag finden Sie auf www.kiz-digital.de

Auch der beitragsfreie Kita-Besuch sowie zusätzliche Leistungen für Bildung und Teilhabe helfen – und stehen allen zu, die den Kinderzuschlag erhalten. All diese Erleichterungen kommen aber nur zum Tragen, wenn Familien über ihre Ansprüche Bescheid wissen. 

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 02.06.2021

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (19/30394) ein Zukunftsprogramm gegen Armut, um Teilhabe zu garantieren und den Zusammenhalt zu stärken.

Deutschland sei ein reiches Land, in dem es dennoch seit Jahrzehnten eine soziale Schieflage gebe. Dies betreffe sowohl die Einkommens- als auch die Vermögensverteilung, die Armut und Ungleichheit verfestigten, kritisiert die Fraktion. Die Armutsrisikoquote stagniere seit vielen Jahren auf einem zu hohen Niveau zwischen 15 und 16 Prozent, die Pandemie habe die Situation ärmerer Bevölkerungsgruppen zusätzlich verschärft, heißt es in dem Antrag weiter.

Von der Bundesregierung verlangen die Grünen unter anderem, die Grundsicherung zu einer sanktionsfreien Garantiesicherung weiterzuentwickeln, eine Kindergrundsicherung und einen gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde einzuführen, die Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung weiterzuentwickeln und Konzepte gegen Altersarmut vorzulegen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 769 vom 09.06.2021

Die FDP-Fraktion interessiert sich in einer Kleinen Anfrage (19/30267) für Hinzuverdienstmöglichkeiten für Jugendliche im SGB II (Zweites Sozialgesetzbuch). Darin fragt sie die Bundesregierung unter anderem nach der Anzahl der Schüler, die seit 2015 einen regelmäßigen Schülerjob ausgeübt haben und wie die Regierung das Angebot dieser Jobs vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie einschätzt.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 756 vom 07.06.2021

Die FDP-Fraktion möchte von der Bundesregierung wissen, ob sie die Notwendigkeit einer Reform im Familienrecht sieht, die die Beziehung von Enkelkindern zu ihren Großeltern stärkt. Hintergrund ist der Kleinen Anfrage (19/30185) zufolge, dass viele Großeltern in der kindlichen Entwicklung neben den Eltern eine besondere Rolle einnehmen und Großelternumgang insbesondere für Trennungskinder, die vor der Trennung ihrer Eltern viel Zeit mit ihren Großeltern verbracht haben, besonders wichtig ist. Schätzungen zufolge verlören jedes Jahr aber rund 150.000 Kinder den Kontakt zu ihren Großeltern. Ursächlich für die Kontraktbrüche dürfte auch die derzeitige Rechtslage sein. Unter anderem fragen die Abgeordneten, ob es nach Auffassung der Bundesregierung sinnvoll beziehungsweise erstrebenswert wäre, wenn Kinder ein eigenes Recht auf Umgang mit ihren Großeltern erhalten, und ob die Bundesregierung der Auffassung ist, dass das großelterliche Umgangsrecht durch die Implementierung des Wechselmodells als gesetzliches Leitbild gestärkt werden würde.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 750 vom 07.06.2021

Das EU-Parlament hat gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Kinderrechte im EU-Parlament und der EU Alliance for Investing in Children ein Manifest gegen Kinderarmut und soziale Schließung erarbeitet. Anlässlich der Veröffentlichungen der EU-Kindergarantie, der EU-Kinderrechtsstrategie und des Aktionsplans zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte (s. EuropaNews 03/21) wird im Manifest zum entschlossenen Handeln aufgerufen. Mitgliedstaaten sollten Aktionspläne entwickeln, die der Situation in ihrem Land gerecht werden und nationale Ziele zur Bekämpfung von Kinderarmut und sozialer Ausgrenzung definieren. Sie sollten außerdem daran arbeiten, die politische Beteiligung von Kindern zu verbessern. Auf der EU-Ebene sollten konkrete Ziele definiert werden, mit denen die Kinderarmut in der EU bis zum Jahr 2030 beendet werden kann. Die EU wird außerdem aufgerufen, die Umsetzung der Kindergarantie und der Kinderrechtsstrategie so zu planen, dass sie miteinander kohärent sind und sich ergänzen. Ihre Umsetzung müsse in das Europäische Semester und die länderspezifischen Empfehlungen zur volkswirtschaftlichen Entwicklung aufgenommen werden.

Quelle: EuropaNews Mai 2021 Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V. vom 28.05.2021

Das EU-Parlament hat eine Entschließung zur EU-Kindergarantie angenommen. In ihr schließt sich dem Vorschlag der Kommission aus dem März für eine Ratsempfehlung zur Kindergarantie an (s. EuropaNews 03/21). Der Rat wird aufgerufen, diesen Vorschlag zügig umzusetzen, da sich die Situation von Kindern in prekären Lebenssituationen durch die Pandemie noch verschlechtert habe. Die Mitgliedstaaten sollten die EUKindergarantie in allen Politikbereichen berücksichtigen und mindestens 5 Prozent der Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds + (ESF+) für die Umsetzung der Kindergarantie verwenden. EU-Mittel der verschiedenen Programme sollten so koordiniert werden, dass alle Ziele der Kindergarantie implementiert werden könnten. Die Anstrengungen zur Prävention von Gewalt an  Kindern, insbesondere sexueller Gewalt, müssten intensiviert werden. Die Kommission wird aufgerufen, die Möglichkeit einer Europäischen Behörde zu überprüfen, die die Wahrung der Kinderrechte in den Mitgliedstaaten unterstützen und überwachen könnte.

Quelle: EuropaNews Mai 2021 Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V.  vom 28.05.2021

Jedes vierte bis fünfte Kind in Deutschland lebt in relativer Armut, schätzen ExpertInnen. Um soziale Teilhabe für alle Kinder zu ermöglichen, wird in einigen Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2021 gefordert, das Kindergeld deutlich zu erhöhen und eine Kindergrundsicherung einzuführen, die das Existenzminimum von Kindern effektiver sichern soll. Die vorliegenden Berechnungen zeigen, dass von der bisherigen steuerlichen Ungleichbehandlung durch Kindergeld und Kinderfreibeträge vor allem Haushalte mit hohen Einkommen profitieren. Um diese zu reduzieren, sollte der überhöhte Anteil für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf im Kinderfreibetrag deutlich gesenkt werden. Die dadurch entstehenden Mehreinnahmen von bis zu 3,5 Milliarden Euro sollten vor allem für die Bildungsinfrastruktur und eine zielgenaue Kindergrundsicherung für einkommensschwache Haushalte eingesetzt werden. 

Rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland sind nach Schätzungen armutsgefährdet – und damit häufig auch bildungsbenachteiligt. Der Anteil armutsgefährdeter Kinder hält sich zwar seit Jahren relativ konstant bei etwas über 20 Prozent.info Doch die Tatsache, dass diese Quote trotz der wirtschaftlich starken Jahre vor der Corona-Pandemie gleichblieb und gerade Kinder aus einkommensschwachen Familien in der Pandemie durch die Schulschließungen negativ betroffen waren, macht dieses Thema besonders brisant – und bereits jetzt zum Wahlkampfthema. Debattiert wird zum einen, wie die Kinderbetreuung und schulische Bildung ausgebaut werden können. Zum anderen aber auch, wie die finanzielle Situation für Kinder verbessert werden kann, vor allem in Familien mit geringem Einkommen. Neben einer Erhöhung des Kindergelds schlagen die Parteien links der Mitte eine Kindergrundsicherung vor.info

Bei beiden Maßnahmen ist es wichtig, die fiskalischen Kosten und die Verteilungswirkungen zu beachten. Eine Kindergrundsicherung für bedürftige Familien ist ein besonders effektives Instrument zur Reduktion von Kinderarmut und hat die stärksten Verteilungseffekte zugunsten von Geringverdienenden. Bei einer Erhöhung des Kindergeldes ist die Zielgenauigkeit hingegen geringer, da alle Kinder beziehungsweise Familien unabhängig von der Bedürftigkeit profitieren. Das Kindergeld ist auch Teil des steuerlichen Familienleistungsausgleichs. Besser- und Hochverdienende profitieren erheblich von zusätzlichen Steuervorteilen durch den Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuer.

Im Folgenden soll anhand von Berechnungsbeispielen gezeigt werden, wie die Kinderfreibeträge Haushalte mit höheren Einkommen bevorteilen. Zudem wird berechnet, wie eine Senkung des Kinderfreibetrags und eine Erhöhung des Kindergeldes wirken. Gerechnet wird in den verschiedenen Szenarien mit dem Einkommensteuertarif 2022.

Steuerlicher Familienleistungsausgleich: Bis zu 1354 Euro zusätzlich für höhere Töchter und Söhne

Beim gegenwärtigen „dualen System“ des Familienleistungsausgleichs der Einkommensteuer wird die steuerliche Entlastung durch den Kinderfreibetrag mit dem Kindergeld verglichen. Familien mit höheren Einkommen und Steuersätzen bekommen zusätzlich zum Kindergeld noch den übersteigenden Steuervorteil. Das Finanzamt führt die Günstigerprüfung automatisch bei der Steuerveranlagung durch. Der Kinderfreibetrag liegt in den Jahren 2021 und 2022 für beide Elternteile bei insgesamt 8 388 Euro im Jahr, das Kindergeld für das erste und zweite Kind bei 219 Euro im Monat oder 2 628 Euro im Jahr.info

Bei einem Paar übersteigt der Steuervorteil des Kinderfreibetrags das Kindergeld für das erste Kind ab einem gemeinsamen zu versteuernden Einkommen von knapp 70 000 Euro (Abbildung 1). Mit höheren Einkommen steigt der Vorteil des Kinderfreibetrags auf 896 Euro im Jahr, die bei Einkommen über 125 500 Euro erreicht werden, bei denen der erste Spitzensteuersatz von 42 Prozent gilt. Bei Steuerpflichtigen mit dem Reichensteuersatz von 45 Prozent steigt der Zusatzvorteil auf 1 146 Euro im Jahr, die bei Einkommen über 564 000 Euro erreicht werden.

Hinzu kommt der Steuervorteil beim Solidaritätszuschlag, der ab dem Jahr 2021 nur noch bei höheren Einkommen erhoben wird. Bei einem Paar setzt die Belastung mit Solidaritätszuschlag ab einem gemeinsamen zu versteuernden Einkommen von 125 000 Euro ein. Die neue Freigrenzen-Regelung führt bei übersteigenden Einkommen zu einer deutlichen Erhöhung des Grenzsteuersatzes.info Dadurch steigt der Steuervorteil des Kinderfreibetrags beim Solidaritätszuschlag auf 419 Euro im Jahr ab einem zu versteuernden Einkommen von gut 133 000 Euro. Nach dem Auslaufen der Freigrenzen-Gleitzone ab 203 000 Euro fällt dieser auf 194 Euro. Bei hohen Einkommen unter dem Reichensteuersatz steigt der Vorteil beim Solidaritätszuschlag auf 208 Euro im Jahr.

Insgesamt bringt der Kinderfreibetrag Familien mit höheren Einkommen für ihre Töchter und Söhne über das Kindergeld hinaus einen deutlichen Steuervorteil. Dieser steigt auf 1 315 Euro im Jahr in der Freigrenzen-Gleitzone des Solidaritätszuschlags, fällt bei übersteigenden Einkommen auf 1 090 Euro und steigt auf 1 354 Euro im Jahr bei den Reichensteuer-Familien.

Sinn und Zweck des Kinderfreibetrags

Diese zusätzliche Entlastungswirkung des Kinderfreibetrags für Besser- und Hochverdienende ist seit jeher umstritten und gilt als sozial- und familienpolitisch verfehlt. Steuersystematisch ist die ergänzende Entlastungwirkung aber durchaus stringent, sofern man mit dem Kinderfreibetrag die Kosten für den grundlegenden Lebensbedarf der Kinder sowie weitere Aufwendungen für Betreuung, Erziehung und Ausbildung als Minderungen persönlicher „Leistungsfähigkeit“ berücksichtigen will – wie es auch das Bundesverfassungsgericht explizit fordert. Insoweit geht es beim Kinderfreibetrag nicht um vertikale, sondern um horizontale Gleichbehandlung: Wer Kinder hat, hat höhere Aufwendungen im Vergleich zu jemandem mit gleichem Einkommen ohne Kinder – und damit eine niedrigere steuerliche Leistungsfähigkeit, die man bei der Steuerbelastung berücksichtigen sollte. Die höhere steuerliche Entlastungwirkung bei Familien mit höheren Einkommen ist Folge des progressiven Einkommensteuertarifs. Bei einem „flatrate“-Einkommensteuertarif mit durchgängig proportionalem Steuersatz würde sie verschwinden.

Kinderfreibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung („BEA“) reduzieren

Allerdings könnte die Höhe des Kinderfreibetrags von derzeit 8 388 Euro reduziert werden. Beim Kinderfreibetrag entfallen nur 5 460 Euro auf das „sächliche Existenzminimum“ der Kinder, also die notwendigen Lebenshaltungskosten für Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit etc.info Zusätzlich werden 2 928 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf („BEA“) eines Kindes berücksichtigt – unabhängig von konkreten Aufwendungen. Diese Regelung wurde vor zwei Jahrzehnten nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingeführt. Dies ist aber seitdem umstritten, da tatsächliche Aufwendungen für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung bei den meisten Steuerpflichtigen in dieser Höhe nicht vorliegen dürften. Die damit offenbar beabsichtigte zusätzliche Berücksichtigung fiktiver nichtmonetärer Aufwendungen wie dem Betreuungsaufwand der Eltern ist im Einkommensteuerrecht systemwidrig.info Daher sollte eine deutlich niedrigere Pauschale für den BEA-Aufwand reicheninfo – zum Beispiel in Höhe von 600 Euro im Jahr, was in etwa einer Pauschalierung der verschiedenen Leistungen des „Bildungspakets“ für Bildung und Teilhabe (BuT) entsprechen dürfte.info

Darüber hinaus sollten allerdings tatsächlich entstehende höhere Beträge auf Nachweis abgezogen werden dürfen, gegebenenfalls bis zu bestimmten Höchstgrenzen für einzelne Ausgabenarten, wie es derzeit bereits bei den Kinderbetreuungskosten oder beim Schulgeld der Fall ist.info Dies wäre mit einem gewissen Verwaltungs- und Befolgungsaufwand bei Finanzbehörden und Steuerpflichtigen verbunden, sollte aber zu bewältigen sein.

Mit dieser Reform könnte der Kinderfreibetrag auf 6 060 Euro sinken. Entsprechend sänke seine steuerliche Entlastungswirkung deutlich (Abbildung 2). Der Zusatzvorteil gegenüber dem Kindergeld würde auf 221 Euro pro Jahr in der Freigrenzen-Gleitzone des Solidaritätszuschlags fallen, auf 58 Euro bei übersteigenden Einkommen und auf 248 Euro im Jahr bei den Reichensteuer-Familien.

Diese Senkung des Kinderfreibetrags würde für sich genommen Mehreinnahmen von schätzungsweise 3,5 Milliarden Euro im Jahr erzielen. Belastet wären die Familien in den oberen beiden Dezilen der Einkommensverteilung, vor allem die oberen zehn Prozent. Soweit Eltern dann aber tatsächlichen BEA-Aufwand deklarieren, fallen die Mehrbelastungen und damit die Mehreinnahmen geringer aus. Diese Wirkungen sind mangels Datengrundlagen nur schwer zu quantifizieren. Die Mehreinnahmen dürften dann schätzungsweise auf 2,5 bis drei Milliarden Euro im Jahr zurückgehen.

Mehreinnahmen gezielter für das Kindeswohl verwenden

Diese zusätzlichen Mittel könnten gezielt für das Kindeswohl und die Senkung von Kinderarmut verwendet werden. Zum einen könnten dadurch Betreuungs-Infrastruktur und Bildungsangebote für Kinder verbessert werden. Zum anderen könnten die Mittel verwendet werden, um eine Erhöhung des Kindergeldes und die Kindergrundsicherung zu finanzieren.

Die SPD schlägt vor, das Kindergeld auf einheitlich 250 Euro im Monat zu erhöhen. Dies würde unter Berücksichtigung der Anrechnung auf die einkommensgeprüften Sozialleistungen etwa 5,5 Milliarden Euro im Jahr kosten und damit die Mehreinnahmen beim Kinderfreibetrag deutlich übersteigen. Die Kindergrundsicherung dürfte je nach Ausgestaltung und Inanspruchnahme weitere Milliarden kosten. Bei einer Kindergelderhöhung würde aber der Steuervorteil des Kinderfreibetrags auch bei den Besser- und Hochverdienenden verschwinden (Abbildung 3) – man könnte ihn also abschaffen oder nur noch in Sonderfällen berücksichtigen. Das gilt allerdings nicht mehr, wenn die Spitzensteuersätze erhöht werden und dadurch der Steuervorteil des Kinderfreibetrags steigt. 

Die Grünen wollen das Kindergeld auf einheitlich 290 Euro im Monat erhöhen. Das würde etwa 13 Milliarden Euro im Jahr kosten, plus Mehrkosten durch die Kindergrundsicherung. Dann wäre der Kinderfreibetrag auch bei deutlich höheren Spitzensteuersätzen nicht mehr relevant (Abbildung 4). Die Linke will das Kindergeld sogar auf einheitlich 328 Euro im Monat erhöhen. Allein das würde etwa 20 Milliarden Euro kosten, hinzu kämen Kosten für die großzügige Kindergrundsicherung.

Fazit: Kindergrundsicherung statt Kinderzuschlag

Da eine Anhebung des Kindergeldes zu hohen Mehrbelastungen führt und nach dem Gießkanneprinzip allen Haushalten zugutekommt, sollte sich die nächste Bundesregierung stattdessen auf die Kindergrundsicherung für die Haushalte mit geringeren Einkommen konzentrieren. Finanziert werden könnte diese durch eine Absenkung der BEA-Pauschale im Kinderfreibetrag.  

Diese Kindergrundsicherung sollte den bisherigen Kinderzuschlag ersetzen und mit der Grundsicherung und dem Wohngeld besser abgestimmt werden. Insbesondere sollten Zugang und Beantragung niederschwelliger und einfacher werden, damit sich die Inanspruchnahme erhöht. Dazu könnten mit Zustimmung der antragstellenden Familien alle Informationen automatisiert genutzt werden, die den Finanz- und Sozialbehörden bekannt sind. Potenzielle Leistungsberechtigte sollten von den Finanz- und Sozialbehörden auf die Möglichkeit der Beantragung hingewiesen werden, etwa bei der Lohnsteuerbescheinigung, der Einkommensteuerveranlagung oder bei Bescheiden zu Lohnersatzleistungen oder Alterseinkünften. Darüber hinaus müssen die Einkommensgrenzen und Entzugsraten von Einkommen so gestaltet werden, dass Familien mit Anspruch auf Kindergrundsicherung auch einen Anreiz zur Beschäftigung haben.

Abstract

Jedes vierte bis fünfte Kind in Deutschland lebt in relativer Armut, schätzen ExpertInnen. Um soziale Teilhabe für alle Kinder zu ermöglichen, wird in einigen Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2021 gefordert, das Kindergeld deutlich zu erhöhen und eine Kindergrundsicherung einzuführen, die das Existenzminimum von Kindern effektiver sichern soll. Die vorliegenden Berechnungen zeigen, dass von der bisherigen steuerlichen Ungleichbehandlung durch Kindergeld und Kinderfreibeträge vor allem Haushalte mit hohen Einkommen profitieren. Um diese zu reduzieren, sollte der überhöhte Anteil für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf im Kinderfreibetrag deutlich gesenkt werden. Die dadurch entstehenden Mehreinnahmen von bis zu 3,5 Milliarden Euro sollten vor allem für die Bildungsinfrastruktur und eine zielgenaue Kindergrundsicherung für einkommensschwache Haushalte eingesetzt werden.

DIW aktuell ; 64 : Sonderausgaben zur Bundestagswahl 2021, 8 S. Stefan Bach, Peter Haan 2021  get_appDownload (PDF  0.57 MB)

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 31.05.2021

 

Im Jahr 2020 haben nahezu genauso viele Frauen wie Männer die Dienste einer Schuldner- oder Insolvenzberatungsstelle in Anspruch genommen. Insgesamt ließen sich 588 000 Personen beraten, davon waren 273 000 Frauen (46,4 %) und 315 000 Männer (53,6 %). Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich der Aktionswoche Schuldnerberatung 2021 weiter mitteilt, ergaben sich je nach Haushalts- beziehungsweise Familiensituation deutliche Unterschiede. So waren 13,8 % der beratenen Personen alleinerziehende Frauen, ihr Anteil in der Gesamtbevölkerung betrug aber nur 5,2 %. Alleinlebende Männer waren ebenfalls überproportional häufig von Überschuldung betroffen: Während auf sie 29,9 % der von Schuldnerberatungsstellen betreuten Personen entfielen, betrug ihr Anteil in der Gesamtbevölkerung lediglich 19,5 %.

Fast jede dritte alleinerziehende und überschuldete Frau (29,0 %) sowie jeder fünfte alleinlebende und überschuldete Mann (20,0 %) war geschieden. Paare ohne Kinder waren hingegen vergleichsweise selten überschuldet. Kinderlose Paare stellten 13,7 % der überschuldeten Personen, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung lag etwa doppelt so hoch (28,2 %).

25- bis 44-Jährige sind am häufigsten überschuldet

Betrachtet man die beratenen Überschuldeten nach dem Alter, so waren 25- bis 44-Jährige besonders häufig betroffen. Während sie nur 30,2 % der Gesamtbevölkerung ausmachten, kam mehr als die Hälfte der Klientinnen und Klienten von Beratungsstellen aus dieser Altersgruppe (51,6 %). Personen ab 65 Jahren nahmen die Dienste von Schuldnerberatungsstellen hingegen kaum in Anspruch: Obwohl sie ein gutes Viertel der Gesamtbevölkerung stellten (25,1 %), waren nur 7,5 % der beratenen Personen in diesem Alter. Über die Gründe hierfür liegen seitens der Überschuldungsstatistik keine Angaben vor. Möglicherweise ist die eigene Zahlungsunfähigkeit gerade in dieser Altersgruppe ein Tabuthema. Auch könnten ältere Menschen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein, eine Beratungsstelle aufzusuchen.

Die durchschnittliche Schuldenlast steigt mit dem Alter

Durchschnittlich betrugen die Verbindlichkeiten von beratenen überschuldeten Personen 29 230 Euro, wobei Männer mit 33 050 Euro über dem Durchschnitt und Frauen mit 24 830 Euro darunterlagen. Nach dem Alter betrachtet trugen die über 65-Jährigen mit 49 930 Euro die höchste durchschnittliche Schuldenlast. Die größte Altersgruppe in Schuldnerberatung, die 25 bis 44-Jährigen, waren mit 22 270 Euro unterdurchschnittlich überschuldet.

Methodischer Hinweis:

Die Ergebnisse der Überschuldungsstatistik 2020 beruhen auf Angaben von 593 der insgesamt rund 1 430 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Deutschland. Sie haben anonymisierte Daten von rund 143 000 beratenen Personen mit deren Einverständnis bereitgestellt. Die Teilnahme an dieser Statistik ist sowohl für die Beratungsstellen als auch für die Ratsuchenden freiwillig; es gibt keine Auskunftspflicht. Die gemeldeten Daten werden anschließend auf die Grundgesamtheit aller durch Schuldnerberatungsstellen beratenen Personen in den Bundesländern hochgerechnet. Die Angaben zur Gesamtbevölkerung stammen aus dem Mikrozensus 2019.

Weitere Informationen:

Zu den Ergebnissen der Überschuldungsstatistik können detaillierte Daten und Zeitreihen in der Datenbank GENESIS-Online 63511 sowie in der Fachserie 15, Reihe 5 abgerufen werden. Zusätzlich zeigt der Schuldnerberatungsatlas des Statistischen Bundesamtes die Erreichbarkeit der nächsten Beratungsstelle von verschiedenen Standorten in ganz Deutschland.

Weiterführende Informationen zur Überschuldungsstatistik finden Sie unter www.destatis.de Gesellschaft und Umwelt; Einkommen; Konsum und Lebensbedingungen; Vermögen und Schulden.

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt (DESTATIS) vom 07.06.2021

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Der AWO Bundesverband begrüßt die beschlossene Frauenquote für Vorstände von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitenden. Diese sei ein wichtiger Schritt, dürfe aber nicht das Ende der Bemühungen gegen die „gläserne Decke“ sein, so der Verband. Dazu erklärt Jens M. Schubert, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes:

„Nachdem die Wirtschaft nie mehr als Absichtserklärungen lieferte, ist es richtig und überfällig, dass die Politik eine Quote durchgesetzt hat. Großunternehmen haben auch gesellschaftliche Verpflichtungen, die ernst zu nehmen sind. Man darf deshalb natürlich darauf bestehen, dass sich die Förderung der Geschlechtergerechtigkeit auch bei ihnen verwirklicht. Nach der Quote für Aufsichtsräte ist die Frauenquote für Vorstände der zweite wichtige Schritt auf einem langen Weg mit absehbaren Stolpersteinen. Mit der 3+1-Regelung steht nämlich zu befürchten, dass in die betroffenen Vorstände jeweils eine Frau als Feigenblatt, aber ohne echte Entscheidungsgewalt berufen wird. Eine prozentuale Lösung bzw. Staffelung würde das verhindern.“

Deshalb brauche es neben der beschlossenen Quote weiteren Wandel in der Arbeitswelt. Dazu gehöre die Etablierung von geschlechtergerechten und vielfaltsbewussten Unternehmens- und Führungskulturen. Schubert: „Von dem Gesetz werden letztlich rund 70 Unternehmen betroffen sein. Um Gleichstellung nachhaltig zu etablieren, reicht das natürlich lange nicht. Dafür müssen strukturelle Defizite angegangen werden, die Arbeitskultur insgesamt gehört auf den Prüfstand: Gibt es zum Beispiel Alternativen für Präsenzansprüche oder Möglichkeiten für flexible Arbeitszeiten? Gibt es hochgezogene Augenbrauen, wenn eine Führungskraft egal welchen Geschlechts ein Meeting der Kinder wegen frühzeitig verlässt? Gibt es vielfaltsbewusste Personalentwicklungskonzepte? Es bleibt viel zu tun.“

Mit dem ESF-Projekt „Vielfaltsbewusst in Führung“ fördert die AWO aktiv Vielfalt in ihren Unternehmen und Diensten. Ihr zweiter Gleichstellungsbericht ist in Arbeit, ab dem Sommer 2021 wird das Präsidium des Verbandes eine Doppelspitze haben. Der Verband strebt nachdrücklich an, mindestens 50% der haupt- und ehrenamtlichen Führungspositionen mit Frauen zu besetzen.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 01.06.2021

Ohne einen allgemeinen, langfristigen und konkreten Schutz vor Benachteiligungen können Elternschaft und Fürsorgeverantwortung in Deutschland laut der Initiative #proparents bspw. folgendes bedeuten: Kündigungen am ersten Tag nach der Elternzeit, kein gleichwertiger Arbeitsplatz und weniger Gehalt beim Wiedereinstieg, Benachteiligungen beim weiteren beruflichen Fortkommen, abwertende Bemerkungen von Vorgesetzten bei Fehlzeiten aufgrund eines kranken Kindes. Um Mütter und Väter besser zu schützen, hat das Bundesforum Männer die Petition #GleichesRechtfürEltern mitgezeichnet. Unterstützen auch Sie die Kampagne mit Ihrer Stimme! Die Initiative #proparents und die Zeitschriften „Brigitte“ und „Eltern“ fordern den Bundestag und den Bundesrat dazu auf, das Diskriminierungsmerkmal „Elternschaft“ in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) aufzunehmen bzw. eine Ergänzung des AGG auf den Weg zu bringen, wonach in der Arbeitswelt niemand „Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat, unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden darf“ (§ 4 GlBG).

Hier geht’s zur Petition #GleichesRechtfürEltern

ZEIT-ONLINE Artikel „Eltern? Stören den Betrieb!“ vom 22.04.2021

Quelle: Newsletter Mai 2021 Bundesforum Männer vom 28.05.2021

Bei den Diskussionen um die Finanzierung der Pflegeversicherung wird vergessen, dass Familien immer noch verfassungswidrig sowohl in der gesetzlichen Pflegeversicherung als auch in der Renten- und Krankenversicherung belastet werden.

„Die Pläne der Bundesregierung für eine Reform der Pflegeversicherung sorgen für Kontroversen: Kinderlose sollen einen höheren Beitragssatz zahlen. Dabei wird vergessen, dass Eltern bereits doppelte Beiträge in die Pflegeversicherung leisten, zum einen mit Geldbeiträgen und zum anderen mit der Kindererziehung“, sagt Siegfried Stresing, Vizepräsident des Deutschen Familienverbands (DFV). Ziel müsse sein, Eltern in der Sozialversicherung zu entlasten. Wer keine Unterhaltspflichten für Kinder hat, ist grundsätzlich finanziell leistungsstärker. Familien hingegen rutschen regelmäßig – trotz Kindergeld – unter das steuerliche Existenzminimum wie Berechnungen im Horizontalen Vergleich zeigen.

Die DFV-Forderungen nach familiengerechten Beiträgen während der aktiven Familienphase begründen sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 1629/94), wonach gleich hohe Beiträge für Eltern und Beitragszahlende ohne Kinder in der Pflegeversicherung verfassungswidrig sind.

