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Pressemitteilung Thema: Kinderarmut

Wichtiger Schritt für Teilhabechancen aller Kinder: ASMK fasst den Beschluss für die Einführung einer Kindergrundsicherung

26.11.2020 – Die Konferenz der Arbeits- und Sozialminister*innen der Bundesländer (ASMK) hat auf ihrer Sitzung am 26. November 2020 einen politischen Beschluss für eine Reform der monetären Leistungen für Familien gefasst. Damit appellieren die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales an die Bundesregierung, gemeinsam mit den Ländern konkrete Umsetzungsschritte zur Einführung einer Kindergrundsicherung einzuleiten. Die AWO und das ZFF begrüßen diesen weitreichenden und mutigen Beschluss.

Nach zwei Jahren intensiver Diskussion und zahlreicher Gutachten liegt der Beschluss der ASMK vor: Eine Kindergrundsicherung, die sich an dem konkreten Bedarf von Kindern und Jugendlichen und der Einkommenssituation der Eltern orientiert, kann kindliche Entwicklungschancen deutlich verbessern und ist darüber hinaus realisierbar.

Jens M. Schubert, Bundesgeschäftsführer des AWO-Bundesverbandes, erklärt dazu: „Der Beschluss der Arbeits- und Sozialminister*innen für eine Kindergrundsicherung ist ein wichtiger Schritt, um endlich Teilhabechancen für alle Kinder und Jugendlichen sicherzustellen. Jetzt müssen konkrete Umsetzungsschritte folgen. Die Bundesregierung darf nicht weiterhin nur an kleinen Stellschrauben drehen. Die Ausweitung des Kinderzuschlags und des Bildungs- und Teilhabepaktes (BuT) waren richtig, sie können das Armutsrisiko für Kinder aber nicht nachhaltig senken. Ebenso bleiben die neuen Regelsätze für Kinder hinter den Erwartungen der Expert*innen zurück. Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen. Sie dürfen nicht weiter auf Transferleistungen angewiesen sein, sondern brauchen einen eigenen Rechtsanspruch auf Absicherung in Form einer Kindergrundsicherung.“

Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforum-Familie e.V, ergänzt „Mit einer Kindergrundsicherung müssen wir alle Kinder erreichen. Derzeit gibt es viele verschiedene Vorschläge, die sich unter dem Namen Kindergrundsicherung tummeln. Diese halten aus unserer Sicht aber nicht immer, was sie versprechen. Daher gelten für uns unverzichtbare Kriterien: Eine Kindergrundsicherung muss das Existenzminimum für alle Kinder sichern, sozial gerecht ausgestaltet sein und unbürokratisch und direkt ausbezahlt werden. Und wir müssen schnell handeln: Die Corona-Krise hat die Missstände der letzten Jahre deutlich gezeigt: Arme Kinder und Jugendliche werden immer weiter von ihren Altersgenoss*innen abgehängt. Wir müssen diesen Teufelskreislauf dringend durchbrechen. Hierfür brauchen wir neben einer monetären Absicherung in Form einer Kindergrundsicherung eine gut ausgebaute und qualitativ hochwertige Betreuungsinfrastruktur und existenzsichernde Arbeit für die Eltern.“

Der Vorschlag, für den das Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG seit mehr als 10 Jahren eintritt, sieht eine Kindergrundsicherung in Höhe des jeweils aktuellen Existenzminimums vor – derzeit 637 Euro pro Kind und Monat – die mit steigendem Haushaltseinkommen sozial gerecht abgeschmolzen wird.

Diese Kriterien sind für das Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG unverzichtbar:

  • Existenzminimum für alle Kinder sichern – das Nebeneinander unterschiedlich hoher kindlicher Existenzminima im Sozialrecht oder Steuerrecht muss beendet werden. Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein. Die neue Leistung sollte an ein realistisch berechnetes kindliches Existenzminimum gekoppelt sein, das neben dem sächlichen Bedarf auch Bildung und Teilhabe umfasst. Im Gegenzug schlägt das Bündnis vor, dass Kinderfreibeträge, Kindergeld, Sozialgeld und weitere pauschal bemessene Transfers in der neuen Leistung aufgehen.
  • Sozial gerecht ausgestalten – die am stärksten von Armut betroffenen Gruppen müssen deutlich besser gestellt werden, etwa Alleinerziehende oder Familien mit mehreren Kindern. Die Kinder- und Familienförderung muss daher vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Starke Schultern können mehr tragen als Schwache, daher sinkt die Kindergrundsicherung mit steigendem Einkommen langsam ab. Wichtig ist dabei: Alle Familien profitieren, allerdings steigt der Förderbetrag für Kinder am unteren Einkommensrand deutlich an.
  • Unbürokratisch und direkt auszahlen – die Kindergrundsicherung muss einfach, unbürokratisch und automatisch ausgezahlt werden, damit sie auch tatsächlich ankommt. Schnittstellen zwischen Leistungen müssen gut aufeinander abgestimmt sein. Nicht-Inanspruchnahmen wie aktuell beim Kinderzuschlag von ca. 60-70 Prozent sind nicht hinnehmbar. Damit verbaut man Kindern die Chance auf einen guten Start ins Leben. Das Existenzminimum muss für jedes Kind gesichert sein.

Weitere Informationen: www.kinderarmut-hat-folge.de

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ZFF-Info

ZFF-Info 13/2020

SCHWERPUNKT I: Paritätischer Armutsbericht

Laut aktuellem Paritätischen Armutsbericht hat die Armutsquote in Deutschland mit 15,9 Prozent (rechnerisch 13,2 Millionen Menschen) einen neuen traurigen Rekord und den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung erreicht. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnt in der Studie, dass alles darauf hindeute, dass die Auswirkungen der Corona-Krise Armut und soziale Ungleichheit noch einmal spürbar verschärfen werden. Der Verband wirft der Bundesregierung eine „armutspolitische Verweigerungshaltung“ vor und fordert unter der Überschrift „Gegen Armut hilft Geld” eine sofortige Anhebung der finanziellen Unterstützungsleistungen für arme Menschen sowie armutsfeste Reformen der Sozialversicherungen.

„Die vorliegenden Daten zur regionalen Verteilung, zur Entwicklung und zur Struktur der Armut zeigen Deutschland als ein in wachsender Ungleichheit tief zerrissenes Land. Immer mehr Menschen leben ausgegrenzt und in Armut, weil es ihnen an Einkommen fehlt, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und an unserer Gesellschaft gleichberechtigt und in Würde teilzuhaben. Volkswirtschaftliche Erfolge kommen seit Jahren nicht bei den Armen an und in den aktuellen Krisen-Rettungspaketen werden die Armen weitestgehend ignoriert. Was wir seitens der Bundesregierung erleben, ist nicht mehr nur armutspolitische Ignoranz, sondern bereits bewusste Verweigerung”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Die Befunde des diesjährigen Armutsberichts sind alarmierend: Bei allen ohnehin seit Jahren besonders armutsbetroffenen Gruppen (wie bspw. Alleinerziehenden, Arbeitslosen und kinderreichen Familien) hat die Armut von 2018 auf 2019 noch einmal zugenommen. Betrachtet man die Zusammensetzung der Gruppe erwachsener Armer ist der ganz überwiegende Teil erwerbstätig (33,0 Prozent) oder in Rente (29,6 Prozent). Regional betrachtet wuchs die Armut 2019 im Vergleich zum Vorjahr praktisch flächendeckend. Positive Entwicklungen, die zuletzt in den ostdeutschen Bundesländern zu beobachten waren, sind gestoppt.

Armutsgeografisch zerfällt Deutschland dabei in zwei Teile: Im gut gestellten Süden haben Bayern und Baden-Württemberg eine gemeinsame Armutsquote von 12,1 Prozent. Der Rest der Republik, vom Osten über den Norden bis in den Westen, kommt zusammen auf eine Quote von 17,4 Prozent. Außerhalb von Bayern und Baden-Württemberg lebt durchschnittlich mehr als jede*r Sechste unterhalb der Armutsgrenze. Das problematischste Bundesland bleibt mit Blick auf Armutsdichte und Dynamik Nordrhein-Westfalen: Seit 2006 ist die Armutsquote in dem bevölkerungsreichen Bundesland zweieinhalbmal so schnell gewachsen wie die gesamtdeutsche Quote. Armutstreiber in NRW ist das Ruhrgebiet mit einer Armutsquote von 21,4 Prozent. Das größte Ballungsgebiet Deutschlands muss damit zweifellos als Problemregion Nummer 1 gelten.

Der Verband warnt vor einer drastischen Verschärfung der Armut in 2020 angesichts der aktuellen Corona-Pandemie. Besonders betroffen seien geringfügig Beschäftigte sowie junge Menschen, die corona-bedingt schon jetzt von wachsender Arbeitslosigkeit betroffen sind. „Corona hat jahrelang verharmloste und verdrängte Probleme, von der Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte bis hin zur Bildungssegregation armer Kinder, ans Licht gezerrt. Eine zunehmende Zahl von Erwerbslosen stößt auf ein soziales Sicherungssystem, das bereits vor Corona nicht vor Armut schützte und dessen Schwächen nun noch deutlicher zutage treten“, so Ulrich Schneider.

Der Paritätische fordert die Umverteilung vorhandener Finanzmittel zur Beseitigung von Armut. „Deutschland hätte es in der Hand, seine Einkommensarmut abzuschaffen und parallel für eine gute soziale Infrastruktur zu sorgen. Es klingt banal und wird bei vielen nicht gern gehört: Aber gegen Einkommensarmut, Existenzängste und mangelnde Teilhabe hilft Geld“, so Schneider. Konkret seien eine bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze in Hartz IV und der Altersgrundsicherung (nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle auf mindestens 644 Euro), die Einführung einer Kindergrundsicherung sowie Reformen von Arbeitslosen- und Rentenversicherung nötig.

Den Bericht und eine detaillierte Suchfunktion zu Armutsquoten nach Postleitzahlen finden Sie unter: www.der-paritaetische.de/schwerpunkte/armutsbericht/

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 20.11.2020

Anlässlich des heute erschienenen Armutsberichts des Paritätischen Wohlfahrtsverbands erklären Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sprecher für Arbeitsmarktpolitik, und Sven Lehmann, Sprecher für Sozialpolitik:

Es ist ein sozialpolitisches Trauerspiel, dass sich die Armutsquote seit Jahren auf hohem Niveau verfestigt und im Jahr 2019 sogar auf den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung gestiegen ist. Schon jetzt wird sichtbar, dass die Corona-Pandemie vor allem Einkommensschwache trifft und die Armutsentwicklung weiter befeuern wird, wenn die Bundesregierung nicht schnell gegengesteuert.

Der Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands macht deutlich: Zur Umkehr dieses Trends muss die steigende Einkommensarmut bekämpft werden. Erwerbstätige, Alleinerziehende und Menschen in der Grundsicherung sind besonders gefährdet. Wir fordern daher schon lange die Einführung einer Kindergrundsicherung und einer Garantierente. Eine verlässliche Existenzsicherung ist dringend geboten. Wir wollen Hartz IV überwinden und durch eine sanktionsfreie Garantiesicherung ersetzen, die Teilhabe sicherstellt. Es braucht aber auch Sofortmaßnahmen wie die rasche Einführung eines Corona-Zuschusses in der Grundsicherung und eine bessere Absicherung von Solo-Selbständigen und Kulturschaffenden. So können soziale Härten der Pandemie zeitnah abgefedert werden.

Die Bundesregierung muss ihre Verweigerungshaltung endlich aufgeben. Armutsbekämpfung muss zur politischen Priorität werden.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 20.11.2020

„Nicht nur die soziale Schieflage der aktuellen Corona-Politik sondern auch die verfehlte Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre spiegeln sich im Armutsbericht", kommentiert Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, den Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Ferschl weiter:

„Wenn wir über Armut reden, dürfen wir über Reichtum nicht schweigen. Was den einen durch Sozialabbau und Deregulierung genommen wurde, das eignen sich andere an. Niedriglöhne und prekäre Beschäftigungs- und Lebensbedingungen für Millionen – Milliardengewinne und Vermögenszuwächse für wenige. Während hunderte Milliarden Euro Unterstützung für die Wirtschaft aufgebracht werden, erhalten Harz IV-Empfänger lediglich 14 Euro mehr im Monat. Damit muss Schluss sein.

DIE LINKE setzt sich für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit ein. Arbeit muss vor Armut schützen und sie muss sicher sein. Regulierung des Arbeitsmarktes statt Deregulierung sowie eine Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen wären notwendige Maßnahmen, um hunderttausende Beschäftigte vor den Auswirkungen der Pandemie zu schützen. Für Notlagen braucht es ausfinanzierte soziale Sicherungssysteme. Und neben einer einmaligen Vermögensabgabe brauchen wir generell eine Vermögenssteuer."

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag vom 20.11.2020

Mit Blick auf den Armutsbericht des paritätischen Wohlfahrtsverbands sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, am Freitag in Berlin:

„Die höchste Armutsquote seit der Wiedervereinigung ist nicht nur schlimm für die Betroffenen, sondern auch ein alarmierendes Signal an uns alle. Besonders bedrückend: die größte Gruppe der insgesamt 13,2 Millionen Armen sind Erwerbstätige. Im Klartext: Jeder dritte dieser Menschen ist arm trotz Arbeit und die ganz überwiegende Mehrheit davon hat eine mittlere oder gute Qualifikation. Armut trotz Erwerbsarbeit ist und bleibt ein besonderer Skandal in Deutschland im 21. Jahrhundert.

Die ungleiche Verteilung von Einkommen wird durch die Corona-Krise noch verschärft. Denn krisenbedingte Einkommensverluste sind keineswegs über alle Bevölkerungsgruppen gleich verteilt. Existenzbedrohende Einbußen erleiden Geringverdienende, Minijobberinnen und -jobber, sowie Beschäftigte in Gastronomie und in der Leiharbeit – also diejenigen, die auch vor der Krise schon nicht auf der Sonnenseite lebten.

Parteien müssen jetzt endlich klar Stellung beziehen, was sie gegen Armut und soziale Ungleichheit unternehmen wollen. Die Bundestagswahl im nächsten Jahr muss zum Wettbewerb dafür werden, wie Menschen in unteren Einkommensgruppen in Richtung Mitte aufholen können. Vorschläge der Gewerkschaften dazu liegen auf dem Tisch: Der Mindestlohn muss dringend außerhalb des üblichen Anpassungsverfahrens auf 12 Euro erhöht werden. Außerdem brauchen Kinder eine Grundsicherung, damit genau die Familien, deren Not am größten ist, auch am meisten Unterstützung erhalten. Eine solche Kindergrundsicherung stellt außerdem sicher, dass kein Mensch dauerhaft in Armut leben muss, nur weil er sich trotz niedrigem Einkommen für Kinder entscheidet.

Geringverdienende brauchen Aufstiegsperspektiven und der Niedriglohnsumpf muss dauerhaft ausgetrocknet werden.

Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich Menschen, die trotz Arbeit arm sind und ihre Lage aus eigener Kraft nicht verbessern können, frustriert und ohne Hoffnung abwenden. Das verstellt nicht nur demokratische Teilhabe sondern gefährdet gesellschaftlichen Frieden.“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand vom 20.11.2020

SCHWERPUNKT II: Corona-Krise

Corona verstärkt Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Das resümiert die Hans-Böckler-Stiftung bei der heutigen Vorstellung ihres Verteilungsberichts. Besonders prekär Beschäftigte müssen harte Einkommenseinbußen verkraften. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert deshalb noch größere Anstrengungen im Kampf für sozialen Zusammenhalt.

„Der Bericht der Hans-Böckler-Stiftung ist alarmierend. Zum einen erlebt gerade fast die Hälfte der Beschäftigten mit einem Nettoeinkommen unter 900 Euro erhebliche Einkommensverluste. Zum anderen zementiert die Krise Vermögensungleichheit – Reiche werden auch während Corona reicher.

Deshalb bringt die SPD-Bundestagsfraktion eine sozial gerechte Krisenpolitik voran. Wir haben den Familienbonus auf den Weg gebracht und den Zugang zur Grundsicherung vereinfacht, das Kurzarbeitergeld deutlich erhöht und verlängert. Und unterstützen Unternehmen in besonders betroffenen Branchen wie Kultur und Restaurants.

Die SPD-Bundestagsfraktion findet aber auch: Das ist längst nicht genug. Es müssen endlich faire Arbeitsbedingungen und ein Verbot für Leiharbeit und Werkverträgen in der Fleischindustrie umgesetzt werden. Außerdem braucht es unbedingt mehr Tarifverträge in der Pflege und anderen Branchen – und wo geboten allgemeinverbindliche Tarifverträge. Nur so kann die Krise ohne tiefe gesellschaftliche Verwerfungen gemeistert werden.“

Quelle: Pressemitteilung SPD – Bundestagsfraktion vom 19.11.2020

Der Abstand zwischen hohen und niedrigen Einkommen in Deutschland wird durch die Corona-Pandemie weiter wachsen. Denn Erwerbspersonen mit schon vorher niedrigen Einkommen sind im bisherigen Verlauf der Corona-Krise fast doppelt so häufig von Einbußen betroffen wie Menschen mit hohen Einkommen – und sie haben zudem relativ am stärksten an Einkommen verloren. Damit verschärft sich ein Trend, der auch die wirtschaftlich starken 2010er-Jahre gekennzeichnet hat: Die 20 Prozent der Haushalte mit den geringsten Einkünften blieben von einer insgesamt recht positiven Einkommensentwicklung weitgehend abgekoppelt. So lagen im finanziell „untersten“ Zehntel der deutschen Haushalte die mittleren Nettoeinkommen real im Jahr 2017, dem aktuellsten, für das derzeit Daten vorliegen, noch um knapp drei Prozentpunkte unter dem Niveau von 2010. Im 2. Dezil gab es nur einen geringfügigen Zuwachs um inflationsbereinigt knapp drei Prozentpunkte. Dagegen legten die mittleren realen Nettoeinkommen der Haushalte im „obersten“ Zehntel der Einkommensverteilung im gleichen Zeitraum um knapp acht Prozentpunkte zu. Auch die mittlere Einkommensgruppe (5. Dezil) konnte während des langen wirtschaftlichen Aufschwungs spürbare Zuwächse verzeichnen – um insgesamt gut sieben Prozentpunkte zwischen 2010 und 2017. Diese, unter anderem durch steigende Tariflöhne ermöglichte, vergleichsweise solide Entwicklung bei den mittleren Einkommen führte dazu, dass die mit dem Gini-Koeffizienten gemessene gesamtgesellschaftliche Einkommensungleichheit in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre leicht zurückgegangen ist – obwohl sich die oberen und unteren Ränder auseinanderentwickelten.

In der Corona-Krise dürfte nach den bislang vorliegenden Daten aber auch zumindest ein Teil der mittleren Einkommen zurückfallen und dadurch die Ungleichheit auf allen Ebenen wieder wachsen – wenn nicht Schutzmechanismen schnell weiter gestärkt werden. Dazu zählen unter anderem ein höheres Kurzarbeitergeld und eine längere Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I über 2020 hinaus bis zum Ende der Krise. Das ergibt der neue Verteilungsbericht, den das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung heute vorlegt.*

„Deutschland ist bislang besser durch die Krise gekommen als viele andere Länder. Trotzdem gilt auch bei uns: Menschen, die zuvor schon wenig hatten, sind besonders oft und besonders hart von wirtschaftlichen Verlusten betroffen. Denn sie arbeiten oft an den Rändern des Arbeitsmarktes. Dort werden sie nur unzureichend durch Schutzmechanismen in den Sozialversicherungen oder durch Tarifverträge erfasst, die viele Beschäftigte im mittleren Einkommensbereich bisher recht effektiv vor drastischen Einkommenseinbußen bewahrt haben“, fasst Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI, wesentliche Ergebnisse der Studie zusammen. „Ob wir es schaffen, die Pandemie ohne tiefe gesellschaftliche Risse zu überstehen, wird daher wesentlich von zwei Faktoren abhängen“, so Kohlrausch: „Erstens müssen soziale Sicherung und Kollektivverträge gestärkt werden. Die Krise zeigt, dass sie Aktivposten unserer sozialen Marktwirtschaft sind. Zweitens müssen Haushalte mit geringeren Einkommen besser als bisher gegen noch größere Einbußen geschützt werden.“ Gelinge das nicht, könnte das auch die Identifikation erheblicher Teile der Bevölkerung mit der Demokratie in Deutschland schädigen, warnt die Soziologin. „Wir sehen in unserer Forschung deutlich: Menschen, die durch Einkommensverluste belastet sind, beurteilen die politische und soziale Situation im Land deutlich kritischer. Und sie zeigen sich im Durchschnitt sogar empfänglicher für Verschwörungsmythen zur Pandemie“, erklärt Ko-Autor Dr. Andreas Hövermann.

Daten aus zwei großen Panel-Befragungen

In der neuen Studie analysieren Kohlrausch, Hövermann und die Verteilungsexpertin Dr. Aline Zucco die Einkommensentwicklung anhand der aktuellsten vorliegenden Daten. Für das Jahr 2020 arbeitet das Forschungsteam mit der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung. Dafür wurden mehr als 6300 Erwerbstätige und Arbeitssuchende im April und ein zweites Mal im Juni befragt. Die Online-Umfrage bildet die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab. Die Entwicklung der Einkommensverteilung in den 2010er Jahren untersuchen die ForscherInnen anhand des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Diese repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung in rund 16.000 Haushalten liefert detaillierte Einkommensdaten für weite Teile der Bevölkerung. Allerdings sind sehr hohe Einkommen tendenziell untererfasst und die Datenreihe reicht aktuell lediglich bis 2017. Das SOEP weist das sogenannte Nettoäquivalenzeinkommen von Haushalten aus, so dass Haushalte unterschiedlicher Größe vergleichbar sind. Der Vergleichbarkeit halber wurde für den Verteilungsbericht auch bei der Erwerbspersonenbefragung das Netto-Haushaltseinkommen ausgewertet.

In ihrer Analyse arbeiten die Forscherinnen und der Forscher mit den in der Wissenschaft gebräuchlichsten statistischen Verteilungsmaßen. Der Gini-Koeffizient etwa kann Werte zwischen Null (alle Haushalte in Deutschland haben das gleiche Einkommen) und eins (das gesamte Einkommen im Land fließt an nur einen Haushalt) annehmen. Er ist besonders sensibel dafür, wie sich mittlere Einkommen im Vergleich zu hohen und niedrigen entwickeln. Zudem haben Kohlrausch, Zucco und Hövermann ausgewertet, wie sich die Einkommen unterschiedlicher Haushalte entwickeln, wenn man sie, je nach Einkommenshöhe, in zehn gleich große Gruppen (Dezile) aufteilt.

Entwicklung in den 2010er Jahren: Haushalte mit niedrigen Einkommen fallen zurück, mittlere Gruppe kann mithalten

Im Vergleich der Industrieländer liegt die Ungleichheit der Einkommen in Deutschland auf einem mittleren Niveau, doch sind sie aktuell deutlich ungleicher verteilt als noch in den 1990er Jahren. Das liegt vor allem an einem kräftigen Anstieg der Ungleichheit rund um die Jahrtausendwende als sich lediglich höhere Einkommen stark entwickelten, während mittlere und insbesondere niedrigere zurückblieben. Der Gini-Koeffizient stieg zwischen 1999 und 2005 von knapp 0,25 auf 0,289 – eine für diesen kurzen Zeitraum auch im internationalen Vergleich starke Zunahme. Darauf folgte eine kurze Phase, in der die Ungleichheit der Einkommen auf dem erhöhten Niveau stagnierte und dann etwas zurückging. In den 2010er Jahren kletterte der Gini-Wert zunächst auf einen neuen Höchstwert: 2013 erreichte er 0,294, das ist die größte seit Einführung des SOEP gemessene Einkommensungleichheit in Deutschland. Im derzeit aktuellsten Jahr 2017 betrug der Gini erneut 0,289. „Das ist immer noch deutlich höher als zu Beginn des Jahrzehnts“, betont Verteilungsforscherin Zucco (siehe Abbildung 1 der Studie, auch in der pdf-Version dieser PM; Links unten).

Dass die Ungleichheit gegenüber dem Höchststand 2013 bis 2017 leicht gesunken ist, lässt sich nach der WSI-Analyse wesentlich auf die solide Entwicklung der mittleren Einkommen zurückführen. Das macht der Dezilvergleich deutlich: Die realen Einkommen in der Mitte der Verteilung (5. Dezil) blieben im Gesamtzeitraum 2010 bis 2017 prozentual kaum hinter dem „obersten“ (10.) Dezil zurück, weil sie sich in der zweiten Hälfte recht kräftig entwickelten. Dagegen nahmen die Einkommen in der „zweituntersten“ Gruppe (Dezil 2) kaum zu, die Einkommen im ersten Dezil blieben sogar unter dem Niveau von 2010 (siehe Abbildung 3 der Studie und in der pdf-Version dieser PM; genaue Werte im 1. Absatz).

Parallel lag 2017 der Anteil der Haushalte in Deutschland, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte zur Verfügung haben und deshalb nach gängiger wissenschaftlicher Definition als einkommensarm gelten, mit 16 Prozent um zwei Prozentpunkte höher als 2010. Überproportional von Armut betroffen waren 2017 unter anderem Alleinerziehende, Arbeitslose, Menschen mit Migrationshintergrund und Ostdeutsche. Dagegen hatten etwa Personen mit Hochschulabschluss, Selbständige, Beamte und Angestellte ein deutlich unterdurchschnittliches Armutsrisiko.

Haushalte mit niedrigen Einkommen leiden in der Corona-Krise besonders stark, auch einige mittlere fallen zurück

Im bisherigen Verlauf der Corona-Krise hat sich der Rückstand der niedrigen Einkommen nach den Daten der Erwerbspersonenbefragung noch verschärft. Und diesmal fallen auch Haushalte im „unteren“ Bereich der mittleren Einkommensgruppen gegenüber jenen mit hohen Einkommen zurück. Der Trend zeigt sich in gleich zwei Dimensionen: Je niedriger ihr Einkommen schon vor der Krise war, desto häufiger haben Befragte im Zuge der Pandemie an Einkommen eingebüßt. Zudem steigt mit abnehmender Einkommenshöhe der Anteil, um den sich das Einkommen reduziert hat: Wer weniger hatte, hat also relativ auch noch besonders viel verloren.

Konkret haben im Durchschnitt aller Befragten bis Juni knapp 32 Prozent Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. In den beiden Gruppen mit niedrigen Haushaltseinkommen unter 1500 Euro netto monatlich lag der Anteil aber deutlich über 40 Prozent (rund 49 bzw. 41 Prozent; siehe Abbildung 5). In der „untersten“ der mittleren Einkommensgruppen, die zuvor 1500 bis 2000 Euro netto hatte, waren knapp 37 Prozent betroffen. In den Gruppen zwischen 2000 und 4500 Euro monatlichem Haushaltsnetto lag der Anteil mit Verlusten bei gut 31 Prozent. Von den Befragten mit hohen Haushaltsnettoeinkommen über 4500 Euro berichteten dagegen lediglich rund 26 Prozent über Einbußen. Schaut man auf das Beschäftigungs- und Sozialprofil der Befragten mit Verlusten, waren neben Selbständigen vor allem prekär Beschäftigte wie Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen und Minijobber und Minijobberinnen besonders oft betroffen. Stärker verbreitet waren Einkommensverluste auch bei Menschen mit Migrationshintergrund und mit Kindern.

Auch bei der Höhe der Ausfälle zeigt sich der Zusammenhang mit dem Einkommen. Das wird besonders deutlich, wenn man lediglich die Befragten vergleicht, die von Einkommensverlusten berichtet haben. Von diesen Befragten hatten in Haushalten mit mehr als 2600 Euro Monatsnetto rund 30 Prozent Einbußen von mehr als einem Viertel ihres Einkommens. Dagegen büßten in der Gruppe mit maximal 2000 Euro Haushaltsnetto im Fall von Verlusten immerhin knapp 50 Prozent mindestens ein Viertel ein. Noch größere Verluste kamen vor allem bei Niedrigeinkommen unter 900 Euro vor: Dort erlitten knapp 20 Prozent sogar Einbußen von mehr als der Hälfte ihres Einkommens (Abbildung 6).

Als wichtige Gründe für spürbare Einkommenseinbußen identifiziert das WSI neben dem Verlust von Umsätzen bei Selbständigen oder dem Verlust des Arbeitsplatzes, der bislang vor allem prekär Beschäftigte betraf, Kurzarbeit. Diese sichert in der Krise zwar zahlreiche Jobs, kann für betroffene Beschäftigte aber empfindliche Einbußen bedeuten. Wie Vorläuferstudien des WSI zeigen, sind Beschäftigte mit Niedrigeinkommen davon besonders häufig betroffen. „Gleichzeitig zeigt der detaillierte Blick auf die Daten, dass auch in dieser extrem schweren Krise sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Normalarbeitsverhältnis in Kombination mit Tarifbindung und betrieblicher Mitbestimmung Einkommensverluste verhindern oder zumindest begrenzen kann“, sagt WSI-Direktorin Kohlrausch. Das unterstrichen weitere Daten aus der Erwerbspersonenbefragung: So erhielten im Fall von Kurzarbeit im Durchschnitt 58 Prozent der Beschäftigten, die nach einem Tarifvertrag bezahlt wurden, eine Aufstockung. In Unternehmen ohne Tarifbindung waren es hingegen lediglich 34 Prozent. Ähnlich groß fiel der Vorsprung in Betrieben mit Betriebs- oder Personalrat aus. „Menschen mit Niedrigeinkommen arbeiten seltener in tarifgebundenen, mitbestimmten Betrieben, sie haben also eine geringere Chance auf Aufstockungen. Und nur mit dem gesetzlichen Kurzarbeitergeld landen Niedrigverdienerinnen und Niedrigverdiener schnell unterhalb des Existenzminimums“, erklärt Zucco.

Maßnahmen gegen wachsende Ungleichheit: Höheres Kurzarbeitergeld, länger ALG I, Reform Erbschaftssteuer

Dass die soziale Ungleichheit deutlich steigt, ist aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch deshalb wahrscheinlich, weil sich die Vermögen, die auch in Deutschland noch weitaus ungleicher verteilt sind als die Einkommen, bislang als sehr resistent gegen die Krise erwiesen haben. Das zeigte kürzlich etwa der Global Wealth Report der Allianz. Um einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich gegenzusteuern, empfehlen Kohlrausch, Zucco und Hövermann einen Mix aus kurz- und längerfristigen Maßnahmen. Dazu zählen kurzfristig:

– Anhebung des Kurzarbeitergeldes, insbesondere für Beschäftigte mit Niedrigeinkommen.

– Für den gesamten Zeitraum der Krise eine Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I.

– Dauerhafte Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes auf ein „armutsfestes“ Niveau.

– Mehr Qualifizierungsmöglichkeiten während der Kurzarbeit. Das Qualifizierungschancengesetz setzt dafür zwar schon einige Anreize, diese sollten aber noch gestärkt werden.

Längerfristig:

– Anhebung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns auf 60 Prozent des mittleren Lohns von Vollzeitbeschäftigten.

– Stärkung der Tarifbindung, unter anderem durch eine gesetzliche Tariftreueklausel als Voraussetzung für öffentliche Aufträge.

– Bessere Anerkennung der Ausbildungsabschlüsse von Migranten und Migrantinnen und mehr Qualifizierung.

– Rückkehr zu einer progressiven Besteuerung von Kapitalerträgen und stärkere Besteuerung sehr hoher Erbschaften, um eine weitere Konzentration von Vermögen zu begrenzen.

Verteilungsbericht 2020 – Die Einkommensungleichheit wird durch die Corona-Krise noch weiter verstärkt. WSI Report Nr. 62, November 2020

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 19.11.2020

Verschärft die Covid-19-Pandemie die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern oder nivelliert sie diese sogar? Eine aktuelle IAB-Befragung zeigt: Frauen schultern auch während der Pandemie den größeren Teil der Kinderbetreuung und der Hausarbeit. Allerdings ist der Anteil der Männer, die sich stärker an der Kinderbetreuung beteiligen, in dieser Zeit deutlich gestiegen.

Die Covid-19-Pandemie hat die zentrale Bedeutung von „Sorgearbeit“ bei der Bewältigung von Krisen ins Blickfeld gerückt. Darunter fallen beispielsweise die Betreuung von Kindern, die Pflege von Angehörigen und Haushaltstätigkeiten aller Art. Die weitgehende Schließung von Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen im Frühjahr dieses Jahres verlagerte mehr Sorgearbeit in den Haushalt. Erwerbstätige Eltern, die keinen Anspruch auf Notbetreuung hatten, mussten die Betreuung selbst organisieren.

Sorge- und Erwerbsarbeit gleichzeitig zu bewältigen, bedeutete für viele Familien eine große Herausforderung. So ist die Belastung bei drei Viertel der erwerbstätigen Eltern gestiegen, wie ein aktueller Beitrag von Nicola Fuchs-Schündeln und Gesine Stephan im IAB-Forum zeigt.

Die Bedeutung der Sorgearbeit und ihre Verteilung zwischen den Geschlechtern ist der zentrale Gegenstand der sogenannten Care-Forschung. Dort besteht Einigkeit über die folgenden Sachverhalte: Unbezahlte Sorgearbeit wird überwiegend von Frauen übernommen. Dafür arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit und zahlen dadurch weniger in die Altersvorsorge ein. Zudem gehören viele Berufe der bezahlten Sorgearbeit, in denen mehrheitlich Frauen tätig sind, zu den schlechter bezahlten, beispielsweise Sozial- und Pflegeberufe oder Berufe im Reinigungsgewerbe.

Die Folgen der Corona-Krise für die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern werden in der Wissenschaft kontrovers diskutiert

Während der Covid-19-Pandemie mussten im Frühjahr dieses Jahres viele Paare mit Kindern neu bewerten und entscheiden, wie sie Kinderbetreuung und Haushalt untereinander aufteilen. Im wissenschaftlichen Diskurs entwickelte sich in der Folge eine heftige Kontroverse. So befürchtet etwa die Soziologin Jutta Allmendinger „eine Retraditionalisierung der Geschlechterordnung, die uns drei Jahrzehnte zurückwirft“, erklärte sie Anfang Mai in der Talkshow „Anne Will“.

Frauen übernehmen nach dieser Lesart in der Krise mehr als ohnehin schon unbezahlte Sorgearbeiten – mit allen damit verbundenen Abhängigkeitsverhältnissen und negativen Folgen für Jobsicherheit, Karriere und Altersvorsorge. Zu Beginn der Pandemie wurde noch verstärkt die Frage aufgeworfen, ob die Krise denn auch als Gleichmacher wirken könnte, wie es Stanford-Historiker Scheidel in Anbetracht historischer Forschungen zu Krisen und Gleichheit rekonstruiert hatte.

Die ersten Forschungsarbeiten hierzu zeigen widersprüchliche Ergebnisse. So kommt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung auf Basis einer Online-Befragung zu dem Schluss, dass zumindest teilweise von einer Retraditionalisierung der Geschlechterverhältnisse auszugehen ist. Im Kontrast dazu stehen die Befunde einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Das IAB ist anhand der Online-Befragung „Leben und Erwerbstätigkeit in Zeiten von Corona“ in der Lage, die These von der Retraditionalisierung einer fundierten empirischen Überprüfung zu unterziehen. Denn diese Befragung erlaubt es, Veränderungen der Erwerbsarbeit und der Sorgearbeit während der Covid-19-Pandemie abzubilden und dabei genauer zwischen unterschiedlichen Dimensionen von Sorgearbeit zu differenzieren. Die Fragen zur Kinderbetreuung und zur Aufteilung von Arbeiten im Haushalt beziehen sich auf den Erhebungszeitraum im Juni 2020. Im Laufe dieses Monats wurden Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen in vielen Bundesländern wieder schrittweise geöffnet. Es war aber noch keine Vollzeitbetreuung wie zu Zeiten vor der Pandemie gewährleistet.

Die Entwicklung von Arbeitszeit und Kinderbetreuung sprechen gegen die Retraditionalisierungsthese

Frauen arbeiteten nach eigener Auskunft vor der Pandemie durchschnittlich 32,6 Stunden pro Woche, Männer gaben 39,7 Stunden an. Während der Pandemie sank die durchschnittliche Erwerbsarbeitszeit bei beiden Geschlechtern: Frauen gaben für den Juni 2020 durchschnittlich 30,9 Wochenarbeitsstunden an, Männer 36,3. Männer reduzierten ihre Wochenarbeitszeit damit absolut und prozentual sogar stärker als Frauen (8,5 % versus 5,2 %). Bezogen auf die berufliche Arbeitszeit kann folglich nicht von einer Retraditionalisierung die Rede sein, auch wenn die Arbeitszeiten der Männer nach wie vor länger sind.

Bei der Kinderbetreuung sprechen die Ergebnisse ebenso gegen eine Retraditionalisierung. Männer und Frauen, die in Paarhaushalten mit Kindern unter 15 Jahren leben, wurden gefragt, wie sie sich die Kinderbetreuung mit dem Partner oder der Partnerin vor und während der Covid-19-Pandemie aufgeteilt haben. Dabei wurde deutlich: Die Hauptlast der Sorgearbeit wird nach wie vor von Frauen getragen. Nach eigenen Angaben übernahmen zwei Drittel der Frauen vor der Pandemie überwiegend oder fast vollständig die Kinderbetreuung. Nur in etwa 5 Prozent der Fälle war es ihr Partner. 29 Prozent der weiblichen Befragten gaben an, dass die Aufteilung aus ihrer Sicht zu etwa gleichen Teilen erfolgte. Männer konstatierten in 61 Prozent der Fälle, dass ihre Partnerin vor der Pandemie überwiegend die Kinderbetreuung übernahm, in 5 Prozent der Fälle überwiegend sie selbst und in etwa einem Drittel der Fälle beide zu gleichen Teilen.

Dieses Bild änderte sich während der Pandemie nicht grundlegend. Allerdings gaben insbesondere Männer etwas häufiger an, die Kinderbetreuung nun zu gleichen Teilen (37 %) oder überwiegend zu übernehmen (10 %). Umgekehrt sank der Anteil der Männer, die konstatierten, dass ihre Partnerin den überwiegenden Anteil der Kinderbetreuung übernommen hatte, auf knapp 53 Prozent.

Der Anteil der Frauen, der angab, die Kinderbetreuung überwiegend oder vollständig selbst zu übernehmen, sank leicht von 66 auf 63 Prozent. In 8 Prozent der Fälle übernahm die Betreuung ihren Angaben zufolge nun überwiegend der Partner. Diese Ergebnisse decken sich – bei unterschiedlicher Art der Messung – mit der Studie des DIW. Danach tragen Mütter zwar ebenfalls die Hauptlast der Betreuung. Die Kinderbetreuung durch Väter hat jedoch während der Pandemie zugenommen.

Um etwaige Veränderungen bei der Aufgabenverteilung genauer analysieren zu können, wurden zwei Personengruppen näher betrachtet, die sich deutlich überschneiden:

  • Paare, die angaben, die Kinderbetreuung vor der Pandemie egalitär aufgeteilt zu haben,
  • Paare, die angaben, die Kinderbetreuung während der Pandemie egalitär aufgeteilt zu haben.

Für beide Gruppen wurde analysiert, inwiefern sich die Arbeitsteilung vor der Pandemie von der jetzigen Situation unterscheidet.

Für die erste Gruppe zeigt sich: Männer, die ihre Kinder vor der Pandemie in etwa gleichem Umfang betreut hatten wie ihre Partnerin, taten dies überwiegend auch während der Pandemie. Dies gaben jedenfalls knapp 69 Prozent der befragten Männer an. Jeweils gut 15 Prozent der befragten Männer gaben an, dass ihre Partnerin oder sie selbst während der Pandemie die Betreuung stärker als zuvor übernommen haben. Bei Frauen, nach deren Angaben die Arbeitsteilung vor der Pandemie gleich war, übernahmen 32 Prozent während der Pandemie wieder überwiegend die Kinderbetreuung, bei 16 Prozent überwiegend der Partner.

Für die zweite Gruppe zeigt sich: Bei Männern, die während der Pandemie eine egalitäre Arbeitsteilung praktizierten, übernahm ein Drittel ihren eigenen Angaben zufolge mehr Aufgaben als vor der Pandemie. Bei Frauen, die während der Pandemie eine egalitäre Arbeitsteilung angaben, mussten rund 40 Prozent weniger Aufgaben übernehmen als zuvor.

Eine partielle Retraditionalisierung ist bei Frauen zu erkennen, die vor der Pandemie die Kinderbetreuung egalitär mit ihrem Partner aufgeteilt hatten: 32 Prozent von ihnen übernahmen in der Pandemie den Großteil der Kinderbetreuung. Bei Frauen, die während der Pandemie eine egalitäre Aufteilung wahrnahmen, ist hingegen ein Rückgang der Ungleichheit zu verzeichnen. Sie profitierten von verstärkter Unterstützung der Männer, denn 40 Prozent von ihnen trugen vor der Pandemie die Hauptlast der Kinderbetreuung.

Männer, die während der Pandemie eine egalitäre Aufgabenteilung wahrnahmen, beteiligten sich ihren eigenen Einschätzungen zufolge ebenfalls etwas stärker als zuvor, denn 34 Prozent von ihnen hatten die Kinderbetreuung vor der Pandemie überwiegend ihrer Partnerin überlassen.

Multivariate Analysen zeigen zudem, dass vor allem Befragte, deren Partnerin oder Partner in Vollzeit erwerbstätig war, die Kinderbetreuung sowohl vor als auch während der Pandemie zu gleichen Teilen übernahmen. War die Partnerin oder der Partner nicht erwerbstätig, war die Betreuung im Schnitt deutlich ungleicher verteilt.

Die Arbeitsteilung in anderen Bereichen des Privatlebens ist relativ stabil

Die Befragungsdaten erlauben es zudem, die Arbeitsteilung in anderen Bereichen der privaten Lebensführung zu analysieren. Hier werden ebenfalls nur Personen betrachtet, die mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin zusammenleben und mindestens ein Kind unter 16 Jahren haben. Dabei zeigen sich in der Krise nur kleine Veränderungen bei der Arbeitsaufteilung zwischen den Geschlechtern.

Hausarbeit ist nach wie vor relativ häufig eine weibliche Domäne: Frauen gaben sehr selten an, dass überwiegend ihr Partner die Hausarbeit erledigt. Ihr Anteil lag vor und während der Corona-Krise im Bereich von 2 bis 3 Prozent. Bei den befragten Männern gaben 51 Prozent an, dass ihre Partnerin vor der Pandemie überwiegend die Aufgaben im Haushalt übernommen hatte. Während der Pandemie waren es noch 44 Prozent.

Bei anderen Aufgaben der privaten Lebensführung spielen Männer eine größere, zum Teil dominierende Rolle. Gut ein Fünftel der Frauen gab an, dass vor der Pandemie meist ihr Partner die Einkäufe erledigte. Während der Pandemie war es knapp ein Viertel. Rund 30 Prozent der Männer konstatierten vor und während der Pandemie, dass diese Aufgabe überwiegend ihre Partnerin übernahm.

Eine eindeutig männliche Domäne waren und sind hingegen Reparaturen: Frauen gaben in etwa 70 Prozent der Fälle an, dass dies überwiegend Aufgabe ihres Partners ist. Weniger als 3 Prozent der befragten Männer sagten dies über ihre Partnerin. Um finanzielle Angelegenheiten kümmert sich aus Sicht der weiblichen Befragten in rund 15 Prozent der Fälle überwiegend der Partner. Aus Sicht der männlichen Befragten ist es in rund 12 Prozent der Fälle überwiegend die Partnerin.

Fazit

In der Wissenschaft ist eine Debatte darüber entbrannt, ob die Corona-Krise bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern eher verschärft oder eher einebnet. Aktuelle Daten aus der Online-Befragung „Leben und Erwerbstätigkeit in Zeiten von Corona“ des IAB erlauben eine empirisch fundierte und differenzierte Antwort auf diese Frage.

Tatsächlich zeigt sich auch in der Krise, dass die berufliche Arbeitszeit erwerbstätiger Frauen die von erwerbstätigen Männern nach wie vor deutlich unterschreitet. Bei beiden Geschlechtern reduzierte sich während der Pandemie im Juni 2020 die Wochenarbeitszeit. Auch wenn die Männer ihre Arbeitszeit etwas stärker verringert haben als die Frauen, besteht hier weiterhin eine spürbare Lücke zwischen den Geschlechtern.

Darüber hinaus übernahmen Mütter vor und während der Pandemie den größeren Teil der Kinderbetreuung – auch in der Wahrnehmung der Männer. Jedoch beteiligen sich Männer in der Pandemie stärker an dieser Aufgabe als vorher. Das spricht gegen die These, dass die Covid-19-Pandemie zu einer Retraditionalisierung der Geschlechterverhältnisse in diesem Bereich führt.

Zudem zeigen sich nur relativ geringe Veränderungen in anderen Bereichen der privaten Lebensführung wie Hausarbeit, Einkäufe oder Reparaturarbeiten. Bei der Regelung der eigenen finanziellen Angelegenheiten ändert sich an der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung gegenüber der Vorkrisenzeit ebenfalls kaum etwas. Die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern bleibt alles in allem stabil.

Geschlossene Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen bedeuten generell eine hohe Belastung für alle Eltern, die nicht auf die Hilfe Dritter zurückgreifen können. Sie müssen in einer solchen Situation entscheiden, wie sie Erwerbs- und Sorgearbeit untereinander aufteilen. Sie greifen dabei vorwiegend auf bereits etablierte Verteilungsmuster zurück, bei denen Frauen die größere Last unbezahlter Sorgearbeit tragen.

Gleichwohl zeigen sich in der Pandemie gewisse Veränderungen, die unter dem Strich eher gegen als für die Retraditionalisierungsthese sprechen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine verstärkte Beteiligung der Männer an der Kinderbetreuung. Ob diese zaghaften Veränderungen hin zu mehr Beteiligung von Männern, die vielfach der jüngsten Notsituation und den Homeoffice-Bedingungen geschuldet sein dürften, die Krise überdauern werden, ist eine offene Frage.

Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit vom 12.11.2020

Zu Debatte über Schulschließungen erklärt die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding:

„Ein flächendeckender Schul-Lockdown wäre verheerend für die Bildungschancen von Millionen von Schülern und eine erneute Belastung vieler Eltern. Es ist daher nach wie vor richtig, auf Präsenzunterricht zu setzen und über Schulschließungen und Hygienemaßnahmen vor Ort zu entscheiden. Die beste Möglichkeit, diesen auch im Herbst und Winter zu gewährleisten, sind Luftfilter. Es ist ein fatales Versäumnis, dass die Bundesregierung die Länder nicht bereits im Sommer bei der Beschaffung von Luftfiltergeräten unterstützt hat. Die Forderung von Bundesbildungsministerin Karliczek nach einer allgemeine Maskenpflicht an allen Schulen ist hingegen wenig zielführend. Wenn Schüler aufgrund des lokalen Infektionsgeschehens nicht in die Schule können, darf das kein Nachteil sein. Der Unterricht muss an jeder Schule zu jeder Zeit auch digital möglich sein. Bildungsministerin Karliczek sollte daher endlich den Digital-Turbo zünden und dafür sorgen, dass alle Schulen die Mittel aus dem Digitalpakt erhalten und Schüler und Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten ausgestattet werden.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten vom 11.11.2020

Die Fraktion Die Linke will, dass die "Mangelwirtschaft in der Bildung" beendet wird und Schulen in der Pandemie mehr Unterstützung bekommen. Das fordert die Fraktion in einem Antrag (19/24450). Danach soll die Bundesregierung die bedarfsdeckende, niedrigschwellige und bürokratiearme Förderung bei der Anschaffung von FFP2-Masken unterstützen. Ebenso soll die Bundesregierung die Anschaffung von CO2-Messgeräten sowie geeigneter und sicherer mobiler Raumluftfiltersysteme unterstützen, die unabhängig von den baulichen Voraussetzungen im Schulgebäude einsetzbar sind und einen Luftaustausch ermöglichen. Ferner sollen niedrigschwellige und schnelle, kostenfreie Testverfahren bei Infektionsfällen in einer Gruppe auch für symptomfreie Lehrende und Lernende sowie Grippeschutz-Impfungen für Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher sichergestellt werden. Schulen sollen laut der Fraktion ein prioritärer Anwendungsort für Antigen-Schnelltests sein, wenn sich diese Tests auch bei Anwendung durch medizinische Laien als sicher erweisen. Ansonsten sollen sie durch medizinisches Fachpersonal durchgeführt werden.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1247 vom 19.11.2020

Studie auf Basis von Sonderbefragung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP-CoV) – Einsatz von Videokonferenzen variiert im Sekundarschulbereich stark – Unterschiede im Zugang zu Lernmaterial sollten abgebaut werden, um Bildungsungleichheiten nicht zu verstärken

Die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Schulschließungen im Frühjahr 2020 haben LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Eine zentrale Frage war, wie SchülerInnen unterrichtet werden und an Lernmaterial, also beispielsweise Aufgabenblätter und Instruktionen zur Bearbeitung, kommen. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt nun: Fast alle SchülerInnen (89 Prozent) wurden digital, etwa per E-Mail oder Cloudlösungen, mit Schulaufgaben versorgt. Abgesehen davon gab es während des Lockdowns und auch in der Zeit direkt danach aber große Unterschiede – abhängig vor allem davon, ob die SchülerInnen ein Gymnasium oder eine andere Sekundarschule besuchen und ob sie auf eine private oder öffentliche Schule gehen.

„Es gibt einige Unterschiede im Zugang zu Lernmaterial, die nicht unbedingt pädagogisch begründet sind – sie haben das Potenzial, ohnehin schon bestehende Bildungsungleichheiten noch zu verstärken“, sagt C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW Berlin. Gemeinsam mit Mathias Huebener und Sabine Zinn hat sie Daten einer repräsentativen Sonderbefragung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP-CoV) ausgewertet, die während des ersten Lockdowns im Frühjahr und danach durchgeführt wurde. Die Studie basiert auf Angaben von Eltern aus mehr als 1800 Haushalten mit Schulkindern.

PrivatschülerInnen konnten nach Lockdown eher wieder regulär zur Schule gehen

Demnach erhielten GymnasiastInnen – sowohl während des coronabedingten Lockdowns als auch in der Zeit direkt danach – häufiger Lernmaterial über Videokonferenzen als andere SchülerInnen im Sekundarschulbereich, also auf Real-, Haupt- und Gesamtschulen. Die entsprechenden Anteile lagen bei 36 im Vergleich zu 25 Prozent während des Lockdowns und in der Zeit danach sogar bei 57 zu 23 Prozent. Real-, Haupt- und GesamtschülerInnen wiederum bekamen ihr Lernmaterial nach dem Lockdown über ähnliche Wege wie GrundschülerInnen, obwohl sich die Kompetenzen bei der Verarbeitung des Lernstoffs zwischen diesen Schülergruppen deutlich unterscheiden und der Altersunterschied einen differenzierten Einsatz von digitalen Lernformaten zuließe.

PrivatschülerInnen erhielten während des Lockdowns eher Lernmaterial über Videokonferenzen als SchülerInnen an öffentlichen Schulen (34 im Vergleich zu 25 Prozent). Vor allem konnten sie in den Wochen und Monaten nach dem Lockdown deutlich häufiger wieder regulär zur Schule gehen. So gut wie keine Unterschiede im Zugang zu Lernmaterial gab es beim Vergleich von SchülerInnen, die vor dem Lockdown dem Ganztags- beziehungsweise Halbtagsbereich zuzuordnen waren. Letztere dürften wohl besser mit der Situation klargekommen sein – sie sind eher daran gewöhnt, Lernstoff nachmittags zu Hause zu vertiefen.

Ausbau der digitalen Infrastruktur an Schulen auch über aktuelle Situation hinaus sinnvoll

Dass SchülerInnen unterschiedlich guten Zugang zu Lernmaterial haben, ist in den wenigsten Fällen auf deren Alter und Kompetenzen zurückzuführen. Unterschiede zwischen den Schultypen sollten deshalb soweit möglich abgebaut werden. „Insbesondere jetzt, wo die Corona-Infektionszahlen vergleichsweise hoch sind und Einschränkungen des Schulbetriebs etwa durch Quarantänemaßnahmen zunehmen, müssen allen SchülerInnen gute Lernchancen geboten werden“, sagt Mathias Huebener. „Andernfalls drohen einzelne von ihnen noch weiter abgehängt zu werden.“

Dafür braucht es aus Sicht der StudienautorInnen eine geeignete digitale Infrastruktur, mit der alle SchülerInnen erreicht werden können. „Wenn wir alle Schulen auf ein ähnliches digitales Niveau heben wollen, dann muss jetzt zielgerichtet besonders in jene Schulen investiert werden, wo dieses Niveau noch nicht in Sicht ist“, so C. Katharina Spieß. Nötig sei ein übergreifendes Gesamtkonzept, dass zielgruppenspezifische und damit auch altersgerechte Angebote ermöglicht und digitales Lernen mit Präsenzunterricht in der Schule verknüpft. Solche digitalen Kompetenzen sollten auch über die aktuelle Situation hinaus für die Zeit nach der Corona-Pandemie aufgebaut und etabliert werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 18.11.2020

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert Bund, Länder und Kommunen auf, Schulen und Kitas künftig weitgehendere Handlungsspielräume für ortsspezifisch notwendige Corona-Maßnahmen zu eröffnen. Dafür sollen Bund, Länder und Kommunen einen "Setzkasten" möglicher Maßnahmen zur Verfügung stellen, damit die Bildungseinrichtungen situationsangemessen flexibel auf die Corona-Pandemie reagieren können. Leitziel muss es dabei sein, flächendeckende komplette Schließungen von Schulen und Kitas zu verhindern und das Recht auf Bildung im Sinne ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung von Kindern zu gewährleisten. Das Deutsche Kinderhilfswerk spricht sich im Vorfeld der morgigen Bund-Länder-Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder aus kinderrechtlicher Sicht außerdem strikt gegen die in der letzten Woche vorgeschlagene "Ein-Freund-Regel" aus. Aus Sicht der Kinderrechtsorganisation ist dieser Vorschlag kinderfeindlich und sollte nicht realisiert werden.

"Alle Maßnahmen in Schulen und Kitas müssen sich vorrangig an den kindlichen Interessen orientieren, so wie es in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben ist. Dazu brauchen die Bildungseinrichtungen ein umfangreiches Paket aus finanzieller Unterstützung und konkreten Fortbildungs- und Ausstattungsangeboten. Aus diesen Angeboten sollten Schulen und Kitas dann wie aus einem Setzkasten in Absprache mit den Gesundheitsämtern die für die Situation vor Ort effektivste Maßnahme zur Verwirklichung des Rechts auf Bildung einerseits und zur Bekämpfung der Corona-Pandemie andererseits ergreifen können. Diese möglichen Maßnahmen sollten sich an Leitlinien orientieren, die Bund, Länder und Kommunen gemeinsam erarbeiten müssen, und die auch Qualitätsstandards für Schulen und Kitas beinhalten, die nicht unterschritten werden dürfen", betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

"Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie müssen beispielsweise alternative Räumlichkeiten angemietet werden, um eine Entzerrung der räumlichen Enge in vielen Schulen und Kitas zu ermöglichen. Hotels, Museen, Jugendherbergen, Volkshochschulen, Theater, Freizeiteinrichtungen, Bürgerhäuser, Sporthallen: Hier gibt es unzählige Möglichkeiten, die ebenso wie Luftfilteranlagen und mobile Raumluft-Filter nicht an Verwaltungsvorschriften und angeblichem Geldmangel scheitern dürfen. Notwendiges zusätzliches Personal könnten beispielsweise auch Lehramtsstudierende, Museums- und Theaterpädagogen oder Dozentinnen der Volkshochschulen sein. Auch sollte den Schulen ermöglicht werden von der festen Stundentafel abzuweichen, um projektorientierten Unterricht in gleichbleibenden Lerngruppen realisieren zu können. Und wir müssen endlich ernsthaft gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern, und auch bereits in den Kitas mit jüngeren Kindern darüber sprechen, wie wir sie bestmöglich bei der Bewältigung ihrer Probleme durch die Corona-Pandemie unterstützen und beteiligen können", so Hofmann weiter.

"Die die in der letzten Woche vorgeschlagene ,Ein-Freund-Regel‘ gehört in die ,Corona-Maßnahmen-Mottenkiste‘. Wir muten unseren Jüngsten ohnehin schon sehr viel zu. Man erreicht mit solchen abstrusen Vorschlägen nur, dass bei Kindern und Jugendlichen Verständnis verspielt wird. Da wir aber noch längere Zeit mit Corona umgehen müssen, brauchen wir ein Mitziehen der gesamten Bevölkerung, das gilt auch für junge Menschen. Die Bereitschaft dazu dürfen wir nicht mit solchen kinderfeindlichen Regelungen verspielen", so Hofmann.

Zusätzlich zu den konkreten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes auch ein Experten/innenrat mit Verantwortlichen aus Gesundheits- und Bildungsbehörden unter Einbezug von Schülerinnen und Schülern sowie von Fachkräften und Elternverbänden unabdingbar, um in regelmäßigen Abstimmungen und einem Erfahrungsaustausch das Ineinandergreifen von Maßnahmen sowie den gemeinsamen Umgang mit bildungspolitischen Folgen der Corona-Krise zu gewährleisten. Zudem muss dauerhaft gewährleistet werden, dass sich alle Beschäftigten in Schulen und Kitas regelmäßig und kostenfrei auf das Corona-Virus testen lassen können, auch wenn sie symptomfrei sind. Informationen über die jeweiligen Verfahrensweisen und ausgewählte Standorte für eine Testung müssen für Beschäftigte transparent und zugänglich sein.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 24.11.2020

"Diese Studie untersucht die kurzfristigen Folgen für die Betreuungsarrangements von Eltern, die während der COVID-19-Pandemie in Deutschland von der Schul- und Kita-Schließung betroffen waren und die daraus resultierenden Veränderungen im ihrem Wohlbefinden. Mit multinomialen logistischen Regressionen, angewendet auf neue Paneldaten des Nationalen Bildungspanels (NEPS-Corona_CAWI_C2) findet die Studie, dass Mütter eine Schlüsselrolle in den Ad-hoc-Betreuungsarrangements während der COVID-19-Pandemie spielen, was die traditionelle Aufteilung der Familienarbeit bei deutschen Paaren bestätigt. Darüber hinaus veranschaulichen die Ergebnisse die Bedeutung der Arbeitsbedingungen, insbesondere die Möglichkeit des Homeoffice, für den Verhandlungsprozess der Eltern. Entgegen unseren Annahmen wurde das Wohlergehen der Eltern in den ersten Krisenmonaten jedoch nicht durch das gewählte Betreuungsarrangement beeinflusst." (Autorenreferat, IAB-Doku)

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Weitere Informationen

Quelle: PressemitteilungInstitut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA)vom 23.11.2020

Das Deutsche Kinderhilfswerk mahnt im Vorfeld der heutigen Bund-Länder-Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder die sofortige Einführung eines „Corona-Bildungsregisters“ an. Ein solches Register muss fortlaufend aktualisierte Daten zur Lage der Schulen und Kitas in der Corona-Pandemie erfassen und so eine verlässliche Entscheidungsgrundlage dafür liefern, wie das Recht auf Bildung in Schulen und Kitas bestmöglich umgesetzt werden kann. Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes darf es nicht sein, dass es nur unvollständige Zahlen und damit einhergehende Schätzungen gibt, wie viele Schülerinnen und Schüler, Kitakinder, Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher in Corona-Quarantäne sind. Wichtig ist zudem, dass das Register staatliche und private Bildungseinrichtungen umfasst, um einen Gesamtüberblick über die Situation zu ermöglichen. Zudem ist durch eine länderübergreifende Koordination bei der Erhebung entsprechender Daten eine Vergleichbarkeit von Datensätzen zu gewährleisten. Die Erkenntnisse aus dem bestehenden KiTa-Register des Deutschen Jugendinstituts und des Robert Koch-Instituts sollten mit in das „Corona-Bildungsregister“ einfließen.

„Wir brauchen endlich einen aussagekräftigen Gesamtüberblick, wie es bei den nach wie vor hohen Infektionszahlen in der Gesamtbevölkerung in unseren Schulen und Kitas ganz konkret aussieht. Länderspezifisches Stückwerk bringt uns hier nicht weiter. Es muss alles darangesetzt werden, flächendeckende komplette Schließungen der Bildungseinrichtungen zu verhindern. Notwendig ist dafür auch ein Expertenrat mit Verantwortlichen aus Gesundheits- und Bildungsbehörden unter Einbezug von Schülerinnen und Schülern sowie von Fachkräften und Elternverbänden, um in regelmäßigen Abstimmungen und einem Erfahrungsaustausch das Ineinandergreifen von Maßnahmen sowie den gemeinsamen Umgang mit bildungspolitischen Folgen der Corona-Krise zu gewährleisten“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Bei der Frage der Offenhaltung von Schulen und Kitas müssen neben dem Gesundheitsschutz auch soziale und kindheitspädagogische Aspekte berücksichtigt werden. Das Recht auf Bildung muss während der Corona-Pandemie gewährleistet bleiben. Hier ist der Bund gefordert, die Länder sowie Schul- und Kitaträger auch finanziell zu unterstützen. Die Schulträger sollten gemeinsam mit den Schulkonferenzen situationsangemessene Entscheidungen treffen können, wie sie diese finanzielle Unterstützung des Bundes einsetzen, um das Lernen in Zeiten der Pandemie weiterhin zu ermöglichen. Auch die Kitas in Deutschland brauchen Unterstützung, um ihrem Bildungsauftrag weiter nachkommen zu können.

„Wir haben im Frühjahr gesehen, dass gerade Kinder mit besonderen Förderbedarfen oder Kinder aus armen Verhältnissen zu den großen Verlierern der Schul- und Kitaschließungen geworden sind. Auch deshalb muss eine erneute flächendeckende Schließung mit aller Kraft verhindert werden“, so Hofmann.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 16.11.2020

Mit Blick auf die heutigen Beratungen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder mit der Bundeskanzlerin sende ich Ihnen folgendes Zitat von Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes, zu Ihrer Verwendung:

"Ich begrüße, dass das Kanzleramt die heute Morgen bekanntgewordene Beschlussvorlage für die Ministerpräsidentinnenkonferenz angepasst hat. Wenn weitere Verschärfungen der Kontaktbeschränkungen notwendig werden, dürfen diese nicht nur auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen ausgetragen werden.

Wir können nicht Erstklässlern zumuten, den gesamten Schultag über einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und gleichzeitig ungeregelten Präsenzbetrieb in den Bürohäusern der Innenstädte zulassen. Es ist an der Zeit, auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen. Sie müssen dort, wo es möglich ist, Homeoffice möglich machen.