„Mit seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht 2001 deutlich gemacht, dass das Sozialversicherungssystem ohne neue Generationen nicht überlebensfähig ist. Unsere Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass Kinder großgezogen werden. Wer Kinder erzieht und Sozialbeiträge zahlt, leistet doppelte Beiträge in den Generationenvertrag“, sagt Stresing. „Es ist bedrückend, wie mutlos mit familienbezogenen Reformen der Sozialversicherung umgegangen wird. Wir müssen endlich verstehen, dass es nicht darum geht, Familien zu bevorteilen oder Kinderlose abzustrafen. Es geht um den Bestand des Sozialversicherungssystems.“

Zusammen mit dem Familienbund der Katholiken (FDK) unterstützt der DFV Familien, die den Rechtsweg für Beitragsgerechtigkeit in den Sozialversicherungen beschritten haben. Mit mehreren Verfassungsbeschwerden und einer Richtervorlage stehen sie vor dem Bundesverfassungsgericht. „Auf dem Weg nach Karlsruhe mussten die klagenden Familien mehrere unsägliche Urteile von Sozialgerichten hinnehmen, die dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2001 klar widersprechen oder es sogar ins Gegenteil verkehrten“, sagt der DFV-Vizepräsident. „Jetzt müssen die Karlsruher Richter ein Machtwort sprechen.“

Auf www.elternklagen.de informieren die Familienverbände über den Stand der Familienklagen.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V.  vom 01.06.2021

Die Schließung von Schulen stellt Familien vor enorme persönliche und finanzielle Herausforderungen. Familien leiden an der monatelangen Dauerüberlastung zwischen Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Homeschooling. Das haben inzwischen mehrere Studien deutlich nachweisen können. Eine Zeit lang ist der Wegfall von Bildungseinrichtungen durch Eltern kompensierbar, aber es kann kein Dauerzustand sein.

Über das Homeschooling unterhalten wir uns heute mit Dr. Sabine Buder. Sie ist vierfache Mutter, Unternehmerin und vielfach ehrenamtlich engagiert. Als CDU-Mitglied kandidiert sie im Wahlkreis 59 (Brandenburg) für einen Sitz im Bundestag. Mehr Informationen finden sich auf ihrer Webseite, auf Twitter sowie auf ihrem Facebook-Profil.

Frau Buder, Sie sind Mutter von vier Kindern, Tierärztin mit eigener Praxis und gleichzeitig kandidieren Sie für einen Sitz im Bundestag. Wie schaffen Sie es, all das – und jetzt noch mit dem Unterricht zu Hause – unter einen Hut zu bringen?

Als ich am 15. August vergangenen Jahres als CDU-Direktkandidatin für die Bundestagswahl im Brandenburger Wahlkreis 59 nominiert wurde, war mir klar, dass dieser Wahlkampf ein richtig hartes Stück Arbeit werden wird. Neun Monate, zwei Lockdowns und ganz viel Homeschooling später muss ich sagen: viel härter kann es selbst in der „heißen“ Phase des Wahlkampfs nicht mehr werden.

Als Familie haben wir das nur mit der großartigen Unterstützung meiner Eltern und Schwiegereltern geschafft. Mein Mann mit Vollzeitjob und ich mit eigener Praxis und vielen Wahlkampfterminen – vor Ort und Online – hätten es alleine auf uns gestellt nicht bewältigen können. Zusammen mit unseren Kindern sind wir im Lockdown an unsere körperlichen und psychischen Grenzen gestoßen. Diese Erfahrung haben sehr viele Eltern gemacht. Ich empfinde größten Respekt und Dankbarkeit für all diejenigen, die den Familien in dieser schweren Zeit zur Seite stehen.

Die Eindämmungsmaßnahmen in der Corona-Pandemie haben Familien hart getroffen. Das gilt besonders für Schulkinder. Hat die Krise Auswirkungen auf die Lernergebnisse von Kindern? Sind Kinder Verlierer dieser Krise?

Bereits vor der Krise hatten wir im Bildungssektor mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Das zeigen die PISA-Studien eindrücklich. Mit der Corona-Pandemie hat das alles eine dramatische Zuspitzung erfahren.

In diesem Zusammenhang stelle ich mir noch eine andere Frage. Warum müssen Kitas und Grundschulen über lange Zeiträume geschlossen sein? Wie sinnvoll sind Kita- und Schulschließungen, wenn selbst wissenschaftliche Studien zum Ergebnis kommen, dass Kinder bei der Virusübertragung kaum eine Rolle spielen? Gleichzeitig wird von Eltern eingefordert, einen anstrengenden Spagat zwischen Familie, Homeoffice und Ersatzlehrer hinzubekommen. Letztendlich auf Kosten der Gesundheit.

Es fehlt weiterhin an praktikablen digitalen Lernangeboten und guten Konzepten für Hybrid-Unterricht. Es ist ungemein schwierig, Grundschülern Lerninhalte sinnvoll nur über „Distanzunterricht“ zu vermitteln. Die Politik hat bisher keine oder unbefriedigende Lösungen gefunden. Sind also Kinder Verlierer dieser Krise? Ich fürchte JA.

Wird Corona der Motor der Digitalisierung unserer Bildungslandschaft werden?

Ich würde es begrüßen, wenn die Corona-Pandemie diese positive Nebenwirkung hätte. Wenn ich mich in meinem persönlichen Umfeld umsehe, kann ich allerdinge nicht zu einer optimistischen Schlussfolgerung kommen. Ähnliche Bedenken höre ich als Mitglied im Landeselternrat und aus anderen Bildungsbereichen.

Eine nüchterne Bestandsaufnahme führt eher zu deprimierenden Ergebnissen. So hat Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) erst kürzlich in einem Interview eingeräumt, Deutschland hänge bei der Digitalisierung der Schulen „fünf bis acht Jahre zurück“. Das könne man nicht in neun Monaten aufholen. Wenn dann aus dem Landeshaushalt 23,2 Millionen Euro für die Anschaffung von Laptops, Tablets und anderen digitalen Endgeräten für Schulen freigegeben werden, ist das zwar erfreulich, kommt aber reichlich spät.

Mein Wahlkreis Barnim und Märkisch-Oderland sind weit entfernt vom modernen Online-Unterricht. Die technische und personelle Ausstattung der Schulen sowie die Internet-Infrastruktur sind meist unzureichend, um Distanz- oder Hybridunterricht digital umzusetzen. Wobei ich Hybridunterricht bei Grundschulkindern und insbesondere Lernanfängern ohnehin kritisch sehe, da diese nicht unbeaufsichtigt zu Hause lernen können. Wenn Kinder zu Hause betreut werden müssen, können Eltern nebenbei nicht beruflich tätig sein. Daher ist der Hybrid-Unterricht für Grundschüler aus meiner Sicht nahezu ausgeschlossen.

Der Digitalisierungsschub in unserer Bildungslandschaft ist also mehr als überfällig. Dafür brauchen wir unbedingt starke Motoren – nicht aber Corona.

Welche Erwartungen haben Sie an Lehrer und Schulen in der Krise? Hat Homeschooling gut funktioniert?

Ich schätze das Engagement vieler Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen sowie von Erziehern und Erzieherinnen in den Kitas. Das ist mir wichtig zu sagen. Sie sind in der Corona-Pandemie immer wieder an ihre Grenzen gegangen – und darüber hinaus.

Klar ist aber auch, dass Homeschooling für die meisten Familien nicht funktioniert. Egal wie oft das Gegenteil von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey oder Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst behauptet wird. Es macht fassungslos, dass es diesbezüglich eine bewusst verschwommene Wahrnehmung und keine Fehlerkultur zu geben scheint.

Corona verlangt uns allen einiges ab und jeder muss seinen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten. Aber was (Grundschul-)Kindern, Eltern und Lehrern in den letzten Monaten durch eine verfehlte Bildungspolitik zugemutet wurde, setzt neue Maßstäbe. Da hilft auch kein Schönreden.

Wie können wir hier helfen?

Das von der Bundesregierung beschlossene „Aktionsprogramm Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ geht in die richtige Richtung. Dafür sollen Mittel in Höhe von 2 Milliarden Euro bereitgestellt werden.

Eine große Summe. Gleichzeitig ist der Nachholbedarf enorm – schon vor Corona. Ich finde es sinnvoll, dass mit dem Programm nicht nur pandemiebedingte Lernrückstände aufgeholt werden sollen, sondern umfangreiche Maßnahmen zur Unterstützung der sozialen Kompetenzen und der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen finanziert werden.

Ganz wichtig ist mir eines: Kinder und Jugendliche dürfen mit ihren Sorgen nicht alleingelassen werden. Die Schulsozialarbeit verdient mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung. Entscheidend für den Erfolg dieser Maßnahmen ist allerdings, dass Mütter, Väter und Kinder dabei mitwirken. Geld und gute Konzepte allein reichen nicht.

Versuchen wir am Ende einen positiven Ausblick auf die Zukunft. Was können wir aus der Krise Positives mitnehmen? Was hat uns in der Corona-Pandemie stark gemacht?

Kinder haben Rechte und ihr Schutz sollte bei allen politischen Entscheidungen oberste Priorität haben. Für mich ist die Wertschätzung der Familien als Keimzellen der Gesellschaft die Voraussetzung für ein zukunftsfähiges Deutschland.

Ich setze mich dafür ein, dass unsere Kinder unter bestmöglichen Bedingungen aufwachsen können. Das bedeutet einen Kitaplatz für jedes Kind, kurze Schulwege und die Erhaltung von Schulstandorten. Mir ist wichtig, dass individuelle Förderung der Kinder in der Schule und in der Freizeit ermöglicht und effektiver Kinderschutz gewährleistet wird.

Wer erstklassige Bildung für alle Kinder will, muss die Digitalisierung der Bildungslandschaft konsequent vorantreiben. Das sind Ziele, für deren Verwirklichung ich mich engagiere – als Mutter, im Ehrenamt und als Direktkandidatin für die Wahl zum Deutschen Bundestag. Und ich verspreche, mich auch nach dem Einzug in den Bundestag an das Motto meines Wahlkampfes zu halten: Zuhören. Verstehen. Kümmern. Denn Familien brauchen in Deutschland dringend eine starke Lobby!

Sehr geehrte Frau Buder, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sebastian Heimann (Twitter), Bundesgeschäftsführer des DFV

Quelle: Interview Deutscher Familienverband e.V.  vom 01.06.2021

Die Schließung von Schulen stellt Familien vor enorme persönliche und finanzielle Herausforderungen. Familien leiden an der monatelangen Dauerüberlastung zwischen Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Homeschooling. Das haben inzwischen mehrere Studien deutlich nachweisen können. Eine Zeit lang ist der Wegfall von Bildungseinrichtungen durch Eltern kompensierbar, aber es kann kein Dauerzustand sein.

Über das Homeschooling unterhalten wir uns heute mit Nina Stahr. Sie ist dreifache Mutter, arbeitete als Referendarin im Oberstufenzentrum in Neukölln sowie in einem Gymnasium in Grunewald. Seit 2006 ist sie Mitglied bei den Grünen und seit Dezember 2016 Landesvorsitzende in Berlin. Nina Stahr kandidiert im Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf für einen Sitz im Bundestag. Mehr Informationen finden sich auf ihrer Webseite, auf Twitter sowie auf ihrem Facebook-Profil.

Frau Stahr, Sie sind Mutter von 3 Kindern, sehr aktiv in der Berliner Landespolitik tätig und kandidieren gleichzeitig für den Bundestag. Wie schaffen Sie es, all das – und jetzt noch mit dem Unterricht zu Hause – unter einen Hut zu bringen?

Wir haben das Glück, dass unsere Kinder alle noch Kitakinder sind, so dass wir zumindest keinen Unterricht zu Hause machen mussten. Aber natürlich haben wir den Anspruch, diese schwierige Zeit für die Kinder so gut wie möglich zu gestalten und haben versucht, ein bisschen etwas vom üblichen Kitaprogramm auch zu Hause zu machen – wie basteln, experimentieren oder Musik machen.

Das ging nur, weil mein Mann in Kurzarbeit war, anschließend Kinderkrankentage genommen hat und Vollzeit für die Betreuung unserer Kinder da sein konnte. Neben meinem Job hätte ich das nicht hinbekommen. Das ist aber genau das Problem: dass Homeoffice und Kinderbetreuung nicht parallel stattfinden können – dieses Problem wurde von der Bundesregierung allerdings völlig ignoriert.

Alleinerziehende Eltern oder Eltern die beide arbeiten mussten – womöglich nicht mal im Homeoffice – standen vor kaum lösbaren Betreuungsproblemen. Die hätte man mit einem Corona-Elterngeld verhältnismäßig einfach lösen können – aber dies war leider keine Priorität für die Bundesregierung.

Die Eindämmungsmaßnahmen in der Corona-Pandemie haben Familien hart getroffen. Das gilt besonders für Schulkinder. Hat die Krise Auswirkungen auf die Lernergebnisse von Kindern? Sind Kinder Verlierer dieser Krise?

Natürlich hat die Krise Auswirkungen auf die Lernergebnisse. Aber das sollte nicht allein im Fokus stehen. Viel wichtiger sind die psychischen und sozialen Folgen. Denn ja, Kinder und Jugendliche sind die Verlierer der Krise – sie wurden kaum mitgedacht und haben selbst keine große Lobby. Kinderrechte wurden mit Füßen getreten und ich mache mir Sorgen, dass das auch Folgen für unsere Demokratie haben wird. Kindern und Jugendlichen wurde vermittelt: wer am lautesten schreit, bekommt, was er will, während die Schwächsten in der Gesellschaft keine Rolle spielen. Ist das wirklich die Art und Weise, wie wir in Zukunft zusammenleben wollen?

Wenn wir uns jetzt damit beschäftigen, was wir für Kinder und Jugendliche nach der Krise tun müssen, dann sollten für mich deshalb genau diese Themen im Fokus stehen. Und ich wünsche mir, dass Schulen genau daran mitarbeiten: dass sie Raum für Begegnung und Austausch bieten und Beziehungsarbeit in den Fokus stellen und den Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass es jetzt gerade nicht darauf ankommt, ob sie in Mathe eine super Note haben oder nicht, sondern darum, dass es ihnen erstmal grundlegend gut geht.

Natürlich müssen wir im nächsten Schritt dann auch schauen, wie wir die Lernrückstände des vergangenen Jahres aufholen können. Manche Familien haben das mit dem Homeschooling super hinbekommen, für andere war es eine kaum zu bewältigende Herausforderung – die Heterogenität der Lerngruppen nimmt also enorm zu.

Aber ich halte es für den falschen Weg, den Kindern und Jugendlichen, für die die vergangenen Monate ohnehin besonders schwer waren, gerade jetzt die Ferien noch mit Nachhilfeunterricht zu überladen. Stattdessen müssen wir in den kommenden Jahren nach und nach aufarbeiten, was verloren gegangen ist. Dazu bedarf es einer Entschlackung der Lehrpläne und mehr binnendifferenzierten Unterricht. Ich würde mir aber auch generell ein Umdenken in der Schule wünschen: natürlich ist ein Schulabschluss die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben mit einem selbst gewählten Beruf etc., und dafür muss man natürlich Inhalte vermitteln – aber Schule ist eben so viel mehr als Wissensvermittlung.

Viele Lehrkräfte machen einen großartigen Job und sehen ihre Verantwortung, die über pure Wissensvermittlung hinaus geht, aber in unserer alten Schulstruktur sind Themen wie Beziehungsarbeit noch kaum verankert.

Wird Corona der Motor der Digitalisierung unserer Bildungslandschaft werden?

Das hätte ich mir gewünscht. Und es wäre dringend nötig. Corona hat gezeigt, wie weit wir hier zurückstehen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Deshalb müssen hier sowohl die Bundes- als auch die Landesregierungen in den kommenden Jahren nachhaltige Programme aufsetzen: das fängt bei der Anbindung von Schulen ans Internet mit ausreichender Bandbreite an, geht über Endgeräte für alle Lehrkräfte sowie Schüler und Schülerinnen sowie passende Software und Lernplattformen bis zur Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte.

Auf keinen Fall dürfen wir jetzt denken: nun haben sich das ja alle selbst angeeignet, wir sind viel weiter als vor einem Jahr. Denn die Wahrheit ist: auch nach einem Jahr Pandemie sind wir beim Thema Digitalisierung der Bildungspolitik mit wenigen Ausnahmen noch im Mittelalter.

Welche Erwartungen haben Sie an Lehrer und Schulen in der Krise? Hat Homeschooling gut funktioniert?

Das war sehr unterschiedlich. Und ob es funktioniert hat oder nicht, hing viel zu sehr vom Engagement einzelner Lehrkräfte und/oder Schulleitungen ab. Es gab Lehrkräfte, die einen großartigen Job gemacht haben, die bis spät in die Nacht sich selbst digitale Tools angeeignet haben, um ihre Schülerinnen und Schüler gut unterrichten zu können.

Und auf der anderen Seite gab es Lehrkräfte, die wochenlang kaum etwas von sich haben hören lassen, wo die Kinder ein paar Arbeitsblätter bekommen haben und das war’s. Ich möchte hier aber keiner einzelnen Lehrkraft einen Vorwurf machen – dass viele nicht in der Lage waren, ihre Schüler und Schülerinnen so zu betreuen, wie es nötig gewesen wäre. Es liegt vor allem daran, dass die Digitalisierung von den zuständigen Ministerien sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene so lange verschlafen wurde.

Wie können wir hier helfen?

Wir müssen aus den Versäumnissen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte lernen und Schule nun endlich moderner aufstellen. Digitale Tools und Unterrichtsmöglichkeiten, die ja nicht nur in Zeiten von Distanzunterricht relevant sind, müssen essenzieller Bestandteil der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften sein.

Es kann doch nicht sein, dass jüngere Lehrkräfte – und dieses Beispiel kenne ich aus mehreren Schilderungen – bis spät in die Nacht noch die Arbeitsblätter ihrer Kolleginnen und Kollegen in PDFs umwandeln und hochladen, weil die Älteren das selbst nicht können. Da haben doch über Jahrzehnte die Bildungsministerien geschlafen, da hätten Fortbildungen gemacht werden und die Angst vor digitalen Medien im Unterricht genommen werden müssen.

In vielen Köpfen sind Kinder vor Bildschirmen immer noch etwas Schlimmes – das muss ein Ende haben und wir müssen endlich die Chancen der Digitalisierung für die Schule nutzen. Und gleichzeitig müssen wir überdenken, was wir in der Schule noch vermitteln müssen: vieles wird in Zukunft von Maschinen erledigt, die wirklich relevanten Fähigkeiten, die es in Schule zu erlernen gilt, sind die sozialen. Auch darauf müssen wir einen stärkeren Fokus legen.

Versuchen wir am Ende einen positiven Ausblick auf die Zukunft. Was können wir aus der Krise Positives mitnehmen? Was hat uns in der Corona-Pandemie stark gemacht?

Während der Krise war vieles möglich, was sonst nicht ging: in vielen Büros konnten Menschen ins Homeoffice, wo es jahrelang nie erlaubt wurde. Eltern durften plötzlich ihre Arbeitszeit flexibler einteilen, um das mit der Kinderbetreuung hinzukriegen.

Ich möchte, dass wir das nach der Krise mitnehmen und ein Recht auf Homeoffice und flexible Arbeitszeitmodelle gesetzlich festschreiben. Das darf aber nicht zu einer Entgrenzung von Arbeit und Privatleben führen. Familien sind die Keimzellen unserer Gesellschaft, sie brauchen gemeinsame Zeit. Deswegen setze ich mich für die 30-Stunden-Woche für Eltern ein.

Sehr geehrte Frau Stahr, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sebastian Heimann (Twitter), Bundesgeschäftsführer des DFV

Quelle: Interview Deutscher Familienverband e.V.  vom 01.06.2021

  • Nur Solidarität und ein starker Sozialstaat helfen durch die Krise
  • Bentele: „Soziale Gerechtigkeit muss das Maß allen Handelns sein“

Am 1. Juni startet der Sozialverband VdK unter dem Motto „Sozialer Aufschwung JETZT!“ seine Kampagne zur Bundestagswahl 2021. Zum Auftakt erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele: „Die nächste Bundesregierung wird eine enorm große Verantwortung tragen: Sie wird darüber entscheiden, wer die Kosten der Corona-Pandemie zahlen muss. Denen die Last aufzubürden, die ohnehin wenig haben, ist gefährlicher gesellschaftlicher Zündstoff.“

Die Corona-Pandemie hat die soziale Schieflage in Deutschland noch weiter verstärkt. Viele Menschen haben täglich mit existenziellen Sorgen zu kämpfen. Die Friseurin mit kleinem Lohn muss mit wenig Kurzarbeitergeld auskommen. Der Rentner hat seinen Minijob verloren, bekommt aber keine staatlichen Hilfen. Die Solo-Selbstständige hat ihre Altersvorsorge aufgebraucht, Schulden angehäuft und lebt von Grundsicherung. Viele Kinder und Jugendliche aus ärmeren Verhältnissen sind in der Schule abgehängt. Die Pandemie hat gezeigt, wie stark die soziale Herkunft die persönliche Bewältigung der Krise bestimmt.

Mit seiner Kampagne „Sozialer Aufschwung JETZT!“ zeigt der VdK, wie der soziale Aufschwung in Deutschland gelingen kann und wie wir verhindern, dass ärmere Menschen zurückgelassen werden. Er fordert von den Parteien Vorschläge ein, wie sie die Zukunft des Landes gerecht gestalten wollen. Der VdK ist überzeugt: Solidarität und ein starker Sozialstaat sind die besten Lösungen, die wir in Deutschland zur Krisenbewältigung haben. „Nur wenn wir für den sozialen Aufschwung für alle sorgen, kommt auch die Wirtschaft dauerhaft in Schwung“, ist Bentele überzeugt.

„Unsere Mitglieder wollen Sicherheit statt Sozialhilfe, Zuversicht statt Abstiegsangst. Ein Sozialstaat, der die Lebensleistung der Menschen in den Blick nimmt und ein Leben ohne Angst vor Armut sicherstellt, hilft allen“, sagt Bentele. Der VdK fordert den Umbau der sozialen Sicherungssysteme: Alle Erwerbstätigen müssen in eine Sozialversicherung einzahlen, um sich für das Alter und gegen Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Unfall oder Arbeitslosigkeit abzusichern. Auch Beamte, Selbstständige und Politikerinnen und Politiker müssen einzahlen. Doch das reicht nicht: Es braucht auch ein gerechtes Steuersystem, das Vermögende stärker fordert, und eine Vermögensabgabe. Wird Vermögen oberhalb von einer Million Euro herangezogen, wäre weniger als ein Prozent der Bevölkerung betroffen. „Dann ist unser Land für die Zukunft gerüstet“, erklärt Bentele.

Mit seinen Forderungen wird der VdK die Bundestagswahl kritisch begleiten. Im Rahmen der Kampagne wird es in ganz Deutschland zahlreiche Veranstaltungen und Social-Media-Aktionen, Diskussionen mit Abgeordneten und mit Vertretern der Parteien geben. „Wir fordern von den Politikerinnen und Politikern Antworten auf die drängendsten Fragen. Für uns als VdK ist ein starker Sozialstaat die Lösung, um gut durch die Corona-Pandemie zu kommen. Daran werden sich die Parteien und die neue Bundesregierung messen lassen müssen“, so Bentele.

Alle Forderungen des VdK finden Sie im Internet unter www.vdk.de/btw21

Quelle: Pressemitteilung Sozialverband VdK Deutschland vom 31.05.2021

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 14. Juni 2021

Veranstalter: Deutscher Familienverband e.V.

Eine der drängendsten Fragen zu den Folgen der Corona-Pandemie lautet:

Welchen Einfluss haben Schulschließungen mit Distanzunterricht auf die Bildung von Millionen von Kindern?

Aussagekräftige Untersichungen werden zu selten durchgeführt, vergleichende Leistungserhebungen gibt es kaum. Und dort, wo sie geplant waren, werden sie abgesagt. So drängt sich die Frage auf, ob die Verantwortlichen überhaupt wissen wollen, was Schulschließungen angerichtet haben.

Der Erziehungswissenschaftler und Professor für Schulpädagogik Klaus Zierer hat eine Datenanalyse vergleichbarer Länder vorgenommen und kommt zu alarmierenden Befunden:

Homeschooling und Unterrichtsausfall haben teilweise verheerende Auswirkungen auf den Bildungsstand, aber auch auf die körperliche und emotionale Verfassung von Schülern. Seine Ergebnisse und Lösungsvorschläge präsentiert er in seinem am 14.06.2021 im Verlag Herder erscheinenden Buch „Ein Jahr zum Vergessen. Wie wir die drohende Bildungskatastrophe nach Corona verhindern“.

Es wird herzlich zur Buchvorstellung und anschließenden Diskussion mit dem Autor Klaus Zierer, Friedhelm Boginski (Bürgermeister und Lehrer) und Christina Adler vom Brandenburgischen Pädagogen-Verband eingeladen. Das Gespräch wird vom Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes, Sebastian Heimann, moderiert.

Hier geht es zur ANMELDUNG. Die Veranstaltung ist kostenfrei

Termin: 14. Juni 2021

Veranstalter: Der Paritätische Gesamtverband

Die Diskussion über die mögliche Impfung von Kindern und Jugendlichen gegen SARS-CoV-2 bietet einen Nährboden für Verschwörungsideologien. Professorin Esther Lehnert wird über die gegenwärtigen Entwicklungen sprechen. Anschließend besteht Gelegenheit, über die Auswirkungen etwa im Hinblick auf die Elternarbeit für die Akteure der Kinder- und Jugendhilfe zu diskutieren.

Mit Prof. Dr. Esther Lehnert, Professorin für Theorie, Geschichte und Praxis Sozialer Arbeit mit dem Schwerpunkt Rechtsextremismus an der Alice Salomon Hochschule Berlin.


Hier geht es zur Anmeldung. Anmeldeschluss ist Donnerstag, 10.06.2021.

Bitte beachten Sie: Sie erhalten nach Ihrer Anmeldung eine E-Mail, mit der Sie Ihre Anmeldung bestätigen müssen, und erst danach eine Anmeldebestätigung.

Für die Teilnahme an der Fachveranstaltung werden keine Beiträge erhoben. Die Einwahldaten gehen den Teilnehmer*innen nach Anmeldeschluss zu.

Termin: 18. Juni 2021

Veranstalter: Pestalozzi-Fröbel-Verband e. V.

Der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf für einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder soll ab 2026 eingeführt werden. Er ist im SGB VIII verankert und damit im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe umzusetzen. Dies kann die Chance sein dazu beizutragen, soziale, kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe von Kindern sicherzustellen, so Claudia Linsel vom Paritätischen bei einer Expert*innenanhörung im Familienausschuss des Bundestages.

Grundsätzlich begrüßt der Pestalozzi-Fröbel-Verband die Initiative der Bundesregierung, die stufenweise Einführung eines Anspruchs auf ganztägige Förderung für Grundschulkinder durch die Anpassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch zu regeln. Damit wird die Rolle der Jugendhilfe gestärkt und diese noch konkreter zum Partner des formalen Bildungssettings Schule ausgebaut. Das fördert ganzheitliche Bildung und damit ein gelingendes Aufwachsen von Kindern, welches alle Kompetenz-und Bildungsbereiche abdeckt sowie Chancen-und Bildungsgerechtigkeit sichert.

In der digitalen Dialogveranstaltung können Erfahrungen zum Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und Bundesländern zusammengetragen werden. Es sollen Kontroversen offengelegt werden. In einer von Respekt und Anerkennung getragenen Gesprächsatmosphäre sollen Praktiker*innen mit ihren Positionen Gehör bekommen. Alle sind eingeladen, dieses aktuelle Thema mit uns zu diskutieren.

Zur Anmeldung:

https://www.pfv.info/

Termin: 22., 24. und 30. Juni 2021

Veranstalter: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V.

Im Juni 2021 führt der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. unter Beteiligung des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, des Bundesministerium für Arbeit und Soziales und des Bundesministerium für Gesundheit, die digitale Veranstaltungsreihe „COVID 19 – any lessons learned?!“ durch.

Seit über einem Jahr hält uns die Covid-19-Pandemie in Atem und stellt die Akteure des Sozialen vor große Herausforderungen. Deutschland ist im internationalen Vergleich bisher sowohl mit Blick auf die Infektionszahlen als auch vor dem Hintergrund diverser Sozialschutzpakete, Regelungen zur Kurzarbeit und tragfähiger Infrastrukturen gut durch die Krise gekommen.

Im Rahmen der dreiteiligen Veranstaltungsreihe „COVID 19 – any lessons learned?!“ soll reflektiert werden, welche bisherigen Lernerfahrungen für sozialpolitisches Handeln aus der Covid-19-Pandemie und den zu ihrer Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen gezogen werden können. Die Pandemie hat zum einen bereits bestehende soziale Ungleichheiten sowie Benachteiligungen im Bereich der Bildung und gesellschaftlichen Teilhabe wie unter einem Brennglas sichtbar gemacht. Zum anderen ist es nach über einem Jahr Pandemie-Erfahrung an der Zeit, die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens kritisch zu bilanzieren: Welche Maßnahmen haben sich bewährt, welche sind gescheitert und bedürfen einer Anpassung? Welche Maßnahmen können Wegweiser für die weitere Entwicklung in der Sozialen Arbeit und Sozialpolitik sein? Welche nachsorgenden Maßnahmen sind nötig?

Die Veranstaltungsreihe fokussiert dabei drei Themen:

+ am 22.06.2021: Teilhabe und Selbstbestimmung von alten, pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit Behinderungen sichern – Lernerfahrungen aus der COVID-19-Pandemie und Schlussfolgerungen für notwendige Veränderungen

+ am 24.06.2021: Herausforderungen in der Grundsicherung in der Corona-Pandemie

+ am 30.6.2021: Ausgebremst, aber keine Generation Corona: Lernerfahrungen aus der COVID-19-Pandemie und Schlussfolgerungen für notwendige Veränderungen.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Termin: 16. – 17. September 2021

Veranstalter: OUTLAW.die Stiftung

Beim diesjährigen Kinderrechtekongress handelt es sich um eine kostenfreie Online-Veranstaltung, der sich dem Thema widmet:        

aufwachsen – gerecht – gestalten

Kinderrechte in Alltag und Politik

Das Kongressprogramm und weitere Informationen finden Sie auf der Website unter: www.kinderrechte-kongress.de.  

Termin: 06. Dezember 2021

Veranstalter: DEVI – Demokratie stärken. Vielfalt gestalten.

Hiermit möchten wir auf unsere Fachveranstaltung des Begleitprojekts „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ am 06.12.2021 von 09:00-16:00 Uhr aufmerksam machen. Die Veranstaltung wird u. a. durch Fachvorträge sowie intensive Workshop Einheiten gekennzeichnet sein. Die Beteiligung der Teilnehmenden und das gemeinsame Erarbeiten stehen hierbei im Fokus.

Eine Einladung mit konkretem Programm folgt.

WEITERE INFORMATIONEN

Der Zugang zu Gesundheitsleistungen für Frauen* ist in Deutschland nicht flächendeckend gesichert. Neben sehr weitreichenden Werbeverboten und der Kriminalisierung von Ärzt*innen erschweren Abtreibungsgegner*innen mit sogenannten „Gehsteigbelästigungen“ den ungehinderten Zugang ungewollt Schwangerer zu Beratungseinrichtungen und ärztlichen Praxen. Dies geschieht meist durch Plakate, direkte Ansprache oder kollektives Beten. Berater*innen von pro familia und anderen Einrichtungen, die die gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung anbieten, fordern schon seit langem einen besseren Schutz der Beratung Suchenden und der Berater*innen selbst.

Das Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung hat deshalb ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Es kommt zu dem Schluss, dass das Persönlichkeitsrecht der schwangeren Person, welches im Falle einer frühen Schwangerschaft der besonders schützenswerten Intimsphäre zuzuordnen ist, in der Regel schwerer wiegt als die Meinungsfreiheit, das Versammlungsrecht oder die Religionsfreiheit der Abtreibungsgegner*innen.

Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit könnten auch außerhalb der Hör- und Sichtweite der Einrichtung ausgeübt werden. Die schwangere Person hingegen ist gesetzlich verpflichtet, die Pflichtberatung aufzusuchen, um im Rahmen des StGB §218 straffrei einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu können.

Das Gutachten schlägt daher die Ergänzung eines §14a SchKG um einen Ordnungswidrigkeitstatbestand vor, der die versuchte oder erfolgreiche Beeinflussung der Ratsuchenden mit einem Bußgeld belegt.

Das Gutachten trägt den Titel „Möglichkeiten gesetzlicher Neuregelungen im Konfliktfeld ‚Gehsteigbelästigungen‘“. Autorin ist Dr. Sina Fontana, Rechtswissenschaftlerin und Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung im Deutschen Juristinnenbund. Sie hat neben einer verfassungsrechtlichen Abwägung der derzeitigen Situation politische Handlungsempfehlungen formuliert.

„Die freie Entscheidung über die Fortführung der Schwangerschaft ist elementarer Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Es gehört zur Schutzpflicht des Staates, durch eine bundeseinheitliche Regelung die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Frauen unbeeinträchtigt durch Dritte von diesem Recht auch tatsächlich Gebrauch machen können”, so Dr. Sina Fontana.

Dass es dringend geboten ist, eine einheitliche Regelung in der gesamten Bundesrepublik umzusetzen, ist Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, besonders wichtig. „Aggressive Abtreibungsgegner*innen, die Schwangere belästigen, sind vielerorts aktiv. Bislang sind Pforzheim und Frankfurt/Main die einzigen Kommunen, die Proteste in Sichtweite von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen verboten haben. Doch kommunale Regelungen stehen auf wackligen Beinen und sind stark von der aktuellen politischen Zusammensetzung der Entscheidungsgremien abhängig. Wir brauchen daher einen bundesweit einheitlichen rechtssicheren Weg.“

Die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V., Prof. Dr. Maria Wersig, betont: „Belästigungen und verbale oder visuelle Angriffe sind in der Situation der Pflichtberatung, die bereits vom Ausschuss der Vereinten Nationen für die Umsetzung der UN Frauenrechtskonvention kritisiert wurde, für die Betroffenen unzumutbar. Auch wenn bereits jetzt ordnungs- und versammlungsrechtliche Möglichkeiten in den Bundesländern bestehen, gegen diese Aktionen vorzugehen, werden sie zu zögerlich genutzt.“

Zum Gutachten

Die Beobachtungsstelle hat ein neues Format veröffentlicht: Das LGBTIQ*-Monitoring 2020 beinhaltet kurzzusammengefasst alle relevanten Entwicklungen und Aktivitäten in der Europäischen Union und im Europarat sowie in den europäischen zivilgesellschaftlichen Organisationen zu den Rechten von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter* und queeren Personen im Jahr 2020.

Diese Informationen gehen aus dem monatlichen EU-Monitoring* der Beobachtungsstelle hervor. Ergänzend wird die erste LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie 2020–2025 der Europäischen Kommission ausführlicher vorgestellt.

https://beobachtungsstelle-gesellschaftspolitik.de/f/15967b2ea6.pdf

 „Zukunft gestalten – Der Podcast der Bertelmann Stiftung“: Das ist unser neues Audio-Format: Einmal im Monat reden wir hier mit den Expert:innen der Stiftung über die großen gesellschaftlichen Fragen – und geben Antworten.

Worüber sprechen wir im Podcast? Zum Beispiel über die Frage, wie Algorithmen längst unser Leben beeinflussen. Oder darüber, was die Gesellschaft in diesen schwierigen Zeiten zusammenhält. Und wie steht es um unser Wahlsystem und die Demokratie im Superwahljahr 2021? Themen wie diese und viele mehr besprechen Malva Sucker und Jochen Arntz mit unseren Kolleg:innen im neuen Podcast „Zukunft gestalten“. Die Brandmanagerin mit Verlagshintergrund und der frühere Chefredakteur leiten zusammen die Kommunikationsabteilung der Stiftung. Sie begegnen täglich den Fachkolleg:innen, die sich seit Jahren mit den drängenden Fragestellungen unserer Zeit auseinandersetzen. Unsere Expert:innen erforschen Deutschland und die Welt. Sie fragen, analysieren und reisen, um die Probleme und Herausforderungen unserer Gesellschaft transparent und messbar zu machen und vor allem Denkanstöße und Lösungskonzepte zu erarbeiten. Im Podcast berichten Sie nun authentisch und persönlich von ihren Erkenntnissen, Zielen und der Stiftungsarbeit.

Zu hören gibt es „Zukunft gestalten“ auf allen gängigen Podcastplattformen – so zum Beispiel über Apple Podcasts, Spotify, Deezer, Amazon Music, Google Podcasts und AudioNow.

FOLGE #04: Generation Lockdown? Jugend in Corona-Zeiten

Von einer Pause oder einem kurzen Einschnitt kann man nicht mehr sprechen: Das Leben vieler junger Menschen steht seit langer Zeit still. Gut zwei Drittel der jungen Menschen zwischen 15 und 30 Jahren haben Zukunftsängste – das zeigt unsere kürzlich veröffentlichte Studie zum Thema „Jugend und Corona“. Und mehr als ein Drittel hat speziell auch finanzielle Sorgen, deutlich mehr als vor Corona. Wir wollen wissen, wie sich Jugendliche und junge Erwachsene nach über einem Jahr Pandemie fühlen, was sie gern ändern würden und was getan werden müsste. 

Antje Funcke, unsere Expertin für Familien- und Bildungspolitik, hat die Studie betreut. Sie befasst sich seit fast zehn Jahren mit den Themen Bildung und Teilhabe von jungen Menschen sowie Kinderarmut. Ihre Überzeugung: Politik muss dringend etwas gegen Kinderarmut unternehmen – das war schon vor der Pandemie wichtig, jetzt, da sich die Probleme noch verschärfen, umso mehr. Zudem muss die Politik Kinder und Jugendliche viel stärker beteiligen. Junge Menschen haben ein Recht gehört zu werden und mitzubestimmen. Sie sollten daher auch regelmäßig nach ihren Bedarfen, Sorgen und Wünschen gefragt und einbezogen werden.

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Archiv Pressemitteilung

Elternschutz nach der Geburt: Partnerschaftlichkeit von Anfang an!

Berlin, 07.06.2021Anlässlich der heutigen Anhörung des Familienausschusses im Deutschen Bundestag begrüßt das Zukunftsforum Familie (ZFF) den Vorschlag zur Einführung eines Rechtsanspruchs auf Elternschutz für den zweiten Elternteil nach der Geburt und fordert dessen zügige Umsetzung.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. schlägt vor, das Mutterschutzgesetz zu einem Elternschutzgesetz weiterzuentwickeln. Zentral soll ein Rechtsanspruch auf Elternschutz, also eine bezahlte Freistellung von zehn Arbeitstagen für den zweiten Elternteil oder eine soziale Bezugsperson, unmittelbar nach der Geburt des Kindes eingeführt werden. Analog zum Mutterschaftsgeld soll dem zweiten Elternteil während der Freistellung ein Lohnersatz von 100 Prozent zustehen, um allen Familien den finanziellen Spielraum zu geben, den Elternschutz auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Daneben sieht der Antrag ein Rückkehrrecht auf den früheren Arbeitsplatz sowie ein Diskriminierungs- und Kündigungsverbot im Zusammenhang mit dem Elternschutz vor.

Alexander Nöhring, Geschäftsführer des ZFF, erklärt dazu: „Junge Eltern wollen Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlicher aufteilen, sie brauchen von Anfang an entsprechende Rahmenbedingungen. Ein Elternschutz von zehn Arbeitstagen bei 100 Prozent Lohnausgleich ist ein wichtiger Baustein für Väter oder den zweiten Elternteil, um sich ab der ersten Lebenswoche in die familiäre Kinderbetreuung einzubringen und die Mutter in dieser besonderen Zeit zu unterstützen. Die Regelung hat aus Sicht des ZFF das Potential, auch längerfristige partnerschaftliche Wirkung zu entfalten und kann u.a. einen Anreiz für eine längere Elternzeit des zweiten Elternteils darstellen.“

Nöhring ergänzt: „Um Familien bei einer gleichberechtigten Aufteilung von Betreuung und Erziehung von Kindern zu unterstützen, braucht es nachhaltige Reformschritte, die an die Zeit des Mutter- bzw. Elternschutzes anschließen. Wir setzen uns daher für eine Ausdehnung der Partnermonate beim Elterngeld ein. Darüber hinaus müssen wir gerade einkommensschwache Eltern dabei unterstützen, ohne finanzielle Nöte in ihr Familienleben zu starten. Das ZFF fordert, das Basis-Elterngeld als Familienförderleistung nicht wie bislang auf Transferleistungen anzurechnen. Daneben muss die Lohnersatzrate, gerade bei kleinen Einkommen, erhöht werden. Nur so schaffen wir es, allen Eltern Angebote für eine partnerschaftliche Familienorganisation zu machen!“

Alexander Nöhring ist heute als Sachverständiger bei der Sitzung des Familienausschusses geladen. Die öffentliche Anhörung wird zeitversetzt am 08. Juni um 17 Uhr unter www.bundestag.de übertragen.

Die Stellungnahme des Zukunftsforum Familie e.V. anlässlich der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 07. Juni 2021 zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Zehn Tage Elternschutz zusätzlich einführen“ (Drs. 19/26979) finden Sie hier.

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Archiv Aktuelle Hinweise

Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 07. Juni 2021

zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Zehn Tage Elternschutz zusätzlich einführen“ (Drs. 19/26979).

Die Stellungnahme finden Sie hier.

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Archiv Pressemitteilung

Echtes Unterstützungsprogramm statt Aufholpaket und Leistungsdruck!

31.05.2021 – Anlässlich der heutigen öffentlichen Anhörung im Familienausschuss des Bundestages begrüßt das Zukunftsforum Familie (ZFF) die Anstrengungen zur Unterstützung von Familien im Rahmen des „Aufholpaketes“, mahnt jedoch Nachbesserungen für eine niedrigschwellige Begleitung nach der Krise an. 

Im Rahmen des „Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und zur Änderung weiterer Gesetze“ soll ein Teil des von der Bundesregierung angekündigten „Corona-Aufholpaketes“ für Kinder und Jugendliche umgesetzt werden. Konkret betrifft dies die Zahlung eines einmaligen Kinderfreizeitbonus in Höhe von 100 Euro pro Kind/Jugendlichem sowie den Wegfall des einmaligen Antrags auf Lernförderung bis Ende 2023. Außerhalb dieses Gesetzesvorhabens ist, über Programmaufstockungen oder durch Erhöhungen des Umsatzsteueranteils der Länder u. a. geplant, die Bundesprogramme „Sprach-Kitas“ und „Frühe Hilfen“ auszubauen, Ferien- und Wochenendfreizeiten für Kinder, Jugendliche und Familien zu stärken und Mehrgenerationenhäuser besser auszustatten.

Darüber hinaus sollen mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf die pandemiebedingten Ausweitungen und Flexibilisierungen des Pflegezeitgesetzes verlängert werden. Ebenso wird im Bundeskindergeldgesetz klargestellt, dass der Kinderzuschlag eventuell bestehende Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind nicht mindert. 

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt: „Kinder und Jugendliche sind in einem hohen Ausmaß von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen. Viele sind psychisch und physisch belastet, Lernrückstände werden immer größer und insbesondere armutsbetroffene Kinder und Jugendliche fühlen sich zunehmend abgehängt. Es ist gut und richtig, dass das geplante ‚Aufholpaket‘ ein Stück mehr Unterstützung bringt. Der Kinderfreizeitbonus und die Ausweitung der Lernförderung sind wichtige Schritte und auch die Ausweitung der Schulsozialarbeit, der Bundesprogramme ‚Sprach-Kitas‘ sowie ‚Frühe Hilfen‘, der Jugend- und Familienfreizeiten und der Mehrgenerationenhäuser sind enorm wichtig. Zudem wird Familien endlich vertraut, indem sie den Freizeitbonus selbst in die Hand bekommen und damit für sich entscheiden können, wie dieser am sinnvollsten für ihre Kinder und Jugendlichen eingesetzt wird.“

Altenkamp mahnt an: „Eine Milliarde für die Bekämpfung der Lernrückstände und eine Milliarde für den Rest, auf zwei Jahre verteilt – angesichts der Gesamtkosten zur Bewältigung der Krise sind das nur die Brosamen. Zudem geben uns Kinder und Jugendliche deutlich zu verstehen, dass Lernunterstützung nötig, aber bei weitem nicht ausreichend ist. Es muss jetzt auch darum gehen, Druck und Zukunftsängste abzubauen, sodass Kinder wieder Kinder und Jugendliche wieder Jugendliche sein können. Mit freien Zeiten, Phasen der Entspannung, offener Kinder- und Jugendarbeit, Familienbildung und weiterer niedrigschwelliger Begleitung und Unterstützung. Das muss jetzt im Fokus stehen, auch finanziell.“

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Archiv ZFF-Info

ZFF-Info 09/2021

AUS DEM ZFF

Angesichts der Ungerechtigkeiten, die sich in der Corona-Krise immer deutlicher in Bezug auf Kinder und Jugendliche zeigen, fordert das Zukunftsforum Familie (ZFF) dringend eine Neuausrichtung der Pandemiepolitik und kritisiert die fehlende Nachbesetzung der Leitung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Mit dem Sinken der Inzidenzen beginnen die Bundesländer mit der Wiederöffnung zahlreicher gesellschaftlicher Bereiche. Vielfach davon ausgenommen sind die Schulen, in etwa der Hälfte aller Bundesländern gibt es noch keine Rückkehr zum Normalbetrieb. Gleichzeitig zeigen sich die Folgen des Lockdowns für die physische und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen immer deutlicher.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Lockerungen im Bereich der Gastronomie, für den Sommerurlaub oder Kulturveranstaltungen – all das sind wichtige Schritte der Öffnung nach dem Lockdown. Doch angesichts der nach wie vor geltenden Einschränkungen beim Schulunterricht wirkt dies sozial vollkommen unausgeglichen. Es kann nicht sein, dass es in über einem Jahr der Pandemie nicht gelungen ist, Lehrpläne zu entwickeln, die auf Wechselunterricht und digital ausgerichtetes Lernen reagieren, genügend Luftfilter in die Schulen zu bekommen und alternative Formen des Unterrichts zu finden. So verharren gut die Hälfte aller Bundesländer im kleinteiligen Wechselunterricht. In der Folge erleben wir, wie Kinder und Jugendliche zunehmend psychisch belastet sind, Familien an den Rand der Erschöpfung gelangen und insbesondere arme und armutsgefährdete Familien den Anschluss verlieren. Auch viele der niedrigschwelligen familienunterstützenden Angebote wie die Familienbildung, die in den vergangenen Monaten Unterstützung geleistet und Halt gegeben haben, können nach wie vor nicht zum Normalbetrieb zurückkehren.“

Altenkamp fordert daher: „Bei all dem entsetzt zusätzlich, dass die Bundesregierung es nicht für nötig hält, das Kinder- und Familienministerium nach dem Rücktritt von Franziska Giffey eigenständig nachzubesetzen Wir brauchen dringend eine Neubesetzung des Postens, um gerade jetzt Kindern, Jugendlichen und Familien eine starke Stimme zu geben! Eine der ersten Aufgaben der neuen Ministerin bzw. des neuen Ministers muss es sein, in einem Familiengipfel die bestehenden Probleme zu benennen und Lösungen zügig auf den Weg zu bringen. Dazu gehören die Aufrechterhaltung des Regelunterrichts, die Vorbereitung der Impfung von Jugendlichen, ein sozial ausgerichtetes Aufholprogramm – und nicht nur ein auf den Bildungsstand ausgerichtetes Aufholpaket –, die Festlegung guter Bildungsstandards für digital ausgerichtetes Lernen und die psycho-soziale Begleitung der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien bei der Bewältigung und Aufarbeitung der Krise. Sie alle haben unsere Gesellschaft in den vergangenen Monaten zusammengehalten, wir sind es ihnen mehr als schuldig!“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 27.05.2021

Anlässlich des Frauengesundheitstages am 28. Mai fordert das Bündnis „Sorgearbeit fair teilen“ die Politik auf, sich für eine gerechtere Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern über den ganzen Lebensverlauf hinweg einzusetzen.

Das Zukunftsforum Familie (ZFF) ist einer von 13 Mitgliedsverbänden des im Sommer 2020 gegründeten zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Sorgearbeit fair teilen“. Dieses engagiert sich für die geschlechtergerechte Verteilung unbezahlter Sorgearbeit und hat es sich zum Ziel gesetzt, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft für das Thema und die Auswirkungen des so genannten Gender Care Gap zu sensibilisieren.

Die Presseerklärung des Bündnisses finden Sie hier.

Weitere Informationen zum Bündnis „Sorgearbeit fair teilen“ unter: www.sorgearbeit-fair-teilen.de

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e.V. vom 26.05.2021

SCHWERPUNKT I: Internationaler Tag der Familie

In der heutigen Anhörung des Familienausschusses im Deutschen Bundestag zum Neunten Familienbericht der Bundesregierung – zwei Tage nach dem Internationalen Tag der Familie – unterstützt das Zukunftsforum Familie e. V. (ZFF) eine Vielzahl der Vorschläge der zuständigen Sachverständigenkommission und fordert den Bundestag auf, diese zügig umzusetzen. 

Der Neunte Familienbericht zeigt, dass Eltern heute unter enormem Druck stehen, da sie steigende gesellschaftliche und persönliche Erwartungen erfüllen müssen. Insbesondere ist die Zeit, die sich Eltern für die Fürsorge ihrer Kinder nehmen (müssen), stark angestiegen und dies obwohl Mütter heute deutlich umfangreicher erwerbstätig sind als noch vor einigen Jahren. Dieser Trend verstärkt u. a. die soziale Ungleichheit zwischen den Familien. Die von der Sachverständigenkommission formulierten Handlungsempfehlungen reichen daher von Instrumenten der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit, über Bildungsgerechtigkeit bis hin zur Stärkung der wirtschaftlichen Stabilität von Familien. Auch Anpassungen verschiedener Rechtsbereiche stehen angesichts vielfältig werdender Elternschaft im Fokus.

Lisa Sommer, Referentin des ZFF, erklärt dazu: „Es liegt in öffentlicher Verantwortung, gute Rahmenbedingungen für Menschen zu schaffen, die Verantwortung für Kinder und Jugendliche übernehmen. Aus Sicht des ZFF gehört dazu ein gleichberechtigter Zugang zu Erwerbs- und Sorgearbeit für alle Geschlechter. Dafür sollten partnerschaftlichen Ansätze im Elterngeld weiter gestärkt und endlich ‚der Einstieg in den Ausstieg‘ des Ehegattensplittings gewagt werden. Letzteres setzt, wie auch steuerfreie Minijobs und die beitragsfreie Mitversicherung von Ehe- und Lebenspartner*innen in der gesetzlichen Krankenversicherung, Anreize für eine asymmetrische Arbeitsteilung zwischen den Elternteilen. Daneben unterstützen wir die Vorschläge für eine gebündelte Leistung zur Absicherung von Kindern ausdrücklich! Es ist an der Zeit, die Familienförderung ‚vom Kopf auf die Füße‘ zu stellen und endlich durch eine sozial gerechte und auskömmliche Kindergrundsicherung zu ersetzen.“

Sommer ergänzt: „Angesichts der gesellschaftlichen Anforderungen, die Eltern unter Druck setzen, hätten wir auf mehr zeitpolitische Impulse seitens der Sachverständigenkommission gehofft. Aus Sicht des ZFF ist die partnerschaftliche Weiterentwicklung des Elterngelds nur ein Einstieg in Arbeitszeitkonzepte, die den familiären Sorgeverpflichtungen im Lebensverlauf Rechnung tragen. Eine Familienarbeitszeit mit teilweisem Lohnersatz bei einer Reduzierung der Arbeitszeit im Anschluss an die Elterngeldphase oder auch für eine Pflegephase wäre ein wichtiger weiterer Schritt.“

Lisa Sommer, familienpolitische Referentin beim ZFF, nimmt heute als Sachverständige an der öffentlichen Anhörung teil. Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Deutschen Bundestages.

Die Stellungnahme des Zukunftsforum Familie e.V. anlässlich der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages zum Neunten Familienbericht „Eltern sein in Deutschland – Ansprüche, Anforderungen und Angebote bei wachsender Vielfalt“ (Drs. 19/27200) finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e.V. vom 17.05.2021

Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages teilt mit:

„Seit 1993 wird jährlich am 15. Mai in vielen Ländern der Internationale Tag der Familie als Gedenk- und Aktionstag der Vereinten Nationen begangen. Der Tag soll hervorheben, wie wichtig Familien als Grundlage für Staat und Gesellschaft sind und wie Familien von sozialen, ökonomischen und demographischen Entwicklungen betroffen sind. Die Vereinten Nationen haben den Internationalen Tag der Familie im Jahr 2021 unter das Motto ‚families and new technologies‘ gestellt.“

Die Vorsitzende der Kinderkommission, Charlotte Schneidewind-Hartnagel, erklärt anlässlich des Internationalen Tages der Familie:

„Familien in all ihren Formen und Ausprägungen sind die Grundlage jeder Gesellschaft, weil in ihnen Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Kinder werden in Familien groß und dort auf ihr eigenes Leben vorbereitet. Deshalb ist es eine der grundlegendsten Aufgaben der Politik, Familien in all ihrer Vielfalt zu unterstützen und dadurch Kindern ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen.

Dazu gehört heute mehr denn je auch der Zugang zu neuen Technologien und ein verantwortungsvoller Umgang mit digitalen Medien. Die Digitalisierung ist in der Bildung bei der Wissensaneignung, beim Diskurs und Austausch mit anderen und für den Kontakt zu Freunden und Familienangehörigen seit Langem nicht mehr wegzudenken.

Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, welche Bedeutung neuen Technologien in einer Zeit zukommt, in der Familien und Kinder durch Kontaktbeschränkungen, Einschränkungen bei Schulen und Kitas sowie fehlende Freizeit- und Vereinsangebote ganz besonders belastet sind.

Auch wenn neue Technologien und digitale Medien wichtig sind, ersetzen sie nicht die persönlichen Kontakte mit Familienangehörigen, in der Schule, im Freundeskreis und am Arbeitsplatz. Auch das zeigen die Erfahrungen in der Corona-Pandemie.

Deshalb ist es gerade im Sinne der Familien und Kinder wichtig, dass passgenaue Strategien zur Pandemiebekämpfung entwickelt und umgesetzt werden, um bald wieder mehr Normalität und Alltag in diesen Bereichen zu ermöglichen.“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Bundestag vom 15.05.2021

Von der Covid-19-Epidemie und den Maßnahmen dagegen sind Familien besonders betroffen. Die Schließung von Kindertagesstätten, Schulen und Ausbildungsstätten, die Betreuung und Beschulung der Kinder in der eigenen Wohnung, Wegfall von Sport und Freizeitangeboten, Wegfall von privaten Kontakten zu Freundinnen und Freunden führte und führt zu enormen Belastungen der Kinder, Jugendlichen und deren Eltern. Die Folgen sind vielfältig und noch gar nicht in vollem Umfang abzusehen.

Gerade deshalb ist es wichtig schon jetzt Maßnahmen zu planen, die zu einer Erholung der Familien, zur Gesundung seelischer und psychischer Folgen beitragen können.

Die in der Landesarbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Familienverbände fordern daher,

  • die Mittel für Ferienzuschüsse für Familien mit geringem Einkommen nicht zu kürzen, sondern sogar zu erhöhen. Jede Familie braucht Erholung. Insbesondere Familien mit geringem Einkommen waren und sind besonders belastet und benötigen Unterstützung , Entlastung und Erholung .
  • die Mittel aus dem Bundes-Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ umfänglich zu nutzen, damit Kinder, Jugendliche und Eltern davon profitieren können.

Der Internationale Tag der Familie wurde 1993 durch die Vereinten Nationen eingeführt. Er soll auf die Bedeutung der Familie für unsere Gesellschaft und für den Staat aufmerksam machen.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände im Land Brandenburg (LAGF) setzt sich für die Interessen und Rechte von Brandenburger Familien in Politik und Gesellschaft ein.

Quelle: Pressemitteilung Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände in Brandenburg vom 14.05.2021

Zum Internationalen Tag der Familie fordert die AWO deutliche Entlastung für Familien. Seit Beginn der Pandemie seien Familien zu wenig im Fokus politischer Maßnahmen gewesen, obwohl gerade sie einen Großteil der Belastungen getragen hätten. Dazu erklärt Jens M. Schubert, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes:

„Seit einem Jahr versuchen Eltern unter extremen Bedingungen weiter zu funktionieren – ihre Kinder gut zu betreuen oder zu beschulen, ihrer Arbeit nachzugehen und sich um Angehörige zu kümmern. Die Herausforderungen sind vor allem für Alleinerziehende, Familien mit pflegebedürftigen Kindern und berufstätige Paarfamilien mit Kindern enorm. Die Mehrbelastungen haben Mütter und Väter größtenteils durch Arbeitszeitreduzierungen getragen. Viele Familien haben deshalb mit der Verringerung ihres Haushaltseinkommens zu kämpfen und fürchten zusätzlich die mittel- bis langfristigen Auswirkungen der aktuellen Situation auf die Entwicklung ihrer Kinder.“

Die AWO fordert deshalb neue Rahmenbedingungen für Familien, die sie auch in Krisenzeiten stärken. „Dabei gibt es nicht die eine Maßnahme, die für alle Familien passt“, so Schubert, „Wir hören aus unseren Einrichtungen und Diensten vermehrt Berichte von zunehmender Verzweiflung und Angst vor Verarmung, weil die Familien am Ende ihrer Kräfte sind. Die Problemlagen sind zum Teil hochkomplex. Bereits vor der Pandemie war deutlich, dass Belastungen aus mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Pflege von Angehörigen oder Kinderarmut in Familien zusammenlaufen und sich dort potenzieren. Die derzeitige Lage verschärft das. Es ist dringend geboten, dass die Politik ihre Energien verstärkt und zielgerichtet auf diese Herausforderungen und mögliche Lösungen richtet.“

Grundsätzlich fordert die AWO ein verständliches und am Lebensverlauf orientiertes Gesamtkonzept, das Menschen und Familien ermöglicht, ein Leben nach ihren Vorstellungen selbstbestimmt und ohne Angst zu leben und dabei Fürsorge erbringen und empfangen zu können. Dazu liegen bereits Vorschläge wie das Optionszeitmodell, das die Vereinbarkeit von Sorge- und Erwerbsarbeit im Lebensverlauf flexibler ermöglichen würde, auf dem Tisch. Diese müssen aus Sicht der AWO endlich einer gesamtgesellschaftlichen Debatte zugeführt und umgesetzt werden, damit Familien ihre Funktionen – auch für die Stabilität unserer Gesellschaft – wieder erfüllen können.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 15.05.2021

Caritas-Forderung zum Internationalen Tag der Familie

„Zum Internationalen Tag der Familie am kommenden Samstag denken wir insbesondere an die Familien, welche durch Flucht und Vertreibung getrennt sind,“ so Caritas-Präsident Peter Neher. „Wir fordern von der Politik menschliche, das heißt unbürokratische und pragmatische Lösungen für die Zusammenführung von Eltern und Kindern, Ehepartnern, Geschwistern. Migrantinnen und Migranten haben ein Recht auf Familiennachzug.“

Gesetzlich dürfen jeden Monat 1.000 enge Verwandte von Menschen, die hierzulande subsidiären Schutz genießen, nach Deutschland ziehen. Dieses Kontingent ist angesichts des Bedarfs viel zu knapp gemessen. Aktuell warten über 10.000 Familienangehörige auf einen Termin zur Antragsstellung. Dazu kommt: die tatsächlichen Familiennachzugszahlen bleiben schon seit Juli 2019 hinter den gesetzlichen Möglichkeiten zurück. Und seit dem Beginn der Pandemie sind die Zahlen regelrecht eingebrochen: Statt 12.000 sind im vergangenen Jahr nur 5.000 Menschen im Rahmen der Familienzusammenführung zu subsidiär Geschützten nach Deutschland gekommen.