Kinder, Jugendliche und ihre Familien verzichten in diesem Jahr auf Vieles: Ihre Schulabschlussfeiern, Geburtstage, Sankt-Martins-Umzüge und sicher wird auch das Weihnachtfest in diesem Jahr nicht wie gewohnt stattfinden können. Für die Arbeitswelt läuft aber bisher alles weiter wie gewohnt: Hunderttausende Menschen fahren nach wie vor jeden Morgen völlig unnötig in überfüllten Bussen und Bahnen ins Büro für einen Job, den sie genauso gut und vor allem sicher von Zuhause erledigen könnten.

Um Schulen sicherer zu machen, hält der Kinderschutzbund Fernunterricht für die höheren Jahrgänge der weiterführenden Schulen, geteilte Unterrichtsklassen und Mund-Nasen-Schutz im Unterricht in den weiterführenden Schulen sowie feste Unterrichts-Kohorten in den Grundschulen als erste Schritte für verhältnismäßig und zumutbar.

Ich lege außerdem Wert auf die Feststellung, dass das Offenhalten von Schulen und Kitas für den Kinderschutzbund keine Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern eine Frage der Rechte der Kinder auf Lernen, Spiel und Sozialkontakte ist. Vereinbarkeit ließe sich auch mit einem Corona-Elterngeld bei geschlossenen Kitas und Schulen gewährleisten. Dies wäre aus unserer Sicht die schlechtere Lösung."

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V. vom 16.11.2020

Am heutigen Mittwoch verabschiedet der Deutsche Bundestag das 3. Corona-Schutzpaket. Es umfasst auch die Verlängerung des Entschädigungsanspruchs für Eltern, deren Kinder coronabedingt von behördlichen Schul- oder Kitaschließungen betroffen sind.

Die evangelische arbeitsgemeinschaft familie (eaf) begrüßt es als Schritt in die richtige Richtung, dass die Regelungen über den Jahreswechsel hinaus bis einschließlich März 2021 weiterhin gelten werden, und mahnt eine Verlängerung bis Ende 2021 an. Denn das aktuelle Infektionsgeschehen führt in den letzten Wochen wieder vermehrt dazu, dass Schulen und Betreuungseinrichtungen teilweise oder sogar ganz schließen müssen oder Kinder als Kontaktperson zu Hause bleiben müssen. Wenn die Eltern dann ihrer Berufstätigkeit nicht im normalen Maß nachgehen können, haben sie bis zu 10 Wochen lang einen Anspruch auf Entschädigungszahlungen. Sie müssen dafür nachweisen, dass sie für ihr Kind „keine zumutbare Betreuung“ haben. Doch was genau gilt als zumutbar?

Martin Bujard, Präsident der eaf, stellt fest: „Von Eltern im Homeoffice wird oft erwartet, dass sie ihre Kinder nebenher betreuen und beschulen. Das ist aus unserer Sicht weltfremd und geht an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Eltern vorbei. Gerade kleinere Kinder benötigen viel ungeteilte und liebevolle Aufmerksamkeit, ihre Bedürfnisse lassen sich nur bedingt aufschieben. Und wenn gar mehrere Kinder unter 12 Jahren tagsüber von den Eltern betreut oder bei der Erarbeitung schulischer Inhalte unterstützt werden sollen, ist an effektives Arbeiten gar nicht mehr zu denken. Die Eltern versuchen, ihren Kindern und ihrem Arbeitgeber gleichermaßen gerecht zu werden und können daran nur scheitern. Auch trägt es dazu bei, dass Homeoffice von Eltern bei Arbeitgebern über die Corona-Zeit hinaus diskreditiert wird. Hier wäre es aus unserer Sicht unbedingt angezeigt, die Zumutbarkeit klarer zu definieren: Berufstätigkeit im Homeoffice schließt eine gleichzeitige Betreuung kleinerer Kinder in der Regel aus und ist damit in vielen Fällen keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit.“

Oft sind es die Schulen oder Kitas selbst, die beim Auftreten von Infektionen umgehend reagieren und Einrichtungen schließen und einzelne Gruppen und Personen nach Hause schicken, noch ehe die überlasteten Gesundheitsämter eine Schließung anordnen. „Unklar ist, ob die Betroffenen dann ebenfalls Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz haben. An dieser Stelle sollte unbedingt für Klarheit gesorgt werden“, so Bujard weiter: „Auch in diesen Fällen müssen Eltern einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung haben.“

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 18.11.2020

Nun gibt es weitere Erleichterungen bei der Einreise für unverheiratete binationale Paare aus Drittstaaten: Der Nachweis eines gemeinsamen Aufenthalts in Deutschland fällt weg. So ließ es das Bundesministerium des Innern am 17.11. verlautbaren.

Das sei gut so. Allerdings bleibe weiterhin eine große Anzahl von Paaren und Familien davon ausgeschlossen. „Das BMI will medial damit punkten, einer Gruppe von Paaren mit Partner:innen aus visafreien Drittstaaten, entgegen zu kommen. Das sind Nebelkerzen, um sich nicht mit den vielen anderen Paaren und Familien befassen zu müssen“, so Hiltrud Stöcker-Zafari, Geschäftsführerin des Verbands binationaler Familien und Partnerschaften.

Das zeigten auch die Reaktionen und Forderungen, die über Twitter auf die Mitteilung des BMI reagierten: Die Maßnahme wird begrüßt, aber die Forderungen lauten: endlich auch die Paare und Familien in den Blick nehmen, die visapflichtig sind.

„Die Pandemie wird uns so schnell nicht verlassen. Das bedeutet doch, es wird noch Monate dauern, weit bis in das nächste Jahr hinein. Familien und Paare können so auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertröstet werden.“

Die Nebelkerze verschleiere den Unwillen seitens der verantwortlichen Ministerien, hier unbürokratisch für Abhilfe zu sorgen. „Seit Beginn der Pandemie haben wir uns wieder und wieder an das Bundesministerium des Innern sowie an das Auswärtige Amt gewandt. Letzteres scheint nach wie vor nicht in der Lage, die Arbeit in den Botschaften so zu gestalten, dass Menschen nicht über ein Jahr auf einen Termin zur Beantragung eines Visums warten müssen. Die Ministerien wollen nach wie vor nicht auf die unzähligen bürokratischen Hürden verzichten, die Paare und Familien bewältigen müssen“.

Das fange bei Nachweisen an und höre bei der Forderung nach einem zertifizierten Sprachtest für die Familienzusammenführung auf, die gar nicht zu erbringen sind. Erst vor wenigen Tagen habe die Anfrage der Linken im Bundestag ergeben: Zahlreiche Goetheinstitute sind nach wie vor geschlossen, in vielen Ländern war es sowieso auch vorher schon nicht möglich einen Sprachtest abzulegen. „Das ist doch völlig absurd und widerspricht in eklatanter Weise dem Menschenrecht auf Familie. Zumindest in diesen harten Zeiten sollte der Sprachtest ausgesetzt und die Möglichkeit eidestattlicher Erklärungen anstelle von Nachweisen ermöglicht werden. “

Quelle: Pressemitteilung Verband binationaler Familien u. Partnerschaften, iaf e.V. vom 20.11.2020

SCHWERPUNKT III: Internationaler Tag der Kinderrechte

Am heutigen Freitag ist der Internationale Tag der Kinderrechte. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat am 20. November 1989 die Kinderrechtskonvention verabschiedet. Dazu erklärt der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marcus Weinberg:

„Das Wohl unserer Kinder hat für uns immer oberste Priorität. Jedes Kind hat Rechte und besondere Bedürfnisse, die wir ernst nehmen und berücksichtigen müssen. Deshalb setzen wir alles daran, den Kinderschutz weiter zu stärken.

Besonders bedrückend ist die steigende Zahl der Kindeswohlgefährdungen. Aus diesem Grund arbeiten wir unter Hochdruck an einer Reform des Achten Buchs Sozialgesetzbuchs. Wir wollen systemische und strukturelle Fehlsteuerungen in der Kinder- und Jugendhilfe beseitigen und der hohen Zahl von Kindeswohlgefährdungen entschlossen entgegenwirken. Wir müssen die betroffenen Familien unbedingt früh, zielgenau und bedarfsorientiert stärken. Diese Familien müssen sensibilisiert und motiviert werden, niedrigschwellige Hilfen anzunehmen, um Eskalationen wie Gewalt, Verwahrlosung oder Misshandlung und die Herausnahme der Kinder aus ihrer Familie zu verhindern.

Mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder, welches wir aktuell parlamentarisch beraten, werden wir dafür sorgen, dass unsere Kinder vor Missbrauch künftig deutlich besser geschützt werden. Dieses Gesetz ist ein Meilenstein im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU – Bundestagsfraktion vom 20.11.2020

Zum Internationalen Tag der Kinderrechte am 20. November erklären Ekin Deligöz, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik, und Kai Gehring, Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe:

Die Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention am 20. November 1989 war ein zentraler Meilenstein für das internationale Menschenrechtssystem und gleichsam eine bahnbrechende zivilisatorische Errungenschaft. Doch mehr als 30 Jahre später warten Kinder auf der ganzen Welt noch immer auf eine umfängliche Umsetzung ihrer Rechte. Die Bundesregierung muss ihre Bemühungen für die Kinderrechte auf internationaler Ebene intensivieren und auch in Deutschland endlich die Kinderrechte ins Grundgesetz aufnehmen.

Gerade die Corona-Pandemie zeigt, dass auch in Deutschland die Rechte von Kindern nicht umfassend beachtet werden. Kinder leiden ungleich härter in der Krise – ganz besonders arme und benachteiligte. Schon vor der Pandemie waren Bildungschancen ungleich verteilt, durch die Pandemie droht sich dies weiter zu verschärfen. Wir müssen alles daran setzen, dass aus der Corona-Krise keine Bildungskrise wird.

Das eigene Zuhause bietet nicht für jedes Kind ein geborgenes und sicheres Umfeld und besonders für bereits belastete Familien stellt die aktuelle Situation eine Herausforderung dar. Deswegen müssen politische Entscheidungen zur Bekämpfung der Pandemie Kinderrechte ganz besonders im Blick haben. Neben Schutzrechten, dem Recht auf soziale Kontakte, soziale Teilhabe, Spiel sowie frühkindliche und schulische Bildung müssen dabei auch mögliche langfristige Folgen berücksichtigt werden. Kinder sind unsere Zukunft, ihr Wohlergehen darf in der Krise nicht auf der Strecke bleiben.

Eines ist für uns klar: Um Kinderrechte zu garantieren, müssen Kinderrechte ins Grundgesetz und zwar mit einer starken Formulierung, die insbesondere konkrete Beteiligungsrechte für Kinder berücksichtigt. Es muss nun endlich Schluss sein mit Lippenbekenntnissen der großen Koalition. Wir brauchen ein Gesetz, das das Kindeswohl in den Vordergrund stellt und Teilhabe garantiert. Unser Gesetzentwurf liegt bereits seit Juni 2019 vor. Gerade in der Corona-Pandemie sind wir es unseren Kindern schuldig, sie nicht aus dem Blick zu verlieren.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 19.11.2020

„Kinderarmut ist in Deutschland ein verfestigtes Problem“, erklärt Norbert Müller, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, mit Blick auf die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu Kinderarmut und Kindeswohlgefährdung und den Tag der Kinderrechte am 20. November. Müller weiter:

„Auch wenn die Zahlen zur Armutsgefährdung leicht rückläufig sind, lebt nach wie vor jedes siebte Kind in Armut. Hier hat die jetzige Bundesregierung versagt. Statt eine echte Kindergrundsicherung einzuführen, die Kinder aus der Armut rausholt, hat die Bundesregierung sich darauf festgelegt, an den bisher schon wirkungslosen Instrumenten wie dem Bildungs- und Teilhabepaket weiter herumzudoktern.

Es ist zu erwarten, dass im Zuge der Corona-Pandemie durch die wirtschaftlichen Verwerfungen wieder deutlich mehr Kinder in Armut fallen. Gerade jetzt ist es dringend geboten, ein kraftvolles Paket zur Bekämpfung der Kinderarmut aufzulegen. Ich fordere daher von der Bundesregierung, kurzfristig die Hartz-IV-Regelbedarfssätze und das Kindergeld deutlich anzuheben und in einem weiteren Schritt eine echte Kindergrundsicherung auf den Weg zu bringen.

Der Umgang mit armen Kindern in Deutschland weist auf ein weiteres zentrales Problem hin: Kinderrechte werden nach wie vor nicht ausreichend ernst genommen. Auch die Corona-Pandemie hat das verdeutlicht. Die Rechte auf Schutz, Förderung und Beteiligung von Kindern müssen daher endlich in das Grundgesetz aufgenommen werden.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 19.11.2020

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat am 20. November 1989 die Kinderrechtskonvention verabschiedet. Mit dem Beschluss wurden erstmals auf Basis einer internationalen Übereinkunft die Rechte des Kindes festgeschrieben. In 54 Artikeln werden allen Kindern auf der Welt völkerrechtlich die gleichen verbindlichen Mindeststandards verbrieft. Die Vertragsstaaten verpflichten sich in Gesetzgebung und Verwaltung sowie im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit diese Standards umzusetzen und die Kinderrechte zu verwirklichen.

Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages, die als innerparlamentarische Interessenvertretung für die Belange der Kinder und Jugendlichen bereits im Jahr 1988 eingerichtet wurde, setzt sich aktiv für die Einhaltung und Stärkung der Rechte der Kinder ein. Sie leistet mit ihrer Arbeit einen Beitrag dazu, den mit dem Übereinkommen verbundenen Auftrag stärker ins Zentrum von Politik und Gesellschaft zu stellen.

Für die Kinderkommission des Deutschen Bundestags erklärt hierzu deren Vorsitzender, Norbert Müller MdB:

„Kinderrechte müssen Vorrang haben, wenn Verwaltung und Politik Entscheidungen fällen, die Kinder betreffen. Dieses Prinzip muss nicht nur bei der alltäglichen Aufgabenbewältigung zur Geltung kommen. Es muss auch und gerade in Ausnahmesituationen wie der Corona-Pandemie groß geschrieben werden. Darauf hat die Kinderkommission bereits im Frühjahr hingewiesen.

In der momentanen Lage, in der wir als Politik und Gesellschaft darüber sprechen und entscheiden, welche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen sind, dürfen wir die Rechte und Bedürfnisse der Kinder nicht aus dem Blick verlieren. Entscheidungen zur Pandemiebekämpfung müssen sich nicht nur an ihren Auswirkungen für den Gesundheitsschutz, die ökonomische Entwicklung und die Verwirklichung von Freiheitsrechten messen lassen, sondern auch im Lichte der Konsequenzen betrachtet werden, die sie für Kinder und Jugendliche haben.

Wenn wir dieses Prinzip auch in der aktuellen Situation, die allen viel abverlangt, weiterhin berücksichtigen, verschaffen wir auch hier der UN-Kinderrechtskonvention Geltung und zeigen, dass Kinderrechte auch unter schwierigen Bedingungen angemessen verwirklicht werden.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag vom 19.11.2020

Anlässlich des Tags der Kinderrechte fordert das Deutsche Institut für Menschenrechte Bund, Länder und Kommunen auf, das Recht von Kindern auf Beteiligung endlich ernsthaft umzusetzen. „Kinder haben das Recht, an allen sie betreffenden Angelegenheiten beteiligt zu werden. Dazu muss man sie anhören und ihre Meinung bei Entscheidungen berücksichtigen. Diese Vorgabe der UN-Konvention deuten Verantwortungsträger in Bund, Ländern und Kommunen oft fälschlicherweise als Ermessensspielraum, über den Erwachsene entscheiden dürften“, erklärt Claudia Kittel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Instituts. „Die Regierungen von Bund und Ländern müssen diese falsche Annahme endlich richtigstellen.“

Die UN-Kinderrechtskonvention sieht vor, Kinder nicht nur zu schützen und zu fördern, sondern auch zu beteiligen. Selbst in Krisenzeiten und Notsituationen darf nicht über den Kopf der Kinder hinweg über sie entschieden werden. Das stellt auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes klar, dessen Position die Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Instituts in einer heute veröffentlichen vierteiligen Audio-Reihe erläutert.

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde am 20. November 1989 mit dem Ziel verabschiedet, Kinder vor Verletzungen ihrer Rechte zu schützen, sie in ihrer Entwicklung zu fördern und ihnen bei der Einforderung ihrer Rechte mehr Gehör zu verschaffen. In Deutschland gelten die in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Rechte von Kindern seit April 1992 – anfangs jedoch noch mit Vorbehalten. 2010 hat die Bundesregierung diese Einschränkungen zurückgenommen Die UN-Konvention ist damit verbindlich geltendes und unmittelbar anwendbares Recht in Deutschland.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist mit dem Monitoring der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention betraut worden und hat hierfür die Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention eingerichtet. Die Monitoring-Stelle berät die Politik in Bund, Ländern und Kommunen sowie die Justiz, Anwaltschaft und Zivilgesellschaft bei der Auslegung und kindgerechten Umsetzung der UN-Konvention. Die Monitoring-Stelle arbeitet eng mit der Zivilgesellschaft, mit staatlichen Stellen, Forschungsinstituten sowie Kindern und Jugendlichen zusammen.

Vierteilige Audio-Reihe „Das Kindeswohl neu denken!“ unter www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/kinderrechte/kindeswohl

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Instituts für Menschenrechtevom 20.11.2020

  • 2019 war das Risiko für Armut und soziale Ausgrenzung für unter 18-Jährige in Deutschland 2,3 Prozentpunkte niedriger als im Vorjahr
  • Nur 15% der 55 500 Fälle von Kindeswohlgefährdung wurden 2019 aus der betroffenen Familie heraus öffentlich gemacht
  • Mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland lebte 2019 mit mindestens einem Kind in einer Familie

Zum Internationalen Tag der Kinderrechte am 20. November steht das sichere Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen auch während der Corona-Pandemie besonders im Fokus. Bereits vor Ausbruch der Corona-Krise war in Deutschland nahezu jedes siebte Kind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, war dieser Anteil mit 15,0% (2,1 Millionen) der unter 18-Jährigen im Jahr 2019 aber niedriger als in den Jahren zuvor. Im Jahr 2018 waren noch 17,3% der Kinder und Jugendlichen einem Risiko für Armut und soziale Ausgrenzung ausgesetzt, 2010 waren es 21,7%.

Armutsrisiko für Kinder in Deutschland lag 2019 deutlich unter EU-Durchschnitt

Am 20. November 1989 verabschiedeten die Vereinten Nationen die UN-Kinderrechtskonvention, die Minderjährigen in 54 Artikeln grundlegende Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte zusichert. In den Artikeln 26 und 27 ist beispielsweise das Recht auf Leistungen der sozialen Sicherheit und angemessene Lebensbedingungen verankert. Im Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist das Risiko für Armut und soziale Ausgrenzung für unter 18-Jährige in Deutschland mit 15% relativ gering. Im vergangenen Jahr war der Anteil nur in Slowenien (11,7%), Tschechien (13,0%), Dänemark (13,2%) und Finnland (14,3%) niedriger. Im Durchschnitt der EU-27 war nahezu jedes vierte Kind einem Armutsrisiko ausgesetzt (22,5%). Am höchsten war deren Anteil in den südeuropäischen Staaten Rumänien (35,8%), Bulgarien (33,9%), Italien (30,6% im Jahr 2018), Griechenland (30,5%) und Spanien (30,3%).

Pro Tag mehr als 150 Fälle von Kindeswohlgefährdung

Die UN-Kinderrechtskonvention sichert Minderjährigen auch das Recht auf Schutz vor Gewalt, Misshandlung, Verwahrlosung und Missbrauch zu (Artikel 19 und 34). In Deutschland werden die Jugendämter in ihrer Schutzfunktion jedes Jahr tausendfach aktiv, weil dieses Recht angegriffen wird – mit zuletzt steigender Tendenz. Allein im vergangenen Jahr wurde bei 55 500 Kindern und Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung festgestellt, pro Tag entsprach das im Schnitt 152 betroffenen Jungen und Mädchen. Gründe dafür waren Vernachlässigung, wie in 58% der Fälle, psychische (32%) oder physische Misshandlungen (27%) sowie sexuelle Gewalt (5%). Insgesamt gab es 10% mehr Fälle als im Jahr zuvor. Bereits von 2017 auf 2018 hatte sich die Zahl der betroffenen Kinder deutlich erhöht – um ebenfalls 10%.

Die Hinweise auf solche Fälle von Kindeswohlgefährdung erhalten die Jugendämter häufig von Personen und Institutionen außerhalb des privaten Umfelds der Kinder – aus Bereichen, die wegen der Corona-Pandemie teilweise nur eingeschränkt arbeiten können. So kam der Hinweis im vergangenen Jahr bei gut einem Fünftel der Fälle aus sozialen Einrichtungen wie Beratungsstellen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe (12 000 Fälle). Auf jedes sechste betroffene Kind wurde aus Schulen und Kitas heraus aufmerksam gemacht (9600 Fälle), auf jedes 14. durch Angehörige des Gesundheitspersonals – etwa Ärztinnen oder Ärzte und Hebammen. Nur in 15% aller Fälle von Kindeswohlgefährdung kam der Hinweis von den Betroffenen selbst oder aus der eigenen Familie (8 600 Fälle).

29% der Kinder wachsen in Bezug auf ihren Bildungsweg in einer Risikolage auf

In Artikel 28 der UN-Konvention ist das Kinderrecht auf Bildung verankert. Demgemäß verpflichten sich die Vertragsstaaten, den Zugang zu sämtlichen Bildungseinrichtungen allen Kindern gleichermaßen zu ermöglichen und für Chancengleichheit zu sorgen. In Deutschland sahen die öffentlichen Haushalte im Jahr 2019 Bildungsausgaben in Höhe von 5900 Euro je Einwohnerin beziehungsweise Einwohner unter 30 Jahren und 4,3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor und damit wesentlich mehr als zehn Jahre zuvor: Im Jahr 2009 betrugen die Bildungsausgaben noch knapp 3 900 Euro pro Kopf und 4,1% des BIP. Diese werden unter anderem für den Ausbau und die Aufrechterhaltung eines breiten Netzes an Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche aufgewendet: Im Schuljahr 2018/19 wurden die rund 99 000 Bildungseinrichtungen hierzulande – Kindertagesstätten, allgemeinbildende Schulen, berufliche Schulen und Hochschulen – von 17,3Millionen Menschen besucht. Beide Werte nahmen im Zehnjahresvergleich zu: Die Zahl der Bildungseinrichtungen stieg gegenüber 2008/09 um 3,7%, die der Bildungsteilnehmenden im selben Zeitraum um 2,4%. Das ist insbesondere auf den Zuwachs im Bereich Kindertagesbetreuung und in der Hochschulbildung zurückzuführen.

Der Bildungsprozess von Kindern und Jugendlichen in Deutschland hängt allerdings von deren familiären Hintergrund ab. Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung nennt drei strukturelle Merkmale – den Bildungsstand der Eltern, den sozioökonomischen Status der Familie sowie den Status der elterlichen Erwerbsbeteiligung – aus denen sich drei Arten von Risikolagen für den Bildungserfolg eines Kindes ableiten lassen: formal gering qualifizierter Eltern sowie die soziale und finanzielle Risikolage. Demnach war in Deutschland 2018 nahezu jeder oder jede Dritte unter 18 Jahren von einer dieser Risikolagen betroffen (29%). Auf 4% der Kinder und Jugendlichen trafen alle drei Risikolagen zu.

In Corona-Zeiten mit ausfallendem Präsenzunterricht und zeitweiligen Schulschließungen hängt der Zugang zu Bildung zudem auch von der digitalen Ausstattung von Familien ab. Diese fällt – je nach Haushaltseinkommen – durchaus unterschiedlich aus. Beispielsweise standen Familien mit hohem Nettoeinkommen (5000 bis 18000 Euro) im Jahr 2019 durchschnittlich fast vier PCs zur Verfügung – egal ob stationär oder mobil als Laptop oder Tablet. In der untersten Einkommensgruppe (unter 2000 Euro) waren es durchschnittlich nur gut zwei solcher Geräte. Im Schnitt verfügten Familien 2019 über insgesamt rund drei Computer.

16% der minderjährigen Kinder aus Familien leben bei Alleinerziehenden

Mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland lebt mit mindestens einem oder einer Minderjährigen in einer Familie: Insgesamt traf dies auf 29,7 Millionen Menschen zu. Immerhin noch 389 000 Menschen lebten mit mindestens fünf Kindern und Jugendlichen in einer Familie. Von den 13,5 Millionen Kindern und Jugendlichen unter 18, die 2019 in Haushalten in Deutschland lebten, war der überwiegende Teil (84%) in einer Familie mit zwei Elternteilen zu Hause. 16% lebten bei alleinerziehenden Vätern oder Müttern.

Methodischer Hinweis:

Armut oder soziale Ausgrenzung ist nach der EU-Definition für EU-SILC (European Union Statistics on Income and Living Conditions) dann gegeben, wenn eines oder mehrere der drei Kriterien „Armutsgefährdung“, „erhebliche materielle Entbehrung“, „Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung“ vorliegen. EU-SILC ist die EU-weit vergleichbare Datenquelle über Einkommen, Armut und Lebensbedingungen in Europa. Für die Statistik gelten in allen Mitgliedstaaten einheitliche Definitionen sowie methodische Mindeststandards. Die amtliche Erhebung, deren Durchführung und Aufbereitung den Mitgliedstaaten obliegt, wird in Deutschland seit 2005 jährlich unter der Bezeichnung LEBEN IN EUROPA als freiwillige Erhebung bei rund 14000 Privathaushalten durchgeführt.

Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eines Kindes unmittelbar droht oder bereits eingetreten ist. In Verdachtsfällen sind die Jugendämter verpflichtet, im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung (nach § 8a SGB VIII) das Gefährdungsrisiko und den Hilfebedarf abzuschätzen und der Gefährdung entgegenzuwirken.

Weitere Informationen:

Weitere Ergebnisse aus LEBEN IN EUROPA 2019 sowie methodische Erläuterungen und Publikationen finden Sie im Themenbereich Lebensbedingungen und Armutsgefährdung.

Das Statistische Amt der Europäischen Union (Eurostat) veröffentlicht die Ergebnisse aller an EU-SILC teilnehmenden Länder in seiner Datenbank.

Weiterführende Ergebnisse zum Kinderschutz befinden sich auf der Themenseite der Kinder- und Jugendhilfestatistiken, in der Publikation „Gefährdungseinschätzungen“ und der Datenbank GENESIS-Online unter „Gefährdungseinschätzungen“ (22518). Der Kinderschutz ist Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie der Vereinten Nationen und wird im Monitoring der Agenda 2030 unter anderem in Indikator 16.2 aufgegriffen.

Um die Folgen der Corona-Pandemie für die Bildungsgerechtigkeit geht es auch in unserem Podcast mit dem Bildungsforscher Kai Maaz, Sprecher der Autorengruppe Bildungsberichterstattung. Weitere Analysen liefert der Bericht „Bildung in Deutschland 2020“.

Ausführliche Informationen zu den Bildungsausgaben finden sich im „Bildungsfinanzbericht“.

Weitere Ergebnisse zum Zusammenleben von Familien in Deutschland finden sich in der Fachserie 1 Reihe 3 „Haushalte und Familien – Ergebnisse des Mikrozensus 2019“.

Quelle: Pressemitteilung DESTATISStatistisches Bundesamt vom 19.11.2020

Hierzu kommentiert das ZFF:

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes vermitteln den Anschein, dass die Kinderarmut in Deutschland im Jahr 2019 gesunken ist. Dies ist aber nur bzgl. einer bestimmten Messvariante korrekt. Das Statistisches Bundesamt bedient sich bei diesen vorliegenden Zahlen der Daten aus der EU-Silc Erhebung. Mit dieser Erhebung wird versucht, Vergleiche zwischen den europäischen Ländern bzgl. der Armutsbetroffenheit von Kindern und Jugendlichen anhand von bestimmten Kriterien herzustellen. Sie ist damit aber nicht mit anderen statistischen Erhebungen vergleichbar wie etwa der Armutsgefährdungsquote im Rahmen des Mikrozensus. Hier können wir über die letzten Jahre eher eine Verstetigung bzw. sogar eine Zunahme der Kinderarmut beobachten: im Jahr 2019 lag die Armutsrisikoquote für unter 18-jährige bei 20,5%. Das beutet, dass jedes 5. Kind von Armut und Ausgrenzung bedroht war.

Darüber hinaus zeigt sich, z.B. durch die erhöhte Inanspruchnahme des Kinderzuschlags, Einkommenseinbußen und einer vermehrten Arbeitslosigkeit bedingt durch die Corona-Krise der letzten acht Monate, dass sich Armut im Jahr 2020 voraussichtlich noch weiter erhöhen wird.

Um die Kinderarmut nachhaltig zu reduzieren, fordert das ZFF gemeinsam mit einem breiten Bündnis daher seit über 10 Jahren die Einführung einer Kindergrundsicherung.

Weitere Informationen unter: www.kinderarmut-hat-folgen.de

Gegen sexuellen Kindesmissbrauch: Am Internationalen Tag der Kinderrechte fordert der Deutsche Familienverband bessere Informationsangebote und mehr Sensibilisierung.

Kinder haben ein Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Aber immer noch werden Minderjährige Opfer sexueller Gewalttaten. „Es ist nach wie vor notwendig, sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen aufzugreifen und darüber zu informieren. Die Zahlen von minderjährigen Opfern stagnieren weiterhin auf hohem Niveau“, sagt René Lampe, Vizepräsident des Deutschen Familienverbands (DFV).

Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden 2019 15.936 Kinder Opfer von sexueller Gewalt. In ihren Berichten weist die Kriminalpolizei wiederholt darauf hin, dass es sich bei dieser Zahl nur um polizeilich erfasste Fälle handelt. Viele Taten blieben unentdeckt. Angelehnt an Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist für Deutschland auszugehen, dass es in jeder Schulklasse ein bis zwei betroffene Kinder gibt. „Die Schätzungen sind alarmierend. Wir dürfen nicht aufhören, diesem Thema Beachtung zu schenken“, so Lampe.

Sehr viele Taten geschehen in Familien oder im kindlichen Umfeld. Das macht den Umgang mit sexuellem Missbrauch erwiesenermaßen sehr schwierig. „Eltern oder andere Erwachsene sind verunsichert. Wie sollen sie bei einem Verdacht reagieren? An wen können sie sich mit Fragen wenden? Wir brauchen bessere und einfacher zugängliche Informationsangebote. Auch Beratungsstellen müssen stärker gefördert werden“, sagt Lampe.

Der DFV engagiert sich seit vielen Jahren gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen und für Gewaltprävention. Sein Fachwissen ist bei Bundesregierung und Bundesfamilienministerium regelmäßig gefragt. In Projekten vor Ort befasst sich der DFV mit Gewalt in Familien und versucht zu vermitteln. „Es ist wichtig, dass wir keine Angst vor schmerzlichen Themen haben. Wir müssen uns als Gesellschaft damit befassen. Es geht darum, sensibel zu sein und Verantwortung zu übernehmen“, so Lampe. „Wir dürfen niemals wegsehen!“

Weitere Informationen

Beratungsstelle ProMann des DFV-Landesverbands in Sachsen-Anhalt

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 20.11.2020

Das Deutsche Kinderhilfswerk mahnt zum heutigen Internationalen Tag der Kinderrechte Bund, Länder und Kommunen an, die in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Kinderrechte auch in der Corona-Pandemie zu gewährleisten. Bei allen in Zusammenhang mit der Pandemie erlassenen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen sowie deren Auswirkungen müssen das Kindeswohl beachtet und insbesondere Kinder in verletzlichen Lebenslagen besonders aufmerksam in den Blick genommen werden. Das gilt beispielsweise für Kinder, die in Armut oder hochkonfliktreichen Situationen aufwachsen, geflüchtete Kinder und Kinder mit Behinderungen.

"Mittlerweile wurde erkannt, welchen Stellenwert die Aufrechterhaltung des Schulunterrichts und die Öffnung von Kitas in der Pandemie haben. Dabei dürfen wir jedoch nicht stehen bleiben und die Entwicklungsrechte von Kindern nicht auf Betreuung und Wissensvermittlung reduzieren. Kinder und Jugendliche brauchen soziale Interaktion, Bewegung, kulturelle Entfaltung und politische Bildung, ansonsten nimmt ihre Entwicklung deutlichen Schaden", betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Eine vor kurzem vom Deutschen Kinderhilfswerk veröffentlichte repräsentative Umfrage hatte ergeben, dass 72 Prozent der Befragten der Ansicht sind, dass die Interessen von Kindern in der Corona-Pandemie nur unzureichend berücksichtigt wurden und werden. In Bezug auf die Bildungschancen von Kindern sind 76 Prozent der Ansicht, dass diese aufgrund der Corona-Krise im Allgemeinen gesunken sind, in Bezug auf die Bildungschancen von Kindern aus armen Haushalten meinen das sogar 81 Prozent. Gleichzeitig plädiert eine große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland (71 Prozent) für eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz, damit die Interessen von Kindern bei politischen Entscheidungen stärker als bisher berücksichtigt werden.

"Wir blicken bei den Kinderrechten in Deutschland auf einen föderalen Flickenteppich. So sind beispielsweise die Kinderarmutsquoten sehr unterschiedlich, oder die Beteiligungsrechte von Kindern nur teilweise gesetzlich abgesichert. Deshalb sollten die Kinderrechte systematisch ausgebaut und strukturell verankert werden, zuvorderst im Grundgesetz. Das ist zum einen rechtlich geboten, und wird zum anderen auch unsere Demokratie langfristig stärken", so Krüger weiter.

"Die Einhaltung der Kinderrechte auf Schutz, Förderung, Beteiligung und Teilhabe von Kindern muss gerade jetzt höchste Priorität haben. Wie es uns gelingt, zum einen Ungleichheiten nicht weiter zu verstärken, und zum anderen sogar Maßnahmen zu treffen, um niemanden in der Corona-Pandemie zurückzulassen, ist entscheidender Maßstab für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Die vorrangige Berücksichtigung der kindlichen Interessen bei staatlichen Entscheidungen, so auch bei allen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, braucht es derzeit mehr denn je. Darauf zielt auch die überfällige Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz ab", so Krüger.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 20.11.2020

Zum Tag der Internationalen Kinderrechte am 20. November veröffentlicht das Netzwerk Kinderrechte den Bericht zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland in Einfacher Sprache. Die Einfache Sprache ist wichtig, um von möglichst vielen Personen verstanden zu werden.

Kinder berichten, dass sie sich durch komplizierte Ausdrücke von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen fühlen, sich nicht beteiligen können oder auch den Mut verlieren: „Leider kenne ich es aus dem Alltag nur selten, dass versucht wird Dinge einfach auszudrücken. Und wenn ich es nicht verstehe, verliere ich schnell die Lust, mich weiter mit dem Thema zu beschäftigen” beklagt Ann-Sophie, zehn Jahre, die am Zweiten Kinderrechtereport des Netzwerks Kinderrechte beteiligt war.

„Um seine Rechte wahrzunehmen, muss man sie kennen und verstehen“, sagt Prof. Jörg Maywald, Sprecher des Netzwerks Kinderrechte. Damit alle Kinder zu ihrem Recht kommen, müssen alle Menschen egal welchen Alters wissen, welche Kinderrechte es gibt.

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes empfiehlt deshalb, Informationen so zu verbreiten, dass alle sie verstehen. „Gerade in schwierigen Zeiten müssen Kinder und Jugendliche mitbestimmen können. Dafür brauchen sie Zugang zu Informationen – einfach und verständlich“, sagt Luise Pfütze, Sprecherin des Netzwerks Kinderrechte.

Die National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention e.V. ist ein Zusammenschluss auf Bundesebene von 105 Organisationen zur Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes. Sie setzt sich seit vielen Jahren nachdrücklich für die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz und für die Etablierung von strukturellen Partizipationsformen für Kinder und Jugendliche ein.

Quelle: Pressemitteilung National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention vom 19.11.2020

Steigende Armut, geschlossene Schulen, familiäre Gewalt: Zum Internationalen Tag der Kinderrechte am 20. November warnen die SOS-Kinderdörfer davor, dass die Corona-Pandemie und ihre Folgen das Leben von Millionen Kindern weltweit in allen Lebensbereichen bedroht. Besonders in den armen Ländern stünden die Entwicklungschancen einer ganzen Generation auf dem Spiel. Christian Neusser, Kinderrechtsexperte der SOS-Kinderdörfer, sagt: „Die Ausmaße sind tiefgreifend. Denn es geht ja nicht nur um die Verletzung einzelner Kinderrechte, sondern um eine ganze Kette: Armut zum Beispiel zieht Krankheit, Kinderarbeit oder den Verlust der Bildung nach sich."

Es sei zu befürchten, dass in Folge der Pandemie die extreme Kinderarmut massiv ansteigen werde. Bis zu 150 Millionen Kinder könnten nach UN-Angaben in extreme Armut geraten – zusätzlich zu den vielen hundert Millionen Kindern, die bereits vorher betroffen waren. Weltweit konnten zeitweise 1,5 Milliarden Kinder nicht die Schule besuchen. Vor allem in ärmeren Ländern sei damit zu rechnen, dass viele Schüler nie wieder in die Schule zurückkehren werden, weil ihre Familien zu arm sind. „Zahlreiche Kinder gehen jetzt zur Arbeit anstatt in den Unterricht", sagt Christian Neusser. Fortschritte der letzten Jahrzehnte drohten zunichte gemacht zu werden. Auch die familiäre Gewalt und Vernachlässigung steige in Folge von erhöhtem Stress und neuer Armut. Betroffene Kinder hätten aufgrund der Schließung von Betreuungseinrichtungen keine Chance, sich Unterstützung zu holen und seien von sozialen Hilfsangeboten ausgeschlossen.

„In der Krise wird deutlich: Versorgung, Schutz und Bildung von Kindern müssen Hand in Hand gehen. All dies ist wichtig für die Entwicklung der jungen Menschen. Internationale Organisationen und nationale Regierungen müssen sich dafür einsetzen, dass diese Rechte tatsächlich umgesetzt werden!", sagt Christian Neusser. Auch Deutschland sei hier in der Verantwortung: „Die Kinderrechte müssen klares Leitbild der deutschen Entwicklungszusammenarbeit werden!"

Quelle: Pressemitteilung SOS-Kinderdorf e.V. vom 19.11.2020

SCHWERPUNKT IV: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

BM Giffey: Der Schutz von Frauen vor Gewalt braucht eine europäische Antwort

116 016 – unter dieser Telefonnummer sollen in Zukunft Frauen, die von Gewalt betroffen sind, in vielen Ländern Europas Hilfe bekommen. Dafür hat sich am 20. November 2020 eine Mehrheit der Gleichstellungsministerinnen und -minister aller EU-Staaten sowie der EFTA-Staaten (Schweiz, Norwegen, Liechtenstein, Island) und Großbritannien auf einem Informellen Treffen ausgesprochen. Bundesfrauenministerin Franziska Giffey, die die Videokonferenz geleitet hatte, sprach anschließend von einem starken Signal für betroffene Frauen und Mädchen in ganz Europa:

„Gewalt gegen Frauen geht uns alle an und ist nirgendwo Privatsache. Sie betrifft sämtliche Altersgruppen und soziale Schichten – und sie ist in allen europäischen Ländern ein großes Thema. Deshalb brauchen wir darauf auch eine europäische Antwort. Eine einheitliche, gemeinsame Nummer für Hilfetelefone wäre ein weiterer Schritt auf dem Weg dorthin. Niedrigschwellige und wirksame Maßnahmen zum Gewaltschutz sind vor dem Hintergrund der Corona-Krise wichtiger denn je. Deutschland ist mit seinem Hilfetelefon Vorbild, und ich hoffe, dass durch unseren heutigen Beschluss noch mehr EU-Staaten ihr telefonisches Hilfeangebot ausbauen“, so Ministerin Giffey.

Deutschland hat seit 2013 ein bundesweites Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der Nummer 08000 116 016 eingerichtet. Es ist ein kostenfreies, rund um die Uhr erreichbares, 18-sprachiges und anonymes Beratungsangebot. Viele EU-Staaten verfügen über ähnliche Angebote. Ziel des Beschlusses ist es, eine europaweit einheitliche Telefonnummer, die 116 016, einzurichten, unter der das jeweilige nationale Hilfetelefon erreichbar ist. Es haben sich heute 22 EU-Staaten sowie die Schweiz und die Europäische Kommission dafür ausgesprochen, dieses Vorhaben zu unterstützen.

Zweiter Schwerpunkt des Informellen Treffens war der Austausch von Best-Practice-Maßnahmen im Bereich Gewaltschutz. Ministerinnen und Minister einzelner Mitgliedstaaten stellten während der Videokonferenz herausragende Beispiele persönlich vor. Die Angebote reichen von der Ausweitung der Frauenhäuser, über breit angelegte Informationskampagnen, Verbesserungen in der Polizeiarbeit bis hin zu Maßnahmen, die konkret zur Linderung entsprechender Folgen der Corona-Krise ergriffen wurden.

Fazit dieses Austauschs: „Gemeinsam sind wir stärker als Gewalt!“. Das ist auch der Name einer bundesweiten Initiative, die Bundesfrauenministerin Giffey im November 2019 gestartet hat. Bisher haben sich 13 Partnerinnen und Partner zusammengeschlossen, die im Bereich Hilfe und Unterstützung aktiv sind. Ziel der Initiative ist es, von Gewalt betroffene Frauen und Männer zu ermutigen, sich Unterstützung zu holen und die Hilfsangebote besser bekannt zu machen.

Der Informelle Gipfel der EU-Gleichstellungsministerinnen und -minister ist aus Sicht des BMFSFJ einer der Höhepunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie konnten sich die Teilnehmenden nicht persönlich treffen, so dass eine Videokonferenz stattfinden musste. Ursprünglich sollte der Gipfel in Potsdam im Brandenburger Landtag stattfinden.

Weitere Informationen zu den Themen des BMFSFJ im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft finden Sie unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/ministerium/internationales/eu-ratspraesidentschaft

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20.11.2020

Mehr als einmal pro Stunde wird in Deutschland eine Frau von ihrem (Ex-)Partner körperlich angegriffen und jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Partnerschafts- und Trennungsgewalt nehmen zu. Auf der Grundlage der Istanbul-Konvention muss die Verfolgung und Aufarbeitung geschlechtsbezogener Gewalt, insbesondere bei Femiziden, verbessert werden.

„Während der Öffentliche Raum für Männer der gefährlichste Raum ist, ist es für Frauen das eigene Zuhause. Anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen fordert die SPD-Bundestagsfraktion eine konsequentere Umsetzung der Istanbul-Konvention im Hinblick auf Gewaltprävention, Opferschutz und effektiver Strafverfolgung. Geschärft werden muss unser aller Bewusstsein für die gesamtgesellschaftlichen Ursachen geschlechtsspezifischer Gewalt.

Femizide sollten konsequenter und angemessener bestraft werden. In Deutschland treten Femizide meist als „Trennungstötung“ auf. Es ist aber das Recht eines jeden Menschen, frei darüber zu entscheiden, mit wem sie beziehungsweise er eine Partnerschaft eingeht oder aufrechterhält. Frauen werden von ihren (Ex-)Partnern getötet, weil diese selbstbestimmte Entscheidungen über ihr Leben, ihren Körper, ihre Sexualität nicht dulden.

Im Vordergrund der Bekämpfung von Partnerschafts- und Trennungsgewalt muss deren Prävention stehen. Gewalt ist keine Privatangelegenheit – wir brauchen mehr Unterstützung und Sicherheit für potenzielle Opfer, den Willen zum rechtzeitigen Handeln. Auszubauen ist eine intensive Tat-Ursachenforschung, die flächendeckende Weiterentwicklung präventiver Risikoanalysen und eine interdisziplinäre Kooperation mit Beratungsstellen, Frauenhäuser, etc. Darüber hinaus brauchen wir eine konsequente Rechtsprechung bei Trennungstötungen: Diese dürfen nicht milder bestraft werden als andere Tötungsdelikte. Nicht zuletzt brauchen wir den weiteren Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen. Notwendig ist auch eine stärkere öffentliche Sensibilisierung – Initiativen wie des BMFSFJ ‘Stärker als Gewalt‘ sind ein guter Anfang.“

Quelle: Pressemitteilung SPD – Bundestagsfraktion vom 25.11.2020

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik, und Irene Mihalic, Sprecherin für Innenpolitik:

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zeigt es auch in diesem Jahr: Gewalt gegen Frauen bleibt auf einem erschreckend hohen Niveau. Vor allem die vielen Tötungen von Frauen durch Partner oder Ex-Partner können wir als Gesellschaft nicht akzeptieren. Diesen Tötungen geht meist eine lange Gewaltgeschichte voraus. Das heißt, diese Tötungen könnten durch Präventionsmaßnahmen und ein engmaschigeres Hilfenetz möglicherweise verhindert werden. Damit Präventionsmaßnahmen verbessert werden können, fordern wir eine genauere Erfassung der sogenannten ‚Partnerschaftsgewalt‘ in der PKS.
Noch wichtiger ist der Ausbau von Frauenhäusern, Frauennotrufen und Frauenberatungsstellen, die Orte, an die Frauen sich in Not direkt wenden können. Als einzige Fraktion haben wir bisher einen Vorschlag zur besseren Finanzierung von Frauenhäusern eingebracht – das ist bereits ein Jahr her. Wir wollen, dass jede Frau überall in Deutschland und unabhängig von sozialem Status oder Aufenthaltstitel Schutz und Hilfe bekommt, wenn sie von Gewalt betroffen ist.
Zudem wollen wir, dass das Phänomen Hass gegen Frauen besser erfasst und bekämpft wird. Wir fordern die Anerkennung von Frauenhass als politisch motivierte Kriminalität und wollen die Beratungsmöglichkeiten von betroffenen Mädchen und Frauen stärken.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 24.11.2020

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November setzen Akteur*innen in aller Welt jährlich ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen. Der AWO Bundesverband bekräftigt zu diesem Anlass seine Forderung für einenRechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für gewaltbetroffene Frauen und deren mitbetroffene Kinder. Das Hilfe- und Unterstützungssystem zum Schutz vor häuslicher Gewalt muss verpflichtend und auskömmlich finanziert werden.

„Sichere Zuflucht vor Gewalt muss für jede gewaltbetroffene Frau in Deutschland und Europa jederzeit möglich sein. Finanzierungslogiken von Ländern und Kommunen dürfen kein Hinderungsgrund sein, Frauen Schutz und Beratung in Frauenhäuser zu gewähren, die sie in der Krisensituation benötigen“, so Wolfgang Stadler, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbands. „Wir brauchen eine bundeseinheitliche Lösung ebenso wie eine ausreichende Anzahl von Plätzen in Schutzeinrichtungen für Frauen. Bund, Länder und Kommunen müssen sich hierzu noch in dieser Legislaturperiode einigen. Bundeseinheitliche Regelungen für den Gewaltschutz für Frauen können nicht länger verschoben werden“.

Bund, Länder und Kommunen haben den Auftrag, über den bedarfsgerechten Ausbau und die adäquate finanzielle Absicherung der Arbeit von Frauenhäusern und entsprechenden ambulanten Hilfs- und Betreuungsmaßnahmen zu beraten. Der dafür eingerichtete Runde Tisch wird erst im Frühjahr 2021 über einen gemeinsamen Lösungsansatz bzw. gemeinsame Eckpunkte einer gesetzlichen Regelung beraten und beschließen. Die Zeit drängt, um noch in dieser Legislaturperiode eine verlässliche Basis für Schutz und Hilfe für gewaltbetroffene Frauen zu verabschieden.

Wie die jüngst vorgestellte Kriminalstatistische Auswertung zur Partnerschaftsgewalt für das Jahr 2019 zeigt, ist die Gewalt in Partnerschaften auf einem hohen Niveau geblieben. In mehr als 80 % der Gewalttaten sind Frauen die Opfer von Bedrohung, Körperverletzung, Stalking und Sexualdelikten durch Ehemänner, Partner und Ex-Partner. 301 Frauen wurden 2019 in Partnerschaften Opfer von Mord- und Totschlagsversuchen. 117 von ihnen überlebten diese nicht.

„In diesem Jahr hat die Corona-Krise die Situation für viele Frauen verschärft, wie Berichte aus Gewaltambulanzen über schwere Gewalt gegen Frauen zeigen. Jede Frau muss zu jeder Zeit die Möglichkeit haben, die Gewaltsituation verlassen zukönnen und Schutz und Hilfe zu erhalten“, so Wolfgang Stadler.

In der Regel seien Frauen und ihre mitbetroffenen Kinder diejenigen, die sich aktiv um Sicherheit und neue Lebensperspektiven bemühen müssen, kritisiert der Verband. Noch zu oft blieben die Gewalttäter unbehelligt. „Der Schutz vor Gewalt ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Schutzeinrichtungen und Fachberatungsstellen müssen flächendeckend vorhanden, niedrigschwellig zugänglich und erreichbar sein. Die Aufklärung über die Dynamik und Folgen von häuslicher Gewalt bei Richter*innen, Jugendämtern und einer breiten Öffentlichkeit muss noch stärker unterstützt werden“, so Stadler, „Neben den Angeboten für Frauen und Mädchen braucht es auch Beratungsangebote für Jungen und Männer, um sich mit Gewaltmustern und Hilfemöglichkeiten auseinanderzusetzen.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 24.11.2020

Noch immer werden nicht alle Frauen und Mädchen in Deutschland effektiv vor Gewalt geschützt, kritisiert das zivilgesellschaftliche Bündnis Istanbul-Konvention (BIK) anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen am 25. November. Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für 2019 einen Anstieg der häuslichen Gewalt aus. Jeden dritten Tag tötet ein Mann in Deutschland seine (Ex-) Partner*in, jeden Tag versucht es einer. Diese Femizide sind verhinderbar, betonen die Expert*innen. Sie bemängeln weiterhin, dass vor allem das Recht von marginalisierten Frauen und Mädchen auf Schutz und Unterstützung nicht ausreichend umgesetzt wird.

Im Bündnis Istanbul-Konvention haben sich über 20 der wichtigsten Frauenrechts- und Gewaltschutzorganisationen sowie Expert*innen mit einem Schwerpunkt zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen zusammengeschlossen. Gemeinsam fordern sie die Bundesregierung auf, Gewaltschutz über die Ressorts hinweg zur politischen Priorität zu machen. Für die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention muss eine mit klarem Mandat und politischen Kompetenzen ausgestattete Koordinierungsstelle eingerichtet werden. Die Bundesregierung sollte außerdem eine einheitliche und effektive Gesamtstrategie im Sinne der Istanbul-Konvention entwerfen und diese mit entsprechenden personellen und finanziellen Mitteln ausstatten, fordert das Bündnis. Diese muss neben Schutzmaßnahmen auch präventive Maßnahmen enthalten, die auch die Ursachen von geschlechtsspezifischer Gewalt in den Blick nehmen und somit nachhaltig wirksam sein können.

Mit Inkrafttreten der Istanbul-Konvention in Deutschland vor rund drei Jahren hat sich die Bundesregierung dazu verpflichtet, Gewalt gegen Frauen und Mädchen nachhaltig zu verhindern und zu bekämpfen, die Betroffenen durch umfassende Präventionsmaßnahmen zu schützen und zu unterstützen. Das Abkommen hat weitreichende Konsequenzen auf der Bundes-, Länder- und der kommunalen Ebene und für viele verschiedene Bereiche von der Kultur- bis zur Gesundheitspolitik. Trotz wichtiger Initiativen des Bundesfrauenministeriums und stärkerer Fokussierung auf das Thema, mangelt es noch immer an ganzheitlichen politischen Maßnahmen und einer Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention. Die Verantwortlichkeit der Bundesministerien ist unklar, die Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen, auch zu sexualisierter Gewalt, bleibt unzureichend. Hinzu kommt, dass die Schutz- und Unterstützungsangebote, auch für Mädchen, mangelhaft sind, und die politischen Maßnahmen nicht auf ihre Wirksamkeit überprüft werden, bemängelt das Bündnis. Vor diesem Hintergrund setzt das BIK große Hoffnung in die Monitoringstelle, deren Konzept gerade entwickelt wird. Das Bündnis fordert hierbei hohe Beteiligungsmöglichkeiten, damit in Zukunft bedarfsgerechte Maßnahmen für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder in Deutschland erfolgen.

Die Istanbul-Konvention betont den besonderen Schutz marginalisierter Personen und stellt sich gegen Diskriminierung. Wir sind noch weit davon entfernt, dass alle Frauen und Mädchen gleichermaßen Zugang zu Unterstützung und Schutz erhalten. Dies gilt beispielsweise für wohnungslose Frauen und LBTI* Personen. Nach wie vor findet sich auch kein Gewaltschutzkonzept für Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Das BIK kritisiert insbesondere den Vorbehalt der Bundesregierung gegen Artikel 59 (2) und (3), weil dieser gewaltbetroffene migrierte und geflüchtete Frauen daran hindert, einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Das Bündnis fordert, diese eklatante Ablehnung des Gewaltschutzes für Migrantinnen zu beheben.

Aktuell erarbeitet das BIK einen Schattenbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland und reagiert so auf die bestehenden Missstände mit direkten Handlungsempfehlungen. Der Bericht wird im Frühjahr 2021 veröffentlicht.

Mitgliedsorganisationen: BAG Autonome Mädchenhäuser, BAG Forsa e.V., BAG kommunaler Frauenbüros, BAG Täterarbeit e.V., BAG Wohnungslosenhilfe e.V., bff – Frauen gegen Gewalt e.V., BIG e.V., BVFeSt e.V., DaMigra e.V., Deutscher Frauenrat e.V., djb e.V., Frauenhauskoordinierung e.V., gesine intervention, JUMEN, KOK e.V., S.I.G.N.A.L. e. V., MIA e.V., medica mondiale e.V., Weibernetz e. V., Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser

Beratende Expert*innen: Prof. Dr. Ariane Brenssell, Ostfalia Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel; Karin Heisecke, politische Beraterin und Expertin zu Gewalt gegen Frauen; Dr. Monika Schröttle, Forschungs- und Beobachtungsstelle Geschlecht, Gewalt, Menschenrechte (FOBES) am Institut für empirische Soziologie, Nürnberg

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Frauenrat vom 24.11.2020

Inklusive und umfassende Umsetzung der Istanbul-Konvention notwendig

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25. November 2020 erklärt Henny Engels, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Gewalt gegen Lesben, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Frauen ist auch geschlechtsspezifische Gewalt. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert, dass bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention ausdrücklich auch die Belange lesbischer, bisexueller, trans- und intergeschlechtlicher Frauen selbstverständlicher und sichtbarer Bestandteil der Maßnahmen sind.

Deutschland hat das "Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt" (Istanbul-Konvention) ratifiziert. Diese fordert ausdrücklich positive Aktionen, um dafür Sorge zu tragen, dass Präventionsmaßnahmen speziell den Bedürfnissen schutzbedürftiger Personen entsprechen und meint dabei explizit auch lesbische, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Frauen.

So wird Hasskriminalität gegen lesbische, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Frauen bislang in der Statistik zu Politisch motivierter Kriminalität noch nicht einmal gesondert erfasst. Die polizeilichen Erfassungssysteme müssen reformiert werden, damit Hasskriminalität detailliert aufgeschlüsselt und in ihren realen Ausmaßen gesellschaftlich sichtbar wird. Der LSVD fordert die Bundesregierung zudem auf, unverzüglich eine unabhängige Expert*innen-Kommission einzusetzen, die eine systematische Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen von LSBTI-Feindlichkeit und damit verbundener Hasskriminalität erarbeitet und der Bundesregierung sowie dem Bundestag einen Lagebericht mit Handlungsempfehlungen vorlegt.

Geschlechtsspezifische Gewalt richtet sich oft gegen Frauen, die gegen Geschlechterstereotype aufbegehren. Mit ihrem Auftreten, Erscheinen oder Beziehungen und Familien verstoßen lesbische, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Frauen oftmals gegen vorherrschende Normen, Konventionen und Zwänge, wie Frauen auszusehen, zu sein oder zu begehren und lieben zu haben.

Alle Frauen haben ein Recht darauf, gewalt-, angst- und diskriminierungsfrei über sich, ihr Leben, ihren Körper und ihre Beziehungen und Familien bestimmen zu können.

Hintergrund

LSVD-Stellungnahme zum CEDAW-Staatenbericht der Bundesregierung (Punkt 2: Prävention und Bekämpfung von homophober und trans*/interfeindlicher Gewalt)

Adressierung lesben- und transfeindlicher Gewalt bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention

Diskriminierung und Gewalt gegen lesbische und bisexuelle Frauen in Deutschland

Erfahrungen von transgeschlechtlichen Menschen in Deutschland

Frei und sicher leben: Homophobe und transfeindliche Hasskriminalität entschieden bekämpfen. Forderungen des LSVD

Quelle: Pressemitteilung Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) vom 24.11.2020

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Internationale Konferenz zu LSBTI-Themen und zur Gleichstellungsstrategie der EU

Unter dem Regenbogen sind alle gleich: Ein Satz der selbst im modernen Europa noch immer nicht überall gelebt wird. Über die Lebensrealitäten der LSBTI- Menschen weiß unsere Gesellschaft noch viel zu wenig. Um das zu ändern, veranstaltet das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) gemeinsam mit der Beobachtungsstelle für gesellschaftspolitische Entwicklungen in Europa am 18. und 19. November 2020 eine internationale LSBTI-Konferenz mit mehr als 400 aus ganz Europa zugeschalteten Teilnehmenden im Hotel Oderberger in Berlin.

Erstmals wird dabei auch die Bedeutung der am 12. November 2020 von der Europäischen Kommission vorgestellten Strategie für die LSBTI-Gleichstellungspolitik vor einer breiten Öffentlichkeit debattiert. Beim Panel diskutiert Bundesfamilienministerin Franziska Giffey auf dieser digital stattfindenden Konferenz mit der EU-Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli, und Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejčinović Burić.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey:

„Die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität ist leider vielerorts noch traurige Realität. Das moderne Europa steht für eine Gleichstellungspolitik, die alle Menschen und Gruppen mitnimmt, egal welches Geschlecht, welche Sexualität, welche Religion und welche Herkunft sie haben. Europäerinnen und Europäer dürfen keine Angst haben vor ihrem Coming-Out haben oder davor, ihr Leben selbstbestimmt zu leben. Eine menschenverachtende und homophobe Rhetorik darf in der Europäischen Union nicht akzeptiert werden. Deshalb unterstützt Deutschland die neue europäische LSBTI-Gleichstellungsstrategie und wirbt in allen Mitgliedstaaten für breite Akzeptanz. Ein wichtiges Ziel ist dabei, LSBTI-Personen gesetzlich gegen ‚Hate Crimes‘ zu schützen. Außerdem soll für Regenbogenfamilien die Freizügigkeit innerhalb der EU leichter werden, indem die Mitgliedstaaten die Heirats- und Geburtsurkunden gegenseitig anerkennen. Es ist an der Zeit, dass die EU-Mitgliedsstaaten und ihre Institutionen besser bei LSBTI-Themen kooperieren – die neue EU-Strategie weist den Weg.“

Das BMFSFJ engagiert sich für eine Gleichstellungspolitik, die aktiv gegen Diskriminierung vorgeht. 2014 wurde ein eigenes Fachreferat eingerichtet, das sich mit den Verbänden und Interessenvertretungen der LSBTI-Community vernetzt und auch mit den Bundesländern zusammenarbeitet.

Das Ministerium interessiert, was schwule Männer und lesbische Frauen, Trans- und Interpersonen in ihrem Alltag bewegt und gegen welche Ungerechtigkeiten sie kämpfen. Ein Ziel ist es, ‚Hate Crimes‘ gegen die LSBTI Community – sowie gegen jede andere Minderheit in unserem Land – zu verhindern.

Um Information und Prävention zu verbessern, hat das BMFSFJ im Mai 2019 das Regenbogenportal gelauncht, eine umfassende Wissens- und Unterstützungs-Webseite für LSBTI-Personen, ihre Angehörigen und vor allem auch für Fachkräfte aus den Bereichen Beratung und Bildung. Das Regenbogenportal bietet gut aufbereitete Informationen, Materialien, Beratungs- und Fortbildungsangebote für den privaten und beruflichen Alltag. www.regenbogenportal.de

Im Bundesprogramm „Demokratie Leben“ fördert das Bundesfamilienministerium auch in der aktuell laufenden Förderphase bis Ende 2024 bundesweit Modellprojekte sowie ein zentrales Kompetenznetzwerk gegen Homosexuellen- und Transfeindlichkeit.

Im Sommer 2020 hat das BMFSFJ das Dialogforum Geschlechtliche Vielfalt gestartet. Hier arbeitet das Ministerium mit Vertreterinnen und Vertretern aus der freien Wohlfahrtspflege und aus Interessenverbänden trans- und intergeschlechtlicher Menschen zusammen. Ziel ist es, die Beratungs- und Unterstützungslandschaft in Deutschland zum Thema „Geschlechtliche Vielfalt“ auszubauen und zu stärken.

Zur LSBTI-Konferenz:

Die digitale Fachkonferenz wird im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und anlässlich des Auftakts des deutschen Vorsitzes im Ministerrat des Europarats gemeinsam vom Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) und der Beobachtungsstelle für gesellschaftspolitische Entwicklungen in Europa organisiert.

Die Konferenz beschäftigt sich mit Mehrfachdiskriminierungen von LSBTI-Personen mit einem Fokus auf lesbischen Frauen. Dabei werden die verschiedenen Dimensionen von Diskriminierungen wie Rassismus, Sexismus, Klassismus, Homo- und Transphobie ganzheitlich betrachtet. Eine schwarze lesbische Frau erlebt auch in Deutschland sehr wahrscheinlich andere Benachteiligungen, als eine weiße lesbische oder auch eine weiße heterosexuelle Frau. Dieses Wissen ist der Schlüssel dazu, in den Ländern der Europäischen Union politische Maßnahmen zu ergreifen, die alle erreichen: die heterosexuellen, die lesbischen, die schwarzen Frauen und Frauen mit Behinderung.

Es geht aber auch um Regenbogenfamilien und wie ihre Familien innerhalb der Europäischen Union rechtlich anerkannt werden. Nach der neuen europäischen LSBTI-Strategie sollen Regenbogenfamilien in Situationen, die in den Geltungsbereich des EU-Rechts fallen, genauso behandelt werden wie jede andere Familie. Außerdem soll sexuelle und geschlechtsspezifische Vielfalt viel stärker als Thema in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für Behindertenpflege und pädagogisches Personal einbezogen werden.

Mehr Informationen unter: https://bmfsfj-veranstaltungen.bafza.de/en/intersectionality-and-lgbti-policies-in-europe/home.html

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 19.11.2020

Bundesfrauenministerin Giffey und Bundesjustizministerin Lambrecht haben heute gemeinsam dem Kabinett die Stellungnahme der Bundesregierung zur Wirksamkeit des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG) vorgelegt.