Grundrecht auf Familie

„Hinter den Zahlen stehen Geschichten von Ehepartnern, die seit Jahren getrennt sind, von Kindern, die ohne ihre Eltern oder ihre Geschwister aufwachsen,“ so Neher. „Und jedes dieser Schicksale ist auch eine Geschichte der erschwerten Integration.“

Die Verfahren sind bereits in normalen Zeiten viel zu komplex, in der Pandemie hat sich das Problem noch verschärft. Der Nachweis einfacher Deutschkenntnisse zum Beispiel, den viele Ehegatten liefern müssen, um zu ihrem Ehemann oder ihrer Ehefrau zu ziehen, stellt eine enorme Hürde dar, wenn die Sprachschulen pandemie-bedingt geschlossen sind oder nur ganz wenige Kurse anbieten.

„Die Politik hat für viele Probleme in der Pandemie pragmatische Lösungen gefunden, das sollte auch in Sachen Familiennachzug möglich sein,“ so der Caritas-Präsident. „Das Grundrecht auf Familie gilt auch für Migrantinnen und Migranten.“

Der Deutsche Caritasverband hat, zusammen mit über 200 anderen Organisationen – unter anderem Pro Asyl und der Diakonie Deutschland sowie zahlreiche Caritasverbände – den Aufruf „Familien gehören zusammen“ unterzeichnet. Gemeinsam fordern wir die Bundesregierung und den Bundestag auf, sich für Beschleunigung der Bearbeitung von Familiennachzugsverfahren einzusetzen.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 11.05.2021

Zum Internationalen Tag der Familie am 15. Mai fordert die Diakonie, das Grundrecht auf Familieneinheit für Flüchtlingsfamilien in vollem Umfang zu garantieren und umzusetzen. Die Diakonie Deutschland unterstützt gemeinsam mit mehr als 200 Organisationen den Aufruf „Familien gehören zusammen“ (#familiengehörenzusammen).

Die Einheit der Familie ist verfassungsrechtlich im Grundgesetz verankert.

Geflüchtete Menschen, die einen Anspruch auf Schutz in Deutschland haben, weil sie zum Beispiel aus ihrem Heimatland vor politischer Verfolgung geflohen sind, haben grundsätzlich das Recht, ihre Ehegatten und minderjährigen Kinder nachzuholen. Allerdings bleiben viele Flüchtlingsfamilien trotzdem dauerhaft getrennt, weil das Grundrecht für geflüchtete Menschen gesetzlich stark eingeschränkt wurde. Auch langwierige und komplizierte Verwaltungsverfahren führen dazu, dass geflüchtete Menschen jahrelang ohne Kinder und Ehepartnerin oder -partner leben müssen. 

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Die Einheit der Familie ist ein besonders hohes Gut. Die engsten Familienangehörigen bei sich zu haben, ist ein elementares Bedürfnis von Menschen und ihr natürliches Recht. Menschen übernehmen füreinander Verantwortung und unterstützen sich gegenseitig. Sie schaffen füreinander einen Raum der Geborgenheit und des Vertrauens. Die Familienzusammenführung von geflüchteten Menschen in Deutschland wird jedoch an allen Ecken und Enden behindert. Das ist ein Armutszeugnis für unser reiches Land und verschwendet Chancen und Ressourcen.  Menschen sollten ohne Sorge um ihre Angehörigen hier leben können. Sie brauchen ihre Kraft, um in unserer Gesellschaft gut anzukommen. Flüchtlingsfamilien gehören zusammen!“

Hintergrund:

– Subsidiär schutzberechtigte Flüchtlinge haben keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug mehr, sondern müssen nunmehr warten, bis sie einen Platz im Kontingent von monatlich 1.000 Visa zum Familiennachzug bekommen. Aufgrund der unzureichenden personellen und räumlichen Ausstattung der Auslandsvertretungen und langer Abstimmungswege mit den Ausländerbehörden wurde dieses Kontingent in den vergangenen Monaten nicht einmal ausgeschöpft.

– Flüchtlingskinder, die ohne ihre Eltern in Deutschland leben und Schutz bekommen, können nur ihre Eltern, nicht aber ihre Geschwister nachholen. In der Praxis bedeutet dies, dass die Eltern entscheiden müssen, ob sie ihr Kind in Deutschland oder die Kinder im Herkunftsland alleine lassen oder sich trennen.

Die Familieneinheit kann ohne das Recht, auch die Geschwister nachholen zu können, nicht hergestellt werden.

– Die Pandemie hat zusätzlich dazu geführt, dass Auslandsvertretungen geschlossen wurden bzw. nur eingeschränkt arbeiten. Die Zahl der Visa zur Familienzusammenführung geflüchteter Menschen hat sich daher halbiert. Digitale Wege, die vielfach im Zuge der Pandemie erprobt wurden, sollten auch im Visumsverfahren genutzt werden.

– Flüchtlinge haben zumeist auch nicht die Mittel, die hohen Kosten der Familienzusammenführung zum Beispiel für Pässe, Visa, notwendige Dokumente oder den Flug, zu tragen. Sozialrechtlich ist zur Umsetzung des Rechtes auf Familienzusammenführung weder ein Zuschuss noch Darlehen vorgesehen, sodass eine Zusammenführung am Geld scheitern kann.

Weitere Informationen:

Aufruf „Familien gehören zusammen“: https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Aufruf-FamilienGehoerenZusammen-Stand-11.05.2021-1.pdf?vgo_ee=MimscPSRaAriQe69K1xuYg%3D%3D

Die Diakonie berät und unterstützt geflüchtete Familien in über tausend Beratungsstellen bundesweit. Damit die Zusammenführung nicht an den Kosten scheitert, unterstützt die Diakonie Deutschland jedes Jahr ca. 1.000 Flüchtlingsfamilien aus ihrem Fonds. Dies ist jedoch bei weitem nicht bedarfsdeckend und es werden dringend Spenden benötigt. Informationen zum Fonds

Familienzusammenführung: https://hilfe.diakonie.de/spenden-fuer-fluechtlingsfamilien

Näheres zu den gesetzlichen und administrativen Hürden der Familienzusammenführung von Flüchtlingen finden Sie in einem Wissen Kompakt zur Familienzusammenführung hier: https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/familienzusammenfuehrung

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 14.05.2021

Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD) adressiert fünf Forderungen an die Politik im Bundestagswahlkampf 2021: „Steuergerechtigkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Wohnraum, Bildung und Mobilität – da brauchen wir mutige Konzepte und politischen Willen“, sagt die Bundesvorsitzende Dr. Elisabeth Müller. „Die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft fängt in den Familien an. Wer die Folgen der Corona-Pandemie effektiv bearbeiten will, muss bei den Familien ansetzen“, so Müller.

„Als KRFD bringen wir die Lebenssituation von 1,4 Millionen Mehrkindfamilien und etwa 7 Millionen Menschen in die Politische Debatte. Die Parteien sollten bei der Bundestagswahl den Familien konkrete Angebote machen und den politischen Wettbewerb an diesen Themen ausrichten“, fordert sie.

Der KRFD fordert, dass Familien in der Phase der fürsorgeintensiven Betreuung der Kinder, in der erhöhter Finanzbedarf mit oft geringerem Erwerbseinkommen einhergeht, von den Rentenbeiträgen entlastet werden, ohne dass ihnen Einbußen in der Altersvorsorge entstehen. „Faktisch bedeutet die Entscheidung für mehrere Kinder das Risiko der Altersarmut, denn die Erziehung von Kindern gilt in unserer Gesellschaft noch immer nicht als Leistung, obgleich sie ein elementarer Beitrag zur Erhaltung unseres umlagefinanzierten Rentensystems selbst ist“, macht sie deutlich.

Die Corona-Zeit zeigte, wie flexibel Arbeit organisiert werden kann, wenn der Wille da ist. Anfänglich waren viele Fragen zu klären, rechtliche, versicherungstechnische und juristische, doch der Anfang ist gemacht. Deshalb fordert der KRFD, die Erfahrungen des HomeOffice im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familien und Beruf als auch Pflege und Beruf zu erhalten. Dabei können HomeOffice und Betreuung nicht einfach addiert werden, wie es die Politik leichtfertig annahm. Gute Betreuung und flexible Arbeitsformate müssen komplementär gedacht werden. Branchen, in denen „rund- um-die Uhr“ gearbeitet werde, müssten ihre Arbeitnehmer in familiären Bezügen denken und deshalb die Dienstpläne von Eltern familienvereinbar gestalten.

Mehrkindfamilien haben im Vergleich zu anderen Lebensformen eine geringere Wohnfläche zur Verfügung. Wohnungssuche oder Immobilienerwerb sind gerade für sie schwieriger als für andere. Deshalb fordert der KRFD die Konzeption von familientauglichem und bezahlbarem Wohnraum sowohl in Städten als auch in strukturschwachen und ländlichen Gebieten. Wie stabilisierend ein familienfreundliches Wohnumfeld sein kann, hat Corona klar vor Augen geführt.

„Spätestens als deutlich wurde, dass das Homeschooling kein kurzes Provisorium darstellt, sondern die Funktion einer eigenständigen Unterrichtsform annimmt, konnten die Versäumnisse im Bereich Schule und Bildung nicht mehr übersehen werden“, erklärt Müller. Der KRFD fordert deshalb stärkere Investitionen in Bildung und konkret bei den Themen Digitalität, Personal, Ausstattung und Gebäude. „Wir sind es unseren Kindern schuldig, sie für die kommenden Herausforderungen anständig auszurüsten“, heißt es in dem Forderungspapier.

Die Gestaltung von Mobilität setzt die zentralen Anreize für Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Gerade bei Mehrkindfamilien häuften sich die Kosten für Mobilität bei schulpflichtigen und in Ausbildung befindlichen Kindern. „Mobilität muss mit Teilhabe und Nachhaltigkeit zusammengedacht werden“, appelliert der KRFD und spricht sich für eine „klar erkennbare Weichenstellung und gezielte Förderung intelligenter Verkehrskonzepte für Stadt und Land, Jung und Alt“ aus.

Quelle: Pressemitteilung Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. vom 15.05.2021

SCHWERPUNKT II: 6. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung

Bericht zeigt, dass überwiegender Teil der Menschen in stabilen sozialen Lagen lebt – Problematisch ist die Verfestigung in den unteren sozialen Lagen.

Das Bundeskabinett hat heute den Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht (6. ARB) beschlossen. Damit kommt die Bundesregierung dem Auftrag des Deutschen Bundestags nach, in jeder Legislaturperiode einen Bericht über die Entwicklung von Armut und Reichtum vorzulegen.“

Der Bericht zeigt, wo es Licht und Schatten gibt: Positiv ist, dass vor der COVID-19-Pandemie alle Einkommensbereiche von der damals günstigen Wirtschaftsentwicklung profitiert haben. Auch im unteren Bereich sind die Löhne gestiegen und die Erwerbstätigkeit hat zugenommen. Der gesetzliche Mindestlohn hat gewirkt: Die Stundenlöhne bei den Beschäftigten im untersten Zehntel der Einkommensverteilung sind in den letzten Jahren am stärksten gestiegen. Allerdings müssen wir feststellen, dass sich in den letzten Jahrzehnten eine Verfestigung von Armutslagen ergeben hat: Für Langzeitarbeitslose und Menschen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, existieren zu wenige Aufstiegsmöglichkeiten. Auch der Umstand, dass viele Menschen unsere Gesellschaft als sehr polarisiert wahrnehmen, zeigt, dass wir den sozialen Zusammenhalt stärken müssen.

Die Ergebnisse des Berichts bestärken mich daher in meinem Ziel, dass wir für mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt sorgen müssen: Wir brauchen schnellstmöglich einen gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro / Stunde, wir müssen die Tarifbindung stärken, und die Grundsicherung für Arbeitsuchende muss reformiert werden.“ Bundessozialminister Hubertus Heil

Die Ergebnisse des Berichts zeigen, dass der überwiegende Teil der Menschen in stabilen sozialen Lagen lebt: Deutschland ist keine „Abstiegsgesellschaft“, weiterhin bestehen gute Aufstiegschancen aus der Mitte nach Oben. Problematisch ist die Verfestigung in den unteren sozialen Lagen, aus denen es im Zeitablauf immer weniger Personen gelungen ist, aufzusteigen.

Hinsichtlich der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie deuten die vorliegenden Befragungs- bzw. erste Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Sozialschutzpakete bislang negative Verteilungseffekte weitgehend vermieden haben und durch die Regelungen des Kurzarbeitergeldes die Beschäftigung gesichert werden konnte. Langfristig gilt es aber, die Bereich Bildung und Betreuung besonders im Blick zu behalten, da sich hier in den Belastungen sozioökonomische Unterschiede gezeigt haben.

Der Bericht dient dazu, die Lebenslagen der Bürgerinnen und Bürger zu analysieren, die Wirksamkeit der bisherigen Politikansätze zu überprüfen und neue Maßnahmen anzuregen. Die soziale Lage in Deutschland wird dafür ausführlich beschrieben. Zugrunde liegen die vorliegenden Statistiken und eigens für den Bericht in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben. Die aktuellen Daten bewertet der Bericht mit Blick auf die Entwicklung der sozialen Aufstiegschancen und Abstiegsrisiken innerhalb der Biographie und – soweit möglich – auch im Vergleich zu früheren Alterskohorten und Generationen.

Für diesen Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht wurden erstmals Einzelinformationen aus verschiedenen Dimensionen (Einkommen, Vermögen, Erwerbsintegration und Wohnungsausstattung) miteinander verknüpft, um soziale Lagen auch in der Gesamtschau zu bewerten und im Zeitablauf zu vergleichen. Die ebenfalls erstmals durchgeführte Untersuchung zur Verfügbarkeit und Inanspruchnahme der sozialen Infrastruktur und von Angeboten der Daseinsvorsorge nimmt ergänzend die Bedeutung nicht-monetärer Leistungen für soziale und gesellschaftliche Teilhabe in den Blick. Verstärkt wurde auch die Analyse, wie Verteilungsergebnisse und soziale Mobilität individuell erfahren und bewertet werden. In Ergänzung zu einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung, die differenzierte Auswertungen ermöglicht hat, wurden Personen aus benachteiligten sozialen Lagen zu ihren Biografien, ihrer Lebenssituation und ihren Zukunftsaussichten persönlich interviewt.

Den Erstellungsprozess zum 6. ARB haben ein Beraterkreis, dem eine Vielzahl an Verbänden, Institutionen und Vertreter*innen der Bundestagsfraktionen angehören, und ein wissenschaftliches Gutachtergremium begleitet. In einer Reihe von Symposien hat das BMAS kontinuierlich über die Schwerpunkte und Ergebnisse der Begleitforschung berichtet, um Transparenz zu gewährleisten.

Der Bericht sowie die Begleitgutachten können unter www.armuts-und-reichtumsbericht.de abgerufen werden. Darüber hinaus sind dort umfangreiche Informationen zum Erstellungsprozess sowie eine Übersicht aller relevanten Indikatoren dargestellt.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 12.05.2021

Die AWO warnt angesichts der heutigen Verabschiedung des 6. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung vor der im Bericht ausgewiesenen gesellschaftlichen Polarisierung und einer zunehmenden Verfestigung von Armutslagen. Corona habe die Ungleichheiten weiter verschärft. Es brauche jetzt und für die Zeit nach Corona eine entschlossene Stärkung des Sozialstaates und wirksame Investitionen in den sozialen Zusammenhalt. 

„Arbeit und eigene Anstrengung sollten ein Garant für ein Leben ohne Armut sein. Gleichzeitig sehen wir, dass Arbeit häufig nicht mehr vor Armut schützt – das Aufstiegs- und Sicherheitsversprechen hat Risse bekommen.“, so Jens M. Schubert, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes. Der Regierungsbericht zeige insgesamt, dass Armut und Ungleichheit trotz einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung in den Vor-Corona-Jahren weiterhin auf einem hohen Niveau bleibt. Zudem manifestiert sich Armut in Teilen in einer zunehmenden Verfestigung und Kumulation sozialer Problemlagen, die gesellschaftliche Mitte schrumpft.

Auch Ungleichheiten und Risiken auf dem Arbeitsmarkt sind hoch: Im SGB II befinden sich über 1 Million Erwerbstätige. 8 bis 9 Prozent der Erwerbstätigen erzielt ein Einkommen unterhalb der Armutsschwelle. Mehr als jede*r fünfte Arbeitnehmer*in arbeitet im Niedriglohnsektor. Schubert: „Die Erfahrungen der Vor-Corona-Jahre haben uns dabei gezeigt: Aus der Armut können wir nicht einfach herauswachsen, sondern müssen sowohl bei Einkommens- als auch bei der Umverteilung nachsteuern. Wir fordern daher, die Tarifbindung zu erhöhen und prekäre Beschäftigung einzudämmen. Es gilt zudem, die Umverteilungswirkung des Steuer- und Transfersystems zu erhöhen – auch und gerade in Zeiten knapper Mittel.“

Hintergrund: 

Seit 2001 veröffentlicht die Bundesregierung auf der Grundlage von Beschlüssen des Deutschen Bundestages einmal in jeder Legislaturperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht. Der Bericht wird von einem wissenschaftlichen Gutachtergremium und einem zivilgesellschaftlichen Beraterkreis begleiten. Letzterem gehörte auch für den vorliegenden sechsten Armuts- und Reichtumsbericht der AWO Bundesverband an.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 12.05.2021

Caritas fordert politische Konsequenzen aus dem 6. Armuts- und Reichtumsbericht

Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der heute im Kabinett verabschiedet wird, zeigt auf der Grundlage neuer Daten: Wer in Deutschland arm wird, bleibt es lange. Die Wahrscheinlichkeit, in der nächsten Fünfjahresperiode weiter der sozialen Lage „Armut“ zuzugehören, liegt für arme Menschen aktuell bei 70 Prozent. „Besonders ernüchternd ist die Situation für Kinder und Jugendliche aus einkommensarmen Familien. Der Bericht zeigt, dass ein hoher Anteil der Kinder, die in Armut aufwachsen, sich auch im jungen Erwachsenenalter aus der Armut nicht befreien kann. Wir müssen Konsequenzen aus dem Bericht ziehen; Politik und Gesellschaft müssen sich dieser Verfestigung von Armut zuwenden,“ so Caritas-Präsident Peter Neher. „Wie sollen Kinder und Jugendliche eine Lebensperspektive entwickeln, wenn die Armut ein ständiger Begleiter ist?“

Je früher geholfen wird, desto besser

Der Armuts- und Reichtumsbericht zeigt, dass der sozialen Daseinsvorsorge eine große Bedeutung bei der Prävention und Überwindung von Armut zukommt. Besonders Hilfsangebote, die früh einsetzen, wirken nachhaltig präventiv. Frühe Hilfen für junge Eltern – etwa Babylotsen, die junge Familien rund um die Geburt begleiten und beraten -, Angebote der Familienpflege und Kinderbetreuung im Vorschul- und Grundschulalter gehören zu den Leistungen, welche gestärkt und flächendeckend gesichert werden müssen.

„Gleichwertige Lebensverhältnisse dürfen nicht auf das Straßen- und Mobilfunknetz reduziert werden. Wichtig ist vor allem das Netz sozialer Dienste und Einrichtungen, das Armutsspiralen vermeidet und Teilhabechancen sichert,“ so Neher.

Armut als Corona-Folge

Der Armuts- und Reichtumsbericht richtet ausdrücklich auch das Augenmerk auf die sozialen Folgen der Corona-Pandemie. Die vorliegenden Zahlen bestätigen die Risiken für kleine Selbstständige, aber auch für Familien und verschuldete Haushalte, die durch die Folgen der Pandemie zusätzlichen Armutsgefahren ausgesetzt sind. Mit dem Programm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ hat die Bundesregierung nun gezielte Schritte getan, um die Folgen für junge Menschen abzufedern und besseren Zugang zu Sozialarbeit zu gewährleisten.

„Corona-Schutzschirme gegen sozialen Absturz sind wichtig, um die Gesellschaft gegen Entsolidarisierung zu impfen,“ so Neher. „Damit das Geld für Schulsozialarbeit und Frühe Hilfen an der richtigen Stelle ankommt, brauchen wir eine gute Zusammenarbeit zwischen Ländern, Kommunen und Wohlfahrtsverbänden,“ so Neher. „Wir brauchen deutlich mehr niedrigschwellige analoge und digitale Beratungsangebote für Familien, psychosoziale Angebote für Kinder und Jugendliche sowie Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliches Engagement in den Quartieren.“

Ein erfolgreiches niederschwelliges Angebot der Caritas ist die [U25]-Online-Beratung für junge suizidgefährdete Menschen. Sie wurde in den vergangenen Monaten deutlich ausgebaut, denn in der Pandemie haben die psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen zugenommen.

Kinder und Jugendliche beteiligen

Auch beim Übergang von der Schule in die berufliche Bildung sieht der Deutsche Caritasverband Handlungsbedarf. Junge Menschen brauchen eine verlässliche Infrastruktur von Beratungs- und Förderangeboten in allen Schularten. „Bund und Länder sind dringend gefordert, die Begleitung dieses wichtigen Schrittes der Auswahl eines Berufsweges bundesweit nach einheitlichen Standards zu flankieren,“ so der Caritas-Präsident.

Neher kritisiert, dass Kinder und Jugendliche in der Pandemie im öffentlichen Diskurs häufig auf ihr Schüler- oder Studierenden-Dasein reduziert werden und plädiert dafür, sie an der Erarbeitung von Lösungen als Expertinnen und Experten in eigener Sache zu beteiligen. „Wir brauchen Dialogformate, in denen Kinder und Jugendliche ihre Sorgen, aber auch Lösungsideen einbringen können.“

Hier geht es zur Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes zum 6. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 12.05.2021

Heute wird der sechste Armuts- und Reichtumsbericht im Bundeskabinett verabschiedet. Die Nationale Armutskonferenz (nak) sieht in den Befunden einen dringenden Handlungsauftrag an die Politik, die Lebenslagen armutserfahrener Menschen spürbar zu verbessern. Der Trend verfestigter Armut und sich verschärfender Ungleichheit muss gebrochen und eine umfassende Teilhabe von Menschen mit Armutserfahrung organisiert werden.

Gerwin Stöcken, Sprecher der Nak kommentiert: „Die Befunde des vorliegenden Berichtes sprechen eine eindeutige Sprache: Der wachsende Wohlstand erreicht bei weitem nicht alle Menschen. Während sich Armut als strukturelles Problem herausgebildet hat und zunehmend verfestigt, entwickeln sich die Lebensverhältnisse der Menschen weiter auseinander. Das gefährdet den sozialen Zusammenhalt nachhaltig. Die nak fordert, dass die Sozialpolitik stärker auf das Ziel der Vermeidung und Überwindung von Armut ausgerichtet wird.“

Der Bericht zeigt, dass sich Armut in den letzten Jahren weiter verfestigt hat. Diese kommt zunehmend auch in einer deutlichen Kumulation sozialer Problemlagen in unserer Gesellschaft zum Ausdruck. Die materielle Lebenswirklichkeit der Menschen am unteren Ende der Einkommensverteilung hat sich in den vergangenen 15 Jahren kaum verbessert, während in mittleren und oberen Bereichen Zuwächse bei den Einkommen und insbesondere bei den Vermögen zu verzeichnen sind. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich weiter vergrößert: Auf Kosten der Mitte der Gesellschaft hat die Polarisierung der Lebenslagen – Menschen, die in verfestigten Armutslagen ohne Aufstiegsmobilität leben sowie Menschen, die in Wohlhabenheit und Reichtum leben – zugenommen.

„In einer wohlhabenden Gesellschaft auf Grund von Armut ausgegrenzt und abgewertet zu werden, ist eine bittere Erfahrung, die vielen Menschen nicht erspart bleibt. Zu sehen, dass sich der Lebensstandard der gesellschaftlichen Mitte immer weiter entfernt, während man selbst tagtäglich gegen Windmühlen ankämpfen muss, ist unerträglich. Die nak fordert Solidarität und Anerkennung für Menschen mit Armutserfahrung und eine Politik gegen Armut, die die Lebenslagen der Menschen wieder spürbar verbessert. Die nak ist der festen Überzeugung: Das Leistungsniveau in der Grundsicherung muss wieder steigen, um materiellen Mangel zu verhindern und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Erst die Abwesenheit von ständiger Knappheit schafft die Voraussetzung für eine Aufwärtsmobilität in andere Lebensbereiche und ein Aufbrechen verfestigter und kumulierter Armutslagen. Das erfordert Mut und entschiedene Schritte zur Umverteilung“, formuliert Gerwin Stöcken die zentrale politische Forderung im aufziehenden Bundestagswahlkampf.

Hintergrund:

Seit 2001 veröffentlicht die Bundesregierung einmal in jeder Legislaturperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht. Die nak brachte ihre Expertise im Beraterkreis beim federführenden Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein. Die Stellungnahme der nak zum Entwurf des Berichtes kann hier abgerufen werden: https://www.nationale-armutskonferenz.de/wp-content/uploads/2021/04/NAK_2021-04-09_Stellungnahme_sechster_ARB_final.pdf

Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz (nak) vom 12.05.2021

SCHWERPUNKT III: 150 Jahre §218

Zum 150-jährigen Bestehen des Paragrafen 218 StGB erklärt Ulle Schauws, Sprecherin für Frauen- und Queerpolitik:

Der 1871 eingeführte und bis heute geltende Paragraf 218 StGB führte zu einer grundsätzlichen Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Die Auswirkungen für Frauen waren verheerend. Dagegen haben sich Frauen und die Frauenbewegungen in allen Jahrzehnten aufgelehnt. Die Regelungen wurden verändert und verbessert, aber auch heute noch ist der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch verankert und nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei.

Aktuell tragen weiterhin Schwangere die negativen Folgen dieser Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen: Die Versorgungslage für ungewollt Schwangere ist nicht so gut, wie sie sein müsste. Immer weniger Ärzt*innen sind bereit, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Schwangere, die einen Abbruch brauchen, stehen vor unnötigen Hürden: lange Wege, keine Wahlfreiheit in der Methode des Abbruchs, die Pflicht zur Beratung und Einschränkungen der Information über Schwangerschaftsabbrüche. Dazu kommen gesellschaftliche Stigmatisierung und Tabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Auch die Kosten eines Abbruchs müssen ungewollt Schwangere in der Regel selbst zahlen.

Wir wollen die Versorgung beim Schwangerschaftsabbruch deutlich verbessern. Es braucht bundesweit ausreichend Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, Versorgung sicherstellen und dabei durch die Gesetzeslage abgesichert werden. Informationen müssen leicht zugänglich sein, weshalb der Paragraf 219a StGB ersatzlos gestrichen werden muss. Wir wollen keine Kriminalisierung selbstbestimmter Schwangerschaftsabbrüche, sondern diese durch eine zeitgemäße Regelung ablösen, die eine bessere Gesundheitsversorgung ermöglicht. Darüber wollen wir eine Debatte anstoßen. Wir müssen dafür sorgen, dass sichere und legale Zugänge zu selbstbestimmten Schwangerschaftsabbrüchen und die beste Gesundheitsversorgung ermöglicht werden.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 14.05.2021

„Seit 150 Jahren gibt es den §218 im Strafgesetzbuch, 1871 wurde er in das Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches aufgenommen. Seit 150 Jahren sind Schwangerschaftsabbrüche verboten. Auch wenn Änderungen des Paragraphen Abbrüche zwar erleichtert haben, bleibt ein Schwangerschaftsabbruch – direkt hinter Mord und Totschlag geregelt – eine Straftat. Damit gibt es noch immer eine Austragungspflicht. Echte Wahlmöglichkeit ist aber nur ohne Zwang möglich. Wir wollen Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch streichen und stattdessen ein Recht auf selbstbestimmte Schwangerschaft. Das heißt nicht, dass Schwangerschaftsabbrüche und deren Nachsorge überhaupt nicht mehr gesetzlich geregelt werden sollen. Sie sollen aber als das geregelt werden, was sie sind: ein medizinischer Eingriff, der zur gesundheitlichen Versorgung gehört“, so Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, anlässlich des bundesweiten Aktionstages zu 150 Jahre §218 am 15. Mai. Möhring weiter:

„So lange wie es das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen gibt, gibt es Widerstand dagegen. Weg mit §218 – diese Losung muss endlich umgesetzt werden. Mit der Union in der Regierung wird das nicht möglich sein, die würde das Rad lieber zurückdrehen. Und auch mit der FDP wird es keine Selbstbestimmung geben, denn sie schert sich nicht um soziale Gerechtigkeit. Ohne Gerechtigkeit ist aber echte Selbstbestimmung nicht möglich, denn eine Entscheidung für oder gegen ein Kind muss frei von gesetzlichem Zwang, aber auch ohne materielle Zwänge und frei von Diskriminierung möglich sein. Deshalb fordern wir das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung, das Recht, selbst zu entscheiden, ob ein Mensch ein Kind bekommt oder nicht, sowie das Recht auf ein gutes und sicheres Leben mit Kindern.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 14.05.2021

Am 15. Mai 1871 wurde der §218 ins Strafgesetzbuch aufgenommen. 150 Jahre später ist das Recht auf selbstbestimmte Familienplanung immer noch nicht verwirklicht. Die AWO fordert vor diesem Hintergrund, den Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch zu entfernen und das so genannte „Werbeverbot“ zu kippen. Dazu erklärt Jens M. Schubert, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes:

„Die AWO setzt sich seit ihrer Gründung für die umfassende Emanzipation und Selbstbestimmung von Frauen ein. Dazu gehört ausdrücklich auch das Recht, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, ob, wann und wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens bekommen möchte. Frauen müssen vollständige, umfassende und aus einer Hand verfügbare medizinische Informationen erhalten, um eine für sie sinnvolle Entscheidung zu treffen zu können.“

Ein wichtiger Baustein dafür ist aus Sicht der AWO kostenfreie Verhütung. „Es kann nicht sein, dass Verhütung eine Frage des Geldbeutels ist und einkommensarme Paare sich zwischen den Kosten für Nahrungs- oder Verhütungsmittel entscheiden müssen“, so Schubert. „Weiterhin erreicht die mangelnde Verwirklichung reproduktiver Rechte in Deutschland ihren absurden Höhepunkt im 2019 reformierten §219a StGB, wonach Ärzt*innen zwar darüber informieren dürfen, dass sie Abbrüche durchführen, aber öffentlich nichts zu Methoden oder Kosten sagen dürfen. Das treibt die anhaltende Tabuisierung dieses Bereiches von Frauengesundheit auf die Spitze.“

In den bundesweit vorhandenen Schwangerschaftsberatungsstellen der AWO mehren sich die Fälle von Frauen, die wohnortnah keine Praxis oder Klinik finden, in denen sie einen Abbruch vornehmen lassen können. Die Zahl der Praxen und Kliniken, die Abbrüche durchführen, ist in den letzten Jahren um rund 40% gesunken. Frauen müssen teilweise 150 km weit fahren, um einen Schwangerschaftsabbruch zu erhalten. Zusätzlich schaffen die anhaltenden Anzeigen und Verurteilungen gegen Ärzt*innen wegen des Verstoßes gegen den §219a StGB – dem sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen – auch nach der Reform des Paragraphen 2019 ein Klima der Angst.

Die AWO setzt sich gemeinsam mit ihren bundesweit vorhandenen Schwangerschaftsberatungsstellen für die Verwirklichung der sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen ein. Sie kämpft daher für umfassende sexuelle Bildung und Aufklärung und gute Beratung, eine bundesgesetzliche Regelung für die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für alle Geschlechter, die ersatzlose Streichung des §219a StGB sowie eine gesetzliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 14.05.2021

SCHWERPUNKT IV: Rücktritt von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey

Franziska Giffey hat am 19. Mai in der Sitzung des Bundeskabinetts die Bundeskanzlerin um Entlassung aus ihrem Amt als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gebeten.

In der 142. Sitzung des Bundeskabinetts am 19. Mai hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey im Kreise ihrer Kolleginnen und Kollegen die Bundeskanzlerin um Entlassung aus ihrem Amt als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gebeten. Sie äußert sich dazu wie folgt:

„In den letzten Tagen sind erneut Diskussionen um meine Dissertation aus dem Jahr 2010 aufgekommen. Nachdem die Freie Universität Berlin bereits im Jahr 2019 eine zweite Überprüfung der Arbeit vorgenommen und eine Entscheidung auf Nichtaberkennung des Titels getroffen hat, wurde das Verfahren im Jahr 2020 erneut aufgerollt. Dies geschah über ein Jahr nach dem abschließenden und rechtskräftigen Verwaltungsakt aus dem Jahr 2019.

Ich habe daraufhin erklärt, meinen Titel nicht mehr zu führen, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Das neu eingesetzte Gremium hat seinen Prüfbericht nun abgeschlossen. Die Freie Universität Berlin hat mir bis Anfang Juni Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die ich wahrnehmen werde. Danach soll das noch laufende Verfahren abgeschlossen werden.

Die Mitglieder der Bundesregierung, meine Partei und die Öffentlichkeit haben aber schon jetzt Anspruch auf Klarheit und Verbindlichkeit. Daher habe ich mich entschieden, die Bundeskanzlerin um Entlassung durch den Bundespräsidenten aus meinem Amt als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu bitten.

Ich stehe weiterhin zu meiner Aussage, dass ich meine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben habe – so wie ich es vor zwölf Jahren für richtig gehalten und mit der wissenschaftlichen Begleitung meiner Arbeit durch eine Professur im Fachbereich Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin abgestimmt habe. Ich bedauere, wenn mir dabei Fehler unterlaufen sind. Sollte die Freie Universität in ihrer nunmehr dritten Überprüfung meiner Arbeit zu dem Ergebnis kommen, mir den Titel abzuerkennen, werde ich diese Entscheidung akzeptieren. Bereits heute ziehe ich die Konsequenzen aus dem andauernden und belastenden Verfahren. Damit stehe ich zu meinem Wort.

Ich bin stolz darauf, was ich in über drei Jahren Regierungsarbeit im Bund erreichen konnte. Gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit der Bundeskanzlerin, den Kolleginnen und Kollegen im Kabinett und mit den Bundestagsabgeordneten der Koalitionsfraktionen ist es mir gelungen, alle Aufträge aus dem Koalitionsvertrag in meinem Ressort durch die Kabinettsbeschlussfassung zu bringen.

Ich danke allen, die dabei mitgeholfen haben, für ihre Unterstützung und die gute Zusammenarbeit.“

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 19.05.2021

Bundeskanzlerin Merkel hat Familienministerin Giffey nach deren Bitte um Entlassung für eine „gute und vertrauensvolle“ Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren gedankt. Giffey habe in ihrem Amt “wichtige und bleibende Fortschritte erreicht“.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Donnerstag Franziska Giffey aus dem Amt der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend entlassen und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht zusätzlich zur Familienministerin ernannt. Kanzlerin Merkel hat an der Aushändigung der Entlassungs-und Ernennungsurkunde im Schloss Bellevue teilgenommen.

„Ich nehme die Entscheidung mit großem Respekt – aber ich sage auch – mit ebenso großem Bedauern entgegen“: Mit diesen Worten kommentiert Bundeskanzlerin Angela Merkel den Rücktritt von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey.

Giffey hatte in der Kabinettssitzung am 19. Mai die Bundeskanzlerin um Entlassung aus ihrem Amt gebeten. Hintergrund sind Diskussionen um ihre Dissertation von 2010.

Die Bundeskanzlerin äußerte sich bei einem virtuellen Forschungsgipfel zur Entlassungsbitte der Ministerin. „Ich habe mit Franziska Giffey in den vergangenen Jahren sehr gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet, und dafür danke ich ihr von Herzen“, betonte Merkel.

Giffey habe sich „mit Leidenschaft und mit Geschick für ihre politischen Themen eingesetzt“, so die Kanzlerin. Sie sagte weiter: „Für die Familien, Senioren, Frauen und Kinder in Deutschland hat Franziska Giffey in den Jahren als Ministerin wichtige und bleibende Fortschritte erreicht. Und ich wünsche ihr für die kommende Zeit alles Gute“.

Die Familienministerin äußerte sich im Anschluss an die Kabinettssitzung am Mittwoch: „Ich bin stolz darauf, was ich in über drei Jahren Regierungsarbeit im Bund erreichen konnte. Gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit der Bundeskanzlerin, den Kolleginnen und Kollegen im Kabinett und mit den Bundestagsabgeordneten der Koalitionsfraktionen ist es mir gelungen, alle Aufträge aus dem Koalitionsvertrag in meinem Ressort durch die Kabinettsbeschlussfassung zu bringen.“

Quelle: Pressemitteilung der Bundesregierung vom 19.05.2021

Zum Rücktritt von Bundesfamilienministerin Giffey erklärt die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding:

„Der Rücktritt von Familienministerin Giffey ist angesichts der bevorstehenden Aberkennung ihres Doktortitels und ihrer Ankündigung richtig und notwendig. Bei wissenschaftlichen Arbeiten darf es auch für Bundesminister keine doppelten Standards geben. Die Bundeskanzlerin muss nun schnell für klare Verhältnisse sorgen und die Spitze des Familienministeriums neu besetzen. Angesichts der immensen sozialen und psychischen Folgen der Corona-Pandemie für unsere Kinder muss das Familienministerium handlungsfähig sein.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 19.05.2021

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert, dass nach dem kurzfristigen Rücktritt von Familienministerin Franziska Giffey (SPD) die Leitung des Ministeriums kommissarisch an Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) übertragen wird. Gerade in Corona-Zeiten wäre es besser gewesen, für eine Nachbesetzung mit einer geeigneten Fachpolitikerin zu sorgen und damit Kontinuität in der Regierung sicher zu stellen. „Kinder, Jugendliche, Fachkräfte und Familien brauchen eine starke Stimme in der Regierung“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am Donnerstag in Frankfurt a.M. „Wir hätten es begrüßt, die Aufgabe an jemanden aus der Führungsspitze des Familienministeriums zu übertragen. Durch die Doppelbelastung der Justizministerin besteht die Gefahr, dass bei den wichtigen, jetzt anstehenden Themen wie der Einführung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Betreuung oder der Bewältigung der Pandemiefolgen für junge Menschen und deren Familien ein Vakuum entsteht und wichtige Fürsprache fehlt“, betonte Tepe.

Die GEW sieht in der kommissarischen Besetzung eine Schwächung der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Familien- und Frauenpolitik. Die Zeit der kommissarischen Besetzung könne wegen der Bundestagswahl und sich möglicherweise ziehenden Koalitionsverhandlungen sehr lang werden. Deshalb sei eine Interimslösung nicht zu verantworten, sagte Tepe.

Quelle: Pressemitteilung Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom 20.05.2021

SCHWERPUNKT V: Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung

Der Deutsche Bundestag berät am heutigen Freitag in erster Lesung den Gesetzentwurf zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter. Dazu können Sie den familienpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marcus Weinberg, gerne wie folgt zitieren:

„Mit dem Gesetzentwurf zur Ganztagsförderung für Kinder im Grundschulalter stehen wir zu unserem Wort, das wir im Wahlprogramm und im Koalitionsvertrag gegeben haben: Wir schaffen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Denn was für Kindergartenkinder bereits gilt, muss auch für Grundschulkinder kommen. Eltern, die einen Betreuungsplatz für ihr Grundschulkind am Nachmittag benötigen, sollen einen Platz bekommen und damit entlastet werden. Mit diesem Rechtsanspruch erleichtern wir aber nicht nur Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir unterstützen mit guten und zuverlässigen Betreuungsangeboten gleichzeitig auch die Attraktivität von Wirtschaftsstandorten insbesondere im ländlichen Raum. Hinzu kommt: Der Anspruch auf Ganztagsbetreuung hat eine wichtige bildungs-, integrations- und sozialpolitische Wirkung und schafft mehr Chancengerechtigkeit für Kinder.  

Nun müssen die Bundesländer mitziehen. Der Bund nimmt seine gesamtgesellschaftliche Aufgabe an und investiert 3,5 Milliarden Euro in die Ganztagsförderung von Grundschulkindern und zusätzlich 960 Millionen Euro im Jahr für laufende Betriebskosten. Die Länder sind in der Verantwortung, die notwendigen Mittel an die Kommunen weiterzureichen. Nur so können wir dieses wichtige Vorhaben gemeinsam stemmen.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag vom 21.05.2021

Ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote sorgen für gleiche Startchancen und unterstützen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deshalb wollen wir, dass der angekündigte Rechtsanspruch auf gute Ganztagsbildung zügig umgesetzt wird. Die meisten Eltern wünschen sich ein Ganztagsangebot, doch bislang steht nicht einmal für die Hälfte der Kinder im Grundschulalter ein entsprechendes Angebot zur Verfügung.
Ein rein quantitativer Ganztagsausbau verbessert weder die Bildungs- noch die Chancengerechtigkeit. Entscheidend ist, dass die Angebote auch qualitativ abgesichert werden. Dafür nötig sind hochwertige Angebote, lernfördernde Räumlichkeiten, eine moderne Ausstattung und ein gutes Zusammenspiel aller Lehr- und Fachkräfte. Um das sicherzustellen, fordern wir eine faire Kostenteilung zwischen Bund, Länder und Kommunen und die Definition hoher Qualitätsstandards im SGB VIII. Erforderlich ist außerdem, gemeinsam mit den Ländern, eine Qualifizierungsoffensive, um ausreichend pädagogisches Fachpersonal an Schulen sicherzustellen.
Die bittere Pille des Gesetzesentwurfs: Die Regierung lässt Grundschulkinder noch ein weiteres Jahr warten, bevor die Umsetzung angegangen wird.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 19.05.2021

Der geplante Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter soll stufenweise ab dem 1. August 2026 in Kraft treten. Dies sieht der von den Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der SPD vorgelegte Entwurf eines Ganztagsförderungsgesetzes (19/29764) vor. Der Rechtsanspruch soll mit Beginn des Schuljahres 2026/2027 zunächst für Grundschüler der ersten Klasse gelten und dann jährlich um je eine weitere Klassenstufe ausgeweitet werden. Ab dem 1. August 2029 sollen somit alle Grundschulkinder der Klassenstufen eins bis vier über den Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung haben.

Der Bund stellt den Bundesländern zur Realisierung des Rechtsanspruch Investitionshilfen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Darüber hinaus soll er sich auch den laufenden Betriebskosten beteiligen. Finanziert werden soll dies über eine Änderung der Umsatzsteuerverteilung zugunsten der Länder. So sollen im Jahr 2026 rund 100 Millionen Euro, 2027 rund 340 Millionen Euro, 2028 rund 580 Millionen Euro und 2029 rund 820 Millionen Euro an die Länder fließen. In den Folgejahren rechnet der Bund mit rund 960 Millionen Euro, die an die Länder umverteilt werden sollen. Die Investitionskosten der Länder abzüglich der Bundesmittel beziffert der Bund je nach Betreuungsbedarf auf 1,38 bis 3,18 Milliarden Euro. Ab dem Jahr 2030 sollen sich die Betriebskosten der Länder auf 2,22 bis 3,42 Milliarden belaufen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 687 vom 21.05.2021

Der Bundestag berät am 21. Mai in erster Lesung das Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz), mit dem ab Beginn des Schuljahres 2026/27 für alle Kinder, die eingeschult werden, ein Recht auf Ganztagsbetreuung bestehen soll.

Ab 2029 soll ein Rechtsanspruch für alle Kinder im Grundschulalter gelten.

„Es ist wichtig, dass dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht wird. Mit dem Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung und Betreuung erhalten alle Grundschulkinder und Familien gleichwertige Bildungschancen. Es ist enttäuschend, dass der Rechtsanspruch erst im Sommer 2026 in Kraft treten soll“, sagt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland.

Die Bildungs- und Entwicklungsversäumnisse als Folge der Corona-Pandemie haben mehr als deutlich gemacht, dass Ganztagsangebote gerade für benachteiligte Kinder dringend notwendig sind, um ihre Bildungschancen deutlich zu verbessern.

„2026 ist definitiv zu spät. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Lücke bei der Kinderbetreuung und in der Förderung geschlossen wird. Grundschulkinder brauchen für ihre individuelle Entwicklung ganz besonders das soziale Miteinander und ein förderliches Umfeld. Im vergangenen Jahr waren Ganztagsangebote wochenlang geschlossen oder standen nur begrenzt zur Verfügung.

Bildung und Förderung blieben komplett auf der Strecke“, so Loheide.

Aus Sicht der Diakonie reicht allerdings die Garantie von Plätzen allein nicht aus, damit Kinder von ganztägiger Bildung und Betreuung profitieren. Nur wenn auch die Qualität der Ganztagsangebote stimmt, können tatsächlich Teilhabechancen verbessert und für mehr Bildungsgerechtigkeit gesorgt werden.

„Neben der Garantie auf Ganztagsbetreuung muss vor allem die Förderung ausgebaut und aufgewertet werden. Dazu sind qualifiziertes Personal und Konzepte erforderlich, die auch Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder schaffen und kindgerechte Räumlichkeiten für verschiedene Bedürfnisse vorsehen“, so Loheide.

Weitere Informationen: BAGFW-Stellungnahme

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und  ntwicklung e.V. vom 20.05.2021

SCHWERPUNKT VI: Corona-Krise

„Die Prüfung von Impfstoffen für Kinder dauert so lange, wie sie dauern muss. Die Gründlichkeit der Prüfung ist grundlegend für das Vertrauen von Eltern und Kindern in die Impfstoffe. Gesundheitsminister Spahn sollte das selber wissen, statt willkürliche Zeitvorgaben festzusetzen und verantwortungslos Termine herauszuhauen. Er täte er besser daran, bei der Impfkampagne für Kinder und Jugendliche dieses eine Mal mit einem Plan vorzugehen“, erklärt Jan Korte, 1. Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE, zur Kritik aus der Stiko an Jens Spahn. Korte weiter:

„Kinder und Jugendliche sind in der Pandemie am meisten von schlechter staatlicher Infrastruktur und kurzsichtigem politischen Handeln betroffen. Spahn darf nicht mit der Hoffnung von Kindern und ihren Eltern spielen. Solange die notwendige, gründliche Prüfung andauert, bleibt seine Aufgabe, sich um neue Produktionsstrecken für immer noch knappe Impfstoffe zu kümmern und die Impfkampagne mit den Ländern zu planen. Zudem erledigt sich mit der Impfung für Kinder ab 12 weder die Pandemie an den Grundschulen noch gibt es dort damit guten Unterricht oder genügend Lehrpersonal.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 12.05.2021

Zur Studie der DAK-Gesundheit zur Belastung von Kindern und Jugendlichen erklärt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion Katja Suding:

„Die Ergebnisse der DAK-Studie sind erneut ein erschütternder Beleg, wie sehr die Bundesregierung die Belange von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie vernachlässigt hat. Über Monate fehlender Kontakt zu Freunden und ausgefallener Präsenzunterricht haben dramatische Folgen für die soziale Entwicklung und psychische Gesundheit unserer Kinder. Es ist ein klarer Ausdruck mangelnder Prioritätensetzung der Bundesregierung, dass in einer solch kritischen Lage eine Familienministerin in Teilzeit berufen wurde. Kinder und Jugendliche brauchen angesichts stetig sinkender Fallzahlen jetzt wieder mehr Normalität. Die sofortige und bundesweite Rückkehr zum Präsenzunterricht mit funktionierenden Hygienekonzepten ist dafür unerlässlich.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 21.05.2021

Zur Forderung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin nach schnellen Schulöffnungen erklärt die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding:

„Dieser dringliche Appell der Kinder- und Jugendärzte muss endlich Gehör finden. Schulen und Kitas müssen jetzt flächendeckend und für alle wieder geöffnet werden. Zum wiederholten Male wird vor den dramatischen sozialen und psychischen Folgen der monatelangen Isolation von Kindern aufgrund geschlossener Schulen und Kitas gewarnt. Diese Warnungen muss die Bundesregierung endlich ernst nehmen. Kindern und Eltern hat die Politik versprochen, dass Bildungseinrichtungen als allererstes wieder öffnen, wenn die Fallzahlen sinken. Es ist unbegreiflich, dass Schulen nun weiter im Wechselunterricht bleiben. Luftfilter, kluge Hygienekonzepte und Impfungen für Lehrkräfte ermöglichen einen pandemiefesten Unterricht auch in Präsenz. Es gibt keinen Grund mehr, Kindern ihr Recht auf Bildung nur einen Tag länger zu verwehren.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 18.05.2021

Die Frist für Bewilligungen von Bundesmitteln aus dem 5. Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung 2020-2021“ soll um ein Jahr bis zum 30. Juni 2022 verlängert werden. Dies sieht ein Gesetzentwurf (19/29765) der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und weiterer Gesetze vor. Bislang seien erst 311 Millionen Euro aus dem Investitionsprogramm bewilligt worden; abgerufen worden seien sogar erst 14 Millionen Euro (Stand März 2021), heißt es in der Gesetzesvorlage. Die Bundesländer hätten darauf hingewiesen, dass die für das Investitionsprogramm vorgesehenen Fristen insbesondere wegen der anhaltenden Anforderungen der Corona-Pandemie zu knapp bemessen seien, um die Errichtung von 90.000 zusätzlichen Betreuungsplätzen für Kinder bis zum Schuleintritt zu realisieren. Die aktuellen Fristen würden die notwendigen Zeitabläufe für die Planung und Umsetzung von Baumaßnahmen nicht ausreichend berücksichtigen.

Mit der Gesetzesvorlage soll zudem der generelle Nachrang des Kinderzuschlags für Familien mit kleinen Einkommen gegenüber dem Unterhaltsrecht geregelt werden. So soll sichergestellt werden, dass der Kinderzuschlag den jeweiligen aktuellen unterhaltsrechtlichen Bedarf des Kindes nicht mindert. Ebenso sieht die Gesetzesnovelle eine Verlängerung der Akuthilfen als Sonderregelungen für pflegende Angehörige, um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf während der Corona-Pandemie zu verbessern, bis Ende 2021 vor. Zudem soll mit dem Gesetz der im Rahmen des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ vorgesehene Kinderfreizeitbonus in Höhe von 100 Euro je Kind als Unterstützung für bedürftige Familien und Familien mit kleinen Einkommen umgesetzt werden. Außerdem soll der gesonderte Antrag auf Übernahme der Kosten für Lernförderung bis Ende 2023 entfallen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 688 vom 21.05.2021

Die Schulschließungen in der Corona-Pandemie haben Ängste geweckt, dass gerade lernschwache Kinder oder Kinder von weniger gebildeten Eltern durch das Homeschooling abgehängt werden. Aktuelle Auswertung der SOEP-CoV-Studie zeigen nun, dass die Bildung der Eltern zwar kaum Auswirkung auf die Lernzeiten der SchülerInnen hatte, solange die Schulen geschlossen waren. Aber das änderte sich in der Zeit unmittelbar nach dem ersten Lockdown, als die Schulen teilweise wieder öffneten. Kinder von weniger gebildeten Eltern verbrachten damals zu Hause wesentlich weniger Zeit mit Schulaufgaben als ihre MitschülerInnen. Eine ähnliche Entwicklung ist auch aktuell zu erwarten, wenn an immer mehr Schulen wieder Präsenzunterricht stattfindet. Um die unterschiedlichen Leistungsrückstände der SchülerInnen aufzufangen, plant das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) groß angelegte Förderprogramme. Damit diese erfolgreich sind, muss der Leistungsstand der Kinder und Jugendlichen zeitnah, überall zur gleichen Zeit und konsistent zueinander erfasst werden.

Auch während der Corona-Pandemie ist es erklärtes politisches Ziel, dass alle Kinder den gleichen Zugang zu Bildung haben. Bereits im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 zeigte sich jedoch, dass dies nur bedingt der Fall ist. Damals erhielten Kinder, die auf private Schulen gingen, ihr Lern- und Schulmaterial eher über digitale Kanäle als Kinder, die öffentliche Schulen besuchten.info Die SOEP-CoV-Studieinfo zeigt, dass Kinder auf weiterführenden Schulen, die Lern- und Schulmaterial über digitale Kanäle erhielten, während der Schulschließungen im ersten Lockdown im Schnitt 70 Minuten länger pro Tag zu Hause lernten als andere. Außerdem verbrachten GymnasiastInnen im Schnitt eine knappe halbe Stunde mehr mit Lernen als Kinder auf anderen Schulen. Dieser Unterschied erklärt sich vermutlich aus den höheren Anforderungen der gymnasialen Schulform.

Während der Schulschließungen hatte die Bildung der Eltern keinen Einfluss auf die Lernzeiten der Kinder

Frühere Studien kamen immer wieder zum Ergebnis, dass die Bildung der Eltern einen Einfluss darauf hat, wie viel Zeit Kinder zu Hause mit Schulaufgaben und Lernen verbringen. Während der coronabedingten Schulschließungen im Frühjahr 2020 war das jedoch kaum der Fall, wie die SOEP-CoV-Studie zeigt (Abbildung 1).info Auch die Beschäftigungssituation der Eltern hatte keinen messbaren Einfluss auf die Lernzeiten der Kinder. Ob SchülerInnen vor der Corona-Pandemie eher gut (durchschnittliche Mathematik- und Deutschnote 1 oder 2) oder mittelmäßig bis schlecht (durchschnittliche Mathematik- und Deutschnote 3, 4, 5, oder 6) in der Schule waren, wirkte sich ebenfalls kaum auf die Schularbeits- und Lernzeiten aus. Nur in Bezug auf das Alter wird deutlich, dass ältere Kinder und Jugendliche (15-18 Jahre) etwas weniger Zeit für das Lernen und Schularbeiten zu Hause verwandten als jüngere Kinder (10-14 Jahre), im Schnitt 20 Minuten pro Tag.

Ein ähnliches Bild findet sich in der Zeit des zweiten Lockdowns im Winter 2021.info Auch in dieser Zeit bestanden keine Zusammenhänge zwischen den Lern- und Schularbeitszeiten von Kindern und dem Bildungsgrad ihrer Eltern.info Gleiches gilt für die Erwerbssituation der Eltern und das Notenniveau der Kinder. Wie schon beim ersten Lockdown verbrachten die GymnasiastInnen zu Hause etwas mehr Zeit mit Lernen als andere, im Schnitt arbeiteten sie täglich aber nur 15 Minuten länger. Auch verbrachten wiederum jüngere Kinder (10-14 Jahre) durchschnittlich etwas mehr Zeit zu Hause mit Lernen als ältere Kinder beziehungsweise Jugendliche (15-18 Jahre), im Schnitt ebenfalls 15 Minuten pro Tag.

Während der Schulschließungen im zweiten Lockdown lernten die SchülerInnen täglich länger als im ersten Lockdown

Während des zweiten Lockdowns im Winter 2021 arbeiteten die SchülerInnen durchschnittlich 25 Minuten länger für die Schule als während des ersten Lockdowns. Das lässt sich vermutlich darauf zurückführen, dass ab dem zweiten Lockdown die Schulmaterialien häufiger über digitale Kanäle übermittelt wurden und die SchülerInnen digitale Beschulungsplattformen nutzten. Auch die direkt vorangegangenen Weihnachtsferieninfo dürften eine Rolle gespielt haben. So waren Kinder, Eltern und Lehrkräfte während der zweiten Schulschließungen direkt nach den Ferieninfo nicht nur erholter, sondern die Schulen hatten auch mehr Zeit, um sich auf den Distanzunterricht vorzubereiten.

Nach Ende der Schulschließungen verbrachten Kinder weniger gebildeter Eltern viel weniger Zeit mit Lernen und Schularbeiten als andere

Für die Zeit unmittelbar nach dem ersten Lockdown ergibt sich ein anderes Bild als während der beiden Lockdowns: Kinder auf weiterführenden Schulen mit weniger gebildeten Eltern lernten zu Hause dann wesentlich weniger als andere: Im Schnitt verbrachten sie 50 Minuten weniger Zeit pro Tag mit Lernen und Schularbeiten als Kinder von höher gebildeten Eltern (Abbildung 2). Ob die Kinder in dieser Zeit regulären Unterricht oder Wechselunterricht hatten, spielte dabei keine Rolle.

Der Grund dafür könnte darin liegen, dass die Eltern sich in ihrer Beziehung zu den Schulen unterscheiden. Möglicherweise haben weniger gebildete Eltern die Aufgabe der Beschulung ihrer Kinder zum Zeitpunkt der Schulöffnungen sofort wieder an die Schule überantwortet, was sich auf die Lern- und Schularbeitszeiten der Kinder zu Hause ausgewirkt hat. Dabei können auch Gefühle von Überforderung und Erschöpfung eine Rolle gespielt haben.

Derzeit findet in Deutschland in fast allen Jahrgangsstufen Distanz- und Wechselunterricht statt. Nun stellt sich die Frage, ob auch jetzt die Kinder weniger gebildeter Eltern von zu Hause aus weniger für die Schule arbeiten als andere. Denkbar wäre eher, dass – wenn die aktuelle Situation weiter anhält – auch andere Kinder und ihre Eltern die zusätzliche Belastung nicht mehr erschöpfungsfrei auffangen können und die Kinder zu Hause entsprechend weniger Zeit mit Lernen verbringen.

Das Engagement einzelner Lehrkräfte und Schulen spielt vermutlich eine entscheidende Rolle

Auch unabhängig von der Schulart und vom Bildungshintergrund der Eltern bestehen große Unterschiede in den Zeiten, die Kinder zu Hause mit Lern- und Schulaufgaben verbringen (Abbildung 3). Da hierzu bisher keine Daten vorliegen, bleibt nur zu vermuten, dass hier die Arbeit der einzelnen Lehrkräfte und Schulen und deren Umgang mit der Pandemie eine entscheidende Rolle spielen.

Fazit: Damit Lernrückstände aufgeholt werden, braucht die Regierung eine einheitliche Strategie, die gleichzeitig jede einzelne Schule im Blick behält

Die Ergebnisse machen klar, dass auch nach dem zweiten Lockdown kein Grund zur Entwarnung besteht. Denn es ist zu vermuten, dass die Lernzeiten von Kindern in Familien mit niedrigem Bildungsniveau auch dann wieder ihre Lernzeiten reduzieren. Es sollten also dringend Vorkehrungen für diese Zeit getroffen werden, um Kinder davor zu bewahren, abgehängt zu werden.

Im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bestehen Pläne, große Summen für Förderprogramme für Kinder mit Leistungsrückstand auszuschütten.info Um den Nachhilfe- beziehungsweise Förderbedarf bemessen zu können, sollen Lernstandserhebungen in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und möglicherweise einer ersten Fremdsprache erfolgen. Doch bisher ist weitgehend unklar, wie solche Lernstandserhebungen durchzuführen sind. Ebenfalls nicht geklärt ist, wie die Nachhilfe und Förderung in den einzelnen Bundesländern aussehen wird und welche Institutionen genau sie umsetzen sollen. Das heißt: Bisher fehlt eine ausgereifte und nachhaltige Strategie, die von allen Bundesländern mitgetragen werden muss.