Der Stellungnahme liegt ein unabhängiges Evaluationsgutachten zur Wirksamkeit des FüPoG durch die Kienbaum Consultants International GmbH zugrunde. Die Evaluation bestätigt, was Bundesjustizministerin Lambrecht und Bundesfrauenministerin Giffey mit ihrem Gesetzentwurf erreichen wollen: verbindliche Vorgaben führen zu Verbesserungen. Die feste Quote hat laut Evaluation zu einem starken Anstieg der Zahlen von Frauen in Aufsichtsräten geführt und hat auch weitere positive Effekte bei den einbezogenen Unternehmen. So wurde die gesetzliche Vorgabe von 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten mit aktuell 35,2 Prozent übertroffen. Unternehmen, die der festen Quote unterliegen, sind zudem für das Thema Gleichstellung zunehmend sensibel, was sich in Besetzungsverfahren und in häufig besser organisierten Strukturen zur Förderung des Aufstiegs von Frauen niederschlägt. Daher empfiehlt das Evaluationsgutachten eine Ausweitung des Geltungsbereichs der festen Quote, um diese positiven Effekte weiterzutragen.

Die Evaluation hat aber auch ernüchternde Ergebnisse bei den Zielgrößen in Vorständen aufgezeigt. Der Frauenanteil in den Vorständen der vom Gesetz betroffenen Unternehmen liegt nur bei 7,6 Prozent. Und die selbst gesetzten Zielgrößen deuten nicht darauf hin, dass die Unternehmen an dieser Situation etwas ändern wollen: Rund 70 Prozent der vom Gesetz betroffenen Unternehmen setzen sich für die Zukunft die Zielgröße „Null“ für den Vorstand. Die geringere Verbindlichkeit wirke sich zudem negativ sowohl auf die Bekanntheit des Gesetzes als auch auf die Erfüllung der Veröffentlichungspflichten und die Höhe der Frauenanteile selbst aus. Die Evaluation empfiehlt daher, verbindlichere Regeln für den Vorstand aufzustellen, um die Wirkung des Gesetzes zu erhöhen.

Bundesfrauenministerin Franziska Giffey: „Diese Evaluation stärkt unsere Forderung nach einer verbindlichen Mindestbeteiligung von einer Frau in großen Vorständen ab vier Mitgliedern. Wir können uns nicht zurücklehnen und nochmal etliche Jahre darauf hoffen, dass die Unternehmen sich höhere Zielgrößen setzen. Freiwillig tut sich nichts. Es ist an der Zeit, gesetzliche Regeln für mehr Vielfalt und Gleichstellung in den Chefetagen zu schaffen. Das ist kein Almosen oder gar eine Belastung, sondern ein wichtiger Schritt für mehr wirtschaftlichen Erfolg und internationale Wettbewerbsfähigkeit.“

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht: „Die Evaluation hat gezeigt, dass wir ohne verbindliche Vorgaben nicht weiterkommen und sogar Rückschritte zu beobachten sind. Der Frauenanteil in Vorständen ist zuletzt wieder gesunken. Aus diesem Grund muss die Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen jetzt endlich Gesetz werden. Lassen Sie uns qualifizierten und motivierten Frauen endlich die Chancen geben, die sie verdienen. Die großen Unternehmen in Deutschland müssen endlich auch von Frauen geführt werden."

Für den Bereich des öffentlichen Dienstes kommt die Evaluation u.a. zu dem Ergebnis, dass mit der Novellierung des Bundesgremienbesetzungsgesetzes eine deutliche Erhöhung des Anteils von Frauen an den vom Bund bestimmten Mitgliedern in Gremien einhergegangen ist. Auch die Frauenanteile an Führungspositionen im öffentlichen Dienst des Bundes steigen kontinuierlich, jedoch zeigen einige Regelungen des Bundesgleichstellungsgesetzes noch nicht die gewünschte Wirkung. So werden beispielsweise bestehende Vereinbarkeitsangebote noch zu selten von Führungskräften in Anspruch genommen und die Gleichstellungspläne häufig noch nicht zweckentsprechend genutzt. Bei der Besetzung in den Gremien des Bundes hat das Gutachten gezeigt, dass die bereits eingeführten strukturierten Besetzungsprozesse Erfolg gezeigt haben und weitergeführt und gestärkt werden sollten.

Die Bundesregierung hat mit der Stellungnahme alle Handlungsempfehlungen zur Kenntnis genommen und wird diese bei weiteren Maßnahmen prüfen.

Besonders erfreulich sind die Ergebnisse zum Erfüllungsaufwand des Gesetzes. Die Wirtschaft hat eine jährliche Belastung von lediglich rund 43 Tausend Euro durch die gesetzlichen Vorgaben. Dies unterschreitet deutlich die vorherige Schätzung von 248 Tausend Euro.

Die Stellungnahme der Bundesregierung kann hier abgerufen werden: www.bmfsfj.de/evaluation-füpog-stellungnahme

Die Evaluation finden Sie hier: www.bmfsfj.de/evaluation-füpog

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 18.11.2020

Schrittweise werden die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte verbessert. Das ist das Ergebnis eines ersten Umsetzungsberichts zur Konzertierten Aktion Pflege (KAP), der von Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn heute vorgestellt wurde. Danach konnten bereits wichtige Maßnahmen für eine bessere Entlohnung, für mehr Auszubildende und mehr Kolleginnen und Kollegen an der Seite der Pflegekräfte umgesetzt werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: „Wie wir gute Pflege sichern, ist die soziale Frage der 20er Jahre. Die beantworten wir mit der Konzertieren Aktion. Wir sorgen für bessere Bezahlung, mehr Stellen und eine gute Ausbildung. So machen wir Pflege besser für alle: für Berufseinsteiger und für die erfahrenen Pflegekräfte. Und am meisten für die Pflegebedürftigen und Patienten, die mehr Zuwendung erfahren.“

Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey:

„Die Pflege in Deutschland leistet Enormes. Sie zu stärken und den Fachkräften bessere Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, das ist eine Aufgabe, die wir gemeinsam angehen, weil wir sie auch nur gemeinsam bewältigen können. Exzellente Pflege findet nur dort statt, wo motivierte und gut ausgebildete Pflegekräfte arbeiten. Deshalb wollen wir Fachkräfte gewinnen und halten. Wir arbeiten daran, dass junge Menschen, die sich für diesen Beruf interessieren, gute Ausbildungsbedingungen und vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten haben. Pflegerinnen und Pfleger leisten einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft, das muss auch entsprechend bezahlt werden. Die jüngste Tarifeinigung im öffentlichen Dienst war hier ein richtiges Zeichen. Aber Geld ist nicht alles – wir arbeiten daran, dass Pflegeberufe als Ganzes aufgewertet werden.“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: „Pflegekräfte arbeiten hart und oft unter schwierigen Bedingungen. Die Arbeit mit und am Menschen ist körperlich und psychisch fordernd und sie bedeutet ein hohes Maß an Verantwortung und Stress. Das galt schon vor Corona, aber die Pandemie hat noch einmal deutlich gemacht, was Pflegekräfte leisten. Wir müssen die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern. Der Schlüssel dazu ist mehr Personal und eine angemessene Entlohnung. Das sind wir als Gesellschaft den Pflegekräften schuldig. Mit der Konzertierten Aktion Pflege haben wir genau das angepackt. Zu den ersten Erfolgen gehört, dass die Pflegelöhne bis April 2022 bundesweit einheitlich steigen. Tarifverträge bedeuten angemessene Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Sie verbessern die Situation der Pflegekräfte konkret. Deshalb ist die Aussicht auf einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die ganze Pflegebranche ein wichtiges Signal. Sobald mir ein Antrag auf Erstreckung vorliegt, werden wir diesen zügig prüfen. Und wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, werde ich diesen Tarifvertrag für die gesamte Branche verbindlich erklären. Auf diesem Weg machen wir weiter.“

Im Juni 2019 haben sich Bund, Länder und alle relevanten Akteure in der Pflege verbindlich auf Ziele und konkrete Maßnahmen für bessere Arbeitsbedingungen, eine bessere Entlohnung, mehr Ausbildungsplätze und mehr Eigenverantwortung für Pflegekräfte verständigt. Der heute vorgelegte Bericht zeigt, wie weit die Maßnahmen bereits umgesetzt wurden.

Die Ergebnisse im Detail

Mehr Personal

Eine Entlastung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen erfordert mehr Personal. Folgende Maßnahmen wurden bereits auf den Weg gebracht: Das Personalbemessungsverfahren für vollstationäre Pflegeeinrichtungen soll in Kürze gesetzlich verankert werden. Die Mitglieder der Konzertierten Aktion Pflege haben hierfür in einem begleitenden Roadmap-Prozess die wesentlichen Schritte beraten. Als erster Schritt werden ab dem 1. Januar 2021 mit dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz 20.000 zusätzliche Stellen für Pflegehilfskräfte geschaffen. Die Stellen werden vollständig durch die Pflegeversicherung finanziert; der Eigenanteil der Pflegebedürftigen wird dadurch nicht steigen. Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen werden bei der Gewinnung internationaler Pflegekräfte unterstützt. Dazu wurde 2019 die Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (DeFa) eingerichtet. Sie übernimmt für die Herkunftsländer Philippinen, Mexiko und später Brasilien die Anträge auf Einreise, Berufsanerkennung und Beschäftigungserlaubnis für Pflegekräfte aus Drittstaaten, damit diese schneller nach Deutschland einreisen und arbeiten können. Das Auslandsgeschäft der Bundesagentur für Arbeit (BA) bleibt davon unberührt. Es wurde eine Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung (ZBSA) für Fachkräfte im Ausland geschaffen, die Anerkennungssuchende zu den Möglichkeiten der Anerkennung ihrer ausländischen Berufsabschlüsse berät, sie über die damit zusammenhängenden aufenthaltsrechtlichen Fragen informiert und durch das Anerkennungsverfahren begleitet (Lotsenfunktion). Die ZSBA ist bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der BA in Bonn angesiedelt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als Modellvorhaben zunächst für vier Jahre gefördert. Integraler Bestandteil der Fachkräftegewinnung sind Regeln für eine ethisch hochwertige Anwerbung und den Schutz der Pflegekräfte sowie umfassende Maßnahmen für die betriebliche und soziale Integration. Das im Jahr 2019 gegründete Deutsche Kompetenzzentrum für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen (DKF) entwickelt dafür ein Gütesiegel und einen Werkzeugkoffer für die betriebliche und soziale Integration. Das DKF unterstützt die Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen auch bei deren Umsetzung. Die Corona-Pandemie hat deutliche Auswirkungen auf die Unterstützung der Fach- und Sprachausbildung für ausländische Pflegekräfte in den Herkunftsländern. Die Goethe-Institute bemühen sich unter Einhaltung der jeweils vor Ort gültigen Hygiene- und Sicherheitsvorschriften, weiterhin Angebote der Sprachförderung aufrechtzuerhalten.

Mehr Geld

Pflegekräfte, insbesondere in der Altenpflege, sollen regelhaft besser entlohnt werden. Folgende Maßnahmen wurden bereits auf den Weg gebracht:

Mit dem am 29. November 2019 in Kraft getretenen Gesetz für bessere Löhne in der Pflege wurde die rechtliche Grundlage für das Tätigwerden der Pflegekommission novelliert. Damit kann die Pflegekommission nun –als ständige Kommission –auf verbesserter Grundlage Empfehlungen für die Festlegung von Mindestlöhnen und Mindesturlaub in der Pflege abgeben. Mit der Vierten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche wird der Mindestlohn für Pflegehilfskräfte bis zum 1. April 2022 in vier Schritten spürbar auf 12,55 Euro in Ost- und Westdeutschland angehoben. Ab 1. Juli 2021 gibt es zudem erstmals einen Mindestlohn für Pflegefachkräfte von 15 Euro. Vom neuen Pflegemindestlohn profitieren insbesondere Pflegekräfte in Ostdeutschland. Im Vergleich zum Jahr 2012 sind die Entgelte von Vollzeitbeschäftigten in der Altenpflege um über 20 Prozent angestiegen. Auch die tarifliche Entlohnung soll weiter gestärkt werden:Künftig sollen Pflegeeinrichtungen nur noch für die Versorgung zugelassen werden, wenn diese ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird derzeit vorbereitet. Die Gewerkschaft ver.di und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) haben den Entwurf eines bundesweiten Tarifvertrags für die Altenpflege erarbeitet. Derzeit läuft das gesetzlich vorgesehene Anhörungsverfahren, in welchem kirchliche Kommissionen zu dem Entwurf Stellung nehmen können. Die Finanzierung höherer Pflegelöhne kostet Geld. Damit die Pflegebedürftigen und ihre Familien nicht überfordert werden, prüft das BMG derzeit verschiedene Optionen zur Begrenzung der Eigenanteile.

Mehr Aus- und Weiterbildung

Die neuen Pflegeausbildungen starteten zum 1. Januar 2020. Ihre Einführung wird begleitet durch die „Ausbildungsoffensive Pflege“ (2019 – 2023). Folgende Maßnahmen wurden bereits auf den Weg gebracht: Abschließende Zahlen zu den neuen Pflegeausbildungen liegen erstmals 2021 vor. Einzelne Bundesländer haben jedoch bereits einen deutlichen Anstieg gemeldet. Insgesamt deutet sich trotz der Belastungen durch die Corona-Pandemie eine positive Entwicklung der Ausbildungszahlen und damit ein guter Start der neuen beruflichen Pflegeausbildung an. Auch die neu eingeführte hochschulische Pflegeausbildung ist bereits mit rund 30 Studiengängen gestartet. Damit werden neue Ausbildungspotentiale erschlossen und neue Entwicklungsperspektiven für die Pflege geschaffen. Mit der Informations- und Öffentlichkeitskampagne „Mach Karriere als Mensch“ wird über die Chancen der neuen Pflegeausbildung informiert. Hohe Zugriffszahlen auf die weiterführenden Informationsangebote unter www.pflegeausbildung.net sprechen für ein großes Interesse bei jungen Menschen wie auch möglichen Umschülerinnen und Umschülern an der Ausbildung. Im Rahmen der neuen generalistischen Pflegeausbildung ist eine engere Zusammenarbeit der verschiedenen Ausbildungsstätten erforderlich. Um die Länder bei der Umsetzung der Pflegeausbildung zu unterstützten, haben BMFSFJ und BMG dazu ein Förderprogramm im Umfang von bis zu 19 Millionen Euro aufgelegt. In zahlreichen Ländern haben die durch den DigitalPakt Schule und das daran anschließende „Sofortausstattungsprogramm“ zur Verfügung gestellten Fördermittel zu einer besseren Ausstattung der Pflegeschulen mit digitaler Technik geführt. In der Weiterbildung gab es 2019 einen signifikanten Anstieg bei der Ausbildung zur Altenpflegefachkraft.

Der vollständige Bericht zur Ausbildungsoffensive Pflege ist unter https://www.pflegeausbildung.net/ausbildungsoffensive-und-kampagne/erster-bericht.html verfügbar.

Mehr Eigenverantwortung

Die Befugnisse der Pflegefachkräfte sollen gestärkt und ausgeweitet werden. Folgende Maßnahmen wurden bereits auf den Weg gebracht: Für die interprofessionelle Zusammenarbeit im Gesundheits- und Pflegebereich wurde ein Strategieprozess eingeleitet. Der Prozess wird durch ein Expertengremium begleitet. Gemeinsam wird die Rolle der Pflege in der interprofessionellen Zusammenarbeit untersucht. Aktuell wird eine Erweiterung der Versorgungsbefugnisse für Pflegefachkräfte, etwa im Rahmen des Wundmanagements, der häuslichen Krankenpflege und der Verordnung von bestimmten Hilfsmitteln vorgeschlagen. Im Strategieprozess wurde auch geklärt, wie Modellvorhaben zur selbständigen und eigenverantwortlichen Ausübung von Heilkunde durch Pflegefachpersonen einfacher und attraktiver werden und bei erfolgreicher Durchführung zügiger in der Regelversorgung ankommen können. Ergebnisse der Beratungen sollen noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich umgesetzt werden.

Mehr Digitales

Die Arbeit von Pflegekräften soll durch Digitalisierung erleichtert werden. Folgende Maßnahmen wurden bereits auf den Weg gebracht:Durch gesetzliche Regelungen zur Kostenübernahme von Investitionen in Digitales wurden deutliche Fortschritte bei der Digitalisierung der Pflege erzielt. Pflegeeinrichtungen nutzen die Fördermöglichkeiten für die elektronische Dokumentation und Tourenplanung, aber auch Schulungen der Pflegekräfte. Die Anbindung der Langzeitpflege an die Telematikinfrastruktur (TI) wurde vorangetrieben. Pflegeeinrichtungen können sich freiwillig an die TI anschließen lassen; die Kosten hierfür werden vergütet. Die elektronische Pflegeakte wird Bestandteil der elektronischen Patientenakte, dabei sollen beruflich Pflegende weitgehende Zugriffsrechte im Rahmen der TI erhalten, sofern der Patient oder die Patientin dem zustimmt. Der künftige Zugang der Pflegeeinrichtungen zur TI wird jedoch entscheidend davon abhängen, wann die Länder die elektronischen Heilberufs- und Berufsausweise sowie die Praxisausweise zur Verfügung stellen. Bis dahin können die Pflegeeinrichtungen über Institutionenkarten, die von der Gematik ausgegeben werden, vorübergehend auf auswählte Dienste der TI zugreifen. Die Regelungen des Digitale-Versorgung-Gesetzes zu elektronischen Verordnungen in der häuslichen Krankenpflege zeigen Wirkung: durch die Öffnung des Rechtsrahmens etablieren sich mehr Unternehmen am Markt, die entsprechende Dienste anbieten. Verschiedene Krankenkassen haben bereits erste Erfahrungen mit elektronischen Verordnungen in der häuslichen Krankenpflege gesammelt. Mit Hilfe des Krankenhauszukunftsfonds und des Krankenhausstrukturfonds werden Investitionen in die digitale Infrastruktur von Krankenhäusern gefördert.

Im Jahr 2021 soll über den weiteren Fortschritt der Konzertierten Aktion Pflege berichtet werden.

Hintergrund

Um den Arbeitsalltag von Pflegekräften spürbar zu verbessern, haben das Bundesgesundheits-, das Bundesfamilien- und das Bundesarbeitsministerium im Juli 2018 die Konzertierte Aktion Pflege ins Leben gerufen. Zusammen mit den Ländern, Pflegeberufs- und Pflegeberufsausbildungsverbänden, Verbänden der Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, den Kirchen, Pflege- und Krankenkassen, Betroffenenverbänden, der Berufsgenossenschaft, der Bundesagentur für Arbeit sowie den Sozialpartnern wurden fünf Arbeitsgruppen eingerichtet, um konkrete Schritte festzulegen:

• Arbeitsgruppe 1: Ausbildung und Qualifizierung

• Arbeitsgruppe 2: Personalmanagement, Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung

• Arbeitsgruppe 3: Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung

• Arbeitsgruppe 4: Pflegekräfte aus dem Ausland

• Arbeitsgruppe 5: Entlohnungsbedingungen in der Pflege.

Weitere Informationen sowie den Vereinbarungstext im Wortlaut finden Sie unter: www.bundesgesundheitsministerium.de/konzertierte-aktion-pflege

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 13.11.2020

Die junge Generation hat es in der Corona-Zeit besonders schwer. Vieles von dem, was Jungsein und Erwachsenwerden ausmacht, ist im Moment verboten oder nur eingeschränkt möglich: ob Lernen, Austausch mit Gleichaltrigen, die Welt erkunden oder auch mal eine Party feiern. Darauf hat Bundesjugendministerin Dr. Franziska Giffey heute bei der Vorstellung des 16. Kinder- und Jugendberichts (Schwerpunkt „Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter“) hingewiesen.

„Corona prägt schon jetzt die Lebensläufe vieler junger Menschen und nimmt der Jugend ein Stück Zuversicht und Leichtigkeit. Obwohl sie auf vieles verzichten müssen, halten sich die meisten an die Einschränkungen, sind vernünftig und rücksichtsvoll“, betonte Ministerin Giffey. „Das sollten wir anerkennen und würdigen. Und wir müssen die Jugend stärker an Entscheidungen beteiligen. Mehr Mitsprache empfiehlt auch der aktuelle Kinder- und Jugendbericht. Die politische Bildung der Jugend ist gerade auch in bewegten Zeiten ein Stützpfeiler unserer Demokratie. Jede Generation muss Demokratie neu erlernen. Die politische Bildung ist ein gewichtiger Faktor, um Menschen gegen Hassparolen und Verschwörungs-ideologien zu immunisieren."

Bundesministerin Giffey hat den 16. Kinder- und Jugendbericht, den von einer unabhängigen Sachverständigenkommission erarbeitet wurde, heute vorgelegt. Das Bundeskabinett beschloss eine Stellungnahme zu dem 600 Seiten starken Papier. Beides geht jetzt dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat zu.

Eine der zentralen Empfehlungen der Sachverständigen ist, dass alle jungen Menschen mehr zeitgemäße und altersgerechte politische Bildung erhalten. Der Vorsitzende der Berichtskommission, Prof. Dr. Christian Palentien unterstrich bei der Vorstellung der Ergebnisse: „Politische Bildung findet in der gesamten Kindheit und Jugend statt. Sie braucht mehr Gewicht und gehört überall hin, wo junge Menschen mit Politik und Demokratie in Berührung kommen. Ob Familie, Kita, Schule und Ausbildung, Jugendbildungsstätten oder Jugendverbände, Medien oder auch die Bundeswehr – viele Akteure tragen Verantwortung für politische Bildung.“

Die Kommission hatte den Auftrag herauszuarbeiten, wo und wie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene politische Bildung erfahren. Zudem sollte sie Entwicklungsbedarfe aufzeigen und Empfehlungen für Praxis, Wissenschaft und Politik formulieren.

Der Bericht liefert erstmals eine umfassende und systematische Betrachtung der politischen Bildung junger Menschen und bietet eine solide Grundlage, um die Angebote weiterzuentwickeln. Gleichzeitig befasst sich der Bericht mit aktuellen Herausforderungen für die Demokratie – zum Beispiel mit Globalisierung, Digitalisierung, demografischem Wandel und einem erstarkenden Nationalismus. Die Kommission fordert ein klares Bekenntnis der Politik: Eine an Demokratie und Menschenrechten orientierte politische Bildung sei unverzichtbar.

Die Perspektiven junger Menschen sind in den Bericht direkt eingeflossen: Die Kommission führte Jugendworkshops durch und interviewte Grundschulklassen sowie Kitagruppen. Zudem wurden bundesweite Jugendbeteiligungsprozesse daraufhin analysiert, was junge Menschen zur politischen Bildung sagen.

Mit den Kinder- und Jugendberichten entspricht die Bundesregierung ihrer Verpflichtung gemäß § 84 SGB VIII, dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat in jeder Legislaturperiode einen Bericht über die „Lage junger Menschen und die Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe“ vorzulegen und dazu Stellung zu nehmen. Mit der Ausarbeitung des Berichtes beauftragt die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Namen der Bundesregierung jeweils eine unabhängige Kommission.

Ausführliche Informationen zum 16. Kinder- und Jugendbericht finden Sie unter: www.bmfsfj.de/kinder-und-jugendbericht

Hier weitere Links: Zum gesamten Bericht: www.bmfsfj.de/kinder-und-jugendbericht/gesamtZu einer Kurzbroschüre des BMFSFJ: www.bmfsfj.de/kinder-und-jugendbericht/kurzbroschuereZu einer Jugendbroschüre der Jugendpresse Deutschland: www.bmfsfj.de/kinder-und-jugendbericht/jugendbroschuere

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 11.11.2020

Ministerin Giffey und BKA-Chef Münch stellen Kriminalstatistische Auswertung vor

Die Zahl von Mord und Totschlag, Sexualdelikten, Körperverletzungen oder Stalking ist in (Ex-) Paarbeziehungen im Jahr 2019 auf hohem Niveau geblieben. Die neuen Zahlen der Kriminalstatistischen Auswertung Partnerschaftsgewalt des Bundeskriminalamtes zeigen insgesamt sogar einen leichten Anstieg. 2019 wurden 141.792 Opfer von Partnerschaftsgewalt in den definierten Kategorien polizeilich erfasst, knapp ein Prozent mehr als im Jahr zuvor. Zu 81% waren Frauen betroffen und zu 19% Männer. Die Hälfte der Opfer lebte zum Tatzeitpunkt mit dem Täter oder der Täterin in einem Haushalt (50,5%).

Die detaillierte BKA-Auswertung wurde zum fünften Mal in Folge erstellt und gibt Einblick, in welchem Umfang und mit welchen Ausprägungen Gewalt in Paarbeziehungen bei der Polizei bekannt wird, welche Delikte passieren und in welcher Beziehung Täter und Opfer stehen. Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey und der Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch haben die Ergebnisse für 2019 heute vorgestellt.

Bundesfrauenministerin Giffey: „Häusliche Gewalt ist keine Privatsache, sondern es geht um Straftaten. Für viele Frauen, aber auch für Männer ist es traurige Realität, dass die eigene Wohnung, in der man sich sicher fühlen möchte, zu einem gefährlichen Ort wird. Die Zahlen sind schockierend, denn sie zeigen: An fast jedem dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Und alle 45 Minuten wird – statistisch gesehen – eine Frau Opfer von vollendeter und versuchter gefährlicher Körperverletzung durch Partnerschaftsgewalt. In der Zeit der Corona-Pandemie ist nach den Berichten der Frauenhäuser, Beratungsstellen und Hilfetelefone davon auszugehen, dass häusliche Gewalt eher zunimmt – zumal wir damit rechnen müssen, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt als die Zahl der Polizei-bekannten Fälle.“

BKA-Präsident Holger Münch: „Gewalt in Partnerschaften äußert sich als Stalking, Bedrohung, sexueller Übergriff, Körperverletzung, Vergewaltigung bis hin zu Mord und Totschlag. Sowohl psychisch als auch physisch ausgeübte Gewalt hinterlässt tiefe Wunden bei den Opfern. Partnerschaftsgewalt findet meist hinter geschlossenen Haustüren – im Verborgenen – statt; die Opfer werden nicht bemerkt oder trauen sich nicht, aus Angst vor den Konsequenzen, Anzeige zu erstatten. Allein im Hellfeld verzeichnen wir 2019 über 141.000 Männer und Frauen, die Opfer von Partnerschaftsgewalt geworden sind. Es ist jedoch von einem erheblichen Dunkelfeld auszugehen. Partnerschaftsgewalt darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Neben der täglichen Arbeit der Strafverfolgungsbehörden kommt vor allem den vielen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen eine große Bedeutung zu, die den Opfern mit ihren Hilfsangeboten zur Seite stehen. Letztlich ist auch jeder Einzelne von uns dazu aufgefordert, die Augen vor der Partnerschaftsgewalt nicht zu verschließen und sie zu ahnden, wenn immer wir sie bemerken.“

Zu den BKA-Zahlen im Einzelnen:

Im Jahr 2019 wurden durch ihre Partner oder Ex-Partner insgesamt 141.792 Personen Opfer von Mord und Totschlag, Körperverletzungen, Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Bedrohung und Stalking, Freiheitsberaubung, davon knapp 81% Frauen.

Knapp 115.000 Frauen waren von Partnerschaftsgewalt betroffen. Gemessen an der Gesamtzahl weiblicher Opfer in den Bereichen Mord und Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Bedrohung und Stalking ist das ein Anteil von 34,5%, dagegen sind es bei den Männern 5,5%.

In 2019 wurden in Deutschland Frauen und Männer Opfer von Partnerschaftsgewalt (jeweils vollendete und versuchte Delikte)von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung: über 69.000 Frauen, 17.800 Männer;von Bedrohung, Stalking, Nötigung: 28.906 Frauen, 3.571 Männer;von Freiheitsberaubung: 1.514 Frauen, 183 Männer;von gefährlicher Körperverletzung: knapp 12.000 Frauen, 5.169 Männer;von Mord und Totschlag: 301 Frauen, 93 Männer.

Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Partnerschaften sind die Opfer zu über 98% weiblich, bei Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es 89%. Der Anteil männlicher Opfer ist bei vorsätzlicher, einfacher Körperverletzung mit 20,5% sowie bei Mord und Totschlag mit 23,6% vergleichsweise am Höchsten.

Von den insgesamt 118.176 erfassten Tatverdächtigen waren 78.088 (66,1%) deutsche Staatsangehörige. Nach Deutschen wurden als Tatverdächtige am häufigsten türkische Staatsangehörige (6.706 Personen; 5,7% aller Tatverdächtigen) erfasst, gefolgt von polnischen (3.146; 2,7%), syrischen (3.090; 2,6%) und rumänischen (2.042; 1,7%) Staatsangehörigen.

Von den insgesamt 141.792 erfassten Opfern waren 99.904 (70,5%) deutsche Staatsangehörige. Nach Deutschen wurden als Opfer am häufigsten türkische Staatsangehörige (5.563 Personen; 3,9%) erfasst, gefolgt von polnischen (4.428; 3,1%) Staatsangehörigen.

Die Zahlen entsprechen ungefähr denen von 2018.

Bundesfrauenministerin Giffey: „Opfer, die Gewalt zuhause erleben, trauen sich oft nicht, darüber zu sprechen – aus Scham oder Angst. Wir wissen, zwei Drittel der weiblichen Opfer gehen auch nach schwerster Gewalterfahrung nicht zur Polizei und suchen auch keine anderweitige Hilfe. Das Thema ist viel zu oft noch ein Tabu, mit dem endlich Schluss sein muss.

Wichtig ist deshalb, dass Opfer von Gewalt Hilfe und Unterstützung bekommen. Mit dem bundesweiten Hilfetelefon, der Initiative ‚Stärker als Gewalt‘, mit dem von mir 2018 ins Leben gerufenen Runden Tisch gegen Gewalt an Frauen und nicht zuletzt mit unserem Investitionsprogramm zum Ausbau der Frauenhäuser und Beratungsstellen haben wir als Bund vier starke Säulen geschaffen. Denn Gewalt an Frauen ist nicht hinnehmbar.“

Maßnahmen, Projekte und Initiativen im Kampf gegen Gewalt an Frauen (und Männern):

Der Schutz von Frauen vor Gewalt mit hohen Schutzstandards – gerade auch vor dem Hintergrund der Corona-Krise – ist nicht nur hierzulande, sondern in ganz Europa wichtig. Deutschland will den Zugang zu Schutz und Beratung für alle verbessern. Im Rahmen unserer deutschen EU-Ratspräsidentschaft ermöglichen wir deshalb einen Austausch guter Praxisbeispiele im Gewaltschutz unter den Mitgliedstaaten.

Seit 2018 arbeitet der von Ministerin Giffey eingerichtete Runde Tisch von Bund, Ländern und Gemeinden, mit dem das Hilfenetz deutlich verstärkt und verbessert werden soll. Mit dem Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ stellt das Bundesfrauenministerium seit Jahresbeginn und für die nächsten Jahre insgesamt 120 Millionen Euro zusätzlich für den Ausbau von Beratungsstellen und Frauenhäuser bereit.

Im Rahmen der Initiative „Stärker als Gewalt“ hat das Bundesfrauenministerium den November im Rahmen der Initiative zum Aktionsmonat gegen häusliche Gewalt ausgerufen. Mit zahlreichen Materialien und Aktionen, online und offline, wird auf das Thema hingewiesen und zum aktiven Einschreiten ermutigt. Darüber hinaus wird eine Nachbarschaftsaktion gestartet, bei der die Botschaft in die Kommunen und die unmittelbare Nachbarschaft der Menschen getragen wird.

Mit dem bundesweiten Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter 08000 116 016 wird betroffenen Frauen seit 2013 bundesweit und rund um die Uhr kostenlos eine anonyme und niedrigschwellige Erstberatung in 18 Sprachen ermöglicht.

Die gesamte Auswertung des BKA zu Partnerschaftsgewalt finden Sie hier:

www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilder/Partnerschaftsgewalt/partnerschaftsgewalt_node.html

Weitere Informationen erhalten Sie unter:

www.hilfetelefon.de

https://staerker-als-gewalt.de/

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 10.11.2020

Noch immer sind Frauen in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert. Nur in Unternehmen, die der festen Quote unterliegen, sind echte Verbesserungen in Richtung Geschlechtergerechtigkeit zu erkennen. Das bestätigt auch ein Evaluationsgutachten zur Wirksamkeit des Führungspositionen-Gesetzes, mit dem sich das Bundeskabinett heute befasst hat. Vorschläge für mehr Frauen in Führungspositionen liegen längst vor und müssen nur noch umgesetzt werden.

„Das Bundeskabinett hat heute die von unseren Ministerinnen Franziska Giffey und Christine Lambrecht vorgelegte Stellungnahme der Bundesregierung zum Evaluationsgutachten über die Wirksamkeit des Führungspositionen-Gesetzes beschlossen. Das Evaluationsgutachten bestätigt das Offensichtliche und macht erneut die Dringlichkeit verbindlicher Vorgaben deutlich. Nur in Unternehmen, für die eine feste Quote gilt, ist ein Kulturwandel hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erkennen. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass feste Quoten nicht nur für Aussichträte, sondern auch für Vorstände notwendig sind.

Seit Monaten liegen entsprechende Vorschläge der Ministerinnen Franziska Giffey und Christine Lambrecht für mehr Frauen in Führungspositionen auf dem Tisch. So soll die Quote auf alle Unternehmen, die mehr als 2.000 Beschäftige haben, ausgeweitet werden. Außerdem soll eine Mindestbeteiligungsquote für große Vorstände von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen eingeführt werden. Die SPD-Bundestagsfraktion steht geschlossen hinter diesen Vorschlägen.

Wir begrüßen, dass nun auch unter anderem CSU-Chef Markus Söder Handlungsbedarf erkannt und sich für eine Quotenerweiterung ausspricht. Wir fordern den Koalitionspartner auf, Worten Taten folgen zu lassen und endlich den Weg für mehr Geschlechtergerechtigkeit freizumachen.“

Quelle: Pressemitteilung SPD – Bundestagsfraktion vom 18.11.2020

Das Bundeskabinett hat heute eine Stellungnahme zum 16. Kinder und Jugendbericht beschlossen. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt die damit verbundene Aufmerksamkeit für das Thema „Politische Bildung im Kindes- und Jugendalter“.

„Politische Bildung gibt es in der Familie, Kindertagesbetreuung, Schule, beruflicher Bildung, Hochschulen, Jugendbildungsstätten und Jugendverbänden, parteinaher Jugendbildung, Protesten und sozialen Bewegungen, Freiwilligendiensten, Bundeswehr, in Medien und digitalen Welten. Die SPD-Fraktion im Bundestag lädt alle Verantwortlichen dazu ein, dabei mitzuwirken, junge Menschen für die Demokratie und für den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu gewinnen, zu begeistern und zu befähigen. Demokratie lernen junge Menschen dabei nicht nur durch Vorträge, sondern durchs Mitmachen. Wir haben die Aufgabe, ihnen Wege dafür zu ebnen.

Die Demokratie in Deutschland wird durch tiefgreifende gesellschaftliche Entwicklungen herausgefordert. Zentral ist daher, dass Kinder und Jugendliche früh einen kritischen und kompetenten Umgang mit digitalen Medien erlernen. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich deshalb für jugendgerechte Informations- und Bildungsangebote sowie eine Förderung der Medienkompetenz ein.

Wir setzen auf demokratieförderndes und präventives Handeln – und zwar als Daueraufgabe. So wollen wir beispielsweise die vielen guten Ansätze des Programms ‚Demokratie leben’in einem Demokratiefördergesetz verstetigen. Jede föderale Ebene und deren Institutionen ist dabei in der Pflicht, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft das demokratische Leben zu gestalten.

Wirksame politische Bildung setzt voraus, dass Kinder und Jugendliche aktiv beteiligt werden. Sie sollen vor Ort mitgestalten und reale Konflikte und Probleme mitentscheiden können. So bekommen wir Rückenwind für mehr und bessere politische Bildung von Anfang an.“

Quelle: Pressemitteilung SPD – Bundestagsfraktion vom 11.11.2020

Wünsche der Eltern werden berücksichtigt

Am morgigen Freitag debattiert der Deutsche Bundestag in 1. Lesung die Reform das Elterngeldes. Dazu erklärt die Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Nadine Schön:

„Das Elterngeld erfreut sich auch 13 Jahre nach seiner Einführung sehr großer Beliebtheit. Das liegt auch daran, dass wir es immer wieder den Wünschen der Eltern anpassen. Das tun wir erneut mit diesem Gesetzentwurf. Eltern erhalten neue Möglichkeiten, den Elterngeldbezug an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen.

Es gehört zum Markenkern der Union, Eltern größtmögliche Flexibilität und Wahlfreiheit bei der Betreuung ihrer Kinder zu ermöglichen. Daher können sie zwischen Basiselterngeld, Elterngeld Plus und Partnerschaftsbonus wählen. Heute wählen Eltern mehrheitlich einen Lebensentwurf, bei dem sich Mutter und Vater die Familien- und die Erwerbspflichten partnerschaftlich teilen. Mit der Reform eröffnen wir ihnen neue Freiräume für die Gestaltung ihrer Arbeitszeit: Während der Partnerschaftsmonate wird der Zeitkorridor der erlaubten Arbeitsstunden auf 24 bis 32 Wochenstunden erweitert. Dadurch sind volle drei Arbeitstage oder volle vier Arbeitstage möglich. Und die feste Bezugsdauer von vier Monaten für die Partnerschaftsbonus-Monate wird aufgehoben. Zukünftig können Eltern wählen, ob sie zwei, drei oder vier Partnerschaftsbonusmonate in Anspruch nehmen wollen. Für Eltern von Frühchen wollen wir die Bezugsdauer des Elterngelds verlängern, um sie in dieser schwierigen Zeit besonders zu unterstützen.

Und noch eine Erleichterung für Eltern haben wir auf den Weg gebracht: die Digitalisierung von Familienleistungen. Namensbestimmung, Antrag auf Elterngeld und Kindergeld können bald in einem digitalen Kombi-Antrag beantragt werden. Das Pilotprojekt startet noch in diesem Jahr.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU – Bundestagsfraktion vom 26.11.2020

Der Deutsche Bundestag wird an diesem Donnerstag das Gesetz zur Errichtung des Sondervermögens „Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter“ (Ganztagsfinanzierungsgesetz) beschließen. Dazu können Sie die Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Nadine Schön, gerne wie folgt zitieren:

„Eltern wünschen, dass ihre Kinder auch in der Grundschule am Nachmittag betreut werden – gut, verlässlich und angepasst an die Bedürfnisse der Familien. Bund, Länder und Kommunen wollen dafür gemeinsam sorgen. Denn verlässliche Betreuung auch in der Grundschule ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Bund leistet erstmalig einen Beitrag für die Finanzierung von Ganztagsbetreuungsplätzen in der Grundschule. Er beteiligt sich mit einem bemerkenswerten Beitrag in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Jetzt sind die Länder am Zug, zügig mit dem Bund die Modalitäten auszuhandeln, damit der Rechtsanspruch schnell realisiert werden kann. Als CSU/CSU-Bundestagsfraktion ist uns wichtig, dass wir dabei die Vielfalt der Betreuungsmöglichkeiten erhalten. Unterstützt werden daher gebundene Ganztagsschulen ebenso wie freiwillige Angebote."

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU – Bundestagsfraktion vom 19.11.2020

Anlässlich der an diesem Mittwoch erschienen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu Arbeitszeiten und Arbeitszeitwünschen erklärt Charlotte Schneidewind-Hartnagel, Sprecherin für Zeitpolitik:

Rund 3,5 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten in einem Zeitumfang, der ihren Bedürfnissen nicht gerecht wird. Manche wollen gern mehr, andere weniger arbeiten, aber es mangelt ihnen an der Möglichkeit, Wunsch und Wirklichkeit in Einklang zu bringen. In der Corona-Pandemie ist besonders deutlich geworden, wie schwierig es sein kann, Erwerbsarbeit mit Kinderbetreuung, Homeschooling oder der Pflege von Angehörigen zu vereinbaren. Es braucht endlich eine moderne Zeitpolitik, damit Beschäftigte ihr Leben selbstbestimmt gestalten können.

Wenn die Arbeitszeit zur Lebensphase passt, erhöht das nicht nur die Arbeitszufriedenheit, sondern auch die Lebensqualität. Wir wollen dafür sorgen, dass Beschäftigte ihren Arbeitsumfang bedarfsgerecht nach oben oder unten anpassen können – zum Beispiel, indem sie in einem Bereich von 30 bis 40 Wochenstunden selbst entscheiden können, wie ihre persönliche Vollzeit aussieht. Und wir setzen uns für ein wirksames Rückkehrrecht von Teilzeitbeschäftigten auf ihren vorherigen Stundenumfang ein, denn vor allem Frauen stecken noch viel zu oft in der Teilzeitfalle fest.

Eltern und pflegende Angehörige sind besonders auf eine wirksame Zeitpolitik angewiesen, um berufliche und familiäre Bedarfe in Einklang zu bringen. Mit der KinderZeit Plus und der PflegeZeit Plus unterstützen wir Arbeitszeitreduzierung finanziell, schaffen mehr Zeit für Familien und sorgen für bessere Rahmenbedingungen, um es Männern und Frauen zu ermöglichen, Erwerbs- und Sorgearbeit miteinander zu vereinbaren.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 25.11.2020

Zur angekündigten Frauenquote in Vorständen erklärt Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik:

Es wird höchste Zeit, dass eine verbindliche Frauenquote in Vorständen eingeführt wird. Leider kann das, was SPD und Union jetzt vollmundig als Quote für Vorstände ankündigen, höchstens als Mindestbeteiligung bezeichnen. Mehr ist es nicht. Die Koalition will ab einer Vorstandsgröße von vier Mitgliedern „eine Frau“ festschreiben. Dabei ist egal, wie groß dieser Vorstand ist. Anders als bei einer richtigen Quote erhöht sich die Zahl der Frauen in größeren Vorständen nicht automatisch. Das ist zu wenig. Die Regel soll zudem nur für rund 70 Unternehmen gelten.

Wir hätten uns von der Koalition gewünscht, mutiger voran zu gehen. Denn die Tatsache, dass bei uns in der Krise der Frauenanteil in Vorständen gesunken ist, während er in anderen Ländern steigt, macht den Handlungsbedarf sehr deutlich. Der Vorschlag der Koalition ist ein kleiner Schritt. Ein Meilenstein wäre aber nötig.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 21.11.2020

„Der Bericht zeigt erneut, dass ein vernachlässigter und unterfinanzierter Bildungsbereich Armut verstetigt und neue schafft und damit soziale Ungleichheiten weiter verschärft. Weiterhin bestätigt der Bericht, dass Bildungserfolg in Deutschland immer noch stärker von der sozialen Herkunft abhängig ist als in anderen Staaten und Deutschland sich selbst auch digital weiter abhängt. Auch die Inklusionsbemühungen bleiben hinter den Erwartungen zurück“, sagt Birke Bull-Bischoff, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, mit Blick auf den achten nationalen Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2020“. Bull-Bischoff weiter:

„Bildungsungleichheit durch Herkunft und Armut darf nicht jedes Jahr im Bildungsbericht als gegeben und alternativlos hingenommen werden. Zur Förderung eines gerechten und solidarischen Bildungssystems fordern wir daher ganztätige Gemeinschaftsschulen und die Aufnahme der Schulsozialarbeit als Regelleistung im SGB VIII. Digitale Geräte und Bildungstarife gehören außerdem ins Bildungs- und Teilhabepaket und müssen nach einem Sozialindex verteilt werden, nicht nach Steueraufkommen und Bevölkerungszahl von Bundesländern. Die aktuelle Pandemie zeigt, wie viel Geld da ist, um Unternehmen zu retten – die Bundesregierung muss endlich anfangen, auch das Bildungssystem zu retten.

Der konsequente Verzicht auf angemessene Finanzierung zeigt sich vor allem im Fachkräftebedarf: So werden ganztägige Angebote an Grundschulen zu fast einem Drittel von Ehrenamtlichen getragen. In einigen Ländern machen Seiteneinsteiger inzwischen mehr als ein Viertel aller Neueinstellungen aus, vor allem an nichtgymnasialen Schularten. Dort findet auch häufiger fachfremd erteilter Unterricht statt. Das mehrgliedrige Schulsystem zeigt damit ein konkretes Risiko für Bildungsbenachteiligung.

Auch ist trotz ‚DigitalPakt Schule‘ kein Fortschritt bei der Digitalisierung in der Bildung erkennbar: 2018 haben mehr als drei Viertel aller Achtklässler weniger als einmal pro Woche digitale Medien für schulbezogene Zwecke einsetzen dürfen. Dabei geht es nicht nur um nicht verfügbare Geräte und Plattformen, sondern auch um den Zugang zum Netz, bei dem arme Haushalte benachteiligt sind: 20 Prozent der einkommensschwächsten Haushalte haben laut Bildungsbericht gar kein Internet, in ländlichen Gemeinden verfügen nur knapp 50 Prozent über einen Anschluss mit einer Geschwindigkeit über 100 Mbit/s.

Gestiegen ist hingegen der Anteil an Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule verlassen. Dies ist auch ein Schritt in Richtung Armut, denn der Bildungsbericht zeigt, dass Schulabschlüsse unterhalb des Sekundarbereichs II häufiger zu prekärer Beschäftigung führen als eine abgeschlossene duale Ausbildung. Ein höherer Bildungsabschluss beeinflusst auch das lebensbegleitende Lernen – spätere berufliche Weiterbildung wirkt sich positiv auf Löhne und die Beschäftigungswahrscheinlichkeit aus. Die Grundlagen dafür werden allerdings in der Schule gelegt.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 18.11.2020

Seit dem Jahr 2014 findet jedes Jahr im November der bundesweite Vorlesetag statt. Der Aktionstag will ein öffentliches Zeichen für die Bedeutung des Vorlesens setzen. Es finden anlässlich des Aktionstages jährlich zahlreiche Veranstaltungen in Schulen, Kindergärten, Bibliotheken, Museen und Buchhandlungen und an anderen Orten statt, bei denen für andere vorgelesen wird. In diesem Jahr steht der Vorlesetag unter dem Motto „Europa und die Welt“.

Für die Kinderkommission des Deutschen Bundestags erklärt hierzu deren Vorsitzender, Norbert Müller MdB: „Der Vorlesetag macht uns darauf aufmerksam, wie wichtig das Vorlesen gerade für die Entwicklung von Kindern ist. Vorlesen fördert die sprachliche Begabung und kindliche Kreativität, eröffnet Perspektiven und gibt Ideen.

Auch in einer Zeit, in der die digitale Kommunikation im Alltag für die meisten eine überragende Bedeutung hat, sollten wir das Vorlesen nicht vergessen. Denn ein gänzlich analoger Vorgang wie das Vorlesen einer Geschichte hat gerade für Kinder nach wie vor seine ganz eigene Qualität und gehört genauso zu einem guten Aufwachsen wie eine gesunde Ernährung.

Für Kinder sollte jeder Tag ein Vorlesetag sein.“

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 19.11.2020

Die FDP-Fraktion verlangt Auskunft über die sogenannten Sprach-Kitas. In einer Kleinen Anfrage (19/24278) will sie unter anderem wissen, wie viele dieser Sprach-Kitas bundesweit existieren und wo sich diese befinden. Zudem möchte sie erfahren, wie viele der Kinder, die seit 2016 durch das "Sprach-Kitas"-Bundesprogramm gefördert wurden, einen Migrationshintergrund haben.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1296 vom 24.11.2020

Die Bundesregierung will die Elternzeit bei Frühgeburten um einen Monat verlängern und die Möglichkeiten für Teilzeit flexibler gestalten. Der entsprechende Gesetzentwurf zur Novellierung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (19/24438) sieht vor, dass der Bezug des Elterngeldes um einen weiteren Monat verlängert wird, wenn das Kind sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin oder früher zur Welt kommt. Dieser zusätzliche Basiselterngeld-Monat soll auch in zwei Elterngeld-Plus-Monate umgewandelt werden können. Zudem soll die erlaubte wöchentliche Arbeitszeit für Eltern, die während des Elterngeldbezuges in Teilzeit arbeiten, von 30 auf 32 Stunden angehoben werden. Der Partnerschaftsbonus, der die parallele Teilzeit beider Eltern ermöglicht, soll künftig mit 24 bis 32 Wochenstunden statt mit bisher 25 bis 30 Wochenstunden, bezogen werden können.

Finanziert werden sollen die Änderungen durch eine Absenkung der Einkommensgrenze für den Bezug des Elterngeldes. So sollen Eltern, die gemeinsam über ein Jahreseinkommen von mehr als 300.000 Euro verfügen, kein Elterngeld mehr beziehen können. Bislang lag die Einkommensgrenze bei 500.000 Euro Jahreseinkommen. Nach Angaben der Regierung betrifft die Regelung etwa 7.000 der derzeitigen Bezieher des Elterngeldes. Dies entspricht einem Anteil von rund 0,4. Die Einkommensgrenze für Alleinerziehende soll unverändert bei 250.000 Euro liegen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1296 vom 24.11.2020

Auskunft über den Stand der geplanten Reform des Kindesunterhaltsrechts gibt die Bundesregierung in der Antwort (19/24274) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/23854). Dabei ging es unter anderem um die Tätigkeit der Arbeitsgruppe "Kindesunterhalt nach Trennung und Scheidung". Der Bundesregierung zufolge hat die interne Arbeitsgruppe von Anfang 2016 bis Anfang 2017 im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) getagt. Die Arbeitsgruppe habe aus Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Institutionen bestanden. Die Aufgabe der Arbeitsgruppe habe unter anderem darin bestanden, unterhaltsrechtliche Aspekte des verstärkten Auftretens des erweiterten Umgangs mit gemeinsamen Kindern nach Trennung oder Scheidung sowie des Wechselmodells zu untersuchen. Die Sitzungen hätten sich auch allgemein der Frage gewidmet, inwieweit das Unterhaltsrecht an die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse angepasst werden kann. Auch im Rahmen der Erörterungen dieser Arbeitsgruppe sei deutlich geworden, dass Reformbedarf im Bereich des Kindesunterhaltsrechts besteht.

Die Beratungen innerhalb der Bundesregierung hierzu dauern der Bundesregierung zufolge an. Informationen zu den konkreten Inhalten der internen Gespräche, zu denen auch die Beratungen in der Arbeitsgruppe zählen, könnten daher nicht veröffentlicht werden. Auch sei kein Abschlussbericht verfasst worden.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1286 vom 23.11.2020

Der Bund soll den Ländern insgesamt 3,5 Milliarden Euro zum Ausbau der Ganztagsbetreuung an Grundschulen zur Verfügung stellen. Der Familienausschuss stimmte am Mittwoch ohne Gegenstimmen für den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Errichtung eines Sondervermögens "Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter"(19/17294) in der durch den Ausschuss geänderten Fassung. Für die Gesetzesinitiative votierten die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der SPD sowie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die AfD-, die FDP- und die Linksfraktion enthielten sich der Stimme. Durch einen vom Familienausschuss angenommenen Änderungsantrag wurden die ursprünglich eingeplanten Mittel von zwei Milliarden Euro auf 3,5 Milliarden Euro erhöht. Die Einrichtung des Sondervermögens soll der Umsetzung des im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarten Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter dienen.

Der geänderte Gesetzesentwurf sieht konkret vor, dass den Ländern in den Jahren 2020 und 2021 über das Sondervermögen Basismittel von jeweils einer Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden. Weitere Bonusmittel in Höhe von 750 Millionen Euro sind für den beschleunigten Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote vorgesehen und zusätzliche 750 Millionen Euro fließen aus dem Konjunkturpaket zur Bewältigung zur Corona-Krise.

Union und Sozialdemokraten betonten im Ausschuss, dass die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung einen gesamtgesellschaftlichen Kraftakt darstelle, an dem sich Bund, Länder und Kommunen beteiligen müssten. Bislang seien mit 15 Ländern entsprechende Vereinbarungen getroffen worden. Lediglich Baden-Württemberg sperre sich bislang.

Die Oppositionsfraktionen begrüßten den geplanten Rechtsanspruch und die Erhöhung der Bundesmittel für das Sondervermögen ausdrücklich. Allerdings liege der Gesetzentwurf zum Rechtsanspruch bislang noch gar nicht vor und es sei fraglich, ob er noch in der laufenden Legislaturperiode vorgelegt werde, monierten FDP, Linke und Grüne. Solange der Rechtsanspruch nicht formuliert sei, könnten die exakten Kosten für den Ausbau der Ganztagsbetreuung nicht beziffert werden. Viele Kommunen hätten deshalb die Befürchtung, auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Die AfD monierte zudem, dass der Bund einseitig Geld für die staatliche Betreuung von Kindern ausgebe. Er habe aber ebenso die Pflicht, jene Eltern zu unterstützen, die ihre Kinder lieber selbst betreuen wollten. Mütter und Väter seien die wahren Betreuungsexperten.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1259 vom 18.11.2020

Das Auswärtige Amt, das Bundesfamilienministerium und das Verteidigungsministerium sind die einzigen drei Bundesministerien, die eigene Kindertagesstätten unterhalten. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/24135) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/23361) mit. So unterhalte das Auswärtige Amt eine Kita in Berlin mit 70 Plätzen, das Familienministerium eine Kita in Bonn mit 85 Plätzen und das Verteidigungsministerium eine Kita ebenfalls in Bonn mit 92 Plätzen. Im Bundeskanzleramt und im Wirtschaftsministerium bestünden derzeit konkrete Planungen für eigene Kitas, das Gesundheitsministerium plane die Eröffnung einer eigenen Kita im Jahr 2023 und das Umweltministerium die Einrichtung einer Kindertagespflegestätte. Darüber hinaus böten zwölf Bundesministerin Kita-Plätze in Kooperationskindertagesstätten an. Die bundeseigenen Kitas unterlägen den jeweils in den Bundesländern geltenden Vorgaben zur Qualität und zur Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte.

Nach Angaben der Regierung bietet die Bundeswehr an ihren Standorten ergänzend zum kommunalen Angebot an Kita-Plätzen zusätzliche Plätze über den Erwerb von Belegrechten in privaten Kitas und durch den Bau von eigenen Kinderbetreuungseinrichtungen. Derzeit stünden ergänzend zum kommunalen Angebot derzeit rund 1.000 Plätze für die Kinder von Bundeswehrangehörigen zur Verfügung. In Bundesober-, Bundesmittel- und Bundesunterbehörden sowie Bundesanstalten existieren nach Regierungangaben derzeit keine eigenen Kindertagesstätten.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1255 vom 18.11.2020

Der Bundesregierung liegen keine amtlichen Zahlen zur Obdachlosigkeit in Deutschland vor. Demzufolge kann sie auch viele der von der FDP-Fraktion gestellten Fragen etwa zur Dauer von Obdachlosigkeit, deren Ursachen oder der Art der Erkrankungen von obdachlosen Menschen nicht beantworten. Das wird aus einer Antwort (19/24216) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/23655) der Liberalen deutlich.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1251 vom 17.11.2020

Die Fraktion Die Linke fordert mehr Schutz und Unterstützung für homosexuelle, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen während der Corona-Pandemie. Deren Anliegen und Bedürfnisse rückten angesichts sich überlagernder Krisenprioritäten als vermeintliches Minderheitenthema in den Hintergrund, schreibt die Fraktion in einem entsprechenden Antrag (19/24002). Nach dem Willen der Linken soll die Bundesregierung deshalb unter anderem einen Runden Tisch mit queeren Verbänden und Organisationen und Vertretern aus Politik, Gesundheit, Verwaltung und der Veranstaltungs-Wirtschaft einzuberufen, der bereichsübergreifend über die spezifischen Problemlagen queerer Menschen und Infrastrukturen in der Corona-Pandemie berät. Zudem spricht sich die Fraktion für passgenaue Zuschüsse und Nothilfefonds für Clubs, Bars und Festivals und die Gewährung eines Unternehmerlohns von monatlich 1.200 Euro im Rahmen der Überbrückungshilfen aus.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1241 vom 16.11.2020

Rörig: „Wir brauchen für Kinder und Jugendliche eine vernünftige und zeitgemäße Unterstützung beim Umgang mit digitalen Medien, eine Aufklärung, die jenseits von Katastrophenszenarios Gefahren dennoch deutlich macht."

Bereits zum sechsten Mal findet am 18. November 2020 auf Initiative des Europarats der „Europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt " statt. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf den Risiken, denen Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind, wenn sie selbst Bilder oder Videos herstellen und über soziale Medien im Internet verbreiten – „Preventing risky behaviour by children: child self-generated sexual images and/or videos".

Digitale Medien bieten Kindern und Jugendlichen viele Möglichkeiten, mit anderen zu kommunizieren, zu spielen oder aber sich schnell Wissen anzueignen. Für Jugendliche sind sie oft auch wichtiger Bestandteil einer sexuellen Sozialisation und der Entwicklung einer eigenen sexuellen Identität. Insbesondere soziale Netzwerke und Chats bergen aber auch Risiken für sexuelle Gewalt.

Dabei geht es neben Cybergrooming, dem Anbahnen von Kontakten von Erwachsenen zu Minderjährigen mit sexueller Absicht, vor allem um das sogenannte missbräuchliche Sexting, also das unerlaubte Weiterleiten von freizügigen Bildern. Vielen Kindern und Jugendlichen ist dabei nicht bewusst, dass Bilder, die digital verbreitet werden, nur schwer wieder zu löschen sind. Darüber hinaus kann das Verschicken und Erhalten von sexuellen Bildern oder Videos strafrechtlich relevant werden. Wer derartiges Material von Minderjährigen besitzt, zeigt, zugänglich macht oder öffentlich anbietet, macht sich möglicherweise strafbar.   

Kinder und Jugendliche müssen diese Risiken kennen.Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig, bekräftigt die Bedeutung einer präventiven Erziehung: „Wir brauchen für Kinder und Jugendliche eine vernünftige und zeitgemäße Unterstützungbeim Umgang mit digitalen Medien, eine Aufklärung, die jenseits von Katastrophenszenarios aber Gefahren dennoch deutlich macht."   

Aktuelle Studien belegen, dass Kinder und Jugendliche in großer Zahl unverlangt sexuelle Fotos oder Videos zugeschickt bekommen – und diese Form der sexuellen Gewalt mittlerweile als Normalität empfinden. Die britische Kinderschutzorganisation NSPCC berichtet, dass eins von 20 Schulkindern beim Livestreamen aufgefordert wird, sich zu entkleiden.     

Der Unabhängige Beauftragte stellt erneut klar, dass er nicht nur Eltern sowie Kinder und Jugendliche selbst, sondern insbesondere die Betreiber in der Verantwortung dafür sieht, dass ihre Dienste, in denen sich Kinder und Jugendliche bewegen, sichersind: „Nochimmer lassen es IT-Unternehmen zu, dass ihre Angebote wie WhatsApp, TikTok oder Fortnite von Millionen Kindern genutzt werden, ohne genügend Schutzmaßnahmen zu treffen – zum Beispiel indem die App-Voreinstellungen die höchstmögliche Sicherheit bieten, niedrigschwellige und altersangemessene Beschwerdemöglichkeiten eingerichtet werden oder Chat-Moderator*innen Online-Übergriffe vermeiden beziehungsweise melden. Ich erwarte, dass die IT-Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen und nicht nur auf die Konsumenten verweisen. Dass sexuelle Gewalt in digitalen Medien ein enormes Ausmaß und eine unerträgliche Normalität angenommen hat und dass bei Kindern und Jugendlichen bereits ein Gewöhnungsprozess einsetzt, können und dürfen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nicht hinnehmen. Der von Bundesjugendministerin Franziska Giffey vorgelegte und vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf eines neuen Jugendschutzgesetzes geht hier wichtige Schritte."

Auch der Betroffenenrat beim UBSKM betont die Notwendigkeit, Kindern Risiken und Gefahren von digitalen Welten zu vermitteln: „Auch Kinder und Jugendliche nutzen intensiv die vielfältigen Möglichkeiten der sozialen Netzwerke. Es ist unsere Verantwortung, ihnen von Anfang an Kompetenz im Umgang mit dem Netz zu vermitteln. Der Betroffenenrat fordert daher Schulungs- und Präventionsprojekte in allen Altersstufen vor allem an Schulen und in Freizeiteinrichtungen. Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt auch im Netz zu schützen, ist eine dauerhafte gesamtgesellschaftliche Verantwortung."   

Der Wunsch Jugendlicher, sich sexuell auszuprobieren, dabei bisherige Grenzen zu überschreiten und zu erleben, wie es ist, wenn andere ihnen begegnen, sollte bei der Vermittlung von Medienkompetenz durch Eltern und Fachkräfte mitgedacht werden. Wichtig ist aber auch, passgenaue Konzepte der Intervention, Beratung und Hilfe für Kinder und Jugendliche zu entwickeln beziehungsweise bestehende Angebote zu erweitern, um Kindermit dem, was sie in digitalen Räumen erleben, nicht alleine zu lassen.

Quelle: Pressemitteilung Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vom 18.11.2020

DIW-Studie zu Auswirkungen rentenpolitischer Entscheidungen auf Pflege – Es sind vor allem Frauen im Übergang in den Ruhestand, die Angehörige pflegen – Erhöhung des Renteneintrittsalters und Abschaffung der sogenannten Altersrente für Frauen lässt Pflegetätigkeit insgesamt zurückgehen – Höheres Pflegegeld und Lohnersatzleistungen sowie bessere Bedingungen für flexible Arbeitszeitgestaltung könnten Zielkonflikt zwischen Renten- und Pflegepolitik lösen.

In Deutschland werden Pflegebedürftige zumeist von Angehörigen oder anderen nahestehenden Menschen zuhause gepflegt, die Hauptlast der Pflege tragen die Frauen. Mit steigendem Renteneintrittsalter drohen Engpässe bei der privaten Pflege, da vor allem Menschen im Übergang in den Ruhestand Angehörige pflegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die die Folgen rentenpolitischer Maßnahmen auf das Pflegeangebot beleuchtet.

Die DIW-Ökonomen Björn Fischer und Kai-Uwe Müller aus der Abteilung Staat haben mithilfe von aktuellen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) untersucht, ob und in welchem Umfang die Frühverrentung einen Einfluss auf die Bereitstellung der sogenannten informellen Pflege hat. Dazu nahmen sie die Altersgrenzen im Rentensystem und die Erhöhung des Renteneintrittsalters durch die Abschaffung der „Altersrente für Frauen“ im Jahr 1999 in den Blick. Diese Reform ließ das effektive Renteneintrittsalter für Frauen ab dem Geburtsjahrgang 1952 von 60 auf 63 Jahre steigen.