Vor allem müssten die Kompetenzmessungen zeitnah, überall zur gleichen Zeit und konsistent zueinander erfolgen, um valide Ergebnisse daraus ableiten zu können. Ob eine solche gemeinsame und abgestimmte Strategie überhaupt und zudem noch rechtzeitig entwickelt wird, um möglicherweise irreversible Rückstände benachteiligter SchülerInnen eingefangen zu könneninfo, ist in Anbetracht der Erfahrungen mit dem „Digitalpakt Schule“ eher zu bezweifeln. Eine solche Förderung müsste jedoch in jedem Fall auf der Ebene der Einzelschule ansetzen, da hier die stärksten Benachteiligungen der Kinder und Jugendlichen zu entstehen scheinen. Darüber hinaus sollte die Belastung der Lehrkräfte stärker als bisher in den Blick genommen werden und Bestandteil der anvisierten Förderungsstrategie werden.

Abstract

Die Schulschließungen in der Corona-Pandemie haben Ängste geweckt, dass gerade lernschwache Kinder oder Kinder von weniger gebildeten Eltern durch das Homeschooling abgehängt werden. Aktuelle Auswertung der SOEP-CoV-Studie zeigen nun, dass die Bildung der Eltern zwar kaum Auswirkung auf die Lernzeiten der SchülerInnen hatte, solange die Schulen geschlossen waren. Aber das änderte sich in der Zeit unmittelbar nach dem ersten Lockdown, als die Schulen teilweise wieder öffneten. Kinder von weniger gebildeten Eltern verbrachten damals zu Hause wesentlich weniger Zeit mit Schulaufgaben als ihre MitschülerInnen. Eine ähnliche Entwicklung ist auch aktuell zu erwarten, wenn an immer mehr Schulen wieder Präsenzunterricht stattfindet. Um die unterschiedlichen Leistungsrückstände der SchülerInnen aufzufangen, plant das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) groß angelegte Förderprogramme. Damit diese erfolgreich sind, muss der Leistungsstand der Kinder und Jugendlichen zeitnah, überall zur gleichen Zeit und konsistent zueinander erfasst werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 11.05.2021

Die wiederkehrende Schließung von Bildungseinrichtungen bedroht den Schulerfolg und die Entwicklung von jungen Menschen. Zum Internationalen Tag der Familie (15.05.2021) kritisieren der Deutsche Familienverband (DFV) und der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH), dass der schuli­schen und außerschulischen Bildung bei der Pandemiebewältigung insgesamt zu wenig Stellenwert gegeben wird – und fordern zugleich die nachhaltige Stärkung der Schulsozialarbeit.

Durch die Corona-Pandemie ist der Bildungsort Familie ganz besonders in den Vordergrund gerückt. Das Zuhause ist für Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen über Monate zum Lernort Nummer eins geworden. Noch immer ist ein Ende des Homeschoolings nicht in Sicht. Die Herausforderungen für Eltern sind seit Monaten extrem hoch, ihre Leistung enorm. Eltern stemmen den Beruf und sind gleichzeitig Lehrerinnen, Erzieher, Pflegekräfte und anderes mehr. Das zehrt an der Substanz.

„Der langanhaltende Wegfall des Präsenzunterrichts ist eine Zumutung für junge Menschen und Eltern. Familie kann Schule nicht dauerhaft ersetzen. Auf der einen Seite brauchen Kinder und Jugendliche Lehrer sowie das soziale Miteinander mit Gleichaltrigen. Auf der anderen Seite haben Eltern Verpflichtungen in der Arbeit, für die sie Zeit und Ruhe benötigen“, sagt Klaus Zeh, Präsident des DFV.

Mit der Bundesnotbremse entsteht neuer Druck bei den Familien. Innerhalb weniger Tage schließen Schulen oder öffnen wieder, weil sich der Inzidenzwert an der Schwelle von 165 hin- und herbewegt. „Es ist nicht hinnehmbar, dass Familien die Leidtragenden der Bildungsmisere sind und die Entwicklung vieler Kinder und Jugendlicher massiv bedroht ist. Die Impfung des pädagogischen Personals, aus­reichend Tests und Luftfilter in den Klassenzimmern können den Präsenzunterricht weitgehend erhalten“, so Zeh. „Familien brauchen Gewissheit. Das gilt speziell für Eltern und junge Menschen in besonderen Lebenslagen wie zum Beispiel Migration.“

Bildungsangebote garantieren

DFV und DBSH fordern, dass sich Maßnahmen stärker an den unterschiedlichen Lebenswelten und Bedürfnissen von jungen Menschen und ihren Familien orien­tieren. Zusätzlich müssen die dauerhafte Öffnung von Schulen sichergestellt und außerschulische Bildungsangebote berücksichtigt werden. „Kein junger Mensch sollte wegen der Pandemie ins Hintertreffen geraten. Familien mit Schulkindern brauchen direkte Unterstützung. Vor allem Alleinerziehende müssen hier berücksichtigt werden“, sagt Melissa Manzel, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des DBSH.

Laut Bildungsministerin Anja Karliczek haben 20 bis 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler wegen der Corona-Pandemie Wissenslücken. Ein Aufholprogramm mit Mitteln des Bundes soll Abhilfe leisten. „Die Schwierigkeiten von Schulkindern und ihren Eltern bestehen längst. Fördernde Maßnahmen müssen schneller kommen und auf längere Sicht gedacht sein, sonst haben wir nicht nur eine Pandemiekrise, sondern auch noch eine Bildungskrise“, so Manzel.

Um junge Menschen und ihre Familien zu stärken und Schulabbrüche zu vermeiden, muss auch die Schulsozialarbeit nachhaltig gefördert werden. Nach Auffassung von DBSH und DFV zeigt die Pandemie besonders deutlich, wie wichtig der Beitrag von Sozialer Arbeit an Schulen – und damit die Persönlichkeitsförderung junger Menschen sowie die Realisierung von Chancengerechtigkeit – ist.

„Obwohl die positiven Wirkungen der Schulsozialarbeit seit langem bekannt sind, fehlen noch immer klare und auf Dauer angelegte Unterstützungsmaßnahmen. Vielfach ist die Schulsozialarbeit abhängig von kurzfristigen Projektfinanzierungen und Förderprogrammen, die keine dauerhafte und nachhaltige Planung und Arbeit zulassen. Schulsozialarbeit braucht Verlässlichkeit“, sagen Manzel und Zeh.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. und Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. vom 14.05.2021

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Bundesjugendministerin eröffnet den
17. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag

Bundesjugendministerin Franziska Giffey hat heute den 17. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag (DJHT) zusammen mit Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, und Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen, eröffnet.

Unter dem Motto „Wir machen Zukunft – Jetzt!“, findet der DJHT vom 18. bis zum 20. Mai 2021 statt, diesmal rein digital. Mit mehr als 270 Online-Veranstaltungen und einer digitalen Fachmesse mit rund 260 Ausstellerinnen und Ausstellern, ist es der größte Jugendhilfegipfel in Europa. An drei Tagen stehen der Erfahrungsaustausch und Diskussionen zwischen Fachkräften und Trägern der Kinder- und Jugendhilfe sowie Politik und Verwaltung im Mittelpunkt. Durchgeführt wird der Kongress von der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ.

In einer Grundsatzrede stellte Ministerin Giffey ihre Kinder- und Jugendpolitik dar.

Bundesjugendministerin Franziska Giffey: „Alle Kinder sollen gleiche Chancen haben – jederzeit. Mein Motto steht daher seit Anfang an fest: ‚Wir arbeiten dafür, dass es jedes Kind packt‘. Darin liegen für mich Anspruch und Ansporn zugleich. Ich bin stolz darauf, dass ich als Ministerin 100 Prozent aller großen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag durch die Kabinettsbeschlussfassung auf den Weg gebracht habe. Allen voran haben wir es geschafft, das Kinder- und Jugendhilferecht zu modernisieren und den Jugendschutz ins digitale Zeitalter zu führen. Mit dem Gute-KiTa-Gesetz haben wir die Qualität in der Bildung, Erziehung und Betreuung für die Kleinsten gestärkt und auch der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter wurde im Kabinett beschlossen. Zudem haben wir einen Vorschlag für die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz unterbreitet. Es ist wichtig, Kinder und Jugendliche ernst zu nehmen und einzubeziehen, denn ihre Sichtweisen und Meinungen lassen sich durch keine andere Perspektive ersetzen. Es geht immer darum, ihnen ein gesundes und sicheres Aufwachsen zu ermöglichen. Auch in Zeiten von Corona. Seit Beginn der Pandemie haben wir als Bundesregierung Milliarden zur Verfügung gestellt, um Familien in dieser schweren Zeit zu unterstützen. Insbesondere Eltern mit kleinen Einkommen haben wir finanziell geholfen. Jetzt geht es bei unserem Aufholprogramm für Kinder und Jugendliche darum, Perspektiven und Zuversicht für die Zeit nach Corona zu schaffen.“

Zwei Milliarden Euro für das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“

Junge Menschen waren und sind besonders stark von den Maßnahmen zur Virus-Eindämmung und den damit verbundenen Einschränkungen betroffen. Viele von ihnen haben Lernrückstände aufgebaut. Zudem fielen Kontakte und Aktivitäten weg, die junge Menschen für ihre Entwicklung brauchen. Darum investiert die Bundesregierung mit dem Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ zwei Milliarden Euro in den Jahren 2021 und 2022. Kinder und Jugendliche sollen Lernstoff aufholen, sich in Ferien- und Wochenendfreizeiten erholen und bei außerschulischen Angeboten Verpasstes nachholen können. Ebenso vorgesehen sind Mittel für mehr frühkindliche Bildung und für die Begleitung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bei der Rückkehr in den normalen Schulalltag.

Über die Deutschen Kinder und Jugendhilfetage

Alle drei bis vier Jahre veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe seit 1964 die Deutschen Kinder und Jugendhilfetage. Sie richten sich an Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, Träger, Politik und Verwaltung. Die Teilnahme ist kostenlos. Gefördert werden diese vom Bund, dem ausrichtenden Land und der ausrichtenden Stadt.  

Allgemein: www.jugendhilfetag.de

Hier finden Sie den digitalen Messestand des BMFSFJ auf dem 17. DJHT: https://messe.jugendhilfetag.de/s/bmfsfj-5e7b (Freischaltung ab 13:30 Uhr)

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 18.05.2021

Zu den heute vorgestellten Zahlen zur sexuellen Gewalt an Kindern erklären Ekin Deligöz, familienpolitische Sprecherin und Katja Keul, rechtspolitische Sprecherin:

Die aktuellen Zahlen sind ein weiteres Alarmzeichen, dass noch immer viel zu wenig für den Kinderschutz getan wird. Durch die Pandemie wird die Dunkelziffer der Kinder, die unvorstellbares Leid erfahren, noch größer geworden sein. Gerade deshalb müssen die Anstrengungen bei Prävention, Intervention und Hilfen weiter erhöht werden. Auch wenn in den letzten Jahren einiges erreicht wurde, sind der Bund und auch die Bundesländer angehalten, ihre Maßnahmen zu intensivieren und strategisch besser abzustimmen.

Es gibt zahlreiche Ansatzpunkte für Verbesserungen. Die Bundesregierung hat bislang versäumt, die Netzwerkarbeit im Kinderschutz endlich über gesetzliche Kooperationsgebote in diversen Berufsfeldern zu verankern. Diese Arbeit muss zudem ausreichend finanziert werden. Das Nationale Zentrum frühe Hilfen muss dauerhaft auskömmlich finanziert sein. Es braucht systematisch Qualifizierungen in Behörden, einschlägigen Berufsfeldern und Vereinen. Von Jugendämtern bis zu Polizei und Justiz muss eine ehrliche Bestandsaufnahme gemacht werden, welche behördliche Personalausstattung tatsächlich notwendig ist, um Gewalt an Kindern effektiv bekämpfen zu können.

Bei der extremen Zunahme von Delikten im Internet zeigt sich besonders deutlich der Bedarf an qualifizierten Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern und an geeigneter technischer Ausrüstung. Hier fordern wir, dass der Bund die Ländern über eine Verlängerung und Erweiterung des ‚Pakts für den Rechtsstaat‘ unterstützt. Und es fehlt das ebenfalls von uns seit Langem geforderte Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeitende in Fachberatungsstellen. Dies würde die Zugangshürden zu den Angeboten nochmals senken. Schließlich müssen die Durchsuchungsmöglichkeiten zur Nachtzeit verbessert werden – auch hier hinkt die Koalition hinterher.

Auf Landesebene sollten Kinderschutz-Fachberatungsstellen ausgebaut und finanziell abgesichert werden. Zu empfehlen ist zudem die Schaffung von Landes-Beauftragtenstellen analog zum Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs im Bund. Sicherzustellen ist ferner die verbindliche Schaffung von Kinder-und Traumaambulanzen in den Ländern. Die heute vorgeschlagene Einrichtung einer Enquete Kommission kann mit Blick auf künftige strategische Ausrichtung des Kinderschutzes einen wertvollen Beitrag leisten. Ebenso ist intensivere Forschung unabdingbar, gerade vor dem Hintergrund des erheblichen Dunkelfeldes in diesem Tatbereich. Es bleiben aber genügend Ansatzpunkte, die schon jetzt anzugehen sind. Ein deutlicher Beitrag zur Stärkung und zum Schutz von Kindern bestünde nicht zuletzt darin , Kinderrechte endlich mit einer starken Formulierung ins Grundgesetz aufzunehmen.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 26.05.2021

Zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT) am 17. Mai erklären Ulle Schauws und Sven Lehmann, Sprecherin und Sprecher für Queerpolitik:

Dieser Tag mahnt uns, beim Kampf für Akzeptanz und gleiche Rechte nicht nachzulassen. Nichts ist gut, wenn Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen nicht gleichberechtigt und in Sicherheit und Freiheit leben können, weltweit und in Deutschland.

Queere Menschen werden in ihrem Alltag gesellschaftlich noch immer nicht als gleichwertig angesehen, erleben Diskriminierung, Bevormundung und Gewalt. Ihre gesundheitliche und soziale Situation ist besorgniserregend. Das zeigen alle internationalen und nationalen Studien. Diskriminierung macht krank und grenzt sozial aus. Die Corona-Krise hat zudem sichere Orte wie Kneipen, Clubs oder Beratungsstellen verschwinden lassen oder ihre Arbeit zumindest erschwert.

Leider ist die Bundesregierung queerpolitisch ein Totalausfall. Die wenigen Fortschritte, die es in dieser Legislaturperiode gab, wurden entweder durch Petitionen erzwungen oder durch Gerichte angeschoben. Das ist unambitioniert. Das können und müssen wir ändern, am besten noch vor der Sommerpause. Wir fordern die Gleichstellung lesbischer Mütter im Abstammungsrecht, die Überwindung des Transsexuellengesetzes und die Ergänzung des Schutzauftrags in Artikel 3 unserer Verfassung um das Merkmal der „sexuellen Identität“. Vor allem brauchen wir einen bundesweiten Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit und für die Akzeptanz von Vielfalt.

Wir haben in dieser Legislaturperiode zahlreiche Anträge und Gesetzesentwürfe dazu vorgelegt. Viele davon waren Gegenstand der öffentlichen Anhörungen in den Ausschüssen. Am 19. Mai werden wir sie im Bundestag zur Abstimmung bringen.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 16.05.2021

„Die aktuellen Krisen und der parlamentarische und gesellschaftliche Rechtsruck der letzten Jahre verschärfen existierende Ungleichheiten, auch für alle queeren Menschen. In der Pandemie berichten besonders jüngere und ältere queere Menschen von Einsamkeit und Abbruch wichtiger sozialer Kontakte. Queere Infrastrukturen, die über Jahre und Jahrzehnte unter hohem Einsatz aufgebaut wurden, seien es Clubs oder Beratungsangebote, stehen nach erkämpfter Anerkennung jetzt ökonomisch unter Druck. Gleichzeitig nimmt queerfeindliche Gewalt zu. Die Politik muss diese Zusammenhänge mit starken Gegenmaßnahmen beantworten. Es braucht einen Rettungsschirm für die Landschaft queerer Einrichtungen und Bedarfe und Gesetzgebungen, die klar machen: Besonders diskriminierte und verletzliche Menschen stehen bei uns unter besonderem Schutz. Die Erweiterung des Artikels 3 Absatz 3 im Grundgesetz um entsprechende Merkmale wäre da ein wichtiges Signal“, so Doris Achelwilm, queerpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, anlässlich des Internationalen Tages gegen Homo-, Bi- Inter- und Transfeindlichkeit am 17. Mai 2021. Achelwilm weiter:

„Der Tag rückt in den Fokus der Aufmerksamkeit, was zum Alltag vieler queerer Menschen dazugehört: Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, im Gesundheitsbereich oder auch in der eigenen Familie sowie queerfeindliche Gewalt. Erst kürzlich wurden die aktuellen Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität für 2020 veröffentlicht. Bei Straftaten, die sich gegen die sexuelle oder geschlechtliche Orientierung richteten, wurde ein Anstieg von 36 Prozent gegenüber 2019 verzeichnet. Diese Gewalt ist nicht hinnehmbar. Die Bundesregierung muss endlich den Gewaltschutz von queeren Menschen stärken. Es braucht den Ausbau unabhängiger (Anti-)Gewaltberatung und eine systematische Erfassung queerfeindlicher Straftaten in der Polizeistatistik, mehr Mittel für Opferschutz und Gewaltprävention gegen Hasskriminalität.“

Die queeren Errungenschaften der letzten Jahre sind nicht selbstverständlich, sondern wurden hart erkämpft. Nach der ‚Ehe für alle‘ 2017 wurde 2019 der dritte Geschlechtseintrag (‚divers‘) eingeführt, sogenannte ‚Konversionsbehandlungen‘ wurden 2020 an unter 18-Jährigen formal verboten sowie fremdbestimmte Operationen an trans- und intergeschlechtlichen Menschen. Diese Gesetze sind wichtig, aber ihre Wirksamkeit muss in der nächsten Legislatur überprüft werden.

Diese Fortschritte dürfen nicht davon ablenken, dass der Emanzipations- und Gleichstellungsprozess nicht annähernd abgeschlossen ist und die GroKo weiter lang bekannte Dringlichkeiten verschleppt hat: Die Abschaffung des entmündigenden und pathologisierenden ‚Transsexuellengesetzes‘, aber auch die Entschädigung der von Zwangsoperationen betroffenen Menschen muss dringend angegangen werden. Schwule Männer und trans Menschen dürfen bei der Blutspende nicht länger diskriminiert werden und dass Regenbogenfamilien, insbesondere lesbische Mütter und ihre Kinder, noch immer vom Familien- und Abstammungsrecht benachteiligt werden, kann genau genommen keine Woche länger so bleiben. DIE LINKE steht an der Seite queerer Menschen. Es gibt viel zu tun, um ihre Rechte zu stärken. Heute und an jedem Tag!“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 14.05.2021

Was erwarten junge Menschen von der Politik? Wie kann eine Politik aussehen, die auch jungen Menschen gerecht wird? Und wie kann es gelingen, dass junge Menschen auch in Krisen mehr Gehör finden? Diese und andere Fragen diskutierte Bundeskanzlerin Merkel mit jungen Menschen zum Abschluss des Kinder- und Jugendhilfetages.

Kanzlerin Merkel bei der virtuellen Diskussionsrunde zum Abschluss des Kinder- und Jugendhilfetages. Leitfrage des Austauschs: „Was können wir gemeinsam tun, damit junge Menschen gut aufwachsen?“

Drei Tage lang ging es beim 17. Kinder- und Jugendhilfetag um die Perspektiven der jungen Generation und ihrer Familien. Sowohl heute als auch zum Beispiel mit Blick auf die Corona-Folgen. Wie können Politik und Gesellschaft bereits jetzt im Sinne der heutigen Jugend und zukünftiger Generationen tätig werden? Darüber diskutierten Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe.

Zum Abschluss der Veranstaltung diskutierte auch Bundeskanzlerin Merkel in einer Online-Diskussion mit vier jungen Leuten über diese Frage. Merkel sagte, dass die Regierung genau aus diesem Grund eine eigene Jugendstrategie entwickelt habe. Alle Ministerien müssten nun überlegen, wie man besser auf die Ideen und Bedürfnisse der jungen Leute eingehen kann. Das sei nicht länger nur eine Aufgabe des Jugendministeriums. Die Beteiligung von Jugendlichen sei dabei ein wichtiges Vorhaben. „Wir versuchen, möglichst viel von jungen Menschen mit aufzunehmen in unsere Regierungsarbeit“, so Merkel.

Man arbeite beispielsweise darauf hin, die Jugendfreiwilligendienste finanziell so auszugestalten, dass alle die wollen, auch einen Freiwilligendienst machen könnten.

Alle drei bis vier Jahre veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe seit 1964 die Deutschen Kinder und Jugendhilfetage. Sie richten sich an Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, Träger, Politik und Verwaltung. Dieses Jahr fand die Veranstaltung unter dem Motto „Wir machen Zukunft – Jetzt!“ vom 18. bis zum 20. Mai statt, zum ersten mal rein digital. Mit mehr als 270 Online-Veranstaltungen und einer digitalen Fachmesse mit rund 260 Ausstellerinnen und Ausstellern, ist es der größte Jugendhilfegipfel in Europa.

Jugendliche wollen besser gehört werden

Bei den jugendlichen Teilnehmern der Diskussion wurde schnell eine Gemeinsamkeit deutlich: Sie alle wünschen sich mehr Beteiligung. Der 15-jährige Levi aus Essen betonte, Jugendliche wollten über ihre Zukunft mitentscheiden.  Er sprach sich dafür aus, dass das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt werden sollte. 

Die Kanzlerin zeigte sich diesbezüglich „nicht so aufgeschlossen“: Für sie gehörten Volljährigkeit und Wahlalter zusammen, erläuterte Merkel. Ein Argument, was hingegen für ein früheres Wahlalter spreche sei der Altersaufbau der Gesellschaft. Der sei so, „dass die Stimme der Jungen zu wenig gehört wird, weil wir einfach sehr viele Ältere haben“, gab sie zu.

Den Vorschlag, dass die Jugend – zumindest ab und zu – eine Stimme am Tisch des Corona-Kabinetts haben solle, nannte die Bundeskanzlerin hingegen „einen sehr interessanten Gedanken“, den sie einmal mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Kabinett besprechen wolle.

Mehr politische Bildung gewünscht

Ein weiteres Thema, das von den Jugendlichen immer wieder angesprochen wurde, war die politische Bildung. Ana (18) aus Bayern, beklagte, dass politische Bildung im deutschen Schulsystem nicht ausreichend verankert sei. Jugendliche bräuchten aber mehr Informationen, um sich einbringen zu können. Auch Karolina (16) aus Deggendorf betonte, diese Informationen müssten verständlich und leicht zugänglich sein. „Wenn man nicht weiß, wo man sich informieren und wie man sich beteiligen kann, dann wird es schwierig mit der Beteiligung.“

Kanzlerin Merkel betonte, dass sie – wie viele andere Abgeordnete – auch in Schulklassen gehe, um dort über ihre Arbeit zu berichten und Rede und Antwort zu stehen. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung mache sehr viele Angebote. Vielleicht kämen diese nicht ausreichend in den Schulen an.

Die Bundeskanzlerin machte dafür auch unterschiedlicher Kommunikationskanäle verantwortlich: „Die Informationskanäle, die junge Menschen benutzen, und die, die wir in der Politik benutzen, sind in den letzten Jahren noch mehr auseinandergefallen als früher.“ Man erreiche offensichtlich die jungen Leute nicht mehr so wie man sich das wünsche, trotz Angeboten auf Facebook, Instagram und Co. Daher müsse man eine vertiefte Diskussion darüber führen, wie man zueinander käme.

In der Krise ins Hintertreffen geraten

Levi sprach auch die Situation der letzten Monate an. Es dürfe nicht wieder passieren, dass die Jugend an die zweite Stelle gerückt werde. So vieles, was jungen Menschen wichtig sei, sei zurückgefahren worden. Das dürfe sich nicht wiederholen.  Wenn die Politik betone, dass die Jugend wichtig sei, dann müssten auch Taten folgen.

Die Bundeskanzlerin gab zu Bedenken, dass es die letzten Monate viele Einschränkungen gegeben habe, nicht nur für die Jugend. Aber sie betonte, dass nun in der Tat die Aufmerksamkeit der Jugend gehöre. Die Politik müsse jetzt sicherstellen, dass Schulabschlüsse gemacht, Ausbildungsplätze angeboten, Freizeitaktivitäten wieder genutzt werden könnten.

Kanzlerin Merkel nehme vor allen zwei Punkte aus der Diskussion mit: Wie man sicherstellen kann, dass Politik und Jugend besser in Kontakt kämen und die Mahnung, die Perspektiven der jungen Leute nicht aus dem Blick zu verlieren.

Auftaktveranstaltung mit Jugendministerin Giffey

Am Dienstag hatte – die damalige – Bundesjugendministerin Giffey den Kinder- und Jugendhilfetag mit eröffnet. Dabei betonte sie, wie wichtig es sei, „Kinder und Jugendliche ernst zu nehmen und einzubeziehen“.

Auch in Zeiten von Corona gehe es darum, ihnen ein gesundes und sicheres Aufwachsen zu ermöglichen. Daher habe die Bundesregierung gerade ein Aktionsprogramm beschlossen, dessen Ziel es ist, Lernrückstände abzubauen, die frühkindliche Bildung zu stärken sowie Ferienfreizeiten und außerschulische Angebote zu fördern. Es liege in der Verantwortung der Erwachsenen, „der jungen Generation das Selbstbewusstsein zu geben, dass sie eine starke Generation ist“, so Giffey. 

Die Kinder- und Jugendhilfe fördert Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung und hilft jungen Erwachsenen in besonders schwierigen Situationen. Sie berät und unterstützt Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung ihrer Kinder.

Quelle: Pressemitteilung der Bundesregierung vom 21.05.2021

Der Bundesregierung liegen keine Informationen zur Entwicklung des Vermögens von Kindern und Jugendlichen vor. Das schreibt sie in der Antwort (19/29334) auf eine Kleine Anfrage (19/28283) der FDP-Fraktion.

Auf die Frage nach der finanziellen und wirtschaftlichen Situation von Kindern und Jugendlichen verweist die Bundesregierung auf Studien des Deutschen Jugendinstituts, des Instituts für Jugendforschung und auf die „MetallRente Studie ‚Jugend, Vorsorge, Finanzen 2019′“. Außerdem gibt sie eine tabellarische Übersicht über verschiedene Projekte der Bundeszentrale für politische Bildung zur Stärkung der Wirtschafts- und Finanzkompetenz von Kindern und Jugendlichen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 699 vom 26.05.2021

Die FDP-Fraktion hat einen Antrag mit dem Titel „Das Familienrecht an die Lebenswirklichkeiten anpassen“ vorgelegt (19/29741). Danach soll der Bundestag die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf zur Reform des Familienrechts vorzulegen, der unter anderem ein gemeinsames Sorgerecht für unverheiratete Väter vorsieht, mehr Gestaltungsfreiheit der Eltern bei der Sorgeerklärung ermöglicht, das Wechselmodell der Kindesbetreuung als Leitbild implementiert, das Unterhaltsrecht reformiert und ein zeitgemäßes Adoptionsrecht schafft. Der Antrag steht am Donnerstag im Rahmen der Beratung über mehrere FDP-Anträge zur Familienpolitik erstmals auf der Tagesordnung des Bundestages und soll anschließend in den Rechtsausschuss überwiesen werden.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 679 vom 20.05.2021

Die Fraktion Die Linke fordert einen Umgangsmehrbedarf in der Grundsicherung für getrennt lebende Eltern. In einem Antrag (19/29749) verweist sie auf die sozialen und ökonomischen Belastungen, denen Trennungsfamilien ausgesetzt seien. Dies gelte vor allem für Eltern in der Grundsicherung, die sich die Erziehungsverantwortung für die Kinder aufteilen. „In dieser Situation sieht das geltende Recht eine tageweise Aufteilung des Regelbedarfs des Kindes zwischen den Elternteilen vor. Bei vielen Kosten ist die Vorstellung, dass eine genaue Zurechnung auf ein Elternteil möglich ist, jedoch höchst praxisfremd. Bestimmte Ausgaben fallen zudem doppelt an“, erläutern die Abgeordneten.

Sie fordern deshalb von der Bundesregierung einen Gesetzentwurf, um in den Regelungen im SGB II (Zweites Sozialgesetzbuch) das Konstrukt der „temporären Bedarfsgemeinschaft“ aufzulösen. Stattdessen soll übergangsweise bis zur Ermittlung der tatsächlich durchschnittlich entstehenden Mehrkosten dem Elternteil im SGB-II-Leistungsbezug, bei dem sich das Kind vorwiegend, also mehr als die Hälfte des Monats, aufhält, der volle Regelsatz für das Kind zugesprochen werden. Dem anderen Elternteil im Grundsicherungsbezug soll ein pauschaler Umgangsmehrbedarf in Höhe des hälftigen Regelbedarfs zuerkannt werden. Im Falle einer paritätischen oder fast paritätischen Teilung des Umgangs mit dem Kind soll beiden Elternteilen jeweils der hälftige Regelsatz für das Kind und ein pauschaler Umgangsmehrbedarf in Höhe von einem Viertel des Regelsatzes für das Kind zugesprochen werden. Außerdem müsse festgelegt werden, dass bei der Berechnung der Kosten der Unterkunft und Heizung das Kind als Mitglied beider Haushalte zu betrachten ist und die entsprechenden Angemessenheitsgrenzen anzuwenden sind, fordern die Abgeordneten.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 672 vom 19.05.2021

Zeit, Geld und Infrastruktur sind die entscheidenden Stellschrauben für eine erfolgreiche Familienpolitik. Dies war der einhellige Tenor in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag über den Neunten Familienbericht (19/27200).

Sabine Walper, Forschungsdirektorin beim Deutschen Jugendinstitut und Vorsitzende der Sachverständigenkommission des Neunten Familienberichts, führte aus, dass Familienpolitik als Querschnittsaufgabe aller Ressorts in Bund, Ländern und Kommunen verstanden werden müsse. Sie verwies auf die gravierenden Folgen der Corona-Pandemie auf die Familien. Der sich abzeichnenden verstärkten sozialen Spaltung müsse durch den Ausbau der Bildungsinfrastruktur, vor allem von Ganztagsangeboten, begegnet werden. Die Zusammenarbeit von Schulen und Eltern müsse durch ein Bundesprogramm gefördert werden, forderte Walper. Zudem sprach sie sich für eine Ausweitung des Programms „Elternchancen“ auf den Grundschulbereich und für die Etablierung von Elternzentren an allen Schulen und den Ausbau digitaler Angebote aus.

Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, wies darauf hin, dass in vielen Fällen gegen Kinderarmut auch keine „harte Arbeit“ der Eltern helfe. All zu oft seien die Löhne der berufstätigen Eltern zu gering oder allenfalls auf der Höhe des Existenzminimums. Ein Stundenlohn von zehn Euro reiche vielleicht für einen Single zum Leben, bei einem Kind werde aber bereits ein Stundenlohn von mindestens 13 Euro und beim zweiten Kind von mindestens 16 Euro benötigt. Der Kinderschutzbund plädiert für einen Umbau der existierenden monetären Leistungen für Kinder zu einer Kindergrundsicherung. Dazu gehöre die Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums, die Bündelung von Leistungen, eine sozial gerechte Ausgestaltung und die automatische Auszahlung.

Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft verwies darauf, dass die Erwerbstätigkeit beider Elternteile ein wirksamer Schutz vor Verarmung und ökonomischen Risiken darstelle – vor allem angesichts der gestiegenen Scheidungsrate und drohendem Arbeitsplatzverlust des Alleinverdieners. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, sei deshalb ein weiterer Ausbau der Ganztagsbetreuung unverzichtbar, vor allem für Kinder unter drei Jahren und im Grundschulalter. So fehlten noch immer mehr als 340.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren.

Für den konsequenten Ausbau der Kinderbetreuung plädierten übereinstimmend auch Oliver Schmitz von der Beruf und Familie Service GmbH, Insa Schöningh von der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie und Lisa Sommer vom Zukunftsforum Familie. Schmitz sprach sich zudem für eine Flexibilisierung von Arbeitszeiten aus. In Deutschland müsse man weg von der Präsenzkultur zu einer familienorientierten Unternehmenskultur. Er räumte zugleich aber ein, dass diese Flexibilität ein schwer zu regelnder Bereich sei. Es werde Zeit erfordern, damit sich eine Kultur in allen Unternehmen entwickeln könne. Schöningh und Sommer monierten, dass der Familienbericht dem Thema Zeit für Familien zu wenig Raum eingeräumt habe, es fehle an neuen Impulsen. Übereinstimmend plädierten die Sachverständigen für eine Weiterentwicklung von Elternzeit und Elterngeld. Vor allem müsse der Aspekt der Partnerschaftlichkeit bei der Elternzeit stärker berücksichtigt werden.

Regina Offer von der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände bestätigte, dass der Ausbau einer familienfreundlichen Infrastruktur und der Kinderbetreuung weiterhin zu den wichtigsten und größten Herausforderungen für die Kommunen gehöre. Aber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe sich deutlich verbessert. So sei die Erwerbsquote bei Frauen auf 73 Prozent gestiegen. Die Kommunen würden derzeit rund 37 Millionen Euro jährlich für die Kindertagesbetreuung aufbringen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 660 vom 18.05.2021

Der politischen Bildung von Kindern und Jugendlichen muss deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dies war das einhellige Votum in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses über den 16. Kinder- und Jugendbericht (19/24200) am Montag. Die geladenen Sachverständigen mahnten zudem, dass politische Bildung nicht neutral sein könne, sondern sich an der demokratischen Ordnung und ihren Werten orientieren müsse.

Die Sozial- und Erziehungswissenschaftlerin Anja Besand von der TU Dresden – sie gehörte selbst der Sachverständigenkommission des Kinder- und Jugendberichts an – mahnte, in Sachsen können man gut erkennen, wohin es führe, wenn der politischen Bildung ein zu geringer Stellenwert beigemessen werde. So sei an Sachsens Schulen sehr lange politische Bildung erst ab der 9. Klasse in den Schulen verankert gewesen, seit kurzer Zeit sei dies ab der 7. Klasse der Fall. Die Familie sei zwar ein wichtiger Ort der Sozialisation für die politische Bildung, dies könne die institutionelle politische Bildung aber nicht ersetzen. Besand wies zudem darauf hin, dass politische Bildung zwar einerseits „keine Bevormundung“ darstellen dürfe. Anderseits sei sie aber „nicht neutral“, sondern orientiere sich an der demokratischen Ordnung.

In diesem Sinne argumentierte auch der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, der ebenfalls Mitglied der Sachverständigenkommission war. Politische Bildung verstehe sich normativ als aktives Eintreten für demokratische und menschenrechtsbasierte Werte. Im Gegensatz zur Extremismusprävention, die einer „Verhinderungslogik“ folge und die demokratische Ordnung vor demokratiefeindlichen Bestrebungen zu schützen versuche, folge die politische Bildung einer „Ermöglichungslogik“, die dazu ermutige, sich aktiv an der Gestaltung der Demokratie zu beteiligen.

Auch Lisi Maier vom Deutschen Bundesjugendring begrüßte ausdrücklich, dass politische Bildung „nicht neutral“ sein dürfe, sondern mit einem Bekenntnis zu den demokratischen Prinzipien einhergehen müsse. Zugleich warnte sie davor, politische Bildung nur als einen „Brandlöscher“ im Fall von rechtsextremistischen Übergriffen oder bei einem Anwachsen rechtsextremistischer Übergriffe zu begreifen. Politische Bildung sei nicht nur ein gesetzlich verbrieftes Recht, sondern eine Daueraufgabe. Kinder und Jugendliche müssten in die Lage versetzt werden, sich als politische Subjekte zu begreifen und zu handeln. Diese Erkenntnis müsse auf die Ebene der Länder und Kommunen transportiert werden, da diese maßgeblich für die politische Bildung zuständig seien. Um so mehr verwundere es, dass der Bundesrat den Kinder- und Jugendbericht lediglich „kommentarlos zur Kenntnis genommen“ habe, sagte Maier.

Der Bildungswissenschaftler Christian Palentien von der Universität Bremen, er leitete als Vorsitzender die Sachverständigenkommission des Kinder- und Jugendberichts, mahnte, dass der politischen Bildung mehr Gewicht während der gesamten Lebensspanne junger Menschen von der frühen Kindheit bis ins späte Jugendalter verliehen werden müsse. Der Bericht fordere beispielsweise konkret ein Minimum von zwei Stunden Politikunterricht in der Woche für alle Schulformen. Zudem forderte Palentien mehr konkrete Mitbestimmungsmöglichkeiten junger Menschen zum Erlernen demokratischer Spielregeln. Teilhabe dürfe nicht nur simuliert werden.

Dieser Forderung schlossen sich Volker Rohde von der Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen und der Sozialpädagoge Moritz Schwerthelm von der Universität Hamburg an. Aus dem Recht auf politische Bildung müsse ein Recht auf demokratisches Handeln abgeleitet werden, mahnten sie übereinstimmend. Zugleich forderten sie eine ausreichende finanzielle Absicherung der politischen Bildung auf allen Ebenen. Vor allem in der Kinder- und Jugendarbeit in den Kommunen vor Ort müsse die Finanzierung weniger projektbezogen, sondern langfristig und strukturell sichergestellt werden, sagte Rohde. Schwerthelm mahnte, dass soziale Ungleichheit sehr oft auch zu politischer Ungleichheit führe und dass Partizipationsversuche benachteiligter junger Menschen nicht anerkannt würden.

Regina Offer von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüßte die Ergebnisse und Empfehlungen des Kinder- und Jugendberichts ausdrücklich. Dieser gebe eine gute Darstellung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen. Sie mahnte, dass die Sozialarbeit und die politische Bildung stärker im Corona-Aufholprogramm des Bundes für Kinder und Jugendliche berücksichtigt werden müssten.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 656 vom 18.05.2021

Um die Aufnahme expliziter Kinderrechte in das Grundgesetz ging es in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Montag. In der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Heribert Hirte (CDU) geleiteten Sitzung wurde die Zielsetzung des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs (19/28138) überwiegend begrüßt, gleichzeitig machten die Sachverständigen in ihren schriftlichen Stellungnahmen auf eine Reihe ihrer Meinung nach vorhandener Mängel aufmerksam. Neben dem Regierungsentwurf lagen den sieben Experten und einer Expertin Gesetzentwürfe der Fraktionen FDP, Die Linke Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema vor (19/28440, 19/10622, 19/10552).

Florian Becker von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, verwies darauf, dass das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) ausdrücklich festgestellt habe, dass diese als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes herangezogen werden kann. Allerdings werde die völkerrechtskonforme Auslegung der Verfassung und des einfachen Rechts der Bedeutung der Kinderrechte bisweilen nicht gerecht. Einzelne besonders wichtige Aspekte der KRK könne man daher auch in den Rang von Verfassungsrecht heben.

Auch nach Ansicht von Philipp Donath von der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main werden die Kernprinzipien der KRK in Deutschland nicht in allen Rechtsbereichen umgesetzt. Daher sollten die Kinderrechte im Grundgesetz sichtbar gemacht werden, die entsprechende Zielsetzung der Bundesregierung sei daher sinnvoll. Der vorgelegte Gesetzentwurf werde dem allerdings nicht gerecht und sei aus völkerrechtlicher und verfassungsrechtlicher Perspektive teilweise bedenklich. So könnte durch die Aufnahme des ausdrücklichen Kindergrundrechts in das staatliche Wächteramt ein rechtssystematischer Fehler begangen werden.

Gregor Kirchhof vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht der Universität Augsburg verwies auf die Entwurfsbegründung, wonach das „bestehende wohl austarierte Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat“ nicht zu verändern und die „Elternverantwortung nicht zu beschränken“ sei. Der Reformvorschlag diene so dem Kindeswohl. Er sei deshalb der beste Gesetzentwurf zu den Kinderrechten, der bisher in den Bundestag eingebracht worden sei. Er erfülle den heiklen verfassungspolitischen Auftrag, die Kinderrechte des Grundgesetzes „besser sichtbar“ zu machen, ohne dabei das Verhältnis zwischen Kindern, Eltern und Staat zu verändern.

Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, begrüßte, dass die Bundesregierung kurz vor Ende der Legislaturperiode in Umsetzung des Koalitionsvertrags einen Gesetzentwurf zur verfassungsrechtlichen Verankerung von Kinderrechten vorgelegt hat. Auch Krüger kritisierte die gewählte Verortung der Kinderrechte im Regierungsentwurf inmitten des staatlichen Wächteramts und der Elternrechte. Dies sei „misslungen und gefährlich“ und könnte ein argumentativer Anknüpfungspunkt dafür sein, die Kinderrechte in unangemessener und gar nicht beabsichtigter Weise gegen die Eltern zu richten. Insgesamt sei der Regierungsentwurf ungeeignet, die Stellung von Kindern in der Praxis zu verbessern.

Thomas Mayen, Vorsitzender des Verfassungsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, befürwortete ausdrücklich die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz, jedoch nicht in der von der Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vorgesehenen Formulierung. Diese bleibe deutlich hinter den völkerrechtlich und europarechtlich verbürgten Rechten Minderjähriger zurück. Der Entwurf suggeriere zudem durch die Verwendung des Begriffs der elterlichen „Erstverantwortung“ einen Vorrang der Elternrechte nicht nur gegenüber dem staatlichen Wächteramt, sondern auch gegenüber dem Kindeswohl, was hinter der bestehenden Verfassungsrechtslage zurückbliebe.

Sebastian Sedlmayr vom Deutschen Komitee für UNICEF erklärte, der Regierungsentwurf sei in seinen Grundzügen geeignet, die Kinderrechte zu stärken, sollte aber insgesamt prägnanter und kompakter sein. Unverzichtbar sei eine Formulierung zum Kindeswohl beziehungsweise den Interessen des Kindes, welche nicht hinter die Maßgaben und den Geist der KRK zurückfalle. Die Verortung der Kinderrechte in den Grundrechtsartikeln des Grundgesetzes sollte nochmals eingehend geprüft werden. Offensichtlich sei, dass eine Engführung der Kinderrechte auf das Verhältnis zu den Eltern dem kinderrechtlichen Rahmen nicht gerecht wird. Das Wesen der Kinderrechte gehe über das innerfamiliäre Verhältnis hinaus.

Robert Seegmüller, Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin, urteilte in seiner Stellungnahme, der Regierungsentwurf sei darum bemüht, lediglich die bisherige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung betreffend der Kinderrechte sichtbar zu machen. Größere inhaltliche Änderungen strebe er nicht an. Die Vorlagen der Fraktionen seien hier substantieller. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass die gewählten Formulierungen Ausgangspunkt für einen zukünftigen Verfassungswandel sein können, der das Verhältnis von Elternrecht und staatlichem Wächteramt aus seiner derzeitigen Balance bringt.

Friederike Wapler vom Lehrstuhl für Rechtsphilosophie und Öffentliches Recht der Johannes Gutenberg-Universität Mainz vertrat die Meinung, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung in der vorliegenden Fassung nicht verabschiedet werden sollte. Er sei der schlechteste Vorschlag von allen. Er löse die selbst gesetzten Regelungsziele nicht ein, werfe mehr Fragen auf, als er beantworte, und bleibe hinter dem Stand der Diskussion zurück. Er scheine das bewährte verfassungsrechtliche Verhältnis von Eltern, Kindern und Staat zwar vordergründig zu bewahren, gefährde es in der Sache aber stärker als jede der alternativ vorgeschlagenen Formulierungen. Es könne durchaus auch eine Lösung sein, auf eine Verfassungsänderung zu verzichten.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 647 vom 17.05.2021

Die Bundesregierung hat in einer Unterrichtung (19/29640) über die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1111 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (19/28681) informiert. Danach schlägt der Bundesrat eine Änderung vor, die von der Bundesregierung abgelehnt wird. Die vorgeschlagene Änderung sei rein redaktionell und nicht erforderlich, so die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 646 vom 17.05.2021

Die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie hängt stark vom betrieblichen Umfeld ab. Nur wenn Beschäftigte an einem Strang ziehen, können sie bessere Arbeitszeiten durchsetzen.

Wie lassen sich Beruf und Privates so vereinbaren, dass Menschen gut damit leben können? Das hängt oft vom betrieblichen Umfeld ab. Die besten Möglichkeiten haben Beschäftigte in Unternehmen mit Tarifbindung und Betriebsrat. Das ist das Ergebnis einer Studie von Doris Holtmann und Wenzel Matiaske vom Institut für Personal und Arbeit der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg.

In ihrer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie haben die Forscher untersucht, welche arbeitszeitpolitischen Instrumente in verschiedenen Unternehmen zum Einsatz kommen. Basis der Untersuchung waren einerseits eine breit angelegte Befragung von Personalmanagern, andererseits acht Fallstudien in ausgewählten Betrieben. Für die Fallstudien haben die Forscher Groß- und Kleinbetriebe, Betriebe aus Ost- und Westdeutschland sowie aus frauen- und männerdominierten Branchen ausgesucht. So war es möglich, die Arbeitszeitpolitik vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher Rahmenbedingungen zu beleuchten – etwa in einer großen Klinik in Westdeutschland, in der überwiegend Frauen arbeiten, oder bei einem kleinen Automobilzulieferer im Osten, der fast ausschließlich Männer beschäftigt. Voraussetzung war, dass das Personalmanagement zu einer Kooperation bereit war – dadurch kamen nur solche Unternehmen infrage, in denen ein Problembewusstsein für Arbeitszeitfragen vorhanden ist. 

Je nach Branche, Betriebsgröße oder Standort unterscheiden sich die Voraussetzungen: Bei Tätigkeiten in der Produktion oder bei Dienstleistungen, die kontinuierlich erbracht werden müssen, sind Schicht- und Wochenendarbeit der Regelfall. Gleitzeit lässt sich schwer verwirklichen, wenn Aufgaben zu festen Zeitpunkten anfallen, Prozesse nicht unbeaufsichtigt laufen können oder Fließbandarbeit dominiert. Telearbeit ist nur dann möglich, wenn die Arbeiten ortsungebunden erledigt werden können. „Allerdings verbleiben erhebliche Gestaltungsspielräume“, schreiben die Forscher. Selbst im Gesundheitswesen oder der Metallindustrie, wo Tag für Tag in mehreren Schichten gearbeitet wird, fänden sich Möglichkeiten, die Vereinbarkeit zu verbessern. 

Arbeitgeber müssen etwas bieten

In vielen Interviews klingt durch, dass eine bessere Vereinbarkeit auch im Interesse der Arbeitgeber liegt. Wer Fachkräfte gewinnen oder halten will, kommt nicht umhin, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten. So betont der Leiter eines Altenpflegedienstes aus Westdeutschland: „Wir müssen unseren Fachkräften was bieten, damit wir die für uns gewinnen können.“ Schon bei Einstellungsgesprächen sei Teilzeit ein großes Thema: „Ich möchte 20, 50, 75 oder 88 Prozent. Damit kommen alle hierher“, sagt der Einrichtungsleiter. Auch die Geschäftsführung einer bundesweit agierenden Akademie für berufliche Weiterbildung erklärt: „Die größte Herausforderung ist, Personal überhaupt zu finden. Wir brauchen einen hohen Anteil sozialpädagogischen Personals und stehen vor der Herausforderung, dass der Arbeitsmarkt auf diesem Gebiet leergefegt ist.“ Teilweise räumen die Arbeitgeber aber auch Nachholbedarf ein. So erklärt etwa der Personalchef eines Stahlherstellers aus Niedersachsen, dass das Stahlwerk im Hinblick auf die individuellen Interessen noch „unterbelichtet“ sei. „Es ist halt ein klassischer Männerbetrieb, muss man auch ganz ehrlich sagen.“ 

Tarif und Mitbestimmung erleichtern Arbeitszeitgestaltung

Die Fallstudien machen deutlich, dass es Beschäftigte leichter haben, Arbeitszeitwünsche durchzusetzen, wenn sie sich zusammentun. Der Betriebsratsvorsitzende einer Gießerei in Ostdeutschland sagt im Interview, als er im Jahr 2000 angefangen habe, hätten 24 Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb gearbeitet. Jetzt seien es über 200. Als Signal an den Chef habe immer die Streikweste in seinem Büro gehangen. Gleichzeitig hebt der Betriebsrat hervor, dass das Verhältnis zur Geschäftsführung, trotz mancher Konflikte, generell gut sei. In einem Ergänzungstarifvertrag wurde „Flexibilität gegen kürzere Arbeitszeiten“ eingetauscht: „Denn wir haben ja sogar noch Verbesserungsregelungen reingekriegt, wir haben jetzt eine bezahlte Pause und bezahlte Schichtübergabezeiten, sodass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bloß noch 36 Stunden beträgt.“

Ein zentrales Ergebnis der Studie: Letztlich kommt es weniger darauf an, ob es sich um einen Groß- oder Kleinbetrieb, einen Betrieb im Westen oder Osten oder eine von Frauen oder Männern dominierte Branche handelt. Viel entscheidender wirkt sich der Einfluss der betrieblichen Mitbestimmung und von Gewerkschaften aus. Wo Beschäftigte mitbestimmen und Tarifverträge gelten, sind Gleitzeit, Homeoffice, kürzere Wochenarbeitszeit oder besser vergütete Wochenendarbeit weiter verbreitet. „Tarifbindung und aktive Mitbestimmung erleichtern Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung“, halten Holtmann und Matiaske fest. Zudem seien Fluktuation und Fehlzeiten unter den Beschäftigten in diesen Betrieben meist geringer.

Doris Holtmann, Wenzel Matiaske: Betriebliche Arbeitszeitpolitiken, Exploration in ausgewählten Frauen- und Männerbranchen Ost- und Westdeutschlands, Working Papers des Forschungsclusters OPAL der Helmut-Schmidt-Universität Nr. 7, März 2021

Impuls-Beitrag als PDF

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 14.05.2021

Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode hat das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) die letzte Hürde genommen. Zuvor hatte der Familienausschuss des Bundestages sich umfangreiche Änderungen des Regierungsentwurfes (Bundestagsdrucksache 19/26107) verständigt. Das Gesetz tritt in der Fassung in Kraft, die dieser Entwurf durch die Beschlussempfehlung des Ausschusses (Bundestagsdrucksache 19/28870) erlangt hat. Die Dokumente des parlamentarischen Verfahrens sind hier zu finden. Auf einige wenige Aspekte der Reform möchte Roland Rosenow besonders hinweisen: https://t1p.de/6tg0

Quelle: Pressemitteilung Harald Thomé / Referent für Sozialrecht vom 16.05.2021

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Am heutigen Tag der Pflege fordert der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt bessere Arbeitsbedingungen für beruflich Pflegende und mehr Unterstützung für pflegende Angehörige. Nach inzwischen über einem Jahr unter pandemischen Bedingungen sei ihre gesellschaftliche Bedeutung weiter gestiegen, aber nach wie vor nicht ausreichend anerkannt. Dazu erklärt Brigitte Döcker, Mitglied des AWO Bundesvorstandes:

„Wir sind denen, die beruflich oder privat in der Pflege tätig sind, zu großem Dank verpflichtet. Sei es in der ambulanten Pflege, in stationären Einrichtungen oder als Angehörige zu Hause. Das letzte Jahr hat uns mehr als deutlich vor Augen geführt, wie sehr wir als Gesellschaft uns auf sie stützen. Es darf aber nicht bei symbolischem Dank bleiben. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen jetzt verbessert werden, das darf nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden. Zu geringe Personalschlüssel, hohe Arbeitsbelastung und keine flächendeckende tarifliche Bezahlung höhlen das System Pflege aus, weil uns langfristig die Fachkräfte wegbrechen. Um die Gesundheitsversorgung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu sichern, sind spätestens jetzt Lehren aus der Pandemie zu ziehen: die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Pflege müssen deutlich und dauerhaft verbessert werden. Und auch die Situation pflegender Angehörige dürfen wir nicht vergessen: 80% der 4,1 Millionen Pflegebedürftigen werden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt. Viel zu häufig passiert das zusätzlich zu den herkömmlichen Belastungen des Alltags und führt die Pflegenden an den Rand körperlicher und psychischer Überlastung oder darüber hinaus. Sie müssen unterstützt und entlastet werden; z.B. über die  Einführung einer Entgeltersatzleistung analog zum Elterngeld für bis zu 36 Monate sowie die Erhöhung der teilweisen Freistellungsmöglichkeiten.

Die Art und Weise, wie wir Pflege institutionell und privat organisiert haben, ist schlicht nicht nachhaltig. Das System funktioniert nur deshalb, weil Menschen beruflich und privat mit großem Engagement mehr geben, als sie müssten oder langfristig leisten können. Das ist nicht nur ein Armutszeugnis für unseren Umgang mit Pflegebedürftigen und denen, die für sie da sind, sondern führt uns mit Ansage in eine Krise der Pflege, die sich jetzt schon deutlich abzuzeichnen beginnt. Mit Dank und Klatschen ist es bei Weitem nicht getan. Wir brauchen eine grundsätzliche Neujustierung des Systems.“

Zum 201. Mal jährt sich am 12. Juni der Geburtstag von Florence Nightingale, der Begründerin der modernen Pflege. Seit den 1970er Jahren wird dieses Datum als internationaler Tag der Pflege begangen. Gerade im letzten Jahr hat die SARS-CoV-2-Pandemie gezeigt, welchen wesentlichen Beitrag die Pflege für die Gesundheitsversorgung, z. T. unter Gefahr für die eigene Gesundheit und  das eigene Leben, leistet. 

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 12.05.2021

Der Deutsche Familienverband (DFV) und der Familienbund der Katholiken (FDK) betonen die Bedeutung des Klima-Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für die im Generationenvertrag finanzierte Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Die Verbände halten eine Beitragsentlastung von Familien nicht nur aus Gründen der gleichwertigen Bewertung monetärer und generativer Beiträge, sondern insbesondere mit Blick auf die Generationengerechtigkeit für erforderlich.

„Das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts setzt neue Maßstäbe. Belastungen müssen über Generationen hinweg gerecht verteilt sein“, sagt Siegfried Stresing, DFV-Vizepräsident. „Generationengerechtigkeit ist nicht auf den Umweltschutz beschränkt. Diese Entscheidung verlangt eine analoge Antwort für die seit Jahrzehnten bestehende Familienblindheit der Sozialversicherung.“

Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbunds, erläutert: „Eine Sozialversicherung, die durch eine strukturelle Benachteiligung von Familien ökonomische Anreize gegen Kinder setzt und zeitgleich Familien in der Erziehungsphase dringend benötigte Mittel entzieht, führt zur Überlastung der gegenwärtigen und nächsten Generation. Der demografische Wandel verstärkt die Situation. Weniger Kinder müssen in Zukunft höhere Beiträge stemmen. Das führt zwangsläufig zur Einschränkung der persönlichen Freiheit. Gegen eine solche einseitige Belastung der jungen Generation wendet sich das Bundesverfassungsgericht.“

Vor diesem Hintergrund fordern der DFV und der Familienbund eine Beitragsentlastung für Familien durch einen Kinderfreibetrag analog zum Steuerrecht. Derzeit klagen 2.000 Familien mit Unterstützung der beiden Verbände auf Generationengerechtigkeit in der Sozialversicherung. Zwei Verfassungsbeschwerden und eine Richtervorlage liegen beim BVerfG. Auf dem Weg nach Karlsruhe mussten die Kläger mehrere unsägliche Urteile von Sozialgerichten hinnehmen, die dem wegweisenden Pflegeversicherungsurteil des BVerfG widersprachen oder es gar ins Gegenteil verkehrten.

Heutige Versäumnisse in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zerstören die sozialen Ressourcen der Nachwuchsgeneration und damit deren Freiheitsspielräume in exponentiell zunehmendem Maße. Besonders deutlich wird dies an der beharrlichen Weigerung des Bundesgesetzgebers, den Auftrag aus dem Beitragskinderurteil des BVerfG zur Pflegeversicherung (03.04.2001) sachgerecht umzusetzen. In diesem hatten die Karlsruher Richter entschieden, es sei mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren, dass Versicherte mit Kindern einen gleich hohen Beitragssatz wie Mitglieder ohne Kinder leisten müssen.

„Wenn Rechte derzeitiger und künftiger Generationen durch eine unfaire Lastenverteilung in der gesetzlichen Sozialversicherung unzumutbar eingeschränkt werden, muss das Grundgesetz Schranken setzen“, so Hoffmann. „Die Sozialversicherung muss auf die Leistungsfähigkeit von Familien Rücksicht nehmen. Einkommen, das zur Existenzsicherung des Kindes benötigt wird, darf nicht mit Abgaben belastet werden.“

„Familien lassen sich nicht leicht unterkriegen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Familienverbände durch die Instanzen klagen, um dann vor dem Bundesverfassungsgericht weitreichende Familienurteile zu erstreiten“, sagt Stresing und verweist auf die Urteile zum steuerfreien Existenzminimum (29.05.1990) und das Trümmerfrauenurteil (07.07.1992).

Selbst der oberste Sozialrichter, der Präsident des Bundessozialgerichts Rainer Schlegel, sieht in der Entscheidung eine „epochale“ Neuausrichtung des Verfassungsrechts mit weitreichenden Folgen – auch für die Zukunft des Sozialstaats.

Stresing äußert sich zurückhaltender: „Das Wesen des Generationenvertrages bleibt vielen, auch wegen irreführender öffentlicher Darstellungen, verborgen. Realitäten werden geleugnet, Beiträge aus der Vergangenheit werden als Substanz der individuellen Altersversorgung betrachtet. Solange dieser fundamentale Irrtum und die daraus abgeleitete Anspruchshaltung genährt werden, sind keine Veränderungen zu erwarten.“

Hoffmann fügt hinzu: „Die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung muss die wirtschaftliche Realität transparent zum Ausdruck bringen: Die monetären Beiträge dienen der Finanzierung der heutigen Renten, die eigene Altersvorsorge wird ausschließlich durch die Beiträge der nächsten Generation gesichert. Investitionen in Kinder sind eine Investition in die Altersvorsorge von allen.“

Die Bundesregierung verneint in einem Gutachten vor dem Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit von Änderungen im System der gesetzlichen Sozialversicherungen. Eine aktuelle Verbände-Antwort hierauf liegt dem Bundesverfassungsgericht inzwischen vor.

Weitere Informationen:

Webseite mit Verfassungsbeschwerden zur Benachteiligung von Familien in der Sozialversicherung: www.elternklagen.de

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 18.05.2021

Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert nachdrücklich, dass der Bundestag mit der heute beabsichtigen Ablehnung der Anträge zur Absenkung des Wahlalters bei Bundestags- und Europawahlen auf 16 Jahre eine wichtige Chance zum Ausbau der Partizipationsrechte von Jugendlichen vergibt. Das gilt auch für die Ablehnung der Absenkung des Mindestalters für die Unterstützung einer Europäischen Bürgerinitiative. Beides würde nach Ansicht der Kinderrechtsorganisation dem veränderten Altersaufbau der Gesellschaft Rechnung tragen, da es seit einigen Jahren mehr Rentnerinnen und Rentner als Kinder und Jugendliche gibt. Mit dieser veränderten Struktur sind die Möglichkeiten der jungen Bevölkerung gesunken, ihre Interessen wahrzunehmen und durchzusetzen.