Lücke zwischen Angebot und Nachfrage informeller Pflege droht auseinanderzuklaffen

Derzeit pflegen in Deutschland rund 4,3 Millionen Menschen kranke und ältere Angehörige und Bekannte. „Informelle Pflege ist und bleibt eine entscheidende Säule im Pflegemix in Deutschland“, erklärt Studienautor Fischer. „Rund 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden unter starker Mithilfe von Angehörigen versorgt.“ Auch das Gesetz räumt der informellen Pflege Vorrang gegenüber einer Versorgung durch professionelle Pflegekräfte oder einer stationären Unterbringung ein.

Die Pflegenden sind zu zwei Drittel Frauen und vorrangig unter den 50- bis 70-Jährigen zu finden. Da Pflege in der Regel zeitaufwändig und nicht mit einer Vollzeitbeschäftigung vereinbar ist, reduzieren insbesondere Frauen oft ihre Arbeitszeit oder nutzen Frühverrentungsmöglichkeiten. Damit nehmen sie Einschnitte bei Einkommen und späteren Rentenbezügen in Kauf. Männer engagieren sich der DIW-Studie zufolge deutlich weniger in der Pflege – mit Ausnahme der über 70-jährigen.

Projektionen der Branche deuten darauf hin, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2030 auf 3,5 Millionen von 2,6 Millionen im Jahr 2013 ansteigt. Damit dürfte auch die Nachfrage nach informeller Pflege deutlich wachsen. Die DIW-Untersuchung zeigt aber, dass die mit der Rentenreform einhergehende Anhebung des Rentenalters bei Frauen die Pflegetätigkeit reduziert. So ist in der Gruppe der 60- bis 62-jährigen Frauen ein Rückgang um 30 Prozent zu beobachten. Damit dürfte die Schere zwischen Pflegeangebot und -nachfrage weiter auseinandergehen.

Vereinbarkeit von Beruf und Pflege muss verbessert werden

Ursache des Problems ist den DIW-Forschern zufolge die unzureichende Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Damit bei weiter steigendem Renteneintrittsalter und wachsender Nachfrage nach informeller Pflege die Lücke in Zukunft nicht noch größer wird, müssen bestehende Instrumente zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege deutlich verbessert werden. Ein Verzicht auf eine Erhöhung des Renteneintrittsalters wäre hingegen nicht der richtige Weg.

„Mittel- und längerfristige Pflege- und Familienzeiten mit Lohnersatzleistungen würden einen wichtigen Beitrag leisten“, empfiehlt Studienautor Müller. „Zudem könnte das Pflegegeld ausgeweitet werden, was pflegende Angehörige zusätzlich entschädigen würde.“ Derzeit liegt es deutlich unter den Sachleistungen, die ambulanten Pflegediensten gezahlt werden. Auch eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung wie etwa erleichtertes Home-Office könnten sich als sinnvoll erweisen. „Eine bessere Vereinbarkeit könnte auch mehr Männer zur Pflege Angehöriger animieren“, fügt Ökonom Müller hinzu. „Das wäre nicht nur für die geschlechtergerechte Verteilung von Sorgearbeit nötig, sondern auch, um die Nachfrage überhaupt decken zu können.“

· Studie im DIW Wochenbericht 46/2020

· Infografik 1 in hoher Auflösung (JPG, 1.6 MB)

· Interview mit Björn FischerAudio (MP3, 4.62 MB)

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vom 11.11.2020

  • Bundesweite Studie JuCo geht in die zweite Runde!
  • Erfahrungen und Perspektiven von jungen Menschen mit den Corona-Maßnahmen
  • Aufruf zur Beteiligung und zur Verbreitung unter jungen Menschen ab 15 Jahre
  • Alle werden gefragt: Fragebogen jetzt auch in einfacher Sprache

Über 8.000 Menschen hatten sich während des Corona-bedingten Lockdowns im Frühjahr 2020 an der bundesweiten Studie JuCo der Universitäten Frankfurt und Hildesheim beteiligt, um von ihren Erfahrungen und Perspektiven während der Corona-Krise zu berichten. Nun startet der Forschungsverbund eine zweite Erhebung. Im Fokus stehen die Veränderungen des Lebens junger Menschen durch sich ebenfalls verändernde Corona-Maßnahmen.

Die Online-Befragung richtet sich an junge Menschen ab 15 Jahren. Es geht darum, mehr über den Lebensalltag, die Herausforderungen und Perspektiven der jungen Menschen zu erfahren. „Jugendliche wollen gehört werden und sind mehr als Homeschooler:innen. Das hatte die erste Befragung deutlich gezeigt.“, so Anna Lips aus dem Forschungsteam. Johanna Wilmes aus dem Forschungsverbund ergänzt: „Die erste Befragung hat gezeigt, dass die Beteiligungsformate von jungen Menschen nicht krisenfest zu sein scheinen. Von einer großen Teilnahme an der Studie erhoffen wir uns deshalb Erkenntnisse darüber, wie sich junge Menschen ihre Mitsprache in der Corona-Krise vorstellen und was ihre Bedarfe sind.“ Die Studie bietet Jugendlichen eine Möglichkeit, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen.

Deutschlandweit sind junge Menschen ab 15 Jahren eingeladen, an der Umfrage teilzunehmen. Dazu Tanja Rusack: „Wir wollen möglichst viele junge Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen erreichen. Der Fragebogen ist dieses Mal deshalb auch in einfacher Sprache formuliert“.

Der Fragebogen ist unter https://www.soscisurvey.de/JuCo_II/ erreichbar und die Teilnahme dauert ca. 20 Minuten. Unter den Teilnehmer:innen werden 20 Gutscheine im Wert von je 20 Euro verlost.

Quelle: Pressemitteilung Forschungsverbund „Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit“ vom 13.11.2020

Knapp 2,1Millionen Erwerbstätige im Alter von 15bis 74 Jahren wünschten sich im Jahr 2019 eine längere Arbeitszeit (Unterbeschäftigte), während fast 1,5 Millionen kürzer arbeiten wollten (Überbeschäftigte). Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, hatten unterbeschäftigte Personen im Durchschnitt eine gewöhnlich geleistete Wochenarbeitszeit von 29,3Stunden in der Woche und würden im Durchschnitt gerne 10,3Stunden mehr arbeiten. Überbeschäftigte arbeiteten dagegen durchschnittlich 41,5 Stunden pro Woche und wünschten sich eine Verkürzung um 10,7Stunden.

Anstieg der Wochenarbeitszeit von Teilzeittätigen senkt die Unterbeschäftigung

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Teilzeit­be­schäf­tigten im Jahr 2019 um 0,2 Stunden (beziehungsweise 12 Minuten) erhöht. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten, die sich mehr Arbeit wünschten, ist um 102000 Personen gesunken. Insgesamt stieg die Zahl der Teilzeitbeschäftigten im Vorjahresvergleich um 300000.

Deutliche geschlechtsspezifische und regionale Unterschiede

Vollzeitbeschäftigte hatten insgesamt eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 41,3Stunden, während Teilzeitbeschäftigte durchschnittlich 20,2Stunden pro Woche arbeiteten. Zwischen den Geschlechtern sowie regional gab es jedoch deutliche Unter­schiede: So war die durchschnittliche gewöhnliche Wochenarbeitszeit bei den vollzeit­be­schäftigten Männern in Westdeutschland mit 42,0Stunden höher als in Ostdeutschland mit 41,4Stunden. Auch bei den vollzeitbeschäftigten Frauen lag die Wochenarbeitszeit mit 40,2Stunden im Westen höher als im Osten mit 40,0Stunden.

Teilzeitbeschäftigte Frauen wiesen dagegen in Westdeutschland mit 20,2 Stunden eine niedrigere gewöhnliche Wochenarbeitszeit auf als die teilzeitbeschäftigten Frauen in Ostdeutschland, deren Wochenarbeitszeit bei 24,6Stunden lag. Westdeutsche Männer in Teilzeitbeschäftigung hatten ebenfalls eine niedrigere Wochenarbeitszeit von 17,2Stunden im Vergleich zu 20,4Stunden bei den ostdeutschen Männern in Teilzeit.

Vollzeittätige mit Wunsch nach einer Verringerung der Arbeitszeit wollten entsprechend ihre Wochenstunden im Westen stärker reduzieren als im Osten (Männer West/Ost:-11,3Stunden/-10,3Stunden; Frauen West/Ost: -11,1Stunden/-9,8Stunden).

Bei den Teilzeittätigen, die sich mehr Arbeitszeit wünschten, sind die Tendenzen in den West-Ost-Unterschieden zusätzlich vom Geschlecht abhängig: Das Ausmaß der gewünschten Erhöhung der Arbeitsstunden war hier im Westen bei den Männern höher als im Osten, bei den Frauen niedriger (Männer West/Ost: jeweils +17,1Stunden/+16,2Stunden; Frauen West/Ost: +11,5Stunden/+12,1Stunden). Im Westen äußerten teilzeitbeschäftigte Frauen insgesamt seltener und in geringerem Ausmaß den Wunsch nach einer Erhöhung der Arbeitszeit, auch wenn ihre gewöhnliche Wochenarbeitszeit niedriger als die der teilzeitbeschäftigten Frauen im Osten war.

Methodische Hinweise:

Diese Ergebnisse gehen aus dem Mikrozensus beziehungsweise der Arbeitskräfteerhebung hervor. Bei der Frage nach den Arbeitszeitwünschen sollten die Befragten berücksichtigen, dass Mehrarbeit mit einem entsprechend höheren Verdienst und Minderarbeit mit einem entsprechend geringeren Verdienst einherginge.

Definitionen von Arbeitszeit, Unterbeschäftigung und Überbeschäftigung:

Gewöhnlich geleistete Wochenarbeitsstunden beziehen sich auf eine typische, eher längere Referenzperiode. Im Mikrozensus beziehungsweise in der Arbeitskräfteerhebung 2018 erfolgt die Erfassung über folgende Frage:

  • „Wie viele Stunden arbeiten Sie normalerweise pro Woche, einschließlich regelmäßiger Mehrstunden und Bereitschaftszeiten?“

Unterbeschäftigte sind Erwerbstätige, die den Wunsch nach zusätzlichen Arbeitsstunden haben und für diese auch zur Verfügung stehen. Dieser Wunsch wird im Mikrozensus beziehungsweise in der Arbeitskräfteerhebung 2018 über die folgenden zwei Fragen ermittelt:

  • „Würden Sie gerne mit entsprechend höherem Verdienst Ihre normale Wochenarbeitszeit erhöhen?“
    Info: Zur wöchentlichen Arbeitszeit zählen sowohl Haupt- als auch Nebentätigkeiten.
  • „Könnten Sie innerhalb der nächsten 2 Wochen beginnen, mehr Stunden als bisher zu arbeiten?“

Überbeschäftigte sind Erwerbstätige, die den Wunsch haben, ihre Arbeitsstunden zu reduzieren, und dafür ein verringertes Einkommen hinnehmen. Im Mikrozensus beziehungsweise in der Arbeitskräfteerhebung 2018 lautet die zugehörige Frage:

  • „Würden Sie gerne mit entsprechend niedrigerem Verdienst Ihre normale Wochenarbeitszeit verringern?“

Die Erfassung von Arbeitszeiten und Arbeitszeitwünschen mithilfe von Personen- oder Haushaltsbefragungen kann – trotz ähnlicher Frageformulierungen – zu ganz unterschiedlichen Resultaten führen. Dies zeigt beispielsweise der Vergleich von Mikrozensus und Sozio-oekonomischem Panel (SOEP). Ergebnisse einer Studie hierzu enthält der Artikel „Arbeitszeiten und Arbeitszeitwünsche: Unterschiede zwischen Mikrozensus und SOEP“, der in „WISTA – Wirtschaft und Statistik“, Heft 4/2017 veröffentlicht ist.

Ausführliche Untersuchungen in ausgewählten vergangenen Berichtsjahren zu Unter- und Überbeschäftigten sind im WISTA Themen-Archiv: Arbeitsmarkt zu finden.

Quelle: Pressemitteilung DESTATISStatistisches Bundesamt vom 25.11.2020

Ob Mehrlingskinder einander gleichen wie ein Ei dem anderen oder sich lediglich wie Geschwister ähneln, wird statistisch nicht erfasst. Deren Anzahl jedoch schon: Unter den 781 000 Neugeborenen, die im Jahr 2019 hierzulande auf die Welt kamen, waren rund 29 000 Mehrlingskinder. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, war damit jedes 27. Neugeborene ein Mehrlingskind. Damit lag der Anteil von Mehrlingskindern an allen Neugeborenen bei 3,7%.

Den Großteil (98%) der Mehrlingsgeburten machen Zwillinge aus: 14 088 Zwillingspaare kamen im Jahr 2019 zur Welt, 265-mal gab es Drillinge und 5-mal Vierlinge oder sonstige Mehrlingsgeburten. Während es im Jahr 1977 den geringsten Anteil an Mehrlingskindern gegeben hatte – 1,8% oder jedes 56. Neugeborene – steigt deren Anteil seit den 1980er Jahren an.

Anteil der Mehrlingskinder seit den 1980er Jahren mehr als verdoppelt

Die gestiegene Zahl der Mehrlingsgeburten kann zum einen auf die moderne Reproduktionsmedizin zurückgeführt werden, die vielen Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch zu Nachwuchs verhilft. Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung können werdenden Müttern hierbei mehrere Embryonen eingepflanzt werden. Erstmals wurde in Deutschland im Jahr 1982 ein mittels künstlicher Befruchtung gezeugtes Kind geboren. In jenem Jahr lag der Anteil der Mehrlingskinder an allen Neugeborenen noch bei 1,9%.

Zum anderen steigt nach dem Stand der Wissenschaft die Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsgeburt generell mit dem Alter der Frau. Im Jahr 2019 waren 26% der Mütter von Mehrlingen zwischen 35 und 39 Jahre alt. Damit ist ihr Anteil in dieser Altersgruppe höher als im Durchschnitt der Mütter aller Lebendgeborenen (21%).

Während zuletzt 7% der Mehrlingsmütter 40 und älter waren, lag ihr Anteil bei den Müttern aller Lebendgeborenen bei 4,5%.

Methodischer Hinweis:
Informationen und Daten zur künstlichen Befruchtung liegen in der Statistik der Geburten nicht vor. Bei der Anzahl der Neugeborenen sowie der Mehrlinge sind lebend- und totgeborene Kinder berücksichtigt.

Quelle: Pressemitteilung DESTATISStatistisches Bundesamt vom 17.11.2020

Im Jahr 2019 haben die Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland 1,017 Millionen erzieherische Hilfen für junge Menschen unter 27 Jahren gewährt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren dies 13500 Fälle mehr (+1,3%) als im Jahr 2018. Damit haben die erzieherischen Hilfen nicht nur das zweite Jahr in Folge die Millionengrenze überschritten, sondern auch einen neuen Höchststand erreicht: Zwischen 2009 und 2019 sind die Fallzahlen der in Anspruch genommenen erzieherischen Hilfen kontinuierlich gestiegen, und zwar um 182000 Fälle (+22%).

Erzieherische Hilfen sind professionelle Beratungs-, Betreuungs- oder Hilfeangebote, auf die Eltern minderjähriger Kinder einen Anspruch nach dem Kinder- und Jugendhilferecht haben. Voraussetzung ist, dass eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung nicht gewährleistet werden kann, die Hilfe für die kindliche Entwicklung aber geeignet und notwendig ist. Die Inanspruchnahme ist grundsätzlich freiwillig, sie kann aber bei drohenden Kindeswohlgefährdungen auch vom Familiengericht angeordnet werden. Unter bestimmten Voraussetzungen haben auch junge Volljährige bis zum 27.Lebensjahr Anspruch auf vergleichbare Hilfen.

Knapp jede zweite erzieherische Hilfe ist eine Erziehungsberatung

Das Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) unterscheidet bei den erzieherischen Hilfen zehn verschiedene Hilfearten: Davon wurden 2019 am häufigsten Erziehungsberatungen in Anspruch genommen (47%). An zweiter und dritter Stelle standen Heimerziehungen (13%) und sozialpädagogische Familienhilfen (13%). Dahinter folgten Vollzeitpflege in Pflegefamilien (9%) und Hilfen durch Erziehungsbeistände oder Betreuungshelfer (7%). Gut ein Drittel (35%) aller erzieherischen Hilfen wurden von den Jugendämtern und knapp zwei Drittel (65%) von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und anderen Träger der freien Jugendhilfe durchgeführt. In 72% der Fälle richtete sich die Hilfe an Minderjährige, in 16% an gesamte Familien und in weiteren 12% an junge Erwachsene.

Hohe Inanspruchnahme durch Alleinerziehende und bei Transferleistungsbezug

435000 (43%) aller erzieherischen Hilfen wurden 2019 von Alleinerziehenden in Anspruch genommen. Damit nahmen Alleinerziehende deutlich häufiger erzieherische Hilfen in Anspruch als zusammenlebende Elternpaare (346000 beziehungsweise 34%) oder Elternteile in einer neuen Partnerschaft (164000 beziehungsweise 16%).

Erzieherische Hilfen wurden auch häufig bei Bezug von staatlichen Transferleistungen in Anspruch genommen: Bei 39% aller gewährten Hilfen lebte die Herkunftsfamilie oder der junge Mensch ganz oder teilweise von Transferleistungen– also von Arbeitslosengeld II (SGB II), bedarfsorientierter Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder Sozialhilfe (SGB XII) oder bei Bezug eines Kinderzuschlages. Während der Anteil mit Transferleistungsbezug bei Elternpaaren (25%) weit unter dem Durchschnitt (39%) lag, war er bei Alleinerziehenden mit 51% nicht nur weit überdurchschnittlich, sondern auch mehr als doppelt so hoch wie bei den Elternpaaren.

Detaillierte Ergebnisse der Statistik stehen in der Publikation „Erzieherische Hilfen“, in der Datenbank GENESIS-Online unter "Erzieherische Hilfen/Beratungen (22517)" zur Verfügung. Weiterführende Ergebnisse der Kinder- und Jugendhilfestatistiken befinden sich auf der Themenseite.

Quelle: Pressemitteilung DESTATISStatistisches Bundesamt vom 16.11.2020

Zu Beginn des laufenden Schuljahres 2020/2021 wurden in Deutschland 752700Kinder eingeschult. Das waren 19300 oder 2,6% mehr als im Vorjahr. Damit setzt sich der seit dem Schuljahr 2016/2017 zu beobachtende Anstieg der Zahl der Einschulungen fort. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Ergebnissen weiter mitteilt, ist die Zahl der Einschulungen in allen Bundesländen gestiegen. Die größten prozentualen Zuwächse verzeichneten die Bundesländer Bremen und Niedersachsen mit jeweils 8,2 % sowie Schleswig-Holstein mit 7,1%.

Der starke Anstieg der Einschulungen ist auf demografische Entwicklungen zurückzuführen: Zum Jahresende 2019 gab es bundesweit insgesamt 2,6% mehr Kinder im einschulungsrelevanten Alter (5- bis 7-Jährige) als im Vorjahr. Eine Ursache für den Gesamtanstieg der Einschulungszahlen dürfte die verstärkte Zuwanderung in den vergangenen Jahren sein. So stieg die Zahl der Kinder im einschulungsrelevanten Alter mit ausländischer Staatsangehörigkeit um 10,0 %, während die Zahl der 5- bis 7-jährigen Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit 1,6 % höher lag als Ende 2018.

Während der überwiegende Teil der Schulanfängerinnen und Schulanfänger die Schulausbildung an Grundschulen (93,4%) begann, wurden 3,2% an Förderschulen, 2,5% an Integrierten Gesamtschulen und 0,9% an Freien Waldorfschulen eingeschult. Dies entspricht nahezu der Verteilung des Vorjahres.

Bundesweit stiegen im Vergleich zum Vorjahr die Einschulungen an Förderschulen (+3,2%), Grundschulen (+2,7%) und Integrierten Gesamtschulen (+1,5%), während die Anzahl der Einschulungen an Freien Waldorfschulen (-1,4%) zurückging.

Methodische Hinweise:

Bei den Ergebnissen zu den Einschulungen handelt es sich um erste vorläufige Daten. Zu den vorzeitigen und fristgemäßen Einschulungen kommen die Kinder hinzu, deren Einschulungen im Vorjahr zurückgestellt oder auf Elternwunsch hinausgeschoben wurden. Einfluss auf die Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern haben zudem unterschiedliche Einschulungsstichtage.

Quelle: Pressemitteilung DESTATISStatistisches Bundesamt vom 11.11.2020

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Die Bundesregierung hat eine Frauenquote für Vorstände beschlossen, der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt spricht von einem wichtigen Meilenstein. Um Gleichstellung zu erreichen, müssten aber weit mehr Stellschrauben gedreht werden, so der Verband. Die derzeitige Pandemie mache dies überdeutlich. Dazu erklärt Wolfgang Stadler, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes:

„Mit Blick auf die derzeitige Postenbesetzung in Vorständen und Aufsichtsräten ist die Quote ein großer Schritt und wichtiger Etappensieg auf dem Weg in Richtung Gleichstellung. Die Quote für hochdotierte Posten wird hoffentlich dazu beitragen, wichtige Führungs- und Entscheidungspositionen paritätischer zu besetzen.“

Neben der gesetzlichen Vorgabe brauche es nun aber veränderte Rahmenbedingungen, wenn die Quote Erfolg haben solle, so Stadler: „Eine Quote ist schön und gut, wird aber ins Leere laufen, wenn die Unternehmenskulturen unangetastet bleiben. Es gilt, strukturelle Barrieren zu identifizieren und zu beseitigen: Wie ist eigentlich die Arbeit organisiert und welche impliziten Werte gibt es? Wird z.B. schief geguckt, wenn Führungskräfte ein Meeting wegen der Kinder früher verlassen? Ist die Personalabteilung in vielfaltssensibler Personalauswahl geschult?“

Zudem gelte es, sich nicht auf dem Teilerfolg auszuruhen. „Wenn wir das formulierte Ziel Gleichstellung ernst nehmen, müssen wir gesamtgesellschaftlich die Strukturen angehen, die sie behindern: zum Beispiel die schlechte Bezahlung in den vor allem von Frauen ausgeübten sozialen Berufsfeldern und die ungerechte Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit in der Familie“, erklärt Stadler, „Auch beim Thema Gleichstellung müssen wir die Frage nach Verteilungsgerechtigkeit stellen, wenn unsere Bemühungen Erfolg haben sollen: Die Situation einer Pflegehelferin mit Familienverantwortung wird ja nicht besser, wenn bei einem börsennotierten Unternehmen mehr Frauen im Vorstand sind. Geschlechtergerechtigkeit muss in allen gesellschaftlichen Schichten ankommen.“

Die Arbeiterwohlfahrt fördert Vielfalt in Führungspositionen in ihren Unternehmen und Einrichtungen. Sie hat 2018 den ersten verbandsinternen Gleichstellungsbericht veröffentlicht. Ab dem Sommer 2021 wird das Präsidium des Verbandes eine Doppelspitze haben. Der Verband strebt nachdrücklich an, mindestens 50% der haupt- und ehrenamtlichen Führungspositionen mit Frauen zu besetzen.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 23.11.2020

Die Bundesminister*innen Franziska Giffey, Hubertus Heil und Jens Spahn stellen heute den ersten Zwischenbericht zur Konzertierten Aktion Pflege (KAP) vor. Nach Brigitte Döcker, Vorstandsmitglied des AWO Bundesverbandes, zeigt die aktuelle Corona-Pandemie eindringlich den Handlungsbedarf in der Pflege: „Was wir in der Pflege vor allem brauchen ist Personal, Personal, Personal! Die Verabredungen der KAP sollten zügig umgesetzt werden. Und das vor allem hinsichtlich des entwickelten Personalbemessungsverfahrens: Der mit dem neuen Verfahren ermittelte Personalbedarf sollte nicht aus Sorge vor möglichen Kosten jetzt künstlich heruntergerechnet werden. Gute Pflege kostet zwar Geld; das Wohlergehen älterer Menschen sollte unserer Gesellschaft diese Kosten es jedoch Wert sein.“

Weiter führt Brigitte Döcker aus: „Wir müssen die Finanzierung nachhaltig auf solide Füße stellen, ohne das Risiko der Pflegebedürftigkeit den Betroffenen überwiegend allein aufzubürden. Eine solidarische Gesellschaft braucht eine solidarische Absicherung des Pflegerisikos. Die jüngst von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgelegten Eckpunkte für eine Pflegereform sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber greifen zu kurz: Sie setzen auf den Ausbau privater Eigenvorsorge und des Pflegevorsorgefonds bis 2050. Diese haben die bestehenden Probleme in der Vergangenheit nicht gelöst und werden dies auch in der Zukunft nicht lösen.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 13.11.2020

BAGSO fordert Konsequenzen aus Rechtsgutachten

Die Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen in Pflegeheimen im Rahmen der Corona-Pandemie verstoßen in weiten Teilen gegen das Grundgesetz. Das ist das Ergebnis eines Rechtsgutachtens, das der Mainzer Verfassungsrechtler Prof. Dr. Friedhelm Hufen im Auftrag der BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen erstellt hat. Die BAGSO fordert Politik, Behörden sowie die Verantwortlichen in der stationären Pflege nachdrücklich auf, die Grundrechte der Betroffenen zu wahren. Sie tut dies mit besonderer Dringlichkeit, weil vielerorts Pflegeeinrichtungen Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen angesichts gestiegener Infektionszahlen wieder verschärfen.

Der Gutachter hat begründete Zweifel daran, dass das Infektionsschutzgesetz in seiner geltenden Fassung eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die gravierenden Eingriffe in die Grundrechte von Menschen in Pflegeeinrichtungen darstellt. Auch die Rechtsverordnungen der Länder, die sogenannten „Corona-Verordnungen“, müssten konkretere Vorgaben machen. Sofern die Verordnungen tägliche Besuchsmöglichkeiten vorsehen, ist dies für die Heimleitungen verbindlich. Die zuständigen Behörden haben eine Schutzpflicht, die sich nicht nur auf das Vermeiden einer Ansteckung mit COVID-19, sondern auch auf die Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte der Bewohnerinnen und Bewohner und ihrer Angehörigen bezieht.

Dem Gutachten zufolge müssen die negativen Auswirkungen der Maßnahmen auf die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung viel stärker in den Blick genommen werden. Das Leiden von Demenzkranken unter einer für sie nicht begreifbaren Isolation sei dabei besonders zu berücksichtigen. Eine niemals zu rechtfertigende Verletzung der Menschenwürde liege in jedem Fall vor, wo Menschen aufgrund von Besuchsverboten einsam sterben müssen.

Die BAGSO appelliert an die Politik in Bund und Ländern, die Ermessens- und Beurteilungsspielräume für Behörden, Heimträger und Heimleitungen deutlich stärker zu beschränken, als dies bislang der Fall ist. Dabei müssen die Unverletzlichkeit der Menschenwürde und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sichergestellt werden. Das bedeutet, dass ein Zugang zu sterbenden Menschen immer möglich sein muss. Andere Heimbewohner müssen regelmäßig und in angemessener Form Besuch erhalten können – in jedem Fall über eine kurze Begegnung hinter Plexiglas hinaus. Insbesondere auf demenziell erkrankte Menschen wirkt ein solches Ambiente verstörend.

Die BAGSO ruft Gesundheitsministerien, Heimaufsichten, Gesundheits- und Ordnungsämter auf, die betroffenen Menschen auch vor unverhältnismäßigen oder sonst unzulässigen Eingriffen in ihre Grundrechte zu schützen. Von Heimträgern und Heimleitungen verlangt die BAGSO, dass sie nur solche Einschränkungen anordnen, für die es eine eindeutige Rechtsgrundlage gibt. Außerdem müssen sie die Spielräume, die die jeweils aktuelle Verordnung lässt, im Sinne der Betroffenen ausschöpfen. Bei der konkreten Ausgestaltung müssen sie die Bewohnervertretungen einbeziehen.

Die BAGSO ruft Politik und Verwaltung dazu auf, die Verantwortlichen in den Heimen bei ihren Anstrengungen zu unterstützen. Hygienepläne müssen darauf ausgerichtet sein, Besuche in Sicherheit zu ermöglichen, nicht sie zu verhindern. Die zwischenzeitlich verfügbaren Antigen-Schnelltests müssen wie versprochen prioritär in Pflegeheimen eingesetzt werden. Um sicherzustellen, dass ausreichend qualifiziertes Personal die Tests durchführen kann, können beispielsweise Studierende mit medizinischen Grundkenntnissen und entsprechender fachlicher Einweisung eingesetzt werden.

Im Rechtsgutachten wurde die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen aus Anlass der COVID-19-Pandemie untersucht. Prof. Dr. Friedhelm Hufen ist Professor für Öffentliches Recht an der Universität Mainz sowie Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz a.D. Das Gutachten kann auf www.bagso.de heruntergeladen oder kostenlos bestellt werden.

Zum Rechtsgutachten

Wichtige Ergebnisse des Rechtsgutachtens

Quelle: Pressemitteilung BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.Vn vom 11.11.2020

Anlässlich der Verlängerung des Lock-Downs fordern der Paritätische Gesamtverband, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und der Deutsche Mieterbund (DMB) eine sofortige Erneuerung des Kündigungs- und Kreditmoratoriums für mindestens sechs Monate.

Die Krise ist nicht vorbei. Die Menschen kämpfen bereits seit neun Monaten mit den Folgen der Corona-Pandemie, weitere Wochen oder Monate werden folgen. Die andauernden Corona-Maßnahmen bedeuten Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit für Millionen. Ende August hatten rund 15,5 Millionen Haushalte wegen der Krise weniger Einkommen zur Verfügung. Rund drei Viertel der betroffenen Haushalte mussten auf bis zu 30 Prozent ihres regulären Einkommens verzichten. Die Reallöhne sanken im Vergleich zum Vorjahr um 4,7 Prozent, bei den unteren Leistungsgruppen sogar um bis zu 8,9 Prozent.

Werner Hesse, Geschäftsführer Paritätischer Gesamtverband: „Der Verlust ihrer Arbeit oder geringere Einkünfte dürfen nicht dazu führen, dass Menschen Mietschulden anhäufen und schlimmstenfalls ihre Wohnung verlieren. Die Energie- und Wasserversorgung sind ebenfalls elementare Leistungen der Grundversorgung, die nicht zur weiteren Belastung führen dürfen und jedem zu garantieren sind."

Stefan Körzell, DGB-Bundesvorstandsmitglied: „Millionen Menschen sind wegen Corona in Kurzarbeit, Solo-Selbstständige haben enorme Einkommenseinbußen, viele haben Probleme, ihre Miete zu zahlen. Die Politik muss dafür sorgen, dass niemand wegen der Krise sein Dach über dem Kopf verliert. Es ist unverantwortlich, dass die Union bei dem Thema blockiert. Das Zuhause muss sicher sein. Auf dieses Signal warten die Menschen.“

Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband: „Verbraucher dürfen in der Weihnachtszeit nicht in materielle Existenznöte geraten. Wessen Einkommen infolge der Corona-Krise und des anhaltenden Lock-Downs ganz oder teilweise wegbricht, sollte durch ein erneutes Kreditmoratorium Luft zum Atmen bekommen. Auch die Finanzwirtschaft muss hier ihren Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten. Gleichzeitig muss die Politik diesmal unmissverständlich regeln, dass Banken während der Stundung keine Zinsen verlangen dürfen und Verbraucher durch individuelle Vereinbarungen über den bisherigen Kredit nicht schlechter gestellt werden können.“

Lukas Siebenkotten, Präsident Deutscher Mieterbund: „Die aktuelle Situation und der andauernde Lock-Down lassen nur den Schluss zu, dass das Ende Juni 2020 ausgelaufene Kündigungsmoratorium für Mieterinnen und Mieter wieder für mindestens sechs Monate in Kraft gesetzt werden muss. Gerade in Krisenzeiten ist die eigene Wohnung der wichtigste Ort, der auch ein sicherer Ort sein muss. Im Gewerbemietrecht muss dringend die Möglichkeit zur Vertragsanpassung geschaffen werden, wenn der Mieter corona-bedingt seine Ladenmiete nicht mehr oder nur teilweise bezahlen kann. Gewerbetreibende dürfen mit den Auswirkungen der staatlich verordneten Geschäftsschließungen nicht alleine gelassen werden.“

Hintergrund:
Anlässlich des ersten Corona-Lockdowns beschloss der Bundestag einKündigungs- undKreditmoratorium.

Durch letzteres mussten Banken Raten von Verbraucherdarlehensverträgen für drei Monate stunden, wenn Verbraucher pandemiebedingt in Zahlungsschwierigkeiten geraten waren. Das half besonders Verbrauchern, die ihr Haus oder ihre Wohnung abbezahlen und infolge der Krise temporäre Einkommenseinbußen zu verkraften hatten. Die Maßnahme lief bereits im Juni aus, die Möglichkeit einer Verlängerung nutzte die Bundesregierung nicht.

Trotz sinkender Einnahmen besteht die Pflicht der Mieterinnen und Mieter zur vollständigen Mietzahlung. Bis Ende Juni schützte das Kündigungsmoratorium Mieterinnen und Mieter vor dem Verlust ihrer Wohnung und Geschäftsräume, wenn sie corona-bedingt nicht in der Lage waren, ihre Mieten zu zahlen. Entgegen der dringenden Empfehlung aus Teilen der Politik und von Verbraucher- und Sozialverbänden, es zu verlängern, lief das Moratorium aufgrund der Blockadehaltung der CDU/CSU im Sommer aus. Seit Juli gilt wieder das normale Kündigungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Das heißt im Klartext: Jeder und jedem, die oder der seine Miete nicht zahlen kann, droht schon nach einer Monatsmiete und einem Cent Mietrückstand die fristlose Kündigung und damit in aller Regel der Wohnungsverlust. Und zwar unabhängig davon, ob die Mieterin oder der Mieter die eigene Zahlungsunfähigkeit selbst verschuldet hat oder ob staatlich verordnete Geschäftsschließungen und Einkommenseinbußen die Gründe für die ausstehenden Mietzahlungen sind. Mieterinnen und Mietern bleibt in diesem Fall letztlich nur, auf die Solidarität ihrer Vermieterin oder ihres Vermieters zu hoffen.

Ein erneuter Kündigungsschutz böte all denen Sicherheit, die nicht mit dem Verständnis ihrer Vermieterinnen und Vermieter rechnen können. Diese Sicherheit ist in der momentanen Krisenzeit essentiell und mit einem erneuten Kündigungsmoratorium schnell und sogar ohne Kosten für die öffentliche Hand zu realisieren.

Damit Mieterinnen und Mieter keine Schuldenberge anhäufen, müssen anfallende Mietschulden zinsfrei bleiben.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand vom 26.11.2020

In Deutschland werden fast die Hälfte aller pflegebedürftigen Menschen von Angehörigen zuhause gepflegt – überwiegend von Frauen. Mit steigendem Renteneintrittsalter drohen Engpässe bei der privaten Pflege, da vor allem Menschen im Übergang in den Ruhestand Angehörige pflegen.

Ein Höheres Pflegegeld und Lohnersatzleistungen sowie bessere Bedingungen für flexible Arbeitszeitgestaltung könnten den Zielkonflikt zwischen Renten- und Pflegepolitik lösen. Das ist das Ergebnis einer heute veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Dazu erklärt Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

"Diese repräsentative Studie ist eine gute Grundlage, um die Lücken in der Absicherung pflegender Angehöriger zu schließen und die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Pflege zu verbessern. Dreiviertel der pflegenden Angehörigen sind demnach unter 65 Jahre alt. Sie müssen Pflege und Erwerbstätigkeit vereinbaren, wenn sie nicht sogar für die Pflege eines Angehörigen ganz aus dem Beruf ausscheiden. Betroffen sind in der Mehrzahl Frauen. Sie verzichten dabei nicht nur auf Einkommen, sondern auch auf einen Teil ihrer künftigen Rente. Wer in seinem Job bleibt, Arbeitszeit reduziert, um zuhause ein Familienmitglied zu pflegen, braucht eine Perspektive für die eigene Altersversorgung. Die Diakonie Deutschland hält es für notwendig, dass pflegende Angehörige für die Pflege von Angehörigen höhere Rentenansprüche erwerben und zwar auch dann, wenn sie ihre Arbeitszeit nur wenig reduzieren.

Zudem muss die Pflege Angehöriger durch den Ausbau professioneller Pflege weiter gestärkt werden. Darüber hinaus sieht das umfassende Reformkonzept der Diakonie Deutschland vor, dass Angehörige, die zeitweise ihren Beruf für die Pflege Angehöriger ganz aufgeben, Lohnersatzleistungen erhalten und rentenversichert sind. Wer pflegt, darf nicht in Altersarmut geraten. Wer im Job bleibt, sollte Gewissheit haben, dass Angehörige die nötige und gute Pflege bekommen. Die Lücke, die mit der teilweise oder ganzen Aufgabe des eigenen Berufes entsteht, muss geschlossen werden."

Zum Thema veröffentlicht die Diakonie Deutschland in Kürze eine Positionierung für eine verbesserte Alterssicherung pflegender Angehöriger. Bei Interesse wenden Sie sich an pressestelle@diakonie.de

Weitere Informationen:

DIW-Studie "Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege kann Zielkonflikt zwischen Renten- und Pflegepolitik lösen:

https://www.diw.de/de/diw_01.c.803087.de/publikationen/wochenberichte/2020_46_1/bessere_vereinbarkeit_von_beruf_und_pflege_kann_zielkonflikt_zwischen_renten-_und_pflegepolitik_loesen.html

https://www.diakonie.de/pflegeversicherung

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 11.11.2020

Das Aktionsbündnis Kinderrechte kritisiert, dass noch immer kein gemeinsamer Formulierungsvorschlag der Bundesregierung zur Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz vorliegt. Vor genau einem Jahr hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht einen Vorschlag vorgelegt, dessen Diskussion hinter verschlossenen Türen ins Stocken geraten ist. Die Tatenlosigkeit der Regierungsverantwortlichen führt dazu, dass ein parlamentarisches Verfahren schon aus zeitlichen Gründen kaum noch in dieser Legislaturperiode zu einem Abschluss gebracht werden kann.

„Den Kindern in Deutschland hilft es nicht weiter, wenn das Thema in immer neuen Arbeitskreisen diskutiert und vertagt wird. Gerade in Zeiten der COVID-19-Pandemie brauchen Kinder jetzt ein klares Signal, dass ihre Interessen und Bedürfnisse ernst genommen werden und über Parteigrenzen hinweg die Verwirklichung ihrer Rechte vorangebracht wird. Deshalb appellieren wir an die Bundesregierung, das im Koalitionsvertrag festgehaltene Vorhaben, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, zügig voranzutreiben“, so die Organisationen heute in Berlin.

Das Aktionsbündnis (Deutsches Kinderhilfswerk, Der Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland in Kooperation mit der Deutschen Liga für das Kind) betont noch einmal nachdrücklich, dass die UN-Kinderrechtskonvention zwingend Maßstab für die Aufnahme der Kinderrechte im Grundgesetz sein muss. Gleichzeitig weist das Aktionsbündnis darauf hin, dass die von Bundesjustizministerin Lambrecht am 26. November 2019 vorgeschlagene Formulierung den Kindeswohlvorrang und das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Beteiligung noch nicht deutlich genug zum Ausdruck bringt. Insbesondere bei der Formulierung zur Beteiligung von Kindern, fällt der Vorschlag sogar hinter die geltende Rechtslage zurück. Aber gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Situation der Corona-Krise wird deutlich, dass neben den Schutzrechten der Kinder auch ihre Beteiligungsrechte und das Recht auf Förderung ihrer Entwicklung im Grundgesetz verankert werden müssen. Nur so kann sowohl die Gesetzgebung und Rechtsprechung des Bundes und der Länder als auch die Verwaltungspraxis im Sinne der „besten Kinderinteressen“ nachhaltig beeinflusst und damit die Lebenssituation der Kinder konkret verbessert werden. Die Regelung zu Kinderrechten im Grundgesetz darf im Ergebnis nicht hinter dem zurückbleiben, was in der UN-Kinderrechtskonvention, der Charta der Grundrechte der EU und in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes enthalten ist.

Deshalb gilt es, wie im Koalitionsvertrag festlegt, echte Kindergrundrechte zu schaffen. Nur so kann dem Anspruch einer ernsthaften Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention entsprochen und dem aktuellen Umsetzungs- und Anwendungsdefizit der Kinderrechtskonvention in Deutschland entgegengewirkt werden. Für das Aktionsbündnis Kinderrechte ist zudem unabdingbar, dass in einem Gesetzgebungsverfahren eine breite Beteiligung der Zivilgesellschaft stattfindet, damit neben politischen Erwägungen auch die in den letzten Jahren erarbeiteten fachlichen Standards angemessen Berücksichtigung finden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e. V., Der Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland und Deutsche Liga für das Kind vom 26.11.2020

Das Deutsche Kinderhilfswerk begrüßt die beabsichtigte Verabschiedung eines "General Comment" zu Kinderrechten in der digitalen Welt durch den Kinderrechteausschuss der Vereinten Nationen. Denn Kinderrechte müssen auch im digitalen Raum durchgesetzt werden. Mit dem "General Comment" wird die UN-Kinderrechtskonvention für den digitalen Raum aktualisiert, um Schutz, Förderung und Beteiligung von Kindern auch im Internet zu gewährleisten.

In einer gemeinsamen Stellungnahme von 32 Einrichtungen, Organisationen und Institutionen, die im Konsultationsverfahren zum UN-Entwurf für einen "General Comment" unter Federführung des Deutschen Kinderhilfswerkes erarbeitet wurde, wird die Wichtigkeit einer solchen völkerrechtlichen Verpflichtung betont. "Der ,General Comment‘ wird den Vertragsstaaten der UN-Kinderrechtskonvention Orientierung und Handlungssicherheit dabei geben, ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Kinderrechte auch im digitalen Raum nachzukommen", betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes. "Kinder bewegen sich bereits in jungen Jahren ganz selbstverständlich im Internet. Virtueller und realer Raum verschränken sich immer weiter. Digitale Identitäten beeinflussen verstärkt die reale Wahrnehmung junger Menschen und soziale Interaktionen werden vermehrt in das Internet übertragen oder sogar durch dieses verstärkt. Umso wichtiger ist es, dass Kinderrechte auch im Internet respektiert, geschützt und umgesetzt werden. Nur so können die Chancen der Technologie die Überhand gegenüber den Risiken behalten", so Krüger weiter.

In Zeiten der Corona-Pandemie wird immer deutlicher, dass das Internet nicht nur zum Spielen, Kontakthalten und zur Unterhaltung, sondern auch für die Bildung junger Menschen eine größer werdende Bedeutung erlangt. Zurecht setzt sich der UN-Kinderrechteausschuss daher dafür ein, dass Staaten in die technologische Infrastruktur der Schulen investieren und ausreichend Computer sowie eine schnelle Verbindung zum Internet vorhalten. Auch sollen diese mit dem "General Comment" aufgefordert werden Lehrkräfte für die Bildung mit digitalen Technologien auszubilden sowie die Erstellung und Verbreitung von vielfältigen digitalen Bildungsmaterialien zu befördern.

"Durch das Engagement des UN-Kinderrechteausschusses werden die Herausforderungen deutlich, die sich bei der Umsetzung von Kinderrechten auch im Zeitalter der Digitalisierung ergeben. Klar muss dabei sein, dass sich verändernde Medienwelten und damit verbundene Jugendschutzsysteme letztlich nicht alleinige Aufgabe einzelner Nationalstaaten sind, sondern internationale Zusammenarbeit erfordern", sagt Kai Hanke, stellvertretender Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes. Mit Blick auf die Novellierung des Jugendschutzgesetzes durch die Bundesregierung begrüßt er, dass "mit der geplanten Aktualisierung des Kinder- und Jugendmedienschutzes in höchstem Maße kinderrechtsrelevante Herausforderungen angegangen werden. Die Novellierung des Jugendschutzgesetzes bietet die Chance, die im ,General Comment‘ angeregten, internationalen Maßstäbe für eine kinderrechtlich ausgewogene Gestaltung des Jugendmedienschutzes bereits jetzt in nationaler Gesetzgebung zu berücksichtigen. Damit kann der Grundstein gelegt werden für einen nachhaltigen, kinderrechtlich ausgewogenen Kinder- und Jugendmedienschutz im digitalen Zeitalter."

Der vom UN-Kinderrechteausschuss im Entwurf vorgelegte "General Comment" ist eine richtungsweisende Interpretationshilfe, um die vollständige Einhaltung der Verpflichtungen aus der Kinderrechtskonvention und ihren Fakultativprotokollen im Hinblick auf die Chancen, Risiken und Herausforderungen für die Rechte des Kindes im digitalen Umfeld zu gewährleisten. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes beobachtet die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention sowie ihrer Zusatzprotokolle durch die Nationalstaaten. Um einzelne Artikel und Bestimmungen der Konvention näher zu erläutern hat der UN-Ausschuss die Möglichkeit "General Comments" zu veröffentlichen. Diese sind nicht Teil der völkerrechtlichen Verträge und daher nicht rechtlich bindend. Gleichwohl helfen sie den Staaten beim Verständnis sowie bei der Verwirklichung der Kinderrechte, da sie wichtige Hinweise und Auslegungen bieten.

Weitere Infos und die Stellungnahme zum "General Comment finden sich unter www.dkhw.de/kinderrechte-digitale-welt.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e. V. vom 17.11.2020

Morgen, am Freitag, 27. November 2020, berät der Bundestag über Änderungen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes. Mit flexibleren Angeboten zur Nutzung des Elterngeldes will man den Wünschen und Bedarfen der Eltern entgegenkommen. Dazu soll der Stundenkorridor für mögliche Teilzeittätigkeit beim Partnerschaftsbonus auf 24 bis 32 Wochen­stunden ausgeweitet werden (bislang 25 bis 30 Stunden). „Vom Ansatz her richtig, aber ohne eine Absenkung der Untergrenze auf 20 Wochenstunden ist nicht zu erwarten, dass die Inanspruchnahme nennenswert steigt“, kommentiert Martin Bujard, Präsident der eaf. Als Familienforscher weiß er, dass rund die Hälfte der Mütter von Zweijährigen eine Arbeitszeit von 16 bis 25 Wochenstunden für sich als ideal ansehen. „Will man die Auszeiten von Müttern geringhalten, muss man ihnen die Möglichkeit geben, ihre Berufstätigkeit nach ihren Wünschen zu gestalten. Sonst wird man diese Gruppe nicht erreichen“, so Bujard.

Entscheidend wird jedoch sein, die Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung grundsätzlich zu erhöhen. Familien in der besonders stressbelasteten „Rushhour des Lebens“ benötigen aus Sicht der eaf ein umfassendes zeitpolitisches Angebot für den Zeitraum zwischen elterngeld­finanzierter Elternzeit und der Einschulung des jüngsten Kindes. „Hier wäre die Einführung einer dynamischen Familienarbeitszeit denkbar, mit der Angebote qualifizierter vollzeitnaher Teilzeit­arbeit für Väter und Mütter geschaffen werden“, führt Bujard aus. „Dynamisch, damit die Arbeitszeit mit zunehmendem Alter der Kinder wieder sukzessive ansteigen kann. Hierzu bedarf es einer umfassenden Gesetzesreform über das BEEG hinaus.“

Leider wird auch der Mindestsatz des Elterngeldes nicht erhöht. Rund ein Drittel aller Mütter erhält nur 300 Euro monatlich Elterngeld. Der Mindestsatz wurde seit der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 nicht erhöht, nicht einmal an den Verbraucherpreisindex angepasst.

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 26.11.2020

Der Familienbund der Katholiken begrüßt die in der vergangenen Woche (19.11.2020) vom Deutschen Bundestag beschlossenen zusätzlichen Milliarden-Investitionen für die Betreuung von Grundschulkindern. Der Verband fordert, die Finanzmittel an verbindlichen Qualitätskriterien orientiert einzusetzen. „Qualifiziertes Personal ist hier-bei ebenso wichtig wie ein altersgerechter Betreuungsschlüssel, wenn die Investitionen einen spürbaren bildungspolitischen und pädagogischen Mehrwert haben sollen“, sagte Familienbund-Präsident Ulrich Hoffmann heute in Berlin und warnte: „Eine mit politischer Anspruchslosigkeit ins Werk gesetzte Betreuung hilft weder den Grundschulkindern noch deren Eltern. Und der Gesellschaft ebenso wenig.“ Angesichts des eklatanten Mangels an Erziehern hält Hoffmann den von der Bundesregierung ab 2025 geplanten Rechtsanspruch für Grundschulkinder für kaum realisierbar.

Hoffmann hält auch unabhängig vom Ziel eines Rechtsanspruchs die Betreuungssituation an Grundschulen für dringend ausbaubedürftig. „Zahlreiche unbesetzte Stellen, berufliche Überlastungen von Erziehern und hohe Krankenstände des Betreuungspersonals machen Betreuung außerhalb des Unterrichts für Kinder heute vielerorts zum traurigen Glücksspiel. Nötig ist aber überall eine verlässliche Qualitätsbetreuung. Eltern, die ihre Kinder nach Unterrichtsschluss im Hort betreuen lassen wollen, müssen diese Option auch haben. Gebrauch werden Eltern aber nur dann davon machen, wenn sie ihre Kinder in guten Händen wissen“, sagte Hoffmann.

„Statt die Lebensform Familie nach den ökonomischen Verwertungsinteressen der Wirtschaft weiter zuzuschneiden, müssen es die Familien sein, die souverän über ihr Leben und ihre Zeit entscheiden.“

„Das politisch ausgelobte Ziel eines Rechtsanspruchs auf Betreuung für Grundschulkinder darf aber nicht die einzige politische Antwort auf die drängende Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein“, stellte Hoffmann klar. „Der Ausbau staatlicher Betreuungsinstitutionen als Lösungslieferant ist eindimensional und unterkomplex, weil es den Bedürfnissen von Familien nach mehr Zeit für- und miteinander keinerlei Rechnung trägt. Nötig sind flexible und lebensphasenbezogene Arbeitszeitreduzierungen für erwerbstätige Eltern. Statt die Lebensform Familie nach den ökonomischen Verwertungsinteressen der Wirtschaft weiter zuzuschneiden, müssen es die Familien sein, die souverän über ihr Leben und ihre Zeit entscheiden. Dafür muss die Politik endlich zukunftsweisende Konzepte für eine familien- und lebensgerechte Zeitpolitik aufgreifen, die wissenschaftlich seit langem entwickelt und diskutiert werden, zum Beispiel ‚Atmende Lebensläufe‘, die Optionszeiten über die gesamte Erwerbsbiografie von Menschen für Erziehungs- und Pflegeaufgaben vorsehen. Die Wirtschaft ist nachdrücklich aufgerufen, einen nennenswerten Beitrag zu einer familiengerechten Zeitpolitik zu leisten. Unternehmen sitzen schließlich mit im Boot. Es sind aber heute die Eltern, die rudern!“

„Ein Rechtsanspruch auf Betreuung von Grundschulkindern, der nicht in einen zeitpolitischen Rahmen eingebettet ist, unterläuft die Autonomie von Familie, indem er deren Wahlfreiheit durch die politische Schaffung gesellschaftlicher Konventionen einschränkt.“

Hoffmann wandte sich dagegen, die Betreuung in Grundschulen zu einer gesellschaftlichen Norm werden zu lassen, die für Eltern wie Kinder alternativlos sei. „Der Freiheitsgedanke von Familie zeigt sich in der elterlichen Souveränität, die eigene Lebensform von Familie selbst wählen und leben zu können. Ein Rechtsanspruch auf Betreuung von Grundschulkindern, der nicht in einen zeitpolitischen Rahmen eingebettet ist, unterläuft die Autonomie von Familie, indem er deren Wahlfreiheit durch die politische Schaffung gesellschaftlicher Konventionen einschränkt. Das kann nicht im Sinne von Familien sein.“

Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken – Bundesverband vom 23.11.2020

Jedes Jahr erleben über 130.000 minderjährige Kinder in Deutschland die Scheidung oder Trennung ihrer Eltern. Oft leben die Kinder danach weit entfernt von ihrem Papa oder ihrer Mama. Viele getrennt lebende Väter und Mütter reisen am Wochenende quer durch Deutschland, um ihr Kind zu besuchen. Leider reicht dabei das Geld nicht immer für eine Übernachtung vor Ort.

Diesen Eltern hilft das Münchner gemeinnützige Unternehmen Flechtwerk 2+1 mit seiner InitiativeMein Papa kommt / Meine Mama kommt. Sie vermittelt dem anreisenden Elternteil bundesweit Übernachtungen bei ehrenamtlichen Gastgeber*innen. Denn auch diejenigen, die sich nicht regelmäßig ein Hotel oder eine Pension leisten können, sollen ein warmes Bett haben, wenn sie ihre Söhne und Töchter besuchen.

Nun hat die InitiativeMein Papa kommt / Meine Mama kommtdenPublikumspreis des Social-Design-Award 2020mit dem diesjährigen Motto„Gemeinsam sind wir stark“gewonnen. Zum siebten Mal vergeben SPIEGEL WISSEN und Bauhaus den Social Design Award. Rund 150 Projekte und Initiativen haben sich beworben – vom Start-up bis zum Ein-Mann-Kunstprojekt. Allen gemein ist, dass sie gegen soziale Ungleichheit kämpfen und sich für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen.

Annette Habert, Initiatorin und geschäftsführende Gesellschafterin der Flechtwerk 2+1 gGmbH: „Gemeinsam sind wir stark – das erfahren Eltern und Kinder seit Jahren durch das ehrenamtliche Engagement unserer Gastgeber*innen. Sie sind Vertrauensgeber und echte Helden einer Solidargemeinschaft!“

Quelle: Pressemitteilung Mein Papa kommt® / Meine Mama kommt – für Kinder mit zwei Elternhäusern – Eine Initiative der Flechtwerk 2+1 gGmbH vom 10.11.2020

Die Leistungen für benachteiligte Kinder und Jugendliche seien in der bestehenden Form nicht geeignet, Kinderarmut zu bekämpfen, Teilhabe zu ermöglichen und Bildungsgerechtigkeit sicherzustellen, kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband. Wie eine aktuelle Expertise der Paritätischen Forschungsstelle belegt, haben sich die mit dem so genannten „Starke-Familien-Gesetz“ 2019 in Kraft getretenen Reformen des Bildungs- und Teilhabepaketes nach den vorliegenden Statistiken nicht positiv auf die Inanspruchnahme der Teilhabeleistungen durch benachteiligte Schüler*innen ausgewirkt, vielmehr sei sogar ein leichter Rückgang der Quoten zu verzeichnen. Der Paritätische bekräftigt seine Forderung nach der Einführung eines Rechtsanspruchs auf Angebote der Jugendarbeit im Kinder- und Jugendhilfegesetz und die Einführung einer bedarfsgerechten, einkommensabhängigen Kindergrundsicherung.

„Das Bildungs- und Teilhabepaket ist und bleibt Murks und geht weiter komplett an der Lebensrealität Heranwachsender und den Strukturen vor Ort vorbei. Was es jetzt braucht, ist den politischen Mut, sich von dem verkorksten Bildungs- und Teilhabepaket endlich zu verabschieden, und den politischen Willen, Kinderarmut wirklich zu stoppen“, fordert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket wird seit 2011 benachteiligten Kindern und Jugendlichen ein monatlicher Zuschuss in Höhe von 10 Euro (seit dem 1. August 2019: 15 Euro) für Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, für Musikunterricht und die Teilhabe an Freizeiten in Aussicht gestellt. Obwohl die Leistungen praktisch nur einem Teil der Jugendlichen zu Gute kommen, wurden Regelsatz-Bestandteile im Gegenzug für alle Kinder und Jugendlichen pauschal gestrichen. Auch knapp zehn Jahre nach Einführung profitieren laut der vorliegenden Studie des Paritätischen nur bis zu 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler unter 15 Jahren im Hartz-IV-Bezug von den sogenannten „soziokulturellen Teilhabeleistungen“, 85 Prozent der Leistungsberechtigten wurden in der Praxis dagegen nicht erreicht. „Es ist geradezu zynisch, dass Kürzungen im Regelsatz damit begründet werden, dass theoretisch der Anspruch auf eine Leistung besteht, die in der Praxis aber kaum ein Kind erreicht“, kritisiert Schneider.

Die Studie, die zum dritten Mal in Folge erscheint, belegt dabei auch in diesem Jahr drastische regionale Unterschiede in der Umsetzung des bundesgesetzlich normierten und kommunal administrierten Rechtsanspruchs. Erstmals berücksichtigt wurden qualitative Erkenntnisse auf Basis einer Abfrage bei den Jobcentern mit besonders hohen bzw. niedrigen Quoten im Bundesländervergleich. Als Grund für hohe Bewilligungsquoten werden primär niedrigschwellige Antragsverfahren genannt, aber auch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit sowie Beratung zur Information und Aufklärung der Betroffenen. Schlechte Quoten werden teilweise auf Probleme bei der Datenerfassung zurückgeführt, aber gelegentlich auch auf bestehende kostenfreie Angebote, die sich als geringerer Bedarf an Teilhabeleistungen in den Daten widerspiegeln.

Ein Grundproblem bleibt vielerorts der Mangel an geeigneten Angeboten, weshalb der Paritätische sich für die Einführung eines einklagbaren Rechtsanspruchs einsetzt: „Die bisherigen Teilhabeleistungen sind davon abhängig, dass es vor Ort überhaupt passende Angebote gibt. Nur ein Rechtsanspruch sorgt dafür, dass auch wirklich entsprechende Angebote vorgehalten werden und jedes Kind, unabhängig von seinem Wohnort, bestmöglich in seiner Entwicklung gefördert wird.“

Die Expertise „Empirische Befunde zum Bildungs- und Teilhabepaket 2020: Teilhabequoten im Fokus“ steht zum Download bereit unter: https://www.der-paritaetische.de/publikationen/expertise-empirische-befunde-zum-bildungs-und-teilhabepaket-teilhabequoten-im-fokus-1/

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 12.11.2020

Seit 2004 ruft die Stiftung Lesen und DIE ZEIT gemeinsam mit der Deutschen Bahn zum bundesweiten Vorlesetag auf.

Er findet in diesem Jahr am 20. November statt.

Das „Bündnis für Familie Königs Wusterhausen“ ist auch in diesem Jahr bei diesem Vorlesetag der etwas anderen Art dabei.

Aufgrund der gegenwärtigen Situation verschenkt das Bündnis mit seinen Bündnismitgliedern Kinderbücher zum Vorlesen an Familien.

In folgenden Einrichtungen werden die Bücher verschenkt:

  • Stadtbuchhandlung Radwer, Bahnhofstr. 11, von 9 bis 18 Uhr
  • SHIA-Landesgeschäftsstelle, Bahnhofstr. 4, von 8 bis 18 Uhr
  • Bürger*innentreff, Fontaneplatz 2, von 10 bis 18 Uhr und
  • Büro des Netzwerkes Gesunde Kinder, Märkische Zeile 16.

Familien erhalten vor Ort – mit Abstand natürlich – ein Buch für ein Kind im Kita- oder Grundschulalter, natürlich leider nur, solange der Vorrat reicht.

Das „Bündnis für Familie Königs Wusterhausen“ dankt der Stadtbuchhandlung Radwer, der Stadbibliothek, dem Netzwerk Gesunde Kinder, den Mitarbeiterinnen des Bürger*innentreffs sowie der Stiftung Lesen und dem Ehepaar Kühn für die Unterstützung.

Weitere Informationen auch unter www.vorlesetag.de.

Quelle: Pressemitteilung SHIA-Landesverband Brandenburg e. V. vom 18.11.2020

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 02./03. Dezember 2020

Veranstalter: Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Jetzt anmelden zur internationalen Online-Konferenz der Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Unter dem Titel „Aufklären, sensibilisieren, vernetzen. LSBTI*-Rechte sind Menschenrechte!“ veranstaltet die Hirschfeld-Eddy-Stiftungam Mittwoch, den 02. Dezember (14:00-16:30 Uhr) und am Donnerstag, den 03. Dezember (16:00-19:00 Uhr) eine internationale Online-Konferenzmit LSBTI*-Aktivist*innen aus Südafrika, Uganda, Russland und Honduras, NGO-Vertreter*innen, Parlamentarier*innen und Vertreter*innen der Bundesregierung.

Das Themenspektrum der Konferenz reicht von Entkriminalisierung, Shrinking Spaces und religiös motivierter LSBTI*-Feindlichkeit über LSBTI*-Projekte und Berichterstattung und Stärkung der Menschenrechte auf UN-Ebene bis hin zum LSBTI-Inklusionskonzept für die deutsche Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit.

Jetzt hier anmelden

Aus dem Konferenzprogramm

„LSBTI*-Rechte sind Menschenrechte“ – Rolle, Möglichkeiten und Herausforderungen für die deutsche Menschenrechtspolitik. Keynote von Dr. Silke Voß-Kyeck, UN-Expertin und Berichterstatterin für das Forum Menschenrechte

Die Rolle von Geber*innen in Deutschland für internationale Menschenrechtsarbeit. Keynote von Ise Bosch, Geschäftsführerin Dreilinden gGmbH

Strategie-Podium: „Aufklären, sensibilisieren, vernetzen. LSBTI*-Rechte sind Menschenrechte!“ mitMichael Roth (Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt,),Gyde Jensen (MdB und Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe), Iris Dill (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) undElke Schäfter(Elisabeth-Selbert-Initiative)

Fachforen:

  • Gewalt und Kriminalisierung von LSBTI* am Beispiel von Honduras, Russland, Uganda
  • Religiös motivierte LSBTI*-Feindlichkeit
  • Shrinking Spaces – Internationale der Homophobie und Trans*feindlichkeit
  • LSBTI*-Inklusionskonzept für die auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit
  • Multilateralismus unter Beschuss
  • Best practice & Medien

Die Konferenz findet per Zoom statt, eine Teilnahme ist auch in Teilen gut möglich. Der Link wird an angemeldete Teilnehmende einige Tage vorher verschickt. Bitte bis 25. November anmelden. Konferenzsprache ist Deutsch. Einige Vorträge sind in englischer Sprache und werden simultan ins Deutsche übersetzt.

Hier geht zur Anmeldung: https://www.eventbrite.de/e/lsbti-rechte-sind-menschenrechte-lgbti-rights-are-human-rights-registration-128393587677

Termin: 08. Dezember 2020

Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung

Antifeminismus ist in Deutschland weit verbreitet. Über ein Drittel der Bevölkerung (47,3% der Männer und 28,7% der Frauen) stimmt zumindest einer antifeministischen Aussage zu. Ein geschlossen antifeministisches Weltbild haben knapp mehr als 20% der Bevölkerung, insbesondere Männer. Dieses und weitere interessante Ergebnisse zeigt die neue Autoritarismus-Studie 2020 der Universität Leipzig.