„Die Absenkung des Wahlalters bei Bundestags- und Europawahlen ist mehr als überfällig. Kinder und Jugendliche verfolgen gesellschaftliche Prozesse sehr aufmerksam, fühlen sich jedoch zu einem großen Teil von den politischen Parteien nicht vertreten. Dabei sind sie diejenigen, die am längsten von heute getroffenen politischen Entscheidungen betroffen sein werden. Die Absenkung des Wahlalters bei Landtags- und Kommunalwahlen in zahlreichen Bundesländern hat gezeigt, dass unsere Demokratie von der politischen Partizipation von Jugendlichen durch das Wahlrecht profitiert, und eine Koppelung der Wahlaltersgrenze an die Volljährigkeit auch auf der Bundes- und Europaebene der Vergangenheit angehören sollte. Um die Interessen von Kindern und Jugendlichen stärker in politische Entscheidungsprozesse einzubinden, tritt das Deutsche Kinderhilfswerk dafür ein, die Wahlaltersgrenze auf allen Ebenen, also von der Europa- bis zu den Kommunalwahlen, zunächst auf 16 Jahre und in einem zweiten Schritt auf 14 Jahre abzusenken“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Neben einer Absenkung des Wahlalters braucht es nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes eine Stärkung der Beteiligungsstrukturen in Kita, Schule und Jugendhilfe, und zudem den Ausbau kommunalpolitischer Instrumente, etwa durch Kinder- und Jugendparlamente mit verbindlichen Beteiligungskonzepten und Mitwirkungsrechten. So wie Mitwirkungsinitiativen vor allem dort funktionieren, wo es eine Begleitung durch Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe gibt, sollte ein Wahlrecht für Jugendliche zu einer Kultur der Demokratieerziehung führen, durch die die Legitimation unseres demokratischen Systems nachhaltig gestärkt wird.

Zum Thema Wahlalter hat das Deutsche Kinderhilfswerk die Broschüre „Absenkung des Wahlalters – Eine Auseinandersetzung mit Argumenten gegen eine Absenkung der Altersgrenzen bei politischen Wahlen“ veröffentlicht. Die Publikation fasst die gängigen Argumente gegen eine Absenkung des Wahlalters aus den zahlreichen Debatten zusammen und stellt entsprechende Fachbeiträge zur Seite, welche die Gegenargumente entkräften. Dabei wird beispielsweise dem Argument begegnet, dass die Absenkung des Wahlalters negative Folgen für die Demokratie habe und zu einer Stärkung der Parteien an den extremen politischen Rändern führe. Ein weiterer Beitrag tritt der Behauptung entgegen, dass Jugendliche aufgrund von noch nicht voll entwickelten kognitiven Fähigkeiten, die Verantwortung, die mit einer Teilnahme an Wahlen einhergeht, nur unzureichend wahrnehmen könnten. Die Broschüre kann beim Deutschen Kinderhilfswerk im Online-Shop bestellt werden oder steht unter www.dkhw.de/Argumentationshilfe-Wahlalterabsenkung zum kostenlosen Download bereit.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 21.05.2021

Anlässlich der heutigen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags ruft das Aktionsbündnis Kinderrechte Bund und Länder dazu auf, tragfähige Lösungen für die bestehenden Kritikpunkte am aktuellen Regierungsentwurf zur Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz zu finden.

In ihren Stellungnahmen vor dem Rechtsausschuss begrüßten die geladenen Vertreter vom Deutschen Kinderhilfswerk und UNICEF Deutschland die konstruktive Debatte um den endgültigen Verfassungstext. Gleichzeitig appellierten sie an das Gremium, sich für einen Gesetzentwurf auszusprechen, in dem bestehende Unklarheiten und Defizite bereinigt sind.

„Bei der Formulierung der Kinderrechte im Grundgesetz muss es darum gehen, eine nachhaltige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention sicherzustellen. Reine Symbolpolitik bringt uns hier keinen Schritt weiter. Deshalb braucht es einen eigenen Absatz für die Kinderrechte, die unabhängig von den Elternrechten gegen den Staat gelten. Dabei müssen die Kinderrechte auf Förderung, Schutz und Beteiligung sowie der Kindeswohlvorrang Grundlage der Normierung sein. Nur so werden wir es schaffen, kindgerechte Lebensverhältnisse und bessere Entwicklungschancen für alle Kinder zu schaffen, ihre Rechtsposition deutlich zu stärken, und Kinder an den sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen. Denn die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist ein zentraler Wert einer demokratischen Gesellschaft. Mit der Aufnahme der Kinderrechte im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention besteht die große Chance, langfristig eine wichtige Grundlage für ein kinder- und familienfreundlicheres Land zu schaffen. Diese Chance dürfen wir nicht verspielen“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Kinderrechte brauchen ein großes Ausrufezeichen im Grundgesetz, damit Kinder und Jugendliche gehört und ihre Belange ernst genommen werden. Die Covid-19-Krise zeigt uns deutlich, dass sie bisher zu häufig hintangestellt werden. Mit der Aufnahme der Kinderrechte in das deutsche Grundgesetz können Bund und Länder klarstellen, dass die Rechte von Kindern in Deutschland umfassend und verbindlich gelten. Dazu braucht es jedoch eine unmissverständliche und prägnante Formulierung, die nicht hinter die UN-Kinderrechtskonvention und die geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zurückfallen darf. Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung sollte nun rasch überarbeitet werden, um diesen Anforderungen zu entsprechen,“ ergänzt Dr. Sebastian Sedlmayr, Leiter der Abteilung Politik und Advocacy, UNICEF Deutschland.

Hintergrund

Das Aktionsbündnis Kinderrechte (Deutsches Kinderhilfswerk, Deutscher Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland in Kooperation mit der Deutschen Liga für das Kind) setzt sich für die vollständige Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland und die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ein.

Anfang des Jahres hat sich die Bundesregierung nach jahrelangen Diskussionen auf einen Gesetzentwurf zur Aufnahme der Kinderrechte in das deutsche Grundgesetz geeinigt. Das Aktionsbündnis Kinderrechte hat den vorliegenden Regierungsentwurf inhaltlich als unzureichend kritisiert und entscheidende Nachbesserungen gefordert. Der vom Aktionsbündnis Kinderrechte initiierte Appell „Kinderrechte ins Grundgesetz – aber richtig!“ wird von mehr als 100 Organisationen aus der Kinder- und Jugendhilfe, Medizin, Pädagogik und anderen Bereichen unterstützt.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk, Deutscher Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland und Deutsche Liga für das Kind vom 17.05.2021

Rechtsausschuss tagt heute zur Verankerung der Kinderrechte

Heute beschäftigt sich der Rechtsausschuss damit, ob es in dieser Legislaturperiode noch zu einer Grundgesetzänderung und damit zu einem politischen Signal für eine bessere Durchsetzung von Kinderrechten kommt. Dazu werden zahlreiche Sachverständige öffentlich angehört. Für die erforderlichen Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat müssten dazu einige Kompromisse gefunden werden: Neben dem Gesetzesentwurf der Regierung haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und DIE LINKE eigene Gesetzesentwürfe vorgelegt.

In einer Stellungnahme zu den aktuellen Gesetzesvorhaben weist die eaf erneut auf ihren Alternativvorschlag hin, der die umstrittene Klippe der Wiederholung einzelner Kinderrechte aus der UN-Kinderrechtskonvention umschifft und damit geeignet ist, die gegensätzlichen Po­sitionen zu vereinen. „Kinder werden bei unserem Vorschlag unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt. Das verleiht ihren Interessen bei verfassungsrechtlichen Ab­wägungen künftig mehr Gewicht und geht so über den Gesetzesentwurf der Regierung hinaus. Das bedeutet aber nicht, dass es einen generellen Vorrang der Kinderinteressen gäbe, der sich stets durchsetzt“, erläutert Dr. Insa Schöningh, Geschäftsführerin der eaf. „Denn das sieht auch die UN-Kinderrechtskonvention nicht vor.“

Zudem enthält der Vorschlag der eaf ein Staatsziel, das die tatsächliche Durchsetzung aller Kinderrechte aus der UN-Kinderrechtskonvention normiert. „Staatsziele werden vielfach unter­schätzt, weil sie keine direkt einklagbaren Rechte darstellen“, führt Schöningh aus „aber die Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz waren auch deshalb erfolgreich, weil das Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen seine Wirkung entfaltet hat.“

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V. vom 17.05.2021

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 02. Juni 2021

Veranstalter: HAW Hamburg

Der Weiterbildungs-Master „Angewandte Familienwissenschaften“ (M.A.) an der HAW Hamburg wird zum Sommersemester 2022 erneut Studierende aufnehmen. Bis zum 31.08.2021 können Sie sich für einen Studienplatz bewerben. Auch Personen ohne ersten Hochschulabschluss können Zugang zum Studium erhalten. Weitere Informationen zum Studiengang finden Sie auf unserer Internetseite: https://familienwissenschaftenhamburg.wordpress.com/

Am 02.06.2021 um 18.00 Uhr findet eine Informationsveranstaltung über ZOOM statt. Bei Interesse an einer Teilnahme oder anderen Fragen nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf: familienwissenschaften@haw-hamburg.de

Termin: 16. / 17. September 2021

Veranstalter: OUTLAW.die Stiftung in Kooperation mit Hessischem Ministerium für Soziales und Integration, Karl Kübel Stiftung, Institut für Soziale Arbeit und Kinderrechte Institut

Der diesjährige Kinderrechtekongress widmet sich dem Thema:

aufwachsen – gerecht – gestalten

Kinderrechte in Alltag und Politik

Kinder sind einerseits vollwertige Akteure ihres eigenen Lebens vom ersten Tag an, also Träger aller Grundrechte aus unserer Verfassung, wie andererseits in besonderer Weise schutzbedürftig – je jünger, desto mehr.

Daher gibt es die Kinderrechtskonvention als Konkretisierung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte für eine besonders schutzbedürftige Gruppe.

Eine von den Kinderrechten ausgehende Politik muss daher auch beides sein:   

  • Politik mit und von Kindern als vollwertige Akteure ihrer Interessen, mit Formaten und Konzepten, die dieses Versprechen auch real einlösen: Kindern die Formulierung, Vertretung und Durchsetzung ihrer Interessen tatsächlich ermöglichen – in diesem Sinne eine Politik von Kindern.
  • und eine Politik für Kinder, eine Politik also, die in generationaler Verantwortung Erwachsener dafür sorgt, fundamentale Interessen der nachwachsenden Generationen zu vertreten; dieses betrifft „gelingendes Aufwachsen“, aber auch Handeln und Denken im Sinne von Nachhaltigkeit für in Zukunft lebende Kinder und junge Menschen.

Beide Politikperspektiven müssen die Tatsachen sozialer Ungleichheit zur Kenntnis nehmen, unter anderem wie gerade Armut in ihren vielfältigen Ausprägungen für das „Nichtgelingen“ von Aufwachsen ursächlich sein kann.

Der Kongress will online Raum und Rahmen bieten, über Bedeutung und Praxis der Kinderrechte zu debattieren, und er will kritisch danach fragen, was und wie Kinderrechte konkret dazu beitragen, allen Kindern ein gelingendes Aufwachsen zu ermöglichen.

Mit Vorträgen, Fachforen, Workshops und Podiumsdiskussionen bietet der Online-Kongress allen Interessierten die Möglichkeit, aktiv am Kongress teilzunehmen und sich zu beteiligen. Eine Vielzahl an Expert*innen aus Praxis, Wissenschaft, Politik und Forschung unterstützen den Kongress mit Ihren Inputs.

Der Kinderrechte-Kongress findet statt im Rahmen des Hessischen Jahres der Rechte für alle Kinder und Jugendlichen „KinderRechte! ‘20/‘21“ und wird moderiert von Miriam Zeleke, Hessische Landesbeauftragte für Kinder- und Jugendrechte.

Details zu den einzelnen Inhalten und Angeboten finden Sie auf derHomepage www.kinderrechte-kongress.de .

WEITERE INFORMATIONEN

…neue Ausgabe frühe Kindheit erschienen.

Zu dem Thema „Folgen der Corona-Pandemie: neue Belastungen und neue Solidarität“ ist ab sofort die neue Ausgabe der Zeitschrift frühe Kindheit erhältlich: Die Zeitschrift enthält unter anderem folgende Beiträge: Kind sein in Zeiten von Corona, Wie Eltern und Kinder die Situation im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 erlebten (Alexandra Langmeyer, Ursula Winklhofer, Thorsten Naab, Angelika Guglhör-Rudan und Sophia Chabursky, München); Familienleben als Seismograph sozialer Folgen der Pandemie (Sabine Andresen, Frankfurt am Main, Anna Lips, Hildesheim, Tanja Rusack, Hildesheim, Wolfgang Schröer, Hildesheim, Severine Thomas, Hildesheim und Johanna Wilmes, Frankfurt am Main); Kinderbetreuung in Zeiten der Pandemie zwischen Gesundheitsschutz und Förderauftrag (Bärbel Barbarino, Hanna Lena Maly-Motta, Mariana Grgic, Florian Spensberger, Bernhard Kalicki, Susanne Kuger und Thomas Rauschenbach, München); Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen während der ersten und zweiten Welle der COVID-19-Pandemie, Ergebnisse der COPSY-Längsschnittstudie (Anne Kaman, Christiane Otto, Michael Erhart, Teresa Seum und Ulrike Ravens-Sieberer, Hamburg); Kinder unter der Corona-Politik: Opfer von System, Wellen und Peaks. Ein Diskussionsbeitrag (Christoph Schickhardt, Heidelberg); Kinderschutz in Zeiten der Pandemie (Bernd Kasper, Nörten-Hardenberg); Kinder als Akteure in der Randzeitenbetreuung (Dana Harring und Sabina Schutter, Rosenheim); Spielt nicht mit unserer Zukunft! Vorstellungen von Kindern und Jugendlichen über ihre Zugangsrechte in Umweltfragen (Frederike Lindau, Potsdam); Wie den familiären Umgang mit Krisen untersuchen? Forschungspraktische Erfahrungen mit Einzel- und Familieninterviews am Beispiel der Knochenmarktransplantation zwischen Geschwisterkindern (Martina Jürgensen, Madeleine Herzog, Christoph Rehmann-Sutter, Lübeck, und Christina Schües, Lüneburg); Interview mit Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte und Mitglied im Vorstand der Deutschen Liga für das Kind, und Sabine Walper, Forschungsdirektorin des Deutschen Jugendinstituts und Präsidentin der Deutschen Liga für das Kind zum Thema:  COVID-19-Pandemie: die Folgen für die Kinder sowie folgenden Praxisartikel: Kindergarten plus: Den Neubeginn im Herbst im Blick: Lions Clubs für Kita-Kinder (Stella Valentien, Berlin).

Das Heft kann zum Preis von 9,- Euro (zzgl. Versandkosten) bestellt werden unter: www.fruehe-kindheit-online.de oder als E-Magazin unter: https://zeitschrift.liga-kind.de

Zu jung für Politik? Von wegen! Politische Bildung in Kindheit und Jugend ist Thema der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse.

Die Demokratie steht vor großen Herausforderungen: Krisen wie die aktuelle Corona-Pandemie oder der Klimawandel, aber auch Globalisierung, Migration und Digitalisierung verlangen der demokratischen Lebens- und Gesellschaftsform vieles ab. „In diesem Kontext bekommt die politische Bildung, die jahrzehntelang ein Schattendasein führte, neue Relevanz“, betont Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts (DJI), anlässlich der neu erschienenen Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse.

Unter dem Titel „Politische Bildung von Anfang an: Wie Kinder und Jugendliche Demokratie lernen und erfahren können“ analysieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Herausforderungen in der politischen Bildung. Entscheidende Weichen für demokratisches Handeln und kritische Urteilskraft werden demnach in der Familie gestellt. Doch auch weil Kinder und Jugendliche immer mehr Zeit in schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen verbringen, steigt deren Bedeutung in der politischen Bildung. 

Der These des aktuellen 16. Kinder- und Jugendberichts folgend, dass politische Bildung auf ganz unterschiedliche Weise in der gesamten Kindheit und Jugend stattfindet, zeigen die Autorinnen und Autoren des Forschungsmagazins Potenziale auf, die in Kindertageseinrichtungen, Schulen und der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit bislang nicht ausreichend genutzt werden. So spielt die politische Bildung in Kitas und Grundschulen noch immer ein eher untergeordnetes Thema. Nachholbedarf identifizieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber auch in weiterführenden Schulen und der Kinder- und Jugendarbeit.

Durch den geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter sowie den generellen Ausbau der Ganztagsbetreuung in Kitas und Schulen entsteht nicht nur die Chance, sondern auch die Notwendigkeit politische Bildung in den Institutionen stärker zu verankern, lautet ein zentrales Fazit der Autorinnen und Autoren. Zudem fordert der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), Thomas Krüger, im Interview, politische Bildung zur „kritischen politischen Medienbildung“ weiterzuentwickeln, da demokratiegefährdende Inhalte durch soziale Medien früh auf Kinder zukommen. 

Das Forschungsmagazin DJI Impulse berichtet allgemein verständlich über die wissenschaftliche Arbeit am DJI, einem der größten sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute in Deutschland. Regelmäßig informieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über relevante Themen aus den Bereichen Kindheit, Jugend, Familie und Bildung. 

Die aktuelle Ausgabe von DJI Impulse kann kostenlos bestellt und heruntergeladen werden, auch ein Abonnement des Forschungsmagazins ist möglich: www.dji.de/impulse

Mehr Angebote zum aktuellen Impulse-Schwerpunkt: www.dji.de/politischeBildung

Based on panel data from 1997 to 2018, we investigate the socioeconomic preconditions and economic consequences of ‘shared parenting (SP)’ forms in Germany. Referring to the post-separation year, we build SP groups from information on child residence and fathers’ childcare hours during a regular weekday. We explore the short-term gender and SP group associations with economic well-being as well as, for mothers only, its medium-term associations in the five years after separation. Our findings indicate that around separation, intense SP is a superior strategy in terms of equivalized household income. This also holds true for mothers in the medium-term, but their earnings barely improve during that time. Mothers stay highly involved in childcare even in shared parenting settings and/or fail to redirect released childcare time to the labor market. Our data support the notion that even high resources do not shield mothers against remaining trapped in economic dependence post-separation.

SOEPpapers 1131, 37 S., Christina Boll, Simone Schüller 2021 get_appDownload (PDF  1.58 MB)

Das Deutsche Kinderhilfswerk plädiert dafür, kinderrechtliche Aspekte von Digitalisierungsprozessen mehr als bisher aus einer ganzheitlichen Perspektive in den Blick zu nehmen. Dazu hat die Kinderrechtsorganisation heute gemeinsam mit dem Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der TH Köln ein Online-Dossier veröffentlicht, das aufzeigt, wie Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit digitalen Medien gelingt. In diesem Dossier wird nicht nur der Stand der Kinderrechte im digitalen Raum erfasst, sondern werden auch Impulse und Perspektiven für eine Stärkung der Teilhabemöglichkeiten junger Menschen an unserer Gesellschaft gegeben. Das Dossier „Teilhaben! Kinderrechtliche Potenziale der Digitalisierung“ wird schrittweise erweitert und kann unter https://dossier.kinderrechte.de/ gelesen werden.

„Gerade die Corona-Pandemie hat uns an vielen Stellen gezeigt, dass es gleichermaßen Schutz und Teilhabe bedarf, um Kindern in digital geprägten Gesellschaften ein gesundes Aufwachsen mit Medien zu ermöglichen. Mit dem reformierten Jugendschutzgesetz ist jetzt ein moderner Kinder- und Jugendmedienschutz in Kraft getreten. Parallel dazu und gleichberechtigt mit der Förderung von Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen muss es ein Ziel sein, die Chancen, die digitale Medien mit sich bringen, zu nutzen. Wir müssen in diesem Bereich wesentlich ganzheitlicher denken als bisher. Gerade Schulen, Kitas sowie die Kinder- und Jugendarbeit müssen dabei eine ebenso große Rolle spielen wie die Familie, die Peergroup oder das kommunale Wohnumfeld. Hier gilt es nachhaltig bildungs- und sozialpolitische Konsequenzen aus den Erfahrungen der letzten Monate zu ziehen“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Kindheit und Jugend sind aufgrund radikal fortschreitender Digitalisierungsprozesse in unserer Gesellschaft mehr denn je durchdrungen und geprägt von digitalen Medien. In nahezu allen Lebensbereichen und Altersgruppen spielen digitale Medien eine bedeutende Rolle. In diesem Sinne leistet das Dossier einen Beitrag zur Identifizierung von Entwicklungsbedarfen für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in digital geprägten Gesellschaften. Es richtet die Aufmerksamkeit darauf, was ein solches gutes Aufwachsen ausmacht. Vor allem aber betont es, an welchen Stellen die in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegten Rechte von Kindern aktuell begünstigt oder gefährdet sein können“, sagt Prof. Dr. Friederike Siller, Leiterin des Instituts für Medienforschung und Medienpädagogik der TH Köln.

Wie selbstverständlich Kinder bereits an digitalen Welten teilhaben und dafür Medien nutzen, zeigt auch eine explorative Untersuchung, die im Rahmen des Dossiers erstmals veröffentlicht wird. In der Untersuchung sprechen Kinder zwischen 10 und 13 Jahren über ihr Medienhandeln und ihre Online-Erfahrungen mit Blick auf soziale und digitale Teilhabe. So wird auch deutlich, dass viele Angebote, die Kinder nutzen, nicht für sie entwickelt wurden. Kinder geraten dann in Interessenkonflikte zwischen Teilhabewunsch und Schutzbedürfnis.

Die Erstellung des Dossiers erfolgte im Rahmen eines Projekts der Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes. Die Koordinierungsstelle Kinderrechte begleitet die Umsetzung der aktuellen Strategie des Europarates für die Rechte des Kindes (Sofia-Strategie 2016–2021) und wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Während beim Deutschen Kita-Preis 2021 noch alle gespannt auf die Bekanntgabe der Preisträger warten, fällt auch schon der Startschuss für die nächste Runde: Nachdem bereits eine Registrierung möglich war, können sich Kitas und lokale Bündnisse für frühe Bildung ab sofort um den Deutschen Kita-Preis 2022 bewerben. Für eine Bewerbung sind nur drei Schritte notwendig: Interessierte registrieren sich – soweit nicht schon erfolgt – im Online-Portal unter www.deutscher-kita-preis.de/bewerbung, beantworten die Fragen zu ihrer Motivation und senden ihre Bewerbung online ab. Bewerbungsschluss ist der 15. Juli 2021. Wer eine Auszeichnung mit nach Hause nehmen darf, entscheidet sich dann nach einem mehrstufigen Auswahlverfahren im Frühjahr 2022.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie nach dem Registrierungsaufruf auch die Ankündigung des Bewerbungsstarts in ihren Netzwerken und Sozialen Medien verbreiten könnten. Anbei übersenden wir Ihnen ein Toolkit sowie ein Anschreiben zur Vorlage.

Darüber hinaus wollen wir Sie ganz herzlich einladen zur feierlichen

Preisverleihung des Deutschen Kita-Preises 2021

am 9. Juni 2021, ab 18:00 Uhr per Livestream unter:  www.deutscher-kita-preis.de.

Im Rahmen der digitalen Preisverleihung präsentieren wir unsere diesjährigen 20 Finalist:innen. In einer Live-Show wird Barbara Schöneberger durch das spannende Programm voller Überraschungen, prominenter Gäste und natürlich Einblicken in die Arbeit der Finalisten führen. Seien Sie dabei, wenn wir die Preisträger in den beiden Kategorien digital verkünden. Gerne dürfen Sie die Einladung ebenfalls weitergeben.

Die Beobachtungsstelle für gesellschaftspolitische Entwicklungen in Europa hat in einem neu veröffentlichten Arbeitspapier das Thema „Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bei pflegebedürftigen Kindern in Dänemark, Finnland und Schweden untersucht.

Eltern, die Verantwortung für ein Kind mit Pflegebedarf und/oder Behinderungen haben, stehen trotz Fortschritten durch die Einführung vereinbarkeitspolitischer Maßnahmen weiterhin vor großen Herausforderungen. Das Arbeitspapier geht der Frage nach, mit welchen Modellen und Maßnahmen – insbesondere die Flexibilisierung und Freistellung betreffend – Staaten bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf unterstützen.

Aufgrund der vielfältigen Investitionen in eine gute Work-Life-Balance in den nordischen Staaten, werden gute Praxisbeispiele aus Dänemark, Finnland und Schweden vorgestellt.

Weitere neue Veröffentlichungen der Beobachtungsstelle, auf die wir Sie gerne hinweisen möchten:

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre. Alle unsere Veröffentlichungen können Sie auf unserer Webseite hier einsehen.

Eigentlich sind sich fast alle einig. Eine zweiwöchige Vaterschaftsfreistellung nach Geburt des Kindes mit Lohnersatz ist ein wichtiger und vor allem auch geeigneter Schritt, eine frühe Vater-Kind-Bindung und eine stärkere Beteiligung von Vätern an der Sorgearbeit in der Familie zu fördern. Das Bundesforum Männer fordert seit langem eine solche Freistellung als eigenständige familien- und gleichstellungspolitische Leistung und hat anlässlich des Vatertages 2021 ein Positionspapier zum Thema veröffentlicht.

Hier geht’s zum Positionspapier „Aktive Vaterschaft von Anfang an!“

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Kinder brauchen endlich eine Stimme! Zur aktuellen Kinder- und Familienpolitik in der Pandemie

27.05.2021 – Angesichts der Ungerechtigkeiten, die sich in der Corona-Krise immer deutlicher in Bezug auf Kinder und Jugendliche zeigen, fordert das Zukunftsforum Familie (ZFF) dringend eine Neuausrichtung der Pandemiepolitik und kritisiert die fehlende Nachbesetzung der Leitung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Mit dem Sinken der Inzidenzen beginnen die Bundesländer mit der Wiederöffnung zahlreicher gesellschaftlicher Bereiche. Vielfach davon ausgenommen sind die Schulen, in etwa der Hälfte aller Bundesländern gibt es noch keine Rückkehr zum Normalbetrieb. Gleichzeitig zeigen sich die Folgen des Lockdowns für die physische und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen immer deutlicher.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Lockerungen im Bereich der Gastronomie, für den Sommerurlaub oder Kulturveranstaltungen – all das sind wichtige Schritte der Öffnung nach dem Lockdown. Doch angesichts der nach wie vor geltenden Einschränkungen beim Schulunterricht wirkt dies sozial vollkommen unausgeglichen. Es kann nicht sein, dass es in über einem Jahr der Pandemie nicht gelungen ist, Lehrpläne zu entwickeln, die auf Wechselunterricht und digital ausgerichtetes Lernen reagieren, genügend Luftfilter in die Schulen zu bekommen und alternative Formen des Unterrichts zu finden. So verharren gut die Hälfte aller Bundesländer im kleinteiligen Wechselunterricht. In der Folge erleben wir, wie Kinder und Jugendliche zunehmend psychisch belastet sind, Familien an den Rand der Erschöpfung gelangen und insbesondere arme und armutsgefährdete Familien den Anschluss verlieren. Auch viele der niedrigschwelligen familienunterstützenden Angebote wie die Familienbildung, die in den vergangenen Monaten Unterstützung geleistet und Halt gegeben haben, können nach wie vor nicht zum Normalbetrieb zurückkehren.“

Altenkamp fordert daher: „Bei all dem entsetzt zusätzlich, dass die Bundesregierung es nicht für nötig hält, das Kinder- und Familienministerium nach dem Rücktritt von Franziska Giffey eigenständig nachzubesetzen Wir brauchen dringend eine Neubesetzung des Postens, um gerade jetzt Kindern, Jugendlichen und Familien eine starke Stimme zu geben! Eine der ersten Aufgaben der neuen Ministerin bzw. des neuen Ministers muss es sein, in einem Familiengipfel die bestehenden Probleme zu benennen und Lösungen zügig auf den Weg zu bringen. Dazu gehören die Aufrechterhaltung des Regelunterrichts, die Vorbereitung der Impfung von Jugendlichen, ein sozial ausgerichtetes Aufholprogramm – und nicht nur ein auf den Bildungsstand ausgerichtetes Aufholpaket –, die Festlegung guter Bildungsstandards für digital ausgerichtetes Lernen und die psycho-soziale Begleitung der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien bei der Bewältigung und Aufarbeitung der Krise. Sie alle haben unsere Gesellschaft in den vergangenen Monaten zusammengehalten, wir sind es ihnen mehr als schuldig!“

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Corona-Krise: Wir brauchen einen Aufbruch zu mehr Geschlechtergerechtigkeit!

26.05.2021 Anlässlich des Frauengesundheitstages am 28. Mai fordert das Bündnis „Sorgearbeit fair teilen“ die Politik auf, sich für eine gerechtere Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern über den ganzen Lebensverlauf hinweg einzusetzen.

Das Zukunftsforum Familie (ZFF) ist einer von 13 Mitgliedsverbänden des im Sommer 2020 gegründeten zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Sorgearbeit fair teilen“. Dieses engagiert sich für die geschlechtergerechte Verteilung unbezahlter Sorgearbeit und hat es sich zum Ziel gesetzt, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft für das Thema und die Auswirkungen des so genannten Gender Care Gap zu sensibilisieren.

Die Presseerklärung des Bündnisses finden Sie hier.

Weitere Informationen zum Bündnis „Sorgearbeit fair teilen“ unter: www.sorgearbeit-fair-teilen.de