So sind antifeministische Einstellungen ein grundlegendes Element rechtsradikalen und rechtsextremistischen Denkens. Sie haben sich als ein Identifikations- und Identitätsmerkmal stabilisiert. Wer rechtsextrem ist, neigt zum Antifeminismus, und wer antifeministisch ist, neigt zum Rechtsextremismus.

Antifeministische Einstellungen und Ressentiments ziehen sich durch alle Bereiche des Alltagslebens: Sie sind zu finden in Internet-Memes, Foren, Chats, Kunst und Musik, aber auch im Schul- und Berufsleben, in Partnerschaften, Familien und Freundschaftsbeziehungen. Öffentliche wie private Diskurse bringen immer wieder antifeministische Haltungen zutage. Hinter diesen Einstellungen vermuten die Autor*innen der Leipziger Studie tieferliegende Ressentiments, welche eng mit anderen Ideologien und Rassismen verbunden sind und die unter bestimmten Bedingungen an die Oberfläche kommen.

In der Rechtsextremismus- und Autoritarismusforschung wurden Geschlechterverhältnisse und Antifeminismus bislang wenig beachtet. Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2020 hellt mit ihren Ergebnissen dieses Forschungsfeld auf. Die Mitautorin der Leipziger Studie, Charlotte Höcker, stellt im Fachgespräch ihre Forschungsergebnisse vor. Juliane Lang, seit Jahren wissenschaftlich und journalistisch mit dem Thema befasst, kommentiert. Anschließend sind alle Teilnehmenden zur Diskussion eingeladen.

Mit:

  • Charlotte Höcker (Universität Leipzig)
  • Juliane Lang (Universität Gießen)

Die Veranstaltung wird in Deutsche Gebärdensprache simultan übersetzt. Für weitere Fragen wenden Sie sich gern an Christiane Bornstedt unter Bornstedt@boell.de.

Weitere Informationen und die Anmeldung finden Sie hier.

Termin: 28. Januar 2021

Veranstalter: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend plant im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Verabschiedung von Ratsschlussfolgerungen (RSF) zur Bekämpfung des Gender Pay Gaps auf dem Rat der Europäischen Union für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) Anfang Dezember 2020.

In den RSF werden zwei Lösungswege für eine gleichberechtigte Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit thematisiert:

(1) Die Schaffung bedarfsgerechter und finanziell erschwinglicher Angebote der Infrastruktur für Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und Haushaltsarbeiten.

(2) Die Gestaltung der institutionellen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, um eine gleichberechtigte Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zu fördern.

Die Lösungswege sollen im Rahmen der digitalen Fachveranstaltung „Wechselwirkungen von Gender Pay Gap und Gender Care Gap: Welche Erkenntnisse gibt es und wie können wir die Geschlechtergleichstellung im Erwerbsleben fördern?“ für Deutschland konkretisiert und diskutiert werden. Dazu haben wir ein spannendes Programm aus Vorträgen und Podiumsdiskussionen vorgesehen, die sich schwerpunktmäßig mit den Themen „Anspruch auf Mobile Arbeit“ und „Professionalisierung von Haushaltsnahen Dienstleistungen“ in Umsetzung der zwei genannten Lösungswegen befassen werden. Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wird begrüßen.

Wir freuen uns darauf, mit Ihnen und weiteren Expertinnen und Experten aus den Verbänden, der Wissenschaft und der Wirtschaft am 28. Januar 2021 Lösungsansätze für Deutschland zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen aus den RSF zu diskutieren. Leiten Sie diese Save-The-Date E-Mail gern an weitere interessierte Personen aus der Fachöffentlichkeit weiter.

Eine Einladung mit detailliertem Programm, dem Link zur Anmeldung und weiteren technischen und organisatorischen Abläufen folgt in Kürze.

AUS DEM ZFF

Der familienpolitische Fachverband Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) freut sich ab dem 01.02.2021 um Unterstützung durch eine*n

Referent*in für die Verbandskommunikation

Neben einem abgeschlossenen Studium einer Sozial- oder Geisteswissenschaft bzw. der Journalistik verfügen Sie über Erfahrungen in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Verbänden und der politischen Kommunikation. In den Themenbereichen der Familien-, Sozial- und Gleichstellungspolitik kennen Sie sich aus.

Die vollständige Stellenausschreibung finden Sie hier.

AKTUELLES

Es kann unromantisch werden nicht über Geld zu reden!

Frisch verliebt und kurz vor der Hochzeit? Da denken Paare an alles, außer an so unromantische Themen wie finanzielle Absicherung, Arbeitsteilung und Altersversorgung.

Nur ein Viertel aller jungen Paare, die heiraten und/oder eine Familie gründen wollen, ist ausreichend informiert über die finanziellen und rechtlichen Folgen, die eine Eheschließung oder Elternschaft für sie hat.

Und wenn Kinder kommen, bleibt in einer heterosexuellen Beziehung immer noch die Frau zuhause und der Mann geht arbeiten, obwohl diese traditionelle Rollenverteilung gar nicht gewünscht war.

Auch wenn kein verliebtes Paar an Scheidung denken mag, es ist wichtig, die gegenseitige finanzielle Absicherung beider Partner*innen im Krisenfall zu besprechen und zu regeln. Was vorher geklärt ist, macht später keinen Ärger.

Mit der Herausgabe der Broschüre "Verliebt, Verlobt, Versorgt" haben das Gleichstellungsbüro und das Familienmanagement der Stadt Hannover die bedeutsame Erkenntnis des 6. Forums Familie 2019 „Über Geld reden wir doch!“ aufgegriffen: Über Geld wird in Paarbeziehungen zu wenig oder zu spät gesprochen. Während die Kurzfassung einen Überblick vermittelt, widmet sich die Langfassung den Inhalten intensiver.

Sie ist erhältlich unter: familienmanagement@hannover-stadt.de oder frauen-und-gleichstellung@hannover-stadt.de

Und steht hier zum Download zur Verfügung.

Die Debatte um den Wert und die Inwertsetzung von hauptsächlich durch Frauen geleistete "Care-Arbeit" ist nicht neu. Früher ein Thema vor allem der Frauenbewegungen, wird es heute in einem gesellschaftlich breiteren Kontext und unter veränderten (gleichstellungs)politischen Vorzeichen diskutiert. Neben unbezahlter Arbeit im eigenen Haushalt werden auch die Arbeitsbedingungen ausgelagerter und (unter)bezahlter Tätigkeiten im Pflegesektor, in der Kinderbetreuung oder im Reinigungsgewerbe in den Blick genommen.

Wie lässt sich diese für Gesellschaft und Wirtschaft unverzichtbare Arbeit aufwerten? Erwogen werden beispielsweise Arbeitszeit- und Sozialversicherungsmodelle, die die Aufwendung für diese Arbeit durchgehend berücksichtigen. Gleichzeitig sollen auch die professionellen Kräfte in diesen Feldern durch mehr Geld und mehr Zeit pro Person bessergestellt werden.

Hier geht es zur Bestellung: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/317863/care-arbeit

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ZFF-Info

ZFF-Info 12/2020

SCHWERPUNKT I: Regelsätze

Anlässlich der heutigen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag zum Gesetzentwurf zur Neuermittlung der Regelbedarfe mahnt das ZFF an, dass sich der Gesetzgeber bei der Existenzsicherung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen endlich ein auskömmliches soziokulturelles Existenzminimum zum Maßstab nehmen sollte.

Alle fünf Jahre wird der Regelbedarf auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) neu ermittelt. Die EVS wird vom Statistischen Bundesamt durchgeführt und liefert Angaben zu den Lebensverhältnissen der privaten Haushalte in Deutschland. Im Rahmen der Ermittlung des Regelbedarfs werden Sonderauswertungen der EVS vorgenommen und die durchschnittlichen Verbrauchsausgaben einkommensschwacher Haushalte ermittelt. Der Gesetzgeber trifft dann eine Auswahl der Ausgabenpositionen, die er als regelbedarfsrelevant erachtet. Die ausgewählten Positionen werden anschließend addiert und ergeben den Regelbedarf im SGB II und XII.

Alexander Nöhring (Geschäftsführer des ZFF) erklärt dazu: „Die ermittelten Regelsätze erfassen gerade einmal den allernötigsten Bedarf. Armen Kindern und Jugendlichen ist ein Aufwachsen in Wohlergehen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben so nicht möglich. In der aktuellen Krisensituation zeigt sich erneut, wie stark die Bildungs- und Teilhabechancen vom Geldbeutel der Eltern abhängen: Nicht alle Kinder und Jugendlichen können am digitalen Unterrichtsgeschehen adäquat teilnehmen, da zu Hause das Geld nicht ausreicht, um einen Computer oder einen Drucker zu kaufen. Oft fehlt ein Tisch oder auch ein eigenes Zimmer in einer beengten Wohnung, um in Ruhe Schularbeiten zu machen. Darüber hinaus ist weder ein Eis, noch ein Campingurlaub im Sommer dem Gesetzgeber für ein Kinderleben relevant. Bildungsungleichheiten und Leistungsunterschiede und das Gefühl, nicht dazuzugehören verstärken sich so immer mehr.

Was Kinder und Jugendliche für ihre Existenzsicherung brauchen, ist nicht losgelöst vom Haushaltskontext und der Bemessung des elterlichen Existenzminimums. Der elterliche Bedarf wird aber aus den ärmsten 15 Prozent der Alleinlebenden ermittelt und enthält weder Begleitkosten für einen Ausflug ins Schwimmbad oder den Zoo, noch ist der Betreuungs- und Erziehungsaufwand angemessen berücksichtigt.“

Alexander Nöhring fährt fort: „Das ZFF fordert eine bedarfsgerechte, transparente und methodisch stimmige Ermittlung der Regelsätze und damit des soziokulturellen Existenzminimums. Ausgangspunkt der Ermittlung muss das sein, was Kinder und Jugendliche für ein Aufwachsen in Wohlergehen brauchen und nicht das Minimalniveau. Ebenfalls muss der Bedarf, der in einer Familie im Vergleich zu einem Alleinlebenden zusätzlich anfällt, berücksichtigt werden. Auf Grundlage dieser Neuberechnung und um langfristig, effizient und zielgerichtet gegen Kinderarmut vorzugehen, wollen wir Kinder und Jugendlichen mit einer einkommensabhängigen Kindergrundsicherung raus aus der Grundsicherung holen.“

Alexander Nöhring und Nikola Schopp werden heute als Sachverständige bei der Ausschusssitzung dabei sein. Die Sitzung wird live am 2. November um 13 Uhr im Parlamentsfernsehen und im Internet auf www.bundestag.de übertragen.

Die Stellungnahme des ZFF zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 2. November 2020 zum Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes“ und weiterer Anträge finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 02.11.2020

Die Bundesregierung verteidigt das derzeit angewandte Verfahren zur Ermittlung der Regelsätze in der Grundsicherung. In einer Antwort (19/23636) auf eine Kleine Anfrage (19/23258) der Fraktion Die Linke schreibt sie, beim Statistikmodell werde der regelbedarfsrelevante Verbrauch auf Basis empirischer Daten für die Verbrauchsausgaben im unteren Einkommensbereich der Bevölkerung in einem transparenten Verfahren ermittelt. Damit werde gewährleistet, dass hilfebedürftigen und damit leistungsberechtigten Personen ein vergleichbares Konsumniveau ermöglicht wird wie anderen Bürgerinnen und Bürgern mit niedrigem Einkommen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1197 vom 04.11.2020

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat am Mittwochvormittag den Weg frei gemacht für die Erhöhung der Regelbedarfe in der Grundsicherung ab Januar 2021. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie der FDP-Fraktion stimmte der Ausschuss für den entsprechenden Gesetzentwurf (19/22750) der Bundesregierung zur Ermittlung von Regelbedarfen in geänderter Fassung.

Der Gesetzentwurf sieht vor, den Regelsatz für eine alleinstehende Person auf 446 Euro pro Monat anzuheben. Wer mit einer anderen Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, erhält künftig 401 Euro. Kinder bis fünf Jahre sollen ab Januar 283 Euro erhalten, Kinder von sechs bis 13 Jahre erhalten 309 Euro und für Jugendliche bis einschließlich 17 Jahre steigt der Regelsatz auf 373 Euro. Angehoben werden die monatlichen Leistungen aber nicht nur in der Grundsicherung für Arbeitssuchende, sondern unter anderem auch in der Sozialhilfe und im Asylbewerberleistungsgesetz.

Abgelehnt wurden verschiedene Anträge der Opposition zum Thema: Ein Antrag (19/23128) der AfD-Fraktion zum Taschengeld für in Heimen lebende Menschen; ein Antrag (19/23113) der Linken und ein Antrag (19/23124) von Bündnis 90/Die Grünen, in denen die Fraktionen jeweils eine andere Berechnung der Regelsätze in der Grundsicherung fordern.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1189 vom 04.11.2020

Die EVS (Einkommens- und Verbraucherstichprobe) hält eine Mehrheit von Sachverständigen als Basis für die Berechnung von Regelsätzen als für grundsätzlich geeignet. Das wurde während einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag deutlich. Vereinzelt wurde jedoch Kritik an der Anwendung der Daten deutlich, auch wurden Änderungen bei bestimmten Pauschalierungen und den Bedarfen für Kinder und Jugendliche angemahnt.

Der Ausschuss hatte die Sachverständigen zum einen um Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf (19/22750) der Bundesregierung zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes geladen. Zum anderen standen mehrere Anträge der Oppositionsfraktionen zur Diskussion: Ein Antrag (19/23128) der AfD-Fraktion zum Taschengeld für in Heimen lebende Menschen; ein Antrag (19/15040) der FDP-Fraktion für ein Liberales Bürgergeld; ein Antrag (19/23113) der Linken und ein Antrag (19/23124) von Bündnis 90/Die Grünen, in denen die Fraktionen jeweils eine andere Berechnung der Regelsätze in der Grundsicherung fordern.

"Die EVS ist alternativlos, weil sie die einzige Quelle für valide Daten ist", stellte Anna Robra für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände fest. Auch habe das Bundesverfassungsgericht die EVS wie auch das Statistikmodell als verfassungskonform eingestuft. Das Statistikmodell sei zielführender als das Warenkorbmodell, betonte Markus Mempel für den Deutschen Landkreis- und den Deutschen Städtetag. Verbesserungen seien aber unter anderem bei den Warmwasserbedarfen und bei den Schulbedarfen dringend nötig, so Mempel. Alexander Nöhring vom Zukunftsforum Familie e.V. bezeichnete die EVS zwar ebenfalls als grundsätzlich geeignet, sein Verein kritisiere jedoch die sachgerechte Anwendung des Statistikmodells. So müsse unter anderem über die Nicht-Ausklammerung verdeckter Armut als auch über die Streichung von Konsumausgaben, die bisher als nicht regelbedarfsrelevant eingestuft werden, dringend gesprochen werden. Andreas Kuhn vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge betonte, man könne die EVS als Datenbasis benutzen, allerdings seien die Fallzahlen, die zur Heranziehung der Bedarfsermittlung benutzt würden, teilweise viel zu niedrig. Zum anderen gebe es bei den Energie- und Mobilitätskosten bundesweit erhebliche Preisunterschiede, weshalb eine einheitliche Pauschalierung hier nicht angebracht sei, sagte Kuhn. Für den Deutschen Gewerkschaftsbund begrüßte Martin Künkler zwar die Einbeziehung von Handykosten, fragte aber, warum das Argument, dies bilde die gesellschaftliche Realität ab, nicht auch auf andere Ausgaben angewendet werde. So sei zum Beispiel ein Pkw im ländlichen Raum existenziell, um zum Beispiel die Kinder an Freizeitangeboten teilhaben zu lassen.

Deutliche Kritik äußerten Petra Zwickert von der Diakonie Deutschland und die Einzelsachverständige Inge Hannemann sowohl an der Höhe als auch an der Berechnung der Regelsätze. So seien Kosten für ein Kinderfahrrad derzeit nicht in den Ausgabepositionen enthalten, diese müssten sich die Familien vom normalen Regelsatz absparen, was für die meisten unmöglich sei, kritisierte Hannemann. Auch sei es wichtig, die tatsächlichen Stromkosten anstatt einer Pauschale zu zahlen. Es gebe durchaus verschiedene Möglichkeiten, die verdeckt Armen aus der Berechnung der Referenzgruppen herauszunehmen, sagte Zwickert. So müssten die Vergleichsgruppen nach unten stärker abgegrenzt werden.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1181 vom 02.11.2020

Die Bundesregierung lehnt die Forderung des Bundesrates ab, bei der Ermittlung der Regelbedarfe Haushalte mit "Aufstockern" und verdeckt Armen von den zu berücksichtigenden Haushalten auszuschließen. Das geht aus einer Unterrichtung (19/23549) der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf (19/22750) der Bundesregierung für ein Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfsstufen hervor. Die Bundesregierung lehnt ferner auch die Kritik des Bundesrates an der Heranziehung der EVS (Einkommens- und Verbraucherstichprobe) als Datengrundlage für eine verfassungsgemäße Ermittlung der Regelsätze für Familien und Kinder ab.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1162 vom 28.10.2020

Heute wird im Bundestag der Gesetzesentwurf für die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze beschlossen, die ab 1. Januar 2021 angehoben werden sollen. Der AWO Bundesverband kritisiert, dass die Neuberechnung der Lebenswirklichkeit der betroffenen Menschen nicht gerecht wird. Aus Sicht der Arbeiterwohlfahrt habe der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum zugunsten der betroffenen Menschen nicht voll ausgeschöpft.

Dazu erklärt AWO Bundesgeschäftsführer Jens M. Schubert: „Unterm Strich kann die vorgesehene Regelbedarfsberechnung weder überzeugen noch zufriedenstellen. Die Bundesregierung hat es leider versäumt, der Lebenswirklichkeit der Menschen bei der Regelsatzbemessung ausreichend Rechnung zu tragen. Damit wird es für die sieben Millionen Grundsicherungsbeziehenden abermals keine durchgreifenden Verbesserungen geben.“

Die Berechnung orientiere sich methodisch an dem Verfahren von vor vier Jahren, aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse seien nur halbherzig berücksichtigt worden. Die Corona-bedingten Mehrkosten, die den Menschen seit März dieses Jahres entstünden, blieben trotz des neuerlichen Lockdowns unberücksichtigt. Zudem würde der Regelsatz durch zahlreiche Streichungen systematisch heruntergerechnet. So werdeder finanzielle Handlungsspielraum der Betroffenen übermäßig eingeschränkt.

„Die Teilhabebedarfe werden größtenteils mit dem lapidaren Hinweis auf einen angeblich größeren Gestaltungsspielraum gestrichen und kommen damit im Ergebnis auch dieses Mal zu kurz“, resümiert Schubert, „Alle diese Defizite überschatten die positiven Neuerungen, wie zum Beispiel den von der AWO lange geforderten Anspruch auf Übernahme der Kosten für Schulbücher oder die erstmalige Berücksichtigung von Mobilfunkkosten. Es braucht rückwirkende Leistungen für die Corona-Mehrkosten und eine angemessene Berechnung des tatsächlichen Regelbedarfs. Hier hätte der Gesetzgeber deutlich mehr soziales Augenmaß zeigen müssen.“

Hintergrund:
Der Gesetzgeber ist zur Neuberechnung der Regelbedarfe verpflichtet, wenn die Ergebnisse der zu Grunde liegenden Statistik, der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) vorliegen. Mit dem heute verabschiedeten Regelbedarfsermittlungsgesetz wird dies für die Regelbedarfe ab 2021 umgesetzt. Die Regelsätze sollen gemeinsam mit den Kosten für Unterkunft und Heizung sowie den Mehrbedarfen den existenziellen Bedarf für Leistungsberechtigte des SGB II, des SGB XII und des Asylbewerberleistungsgesetz abbilden. Die Berechnung der Regelsätze in der Grundsicherung steht seit Jahren in der Kritik.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 05.11.2020

Der Bundestag will heute den Gesetzentwurf für die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze beschließen. Zum 1. Januar 2021 sollen die Hartz-IV-Sätze erhöht werden.

Dazu erklärt Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

"Die Bundesregierung hat die Chance verpasst, die Regelsätze in Hartz IV für das nächste Jahr sach- und realitätsgerecht festzulegen. Sie sind schlichtweg an der Lebenswirklichkeit vorbei berechnet. Es werden willkürlich Ausgaben, zum Beispiel für ein Kinderfahrrad, Weihnachtsbaum oder auch für Mobilität auf dem Land, aus dem in der statistischen Vergleichsgruppe ermittelten Regelbedarf gestrichen. Zudem umfasst die Vergleichsgruppe der Haushalte mit den unteren 15 Prozent der Einkommen auch Personen, die einen Anspruch auf Sozialleistungen hätten, diesen aber nicht geltend machen Für Erwachsene fehlt ein Betrag von 160 Euro im Monat. Diese Streichungen sind in der Corona-Krise umso problematischer, wenn günstige Waren knapp sind und gleichzeitig wieder viele Tafeln schließen. Deswegen fordert die Diakonie einen Corona-Zuschlag von 150 Euro für Hartz-IV-Empfänger. Auch fehlt für Armutsbetroffene in der Grundsicherung eine digitale Grundausstattung. Die Benachteiligung Einkommensarmer darf in der Corona-Pandemie nicht durch fehlende Computer verschärft werden, gerade Schulkinder müssen digital lernen können."

Etwa alle fünf Jahre werden die Hart-IV-Regelsätze neu berechnet. Dazu wird eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) durchgeführt, die wiederum als Grundlage für die Anpassung dient. Die mit dem vorliegenden Entwurf erfolgten Berechnungen sind aus Sicht der Diakonie Deutschland nicht transparent, in vielen Fällen nicht sachgerecht, oft unrealistisch und insgesamt methodisch falsch. Die umfassenden Mängel der im Gesetzentwurf vorgenommenen Regelbedarfsermittlung nimmt die Diakonie zum Anlass, in diesem Jahr eine grundlegende alternative Bedarfsermittlung vorzunehmen.

Weitere Informationen: https://www.diakonie.de/stellungnahmen/stellungnahme-zur-oeffentlichen-anhoerung-zum-regelbedarfs-ermittlungsgesetz

Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 05.11.2020

Anlässlich der heutigen Beratung zur Anpassung der Regelsätze in der Grundsicherung im Deutschen Bundestag appelliert der Paritätische Wohlfahrtsverband an die Abgeordneten, dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht zu folgen und stattdessen endlich eine bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze zu beschließen. Die geplante Anhebung der Regelbedarfe zum 1.1.2021 um 14 Euro für (alleinstehende) Erwachsene und noch deutlich geringere Beträge für Kinder und Jugendliche sei realitätsfern, nicht bedarfsgerecht und viel zu niedrig. Der Verband wirft der Bundesregierung „statistische Trickserei und unverschämtes Kleinrechnen“ vor, Fehler und Schwächen der umstrittenen Methodik zur Regelbedarfsermittlung würden einfach fort- und festgeschrieben. Das Parlament sei nun gefordert, diesen armutspolitischem Totalausfall der Bundesregierung zu korrigieren.

Die derzeit gewährten Leistungen in Hartz IV schützen nicht vor Armut, wie der Paritätische in mehreren Expertisen nachgewiesen hat. Den Betroffenen fehle es insbesondere an Geld für eine ausgewogene, gesunde Ernährung und auch ein Mindestmaß an sozialer, politischer und kultureller Teilhabe sei entgegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gewährleistet. “Alle Expert*innen sind sich einig, unter 600 Euro reicht es auf keinen Fall, um über den Monat zu kommen. Hartz IV schützt nicht vor Armut, es manifestiert sie”, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. “Es fehlt nicht an belastbaren Zahlen und Modellen. Was es braucht, ist den politischen Willen, Armut in diesem reichen Land wirklich zu verhindern“, so Schneider.

Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müsste ein armutsfester Regelsatz 644 Euro (für alleinlebende Erwachsene) betragen. Bei den Berechnungen sind die umstrittenen und auch bereits von anderen kritisierten statistischen Manipulationen im Regelsatz herausgerechnet. Die direkten Mehrkosten zur Umsetzung des Vorschlags werden auf 14,5 Milliarden Euro geschätzt. Die nun vorgesehene Anhebung um 14 Euro für einen erwachsenen Alleinlebenden auf dann 446 Euro sei dagegen bei weitem nicht ausreichend, um das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern, wie auch andere Sozialverbände und unter anderem die Fraktionen von DIE LINKE und Bündnis 90/ Die Grünen wiederholt kritisiert haben.

Der Paritätische kritisiert, dass die Bundesregierung bisher keinerlei Bereitschaft erkennen lässt, die finanzielle und soziale Lage von Hartz IV-Beziehenden zu verbessern. Gerade in der aktuellen Krisensituation bedeute der Alltag mit Hartz IV existenzielle Not. Neben einer grundsätzlich endlich bedarfsgerechten Anhebung der Regelsätze seien daher auch sofortige finanzielle Hilfsmaßnahmen erforderlich, fordert der Verband. “Man kann es drehen wie man will, gegen Armut hilft Geld. Doch die Bundesregierung hat für die Ärmsten in diesem Land ganz offensichtlich wenig übrig. Da, wo die Bundesregierung bisher versagt, ist jetzt das Parlament gefragt”, so Schneider.

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 05.11.2020

SCHWERPUNKT II: Corona-Krise

Anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte zur Familienpolitik während der Corona Pandemie fordert das ZFF krisenfeste Instrumente zur umfassenden Unterstützung zur Vereinbarkeit von Beruf und Sorgearbeit.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Familienleben in Deutschland diskutiert der Bundestag heute Anträge der Oppositionsparteien zur Familienpolitik in Zeiten der Krise und darüber hinaus. Zur Debatte stehen Instrumente für eine bessere Vereinbarkeit, wie die Ausweitung des Anspruchs auf Kinderkrankengeld oder verlässliche Lohnentschädigungen für Eltern, deren Kinder von coronabedingten Schließungen der Betreuungseinrichtungen betroffen sind.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt: „In Zeiten der Corona-Pandemie zeigen sich die enormen Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit noch deutlicher. Viele Eltern sind jetzt schon vollkommen ausgebrannt. Angesichts dramatisch steigender Neuinfektionen stehen Eltern bundesweit vor der Aufgabe, die Quarantäne zu meistern, etwa wenn das Kind selbst erkrankt ist oder Kita und Schule wegen Corona-Fällen geschlossen sind. Nach wie vor übernehmen dabei Frauen den Löwenanteil der anfallenden Sorgearbeit und sind von den wirtschaftlichen Krisenauswirkungen in deutlich größerem Umfang betroffen.“

Altenkamp weiter: „Es ist an der Zeit, die Familienpolitik stärker in das Zentrum der Krisenpolitik zu rücken und die Vereinbarkeit von Sorge- und Erwerbsarbeit besser zu unterstützen. Neben den bereits beschlossenen Maßnahmen, wie der Erhöhung des Kurzarbeitergeldes oder dem Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz, wäre die von Grünen und Linken geforderte Ausweitung des Kinderkrankengeldes sehr zu begrüßen. Allerdings muss diese geschlechtergerecht ausgestaltet werden, etwa durch Anreize zur partnerschaftlichen Aufteilung der Betreuung erkrankter Kinder. Um Eltern über die Krise hinaus zu unterstützen, ist es aber dringend geboten, endlich längerfristige Maßnahmen für eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit auszubauen.“

Das Positionspapier "Fifty-Fifty?! Wie kann die partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit gelingen?" finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 28.10.2020

Der Deutsche Familienverband (DFV) fordert angesichts der heutigen Plenardebatte familienpolitische Reformen, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Familien abzumildern.

Im Frühjahr 2020 hatte der Lockdown viele Familien hart getroffen. Zukunftsängste, erhebliche Geldsorgen sowie seelische und körperliche Erschöpfung haben den familiären Alltag über Monate geprägt.

„In der Corona-Krise haben sich Familien von der Politik enttäuscht und allein gelassen gefühlt“, sagt Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes und fordert Reformen. „Familien sind das Rückgrat unseres Staates. Wer ihre Wünsche und Forderungen in der größten Krise nach Kriegsende vernachlässigt, stärkt nur die extremen Ränder unserer politischen Landschaft.“

Der DFV fordert zur Milderung der Auswirkungen der Corona-Krise auf Familien u.a. folgende Maßnahmen im Rahmen eines Solidarpaktes für Familien:

  • Regelmäßige und öffentliche Einschätzungen der aktuellen Pandemie-Auswirkungen auf Familien durch das Bundesfamilienministerium
  • Einbindung des Bundesfamilienministeriums in das „kleine Corona-Kabinett“ der Bundesregierung. Familienverbände sollten durch das Ministerium für die Lagebeurteilung einbezogen werden
  • Digitalisierung der Beantragung von Familienleistungen
  • Lohnentschädigungen für Eltern bei Ausfall des Regelbetriebs von Schulen, Kitas und Kindergärten
  • Deutliche Ausweitung der maximalen Anzahl der Krankentage pro Kind für Eltern von bisher 10 auf mindestens 30 Tage. Übersendung eines ärztlichen Attest an den Arbeitgeber erst ab dem vierten anstatt ersten Tag sowie Anhebung der Krankengeld-Altersgrenze von Kindern vom zwölften auf das vierzehnte Lebensjahr (§ 45 SGB V)
  • Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch flexible Arbeitszeitmodelle und geförderte Familienarbeitszeitkonten
  • Einführung eines Kinderfreibetrages in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zur Entlastung von Eltern während der Zeit der Kindererziehung
  • Reform des Kindergeldes und Anpassung auf 330 Euro je Kind und Monat
  • Investitionen in den Gesundheitsschutz in Schulen, Kitas und Kindergärten zur Verminderung/Ausschluss einer Virus-Verbreitung
  • Implementierung digitaler Bildung bei der Ausbildung zukünftiger Lehrer, Unterstützung der Schulen mit finanziellen und technischen Mitteln, strukturierte Fortbildungsangebote für Schüler, ihre Eltern und Lehrer, pädagogische Lernsoftware, moderne und datenschutzsichere Lernplattformen sowie digitale Zugangsgerechtigkeit, die alle Familien bei der digitalen Bildung gleichermaßen in den Blick nimmt
  • Entlastung von Familien durch Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 % für Kinderprodukte
  • Mutter-/Vater-Kind-Kuren sind, bevor Eltern und Kinder durch Belastung und Überforderung krank werden, die beste präventive Familien- und Gesundheitspolitik. Es muss sichergestellt werden, dass kurbedürftige Eltern die ihnen zustehenden Leistungen in der Verwaltungspraxis umfassend, zügig und in geeigneter Form erhalten
  • Notwendigkeit einer Familienverträglichkeitsprüfung von Gesetzen: Auf allen politischen Ebenen fallen regelmäßig Entscheidungen an, die den Alltag der Familien betreffen. Auf allen politischen Ebenen muss deshalb eine Familienverträglichkeitsprüfung eingeführt werden, die Vorhaben und Vorschriften darauf prüft, ob sie der Familie nutzen, ihr schaden oder sie nicht tangieren

„Ohne Familien ist kein Staat zu machen. Ohne starke Familien ist keine Krise zu überwinden“, sagt Verbandspräsident Zeh. „Familien brauchen gerade jetzt Unterstützung in der Bewältigung der Corona-Krise.“

Weitere Informationen

„Solidarpakt für Familien“: Grundsatzprogramm und Forderungen des Deutschen Familienverbandes (PDF)

Erklärfilm zur Reform des Kindergeldes

Erklärfilm zur Einführung eines Kinderfreibetrages in der Sozialversicherung

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 28.10.2020

Der Familienbund der Katholiken fordert angesichts drastisch steigender Infektionszahlen und der dazu beschlossenen Maßnahmen von Bund und Ländern die rasche Einberufung eines Nationalen Familiengipfels. „In Anbetracht eines anstehenden Teil-Lockdowns ist es dringend notwendig, die Lage von Familien und der mit ihnen eng verbundenen Institutionen wie Schulen und Kitas in einer Gesamtstrategie in dempolitischen Handeln zur Pandemiebekämpfung zu berücksichtigen“, erklärte Familienbund-Präsident Ulrich Hoffmann heute in Berlin. Die Forderung ist eine von insgesamt zehn, die der Verband heute erstmals vorstellte. In dem Zehn-Punkte-Plan für Familien in der Corona-Krise fordert der Verband die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern auf, Leitlinien für mehr Geld und Personal an Schulen und Kitas zu formulieren. „Sie sind seit Monaten ebenso überfällig wie eine grundlegende und einheitliche Digitalisierung von Schulen, um den Schulbetrieb auch in Phasen von möglichen Schulschließungen aufrecht erhalten zu können. Dafür braucht es auch kreative und lebensnahe Konzepte“, heißt es in dem Papier des Familienbundes der Katholiken. Hoffmann betonte: „Bei allem, was jetzt in den nächsten Wochen und Monaten auf uns zukommt, muss Familie menschlich lebbar bleiben. Dazu gehört vor allem auch, dass das Homeoffice im Fall von Schul- und Kitaschließungen durch eine finanziell unterstützte Corona-Elternzeit ersetzt wird.“

Hoffmann begrüßte, dass die Politik aus den Erfahrungen des Lockdowns im Frühjahr gelernt habe, und Schulen wie auch Kitas so lange wie möglich offenhalten wolle. „Verlässlichkeit für Familien bei der Kinderbetreuung, der frühkindlichen und schulischen Bildung ist auch in Zeiten einer Pandemie unerlässlich“, sagte er. „Eine flächendeckende Schließung der Kitas und Schulen darf sich deshalb nicht wiederholen. Bildung und Betreuung müssen krisenfest aufgestellt werden und Vorrang haben. Familien brauchen deutschlandweit ein verlässliches Schul- und Kitaangebot.“

Corona-Elternzeit und -Elterngeld statt Homeoffice

Sollten Schul-und Kitaschließungen dennoch unumgänglich werden, fordert der Familienbund der Katholiken ein grundsätzlich anderes Vorgehen als im Frühjahr: „Statt der Parallelisierung von Homeoffice, Homeschooling und Homework auf dem Rücken der Familien muss eine Corona-Elternzeit und ein daran gekoppeltes Corona-Elterngeld eingeführt werden“, sagte Hoffman. „Mütter und Väter mit Kindern bis zu 14 Jahren müssen gegenüber ihren Arbeitgebern das Recht haben, ihre Arbeitszeit so weit zu reduzieren, wie es für die Bewältigung der stark gestiegenen familiären Anforderungen nötig ist. Dazu gehört auch ein angemessenes Rückkehrrecht in den alten Arbeitsumfang und ein fortbestehender Kündigungsschutz.“ Die immensen Mehrfachbelastungen,die Familien im ersten Lockdown zu bewältigen hatten, dürften sich nicht wiederholen. „Homeoffice ist kein Betreuungsmodell und kein Ersatz für geschlossene Schulen und Kitas.“

Nach den Plänen des Familienbundes der Katholiken sollten alle Familien, die in der Corona-Krise von der Elternzeit Gebrauch machen, automatisch den Anspruch auf das Corona-Elterngeld haben. „Eltern, die sich wegen geschlossener Schulen und Kitas um ihre Kinder kümmern und dadurch Gehaltseinbußen erleiden, müssen finanziell unterstützt werden“, so Hoffmann weiter. Das Corona-Elterngeld berechnet sich als Lohnersatzleistung prozentual aus dem bisherigen Einkommen der Eltern, sollte aber mindestens 300 Euro betragen. Anders als der von der Koalition beschlossene „Kinderbonus“ wird das Corona-Elterngeld nicht mit dem Kinderfreibetrag verrechnet. „Eine solche Leistung trägt dazu bei“, so Hoffmann, „die besonderen familialen Belastungen aller Familien während der pandemiebedingten Schul- und Kitaschließungen zu kompensieren – kontinuierlich, familiengerecht und angemessen. Das würde Familien helfen und die Eltern als große unsichtbare Leistungsträger in der Corona-Krise honorieren.“

Grundlegende Korrekturen fordert der Familienbund auch beim Kurzarbeitergeld, um es an die „Lebenswirklichkeit von Familien anzupassen“: „Die Höhe des Kurzarbeitergeldes bei Arbeitnehmern muss sich an der Zahl der Kinder orientieren“, sagte Hoffmann. „Eltern mit mehreren Kindern sind auch mit höheren Ausgaben aufgrund der Lebensmittelversorgung oder auch der Größe des benötigten Wohnraumes konfrontiert. Das Kurzarbeitergeld muss der ökonomischen Lebenswirklichkeit von Familien gerecht werden und muss deshalb dringend angepasst werden. Das Kurzarbeitergeld für Eltern muss mindestens eine Höhe von 80 Prozent des Gehalts haben, nach der Kinderzahl gestaffelt sein und ab dem dritten Kind das bisherige Einkommen komplett ersetzen.“

Die bestehende Obergrenze von höchstens 35 Kinderkrankentagen pro Elternteil benachteiligt bereits heute kinderreiche Familien

Für unzureichend hält der Familienbund der Katholiken auch die jüngsten Änderungen zur Bewilligung von Kinderkrankentage für Eltern. Derzeit sind für Elternpaare jeweils fünf zusätzliche Tage vorgesehen, für Alleinerziehende zehn. „Das ist sinnvoll. Die Pandemie wird aber auch im Jahr 2021 noch nicht überwunden sein. Weil absehbar ist, dass in dieser an-gespannten Zeit viel mehr Kinder aufgrund von Erkrankungen die Schule oder die Kita nicht besuchen können, ist eine Aufstockung der Kinderkrankentage für das nächste Jahr auf 20 Kinderkrankentage für Mütter und Väter nötig. Erkrankte Kinder nicht in Kita und Schule zu schicken, trägt wesentlich zum Infektionsschutz bei. Die heute bestehende Obergrenze von höchstens 35 Kinderkrankentagen pro Elternteil benachteiligt bereits heute kinderreiche Familien ab dem dritten Kind. Das ist nicht zu rechtfertigen. Diese Regelung muss deshalb gestrichen werden.“

Den Zehn-Punkte-Plan des Familienbundes der Katholiken finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken –Bundesverband vom 29.10.2020

Heute äußern sich Bundesministerin Dr. Franziska Giffey und Bundesminister Jens Spahn in einer Pressekonferenz zur Situation von Kitas in der Corona-Pandemie. Die Arbeiterwohlfahrt fordert zu diesem Anlass bundeseinheitliche Regelungen und Schutzmaßnahmen sowie Entlastung und Unterstützung für die Kindertagesbetreuung, um Schließungen zu verhindern.

Wolfgang Stadler, Bundesvorstandsvorsitzende der AWO, erklärt dazu: „Die flächendeckenden Schließungen während des ersten Lockdowns haben viele Familien an ihre Grenzen gebracht. Wir müssen unter allen Umständen verhindern, dass sich diese Situation angesichts der verschärfenden Pandemieentwicklung wiederholt. Die Kitas müssen geöffnet bleiben.“

Zu Beginn der Pandemie waren deutschlandweit Kitas geschlossen worden, während es kaum Unterstützungsangebote für die betroffenen Familien und keine Alternativen gegeben hatte, um die verpassten Angebote frühkindlicher Bildung auszugleichen. Gleichzeitig mussten Sicherheits- und Hygienekonzepte für Kitas erst entwickelt werden, um den Betrieb wieder sicher aufnehmen zu können.

Stadler: „Seit dem ersten Lockdown haben wir viel dazu gelernt. Es gab wichtige Diskussionen und zum Beispiel mit dem Corona-Kita-Rat kommen wertvolle Impulse für die Aufrechterhaltung der Kindertagesbetreuung während der Pandemie. Jetzt ist die Zeit gekommen, dem Taten folgen zu lassen. Weder die Eltern und Kinder noch die Mitarbeitenden dürfen sich selbst überlassen werden.“

Dafür seien es bundeseinheitliche verbindliche Regelungen und umsetzbare Schutzmaßnahmen nötig. Dazu zählten laut Arbeiterwohlfahrt eine sinnvolle Teststrategie, klare Vorgaben zum Umgang mit Krankheitssymptomen und Unterstützung durch die Gesundheitsbehörden.

„Die letzten Monate haben unseren Mitarbeiter*innen sehr viel abverlangt. Wir erleben sie in ihrer Arbeit als hochengagiert und haben ihnen viel zu verdanken“, so Stadler, „Aber ihre Situation ist angespannt, Corona lässt uns den Fachkräftemangel deutlich spüren und bereits jetzt lassen sich teilweise massive Personalausfälle in den Einrichtungen verzeichnen. Wir brauchen schlicht mehr Personal, wenn wir eine pandemiekonforme Kinderbetreuung gewährleisten wollen. Für den kommenden Winter braucht es daher schnelle Lösungen, klare Regeln und Unterstützung in der Umsetzung von weiteren Maßnahmen.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 16.10.2020

Das Deutsche Kinderhilfswerk verurteilt die geplanten deutschlandweiten Aktionen der Initiative „Querdenken 711“ vor Schulen gegen das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung auf das Schärfste. „Nach unseren Informationen sollen Kinder nächsten Montag auf dem Schulweg angesprochen, und ihnen eine unwirksame Maske mit einem Logo der Initiative und eine CO2-Messung unter dieser Maske angeboten werden, um auf die angebliche Gefährlichkeit und Unwirksamkeit der Masken hinzuweisen. Das ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes eine perfide Instrumentalisierung von Kindern zur Durchsetzung politischer Interessen. Dem muss mit allen rechtsstaatlichen Mitteln ein Riegel vorgeschoben werden“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Das Deutsche Kinderhilfswerk ruft alle Eltern in Deutschland dazu auf, ihre Kinder auf die geplante Aktion hinzuweisen und ihnen den Rücken zu stärken, damit sie sich nicht verunsichern lassen. Auch wenn das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nicht immer angenehm ist, lässt uns der Infektionsschutz leider derzeit keine andere Wahl. Wir fordern die Verantwortlichen der Initiative ‚Querdenken 711‘ unmissverständlich auf: Finger weg von unseren Kindern!“, so Krüger weiter.

Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes muss alles dafür getan werden, damit das Recht auf Bildung in Schulen und Kitas während der Corona-Pandemie gewährleistet bleibt. Dazu gehört auch das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum, um die steigende Zahl von Infektionen zu reduzieren und somit vor allem Risikogruppen zu schützen.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 05.11.2020

Das Deutsche Kinderhilfswerk appelliert im Vorfeld der heutigen Bund-Länder-Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder, den Interessen und Bedarfen der rund 11 Millionen Schülerinnen und Schüler in Deutschland Vorrang einzuräumen. Neben dem Gesundheitsschutz und den Interessen von Landesregierungen und Kultusbehörden müssen dabei auch soziale und kindheitspädagogische Aspekte berücksichtigt werden. Das Recht auf Bildung muss während der Corona-Pandemie gewährleistet bleiben, hier ist der Bund gefordert, die Länder und Schulträger bei der Offenhaltung der Schulen auch finanziell zu unterstützen. Die Schulträger sollten gemeinsam mit den Schulkonferenzen situationsangemessene Entscheidungen treffen können, wie sie diese finanzielle Unterstützung des Bundes einsetzen, um das Lernen in Zeiten der Pandemie weiterhin zu ermöglichen. Auch die Kitas in Deutschland brauchen Unterstützung, um ihrem Bildungsauftrag weiter nachkommen zu können.

"Mit den Geldern könnten beispielsweise alternative Räumlichkeiten für den Schulunterricht angemietet werden, um eine Entzerrung der räumlichen Enge in vielen Schulen zu ermöglichen. Und auch die Anschaffung von Luftfilteranlagen kann ein wichtiger Baustein für die Offenhaltung der Schulen sein. Das darf nicht an den Kosten scheitern", betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Neben finanziellen Zusagen zur Unterstützung der Bildungseinrichtungen muss die Handlungsfähigkeit von Schulen und Kitas auch über bürokratiearme und praxisnahe Formen der Lehr- und Lerndigitalisierung und vor allem durch personelle Aufstockungen unterstützt werden. Zusätzlich muss dauerhaft gewährleistet werden, dass sich alle Beschäftigten in Schule und Kita regelmäßig und kostenfrei auf das Corona-Virus testen lassen können, auch wenn sie symptomfrei sind. Informationen über die jeweiligen Verfahrensweisen und ausgewählte Standorte für eine Testung müssen für Beschäftigte transparent und zugänglich sein. Daneben müssen alternative Modelle wie "Grüne Klassenzimmer", pädagogische Konzepte wie "Waldschulen" und "Waldkitas" oder Kooperationen mit außerschulischen Bildungseinrichtungen wie Jugendfarmen in die Überlegungen einbezogen werden.

"Wir brauchen endlich umfassende Konzepte, um bei den derzeit stark steigenden Infektionszahlen in der Fläche komplette Schließungen der Bildungseinrichtungen zu verhindern. Notwendig ist dafür ein Expertenrat mit Verantwortlichen aus Gesundheits- und Bildungsbehörden unter Einbezug von Schülerinnen und Schülern sowie von Fachkräften und Elternverbänden, um in regelmäßigen Abstimmungen und einem Erfahrungsaustausch das Ineinandergreifen von Maßnahmen sowie den gemeinsamen Umgang mit bildungspolitischen Folgen der Corona-Krise zu gewährleisten", so Hofmann.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 28.10.2020

Zum Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder ruft der Kinderschutzbund dazu auf, Kitas und Schulen offen zu halten.

Angesichts der steigenden Infektionszahlen ist der Kinderschutzbund besorgt über die Lage von Kindern und Jugendlichen. Bundeskanzlerin Merkel hat verlauten lassen, dass in den morgigen Beratungen härtere Maßnahmen zu Gunsten der Offenhaltung von Schulen und Kitas vereinbart werden müssten. Hierzu erklärt Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers:

„Die Bundeskanzlerin setzt die richtigen Prioritäten. Die Schließung von Kitas und Schulen muss – anders als im ersten Lockdown – die ultima ratio sein. Ich rufe die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten daher auf, die morgigen Beratungen in diesem Sinne zu führen und konsequent gegen die Verbreitung des Coronavirus vorzugehen. “

Der Kinderschutzbund hat Verständnis für die Herausforderungen der Güterabwägung.

„Mir ist sehr bewusst, wie existentiell Einschränkungen etwa im Bereich der Gastronomie sind. Wirtschaftliche Ausfälle können aber mit staatlichen Hilfen abgefedert werden. Eine erneute Schließung von Kitas und Schulen hingegen wird Eltern, insbesondere Mütter, erheblich belasten. Die Rechte der Kinder auf Bildung und Förderung sind dann nicht mehr garantiert. In familiären Krisensituationen kann außerdem nur ein funktionierendes soziales Netz aus Kinderärztinnen und- ärzten, Lehrerinnen und Lehrern sowie Erzieherinnen und Erziehern den Schutz von Kindern gewährleisten. “, fügt Hilgers hinzu.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V. vom 27.10.2020

Die eaf begrüßt, dass Kinderkrankentage und der Unterstützungsbedarf von Familien mit Kindern heute im Plenum des Deutschen Bundestages Thema sind. Mit einem Gesetzentwurf und zwei Anträgen sucht die Opposition nach Lösungen für Familien, die mit den derzeitigen Ansprüchen auf Kinderkrankengeld und Entschädigungen voraussichtlich nicht gut durch die Pandemie kommen werden. In den kommenden Herbst- und Wintermonaten ist mit einer weiterhin deutlich erhöhten Belastung der Eltern zu rechnen, die kranke Kinder betreuen oder Schul- und Kitaschließungen auffangen müssen.

Die Ausweitung der Kinderkrankentage ist derzeit bis Ende 2020 befristet. „Die zusätzlichen Belastungen für Familien werden nicht pünktlich zum Jahresende vorbei sein, Familien benötigen deshalb eine sichere Perspektive. Noch in diesem Jahr sollte daher beschlossen werden, dass auch in 2021 dreißig Kinderkrankentage genommen werden können“, so Dr. Martin Bujard, Präsident der eaf. „Zusätzlich sollte die Attestpflicht ausgesetzt werden, um Eltern und Kinderarztpraxen gleichermaßen zu entlasten.“

Vor dem Hintergrund der wieder ansteigenden Infektionszahlen muss die Lage der Familien
stärker als zu Beginn der Pandemie in den Mittelpunkt gerückt werden. Die eaf kritisiert, dass
bei den Lockerungen des Lockdowns im Frühjahr Fitnessstudios, Friseure, Baumärkte und Anderes
Vorrang vor der Wiedereröffnung von Schulen, Kitas und Spielplätzen hatten. Kinder und
Jugendliche gehörten zu den letzten Gruppen, für die schrittweise Lockerungen beschlossen
wurden. Ihre Bedürfnisse wurden dadurch vernachlässigt, die psychosozialen Folgen fehlender
Kontakte unterschätzt und die Verschärfung von Bildungsungleichheit in Kauf genommen.
Rettungsschirme für die soziale Infrastruktur kamen zuletzt oder gar nicht. „Eine solche niedrige
Priorisierung von Familien darf sich nicht nochmal wiederholen“, so Bujard. Die eaf macht sich
deshalb dafür stark, im aktuellen Pandemiegeschehen die Aufrechterhaltung der Infrastrukturen
für Kinder und Jugendliche mit politischem Nachdruck zu unterstützen und für funktionierende
Hygienekonzepte zu sorgen.

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 28.10.2020

Minijobsektor in Deutschland ist seit Arbeitsmarktreform 2003 stark gewachsen – Immer mehr Menschen üben Minijob als Zweitjob aus – Geringe Absicherung sorgt in Krisen wie der Corona-Pandemie für schnelle Jobverluste – Reform der Minijobs ist überfällig

Die Corona-Krise hat für viele geringfügig Beschäftigte, die sogenannten MinijobberInnen, gravierende Folgen. Das zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Um 850000 oder zwölf Prozent lag die Zahl der MinijoberInnen im Juni 2020 demnach niedriger als ein Jahr zuvor. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist im selben Zeitraum um lediglich 0,2 Prozent gesunken. Der entscheidende Unterschied: Beschäftige in Minijobs haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Zudem erhalten viele nur einen befristeten oder gar keinen Arbeitsvertrag. Und schließlich sind von den Einschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie vor allem Branchen mit einem hohen Anteil an Minijobs betroffen, beispielsweise das Gastgewerbe oder die Veranstaltungsorganisation. Von denjenigen, die im Jahr 2019 ausschließlich einen Minijob hatten, ist im Frühjahr 2020 fast die Hälfte keiner bezahlten Tätigkeit mehr nachgegangen.

„MinijobberInnen verlieren in einer Wirtschaftskrise vergleichsweise schnell ihre Beschäftigung, deshalb trifft sie die derzeitige Situation besonders hart – sie gehören auf jeden Fall zu den VerliererInnen der coronabedingten Rezession“, sagt Markus Grabka, Mitglied im Direktorium des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) am DIW Berlin. „Doch auch unabhängig davon ist eine Reform der Minijobs überfällig. Der Bereich der geringfügigen Beschäftigung ist in den vergangenen Jahren sehr groß geworden, und gleichzeitig hat sich oftmals die Hoffnung, Minijobs könnten eine Brücke in normale sozialversicherungspflichtige Jobs sein, nicht erfüllt“, so Grabka.

Minijobs werden häufig von Frauen ausgeübt

Insgesamt ist die Zahl der MinijobberInnen seit den Arbeitsmarktreformen Anfang des Jahrtausends enorm gestiegen: In den Jahren 2003 bis 2019 um 43 Prozent auf 7,6 Millionen, wie Grabka und seine Co-Autoren Konstantin Göbler und Carsten Braband anhand von Daten des SOEP, der Minijobzentrale und der Bundesagentur für Arbeit zeigen. Knapp 19 Prozent aller ArbeitnehmerInnen in Deutschland waren damit zum Stichtag im Juni des vergangenen Jahres geringfügig beschäftigt. Zählt man sämtliche in einem Kalenderjahr ausgeübten Minijobs, die nicht selten nur auf wenige Wochen oder Monate angelegt sind, liegt die Zahl sogar noch höher – im Jahr 2018 beispielsweise bei etwa 13 Millionen.

Besonders auffällig ist, dass immer mehr Menschen einen Minijob als Nebentätigkeit ausüben. Im Jahr 2019 traf dies auf rund drei Millionen zu, ein Anteil von 39 Prozent an allen Minijobs. Im Jahr 2003 waren es nur 17 Prozent. Offenbar sind immer mehr ArbeitnehmerInnen auf einen Hinzuverdienst in Form eines Minijobs angewiesen. Dafür spricht auch der vergleichsweise geringe Bruttolohn von rund 1700 Euro, den solche MinijobberInnen in ihrer Haupttätigkeit erhalten. Die Zahl der Personen, die einem Minijob als Haupttätigkeit nachgehen, ist hingegen zwischen 2003 und 2019 fast unverändert geblieben. Darunter befinden sich vor allem Frauen – ihr Anteil beträgt zwei Drittel. MinijobberInnen leben insgesamt häufiger in den westdeutschen Ländern und sind überdurchschnittlich oft jünger als 25 Jahre oder älter als 65 Jahre.

Absenkung der Minijobschwelle ist ein möglicher Reformschritt

Nach Ansicht der Studienautoren stellt sich angesichts des enorm gewachsenen Minijobsektors die Frage, ob diese Jobs durch die Befreiung von Steuern und Sozialabgaben überhaupt privilegiert sein sollten. Das Sprungbrett in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist ein Minijob oftmals nicht, das Problem der drohenden Altersarmut bleibt bei vielen MinijobberInnen ungelöst. Hinzu kommt, dass die Minijob-Regelungen in Kombination mit dem Ehegattensplitting und der beitragsfreien Mitversicherung für EhepartnerInnen sehr starke Anreize für verheiratete Frauen setzen, keine Beschäftigung oberhalb der Minijobgrenze aufzunehmen.

„Nötig sind Anreize, mehr Minijobs in sozialversicherungspflichtige und somit besser abgesicherte Jobs umzuwandeln“, sagt Grabka. Denkbar sei beispielsweise, die Minijobschwelle von derzeit 450 auf 300 Euro pro Monat abzusenken. Damit würde den Unternehmen immer noch ein gewisses Maß an Flexibilität zum Abarbeiten von Auftragsspitzen oder für klassische Nebentätigkeiten wie die Zeitungszustellung geboten. Außerdem sollte den Studienautoren zufolge die Sozialabgabenpflicht für Minijobs, die als Nebentätigkeit ausgeübt werden, wieder eingeführt werden – von diesem Privileg profitieren nämlich auch höhere Einkommensgruppen, die darauf gar nicht angewiesen sind.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 04.11.2020

Die Corona-Pandemie vergrößert die soziale Ungleichheit in Deutschland. Denn von Einkommensverlusten sind überdurchschnittlich oft Menschen betroffen, die schon zuvor eine schwächere Position auf dem Arbeitsmarkt hatten. So haben Personen mit Migrationshintergrund bislang häufiger an Einkommen eingebüßt als Personen ohne familiäre Zuwanderungsgeschichte. Erwerbstätige mit ohnehin niedrigen Einkommen sind stärker betroffen als solche, die bereits vor der Pandemie mehr Geld zur Verfügung hatten. Auch wer in einem atypischen oder prekären Job arbeitet, etwa als Leiharbeiter oder Minijobberin, hat im Zuge der Krise häufiger Einkommen verloren als stabil Beschäftigte. Ebenso sind Eltern öfter mit Einkommensverlusten konfrontiert als Kinderlose. Das ergibt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung auf Basis einer Panel-Befragung von mehr als 6000 Erwerbspersonen, also Erwerbstätigen sowie Arbeitslosen.*

Es zeige sich, „wie die Krise bereits bestehende soziale Ungleichheiten verschärft, da sie vor allem jene trifft, die auch vor der Krise über eher geringe Ressourcen verfügten“, schreiben Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI, und ihr Ko-Autor Dr. Andreas Hövermann. Gleichzeitig machten die Befragungsdaten deutlich, dass bewährte Schutzmechanismen auch in der Ausnahmesituation der Covid-Krise funktionieren, betonen sie. So mussten Beschäftigte, die in Betrieben mit Tarifvertrag und Betriebsrat arbeiten, im Vergleich seltener auf Einkommen verzichten. Es komme auf den Zugang zu solchen Absicherungen an. Wenn der bei vielen Menschen eingeschränkt sei, könne das negative Folgen für die Demokratie haben, warnen die Wissenschaftler. Ein Indiz dafür: Befragte, die durch Einkommensverluste belastet sind, beurteilen die politische und soziale Situation in Deutschland insgesamt deutlich kritischer. Und sie zeigen sich im Durchschnitt empfänglicher für Verschwörungsmythen zur Pandemie.

Für ihre Untersuchung haben Kohlrausch und Hövermann die Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet. Dafür wurden in zwei Wellen im April und Ende Juni jeweils mehr als 6.000 Menschen wiederholt interviewt. Die Online-Umfrage bildet die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab. Das erlaubt es, die Betroffenheit von Einkommensverlusten und die Wahrnehmung von (mangelnder) sozialer Gerechtigkeit bei der Pandemie-Abwehr detailliert auszuleuchten:

Knapp ein Drittel berichtet von Einkommensverlusten

Rund 32 Prozent der mehr als 6000 zweimal Befragten gaben an, im April und/oder im Juni durch die Pandemie Einkommenseinbußen erlitten zu haben. Im Zeitverlauf stieg der Wert von 18,5 Prozent im April auf 26 Prozent im Juni. Parallel zur Lockerung der Kontaktbeschränkungen in diesem Zeitraum sank aber gleichzeitig der Anteil der Personen, die befürchteten, in naher Zukunft Einkommen zu verlieren. Unter dem Strich sagten im April knapp 49 Prozent, sie hätten entweder bereits Einkommen eingebüßt, oder sie rechneten damit. Im Juni waren es gut 44 Prozent, was die leichte Entspannung der Situation widerspiegelt. Männer berichteten im April etwas häufiger als Frauen von Einkommenseinbußen, dieser Unterschied verliert sich aber im Zeitverlauf weitgehend.

Mit Migrationshintergrund häufiger Einbußen, Tarif und Mitbestimmung schützen

In einem zweiten Analyseschritt haben die Forscherin und der Forscher über Regressionsrechnungen für verschiedene Personengruppen untersucht, ob sie über- oder unterdurchschnittlich oft von Einkommensverlusten betroffen sind. Dabei rechneten sie Hintergrundfaktoren wie beispielsweise unterschiedliche Bildungsniveaus oder die Beschäftigung in verschiedenen Branchen heraus, so dass auch vermeintlich kleine Differenzen beim jeweiligen Merkmal eine erhebliche Bedeutung haben können.

Das gilt beispielsweise für den Migrationshintergrund: Befragte mit einer familiären Zuwanderungsgeschichte haben um knapp sechs Prozent häufiger Einkommen eingebüßt als Befragte ohne diesen Hintergrund. Ein besonders auffälliger Befund, betont WSI-Direktorin Kohlrausch: „Menschen mit Migrationshintergrund leiden spürbar häufiger finanziell unter der Pandemie, unabhängig etwa von ihrem Schulabschluss oder Qualifikationsniveau. Möglicherweise ist das ein Indiz für Diskriminierungsprozesse.“ Ebenfalls signifikant und problematisch ist nach Analyse von Kohlrausch und Hövermann, dass Eltern um sieben Prozent häufiger auf Einkommen verzichten mussten als Kinderlose.

Auch wer schon vor der Corona-Krise ein niedriges Einkommen hatte, musste dazu noch überdurchschnittlich oft Verluste verschmerzen. Wie ausgeprägt diese Belastung ist, zeigt sich, wenn man die Befragten je nach ihrem individuellen Nettoeinkommen in mehrere Gruppen einteilt. Mit absteigendem Einkommen nimmt die Quote der von Einkommensverlusten Betroffenen zu, und zwar, mit einigen Sprüngen, um durchschnittlich zwei Prozentpunkte je Gruppe. In einem leicht vereinfachten Analysemodell mit insgesamt neun Einkommensgruppen können Kohlrausch und Hövermann den Effekt noch detaillierter zeigen: So haben in der „unteren“ Einkommensgruppe mit maximal 900 Euro netto monatlich fast 48 der Befragten Einkommenseinbußen erlitten, während es in der „obersten“ Gruppe mit mehr als 4500 Euro netto knapp 27 Prozent waren (siehe Grafik in der pdf-Version dieser PM; Link unten).

Über die Regressionsrechnungen lassen sich auch die Hintergründe von Einkommensverlusten analysieren: Wenig überraschend, waren Selbständige stark überdurchschnittlich betroffen, vor allem während der Geschäftsschließungen im April. Auch Arbeiterinnen und Arbeiter berichteten etwas häufiger von Einkommenseinbußen. Bei ihnen wie bei anderen abhängig Beschäftigten war Kurzarbeit ein häufiger Grund für reduzierte Einkommen – deutlich vor einem Jobverlust in der Pandemie. „Kurzarbeit ist ein sehr wertvolles Instrument, um in der Krise Beschäftigung zu sichern. Aber die Daten zeigen auch, dass die Beschäftigten dafür einen Preis zahlen“, sagt Forscher Hövermann dazu. Die Datenanalyse macht zudem deutlich, dass Erwerbstätige am deregulierten Rand des Arbeitsmarktes besonders von der Krise getroffen sind, während andererseits tarifliche Schutzmechanismen und Mitbestimmung greifen. So berichteten Befragte in Leiharbeit oder Minijobs jeweils um rund elf Prozent häufiger von Einkommensverlusten als Befragte, die nicht in Leiharbeit beschäftigt sind. Hingegen fiel das Risiko bei unbefristeter Beschäftigung oder in Unternehmen mit Tarifvertrag und Betriebsrat signifikant niedriger aus.

Menschen mit Einkommensverlust sorgen sich öfter um Demokratie – und glauben eher an Instrumentalisierung von Corona

Fragen zu Belastungen, Sorgen und individuellen Deutungen in der Corona-Krise sind ebenfalls Teil der Erwerbspersonenbefragung. Führt man die Antworten mit den Daten zu Einkommensverlusten zusammen, zeigt sich nach Analyse von Kohlrausch und Hövermann ein deutlicher Trend: Befragte, die Einkommensverluste erlitten haben, machen sich nicht nur weitaus häufiger Sorgen um ihre eigene wirtschaftliche Situation (rund 31 Prozent vs. acht Prozent bei Befragten ohne Einbußen), sie sehen auch größere Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie in Deutschland. So sorgten sich im Juni 38 Prozent der Befragten mit und 31 Prozent ohne Einbußen um die Entwicklung der sozialen Ungleichheit im Land. 40 Prozent mit vs. 32 Prozent ohne Einkommensverluste äußerten Bedenken „dass die Einschränkungen der Grundrechte“ nach der Krise nicht vollständig zurückgenommen würden.

„Offensichtlich wird, dass sich diejenigen, die individuell negative ökonomische Krisenfolgen erlitten haben, auch in ihrem Blick auf die Gesellschaft als Ganzes von denjenigen ohne Einbußen unterscheiden – und zwar, indem sie sich deutlich sorgenvoller bis demokratiekritischer äußern“, konstatieren Kohlrausch und Hövermann. Das gehe bei manchen soweit, dass die Empfänglichkeit für Verschwörungsmythen spürbar erhöht ist. So stimmten im Juni von den Befragten mit Verlusten knapp 45 Prozent der Aussage zu: „Ich kann mir vorstellen, dass die Pandemie von Eliten benutzt wird, um die Interessen von Reichen und Mächtigen durchzusetzen.“ Unter denen, die keine Einbußen erlitten hatten, waren es 36 Prozent. Solche Werte sollten unbedingt ernst genommen werden, mahnen Kohlrausch und Hövermann: „Vor dem Hintergrund des Befundes, dass Gehaltseinbußen sowie die Wahrnehmung einer ungleichen Verteilung der Krisenlasten auch gesamtgesellschaftlich destabilisierend wirken können, ist es zentral, bei weiteren Maßnahmen zur Krisenbewältigung nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die Entwicklung der sozialen Gerechtigkeit im Blick zu haben.“

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 29.10.2020

Alle Zahlen zeigen: Partnerschaftsgewalt findet verstärkt in der Coronakrise statt. Die Beratungsanfragen beim bundesweiten Hilfetelefon liegen 20 Prozent über den Zahlen des Vorjahres. Die Berliner Gewaltschutzambulanz der Charité behandelte bereits im Juni 2020 30 Prozent mehr und schwerere Fälle als im Jahr zuvor. Für Frauen und ihre mitbetroffenen Kinder ist es umso wichtiger zu wissen, dass Beratung, Schutz und Hilfe jederzeit garantiert werden.

Die AWO hat ein Forderungspapier für die Sicherstellung der Hilfeangebote gegen Gewalt an Frauen erarbeitet. Sie fordert darin den überregionalen und schnellen Zugang zu Schutz, Hilfe und Beratung, sofortige Corona-Testmöglichkeit für Frauenhäuser und eine finanzielle Absicherung der Mehrbedarfe an Räumlichkeiten und Fachpersonal.

Wolfgang Stadler, AWO-Bundesvorsitzender, erklärt hierzu: „Gewaltbetroffene Frauen sollen die Gewissheit haben, dass sie die Gewaltsituation jederzeit verlassen können und Schutz, Hilfe und Beratung erhalten. Gewaltschutz muss durch die Gesellschaft grundsätzlich gesichert sein. Frauengewaltschutz ist systemrelevant. Dafür brauchen wir eine entsprechende Ausstattung und Unterstützung während der Pandemie.“

Steigende Infektionszahlen erschweren es vielen Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, sich über Hilfen zu informieren. Fehlende soziale Außenkontakte, die Angst vor Ansteckung und die Nähe zum gewalttätigen Partner hemmen die Entscheidung, Hilfe in Anspruch zu nehmen oder Zuflucht in einer Schutzeinrichtung zu suchen.

Die AWO als Teil des bundesweiten Gewaltschutznetzes bietet in vielen Frauenhäusern und weiteren Schutzwohnungen sowie in zahlreichen Fachberatungsstellen Unterkunft, Notfallhilfe, telefonische und digitale Beratung und Begleitung an. Allein in den Frauenhäusern der AWO finden jedes Jahr mehr als 1.500 Frauen und 1.600 Kinder Zuflucht vor häuslicher Gewalt.

Das Forderungspapier können Sie unter folgendem Link herunterladen: https://www.awo.org/frauen-muessen-vor-gewalt-geschuetzt-werden-auch-waehrend-der-corona-pandemie

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 23.10.2020

Vertreter der Bundesregierung und zivilgesellschaftlicher Organisationen kommen heute zum zwölften Integrationsgipfel zusammen. Im Zentrum der Beratungen steht die Corona- Pandemie. Dazu erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:

"Die vergangenen Monate haben gezeigt: Corona trifft die am härtesten, die ohnehin mit den größten Problemen zu kämpfen haben. Dazu zählen die Geflüchteten in den Lagern an den EU-Außengrenzen, aber auch in Deutschland, die teils noch immer in beschämenden Zuständen leben müssen. Wo Menschen auf engstem Raum leben müssen, hat das Virus leichtes Spiel. Auch deshalb müssen wir von der menschenverachtenden Politik wegkommen, eine Flucht nach Europa so beschwerlich wie möglich zu machen."

Lilie zufolge trägt die Bundesregierung mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine besondere Verantwortung, für pandemiefeste Lebensbedingungen in den Lagern zu sorgen. Das Gleiche gelte auch für die oft viel zu vollen Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland. Es ist notwendig, die Belegung in den Unterkünften so zu organisieren, dass im Infektionsfall nicht wie im Frühjahr mehrere hundert Flüchtlinge zusammen unter Quarantäne gestellt werden müssen.

Zudem sind unbedingt Kettenquarantänen zu vermeiden, wobei Flüchtlinge die Unterkünfte über Wochen nicht verlassen können.

"Wir dürfen außerdem nicht zulassen, dass Corona die bisherigen Integrationserfolge zurückwirft", betont Lilie. So würden etwa die Beschäftigungsmöglichkeiten wegen der Pandemie immer weiter eingeschränkt: "Hier braucht es dringend gemeinsame Anstrengungen von Politik und Arbeitgebern, um die Wege in den Arbeitsmarkt offen zu halten." Außerdem müssten die Menschen in den Lagern besser über die Gefahren einer Ansteckung aufgeklärt werden, ergänzt

Lilie: "Nur wer verlässliche Informationen über die Pandemie und Schutzmöglichkeiten bekommt, kann sich und andere schützen. Dazu brauchen wir eine direktere Ansprache der Menschen in ihrer jeweiligen Landessprache."

"Flüchtlingslager dürfen keine Hotspots für Corona werden", unterstreicht Lilie.

"Das Virus macht keinen Unterschied zwischen Geflüchteten und den bereits hier lebenden Menschen – wir sollten dies auch nicht tun und sie genauso gut vor der Pandemie schützen."

Hintergrund:

Deutschland ist Einwanderungsland. 21 Millionen Einwohnende sind im Laufe ihres Lebens in die Bundesrepublik eingewandert, oder ihre Eltern sind es.

Koordiniert durch die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration erarbeitet die Bundesregierung einen neuen Nationalen Aktionsplan Integration.

Er soll bestehende Integrationsangebote bündeln, ergänzen, weiterentwickeln und steuern. Bis zum Ende der Legislaturperiode will die Bundesregierung dabei den Integrationsprozess in sogenannten Phasen Eins bis Fünf abbilden – von "Vor- Zuwanderung" im Herkunftsland über Erstintegration und Arbeitsmarkteingliederung bis zum "Zusammenwachsen" und "gesellschaftlichen Zusammenhalt".

Die Diakonie Deutschland beteiligt sich mit einem Kernvorhaben zur Internationalen Migrationssozialarbeit am NAP Integration.

Diakonietext Einwanderung und Einwanderungspolitik https://www.nationaler-aktionsplan-integration.de/napi-de

Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 19.10.2020

Angesichts eines erneut drohenden Lockdowns mahnt der Paritätische Wohlfahrtsverband, hilfebedürftige Menschen in besonderen Krisensituationen nicht aus den Augen zu verlieren. Auch während eines Lockdowns müsse gewährleistet sein, dass Menschen in Not umfassende Hilfe, Beratung und Schutz erhalten. Der Verband fordert die Politik auf, alles dafür zu tun, dass entsprechende Angebote unter Wahrung des Infektionsschutzes weitgehend offen gehalten werden können und wo nötig Ausweichmöglichkeiten geschaffen werden. Auch Soforthilfen für Betroffene dürften kein Tabu mehr sein.

Der Paritätische warnt, dass in den vergangenen Monaten zwar vielfach digitale Notlösungen in der sozialen Arbeit geschaffen wurde, diese aber nicht alle Menschen erreichen und in vielen Fällen den persönlichen, “analogen” Kontakt auch nicht ersetzen können. “Viele Angebote, beispielsweise in der Gesundheitsselbsthilfe, der Schwangerschaftskonfliktberatung oder der Suchtberatung, sind inzwischen digital erreichbar und nach den letzten Monaten auch erprobt. Was für den Friseur gelten mag, ist bei der sozialen Arbeit umso offensichtlicher: Persönliche Gespräche und Präsenzkontakte sind nie vollständig durch digitale Angebote zu ersetzen. Nicht jede*r Betroffene hat den nötigen digitalen Zugang, nicht jede persönliche Krise lässt sich virtuell lösen”, warnt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Gerade in Krisenzeiten seien einsame, kranke und psychisch belastete Menschen auf ergänzende Hilfesysteme und persönliche Kontakte angewiesen.

In vielen Fällen gehe es zudem um praktische Unterstützung und Leistungen, die nicht virtuell zu ersetzen sind, mahnt der Verband und verweist exemplarisch auf Notunterkünfte für Obdachlose, Essensausgaben der Tafeln, Rehakurse für chronisch Kranke oder auch psychiatrische Tageskliniken oder Tagespflegeeinrichtungen, die alle im Rahmen des ersten Lockdowns im Frühjahr von Schließungen bzw. massiven Einschränkungen betroffen waren. Die Folgen für die Betroffenen waren dramatisch. “Es muss sichergestellt sein, dass jeder Mensch, der Hilfe braucht, diese auch während der Corona-Pandemie erhält. Keinesfalls dürfen wir in Kauf nehmen, dass Menschen in existenzieller Not, Pflegebedürftige oder Menschen mit chronischen Erkrankungen während eines erneuten Lockdowns auf der Strecke bleiben”, so Schneider.

Der Verband appelliert an die Politik, alles dafür zu tun, dass entsprechende Hilfsangebote unter Wahrung des Infektionsschutzes weitgehend offen gehalten werden können, sei es durch Zugang zu Schnelltests und Schutzausstattung, Förderung des Ausbaus krisentauglicher, auch digitaler Angebote, finanzieller Absicherung über das Jahresende hinaus und wo nötig der Schaffung von Ausweichmöglichkeiten im Falle von temporär angeordneten Schließungen (Beispiel: Obdachlosenunterkünfte). Darüber hinaus dürften auch Soforthilfen für Betroffene kein Tabu mehr sein. “Arme Menschen müssen durch finanzielle Hilfe in die Lage versetzt werden, existenzielle Grundbedürfnisse auch während dieser Krise zu decken”, so Schneider.

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 28.10.2020

SCHWERPUNKT III: Internationaler Tag zur Beseitigung von Armut

Anlässlich des morgigen Internationalen Tages zur Beseitigung von Armut fordert das ZFF verbesserte Leistungen für Familien und Kinder in prekären Lebenslagen.

Hierzu erklärt Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF: „Gerade vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen, neuer Kontaktbeschränkungen und der Gefahr zunehmender wirtschaftlicher und sozialer Krisenfolgen ist es unerlässlich, endlich schnelle Hilfen für arme Familien bereit zu stellen. Denn die Schwächeren in der Gesellschaft tragen derzeit eine Last, die sie kaum noch schultern können.

Viele arme Eltern sind ohnehin erschöpft, denn sie versuchen mit aller Kraft, dass ihre Kinder möglichst wenig unter ihrer Geldnot leiden. In Zeiten der Corona-Pandemie wird dies fast unmöglich. Es fehlt an Geld für neue technische Endgeräte und es fehlt an Raum für die Kinder und Jugendlichen, um in Ruhe Schularbeiten zu machen oder ungestört zu lesen. Viele Eltern fühlen sich darüber hinaus überfordert, die Aufgaben von Schule und Hort zu Hause mit ihren Kindern alleine zu bewältigen und ihre Kinder entsprechend zu fördern.“

Altenkamp fährt fort: „Angesichts der aktuellen Krisensituation muss daher sichergestellt werden, dass die Regelsätze krisenbedingt aufgestockt und alle Kinder und Jugendlichen über technische Endgeräte verfügen, die für ein reibungsloses Lernen zu Hause geeignet sind. Auch braucht es verstärkt Infrastrukturangebote, wie etwa die Familienbildung, die Familien bei der Bewältigung ihrer täglichen Aufgaben in dieser Ausnahmesituation unterstützen können.

Darüber hinaus appelliert das ZFF an die Politik, endlich konkret über eine Reform der Familienförderung nachzudenken. Seit 2009 setzt sich das ZFF gemeinsam mit einem breiten Bündnis für eine Kindergrundsicherung ein, die viele Familienleistungen bündelt, das derzeitige System vom Kopf auf die Füße stellt und alle Kinder besser fördert!“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 16.10.2020

„In Deutschland hat Armut ein gravierendes Ausmaß angenommen: jedes fünfte Kind ist von Armut betroffen. Der Anteil der über 64-Jährigen, die armutsgefährdet sind, stieg in den vergangenen 15 Jahren von 11 auf 15,7 Prozent. Zugleich wächst der Besitz der Superreichen: auf der Welt gibt es nun 2.153 Milliardäre, während rund 690 Millionen Menschen hungern und ganze zwei Milliarden an Mangelernährung leiden. Bei der Armutsbekämpfung wurden keine Fortschritte gemacht, im Gegenteil – in den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der hungernden Menschen weltweit um 60 Millionen erhöht. Auch die aktuelle Corona-Krise trifft die Ärmsten am härtesten. Statt Rüstungswettlauf und Geschenke an Großkonzerne brauchen wir eine seriöse und effiziente Strategie zur Armutsbekämpfung“, erklärt Zaklin Nastic, menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, anlässlich des Internationalen Tages für die Beseitigung der Armut am 17. Oktober. Nastic weiter:

„Für Deutschland fordert DIE LINKE eine Erhöhung des Mindestlohns, eine sanktionsfreie Mindestsicherung und eine Mindestrente von 1050 Euro. Um dies zu finanzieren, muss abgerüstet werden, und die Superreichen müssen endlich ihren Anteil daran tragen. Aber auch weltweit brauchen wir eine Entwicklungspolitik, die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Menschenrechte wie das Menschenrecht auf Wohnen, auf Teilhabe und auf ein würdiges Leben in den Vordergrund stellt. Die erschreckende Armutsentwicklung weltweit hat die internationale Gemeinschaft zu verantworten. Länder wie Deutschland und die USA geben Unmengen an Geld für Aufrüstung aus, während die Armutsbekämpfung auf der Strecke bleibt. In Deutschland werden für die Rettung der Lufthansa neun Milliarden Euro Steuergeld ausgegeben – ohne eine Garantie für den Erhalt von Arbeitsplätzen zu bekommen. Zugleich lässt man die Armen die Kosten der Corona-Krise tragen und die Mittelschicht verarmen. Das ist absurd, unverantwortlich und muss ein Ende haben.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag vom 16.10.2020

Die Arbeiterwohlfahrt warnt vor einer sich verschärfenden sozialen Spaltung in Folge der Corona-Pandemie. Zum morgigen Internationalen Tag für die Beseitigung von Armut fordert sie entschlossenes Handeln der Politik. Anderenfalls drohe eine erheblich steigende Ungleichheit, so Jens M. Schubert, Bundesgeschäftsführer des Verbandes.

Bereits vor der Pandemie war jeder sechste Mensch in Deutschland von Armut bedroht oder betroffen, darunter vor allem junge Menschen, Alleinerziehende, Menschen ohne Bildungsabschluss und Erwerbslose. Zudem arbeitet etwa ein Viertel der Beschäftigten im Niedriglohnsektor und mehr als eine Million Menschen verdient sogar so wenig, dass das Gehalt mit Hartz-IV aufgestockt werden muss. Die Arbeiterwohlfahrt geht davon aus, dass das Armutsrisiko in den kommenden Monaten steigen und auf weitere Bevölkerungsgruppen übergreifen wird.

„Im Moment agieren Politik und Gesellschaft im Krisenmodus mit einem Fokus auf den akuten Problemen. Das ist auch richtig, um die alarmierende Entwicklung unter Kontrolle zu bringen. Wir beobachten aber mit Besorgnis, dass sich unter dem Radar soziale Schieflagen verschärfen, deren Folgen uns spätestens im kommenden Jahr vor große Herausforderungen stellen werden“, erklärt Schubert dazu, „Schon jetzt brechen vielerorts die Strukturen weg, um die Schutzlosesten in unserer Gesellschaft aufzufangen: Beratungsstellen, Sozialstationen oder Obdachlosenunterkünfte können nicht mehr oder nur eingeschränkt Angebote machen. Und angesichts drohender Entlassungen und ausstehender Insolvenzen wird sich die Armutslage in den nächsten Monaten dramatisch zuspitzen. Wir glauben, dass wir bald sehr viel mehr Menschen in unseren Beratungsstellen sehen werden, die bisher niemand auf dem Schirm hat.“

Die Arbeiterwohlfahrt fordert daher, die soziale Infrastruktur auf diese Entwicklung auszurichten und sich bereits jetzt mit den nötigen arbeits- und sozialpolitischen Maßnahmen zu befassen. Schubert: „Rettungsschirme bringen den Sozialstaat vielleicht durch die Krise. Wir müssen aber die sozialen Sicherungssysteme und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen viel grundlegender weiterentwickeln, wenn wir wirkungsvolle Instrumente gegen die zunehmende Armut haben wollen. Anderenfalls wird die Schere zwischen Arm und Reich noch massiver als bisher auseinanderklaffen. Das ist ein Nährboden für die Populisten am rechten Rand. Wir sind deshalb verpflichtet, uns der drohenden Entwicklung anzunehmen. Nicht nur, um individuelles Leid zu verhindern, sondern auch, um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft nicht zu gefährden.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 16.10.2020

Anlässlich des Internationalen Tages für die Beseitigung der Armut am 17.10. fordert nak-Sprecher Gerwin Stöcken, die Lebenslagen armer Menschen stärker sichtbar zu machen und ihre Perspektiven politisch besser zu berücksichtigen. Weitgehend unbemerkt habe die Coronakrise die Lebenslagen vieler Menschen zugespitzt.

Gerwin Stöcken: „Armut und soziale Ausgrenzung ist für viele Menschen in Deutschland bittere Realität. Armut bedeutet, sich ständig Sorgen um das Nötigste zu machen und irgendwie über die Runden zu kommen. Echte soziale Teilhabe ist mit Armut nicht möglich. Während die Menschen um Würde und ein Stück Normalität kämpfen, begegnet ihnen Unverständnis, Abgrenzung und Vorurteile. Allzu oft bleibt die Not der Menschen daher unsichtbar und ihre Forderungen ungehört. Die Sozialpolitik muss daher hinschauen, zuhören und handeln. Es ist auch eine Haltungsfrage, wie Politik und Gesellschaft mit ihren ärmsten Gesellschaftsmitgliedern umgeht.“

In Deutschland gilt als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens zur Verfügung hat. Aktuell ist fast jeder sechste Menschbzw. rund 13 Millionen Menschen betroffen. Während die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen weiter steigt, hat sich die Armutslücke, also der Betrag, der armen Haushalte bis zur Armutsrisikoschwelle fehlt, in den letzten Jahren deutlich vergrößert. Auch der aktuelle Gesetzentwurf zur Regelbedarfsermittlung zementiert Armut und vergrößert die Armutslücke weiter. Hinzukommt verdeckte Armut, bei der die betroffenen Menschen von wohlfahrtsstaatlicher Unterstützung nicht erreicht werden. Die Coronakrise hat diese Situation verschärft.

„Weitgehend unbemerkt hat die Coronakrise die Lebenslagen vieler Menschen zugespitzt. Auch wenn die Bundesregierung richtige und wichtige Maßnahmen zur Abfederung der gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie beschlossen hat, wurden die Bedarfe und Lebenssituationen armer Menschen häufig zu wenig berücksichtigt. Das muss sich ändern! Daher ist es so wichtig, auch die politische Teilhabe von Menschen mit Armutserfahrung zu stärken und ihre Erfahrungen und Perspektiven bei politischen Vorhaben, während der Coronakrise aber auch darüber hinaus, systematisch einzubeziehen.“

Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz (nak) vom 16.10.2020

Im Interview gibt SOS-Schulsozialarbeiterin Anne Luther einen Einblick, wie Armut den Alltag von Kindern und Jugendlichen in Berlin-Moabit prägt.

Armut hat viele Gesichter und trifft Kinder und Jugendliche als schwächste Mitglieder der Gesellschaft besonders hart – darauf möchte SOS-Kinderdorf e.V. zum Welttag zur Beseitigung der Armut am 17. Oktober aufmerksam machen. Die aktuellen Zahlen geben Grund zur Beunruhigung: Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung prägt Armut den Alltag von mehr als einem Fünftel aller Kinder in Deutschland, das sind 21,3 Prozent bzw. 2,8 Mio. Kinder und Jugendliche unter 18. Die Corona-Pandemie verschärft die Lage zusätzlich: Geldnöte entstehen durch den plötzlichen Verlust von Arbeitsplätzen und Konflikte in Familien eskalieren auf engem Wohnraum schneller. An der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule in Berlin-Moabit erlebt Anne Luther, Schulsozialarbeiterin beim SOS-Kinderdorfverein, täglich unmittelbar die Auswirkungen von stark ausgeprägter sozialer Ungleichheit. Im Interview gibt sie einen Einblick in ihren Alltag vor Ort.

Frau Luther, welche Ausprägungen von Armut begegnen Ihnen bei Ihrer Arbeit?

Was Armut bedeutet, ist ja nicht einheitlich definiert. Wenn damit relative Einkommensarmut gemeint ist, so haben wir es als Team des sozialpädagogischen Bereichs vom SOS-Kinderdorf an der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule in Berlin-Moabit viel mit Familien zu tun, die arm sind – deren Einkommen also weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens beträgt. Kinder und Jugendliche sind nach wie vor die am häufigsten von Armut betroffene Altersgruppe. In der aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung gilt als arm, wer in einer Familie aufwächst, die Leistungen nach dem SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende – erhält. Demnach ist ein Viertel aller Berliner Kinder arm. In Berlin-Mitte, wo ich arbeite, sind es sogar 40 Prozent. Ich bevorzuge einen umfassenderen Armutsbegriff, der Lebensbereiche wie Wohnen, Ernährung, Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe einbezieht. Allen voran auch den Bereich Bildung; der Zusammenhang zwischen Bildung und Armut ist hinreichend belegt. Aus dieser Sicht ist Armut eher eine extreme Ausprägung sozialer Ungleichheit und kann sich in vielfältiger Weise zeigen: Eine Schülerin lebt mit acht Menschen auf knapp 60 Quadratmetern, ein Schüler bekommt nur in der Mensa der Schule ein warmes Mittagessen und eine weitere Schülerin schwänzt regelmäßig den Sportunterricht, weil sie sich für ihre alten Turnschuhe schämt. Hier wird deutlich: Armut beschränkt die Gestaltung des Alltags in vielen Bereichen. Armut kann beschämen, ausgrenzen und belasten. Deswegen frage ich nach den Sommerferien nicht: Wo warst du im Urlaub? Sondern: Was war gut an den Ferien? Was hat dir gefallen?

Hat Corona die Lage verschärft und wenn ja, wie genau ist das spürbar?

Viele der Jugendlichen, mit denen ich arbeite, leben in prekären sozio-ökonomischen Verhältnissen. Ihre Eltern arbeiten häufiger im Niedriglohnsektor und sind auf zusätzliche Unterstützungsangebote angewiesen. Von Hilfen wie dem Kurzarbeitergeld profitierten die meisten in der Pandemie nicht, und viele Einrichtungen wie Tafeln oder Kleiderkammern blieben geschlossen. Berlin bietet in „normalen Zeiten“ unzählige Möglichkeiten, Freizeitangebote für sehr wenig Geld oder vollkommen kostenlos zu nutzen: Bogenschießen im Jugendklub statt Tennis im Verein oder Beatboxing-Workshop in der Schule statt Geigenunterricht beim Privatlehrer. Der Zugang ist allerdings schon ohne Corona-Krise nicht ganz leicht: Anträge stellen, Nachweise erbringen, das sind durchaus Hindernisse. In der Pandemie fallen viele dieser Angebote nun gänzlich weg und somit ein Großteil der außerhäuslichen Unterstützung. Während der Schulschließungen waren viele der Jugendlichen erneut stärker benachteiligt: Zu Hause fehlt die notwendige technische Ausstattung und Unterstützung durch Lernförderung gibt es nicht. Viele Eltern sind überfordert, wenn sie plötzlich für fünf Kinder unterschiedlichen Alters die Lehrkraft sein sollen – in einer Sprache, die oft nicht ihre Muttersprache ist. Und in teils beengten Wohnverhältnissen finden diese Kinder und Jugendlichen keinen ruhigen Ort, um konzentriert zu lernen. Auch die Konflikte nehmen häufig zu, wenn Familien über viele Wochen hinweg auf engstem Raum zusammen sind. So kam es während des Lockdowns vermehrt zu Vernachlässigung und Gewalt.

Wie genau können Sie die betroffenen Kinder und deren Familien in der Schulsozialarbeit unterstützen?

Schulsozialarbeit löst nicht alle Probleme – das kann sie nicht. Sie ist jedoch auch weit mehr als die Betreuung von Jugendlichen außerhalb des Unterrichts. Häufig begegnet uns das vorurteilsbehaftete Bild der teekochenden und spielenden Schulsozialarbeiterin. Das Programm von „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“, in dem ich arbeite, ist aber viel mehr als das. Es ist zuallererst ein wirklich niedrigschwelliges Angebot der Jugendhilfe: Ich bin kontinuierlich vor Ort und kann mit den Jugendlichen in Kontakt kommen und Beziehungen aufbauen, kann auf einfachen Wegen Unterstützung anbieten oder veranlassen. Ich habe in meiner Arbeit den Anspruch, jede und jeden mit seinen Bedürfnissen ernst zu nehmen und bestmöglich zu unterstützen. Bei der Vielfalt der Beratungsanliegen ist ein gutes Netzwerk unerlässlich. Ein Träger wie SOS-Kinderdorf versammelt da schon viel Expertise unter einem Dach: Innerhalb der Schule arbeite ich im Team mit vier Erzieher*innen, darüber hinaus zum Beispiel mit den Kolleg*innen der Familien- und Erziehungsberatung oder aus unserem Jugendberatungshaus. Als die Schulen schlossen, war es nicht einfach, weiter mit den Jugendlichen und ihren Familien in Kontakt zu bleiben. Ich konnte nicht mehr im Treppenhaus fragen: Wie geht es dir? Einige meiner Jugendlichen waren zunächst vollständig von der Bildfläche verschwunden: Handynummer nicht erreichbar, E-Mailadresse nicht vorhanden – Schuldistanz total, trotz

vielfältiger digitaler Angebote. Also bin ich ganz analog auf mein Fahrrad gestiegen und habe an Haustüren geklingelt. Bei gemeinsamen Spaziergängen konnte ich mir ein Bild davon machen, wie es den Jugendlichen geht und ob es einen Hilfebedarf gibt. Ich habe Postkarten geschrieben und eine Beratungsbank im Kiez ins Leben gerufen und auf diese Weise den Kontakt aufrechterhalten.

Welche Lösungen würden Sie sich von politischen Entscheider*innen zur Bekämpfung von Kinderarmut wünschen?

Verantwortung hört nicht da auf, wo formal-rechtlich Chancengleichheit hergestellt ist. Vielmehr sollte sie da erst wirklich beginnen: bei der kontinuierlichen Überprüfung in der Praxis, ob Maßnahmen greifen und nachhaltig verändern, ob die Zielgruppen auch wirklich erreicht werden. Benachteiligte Kinder und Jugendliche haben nach der UN-Kinderrechtskonvention ein Recht auf Förderung und Teilhabe an der Gesellschaft. Zukunftsperspektiven sind für junge Menschen, die in prekären Bedingungen aufwachsen, von besonderer Bedeutung. Wir sollten uns alle die Frage stellen, ob unsere Gesellschaft es sich leisten kann, so viele junge Menschen zu verlieren – nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich. Damit das nicht passiert, brauchen wir auch in der Jugendhilfe viel mehr Ressourcen, mehr finanzielle Mittel und Personal. Nur so können wir die Angebote zur Unterstützung so vielfältig und individuell gestalten, wie die Zielgruppe es erfordert – und verdient. Das Gleiche ist nicht für jeden gleich gut. Meine Kolleg*innen und ich stellen häufig fest, dass unserer Zielgruppe vor allem die Lobby fehlt: Menschen, die sich für sie und mit ihnen stark machen, auf Missstände hinweisen. Die nicht müde werden, Armut und soziale Ungerechtigkeit zum Thema zu machen – laut und mit Nachdruck. Was nicht deutlich ausgesprochen wird, ist kein Thema – dann passiert auch nichts. Diese Lobbyarbeit können wir nicht allein leisten, hier sind wir auf Unterstützer*innen aus der Politik angewiesen.

Quelle: Pressemitteilung SOS-Kinderdorf e.V. vom 14.10.2020

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Ministerin Giffey stellt über „Hilfesystem 2.0“ rund 3 Millionen Euro zur Verfügung

In der Sondersituation der Corona-Pandemie ist es besonders wichtig, dass gewaltbetroffene Frauen mit ihren Kindern schnell, unbürokratisch und zuverlässig Schutz und Beratung bekommen. Frauen, die zu Hause Gewalt erfahren, brauchen Rettungsanker wie das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen oder einen sicheren Zufluchtsort. Die rund 350 Frauenhäuser und über 600 Frauenberatungsstellen stehen durch die Corona-Auswirkungen wie viele andere soziale Dienste vor besonderen Herausforderungen und Belastungen. Ein besonderer Fokus der Maßnahmen des Bundesfrauenministeriums liegt deshalb darauf, die Erreichbarkeit der bestehenden Hilfsangebote auch unter den Bedingungen der COVID-19-Situation zu erhalten und zu verbessern.

Damit die Unterstützungseinrichtungen in der Coronazeit verstärkt Telefon-, Online- und Videoberatung anbieten können, hat Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey sich bereits zu Beginn der Pandemie mit Vertreterinnen des Hilfesystems für gewaltbetroffene Frauen ausgetauscht und Unterstützung zugesagt. Entstanden ist daraus das Projekt „Nachhaltiges technisches Empowerment von Fachberatungsstellen und Frauenhäusern in der Corona-Pandemie – Hilfesystem 2.0“, das von der Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK) umgesetzt wird. Das Bundesfrauenministerium fördert dabei eine bessere technische Ausstattung in Frauenhäusern und Fachberatungsstellen sowie Qualifizierungs- und Dolmetschleistungen. Dafür stehen mehr als drei Millionen Euro bereit. Die Förderung erfolgt im Bundesprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“.

Bundesfrauenministerin Giffey: „Die letzten Wochen und Monate haben deutlich gemacht, dass Frauenhäuser und Fachberatungsstellen neue und moderne Mittel brauchen, um gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder auch in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie Schutz und Hilfe zukommen zu lassen. Gemeinsam mit der Frauenhauskoordinierung e.V. knüpfen wir mit dem Projekt ‚Hilfesystem 2.0‘ an diese Anforderungen an. Wir bringen damit den Gewaltschutz ins digitale Zeitalter und machen ihn krisenfest. Die mehr als drei Millionen Euro, die im Rahmen des Bundesförderprogramms ‚Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen‘ zum Beispiel für eine bessere technische Ausstattung zur Verfügung stehen, sind ein echter Innovationsschub für die Beratungsstellen und Frauenhäuser, die nun verstärkt auf digitalen Kontakt setzen können. Damit leisten wir als Bund einen wesentlichen Beitrag dazu, dass das Hilfesystem auch in Krisenzeiten funktioniert. Ich möchte die Mitarbeitenden in den Frauenhäusern und Fachberatungsstellen ausdrücklich ermuntern, die entsprechenden Anträge einzureichen.“

Heike Herold, Geschäftsführerin der Frauenhauskoordinierung: „Trotz Corona-Lockdown haben die Frauenhäuser und Fachberatungsstellen seit Beginn der Pandemie verlässlich ihre Schutz- und Unterstützungsmöglichkeiten für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder aufrechterhalten. Sie haben Lösungen für umfangreiche Auflagen zum Infektionsschutz und teils vermehrte Hilfegesuche gefunden. Dafür gebührt ihnen hohe Anerkennung und eine Verbesserung ihrer oft desolaten Arbeitsbedingungen. Wir begrüßen sehr, dass diese systemrelevanten Einrichtungen mit dem Projekt ‚Hilfesystem 2.0‘ nun aus Bundesmittelen Unterstützung in dieser schwierigen Pandemie-Situation erhalten. Und zwar an einer Stelle, wo es angesichts der aktuellen Lage besonders wichtig ist: bei Ausstattung und Know-how für digitale Unterstützungsangebote.“

Anträge können ab sofort gestellt werden

Seit dem 15. Oktober können Frauenhäuser und Fachberatungsstellen über das Web-Portal ‚ProDaBa2020‘ nach einer Registrierung Förderanträge einreichen. Zuwendungsfähig sind Anschaffungen zur Verbesserung der technischen Ausstattung in Frauenhäusern, Frauenschutzwohnungen und Fachberatungsstellen, die aufgrund der Corona-Pandemie notwendig sind, Ausgaben für Maßnahmen zur Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die digitalen Herausforderungen durch die Pandemie sowie Honorare für die Nutzung professioneller Dolmetschdienste für die Unterstützung und Beratung von gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen während der Corona-Pandemie. Förderanträge für die Finanzierung von technischer Ausstattung können bis zum 16. November 2020 übermittelt werden. Wird die Finanzierung von Qualifizierungs- und/oder Dolmetschleistungen beantragt, können Anträge bis zum 26. Februar 2021 eingereicht werden.

Das Projekt wird umgesetzt in enger Abstimmung mit dem Bundesverband Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen e.V. und der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser. Weitere Informationen enthalten die Dokumente mit den Zuwendungskriterien und den Fragen und Antworten zum Projekt. Rückfragen zum Projekt beantworten die Mitarbeiterinnen der Frauenhauskoordinierung.

Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“

Das Projekt „Hilfesystem 2.0“ wird aus dem Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ finanziert, mit dem der Bund im Rahmen seiner Förderkompetenzen Länder und Kommunen bei der bedarfsgerechten Weiterentwicklung des Hilfesystems unterstützt. Insgesamt 120 Millionen Euro stehen für den Ausbau und die Modernisierung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen in den nächsten vier Jahren zur Verfügung. Das Bundesinnovationsprogramm ist 2019 mit der Förderung von fünf Projekten auf Bundesebene gestartet. Das Bundesfrauenministerium plant, bis 2022 jährlich zusätzlich fünf Millionen Euro für die Förderung innovativer Projekte zur Verfügung zu stellen.

Informationen zum Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ finden sich auf der Website: www.gemeinsam-gegen-gewalt-an-frauen.de

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 30.10.2020

Der Kinderzuschlag für Familien mit kleinen Einkommen wird zum 1. Januar 2021 deutlich erhöht: Er steigt von 185 Euro um 20 Euro auf bis zu 205 Euro pro Monat pro Kind. Nach dem gestern vom Bundestag beschlossenen „Zweiten Familienentlastungsgesetz“ wird das Kindergeld ab dem 1. Januar 2021 um 15 Euro erhöht. Das Kindergeld wird danach 219 Euro für das erste und zweite Kind, 225 Euro für das dritte Kind und 250 Euro ab dem vierten Kind betragen. Damit steht auch die Höhe des Kinderzuschlags von bis zu 205 Euro fest.

Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey: „Der Kinderzuschlag, der zusätzlich zum Kindergeld gezahlt wird, ist eines unserer wichtigsten Instrumente im Kampf gegen Kinderarmut. Wenn Eltern mit kleinen Einkommen für die Existenzsicherung ihrer Kinder mehr brauchen, dann ist es gut und richtig, dass auch der Kinderzuschlag steigt. Deshalb haben wir im Starke-Familien-Gesetz vorgesehen, dass der Kinderzuschlag entsprechend der Entwicklung des Existenzminimums dynamisiert wird. Ab Januar 2021 haben Eltern, deren Einkommen für die ganze Familie kaum reicht, jeden Monat 20 Euro mehr pro Kind zur Verfügung. Sie erhalten den Kinderzuschlag von bis zu 205 Euro zusätzlich zum Kindergeld und zum Wohngeld. Sie können auch von den Kita-Gebühren befreit werden. Als Bundesfamilienministerin ist es eines meiner wichtigsten Ziele, jedem Kind die Chance auf ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen. Dass der Kinderzuschlag ankommt, zeigen auch die Zahlen: Seit Januar 2020 hat sich die Zahl der Kinder für die der KiZ gezahlt wird verdreifacht auf rund 900.000 Kinder. Der Anstieg bestätigt, dass die Reform des Kinderzuschlags durch das Starke-Familien-Gesetz, die Vereinfachung des Antrags und die Anpassungen im Rahmen des ,Notfall-KiZ‘ in der Corona-Zeit wirken.“

Existenzminimum und Dynamisierung des Kinderzuschlags

Der Kinderzuschlag sichert in Familien mit kleinen Einkommen gemeinsam mit dem Kindergeld und den Leistungen für Bildung und Teilhabe die Existenzgrundlage von Kindern. Im aktuellen 13. Existenzminimumbericht wird das monatliche sächliche Existenzminimum für das Jahr 2021 für Kinder mit durchschnittlich 451 Euro angegeben. Von diesem bezifferten Existenzminimum eines Kindes hängt seit der Dynamisierung des Kinderzuschlags durch das Starke-Familien-Gesetz, die zum 1. Januar 2021 das erste Mal greift, auch die Höhe des Kinderzuschlags ab. Der Höchstbetrag des Kinderzuschlags berechnet sich aus dem sächlichen Existenzminimum abzüglich des Kindergelds für das erste Kind und abzüglich des Betrags für Bildung und Teilhabe; maßgeblich sind die entsprechenden Beträge im Existenzminimumbericht.

Viele Entlastungen für Familien mit kleinen Einkommen

Der Kinderzuschlag unterstützt Eltern, die genug verdienen, um ihren eigenen Bedarf zu decken, aber deren Einkommen nicht oder nur knapp für die gesamte Familie reicht. Derzeit beträgt die Familienleistung pro Monat und Kind bis zu 185 Euro – sie wird zusätzlich zum Kindergeld gezahlt. Außerdem werden die Eltern von den Kita-Gebühren befreit und haben diverse andere finanzielle Vorzüge aus dem Bildungs- und Teilhabepaket: Das Schulbedarfspaket mit 150 Euro pro Kind pro Schuljahr, das ab 2021 auf 154,50 Euro pro Jahr erhöht wird, kostenlose Schülerfahrkarten, kostenloses Mittagessen in Kita und Schule und kostenlose Nachhilfe sowie einen monatlichen Zuschuss von 15 Euro für die Teilnahme an Sport-, Musik- oder Kunstangeboten.

Der Kinderzuschlag wurde mit dem Starke-Familien-Gesetz grundlegend ausgebaut. Auch die Anpassungen zum „Notfall-KiZ“ im Zuge der Corona-Krise helfen, dass der Kinderzuschlag bei vielen Kindern direkt ankommt. Außerdem hat sich infolge der Krise und der damit vielfach verbundenen Einkommenseinbußen der Kreis der Anspruchsberechtigten nochmals vergrößert, so dass mehr Familien Kinderzuschlag erreicht werden. Im Januar 2020 waren es noch 299.168 Kinder, die den Zuschlag erhalten haben – aktuell sind es 888.398 Kinder. Und schließlich helfen die verstärkte Bekanntmachung und die erfolgreiche Digitalisierung der Leistung, dass mehr Kinder den Kinderzuschlag bekommen. Um angesichts der anhaltenden Corona-Krise Familien mit kleinem Einkommen weiter zu unterstützen, wurde im Rahmen des Notfall-KiZ die erleichterte Vermögensprüfung im Kinderzuschlag bis 31. Dezember 2020 verlängert. Vermögen wird damit nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist.

Der Kinderzuschlag ist ein auf Dauer angelegtes Instrument – nicht zu verwechseln mit dem Kinderbonus – der Einmalzahlung in Höhe von 300 Euro im Rahmen des Konjunkturpakets.

Kinderzuschlag-Anspruch prüfen und Antrag stellen

Mit dem KiZ-Lotsen der Familienkasse können Eltern und Alleinerziehende prüfen, ob der Kinderzuschlag für sie in Betracht kommt.

Fällt ihre Prüfung positiv aus, können sie den Antrag online bei der Familienkasse ausfüllen.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 30.10.2020

Bayern ist als zehntes Bundesland der Bundesinitiative „Hilfe und Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit“ des Bundesfamilienministeriums beigetreten. Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey unterzeichnete in Berlin die entsprechende Kooperationsvereinbarung. Ab dem 01. November 2020 können somit auch in Bayern lebende Paare einen Förderantrag stellen.

„Jeder kann sich vorstellen, wie groß die Verzweiflung sein muss, wenn sich ein Paar sehnlichst ein Kind wünscht und wenn dies einfach nicht klappen will“, betont Bundesfamilienministerin Giffey anlässlich des Starts der Förderkooperation. „Deshalb ist es wichtig, dass wir ungewollt kinderlosen Paaren mehr Unterstützung anbieten und ihnen zugleich Mut machen: Kinderlosigkeit ist kein Makel, Kinderlosigkeit ist kein Tabu. Ich freue mich sehr, dass sich jetzt auch Bayern entschlossen hat, unserer Initiative beizutreten, um gemeinsam mit dem Bund Paare mit unerfülltem Kinderwunsch bei den Behandlungskosten zu entlasten. Schon körperlich und emotional ist eine solche Behandlung eine große Herausforderung. Daher sollten diese Paare nicht noch zusätzlich die hohen Kosten für die Kinderwunschbehandlungen alleine schultern. Wir können nicht garantieren, dass der Kinderwunsch so in Erfüllung gehen wird, aber wir können zumindest die finanzielle Belastung abmildern.“

Der Bund und der Freistaat Bayern gewähren heterosexuellen Paaren, die sich zur Erfüllung ihres Kinderwunsches einer Behandlung der In-vitro-Fertilisation (IVF) und Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) unterziehen müssen, ab sofort im ersten bis vierten Behandlungszyklus einen Behandlungskostenzuschuss in Höhe von bis zu 50 Prozent des verbleibenden Eigenanteils nach Abrechnung mit den Krankenkassen beziehungsweise den Beihilfestellen.

Bayerns Familienministerin Carolina Trautner unterstreicht: „Jedes Kind ist etwas Großartiges und ein Gewinn für unsere Gesellschaft. Viele Menschen erleben in ihren jungen Familien die neue Elternrolle als Bereicherung. Gleichzeitig kann ein unerfüllter Kinderwunsch für viele Paare eine starke Belastung werden. Es ist mir ein Herzensanliegen Paaren zu helfen, indem wir sie bei einer Kinderwunschbehandlung finanziell unterstützen. Mit unserem neuen Förderprogramm machen wir jetzt einen großen Schritt, um den Zugang zur Kinderwunschbehandlung zu erleichtern. Bei den ersten drei Behandlungen macht der Zuschuss pro Behandlung bis zu 900 Euro aus, wird eine vierte Behandlung notwendig verdoppeln wir den Zuschuss sogar auf bis zu 1800 Euro. Mit dieser starken finanziellen Unterstützung ermöglichen wir nun diesen Paaren sich ihren Herzenswunsch zu erfüllen.“

Gefördert werden verheiratete und nicht verheiratete Paare mit einem gemeinsamen Hauptwohnsitz in Bayern bei der ersten bis zur vierten Behandlung der In-Vitro-Fertilisation (IVF) sowie der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI). Der Zuschuss beträgt bei der ersten bis zur dritten Behandlung bis zu 800 Euro (IVF) bzw. 900 Euro (ICSI) und bei der vierten Behandlung bis zu 1.600 Euro (IVF) bzw. 1.800 Euro (ICSI). Bund und Freistaat Bayern übernehmen jeweils die Hälfte. Die Kinderwunschbehandlung kann in Bayern oder einem angrenzenden deutschen Bundesland durchgeführt werden.

In Deutschland haben mehr als ein Drittel der Menschen zwischen 25 und 59 Jahren einen unerfüllten Kinderwunsch; nahezu jedes zehnte Paar ist auf reproduktionsmedizinische Unterstützung angewiesen, um Nachwuchs zu bekommen.

Neben Bayern beteiligen sich bereits die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an der Bundesinitiative. Das Land Rheinland-Pfalz beabsichtigt einen Beitritt zur Bundesinitiative in 2021.

Die Bundesförderrichtlinie setzt eine Förderbeteiligung des Wohnsitz-Bundeslands des Kinderwunschpaares voraus, damit Bundes- und Landesmittel zur Auszahlung gelangen.

„Eine gute Familienpolitik muss auch jene Paare unterstützen, die gerne eine Familie gründen möchten, aber auf natürlichem Wege keine eigenen Kinder bekommen können. In dieser Legislaturperiode konnten wir bislang vier neue Förderkooperationen abschließen. Mit Rheinland-Pfalz wird im nächsten Jahr ein weiteres Land hinzukommen. Ich werbe nachdrücklich dafür, dass sich auch die verbliebenen Länder unserer Initiative anschließen, damit betroffene Paare in ganz Deutschland von den Bundes- und Landeszuschüssen profitieren können“, so Giffey.

Wie es den von ungewollter Kinderlosigkeit in Deutschland betroffenen Paaren geht und welche Hilfs- und Unterstützungsangebote sie sich wünschen, zeigt die vom Bundesfamilienministerium im September 2020 veröffentlichte Studie „Ungewollte Kinderlosigkeit 2020 – Leiden – Hemmungen – Lösungen“, die unter folgendem Link heruntergeladen werden kann: www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/ungewollte-kinderlosigkeit-2020/161020.

Der Antrag, Informationen zu den Fördervoraussetzungen sowie die Förderrichtlinien des Freistaates Bayern sind unter www.zbfs.bayern.de/foerderung/familie/kiwub/index.php abrufbar.

Informationen zur Bundesinitiative „Hilfe und Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit“ finden Sie unter www.informationsportal-kinderwunsch.de.

Alle Ergebnisse der aktuellen Untersuchung „Ungewollte Kinderlosigkeit in Deutschland 2020“ finden Sie unter www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/neue-studie–kinderlose-frauen-und-maenner-haben-einen-hohen-informationsbedarf/160462.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 30.10.2020

Alle Steuerpflichtigen profitieren davon ab 2021

Der Finanzausschuss hat heute den Entwurf für das Zweite Gesetz zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen sowie den Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen abschließend beraten. Die 2./3. Lesungen im Bundestag finden morgen statt. Dazu erklären der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Andreas Jung, und die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann:

Andreas Jung: „Erneut verhindern wir schleichende Steuererhöhungen durch kalte Progression. Die Anhebung der Freibeträge und die Verschiebung des Steuertarifs zu Gunsten der Steuerpflichtigen entlastet vom Azubi bis zum Unternehmer alle Steuerzahler. Es wird auch in den kommenden Jahren keine zusätzliche Belastung aufgrund der Inflationsentwicklung geben. Zudem werden das Kindergeld und der Pauschbetrag für Menschen mit Behinderung deutlich erhöht. Gemeinsam mit der bereits beschlossenen Abschaffung des Solis für die allermeisten Menschen betragen die steuerlichen Entlastungen ab dem kommenden Jahr knapp 25 Milliarden Euro jährlich. Die Bürgerinnen und Bürger haben so mehr Geld in der Tasche – und das nutzt auch wieder der Konjunktur!“

Antje Tillmann: „Neben Investitionen in die Infrastruktur wie Kindergärten und Schulen werden in dieser Legislaturperiode besonders Familien finanziell stark entlastet. Mit der nun beschlossenen weiteren Erhöhung des Kindergeldes um 15 Euro und der Anpassung der Kinderfreibeträge setzen wir ein zentrales Anliegen des Koalitionsvertrages um. Dazu haben wir aufgrund der Corona-Situation mit dem Familienbonus, der Erhöhung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende und der Verlängerung des Baukindergeldes Familien in der Krise geholfen. Mit dem Starke-Familien-Gesetz wurde bereits zuvor eine Milliarde Euro in den Kinderzuschlag investiert.

Neben der steuerlichen Entlastung für Familien war es der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch ein zentrales Anliegen, endlich die Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung zu erhöhen und somit an die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre anzupassen. Auch hier haben wir ein wichtiges Projekt des Koalitionsvertrags umgesetzt.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU – Bundestagsfraktion vom 28.10.2020

Zur Studie "Die stille Pandemie – Umweltgifte schädigen Kinder" durch terre des hommes erklärt Dr. Bettina Hoffmann, Sprecherin für Umweltpolitik und Umweltgesundheit:

Kinder haben das Recht, in einer sauberen Umwelt aufzuwachsen. Kein Kind darf durch schlechte Luft oder Giftstoffe in Alltagsprodukten wie Spielzeug oder Kochgeschirr vergiftet werden.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Bei ihnen wirken sich gleiche Mengen, die sie aufnehmen, auf Grund des geringen Körpergewichts besonders stark aus. Ihre gesamte Entwicklung wird jetzt und für die Zukunft beeinflusst. Für eine zunehmende Zahl von Stoffen können ohnehin keine sicheren Grenzwerte ermittelt werden. Die Konsequenz: Alle Giftstoffe müssen konsequent aus allen Alltagsgegenständen verbannt werden. Das Ziel bleibt eine giftfreie Umwelt. Dies muss die Bundesregierung auf nationaler und internationaler Ebene mit Nachdruck verfolgen.

Erneut weist die Studie darauf hin, dass nach einer Studie des Umweltbundesamts bei 97 Prozent der untersuchten deutschen Kinder Plastikinhaltstoffe im Urin nachgewiesen wurden und rund ein Fünftel der Kinder mit per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) belastet sind. Wir fordern die Bundesregierung auf, Chemikalien wie Bisphenol A in Kochgeschirr und Lebensmittelverpackungen oder PFC in Papier und Pappe zu verbieten.

Die Gesundheit unserer Kinder muss besser geschützt werden. Dazu zählen auch, importierte Spielzeuge und andere Alltagsgegenstände regelmäßiger als bislang auf Giftstoffe zu kontrollieren. Es muss künftig gewährleistet sein, dass Produkte bei Grenzwertüberschreitungen konsequent aus dem Verkehr gezogen werden. Dafür braucht es endlich bundeseinheitliche Leitlinien für Produktrückrufe.

Die Studie zeigt, dass unfassbare 90 Prozent aller Kinder weltweit belasteter Luft ausgesetzt sind, die über den Grenzwertempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation liegt. Das betrifft auch Deutschland in hohem Maße. Die Bundesregierung muss die deutschen Grenzwerte für Feinstaub an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation anpassen.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 28.10.2020

„Pflegende Angehörige schultern die Pandemie ohne Hilfe – alleingelassen von der Bundesregierung“, bekräftigt Pia Zimmermann, Sprecherin für Pflegepolitik der Fraktion DIE LINKE, die Ergebnisse einer Studie der Universität Bremen für die DAK Gesundheit. Zimmermann weiter:

„Pflege durch Angehörige ist eine private Hilfeleistung, aber sie darf nicht zum privaten Problem werden. Ihre Unterstützung ist eine gesellschaftliche Aufgabe, bei der die Bundesregierung nicht erst in der Pandemie versagt. Bereits im Koalitionsvertrag hatte sie ein Entlastungsbudget versprochen, in dem Leistungen gebündelt werden und flexibel eingesetzt werden können. Das hätte in der Pandemie viel Bürokratie erspart, die pflegende Angehörige jetzt noch zusätzlich belastet. Für dieses Entlastungsbudget liegen aber nicht mal Pläne der Bundesregierung vor. Die wenigen kleinen Zugeständnisse, wie die zeitweilige Anhebung des Betrags für Verbrauchsmittel, werden dem gestiegenen Bedarf bei weitem nicht gerecht.

Mehr als drei Viertel aller Menschen mit Pflegebedarf werden in Deutschland in den eigenen vier Wänden betreut, die meisten von ihnen ohne professionelle Hilfe einzig durch ihre Angehörigen. Mitten in der Pandemie wurden diese pflegenden Angehörigen ignoriert, ihre Anliegen beiseite gewischt – dabei gingen sie schon vorher an den meisten Tagen über ihr Limit hinaus. Es ist eine Schande, aber leider nicht verwunderlich, dass sich nun sogar der Gesundheitszustand vieler pflegender Angehöriger verschlechtert. Sie zahlen den Preis für den Sparkurs der Bundesregierung.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 02.11.2020

Zum Kabinettsbeschluss zum Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote erklärt der kinder- und jugendpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Matthias Seestern-Pauly:

„Seit Jahren verspricht Familienministerin Giffey den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Doch statt nach mehrfachen Ankündigungen endlich einen Gesetzentwurf hierfür vorzulegen, diskutiert die Bundesregierung weiter nur über einmalige Kostenbeteiligungen. Die Ankündigungsministerin Giffey bleibt damit nach wie vor einen Fahrplan zur Umsetzung schuldig. Denn ohne Fachkräfte lässt sich das Ziel kaum verwirklichen. Wir müssen deshalb endlich den Erzieherberuf attraktiver machen und die Ausbildung professionalisieren. Die Fachkräfteoffensive einfach einzustampfen, war ein vollkommen falsches Zeichen.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten vom 04.11.2020

Der Bundesrat hat am 6.November 2020 zu einem Gesetzentwurf Stellung genommen, mit dem die Bundesregierung das Elterngeld flexibler gestalten will.

Frühgeburten und Finanzierung

Korrekturen will die Länderkammer insbesondere bei den Regelungen zu Frühgeburten erreichen. Zwar begrüßt sie die Absicht, Eltern solcher Kinder einen längeren Leistungsbezug zu ermöglichen. Die Gewährung eines zusätzlichen Elterngeldmonates greife jedoch tief in die Systematik des Elterngeldes ein und mache das Gesetz unübersichtlich. Nach dem Willen der Länder soll daher stattdessen bei sechs Wochen vor dem errechneten Termin geborenen Kindern nicht auf den Zeitpunkt der Geburt abgestellt werden, sondern auf den Tag der Entlassung aus dem Krankenhaus. Da in diesen Fällen länger Mutterschaftsgeld bezahlt wird und der später beginnende Elterngeldbezug dann länger fortgesetzt werden kann, können betroffene Eltern dann mehr Leistungen erhalten.

Beteiligung des Bundes

Der Bundesrat fordert den Bund zudem auf, sich an den Kosten der zu Lasten der Länder und Kommunen neu geschaffenen Aufgaben zu beteiligen.

Was die Bundesregierung plant

Die während des Elterngeldbezugs und der Elternzeit zulässige Arbeitszeit soll von 30 auf 32 Wochenstunden angehoben werden. Der Partnerschaftsbonus für die parallele Teilzeit beider Eltern soll mit 24 – 32 Wochenstunden statt mit bisher 25 – 30 Wochenstunden gelten und vereinfacht werden.

Ein Antragsrecht für Eltern mit geringen selbständigen Nebeneinkünften soll diesen eine bessere Berücksichtigung ihrer Einnahmen ermöglichen. Eltern, die während des Elterngeldbezugs in Teilzeit arbeiten, müssen nur im Ausnahmefall nachträglich Nachweise über ihre Arbeitszeit erbringen. Grundsätzlich soll davon ausgegangen werden, dass sie die im Antrag angegebenen Arbeitsstunden nicht überschreiten.

Elterngeld sollen künftig nur noch Eltern erhalten, die bis zu 300.000 Euro (bisher 500.000) im Jahr verdienen. Für Alleinerziehende soll die Grenze weiterhin bei 250.000 Euro liegen.

Nächste Schritte

Die Stellungnahme des Bundesrates wurde der Bundesregierung zugeleitet, die eine Gegenäußerung dazu verfasst und dem Bundestag zur Entscheidung vorlegt. Anschließend kommt das Gesetz noch einmal abschließend in den Bundesrat.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 06.11.2020

Eine umfassende quantitative Angabe zum gesamten Ausmaß an Mietrückständen bei Wohn- und Gewerberaumvermietungen in Deutschland liegt der Bundesregierung nach eigenen Angaben nicht vor. Wie es in der Antwort (19/23812) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (19/23437) heißt, ist nach den der Bundesregierung bekannten Umfragen von Mieter- und Vermieterverbänden und nach Rückkopplung mit Mieter- und Vermieterverbänden ein nur geringer Anstieg der Mietrückstände im Wohnbereich infolge der Covid-19-Pandemie zu konstatieren. So habe beispielsweise eine Umfrage des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) ergeben, dass zwischen April und Juni 0,62 Prozent der Wohnraummietverhältnisse von Mietrückständen betroffen waren; im selben Zeitraum seien für zusätzlich 0,33 Prozent der Mietverhältnisse Stundungen beantragt worden. Die Bundesregierung begrüße die Kooperationsbereitschaft vieler Vermieterinnen und Vermieter von Wohnraum, heißt es weiter in der Antwort. Eine systematische Übersicht über entsprechende Vereinbarungen liege ihr nicht vor.

Das geringe Ausmaß an pandemiebedingten Mietausfällen bei Wohnraummieten zeigt laut Bundesregierung, dass sich die eingespielten Sozialsysteme für das Wohnen wie das Wohngeld und die Übernahme der Kosten der Unterkunft im Rahmen des Sozialgesetzbuches in Kombination mit weiteren Unterstützungsmaßnahmen in der Krise bewähren. Vor diesem Hintergrund werde auch für den weiteren Verlauf der Pandemie kein problematisches Ausmaß an Zahlungsschwierigkeiten bei Mieterinnen und Mietern erwartet. Gleichwohl beobachte die Bundesregierung weiter sorgfältig die Entwicklung zum Pandemiegeschehen und die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Über verlässliche Informationen zu pandemiebedingten Zahlungsschwierigkeiten, Mietschulden und Kündigungen bei Gewerbevermietungen verfüge die Bundesregierung nicht. Sie verfolge die Situation der Gewerbetreibenden sehr genau und prüfe ständig den Bedarf weiterer gegebenenfalls notwendiger Hilfs- und Unterstützungsleistungen.

Weiter heißt es in der Antwort, es seien derzeit keine weiteren Maßnahmen zum Schutz von Mieterinnen und Mietern von Wohnraum vor etwaigen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie geplant. Die Bundesregierung prüfe jedoch fortlaufend, ob weitere Maßnahmen zu ergreifen sind. Dies betreffe insbesondere erweiterte Unterstützungen von Gewerbemietern.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1206 vom 09.11.2020

Die Zahngesundheit bei Kindern hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren offenbar deutlich verbessert. Während laut einer Studie 1999 nur bei rund 42 Prozent der zwölfjährigen Kinder ein Gebiss ohne Karieserfahrung ermittelt wurde, lag die Zahl 2016 bei 81 Prozent, wie aus der Antwort (19/23684) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/23287) der FDP-Fraktion hervorgeht.

Damit verbunden war den Angaben zufolge auch eine erhebliche Reduktion der Karieslast. Eine starke Zunahme kariesfreier Gebisse bei zwölfjährigen zeigten auch die epidemiologischen Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe im Schuljahr 2015/2016 unter mehr als 300.000 Kindern. Demnach hatten 79 Prozent der Sechstklässler kariesfreie bleibende Gebisse.

Allerdings zeigten die Studien auch deutliche Unterschiede bei der Verbreitung von Karies zwischen Kindern aus unterschiedlichen sozialen Schichten.

Bei der fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) 2016 wurden erstmals Molaren-Inzisiven-Hypomineralisationen (MIH) erfasst. Dabei fand sich bei rund 29 Prozent der 12-Jährigen wenigstens ein Zahn mit MIH-Befund.

Bei 5,4 Prozent der Teilnehmer waren behandlungsbedürftige Formen der sogenannten Kreidezähne mit Defekten des Zahnschmelzes feststellbar. Die Ursachen und Wirkungszusammenhänge der MIH sind ungeklärt. Vermutet wird eine Kombination mehrerer Faktoren.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1192 vom 04.11.2020

Die FDP-Fraktion will für künftige Wahlen zum Bundestag und zum Europäischen Parlament auch 16- und 17-Jährigen das aktive Wahlrecht einräumen lassen. In einem Antrag (19/23926), der am Donnerstag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht, fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, das Alter zur Ausübung des aktiven Wahlrechts bei Wahlen zum Bundestag und zum Europaparlament auf 16 Jahre abzusenken.

Ferner wird die Bundesregierung in der Vorlage aufgefordert, "auf allen Ebenen ein Jugendparlament zu schaffen, in denen jeder Deutsche stimmberechtigt ist, der das aktive Wahlrecht dieser Ebene noch nicht erhalten hat". Zudem soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion unter anderem Jugendlichen zusätzliche Partizipationsmaßnahmen ermöglichen sowie politische Bildung in Schulen stärken.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1188 vom 04.11.2020

Aus Sicht des Petitionsausschusses verdient das ehrenamtliche Engagement von Bürgern große Anerkennung und muss auch bei der Inanspruchnahme von Elterngeld Berücksichtigung finden. Daher verabschiedete der Ausschuss in seiner Sitzung am Mittwochmorgen einstimmig die Beschlussempfehlung an den Bundestag, eine dahingehende Petition an die Bundesregierung mit dem höchsten Votum "zur Berücksichtigung" zu überweisen.

Die Petentin hatte in ihrer Eingabe verlangt, dass Aufwandsentschädigungen aus politischen oder sonstigen Ehrenämtern bei Leistungen nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz "nicht als selbständige Einkünfte bei der Berechnung des Elterngeldes herangezogen werden". Zur Begründung verweist sie darauf, dass ihre ehrenamtliche Tätigkeit als Stadt- und Kreisrätin dazu führe, dass sie weniger Elterngeld erhalte als dies der Fall wäre, wenn sie lediglich ihren Beruf als Angestellte im öffentlichen Dienst ausüben würde. Dies läge daran, dass sie als selbständig Tätige eingestuft worden sei, da die ehrenamtlichen Aufwandsentschädigungen bei der Steuererklärung als Nebeneinkünfte angegeben wurden. Ein Widerspruchsverfahren habe jedoch zu keiner anderen Entscheidung der Behörde geführt, beklagt die Petentin. Ohne steuerpflichtiges selbständiges Einkommen sei es falsch, ihr bei der Berechnung des Elterngeldes den Berechnungszeitraum für Selbständige zugrunde zu legen, schreibt sie. Dies habe auch zur Folge gehabt, dass eine tarifliche Lohnerhöhung in dem Zwölf-Monats-Zeitraum vor Geburt des Kindes nicht bei der Berechnung ihres Elterngeldes berücksichtigt worden sei.

Der Petitionsausschuss verweist in der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) darauf, dass die Frage, ob Aufwandsentschädigungen von Stadt-und Kreisräten beim Elterngeld angerechnet werden, nach dem Steuerrecht beurteilt werde. Um Ehrenämter zu fördern, unterlägen diese steuerrechtlich nur dann der Einkommenssteuer, wenn – jedenfalls im Nebenzweck – die Erzielung positiver Einkünfte erstrebt werde. Keine "Einkunftserzielungsabsicht" liegt vor, "wenn die Einnahmen in Geld oder Geldeswert lediglich dazu dienen, in pauschalierender Weise die Selbstkosten zu decken". Solange und soweit Aufwandsentschädigungen für ein kommunales Ehrenamt nicht steuerpflichtig sind, dürften diese auch nicht für das Elterngeld berücksichtigt werden, schreibt der Ausschuss.

Als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit seien die zwölf Kalendermonate vor dem Geburtsmonat des Kindes maßgeblich, heißt es weiter. Abweichend davon werde bei selbstständiger Erwerbstätigkeit der Einkommensteuerbescheid des letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraums vor der Geburt des Kindes herangezogen – also in der Regel das vorangegangene Kalenderjahr. Lagen in den zwölf Monaten vor der Geburt und/oder im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum "Mischeinkünfte", das heißt Einkommen aus selbstständiger und aus nichtselbstständiger Tätigkeit vor, sei – wie bei den ausschließlich Selbstständigen – ebenfalls der letzte abgeschlossene Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes maßgeblich, "und zwar für beide Einkunftsarten", teilt der Petitionsausschuss mit.

Die Abgeordneten machen deutlich, "dass das ehrenamtliche Engagement von Bürgern unseres Staates große Anerkennung verdient". Das BMFSFJ plane derzeit eine weitere Reform des Elterngeldes. "Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, die Petition im Hinblick auf die Förderung des Ehrenamtes auch bei Inanspruchnahme von Elterngeld der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen", heißt es in der Beschlussempfehlung.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1187 vom 04.11.2020

Die Enquete-Kommission "Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt" hat am Montagmittag in ihrer 27. Sitzung online über das Thema "Ausbildungsreife versus Berufswahlkompetenz" beraten. Die externen Sachverständigen plädierten dafür, die berufliche Orientierung als einen Prozess zu sehen.

Der Sachverständigen Marc Thielen (Institut für Sonderpädagogik der Leibniz Universität Hannover) erläuterte, dass "Ausbildungsreife" und "Berufswahlkompetenz" die berufliche Orientierung als ein Entwicklungsgeschehen betrachten, in dessen Vollzug definierte Standards erreicht werden sollen. Während "Ausbildungsreife" auf Alters- und Entwicklungsnormen rekurriere und Diskrepanzen zwischen dem Entwicklungsstand Jugendlicher und den Erwartungen von Ausbildungsbetrieben betrachte, gehe es bei der "Berufswahlkompetenz" mehr um Lern- und Entwicklungsaufgaben mit einem Fokus auf den Bedingungen.

Der Begriff "Ausbildungsreife" knüpfe thematisch an das ältere Konzept der Berufsreife an, sodass es um Mindestanforderungen zur Aufnahme einer Berufsausbildung gehe. Im Diskurs dominiere die individuelle Perspektive, strukturelle Fragen in Bezug auf das Berufsbildungssystem spielten kaum eine Rolle.

Bei der Berufswahlkompetenz stehe das Entwicklungsziel in Bezug auf die Berufs- und Zukunftsplanung sowie die Fähigkeiten im Fokus, die Jugendliche dafür benötigten. Bei der Orientierung bestünden keine grundsätzlichen Defizite, sondern vielmehr ungleiche Chancen zur Realisierung der beruflichen Ziele, sagte er weiter. Problematisch sei die "implizite Orientierung an linearen Entwicklungsmodellen und der "starke Fokus auf individuellen Persönlichkeitsmerkmalen" bei Vernachlässigung biographischer und sozialer Aspekte. Thielen plädierte für mehr didaktische Angebote und pädagogische Begleitung, sodass Inklusion "der Weg und das Ziel beruflicher Orientierung und Bildung" werde.

Sien-Lie Saleh vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) in Stuttgart sprach als Vertreterin der Bund-Länder-BA-Begleitgruppe der "Initiative Bildungsketten" zu dem Gremium. Sie verwies auf die Ergebnisse der Sinus-Jugendstudie, die ein guter Einstieg seien, um die Hauptkritikpunkte des Katalogs zur Ausbildungsreife aus dem Jahr 2004 zu betrachten. "Damals gab es ein Überangebot an Ausbildungswilligen. Bereits seit zwölf Jahren gibt es aber mehr Ausbildungsplätze als Suchende", sagte Saleh. Die Ausbildungschancen der Bewerber hingen oftmals von der Struktur der regionalen Ausbildungsangebote ab, zudem sei das Zeitfenster sich beruflich zu orientieren sehr klein: "Selbsteinschätzung muss man lernen und üben", sagte sie und empfahl, die Konzepte stärker aufeinander abzustimmen und kohärente Systeme von der Grundschule bis zum Ende der weiterführenden Schule zu nutzen.

Es sei wichtig, die berufliche Orientierung als einen Prozess zu sehen, der altersgerechte Angebote bereitstelle und regelmäßig die Selbstreflexion fördere, sagte Saleh. Insbesondere mehrwöchige Praktika könnten zu realistischen Einschätzungen beitragen. Sie betonte auch, dass bereits die frühkindliche Erziehung "starken Einfluss auf Rollenbilder" habe, sodass geeignete Formate der gendersensiblen und klischeefreien Selbsteinschätzung und Selbstreflexion bereits ab der Grundschule erprobt werden könnten. Auch eine Berufswahl-App oder webbasierte Potenzialanalyse könne die berufliche Orientierung stärken. "Berufswahlkompetenz wird ein Arbeitsleben lang benötigt", sagte sie.

Weiter sei für die Förderung des direkten Übergangs in passende Ausbildungen für möglichst viele auch eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit nötig, da viele Instrumente noch nicht bei allen Akteuren bekannt seien.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1182 vom 02.11.2020

Der Finanzausschuss hat am Mittwoch das zweite Familienentlastungsgesetz beschlossen und dabei den steuerlichen Grundfreibetrag für 2021 im Vergleich zum ursprünglichen Regierungsentwurf nochmals angehoben. Außerdem steigt das Kindergeld ab 2021 um 15 Euro im Monat. Dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (19/21988, 19/22815) stimmten in der von der Koalitionsmehrheit vorher noch in einigen Punkten geänderten Fassung die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie die AfD-Fraktion zu. Die Fraktionen von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich.

Nach dem Entwurf soll das Kindergeld zum 1. Januar 2021 für das erste und zweite Kind jeweils 219 Euro, für das dritte Kind 225 Euro und für das vierte und für jedes weitere Kind jeweils 250 Euro pro Monat betragen. Der steuerliche Kinderfreibetrag steigt von 5.172 Euro um 288 Euro auf 5.460 Euro. Der Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf eines Kindes wird um ebenfalls 288 Euro auf 2.928 Euro erhöht, so dass sich daraus eine Anhebung der zur steuerlichen Freistellung des Kinderexistenzminimums dienenden Freibeträge von derzeit insgesamt 7.812 Euro um 576 Euro auf einen Betrag von insgesamt 8.388 Euro ergibt.

Der steuerliche Grundfreibetrag von derzeit 9.408 Euro sollte nach dem Regierungsentwurf auf 9.696 Euro angehoben werden. Aufgrund des inzwischen vorliegenden Existenzminimumberichts hoben die Koalitionsfraktionen den Betrag für 2021 um 48 Euro auf 9.744 Euro an. 2022 steigt der Grundfreibetrag wie geplant weiter auf 9.984 Euro.

Änderungen gibt es bei der Rechtsverschiebung des Einkommensteuertarifs zum Ausgleich der "kalten Progression". Diese Rechtsverschiebung beträgt im kommenden Jahr 1,52 Prozent, damit inflationsbedingte Einkommenssteigerungen nicht zu einer höheren individuellen Besteuerung führen. Sie sollte im Jahr 2022 1,52 Prozent betragen. Aufgrund der Daten des neuen 4. Steuerprogressionsberichts wurde die Rechtsverschiebung im Jahr 2022 auf 1,17 Prozent reduziert.

Die Erhöhung von Kindergeld und Freibeträgen sei eine gute Nachricht für Familien, stellte die CDU/CSU-Fraktion in der Aussprache fest. Es komme zu einer Entlastung von knapp zwölf Milliarden Euro. Die SPD-Fraktion betonte, die Anhebung des Kindergelds um 15 Euro helfe vor allem Familien mit kleinen und mittleren Einkommen. Die Entlastung falle insgesamt sogar stärker aus als vorgegeben. Die Kaufkraft werde dadurch gestärkt.

Die AfD-Fraktion bezeichnete die Erhöhung des Kindergeldes als völlig unzureichend. Die AfD-Fraktion wolle ein Familiensplitting und eine Erleichterung des Eigentumserwerbs, zum Beispiel durch eine Reduzierung der Grunderwerbsteuer.

Die FDP-Fraktion sagte zur angeblichen Überkompensation, die Erhöhung des Existenzminimums sei verfassungsrechtlich vorgeschrieben. Und die Berücksichtigung der kalten Progression beruhe auf einer Selbstverpflichtung des Deutschen Bundestages.

Die Linksfraktion kritisierte den Gesetzestitel. Es handele sich nicht um ein Gesetz zur Entlastung der Familien. Denn ausgerechnet die Familien mit Hartz 4-Leistungsbezug, in denen die Not am größten sei, hätten nichts von der Anhebung. "Da kriegt niemand einen Cent mehr", kritisierte die Linksfraktion, die sich für eine Kindergrundsicherung aussprach und einen entsprechenden Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützte.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisierte, dass mit den Leistungen Familien mit hohen Einkommen gefördert würden, die das Geld nicht brauchen würden. Entlastet werden sollten jedoch nicht die Reichen, sondern kleine und mittlere Einkommensbezieher. Der Entschließungsantrag, in dem gefordert wird, an die Stelle von Kinderfreibetrag, Kindergeld, Kindergeldzuschlag und Sozialgeld eine für alle Kinder gleiche Kindergrundsicherung einzuführen, die nicht auf das Einkommen der Eltern angerechnet wird, wurde abgelehnt.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1159 vom 28.10.2020

Ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel "Selbstbestimmte Lebensentwürfe stärken – Verantwortungsgemeinschaft einführen" (19/16454) war Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Montag. Nach dem Willen der Abgeordneten soll der Bundestag vor dem Hintergrund der zunehmenden Vielfalt der Lebensformen und Lebensentwürfe die Bundesregierung auffordern, Möglichkeiten zu schaffen, um die Lebensrealitäten der Menschen abzubilden. Menschen, die außerhalb einer Ehe oder von Verwandtschaft Verantwortung füreinander übernehmen wollen, sollten besser anerkannt und gefördert werden, heißt es in dem Antrag. Dazu soll neben der Ehe das Modell der Verantwortungsgemeinschaft im Bürgerlichen Gesetzbuch gesetzlich verankert werden.

Die fünf Sachverständigen bewerteten den Antrag differenziert. Die Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Nina Dethloff, erklärte, die Vielfalt der Lebens- und Familienformen sei heute größer denn je und das geltende Recht werde dieser Vielfalt nicht mehr gerecht. Es sei daher nachdrücklich zu begrüßen, wenn dem durch neue Modelle auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse Rechnung getragen würde. Dazu zähle die Schaffung einer Verantwortungsgemeinschaft. Zugleich gelte es, Regelungsmodelle anderer Länder umfassend in den Blick zu nehmen und von den Erfahrungen zu profitieren.

Auch der Hamburger Rechtsanwalt Marko Oldenburger betonte in seiner Stellungnahme, dass die Vorschläge des Antrags den sich wandelnden Lebensrealitäten einschließlich neuer, vielfältiger Lebensführungsentwürfen entsprächen. Obwohl es voraussichtlich große Anstrengungen erfordern würde, die bestehende Vielfalt der Konstellationen in ein gesetzliches Modell zu integrieren, sei die Umsetzung in Anbetracht der damit verbundenen positiven Folgen in besonderem Maße wichtig, auch, um das deutsche Recht für die sich stellenden Aufgaben zu rüsten und an die sich entwickelnden Bedürfnissen der Menschen anzupassen.

Gudrun Lies-Benachib Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt, erklärte, der vorliegende Antrag stelle teilweise zu Recht ein Bedürfnis dafür fest, auch für nicht verwandtschaftlich oder die Ehe begründete Gemeinschaften rechtlich verbindliche Konzepte festzuschreiben. Der Vorschlag schließe eine Lücke mit Regelungsbedarf nur für neue, nicht auf die klassische Paarbeziehung zwischen Liebenden zugeschnittene Lebensgemeinschaften. Eine standesamtlich registrierte Verantwortungsgemeinschaft sei nur für Beziehungen von Menschen sinnvoll, denen nicht mit der Ehe bereits jetzt ein Regelungskonzept zur Verfügung gestellt sei, das für das Zusammenleben und die Zeit nach dem Scheitern eine gerechte Verteilung von Aufgaben und Rechten vorsehe. Eine Wahlmöglichkeit zwischen Ehe und registrierter Verantwortungsgemeinschaft in den Konstellationen, in denen Menschen auch heiraten könnten, sei in den seltensten Fällen sinnvoll oder geboten.

Matthias Dantlgraber, Bundesgeschäftsführer des Familienbunds der Katholiken, begrüßte, dass der Antrag die Bedeutung der heute vielfältigen Familie für die Gesellschaft hervorhebt. Der Familienbund unterstütze es, wenn Menschen füreinander rechtlich verbindlich Verantwortung übernehmen wollen. Er habe aber Zweifel, so Dantlgraber, ob das vorgeschlagene Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft im Ergebnis zu mehr Verbindlichkeit in der Gesellschaft führen würde. Vielmehr sieht er bei einem unverbindlicheren Konkurrenzinstitut zur Ehe die Gefahr, dass der Staat die im Grundgesetz unter "besonderen Schutz" gestellte Ehe schwächen und den gesellschaftlichen Trend zu mehr Unverbindlichkeit aktiv verstärken und fördern würde. Vor allem aber wäre es nicht im Sinne der Kinder, für deren Entwicklung stabile Beziehungen von großer Wichtigkeit seien.

Zweifel am Sinn einer gesetzlichen Regelung äußerte auch Anatol Dutta von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Für Verantwortungsgemeinschaften jenseits der Ehe erschließe sich für ihn kein Bedarf. Statt einer "Ehe light" sollte lieber das gesetzliche Ehemodell angepasst und dessen Vor- und Nachteile besser ausgeglichen werden. In dem Modell der Verantwortungsgemeinschaft sehe er eher Gefahren, sagte Dutta. Vor allem gehe es zulasten von Frauen.

Wie es in dem Antrag unter anderem heißt, soll eine Verantwortungsgemeinschaft durch mindestens zwei oder mehrere volljährige Personen, die nicht miteinander verheiratet, verpartnert oder in gerader Linie verwandt sind, möglichst unbürokratisch geschlossen werden können. Grundvoraussetzung der Verantwortungsgemeinschaft sei ein tatsächliches persönliches Näheverhältnis. Ein Zusammenleben sei hingegen nicht erforderlich.

Die Abgeordneten fragten unter anderem nach dem Bedarf für eine solche neue Regelung und interessierten sich vor allem für die rechtliche Abgrenzung von Ehe und Verantwortungsgemeinschaft und die damit verbundenen Schutzfunktionen für die Betroffenen. Nachfragen betrafen besonders die Stellung von Kindern in solchen Gemeinschaften, das Unterhaltsrecht sowie das Erbrecht.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1178 vom 02.11.2020

Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vorgelegt (19/23707). Zum Schutz von Kindern schlagen die Fraktionen dem Entwurf zufolge Gesetzesänderungen vor, die auf einem ganzheitlichen Konzept gründen, das alle beteiligten Akteure in die Pflicht nimmt. Vorgesehen sind unter anderem die Verschärfung des Strafrechts, die Erweiterung der Ermittlungsbefugnisse, eine verbesserte Qualifikation der Jugendrichterinnen und Jugendrichter sowie der Jugendstaatsanwältinnen und -staatsanwälte sowie eine stärkere Prävention.

Mit einer begrifflichen Neufassung der bisherigen Straftatbestände des "sexuellen Missbrauchs von Kindern" als "sexualisierte Gewalt gegen Kinder" soll das Unrecht dieser Straftaten klarer umschrieben werden, wie es in der Vorlage heißt. Der Entwurf schlägt vor, den bisherigen Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Straftatbestände aufzuspalten, um den Deliktsbereich übersichtlicher zu gestalten und entsprechend der jeweiligen Schwere der Delikte abgestufte Strafrahmen zu ermöglichen. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder soll künftig bereits im Grundtatbestand als Verbrechen geahndet werden. Die Verbreitung, der Besitz und die Besitzverschaffung von Kinderpornographie sollen ebenfalls als Verbrechen eingestuft werden. Mit der Schaffung einer neuen Strafnorm soll zudem das Inverkehrbringen und der Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild unter Strafe gestellt werden. Zu den weitergehende Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden gehören Anpassungen der Straftatenkataloge der Telekommunikationsüberwachung, der Onlinedurchsuchung sowie bei der Erhebung von Verkehrsdaten.

Wie es in dem Entwurf heißt, gibt es aufgrund der Bedeutung des Themas derzeit mehrere Initiativen, die Vorschläge für gesetzgeberische Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes von Kindern vor sexualisierter Gewalt beinhalten. Diese Initiativen hätten jedoch zum Teil eine andere Ausrichtung, seien in ihrer Wirkung nicht zielgenau oder blieben hinter den mit dem Entwurf vorgeschlagenen Änderungen deutlich zurück. Der Bundestag berät am Freitag erstmals über den Entwurf.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1166 vom 29.10.2020

Bei Sachverständigen stößt das geplante Gesetz der Bundesregierung zur Digitalisierung von Verwaltungsverfahren bei der Gewährung von Familienleistungen (19/21987, 19/22776) überwiegend auf Zustimmung. Das zeigte eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat unter der Leitung des stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Jochen Haug (AfD) am Montag.

Die Mehrheit der Experten begrüßten die Gesetzesinitiative, zu der die Fraktionen von CDU/CSU und SPD noch einen umfangreichen Änderungsantrag vorgelegt hatten, als gelungenes Beispiel für andere, in Zukunft noch zu digitalisierende Verwaltungsleistungen.

So betonte etwa Uda Bastians, Beigeordnete beim Deutschen Städtetag, mit Blick auf das Onlinezugangsgesetz in ihrer Stellungnahme zunächst, Ziel aller Bemühungen um die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen sei eine "vollständige Digitalisierung". Ein "digitales Interface" für die Bürger als Nutzer reiche nicht aus, wenn anschließend die erhobenen Daten "händisch" innerhalb der Verwaltung weiterverarbeitet werden müssten. Ziel sei es, Bürgern und Behörden einen Mehrwert zu bieten. In dieser Hinsicht sei der vorliegende Entwurf für ein Digitale-Familienleistungen-Gesetz ein "Meilenstein". Es zeige exemplarisch, wie eine digitale Verwaltung aufgebaut sein solle. Allerdings monierte Bastians, dass die Vorlage des Entwurfs drei Jahre gedauerte habe. Das sei angesichts der noch zu digitalisierenden "574 Verwaltungsleistungen" viel zu lang.

Lobend äußerte sich auch Dirk Heckmann, Professor für Recht und Sicherheit der Digitalisierung an der TU München: Der Gesetzentwurf verfolge mit der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen einen wichtigen Zweck, denn diese spare Zeit, reduziere den Aufwand für Bürger und Behörden und verbessere letztlich auch die Validität der Daten. Die einzelnen Regelungen seien zudem "schlüssig und zielführend". Positiv bewertete Heckmann insbesondere die mit dem Änderungsantrag vorgesehene Möglichkeit, neben einem Bürgerkonto auch ein Organisationskonto zum Beispiel für Unternehmen oder Institutionen einzurichten. Dies trage zur Nutzerfreundlichkeit bei. Eine Inkonsistenz sah er hingegen bei der geplanten Regelung der Bekanntgabe-Fiktion. Diese sei im Entwurf und im geplanten OZG unterschiedlich geregelt und sei "zu überdenken".

Moritz Karg, Leiter des Referats Grundsatzfragen der Digitalisierung und des E-Government im Digitalisierungsministerium des Landes Schleswig-Holstein, empfahl wiederum, das vorgesehene Erfordernis einer Einwilligung für die Übermittlung personenbezogener Daten im Entwurf zu streichen. "Wenn Sie das Ziel des Gesetzes, Verwaltungsvereinfachung und Nutzerfreundlichkeit auch für Behörden, ernst nehmen, dann sollten Sie das Einwilligungserfordernis nicht aufrechterhalten", sagte Karg. Denn dieses führe zu großem Verwaltungsaufwand, da jede einzelne Stelle die Einwilligung "erhalten, vorhalten und managen" müsse. Er plädierte stattdessen dafür, für die datenschutzrechtlich geforderte Legitimation zur Datenverarbeitung eine "klare, transparente und zweckbezogenen Rechtsgrundlage" zu schaffen.

Dem widersprach Gabriel Schulz, stellvertretender Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit in Mecklenburg-Vorpommern: Die Einwilligung sei eine der grundlegenden Rechtsgrundlagen, die die Datenschutzgrundverordnung vorgebe. "Insofern gibt es keine Veranlassung, davon abzusehen." Die Regelung im Gesetzentwurf, sei "genau der richtige Kompromiss". Kontrovers beurteilten die Sachverständige auch die geplante Nutzung der Steuer-ID als zentrale Personenkennziffer, vor der Datenschützer bereits ausdrücklich warnen: So sagte auch Experte Schulz, er sehe die Bestrebungen im Zuge des geplanten Registermodernisierungsgesetzes einen einheitlichen "Identifier" einzuführen, mit Sorge. Sie würden die Gefahr "grundrechtswidrige Regelungen" bergen. Insofern sei es "fatal", dass mit dem vorliegenden Entwurf die Steuer-ID als eine bereichsübergreifende Kennung nun auch bei Familienleistungen eine Rolle spielen solle.

Diese Meinung vertrat auch der IT-Sicherheitsexperte Rainer Rehak. Als Sachverständiger für das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung übte er zudem erhebliche Kritik am Gesetzentwurf als Ganzes. Die Bundesregierung werde damit dem eigenen erklärten Anspruch nicht gerecht, "die Potentiale der Digitalisierung" heben zu wollen. Mehr noch: "Der Entwurf ist ein Beispiel, wie es nicht gemacht werden sollte". Problematisch sei bereits die Gesamtkonzeption: Mit dieser werde eine "riesige, deutsche Verwaltungsinsel" geschaffen, die aus Sicht von Datenschutz und IT-Sicherheit nicht "vertretbar" sei, bemängelte Rehak. Die Prozesse seien vor allem für die Verwaltung optimiert worden, das gehe zu Lasten der Bürger. Nichts werde kryptographisch abgesichert oder signiert. Das erschwere es, Verwaltungshandeln nachzuprüfen, etwa durch externe Audits. Auch sei eine Interoperabilität mit europäischen Verfahren nicht gewährleistet, weil der EU-Zustellstandard eDelivery "ignoriert" werde.

Eike Richter, Professor für Öffentliches Recht, Recht der Digitalisierung und IT-Sicherheitsrecht an der Akademie der Polizei in Hamburg, begrüßte zwar grundsätzlich den Gesetzentwurf und betonte, dieser gehe in die richtige Richtung. Er bemängelte jedoch, dass durch den dazu noch vorgelegten Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auch "grundlegende" Änderungen des Onlinezugangsgesetz (OZG) quasi "Huckepack" vorgenommen würden. Angesichts der Vielzahl der Änderungen sei ein eigener Gesetzentwurf angemessen gewesen, sagte Richter. Er sprach sich angesichts verschiedener von Regelungswerke zum allgemeinen Verwaltungsrecht zudem für eine "integrierende Reform des Verwaltungsverfahrensrechts und der Digitalisierung" aus. Ohne diese drohe die Gefahr von "Inkonsistenzen und Widersprüchen", die die Umsetzung erschwerten. Das zeige auch der aktuelle Gesetzentwurf. (sas)

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1156 vom 28.10.2020

Die FDP-Fraktion will über Kinder- und Jugendwahlen informiert werden. In einer Kleinen Anfrage (19/23081) möchte sie unter anderem erfahren, mit welchen Maßnahmen und in welcher Höhe die Bundesregierung die Projekte "Juniorwahl" und "U-18-Wahl" in den vergangenen fünf Jahren strukturell und finanziell gefördert hat. Zudem fragt sie nach der Zahl der Teilnehmer bei den Projekten in den vergangenen fünf Jahren und ihrer wissenschaftlichen Evaluation.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1104 vom 16.10.2020

  • 2018 gaben 22 % der deutschen Männer an, unzufrieden mit ihrer Arbeit zu sein (EU-Durchschnitt: 17 %)
  • Gut vier von fünf Männern in Deutschland waren 2019 erwerbstätig (EU: drei von vier Männern)
  • Nur jeder zehnte erwerbstätige Mann in Deutschland arbeitete 2019 in Teilzeit, bei den Frauen war es fast jede zweite Erwerbstätige

Trotz eines im EU-Vergleich selbst in Krisenzeiten robusten Arbeitsmarktes hadern Männer in Deutschland überdurchschnittlich oft mit ihrer Arbeitssituation. Im Jahr 2018 waren rund 22% der Männer ab 16 Jahren hierzulande unzufrieden mit ihrer Arbeit, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Weltmännertags am 3. November mitteilt. Im EU-Durchschnitt waren es nur 17%. Mehr als die Hälfte der Männer in Deutschland waren mit ihrer Arbeit mittelmäßig zufrieden (55%). Hier lag der EU-Durchschnitt bei 59%. 23% gaben an, sehr zufrieden zu sein (EU: 24%).

In wirtschaftlich schwächeren EU-Staaten sind Männer mit ihrer Arbeit am unzufriedensten: Am häufigsten in Bulgarien (36 %), gefolgt von Griechenland (30%) und der Slowakei (23%). Direkt dahinter lagen Kroatien, Deutschland und Litauen mit 22%. Am geringsten war der Anteil der mit ihrer Arbeit unzufriedenen Männer in Finnland (5%) und den Niederlanden (8%). Fünf Jahre zuvor war der Anteil in Deutschland geringfügig höher: 23% zeigten sich im Jahr 2013 nicht zufrieden. Seitdem nahm der Wert in Deutschland um 1,4Prozentpunkte ab, im EU-Durchschnitt um 2,5 Prozentpunkte.

Männer in Deutschland überdurchschnittlich häufig erwerbstätig

Bei Männern in Deutschland in der Altersgruppe von 15 bis 64 Jahren betrug die Erwerbstätigenquote im Jahr 2019 rund 80%. Damit waren sie im EU-Vergleich (74%) überdurchschnittlich häufig erwerbstätig. Nur in Tschechien, den Niederlanden und Malta (jeweils 82%) war die Quote noch höher. Zum Vergleich: Frauen in Deutschland kamen auf eine Erwerbstätigenquote von 73%, die 9 Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt liegt.

In den Niederlanden arbeiteten 28% der Männer in Teilzeit – in Deutschland 10%

Hierzulande arbeiteten 10% der erwerbstätigen Männer im Jahr 2019 in Teilzeit. Damit lag Deutschland nur knapp über dem EU-Durchschnitt (9%). Der Vergleich mit den erwerbstätigen Frauen offenbart große Unterschiede: Mit 47% war knapp die Hälfte der erwerbstätigen Frauen teilzeitbeschäftigt. Das waren 15 Prozentpunkte mehr als im EU-Durchschnitt. Den höchsten Anteil in Teilzeit arbeitender Männer innerhalb der EU verzeichneten 2019 die Niederlande mit 28%. Dahinter reihten sich skandinavische Länder ein: Dänemark mit 15% sowie Schweden mit 13%. Der Anteil der in Teilzeit arbeitenden Männer stieg in den letzten zehn Jahren nur langsam – seit 2010 nahm er in Deutschland wie auch im EU-Durchschnitt um rund einen Prozentpunkt zu.

In Deutschland leben eine Million weniger Männer als Frauen

Etwas mehr als 41 Millionen Männer lebten am 30.06.2020 in Deutschland. Zum gleichen Zeitpunkt gab es rund 1 Millionen Frauen mehr in Deutschland. Das Durchschnittsalter der Männer in Deutschland betrug 43,2 Jahre zum Jahresende 2019. Frauen waren im Schnitt 2,6 Jahre älter, ein Grund dafür ist die längere Lebenserwartung.

Methodische Hinweise:
Die Daten zum EU-Durchschnitt beziehen sich auf die Europäische Union mit 28 EU-Staaten.

Weitere Informationen:
Europa in Zahlen

Quelle: Pressemitteilung DESTATISStatistisches Bundesamt vom 02.11.2020

Im Jahr 2030 wird es in Deutschland voraussichtlich mehr Erwerbspersonen im Alter von 65 bis 74 Jahren als im Alter unter 20 Jahren geben. Nach der Erwerbspersonenvorausberechnung 2020 werden zu Beginn des kommenden Jahrzehnts 1,5 bis 2,4 Millionen Erwerbspersonen 65 bis 74 Jahre und nur etwa 1,1 Millionen 15 bis 19 Jahre alt sein. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, werden im Jahr 2060 voraussichtlich 1,2 bis 2,2 Millionen Erwerbspersonen zur älteren und 1,0 bis 1,1 Millionen zur jüngeren Altersgruppe gehören. 2019 umfassten beide Gruppen jeweils 1,2 Millionen Erwerbspersonen.

Zur starken Zunahme der Zahl älterer Erwerbspersonen (Erwerbstätige und Erwerbslose) auf 2,4 Millionen im Jahr 2030 beziehungsweise 2,2 Millionen im Jahr 2060 kommt es, wenn zwei Annahmen eintreten: Erstens müsste sich die in den vergangenen 20 Jahren beobachtete allgemeine Zunahme der Erwerbsbeteiligung fortsetzen, zweitens müssten insbesondere die Erwerbsquoten der Älteren durch die bis zum Jahr 2031 vorgesehene stufenweise Verschiebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre weiter ansteigen.

Die Erwerbsquoten der jüngeren Altersgruppe werden sich nach allen Annahmen dagegen ähnlich der Entwicklung der vergangenen zehn Jahre kaum verändern.

Künftige Entwicklung von Zuwanderung und Erwerbsverhalten beeinflusst

Die Gesamtzahl der Erwerbspersonen zwischen 15 und 74 Jahren in Deutschland wird – je nach zugrundeliegenden Annahmen – von 43,6 Millionen im Jahr 2019 mindestens auf 41,5 Millionen und höchstens auf 33,3 Millionen im Jahr 2060 abnehmen. Ein geringer Rückgang um etwa 2 Millionen auf 41,5 Millionen Erwerbspersonen setzt neben einer dauerhaft hohen Nettozuwanderung aus dem Ausland von über 300000 Personen pro Jahr auch eine weitere Zunahme der Erwerbsbeteiligung – bei Frauen stärker als bei Männern – voraus. Bei einer niedrigen Nettozuwanderung von 150000 Personen pro Jahr und einem stagnierenden Erwerbsverhalten ist dagegen mit einem Rückgang der Erwerbspersonenzahl um etwa 10Millionen auf 33,3 Millionen zu rechnen.

Babyboom-Generation scheidet in den kommenden Jahren aus dem Erwerbsleben aus

Die Hauptursache für das Sinken der Erwerbspersonenzahl ist das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1970 aus dem erwerbsfähigen Alter in den kommenden 25 Jahren. Ohne Nettozuwanderung würde die Erwerbspersonenzahl bis 2060 je nach Erwerbsverhalten auf knapp 28,2 bis 30,6 Millionen fallen.

Erwerbspersonenzahl sinkt in Ostdeutschland stärker als in Westdeutschland

Im Jahr 2019 betrug die Zahl der Erwerbspersonen in den westdeutschen Bundesländern 35,3 Millionen und in den ostdeutschen Bundesländern 8,3 Millionen. Anders als im Westen Deutschlands ist im Osten bereits heute die Erwerbspersonenzahl rückläufig. Diese Unterschiede werden sich auch künftig zeigen. Die Zahl der Erwerbspersonen wird im Osten bis 2060 voraussichtlich um 12 % bis 28 % sinken, wohingegen der Rückgang im Westen zwischen 3% und 22% betragen dürfte.

Methodische Hinweise:

Die Erwerbspersonenvorausberechnung (EPV 2020) reicht bis 2060 und umfasst sechs Varianten, die sich durch ihre Annahmen zur künftigen Nettozuwanderung nach Deutschland und zum Erwerbsverhalten unterscheiden. Die Annahmen zur moderaten Entwicklung der Geburtenhäufigkeit und der Lebenserwartung sind in allen Varianten gleich und stammen gemeinsam mit der niedrigen, moderaten und hohen Wanderungsannahme aus der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung.

Zum künftigen Erwerbsverhalten wurden auf Basis der Ergebnisse des Mikrozensus 2016 bis 2019 zwei Annahmen getroffen. In den Varianten mit einer hohen Erwerbsbeteiligung steigen die Erwerbsquoten vor allem der Frauen und der älteren Bevölkerung, wenngleich nicht so stark wie bisher. Für die Varianten mit einer niedrigen Erwerbsbeteiligung wurden die alters- und geschlechtsspezifischen Erwerbsquoten 2017 bis 2019 für den gesamten Berechnungszeitraum konstant gehalten.

Die Erwerbspersonen setzen sich aus Erwerbstätigen und Erwerbslosen nach dem Erwerbsstatuskonzept der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zusammen.

Die EPV 2020 ist keine Prognose. Sie zeigt, wie sich die Zahl der Erwerbspersonen entwickeln würde, wenn die Annahmen über die Entwicklung des Bevölkerungsstandes und des Erwerbsverhaltens eintreten würden. Insbesondere aufgrund des auch für die Zukunft zu erwartenden volatilen Wanderungsgeschehens und möglicher künftiger Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt können ihre Ergebnisse mehr oder weniger stark von der tatsächlichen Entwicklung der Erwerbspersonenzahl abweichen.

Weitere Informationen:

Eine ausführliche Darstellung der künftigen Entwicklung der Erwerbspersonenzahl in Deutschland enthält der Tabellenband "Erwerbspersonenvorausberechnung 2020".

Informationen zur 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. bieten die Übersichtsseite zur Pressekonferenz am 27. Juni 2019 sowie die Sonderseite „Demografischer Wandel“.

Quelle: Pressemitteilung DESTATISStatistisches Bundesamt vom 02.11.2020

Knapp 6,9Millionen Menschen in Deutschland haben zum Jahresende 2019 Leistungen der sozialen Mindestsicherung erhalten. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, waren das 4,7% weniger als Ende 2018, als rund 7,2 Millionen Menschen Leistungen der sozialen Mindestsicherung bezogen. Gemessen an der Gesamtbevölkerung sank der Anteil der Leistungsempfängerinnen und -empfänger von 8,7% zum Jahresende 2018 auf 8,3% zum Jahresende 2019. Das ist die bisher niedrigste Mindestsicherungsquote seit Beginn der Berechnungen im Jahr 2006.

Die Transferleistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme sind finanzielle Hilfen des Staates, die zur Sicherung des grundlegenden Lebensunterhalts dienen. Dazu zählen folgende Leistungen:

  • Gesamtregelleistungen (ArbeitslosengeldII/Sozialgeld) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGBII„Grundsicherung für Arbeitsuchende“, sogenanntes Hartz IV) erhielten Ende 2019 knapp 5,3Millionen Menschen. Gegenüber dem Vorjahr sank die Zahl der Regelleistungsberechtigten damit um 5,6%.
  • Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach SGBXII„Sozialhilfe“ bezogen knapp 1,1Millionen Menschen. Die Zahl stieg damit leicht um 0,6%.
  • Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)bekamen rund 385000 Menschen. Dies entspricht einem Rückgang um 6,3%.
  • Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungennach SGBXII „Sozialhilfe“ bezogen rund 113000 Menschen. Das waren 6,7% weniger als im Vorjahr.

Überdurchschnittlicher Rückgang der Leistungsempfängerzahl in Ostdeutschland

Mit einem Minus von 6,9% sank die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger sozialer Mindestsicherungsleistungen in den östlichen Bundesländern wie in den Vorjahren stärker als in den westlichen Bundesländern. In Westdeutschland waren 4,0% weniger Menschen als im Jahr zuvor auf entsprechende Leistungen angewiesen.

Niedrigste Mindestsicherungsquote seit Beginn der Berechnungen

Der Anteil der Empfängerinnen und Empfänger sozialer Mindestsicherungsleistungen an der Gesamtbevölkerung (Mindestsicherungsquote) ging seit dem Jahr 2015 kontinuierlich zurück und erreichte am Jahresende 2019 mit 8,3% einen neuen Tiefstand. In Ostdeutschland (einschließlich Berlin) ist erstmals weniger als jede zehnte Person (9,9%) auf soziale Mindestsicherungsleistungen angewiesen. In Westdeutschland sank der Anteil auf 7,9%.

Wie schon 2017 und 2018 war die Mindestsicherungsquote Ende 2019 in Bremen mit 17,3% am höchsten, gefolgt von den beiden weiteren Stadtstaaten Berlin (16,0%) und Hamburg (12,6%) sowie dem bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (10,9%). Durchgehend seit dem Beginn der Berechnungen ab dem Jahresende 2006 wiesen Ende 2019 Bayern (4,3 %) und Baden-Württemberg (5,1 %) die niedrigsten Anteile der Empfängerinnen und Empfänger sozialer Mindestsicherungsleistungen auf.

Weitere Informationen:

Tabellen und Informationen zu den Mindestsicherungsleistungen in Deutschland – unter anderem nach Leistungssystemen – für die Berichtsjahre2006 bis2019 sowie Daten zu weiteren Armuts- und Sozialindikatoren stehen im Internetangebot der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zur Verfügung.

Quelle: Pressemitteilung DESTATISStatistisches Bundesamt vom 30.10.2020

Zwei Drittel aller Männer, die 2019 Vater eines Kindes wurden, waren zwischen 29 und 39 Jahre alt (66 %); lediglich 6% waren älter als 44 Jahre. Bei den Müttern waren 65% zwischen 29 und 39 Jahre alt und 0,3% älter als 44 Jahre. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) und das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) auf Basis einer neuen Studie zu Vaterschaften mitteilen, stieg seit 1991 das durchschnittliche Alter der Väter bei der Geburt eines Kindes um 3,6 Jahre auf 34,6Jahre. Auch die Mütter der 2019 geborenen Kinder waren mit 31,5 Jahren im Durchschnitt 3,6 Jahre älter als die Mütter der Babys im Jahr 1991 (27,9 Jahre).

Bei Erstgeborenen waren die Väter im Durchschnitt 33 Jahre und die Mütter 30 Jahre alt

Väter von Erstgeborenen (der Mutter) waren im Jahr 2019 im Durchschnitt 33,1 Jahre alt. Bei Frauen, die 2019 zum ersten Mal Mutter wurden, betrug das Durchschnittsalter 30,1Jahre. Die Eltern der Zweitgeborenen waren jeweils um 2 Jahre älter: 35,2 beziehungsweise 32,2 Jahre. Beim dritten Kind (der Mutter) betrug das durchschnittliche Alter der Väter 36,6 Jahre und das der Mütter 33,2 Jahre.

Die jüngsten Eltern leben in Sachsen-Anhalt

Im Vergleich der Bundesländer waren 2019 in Sachsen-Anhalt die Väter bei der Geburt von Kindern mit 34,0 Jahren und die Mütter mit 30,6 Jahren am jüngsten. Am höchsten war das durchschnittliche Alter bei Geburt in Hamburg: dort waren die Väter 35,4 und die Mütter 32,4 Jahre alt.

2019 wurden durchschnittlich 1,45 Kinder je Mann geboren

Im Jahr 2019 wurden in Deutschland durchschnittlich 1,45Kinder je Mann geboren. Zwischen 1991 und 2006 schwankte diese sogenannte zusammengefasste Vaterschaftsziffer um den Wert von 1,20 Kinder je Mann. Seit 2007 stieg sie kontinuierlich bis auf 1,50 Kinder je Mann im Jahr 2016. Bis zum Jahr 2019 nahm sie leicht ab.

Wie in den meisten wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern ist in Deutschland die Vaterschaftsziffer der Männer niedriger als die zusammengefasste Geburtenziffer der Frauen, welche 2019 bei 1,54 Kindern je Frau lag. Hierzu trägt vor allem bei, dass die Anzahl potenzieller Väter höher ist als die Anzahl potenzieller Mütter.

Die Vaterschaftsziffer ist in Ostdeutschland deutlich niedriger als in Westdeutschland

Während in den östlichen Bundesländern die Vaterschaftsziffer 2019 zwischen 1,29 und 1,35 Kindern je Mann betrug, war sie in den meisten westlichen Bundesländern mit 1,45bis 1,51 Kindern je Mann deutlich höher. Lediglich im Saarland lag sie mit 1,39 etwas niedriger. Die Geburtenziffer der Frauen wies dagegen im Jahr 2019 kein Ost-West-Gefälle mehr auf. Die größeren Differenzen zwischen den Vaterschaftsziffern der Männer und den Geburtenziffern der Frauen in Ostdeutschland gehen darauf zurück, dass in vielen Teilen Ostdeutschlands deutlich mehr Männer als Frauen leben.

In der EU liegt das Alter der Väter bei der Geburt zwischen 32 und 36 Jahren

Beim durchschnittlichen Alter der Väter bei der Geburt von Kindern gehört Deutschland in der Europäischen Union zum "älteren" Drittel. Nach Schätzungen für das Jahr 2017 waren in der EU die Väter in Italien, Griechenland und Spanien mit rund 36 Jahren bei der Geburt ihrer Kinder am ältesten (Deutschland 2017: 34,4 Jahre). Am jüngsten waren sie mit rund 32 Jahren in Rumänien. Auch in Litauen, Polen und Bulgarien lag das Alter der Väter bei der Geburt unter 33 Jahren.

Bei der Vaterschaftsziffer befindet sich Deutschland ähnlich wie bei der zusammengefassten Geburtenziffer der Frauen im oberen Mittelfeld (2017: 1,48 Kinder je Mann). Die niedrigsten Vaterschaftsziffern von etwa 1,2 Kindern je Mann wiesen 2017 die südeuropäischen Länder Malta, Spanien und Italien auf. Am höchsten war die Vaterschaftsziffer in Frankreich mit knapp 1,9 Kindern je Mann.

Methodische Hinweise

In der dieser Pressemitteilung zugrundeliegenden Studie (siehe Aufsatz "Wie hoch ist die Kinderzahl von Männern?" in WiSta 5/2020) werden zum ersten Mal amtliche Angaben zur Vaterschaft dargestellt, die sich auf alle Geborenen unabhängig vom Familienstand des Vaters beziehen. Hierfür wurden die Fälle mit fehlenden Angaben des Vaters mit Hilfe von speziell entwickelten Methoden berücksichtigt. Im Jahr 2019 fehlten die Angaben zum Vater bei rund 45500 Geborenen.

Die sogenannte fertile Altersphase, während der Frauen Mutter und Männer Vater werden können, ist hier statistisch bei Frauen mit 15 bis 49 Jahren und bei Männern mit 15 bis 69 Jahren abgegrenzt.

Die Angaben zum Alter des Vaters beim ersten, zweiten und dritten Kind beziehen sich auf die Geburtenfolge im Leben der Mutter. Für Väter liegen keine Angaben zur Geburtenfolge vor.

Die zusammengefasste Vaterschaftsziffer der Männer wird analog der zusammengefassten Geburtenziffer der Frauen berechnet. Zuerst werden die Geborenen eines Jahres mit Vätern eines bestimmten Alters auf die männliche Bevölkerung dieses Alters bezogen. Die Addition dieser Ziffern für jedes Altersjahr zwischen 15 und 69 Jahren ergibt die zusammengefasste Vaterschaftsziffer. Diese entspricht der durchschnittlichen Zahl der leiblichen Kinder im Leben eines Mannes unter der Voraussetzung, dass die Verhältnisse des beobachteten Jahres während seines gesamten Lebens gelten würden.

Ausführliche Informationen zur Fertilität der Männer bietet der Aufsatz "Wie hoch ist die Kinderzahl von Männern?" in WiSta 5/2020. Weitere Daten stehen auf der Themenseite, im Tabellensegment der GENESIS-Datenbank 12612 sowie auf der Seite "Demografischer Wandel" zur Verfügung.
Weitere kommentierte Schaubilder etwa zur Fertilität von Männern und zu langfristigen demografischen Entwicklungen finden sich im "Fakten"-Bereich der Webseite des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung.

30 Jahre Deutsche Einheit
Informationen zu regionalen Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen östlichen und westlichen Bundesländern 30 Jahre nach der deutschen Vereinigung finden Sie in unserem Statistik-Dossier sowie auf unserer Themenseite "30 Jahre Deutsche Einheit".

Deutsche EU-Ratspräsidentschaft im Bereich Statistik
Seit dem 1. Juli leitet das Statistische Bundesamt im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft unter dem Vorsitz von Präsident Dr. Georg Thiel die Ratsarbeitsgruppe Statistik. Über unsere Aktivitäten im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft informieren wir auf der Sonderseite www.destatis.de/eu2020.

Quelle: Pressemitteilung DESTATISStatistisches Bundesamt vom 16.10.2020

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Gemeinsam mit pro familia und anderen Verbänden hat der AWO Bundesverband in einem offenen Brief an die Bundesregierung seine tiefe Besorgnis über die derzeitige Lage in Polen ausgedrückt. Am 22. Oktober hat der polnische Verfassungsgerichtshof ein fast vollständiges Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen ausgesprochen. Auch Abbrüche wegen „schweren und irreversiblen fötalen Defekten oder unheilbaren Krankheiten, die das Leben des Fötus bedrohen“ sind nun verfassungswidrig.

„Schon jetzt gehen Schätzungen von bis zu 100.000 illegalen Abtreibungen in Polen im Jahr aus. Das Urteil verschlimmert die ohnehin schon sehr schwierige Lage, in der sich die betroffenen Frauen befinden, deutlich“, so der Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes, Wolfgang Stadler. „Das bisherige Reisen in umliegende Länder ist durch die Corona-Pandemie jetzt auch nicht mehr möglich, d.h. ungewollt schwangere Frauen sind komplett allein gelassen und werden zu verzweifelten Maßnahmen greifen, um die Schwangerschaft zu beenden.“ Die AWO steht für das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung und solidarisiert sich mit den betroffenen Frauen.

Das Urteil hat große Proteste in der polnischen Bevölkerung ausgelöst. Begonnen durch Aufrufe von lokalen Frauenrechtsgruppen, werden sie inzwischen von breiten Bevölkerungsschichten unterstützt, täglich werden es mehr. Dabei werden ihre friedlichen Proteste mit massiver Gewalt entweder durch Polizisten oder rechtsextreme Gruppen beantwortet. „Die AWO ist sehr besorgt über die Menschenrechtsverletzungen und fordert die Bundesregierung auf, die Gewalt durch staatliche und nichtstaatliche Akteure zu verurteilen. In der EU-Grundrechtscharta wird das Recht auf Versammlungsfreiheit garantiert. Dies muss auch für Demonstrationen gegen ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen gelten“, schließt Wolfgang Stadler.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 04.11.2020

Am heutigen 19. Oktober 2020 findet der 12. Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt statt, an dem rund 130 Vertreter*innen von Bund, Ländern, Kommune, der Zivilgesellschaft und Migrantenverbänden teilnehmen. Bei dem Treffen soll auch die Fortentwicklung des Nationalen Aktionsplanes Integration Thema sein. Darin werden verschiedene „Phasen der Integration“ benannt, denen verschiedene Themenforen zugeordnet werden.

Für die Arbeiterwohlfahrt nimmt Präsident Wilhelm Schmidt am heutigen Gipfeltreffen teil: „Wir sind seit über sechs Jahrzehnten Ansprechpartnerin für Einwanderinnen und Einwanderer. In dieser Zeit sind die sozialen Migrationsfachdienste – Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer, die Jugendmigrationsdienste und die Flüchtlingssozialberatung – stetig gewachsen und haben sich im lokalen Kontext etabliert.“ Gerade in diesem lokalen Kontext finde das Ankommen, das Zusammenleben und die Inklusion von eingewanderten Menschen statt. Hier komme es darauf an, dass alle Akteurinnen – von der Kommunalverwaltung bis hin zu den Wohlfahrtsverbänden und Migrantenorganisationen – zusammenwirken, sich austauschen und gemeinsam inklusive sozialräumliche Ansätze entwickelten: Im Kindergarten, in der Schulsozialarbeit, beim Ausbau von Beratungsangeboten bis hin zum bürgerschaftlichen Engagement im Gemeinwesen. Nur so könne eine breite Akzeptanz und gemeinsame Verantwortung bei der Umsetzung erzielt werden. Die verstärkte Einbeziehung der Perspektive der Migrantenorganisationen sei sehr zu begrüßen.

Wilhelm Schmidt: „Wir alle, die heute hier zusammengekommen sind, waren in verschiedenen Diskussionsforen des NAP-I beteiligt. Worauf es aber ankommt, ist die reale Mitwirkung bei der Gestaltung im Einwanderungsland: Vor Ort, im Quartier – in der Stadt oder auf dem Land. Das übergeordnete Ziel dabei muss sein, Rassismus und bestehenden Benachteiligungen und Ausgrenzungen entschieden entgegen zu wirken. Dieses Ziel haben wir in der Agenda des neuen Nationalen Aktionsplans Integration jedoch vermisst.“

Hintergrund:

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) wirkt mit ihren Haupt- und Ehrenamtlichen am gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort mit. Die Mitgestaltung der Einwanderungsgesellschaft erfolgt auch in sozialen Einrichtungen, wo ratsuchende Menschen entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse, unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft Unterstützung finden. Zudem ist die AWO als tragende Akteurin in die kommunale Daseinsvorsorge eingebunden.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 19.10.2020

100 Euro Corona-Zuschlag sofort! Für Regelsätze, die zum Leben reichen!

Konzerne wie z.B. die Lufthansa werden mit einem „im Volumen unbegrenzten Milliardenschutz-schild“ vom Staat unterstützt. Kleine Firmen, Erwerbstätige und manch andere Gruppen bekom-men wenigstens kleine Hilfen oder Kurzarbeitergeld. Dagegen fehlt bei den Ärmsten eine Unter-stützung in der Krise gänzlich. Minijobber*innen erhalten z. B. nicht einmal Kurzarbeitergeld. Durch steigende Lebensmittelpreise, den Mehrbedarf an Hygieneartikeln wie Desinfektionsmitteln und Masken, den Wegfall der Tafeln und des kostenlosen Schul- und Kitaessens sind aber viele von uns in ihrer nackten Existenz bedroht. Wir fordern daher einen Corona-Zuschlag von 100 Euro auf die Regelsätze, um die schlimmste Not abfedern zu können.

Durch die Auswirkungen der Corona-Krise ist in den nächsten Monaten mit einem massiven An-stieg der Erwerbslosigkeit, Einkommensarmut und der Insolvenzen zu rechnen. Wer für die Krise zahlen wird, entscheidet sich schon heute!

Für Regelsätze, die zum Leben reichen – mindestens 600 Euro sofort!
Die Bundesregierung hat angekündigt, den Hartz IV -Regelsatz ab 2021 um 14 Euro auf dann 446 Euro im Monat zu erhöhen. Das sind bei dreißig Tagen im Monat ganze 47 Cent am Tag.
Nach Abzug der Miete bleiben den ärmsten 15 Prozent der Bevölkerung (abzüglich derer, die aus-schließlich von Grundsicherungsleistungen leben) rund 600 Euro für den täglichen Bedarf und die soziokulturelle Teilhabe. Dies reicht nicht, obwohl es noch rund 160 Euro über dem derzeitigen Hartz IV-Satz liegt. Zur Ermittlung des Regelsatzes werden diese 15 Prozent und ihr viel zu gerin-ges, nicht bedarfsdeckendes Einkommen als Vergleichsgrundlage herangezogen, um von diesem wenigen nochmal rund ein Drittel als vorgeblich „nicht regelsatzrelevant“ überwiegend politisch motiviert abzuziehen.

Die Bemessung der Regelsätze ist seit längerem ein Problem. Das hat beispielsweise dazu geführt, dass die Entwicklung der Regelsatzhöhe hinter der längerfristigen Lohnentwicklung zurückbleibt. Im Ergebnis werden daher die Unterschiede im Lebensstandard zwischen den Grundsicherungsbe-zieher*innen und den Beschäftigten immer größer. Betroffene werden immer stärker abgehängt und können sich von dem ihnen zur Verfügung stehenden Einkommen immer weniger leisten.

Wir fordern die Zurücknahme aller politisch motivierten Streichungen beim Existenzminimum! Wir fordern somit eine sofortige Erhöhung des Regelsatzes auf mindestens 600 Euro!

Die Forderung nach einer Erhöhung der Regelsätze betrifft rund 8 Millionen, ALG II und Sozialhilfe-Berechtigte, Aufstocker*innen, Menschen, die Geld aus der Altersgrundsicherung oder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Hinzu kommen mindestens vier Millionen Menschen, die einen Anspruch auf Leistungen hätten, diesen aber nicht geltend machen. Profitieren würden auch sehr viele Menschen mit niedrigen Einkommen, nicht zuletzt die so genannten „Held*innen der Krise“.

Wir lassen uns nicht weiter gegeneinander ausspielen! Gemeinsam werden wir unseren Protest bei einer Reihe von Aktionen am 30. und am 31.10. in vielen Städten und Gemeinden auf die Straße tragen!

Hintergrundinformationen: https://www.erwerbslos.de/aktivitaeten/716-kritik-an-zu-niedrigen-regelsaetzen

Quelle: Pressemitteilung Bündnis ‚AufRecht‘ bestehen vom 28.10.2020

Deutsche Liga für das Kind fordert gesetzliche Reformen zugunsten besonders belasteter Familien

Kinder psychisch- und suchterkrankter Eltern sind in mehrfacher Hinsicht belastet. Sie bekommen nicht die nötige Aufmerksamkeit und Unterstützung und müssen häufig Versorgungsaufgaben im Alltag übernehmen, die nicht kindgerecht sind. Bei manchen kommen akute Gefährdungen hinzu. Das Risiko, dass diese Kinder später selbst eine seelische Erkrankung entwickeln, ist hoch. Die Deutsche Liga für das Kind fordert den Gesetzgeber auf, im Rahmen der geplanten Reform des Sozialgesetzbuchs VIII (SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe) die Hilfen für diese besonders belasteten Kinder und Familien auszubauen und zu verbessern.

„Kinder mit psychisch- und suchterkrankten Eltern benötigen gerade während der Corona-Pandemie unsere besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung. Das Leid dieser Familien ist häufig nicht ausreichend sichtbar. Bestehende Hilfen reichen nicht aus oder sind für die Betroffenen nur schwer zugänglich“, sagt Prof‘in Dr. Sabine Walper, Präsidentin der Deutschen Liga für das Kind und Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München. „Diese Kinder und ihre Eltern brauchen mehr und bessere Hilfen, die durch gesetzliche Reformen ermöglicht werden müssen.“

Anlässlich ihrer wissenschaftlichen Jahrestagung „Wenn Eltern psychisch krank sind: was brauchen die Kinder? Herausforderungen für die Hilfesysteme“ am 23./24.10.2020 im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg begrüßt die Deutsche Liga für das Kind, dass der kürzlich vom Bundesministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend (BMFSFJ) veröffentlichte Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG)“ für Familien in Notsituationen vorsieht, ambulante Hilfen für die Betreuung und Versorgung von Kindern direkt, d.h. ohne vorherige Antragstellung beim Jugendamt, in Anspruch nehmen zu können. Positiv ist auch die in dem Entwurf vorgesehene Regelung, dass Kinder unabhängig von ihren Eltern einen uneingeschränkten Beratungsanspruch durch die Kinder- und Jugendhilfe erhalten sollen. Der Gesetzgeber ist nun aufgefordert, die Reform noch in dieser Legislaturperiode zügig zum Abschluss zu bringen. Außerdem fordert die Deutsche Liga für das Kind, die im Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung fest verabredete Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz schnellstmöglich umzusetzen, von der gerade besonders belastete Kinder profitieren könnten.

Neben den notwendigen gesetzlichen Reformen sollte eine bundesweite Online-Plattform errichtet werden, die anonyme Beratung für betroffene Kinder wie auch Informationen für Fachkräfte bietet und Möglichkeiten für wohnortnahe Hilfen aufzeigt. Weiterhin ist dringend erforderlich, die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit der beteiligten Akteurinnen und Akteure zu erleichtern und zu stärken und ein unverbundenes Nebeneinander unterschiedlicher Leistungssysteme zu verhindern.

Zu den Referentinnen und Referenten der Tagung unter der Schirmherrschaft von Daniela Ludwig MdB, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, gehören Prof’in Dr. Silke Wiegand-Grefe (Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und MSH Medical School Hamburg), Prof’in Dr. Sabine Wagenblass (Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Hochschule Bremen), Dr. med. Areej Zindler (Leiterin der Flüchtlingsambulanz im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf), Prof‘in. Dr. Anna-Lena Zietlow (Fakultät für Sozialwissenschaften, Universität Mannheim) und Dr. Heinz Kindler (Leiter der Fachgruppe „Familienhilfe und Kinderschutz“ des Deutschen Jugendinstituts in München). Die Tagung findet in Kooperation mit der Flüchtlingsambulanz (Leiterin Dr. med. Areej Zindler) im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) statt.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Liga für das Kind vom 23.10.2020

Deutscher Familienverband (DFV) fordert Reformen beim Kindergeld und Kinderfreibetrag.

„15 Euro mehr Kindergeld werden keiner Familie die finanziellen Sorgen nehmen“, sagt Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes in Anspielung auf die Gesetzesbegründung der Bundesregierung beim Familienentlastungsgesetz. „Seit der Corona-Krise stehen Familien vor realen existenziellen Sorgen und hunderttausende Eltern fühlen sich von der Politik allein gelassen. Familien haben Angst vor einem neuen Lockdown und seinen Folgen.“

DFV-Forderung: Kindergeld, Kinderfreibetrag und Sozialversicherung

In der Corona-Krise haben Familien besonders gelitten. Einkommensverluste, Schließung von Kindergärten und Kindertagesstätten und Arbeitslosigkeit haben Eltern erheblich zugesetzt. Berechnungen des Deutschen Familienverbandes zeigen (Horizontaler Vergleich 2020, PDF), dass bereits eine Zweikind-Familie durch Steuern und Sozialabgaben dermaßen finanziell belastet wird, dass sie regelmäßig unter das Existenzminimum rutscht.

Wer die finanzielle Stärkung von Familien im Blick hat, muss an drei zentralen Punkten ansetzen:

1. Ein Kindergeld in Höhe von 330 Euro (siehe Erklärfilm)

2. Steuerlicher Freibetrag in Höhe des Grundfreibetrages für Erwachsene

3. Ein Kinderfreibetrag in der Sozialversicherung, der Eltern in der Phase der
Kindererziehung entlastet und die Leistung Kindererziehung anerkennt (siehe Erklärfilm)

Derzeit plant die Bundesregierung mit dem Zweiten Familienentlastungsgesetz, das Kindergeld lediglich auf 219 Euro für das erste und zweite Kind, 225 für das dritte und 250 Euro für jedes weitere Kind zu erhöhen. Der Kinderfreibetrag soll 8.388 Euro anstatt bisher 7.812 Euro betragen.

Angesichts der akuten finanziellen Situation von Familien hält es der DFV für dringend geboten, das Kindergeld einheitlich auf 330 Euro zu erhöhen – also auf die maximale Wirkung des Kinderfreibetrages. Damit würden alle Eltern gleichermaßen vom Kindergeld und Kinderfreibetrag profitieren.

Der Gesetzesentwurf hat weiterhin einen nicht unerheblichen Geburtsfehler. Der Kinderfreibetrag wird unter dem steuerlichen Grundfreibetrag für Erwachsene (ab 2021: 9.744 Euro) liegen. „Kinder sind aber keine „kleinen Menschen“, die nur einen Bruchteil der materiellen und finanziellen Bedarfe haben. Jede Mutter und jeder Vater wird das bestätigen können“, sagt Verbandspräsident Klaus Zeh. „Obwohl die Angleichung des Kinder- und Grundfreibetrages bereits mehrfach versprochen worden ist, werden Familien abermals bitter enttäuscht.“

Kindergeld: Steuererstattung, kein Steuergeschenk!

„Das Kindergeld ist kein Steuergeschenk“, so Zeh. „Tatsächlich handelt es sich beim Kindergeld vorrangig um eine monatliche Steuervergütung für zu viel erhobene Steuern.“ Am Ende des Steuerjahres wird es von Amts wegen mit der einkommensabhängigen, individuellen Wirkung des Kinderfreibetrages verrechnet.

Vor 30 Jahren verpflichtete das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber in einem von Familien erstrittenen Grundsatzurteil (BVerfGE 82,60 – 1 BvL 20/84 v. 29.05.1990), dass bei der Einkommensbesteuerung der Familie ein Betrag in Höhe des Existenzminimums steuerfrei bleiben muss. Nur das darüber hinausgehende Familieneinkommen darf der Besteuerung überhaupt unterworfen werden.

In der Praxis heißt das: Alle Eltern beziehen zunächst das Kindergeld. Erst wenn das Kindergeld höher ist als die Steuererstattung durch den Kinderfreibetrag, darf man überhaupt von einer Familienförderung sprechen (§ 31 EStG). Davon profitieren vor allem Familien mit niedrigem Einkommen und kinderreiche Familien. Aus diesem Grund ist das Kindergeld – systematisch richtig – im Einkommensteuergesetz geregelt und nicht im Katalog der Familien- oder Sozialleistungen.

Der Verbandspräsident betont, dass eine etwaige Dringlichkeit zur Haushaltssanierung – dies ist besonders in der gegenwärtige Lage zu erwähnen – nicht als Rechtfertigung herangenommen werden darf, Eltern und Kindern Kindergeld und Steuerfreibeträge zu verweigern. „Die Anpassung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages sind schlichtweg Verfassungsvorgaben.“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 29.10.2020

Der Deutsche Familienverband lobt den längst fälligen Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Jugendmedienschutzes, vermisst aber Netzanschlussfilter.

Auch bei der Nutzung von digitalen Medien müssen Minderjährige vor schädlichen Einflüssen geschützt werden. Dem Deutschen Familienverband (DFV) ist es daher schon seit vielen Jahren ein dringendes Anliegen, dass der Staat und die Netzanbieter entsprechende Regelungen und Maßnahmen treffen. „Der Beschluss des Bundeskabinetts, den Jugendmedienschutz zu reformieren, lässt uns aufatmen. Die bisherige Gesetzeslage ist in der heutigen digitalen Welt zum Schutz von Kindern und Jugendlichen unbrauchbar“, sagt Sebastian Heimann, Bundesgeschäftsführer des DFV. Fast 20 Jahre ist das bisher gültige Gesetz zum Jugendmedienschutz alt.

Für den DFV hat der am Mittwoch beschlossene Gesetzesentwurf jedoch einen entscheidenden Mangel, weil er keine Netzanschlussfilter vorsieht. Der Schutz durch Netzanschlussfilter setzt unmittelbar und unabhängig von den digitalen Plattformen, die ein Kind oder Jugendlicher nutzt, ein. Gefährdende Inhalte erreichen Minderjährige erst gar nicht. „Der Vorteil von Netzanschlussfiltern liegt auf der Hand: Sie erleichtern Eltern das Leben. Statt Jugendschutzfilter für jedes internetfähige Gerät im Haushalt, die ständig aktualisiert werden müssen, gibt es einen Filter für den gesamten Netzanschluss“, so Heimann. Auch beim Mobilfunk können entsprechende Filter eingesetzt werden, so dass der Jugendschutz zusätzlich unterwegs gewährleistet ist.

Großbritannien macht es vor: Auf Druck der dortigen Regierung haben die Anbieter von Internetzugängen kostenlose Jugendschutzfilter eingeführt. Diese werden zentral gewartet und können von den Anschlussinhabern ausgeschaltet oder aber auch nach eigenen Wünschen angepasst werden. „Netzanschlussfilter helfen entscheidend dabei, dass jugendgefährdende Inhalte gar nicht erst auf den Endgeräten landen. Anbieter müssen von Staat diesbezüglich verpflichtet werden“, sagt Heimann.

Der DFV hat das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) bereits im Februar auf die Unverzichtbarkeit von Netzanschlussfiltern für Familien hingewiesen. Gemeinsam mit verschiedenen Verbänden aus den Bereichen Bildung, Wirtschaft und Kinderschutz hatte der Verband zum Referentenentwurf zur Änderung des Jugendschutzgesetzes Stellung genommen.

Weiterführende Information

Verbände-Stellungnahme zur Änderung des Jugendschutzgesetzes

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 16.10.2020

„Man kann zusammenfassend sagen: Endlich!“, so Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb), zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vom 19. August 2020, der der Fachöffentlichkeit seit einiger Zeit bekannt ist, obgleich das Verbändeanhörungsverfahren leider noch nicht eingeleitet wurde, soweit der Entwurf die Einführung einer weiteren rechtlichen Mutterschaft durch Ehe oder Anerkennung vorsieht. Denn die beabsichtigte Regelung macht – wie vom djb schon lange gefordert – die Stiefkindadoption in einer solchen gleichgeschlechtlichen Beziehung überflüssig.

Die Folgefragen, wie Anerkennung, Feststellung und Anfechtung der Mutterstelle sieht der djb allerdings nicht günstig gelöst, wie Brigitte Meyer-Wehage, Vorsitzende der zuständigen Fachkommission im djb, kritisch anmerkt. Denn das Nichtbestehen der Mutterschaft kann nur festgestellt werden, wenn ein „Mann Vater des Kindes ist“. Die gewählte Formulierung ist missverständlich und erhellt erst bei der Normierung der Anfechtungsfristen, was tatsächlich gemeint ist. So beginnt nämlich im Fall der Anfechtung der Mutterschaft die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem die anfechtungsberechtigte Person von Umständen erfährt, die dafürsprechen, dass ein Mann während der Empfängniszeit der Frau, die das Kind geboren hat, „beigewohnt“ hat. Diesen Begriff und den damit zwangsläufig verbundenen „Blick ins Schlafzimmer“, hat sich der djb schon früher verbeten, so Meyer-Wehage weiter. Sinnvoller erscheint es, die Mutterschaft an das Vorliegen einer Einwilligung zur Zeugung des Kindes zu knüpfen.
Schließlich lässt der Entwurf Eltern mit „divers“-Eintrag und Eltern ohne Geschlechtseintrag außen vor, da er zwar eine zweite Mutterstelle ermöglicht, nicht aber eine weitere Elternbezeichnung. Auch die Diskriminierung von trans* Eltern wird nicht beseitigt, sondern fortgeschrieben. „Das ist verfassungsrechtlich mehr als bedenklich“, erläutert Wersig.

Damit der „Kessel“ auch „bunt“ ist, nimmt sich der Entwurf außerdem der elterlichen Sorge an, insbesondere bei nicht miteinander verheirateten Eltern. Mit der Vaterschaftsanerkennung soll zukünftig automatisch die gemeinsame elterliche Sorge verbunden sein. Das lehnt der djb ab! Denn der Entwurf bringt die Mutter in ein Dilemma: Will sie das gemeinsame Sorgerecht nicht, weil das Kind z.B. aus einer flüchtigen Beziehung oder einer Vergewaltigung hervorgegangen ist, muss sie ihre Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung verweigern mit der Folge, dass ihr Kind vorerst keine Unterhalts- und Erbansprüche gegen den bekannten Vater hat und die Vaterschaft gerichtlich festgestellt werden muss. „Es kann nicht Ziel des Gesetzes sein, eine Mutter, die ihrem Kind Unterhalts- und Erbansprüche sichern will, dazu zu zwingen, mit dem Vater gemeinsam das Sorgerecht auszuüben.“, kritisiert Wersig daher.

Die dritte Zutat im Kessel ist – um im Bild zu bleiben – das Wechselmodell: Hier sind Regelungen im Kindesunterhalt vorgesehen, die man wieder „mit Fug und Recht als Insellösung beschreiben kann“, so Meyer-Wehage. Der Entwurf setzt – bezogen auf die gemeinsame Betreuung von Kindern – lediglich die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Thema Unterhalt um, ohne die Folgefragen im Sozialhilfe- und Steuerrecht zu regeln, die einer Klärung jedoch dringend bedürfen.

Zudem fängt der Entwurf die Benachteiligung von Frauen nicht ein, die sich dadurch ergibt, dass das Wechselmodell erst nach der Trennung der Eltern gelebt wird. Während in einer intakten Ehe immer noch häufig die Frauen eine eigene Erwerbstätigkeit zu Gunsten der Familienarbeit einschränken, nimmt das Wechselmodell nach der Trennung auf die dadurch für sie entstandenen Belastungen keine Rücksicht, sondern normiert nach aktueller Rechtsprechung eine volle Erwerbsobliegenheit unter Hinzurechnung von Einkünften, die tatsächlich nicht erzielt werden.

Fazit

Auch wenn der „große Wurf“ im Abstammungsrecht weiter auf sich warten lässt und die ergänzenden Regelungen nicht immer überzeugen, ist es an der Zeit, Reformen, insbesondere zur Vermeidung einer Stiefkindadoption, endlich in Angriff zu nehmen und zwar noch in dieser Legislaturperiode. Alles andere ist nicht mehr vermittelbar.

Die ausführliche Stellungnahme des djb finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 29.10.2020

Das Deutsche Kinderhilfswerk begrüßt anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte die geplanten Verschärfungen des Strafrechts zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt. Aus Sicht der Kinderrechtsorganisation sind diese Verschärfungen wichtige Maßnahmen, um Kinder effektiver zu schützen. Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Prävention in diesem Bereich. Gleichzeitig muss auch der Fahndungsdruck zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt steigen, alle zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mittel müssen ausgeschöpft werden.

"Prävention, Fahndungsdruck, härtere Strafen: Nur mit einem Bündel von Maßnahmen wird es uns gelingen, Kinder besser vor sexueller Gewalt zu schützen. Generell sollte in Strafverfahren und familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren das Kindeswohl stärker in den Blick genommen werden. Anhörungsrechte von Kindern in gerichtlichen Verfahren sind kein pädagogischer Schnickschnack, sondern ein Recht der Kinder, das es einzuhalten gilt. Dafür braucht es insbesondere zum Thema Kinderrechte und im Umgang mit Kindern geschulte Fachkräfte, qualifizierte Familienrichterinnen und Familienrichter, sowie flächendeckend Fachberatungsstellen, die für Kinder und Jugendliche problemlos erreichbar sind", betont Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.

"Die Zahl der Ermittlerinnen und Ermittler bei Polizei und Staatsanwaltschaften im Bereich des Kinderschutzes sollte massiv aufgestockt werden. Denn der Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt erfordert kompromisslose Aufklärung und Strafverfolgung. Daneben brauchen wir eine finanziell abgesicherte, funktionierende Kinder- und Jugendhilfe, die im Bereich der Prävention und als Vertrauensinstitution für Kinder und Jugendliche tätig sein muss. Die zu erwartende Strafe bei sexueller Gewalt gegen Kinder muss eine generalpräventive Wirkung entfalten, um potenzielle Täterinnen und Täter von der Begehung einer Tat abzuhalten, aber auch um beispielsweise die Verbreitung kinderpornografischen Materials effektiv zu bekämpfen. Hier ist ein Markt entstanden, der unnachgiebig ausgetrocknet werden muss", so Lütkes weiter.

Auch die Evaluation familiengerichtlicher Maßnahmen zur Abwehr von Kindeswohlgefährdungen ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes ein wichtiger Schritt hin zu mehr Kinderschutz. Generell sollte in Strafverfahren und familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren das Kindeswohl stärker in den Blick genommen werden. Dafür braucht es auch eine gesetzliche Nachschulungsverpflichtung für Familienrichterinnen und Familienrichter, und wie im Gesetzentwurf vorgesehen ein eigenständiges Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Strafverfahren mit minderjährigen Opferzeuginnen und -zeugen in der Strafprozessordnung, um dem Kindeswohlvorrang gemäß der UN-Kinderrechtskonvention in Strafverfahren Rechnung zu tragen. Zudem sollten richterliche Videovernehmungen bei minderjährigen Opfern von Sexualdelikten und anderen schweren Gewalttatbeständen in Ermittlungsverfahren mit ersetzender Wirkung für das Hauptverfahren zum bundesdeutschen Standard werden, damit Kinder nicht öfter als nötig zu traumatischen Erlebnissen befragt werden müssen.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e. V. vom 30.10.2020

Als “alarmierendes Signal” und “massives sozialpolitisches Problem” wertet der Paritätische Wohlfahrtsverband die heute veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes, nach denen die Zahl der Empfänger*innen von Mindestsicherungsleistungen zuletzt sank, während gleichzeitig die Armut in Deutschland gestiegen ist. Der Verband fordert eine deutliche Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV und der Altersgrundsicherung.

“Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite die Armut erheblich zunimmt, auf der anderen Seite aber immer weniger Menschen in ihrer Not vom Staat unterstützt werden. Die heute veröffentlichten Zahlen zur Mindestsicherung sind keinesfalls Ausdruck eines sozialpolitischen Erfolgs und ganz bestimmt kein Anlass zum Feiern. Während die Armut wächst, geht die Zahl derer, die vom Sozialstaat aufgefangen werden, zurück”, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Was sich in diesen Zahlen manifestiere sei ein massives sozialpolitisches Problem, das gelöst werden müsse. “Was es zwingend braucht, um dieser Erosion des letzten sozialen Sicherungsnetzes Einhalt zu gebieten, ist eine deutliche Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV und in der Altersgrundsicherung”, so Schneider. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müsste ein armutsfester Regelsatz 644 Euro (für alleinlebende Erwachsene) betragen. Die direkten Mehrkosten zur Umsetzung des Vorschlags werden auf 14,5 Milliarden Euro geschätzt.

Zum Hintergrund: Knapp 6,9 Millionen Menschen in Deutschland haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zum Jahresende 2019 Leistungen der sozialen Mindestsicherung erhalten, 4,7 Prozent weniger als Ende 2018. Die Armutsquote ist dagegen von 15,5 Prozent (2018) auf 15,9 Prozent (2019) gestiegen.

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 30.10.2020

Der SHIA-Landesverband Brandenburg e. V. beteiligt sich in diesem Jahr zum achten Mal gemeinsam mit dem „Bündnis für Familie Königs Wusterhausen“ an der weltweiten Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“.

Bis zum 15. November können die Geschenkkartons zu den Öffnungszeiten in der SHIA-Geschäftsstelle in der Bahnhofstraße 4 in Königs Wusterhausen abgegeben werden

– Montag bis Freitag jeweils 8 bis 13 Uhr, Dienstag zusätzlich von 16 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung.

Bitte nutzen Sie den Anrufbeantworter unter Tel. 03375/294752 zur Terminvereinbarung.

Der Verein „Geschenke der Hoffnung e. V.“ will seit vielen Jahren mit den Päckchen dazu beitragen, dass Menschen zum Weihnachtsfest Kindern weltweit eine Freude bereiten.

Ein leerer Schuhkarton soll mit Geschenkpapier beklebt und mit Geschenken gefüllt werden.

Als Geschenke sind Kleidung, Süßigkeiten, Kuscheltiere, Spielzeug, Schulsachen, Hygieneartikel und anderes möglich.

Dabei ist das Alter und Geschlecht des Kindes, das beschenkt wird, zu wählen.

Die Altersgruppen sind 2 bis 4 Jahre, 5 bis 9 Jahre und 10 bis 14 Jahre.

Auf der Internetseite www.weihnachten-im-schuhkarton.org gibt es weitere Informationen zur Aktion.

Quelle: Pressemitteilung SHIA-Landesverband Brandenburg e. V. vom 28.10.2020

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 13. November 2020

Veranstalter: Netzwerk Familien | eaf Landesverband in der Nordkirche

Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut. Das sind 2,8 Mio. Kinder und Jugendliche. Oft sind sie viele Jahre ihrer Kindheit von Armut bedroht.

Die Kinder- und Jugendarmut bleibt trotz jahrelang guter wirtschaftlicher Entwicklung ein ungelöstes strukturelles Problem in Deutschland. Damit verbunden sind erhebliche Folgen für das Aufwachsen, das Wohlbefinden, die Bildung und die Zukunftschancen der Kinder und Jugendlichen.

Corona droht die Situation von Armut bedrohter Kinder noch zu verschärfen.

Es braucht dringend neue sozial- und familienpolitische Konzepte.

Wir fordern: Jetzt handeln und auf der kommenden ASMK für die Einführung einer Kindergrundsicherung eintreten.

Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder werden im Rahmen der 97. ASMK in 2020 am 26. und 27. November 2020 in Mannheim zu der Frage der Einführung der Kindergrundsicherung eine politische Entscheidung treffen und gegebenenfalls Wege zur Umsetzung aufzeigen.

Der ZFF-Geschäftsführer Alexander Nöhring wird bei dieser Veranstaltung den Hauptvortrag
„Kinderarmut, Corona und die Kindergrundsicherung“ halten.

Kosten: 10 €

Anmeldung bis zum 03.11.2020 erbeten an

Fachstelle Familien der Nordkirche
Angela Lückfett
Gartenstraße 20, 24103 Kiel
Tel +49 431 55779-127
angela.lueckfett@familien.nordkirche.de

Nach Ihrer Anmeldung erhalten Sie die Zugangsdaten zur online-Veranstaltung.

Termin: 16. November 2020

Veranstalter: Der Paritätische Gesamtverband

Die Corona Pandemie führt zu tiefen Verunsicherungen der gesamten Gesellschaft. Ob wir Familien insgesamt oder Kinder und Jugendliche als solche betrachten – wir alle kommen mit Verschwörungsideologien in Kontakt, ganz egal ob wir das wollen oder nicht. Doch stehen Familien mit ihren Sorgen und Ängsten besonders im Fokus. Denn Familien werden von vielen einschränkenden Maßnahmen besonders getroffen. Lösungen und den Umgang mit neuen Situationen müssen sie oft selbst finden, z.B. die Kombination von Homeoffice bei gleichzeitiger Kinderbetreuung und Beschulung. Hinzu kommt: Vielen Familien steht nur beschränkt Wohnraum zur Verfügung, von einem Häuschen im Grünen können viele nur träumen. Außerdem verbringen sie nun ungewohnt viel Zeit miteinander. Das kann zu Verschärfungen innerfamiliärer Konflikte führen und neue Konflikte produzieren. Wer vor der Pandemie zu den materiell ärmeren der Gesellschaft gehört hat, für den ist kaum Besserung in Sicht und eine Verschlechterung der Lebenssituation aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten deutlich spürbar. Kinder und Jugendliche kämpfen zudem damit, dass sie Freunde nur eingeschränkt sehen dürfen. Es stellt sich die Frage, wie sich diese Situation auf Kinder und Jugendliche auswirkt. Verstärken die materiellen und seelischen Nöte, die die Pandemie hervorruft, das Interesse von jungen Menschen und Familien an den scheinbar immer beliebter werdenden Verschwörungsideologien (u.a. QAnon)? Gibt es möglicherweise diese Zusammenhänge? Und welche Rolle spielen hier Geschlechterrollenvorstellungen? Wie kann (und muss?) Soziale Arbeit reagieren?

Die Veranstaltung ist vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Bitte melden Sie sich bis 12.11.2020 unter faf@paritaet.org an. Teilnehmer*innenplätze sind begrenzt.

Die Veranstaltung wird via Zoom übertragen. Die Einwahldaten senden wir Ihnen nach Anmeldeschluss zu.

Termin: 25. November 2020

Veranstalter: Deutsches Jugendinstitut

Wir, die Arbeits- und Forschungsstelle für Demokratieförderung und Extremismusprävention (AFS) am DJI, begehen unser 20-jähriges Bestehen. Die aktuelle Situation spornt uns zu einem digitalen Format an. In einer Livestream-Podiumsdiskussion sprechen Expertinnen und Experten über „Die Zukunft des politischen Extremismus im Jugendalter“. Zudem erwarten Sie eine Live-Autorenlesung des Journalisten Yassin Musharbash und spannende Tagungsbeiträge im Video-Format.

Bitte richten Sie ihre Anmeldung via E-mail an Frau Renate Schulze (schulze@dji.de).

Termin: 27. November 2020

Veranstalter: Deutscher Frauenrat

Die Entscheidungen, wofür die Gelder ausgegeben werden, haben unmittelbare Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Verhältnisse und sind damit eine zentrale Stellschraube für die Durchsetzung tatsächlicher Gleichstellung. Das Gutachten des DF zeigt, dass die Einführung eines Geschlechtergerechten Bundeshaushalts (GGH) umsetzbar ist. Mit diesem Instrument werden öffentliche Einnahmen und Ausgaben systematisch unter Aspekten der Geschlechtergerechtigkeit analysiert, bewertet und geplant.

Eine geschlechtergerechte Haushaltspolitik wird im Bundestag bislang nicht realisiert. Auch die Verteilung der Finanzmittel aus den Corona-Konjunkturprogrammen wurde ohne eine durchgängige Berücksichtigung von gleichstellungspolitischen Kriterien vollzogen. Wir sind davon überzeugt: unser Rechtsstaat ist nur dann demokratisch, wenn er seine Finanzmittel geschlechtergerecht ausgibt.

Deshalb widmet der DF seine Jahresveranstaltung am 27.11.2020 von ca. 11-15 Uhr dem geschlechter­gerechten Bundeshaushalt.

Die Veranstaltung wird per Livestream übertragen.

Zum Programm: https://www.frauenrat.de/veranstaltungen/live-stream-fachveranstaltung-geschlechtergerechter-haushalt/

Zur Anmeldung: https://www.frauenrat.de/anmeldung/fv2020-geschlechtergerechte-haushaltspolitik

Termin: 04. Dezember 2020

Veranstalter: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.

„Wohnen“ beinhaltet mehr als nur die Wohnung. Nicht nur die Versorgung mit Wohnraum, sondern auch Wohnformen und eine wohnortnahe soziale Infrastruktur (Wohnumfeld) rücken in den Vordergrund zukunftsorientierter Wohnungspolitik. Beides sind zentrale Bausteine für das Zusammenleben unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen und Generationen, für die Daseinsvorsorge und für die Gestaltung guter Sozialräume in den Kommunen. Auf die Gestaltung von dezentralen, sozialraumorientierten auch gemeinschaftlichen Wohnformen zielen Regelungen z.B. in den Pflegestärkungsgesetzen (Förderung neuer Wohnformen), im Bundesteilhabegesetz, aber auch in Programmen zur Städtebauförderung und Stadtentwicklung. Um nicht nur Insellösungen zu schaffen, sondern nachhaltige und übergreifende Entwicklungen zu initiieren, braucht es kooperative Vorgehensweisen. Wie kann generationenübergreifendes Wohnen befördert werden? Neue gesellschaftliche Entwicklungen sowie daraus resultierende Herausforderungen und Perspektiven für generationengerechte Wohnformen werden diskutiert. Auf der Basis der Ergebnisse aus dem Modellprogramm „Gemeinschaftliches Wohnen, selbstbestimmt leben“ und der Empfehlungen des Deutschen Vereins zum generationengerechten Wohnen werden Verfahren und Beispiele vorgestellt, die aufzeigen, wie generationenübergreifendes Wohnen zum Erfolgsmodell wird.

Die digitale FachveranstaltungWohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf – generationenübergreifendes Wohnen und neue Wohnformen in den Quartieren findet am 04. Dezember 2020 von 10.00 – 12.40 Uhr statt.

Die Veranstaltungsgebühr beträgt 47 € für Mitglieder und 59 € für Nicht-Mitglieder.

Die Veranstaltung richtet sich an Fach- und Leitungskräfte aus Kommunen, Wohnungswirtschaft, Sozialwirtschaft, freier Wohlfahrtspflege und Stiftungen.

Anmeldeschluss ist der 27.11.2020.

Den Link zur Onlineanmeldung sowie zum Programm finden Sie unter:www.deutscher-verein.de/de/va-20-wohnen

AKTUELLES

Immer mehr Menschen in Deutschland übernehmen Aufgaben der Pflege und Betreuung von Angehörigen. Dies muss in den meisten Fällen mit dem Beruf in Einklang gebracht werden, denn für viele Beschäftigte ist es auch von existenzieller Bedeutung, weiterhin im Beruf tätig zu sein.

Damit Fachkräfte mit ihrem Wissen und ihren Kompetenzen nicht verloren gehen, ist es wichtig, sich als Unternehmen Gedanken zu machen, wie die Beschäftigten hier konkret unterstützt werden können. Denn die Pflege eines Angehörigen ist eine Aufgabe, die nicht nur emotional belastet, sondern auch Zeit in Anspruch nimmt – besonders die Corona-Pandemie hat Beschäftigte mit zu pflegenden Angehörigen vielfach an ihre Grenzen gebracht.

Über Pflege zu sprechen zahlt sich langfristig aus

Über Pflege zu sprechen, das Thema aus der Tabuzone zu holen und Zugang zu Informationen zu bieten sind erste Schritte, um den Beschäftigten wertvolle Hilfestellung zu geben. Das zahlt sich aus und kann dazu beitragen, dass Beschäftigte dem Unternehmen erhalten bleiben und Fehlzeiten reduziert werden.

Leitfaden bietet Informationen für die Praxis

Es gibt bereits viele betriebliche Angebote, wie Unternehmen ihre Beschäftigten bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf unterstützen. Dieser Leitfaden zeigt Möglichkeiten, wie dies gelingen kann: Er enthält Informationen zur Situation der Pflegenden und zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Außerdem finden Sie Anregungen, Tipps und Checklisten aus der betrieblichen Praxis für die Entwicklung einer pflegesensiblen Unternehmenskultur und für die Gestaltung von Vereinbarkeitsmaßnahmen.

Den Leitfaden können Siehier herunterladen.

Sie haben gerne was in der Hand? Dann bestellen Sie kostenfrei den Leitfaden im Netzwerkbüro „Erfolgsfaktor Familie“ (netzwerkbuero@dihk.de) oder beim Publikationsversand der Bundesregierung unter publikationen@bundesregierung.de.

Mehr Informationen zum Netzwerk finden Sie unter www.erfolgsfaktor-familie.de/netzwerken.

Darüber hinaus stehen wir Ihnen gern für Fragen oder Hintergrundinformationen unter der Rufnummer: 030/20308-6101 zur Verfügung.

Die Situation von Alleinerziehenden ist gerade in dieser Zeit ständigen Änderungen unterworfen. Jede Veränderung in der Gesetzgebung und Familienpolitik hat direkte Auswirkungen auf den Alltag der Einelternfamilien.

Viele Angebote und Unterstützungen gibt es. Leider nicht alle überall und nicht alle wissen, wo sie sich informieren können und wo sie Unterstützung erhalten.

Mit dieser Umfrage will die Koordinierungsstelle Daten und Fakten zur derzeitigen Situation von Alleinerziehenden sammeln, damitman sienoch zielgerichteter für deren Belange einsetzen kann.

Bitte helfen Sie, indem Sie sich 15 Minuten Zeit nehmen, um die Fragen zu Ihrer Situation zu beantworten. Wenn Sie über das Ergebnis der Umfrage informiert werden möchten, wenden Sie sich bitte an koordinierungsstelle@vamv-hessen.de.

Hier geht es zum Fragebogen: https://lamapoll.de/Situation_von_Alleinerziehenden/

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Pressemitteilung Thema: Kinderarmut

Regelsätze: Kinder gehören nicht in die Grundsicherung!

02.11.2020 – Anlässlich der heutigen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag zum Gesetzentwurf zur Neuermittlung der Regelbedarfe mahnt das ZFF an, dass sich der Gesetzgeber bei der Existenzsicherung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen endlich ein auskömmliches soziokulturelles Existenzminimum zum Maßstab nehmen sollte.

Alle fünf Jahre wird der Regelbedarf auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) neu ermittelt. Die EVS wird vom Statistischen Bundesamt durchgeführt und liefert Angaben zu den Lebensverhältnissen der privaten Haushalte in Deutschland. Im Rahmen der Ermittlung des Regelbedarfs werden Sonderauswertungen der EVS vorgenommen und die durchschnittlichen Verbrauchsausgaben einkommensschwacher Haushalte ermittelt. Der Gesetzgeber trifft dann eine Auswahl der Ausgabenpositionen, die er als regelbedarfsrelevant erachtet. Die ausgewählten Positionen werden anschließend addiert und ergeben den Regelbedarf im SGB II und XII.

Alexander Nöhring (Geschäftsführer des ZFF) erklärt dazu: „Die ermittelten Regelsätze erfassen gerade einmal den allernötigsten Bedarf. Armen Kindern und Jugendlichen ist ein Aufwachsen in Wohlergehen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben so nicht möglich. In der aktuellen Krisensituation zeigt sich erneut, wie stark die Bildungs- und Teilhabechancen vom Geldbeutel der Eltern abhängen: Nicht alle Kinder und Jugendlichen können am digitalen Unterrichtsgeschehen adäquat teilnehmen, da zu Hause das Geld nicht ausreicht, um einen Computer oder einen Drucker zu kaufen. Oft fehlt ein Tisch oder auch ein eigenes Zimmer in einer beengten Wohnung, um in Ruhe Schularbeiten zu machen. Darüber hinaus ist weder ein Eis, noch ein Campingurlaub im Sommer dem Gesetzgeber für ein Kinderleben relevant. Bildungsungleichheiten und Leistungsunterschiede und das Gefühl, nicht dazuzugehören verstärken sich so immer mehr.

Was Kinder und Jugendliche für ihre Existenzsicherung brauchen, ist nicht losgelöst vom Haushaltskontext und der Bemessung des elterlichen Existenzminimums. Der elterliche Bedarf wird aber aus den ärmsten 15 Prozent der Alleinlebenden ermittelt und enthält weder Begleitkosten für einen Ausflug ins Schwimmbad oder den Zoo, noch ist der Betreuungs- und Erziehungsaufwand angemessen berücksichtigt.“

Alexander Nöhring fährt fort: „Das ZFF fordert eine bedarfsgerechte, transparente und methodisch stimmige Ermittlung der Regelsätze und damit des soziokulturellen Existenzminimums. Ausgangspunkt der Ermittlung muss das sein, was Kinder und Jugendliche für ein Aufwachsen in Wohlergehen brauchen und nicht das Minimalniveau. Ebenfalls muss der Bedarf, der in einer Familie im Vergleich zu einem Alleinlebenden zusätzlich anfällt, berücksichtigt werden. Auf Grundlage dieser Neuberechnung und um langfristig, effizient und zielgerichtet gegen Kinderarmut vorzugehen, wollen wir Kinder und Jugendlichen mit einer einkommensabhängigen Kindergrundsicherung raus aus der Grundsicherung holen.“

Alexander Nöhring und Nikola Schopp werden heute als Sachverständige bei der Ausschusssitzung dabei sein. Die Sitzung wird live am 2. November um 13 Uhr im Parlamentsfernsehen und im Internet auf www.bundestag.de übertragen.

Die Stellungnahme des ZFF zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 2. November 2020 zum Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes“ und weiterer Anträge finden Sie hier.

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Pressemitteilung Thema: Zeitpolitik

Familien brauchen mehr – jetzt und in Zukunft!

28.10.2020 – Anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte zur Familienpolitik während der Corona Pandemie fordert das ZFF krisenfeste Instrumente zur umfassenden Unterstützung zur Vereinbarkeit von Beruf und Sorgearbeit.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Familienleben in Deutschland diskutiert der Bundestag heute Anträge der Oppositionsparteien zur Familienpolitik in Zeiten der Krise und darüber hinaus. Zur Debatte stehen Instrumente für eine bessere Vereinbarkeit, wie die Ausweitung des Anspruchs auf Kinderkrankengeld oder verlässliche Lohnentschädigungen für Eltern, deren Kinder von coronabedingten Schließungen der Betreuungseinrichtungen betroffen sind.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt: „In Zeiten der Corona-Pandemie zeigen sich die enormen Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit noch deutlicher. Viele Eltern sind jetzt schon vollkommen ausgebrannt. Angesichts dramatisch steigender Neuinfektionen stehen Eltern bundesweit vor der Aufgabe, die Quarantäne zu meistern, etwa wenn das Kind selbst erkrankt ist oder Kita und Schule wegen Corona-Fällen geschlossen sind. Nach wie vor übernehmen dabei Frauen den Löwenanteil der anfallenden Sorgearbeit und sind von den wirtschaftlichen Krisenauswirkungen in deutlich größerem Umfang betroffen.“

Altenkamp weiter: „Es ist an der Zeit, die Familienpolitik stärker in das Zentrum der Krisenpolitik zu rücken und die Vereinbarkeit von Sorge- und Erwerbsarbeit besser zu unterstützen. Neben den bereits beschlossenen Maßnahmen, wie der Erhöhung des Kurzarbeitergeldes oder dem Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz, wäre die von Grünen und Linken geforderte Ausweitung des Kinderkrankengeldes sehr zu begrüßen. Allerdings muss diese geschlechtergerecht ausgestaltet werden, etwa durch Anreize zur partnerschaftlichen Aufteilung der Betreuung erkrankter Kinder. Um Eltern über die Krise hinaus zu unterstützen, ist es aber dringend geboten, endlich längerfristige Maßnahmen für eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit auszubauen.“

Das Positionspapier „Fifty-Fifty?! Wie kann die partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit gelingen?“ finden Sie hier.

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Pressemitteilung Thema: Kinderarmut

Internationaler Tag zur Beseitigung von Armut: Endlich schnelle Hilfen für arme Familien bereitstellen!

16.10.2020Anlässlich des morgigen Internationalen Tages zur Beseitigung von Armut fordert das ZFF verbesserte Leistungen für Familien und Kinder in prekären Lebenslagen.

Hierzu erklärt Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF: „Gerade vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen, neuer Kontaktbeschränkungen und der Gefahr zunehmender wirtschaftlicher und sozialer Krisenfolgen ist es unerlässlich, endlich schnelle Hilfen für arme Familien bereit zu stellen. Denn die Schwächeren in der Gesellschaft tragen derzeit eine Last, die sie kaum noch schultern können.

Viele arme Eltern sind ohnehin erschöpft, denn sie versuchen mit aller Kraft, dass ihre Kinder möglichst wenig unter ihrer Geldnot leiden. In Zeiten der Corona-Pandemie wird dies fast unmöglich. Es fehlt an Geld für neue technische Endgeräte und es fehlt an Raum für die Kinder und Jugendlichen, um in Ruhe Schularbeiten zu machen oder ungestört zu lesen. Viele Eltern fühlen sich darüber hinaus überfordert, die Aufgaben von Schule und Hort zu Hause mit ihren Kindern alleine zu bewältigen und ihre Kinder entsprechend zu fördern.“

Altenkamp fährt fort: „Angesichts der aktuellen Krisensituation muss daher sichergestellt werden, dass die Regelsätze krisenbedingt aufgestockt und alle Kinder und Jugendlichen über technische Endgeräte verfügen, die für ein reibungsloses Lernen zu Hause geeignet sind. Auch braucht es verstärkt Infrastrukturangebote, wie etwa die Familienbildung, die Familien bei der Bewältigung ihrer täglichen Aufgaben in dieser Ausnahmesituation unterstützen können.

Darüber hinaus appelliert das ZFF an die Politik, endlich konkret über eine Reform der Familienförderung nachzudenken. Seit 2009 setzt sich das ZFF gemeinsam mit einem breiten Bündnis für eine Kindergrundsicherung ein, die viele Familienleistungen bündelt, das derzeitige System vom Kopf auf die Füße stellt und alle Kinder besser fördert!“

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ZFF-Info

ZFF-Info 11/2020

SCHWERPUNKT I: Parlamentsdebatte Hartz IV Regelsätze

Anlässlich der heutigen ersten parlamentarischen Lesung des Entwurfs zum Regelbedarfsermittlungsgesetz rügt der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt die vorgesehenen Erhöhungen als unzureichend. Er fordert, die Berechnung der Grundsicherung weiterzuentwickeln. „Wissenschaft und Zivilgesellschaft üben seit Jahren begründete Kritik an dem derzeitigen System der Regelbedarfserrechnung“, erklärt dazu Jens M. Schubert, Bundesgeschäftsführer der AWO, „Es ist äußerst fragwürdig, erst einen tatsächlichen Bedarf zu ermitteln und im Nachgang den Rotstift anzusetzen, um vermeintlich nicht bedarfsrelevante Bedarfe wegzukürzen. Neben der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Verfahrens geht es aktuell vor allem um eine politische Entscheidung: Wie sehr dürfen Menschen in ihren finanziellen Möglichkeiten eingeschränkt werden, die sowieso schon benachteiligt sind?“

Der vorliegende Entwurf wiederholt weitestgehend das breit kritisierte Berechnungsverfahren aus den Jahren 2011 und 2016. Dabei werden zunächst mit einem statistischen Verfahren die unteren durchschnittlichen Ausgaben für die alltägliche Lebensführung ermittelt und zahlreiche Posten im Nachhinein gekürzt. Dadurch wird der finanzielle Spielraum der Betroffenen so massiv beschränkt, dass keine Möglichkeit für internen Kostenausgleich, eigenständige Konsumentscheidungen oder kurzfristig notwendige Anschaffungen mehr bleibt. Die AWO mahnt deshalb eine Verbesserung des Berechnungsverfahrens an.

Der Verband kritisiert zudem, dass die pandemiebedingten Mehrkosten nicht ausdrücklich in der jetzigen Entwurfsfassung berücksichtigt worden seien. „Corona kommt diejenigen teuer zu stehen, die sowieso schon wenig haben. Mit den aktuellen Regelbedarfshöhen konnten und können Corona-bedingte Mehrkosten nicht hinreichend ausgeglichen werden. Der Gesetzesentwurf gibt keine Antwort, wie die Mehrkosten der letzten Monate für Masken, Desinfektionsmittel, nötige digitale Anbindung und vieles mehr bei Betroffenen ausgeglichen werden können“, so Schubert.

Die AWO sehe dringenden Bedarf zur Nachbesserung. Der Verband fordert daher eine zu März 2020 rückwirkende Regelsatzerhöhung, um Betroffene schnell zu entlasten. Anderenfalls würden Teilhabemöglichkeiten für Betroffene stark eingeschränkt bleibe.

Schubert abschließend: „Insgesamt nutzt der Gesetzgeber bisher seinen Handlungsspielraum nicht hinreichend aus, um die Situation für über sieben Millionen Grundsicherungsbeziehende spürbar zu verbessern. Es bleibt zu hoffen, dass dies im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens nachgeholt wird.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 07.10.2020

Heute findet im Bundestag die erste Beratung des Entwurfs des Regelbedarfsermittlungsgesetz statt. Darin wird die Höhe der Regelbedarfe ab 2021 festgesetzt. Die Nationale Armutskonferenz kommt nach Prüfung des Gesetzentwurfs zu dem Ergebnis: Der Regelbedarf ist an vielen Stellen zu knapp bemessen. Dies legt die nak beispielhaft in ihrem heute veröffentlichten Positionspapier dar. Bündnissprecher Gerwin Stöcken fordert daher deutliche Verbesserungen des Gesetzentwurfs im parlamentarischen Verfahren. Insbesondere sollten die Parlamentarier*innen die nachträglichen Streichungen revidieren.

Gerwin Stöcken, Sprecher der nak: „Die im Gesetzentwurf vorgelegte Berechnung der Regelbedarfe geht vielfach an der Lebensrealität der Menschen vorbei. Viele methodische Setzungen, angefangen bei der Definition der Referenzgruppen über den Einbezug verdeckter Armut in die Statistik bis zur Behandlung bestimmter Ausgaben wie langlebige Gebrauchsgüter, Gesundheitskosten, der Bereich der digitalen Ausstattung oder Strom, überzeugen nicht. Besonders ins Gewicht fallen erneut die umfangreichen nachträglichen Kürzungen, die sich Berechnungen zufolge auf über 150 Euro summieren. Die genannten Kritikpunkte zeigen: Die Bundesregierung gibt sich große Mühe, um den Regelbedarf möglichst knapp zu bemessen, ohne sich ernsthaft mit vorliegenden Verbesserungsvorschlägen des Verfahrens aus der Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu befassen. Wir setzen darauf, dass jetzt im parlamentarischen Verfahren nachgebessert wird.“

Anlässlich der Regelbedarfsermittlung hat die Nationale Armutskonferenz heute ein Positionspapier veröffentlicht, in dem dargelegt wird, was eine mangelhafte Ausgestaltung des Existenzminimums für die Menschen im Grundsicherungsbezug finanziell bedeuten kann. Seien es Zuzahlungen für die Gesundheit, der Umgang mit dem Kind in einer Trennungsfamilie, die Pflege sozialer und familiärer Beziehungen, die digitale Ausstattung von Kindern, die kaputte Waschmaschine oder die Stromkosten – anhand dieser Beispiele weist das Positionspapier auf die Lücken in der gegenwärtigen Ausgestaltung des Existenzminimums hin.

Zum Hintergrund:

Der Gesetzgeber ist zur Neuberechnung der Regelbedarfe verpflichtet, wenn die Ergebnisse der zu Grunde liegenden Statistik, der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) vorliegen. Mit dem aktuellen Regelbedarfsermittlungsgesetz wird dies für die Regelbedarfe ab 2021 umgesetzt. Die Regelsätze sollen gemeinsam mit den Kosten für Unterkunft und Heizung sowie den Mehrbedarfen den existenziellen Bedarf für Leistungsberechtigte des SGB II, des SGB XII und des Asylbewerberleistungsgesetz abbilden. Die Berechnung der Regelsätze in der Grundsicherung steht seit Jahren in der Kritik. Der vorliegende Gesetzentwurf führt dieses kritikwürdige Verfahren weitgehend fort.

Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz (nak) vom 07.10.2020

Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte über die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelbedarfe die neuen Regelsätze für Kinder und Jugendliche als realitätsfremd und unzureichend. Aus Sicht der Kinderrechtsorganisation fehlt nach wie vor ein politisches Gesamtkonzept, mit dem die Situation der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen in Deutschland nachhaltig verbessert wird.

"Durch die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Jugendliche wird Kinderarmut in Deutschland nicht beseitigt, sondern sie wird sogar zementiert. Die vorgesehenen Erhöhungen sehen nur auf den ersten Blick gut aus, bei genauerem Hinsehen sind sie ein armutspolitischer Skandal. 8,92 Euro monatlich für Kinderschuhe, 1,75 Euro für Toilettenpapier und Papiertaschentücher oder 3,92 Euro für einen Friseurbesuch: Diese Einzelposten zeigen, dass die Regelsätze mit der Realität so gut wie nichts zu tun haben. Und dass für ein Fahrrad, eine Uhr oder ein Musikinstrument kein einziger Cent vorgesehen ist, spricht Bände", betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

"Eine grundsätzliche Verbesserung der Lebenssituation von Armut betroffener Kinder und Jugendlicher benötigt eine grundlegende Reform der Regelsatzberechnung. Es sollte bedarfs- und realitätsgerecht ermittelt werden, was Kinder brauchen. Referenz muss dabei ein gutes Aufwachsen und die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben sein", so Hofmann weiter.

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert Bund, Länder und Kommunen auf, der Bekämpfung von Kinderarmut in Deutschland endlich die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient, und in der Konsequenz wirksame Maßnahmen zur Förderung armer Kinder und ihrer Familien zu ergreifen. So zeigen die vor kurzem von der Bertelsmann Stiftung vorgelegten Zahlen zur Kinderarmut in Deutschland sehr eindrücklich, dass es nach wie vor nicht gelingt der anhaltend hohen Kinderarmut in Deutschland etwas entgegen zu setzen. Zudem ist angesichts der Corona-Krise damit zu rechnen, dass die Zahl der von Armut betroffenen Kinder und Familien noch ansteigen wird.

Das Deutsche Kinderhilfswerk tritt für die Einführung einer bedarfsgerechten Kindergrundsicherung nach dem Modell des Bündnisses KINDERGRUNDSICHERUNG ein, die den bestehenden Familienlastenausgleich ablöst, bestehende kindbezogene Leistungen bündelt und das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Familie, der Familienform und dem bisherigen Unterstützungssystem bedarfsgerecht gewährleistet. Die Kindergrundsicherung ist eine nachhaltige Lösung, die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen eigenständig und unabhängig von der Hartz-IV-Gesetzgebung absichert.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e. V. vom 07.10.2020

Die aktuellen Zahlen zu im Jahr 2019 durchgeführten Stromsperren nimmt der Paritätische Wohlfahrtsverband zum Anlass, seine Forderung nach einer Totalreform von Hartz IV zu unterstreichen: Strom dürfe künftig nicht mehr im Regelsatz pauschaliert erfasst werden, sondern müsse wie Miete und Heizkosten übernommen werden, fordert der Verband. Darüber hinaus sollen nach Vorstellungen des Verbandes größere Anschaffungen (z.B. Kühlschrank, Waschmaschine) als einmalige Leistungen zusätzlich finanziert werden und der Regelsatz selbst deutlich angehoben werden, um wirklich alle Bedarfe des täglichen Lebens zu decken.

Eine Stromabschaltung bedeute für viele Menschen, keine Möglichkeit zur Warmwasserbereitung, zum Kochen oder sogar zum Heizen zu haben. Gerade bei kleinen Kindern, alten, kranken oder behinderten Menschen sei diese Praxis überhaupt nicht hinnehmbar, kritisiert der Paritätische. Auch wenn die meisten Energieversorger derzeit während der Corona-Pandemie vorübergehend auf das Verhängen neuer Stromsperren verzichten, fehle noch immer eine dauerhafte Lösung für das Problem. „Stromsperren sind in unserer modernen Gesellschaft barbarisch. Energie gehört wie ein Dach über dem Kopf zum Existenzminimum“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. „Stromkosten lassen sich nicht pauschalieren und haben daher nichts im Regelsatz zu suchen. Klar und konsequent wäre es, wenn auch die Stromkosten genau wie die Heizkosten in tatsächlicher Höhe übernommen würden.“

Notwendig ist darüber hinaus aus Sicht des Verbandes eine deutliche Anhebung der Regelsätze. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müsste ein armutsfester Regelsatz 644 Euro (für alleinlebende Erwachsene) betragen. Bei den Berechnungen sind die umstrittenen und auch bereits von anderen kritisierten statistischen Manipulationen im Regelsatz herausgerechnet. Die direkten Mehrkosten zur Umsetzung des Vorschlags werden auf 14,5 Milliarden Euro geschätzt.

Der Paritätische begrüßt vor diesem Hintergrund die Vorstöße aus der Opposition im Bundestag zur Anhebung der Regelsätze auf über 600 Euro. „Alle Expert*innen sind sich einig, unter 600 Euro reicht es auf keinen Fall. Die Bundesregierung muss endlich ihre umstrittenen Methoden der Regelbedarfsermittlung korrigieren und zu einem Verfahren finden, das sich an der Lebensrealität orientiert. Es fehlt nicht an belastbaren Zahlen und Modellen. Was es braucht, ist den politischen Willen, Armut in diesem reichen Land wirklich zu verhindern“, so Schneider.

Die Expertise „Regelbedarfe 2021. Alternative Berechnungen zur Ermittlung der Regelbedarfe in der Grundsicherung“ kann hier heruntergeladen werden: https://www.der-paritaetische.de/publikationen/regelbedarfe-2021-alternative-berechnungen-zur-ermittlung-der-regelbedarfe-in-der-grundsicherung/

Zur unzureichenden Höhe der Regelsätze siehe u.a. auch die Studie „Arm, abgehängt, ausgegrenzt. Eine Untersuchung zu Mangellagen eines Lebens mit Hartz IV“: https://www.der-paritaetische.de/publikationen/expertise-arm-abgehaengt-ausgegrenzt-eine-untersuchung-zu-mangellagen-eines-lebens-mit-hartz-iv/

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 07.10.2020

SCHWERPUNKT II: Safe Abortion Day

Zum Internationalen Tag für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs (International Safe Abortion Day) am 28.09.2020 erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik, und Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Gesundheitsförderung:

Der International Safe Abortion Day macht auf das grundsätzliche Recht auf Zugang zu einem sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch aufmerksam. Weltweit bleibt dieses Recht vielen Frauen verwehrt. Jedes Jahr sind Millionen Frauen gezwungen auf unsichere Methoden zurückzugreifen, weil das Gesetz Abbrüche grundsätzlich verbietet. Diese grausame Praxis kostet viele Frauen das Leben. Es ist unerträglich, dass nach WHO-Schätzungen in unserer Zeit weltweit 70.000 Frauen pro Jahr an den Folgen unprofessionell durchgeführter Schwangerschaftsabbrüche sterben müssen.
In Deutschland haben Frauen die Möglichkeit, sichere Schwangerschaftsabbrüche zu bekommen. Die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch stellt Frauen aber auch hierzulande vor große Hürden. In nächster Zeit werden mehr und mehr Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, in den Ruhestand gehen. Die Versorgungssicherheit ist in einigen deutschen Regionen bereits jetzt nicht mehr gegeben und die Situation spitzt sich weiter zu. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Wir kämpfen weiter für die Streichung des Paragrafen 219 a StGB, gegen einen Versorgungsnotstand und die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Die Corona-Krise hat den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen weltweit erschwert. Es bleibt notwendig, das Recht auf Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen weltweit zu verteidigen.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 27.09.2020

„Seit bald 150 Jahren steht das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen im Strafgesetzbuch. Nur unter bestimmten Bedingungen dürfen Frauen abtreiben, ohne dass dies bestraft wird. Feministischen Kämpfen haben wir es zu verdanken, dass es Ausnahmen vom Zwang gibt, ein Kind auszutragen. Eine Erlaubnis und Ausnahmen sind zu wenig, wenn es um die körperliche Selbstbestimmung geht. Frauen brauchen ein Recht darauf. Deshalb müssen Schwangerschaftsabbrüche raus aus dem Strafgesetzbuch und ganz normaler Teil der Gesundheitsversorgung werden“, so Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, zum internationalen Safe Abortion Day am 28. September. Möhring weiter:

„Das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen konterkariert eine gute Versorgung. Es wirkt stigmatisierend, Schwangerschaftsabbrüche erscheinen nicht als Teil der gesundheitlichen Versorgung, sondern als etwas, was gesellschaftlich nicht gewollt ist. Angehende Ärztinnen und Ärzte schreckt das ab. Darüber hinaus ist dieser medizinische Eingriff nicht verbindlicher Teil der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten. Schon jetzt gibt es einen Rückgang von Praxen und Einrichtungen, die die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen anbieten. Schon jetzt müssen ungewollt Schwangere in manchen Regionen hunderte Kilometer fahren, um eine Ärztin zu finden. Wir brauchen Bedarfsplanungen, ganzheitliche medizinische Versorgung, ein Recht auf Beratung statt einer Pflicht dazu.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag vom 25.09.2020

Anlässlich des Internationalen Tages für einen sicheren Schwangerschaftsabbruch, der jedes Jahr am 28.September stattfindet, fordert die AWO die Streichung des §218 und §219a aus dem Strafgesetzbuch.

Der Bundesvorsitzende der AWO, Wolfgang Stadler, erklärt hierzu: „Seit der Gründung der Arbeiterwohlfahrt vor über 100 Jahren streitet die AWO für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Grundvoraussetzung für ein freies Leben ist die freie Entscheidung einer jeden Frau, ob, wann und wie viele Kinder sie im Laufe ihres Lebens bekommen möchte.“

Gemeinsam mit ihren bundesweit vorhandenen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen setzt sich die AWO daher für die freie Entscheidung von Frauen über ihren Körper, das Recht auf qualitativ hochwertige und niedrigschwellig verfügbare Informationen, medizinisch sichere Versorgung und eine Abschaffung der Pflichtberatung ein. Zusätzlich zur hochproblematischen Gesetzeslage ist in den letzten Jahren die Zahl der Ärzt*innen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, drastisch zurückgegangen. Dies ist teilweise auf den Rentenbeginn vieler Mediziner*innen zurückzuführen. Da sich das gesellschaftliche Klima durch die Auseinandersetzung um §219a StGB, dem sogenannten Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, zusehend verschärft hat, bieten aber auch Nachfolger*innen aus Angst vor Angriffen durch Abtreibungsgegner*innen keine Schwangerschaftsabbrüche mehr an. Das Recht von Frauen auf gute medizinische Versorgung und eine freie Arztwahl ist dadurch gefährdet.

„Die Corona-Pandemie hat überdeutlich gezeigt, dass es in der Mehrzahl Frauen sind, die unsere Gesellschaft tragen, sei es in den systemrelevanten Berufen oder bei der privaten Fürsorgearbeit zu Hause. Parallel haben sie immer noch nicht die Entscheidungsfreiheit über alle Aspekte ihres eigenen Lebens. Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch ist aus Sicht der AWO elementar für ein selbstbestimmtes Leben“, schließt der Vorstandsvorsitzende.

Anlässlich des „Safe Abortion Day“ beteiligt sich der AWO Bundesverband auch als Partnerin an der Vorabpremiere des Films „Niemals Selten Manchmal Immer“ und dem anschließenden Fachgespräch (besetzt mit Kristina Hänel, Prof. Maria Wersig und Bärbel Ribbert). Der Spielfilm zeigt eine 17-Jährige aus dem ländlichen Raum der USA, die sich auf die Reise nach New York City begibt, um dort eine Schwangerschaft zu beenden. Mehr zur Veranstaltung hier.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 25.09.2020

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Giffey: Update für den Jugendmedienschutz – Belästigung, Beleidigung und Abzocke im Internet wirksam begegnen, klare Alterskennzeichnungen und Regeln durchsetzen

Zocken, chatten, posten: Nicht erst seit den coronabedingten Einschränkungen ist es für Kinder und Jugendliche selbstverständlich, digitale Medien in ihrem Alltag zu nutzen. Im digitalen Raum verbringen sie viel Zeit. Dort tauschen sie sich aus, spielen, hören Musik. Dabei werden sie aber sehr häufig auch mit Bildern, Videos oder Kommentaren konfrontiert, die sie ängstigen. 41 % der Kinder und Jugendlichen fühlen sich im Internet gemobbt, beschimpft und beleidigt oder massiv von Fremden belästigt und bedrängt.

Um diesen Risiken wirksam zu begegnen, hat das Bundeskabinett heute den von Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey vorgelegten Entwurf eines modernen Jugendschutzgesetzes beschlossen.

Das neue Jugendschutzgesetz schafft:Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Interaktionsrisiken wie Mobbing, sexueller Anmache oder KostenfallenOrientierung für Eltern, Fachkräfte und Jugendliche durch einheitliche AlterskennzeichenDurchsetzung der Regelungen auch gegenüber ausländischen Anbietern, die Kinder und Jugendliche besonders viel nutzen.

Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey: „Unser Jugendschutz ist veraltet und im Zeitalter von CD-ROM und Videokassette stehengeblieben. Mit dem neuen Jugendschutzgesetz sorgen wir nun für Regelungen im digitalen Zeitalter. Es passt zu den heutigen technischen Möglichkeiten und es hat die verschiedenen Interaktionsrisiken, die das Internet für Kinder und Jugendliche mit sich bringt, im Blick: Belästigungen, Beleidigungen, Abzocke – denen begegnen wir mit dem Update für den Jugendmedienschutz. Kinder und Jugendliche werden besser geschützt, weil Anbieter von Spielen oder sozialen Netzwerken zu altersgerechten Voreinstellungen verpflichtet werden. Verstöße werden in letzter Konsequenz mit Bußgeldern geahndet. Und Eltern, pädagogische Fachkräfte und die Kinder und Jugendlichen selbst bekommen klare Orientierungshilfen, etwa durch einheitliche Alterskennzeichnungen. In der ‚analogen‘ Welt steht ein effektiver Jugendschutz seit Jahrzehnten außer Frage. Das soll und wird nun auch im Netz umgesetzt.“

Wir stellen sicher, dass Filme oder Spiele die gleiche Alterseinstufung bekommen, egal, ob sie online gestreamt oder im Geschäft an der Ladentheke gekauft werden. Wir sorgen außerdem dafür, dass bei Alterseinstufungen auch Zusatzfunktionen eines Spiels berücksichtigt werden und nicht nur auf den Inhalt abgestellt wird. Insbesondere Kontaktmöglichkeiten, die zu Cybermobbing, Anmache und Missbrauch führen können, und Kostenfallen etwa durch Loot Boxes und glücksspielsimulierende Elemente in Games können zu einer höheren Alterseinstufung führen. Das ist wichtig und auch dringend notwendig, da etwa Chatfunktionen ein Einfallstor für sexuelle Belästigung, das sogenannte Cybergrooming, durch Erwachsene sind.

Über verpflichtende Vorsorgemaßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen bei der Nutzung von Social-Media-Diensten werden auch die Anbieter stärker in die Verantwortung genommen.

„Eltern und Kinder müssen Risiken wie Cybergrooming und Cybermobbing kennen und wissen, was sie in diesem Fall tun können. Vor allem aber stehen die Anbieter in der Verantwortung, Kinder und Jugendliche vor diesen Interaktionsrisiken zu schützen. Mit unserem Gesetzentwurf werden nationale wie internationale Anbieter in die Pflicht genommen, geeignete Schutzkonzepte wie altersgerechte Voreinstellungen und Hilfs- und Beschwerdesysteme für ihre jungen Nutzerinnen und Nutzer zu entwickeln und umzusetzen“, so Ministerin Giffey.

Die bisherige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wird zu einer modernen Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz ausgebaut. Die Bundeszentrale wird dafür zuständig sein, sicherzustellen, dass die vom Gesetz erfassten Plattformen ihren systemischen Vorsorgepflichten (z.B. sichere Voreinstellungen, Beschwerde- und Hilfesystem) nachkommen. Sie soll Verstöße auch gegenüber ausländischen Anbietern ahnden. Mit der Bundeszentrale werden klare Strukturen im Kinder- und Jugendmedienschutz geschaffen. Die Länder bleiben für die inhaltsbezogenen Maßnahmen im Einzelfall zuständig, der Bund nimmt das Massenphänomen Interaktionsrisiken und eine systemische Vorsorge in den Fokus.

Der Entwurf wird nachdrücklich unterstützt von UBSKM, vom Antisemitismusbeauftragten des Bundes, von der Drogenbeauftragten, von Ärzte-, Kinderschutz-, Familien- und Jugendverbänden, von UNICEF und von Kirchen.

Wenn Bundestag und Bundesrat das Gesetz verabschieden, könnten die neuen Regelungen bereits im Frühjahr 2021 in Kraft treten.

Zahlen und Fakten9- bis 17-jährige sind täglich im Schnitt 2,4 Stunden online.Wenn Kinder und Jugendliche im Netz surfen, dann tun sie das weit überwiegend auf ausländischen Plattformen.Über 40 % der 10- bis 18-Jährigen haben im Internet bereits negative Erfahrungen gemacht; über 1 Million von ihnen haben etwas gesehen, das sie geängstigt hat.800.000 der 10- bis 18-Jährigen wurden bereits im Netz beleidigt oder gemobbt.250.000 Kinder wurden von Erwachsenen mit dem Ziel sexuellen Missbrauchs kontaktiert.70 % der Mädchen und Frauen sind bei der Nutzung sozialer Medien von digitaler Gewalt betroffen.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 14.10.2020

Fünfteilige Webserie macht Jugendliche auf Pflegeberuf und die neue Pflegeausbildung aufmerksam

Wie begeistert man Jugendliche angesichts des steigenden Fachkräftebedarfs für eine Ausbildung in der Pflege? Das Bundesfamilienministerium geht neue Wege – mit der fiktiven Miniserie „Ehrenpflegas“. Sie soll auf unkonventionelle und unterhaltsame Weise über den Pflegeberuf und die neue Pflegeausbildung informieren und die Jugendlichen auf den Kanälen erreichen, die sie auch wirklich nutzen. Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey war heute bei der offiziellen Premiere im Berliner Delphi-Filmpalast dabei. Die fünfteilige Serie ist Bestandteil der Kampagne „Mach Karriere als Mensch!“, mit der das Bundesfamilienministerium über die Chancen und die Vielfalt der 2020 gestarteten vollvergüteten Pflegeausbildung aufmerksam macht.

Die zusammen mit den Produzenten von „Fack ju Göhte“ entwickelte „Ehrenpflegas“-Serie erzählt die Geschichte von drei Jugendlichen, die die neue generalistische Ausbildung in der Pflege beginnen. Die Hauptrollen spielen Lena Klenke und Danilo Kamperidis, die beide unter anderem aus der Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“ bekannt sind, sowie „Dark“-Darstellerin Lisa Vicari. Alle drei waren bei der Premiere mit dabei. Produziert wurden die Folgen von Constantin Film. Die Filme werden digital in zielgruppenrelevanten Kanälen beworben und auf dem YouTube-Kanal des Bundesfamilienministeriums ausgespielt.

Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey: „Viele Jugendliche stehen nach bestandenen Abschlussprüfungen in der Schule vor der schwierigen Entscheidung, welche Ausbildung sie machen und welchen Beruf sie ergreifen möchten. Mit der Miniserie „Ehrenpflegas“ wollen wir die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt abholen und genau dort erreichen, wo sie sich Informationen holen: in den sozialen Netzwerken. Ansprechen wollen wir aber genauso Menschen mit dem Wunsch nach beruflicher Neuorientierung. Als Familienministerin arbeite ich gemeinsam mit dem Bundesgesundheits- und dem Bundesarbeitsministerium kontinuierlich daran, den Pflegeberuf attraktiver zu machen – durch bessere Arbeitsbedingungen, eine umfassendere Ausbildung und durch eine höhere Bezahlung. Nur so können wir dem Fachkräftemangel in dieser Branche begegnen. Einen großen Schritt haben wir schon mit der neuen Pflegeausbildung geschafft. Mit der generalistischen Ausbildung können die Fachkräfte in allen Pflegebereichen von der Kinderkrankenpflege bis zur Altenpflege arbeiten. Wichtig ist auch, dass das Schulgeld abgeschafft und überall in Deutschland eine angemessene Ausbildungsvergütung sichergestellt wurde. Dafür wollen wir jetzt Menschen begeistern und gewinnen. Die „Ehrenpflegas“-Serie ist ein weiterer Baustein in unserer Kampagne „Mach Karriere als Mensch“, mit der wir junge Menschen erreichen und über die neue Pflegeausbildung informieren wollen.“

Serie ist Teil der Kampagne „Mach Karriere als Mensch!“ Die Öffentlichkeitskampagne „Mach Karriere als Mensch!“ hat das BMFSFJ im Oktober 2019 im Rahmen der Ausbildungsoffensive Pflege gestartet. Ziel der Kampagne ist es, Jugendliche in der Berufsorientierungsphase und Erwachsene mit dem Wunsch nach beruflicher Neuorientierung für eine Ausbildung in der Pflege zu gewinnen. Für „Mach Karriere als Mensch!“ wurde auch die Pflegeporträtserie „Frühspätnachtdienst“ produziert, in der junge Pflegfachkräfte erzählen, warum sie ihren Beruf gewählt haben und wie ihr Arbeitsalltag aussieht. Diese Porträts sind ebenfalls auf YouTube zu sehen.

Die einzelnen Filme der Serie „Ehrenpflegas“ können Sie hier ansehen: https://www.youtube.com/playlist?list=PLVvNcE1KWVn8Vu9F2UPbRwJoXIUommQcd

Unter diesem Link finden Sie den Trailer zur Serie: https://www.youtube.com/watch?v=iJvZSSe5XdQ&feature=youtu.be

Weitere Informationen zur neuen Pflegeausbildung

Am 1. Januar 2020 ist die neue Pflegeausbildung zur "Pflegefachfrau" oder zum "Pflegefachmann" gestartet, in der erstmals alle Bereiche der Pflege von der Kinderkrankenpflege über die Krankenpflege bis zur Altenpflege vermittelt werden. Für die Ausbildung muss nun kein Schulgeld mehr bezahlt werden, die Auszubildenden erhalten eine angemessene Ausbildungsvergütung, die derzeit nach dem Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes 1.140,69 (1. Ausbildungsjahr), 1.207,07 (2. Ausbildungsjahr) und 1.303,38 (3. Ausbildungsjahr) beträgt. Außerdem ist eine Ausbildung an einer Hochschule mit Bachelor-Niveau möglich. Der generalistische Abschluss wird automatisch EU-weit anerkannt. Damit wurden die Ausbildungsbedingungen verbessert, die Attraktivität des Berufsfeldes Pflege gesteigert sowie der Berufsbereich der Pflege insgesamt aufgewertet.

Um die Einführung der neuen Pflegeausbildungen zu unterstützen, hat das BMFSFJ gemeinsam mit BMG und BMAS die Ausbildungsoffensive Pflege mit insgesamt 111 Maßnahmen gestartet, die im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege entwickelt wurde. Ein Ziel der Offensive ist, die Zahl der Azubis und der ausbildenden Einrichtungen bis 2023 um 10% zu steigern.

Weitere Informationen unter: www.pflegeausbildung.net

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 12.10.2020

Breites Bündnis für mehr Offenheit im Umgang mit psychischer Belastung, Stress und Erschöpfung

Ob am Arbeitsplatz, in Schule, Ausbildung oder Privatleben – der Alltag ist oft stressig. Die Corona-Pandemie hat die Herausforderungen für viele Menschen noch erhöht. Solche Belastungen können zu Überlastung und dauerhafter Erschöpfung führen. Psychische Erkrankungen, die mittlerweile der zweithäufigste Krankheitsgrund sind, können die Folge sein.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn starten am 5. Oktober gemeinsam mit einem breiten Bündnis von über fünfzig Institutionen aus dem Bereich der Prävention die „Offensive Psychische Gesundheit“, damit der gesellschaftliche Umgang mit psychischen Belastungen offener wird.

Die Offensive soll dazu beitragen, dass Menschen ihre eigenen psychischen Belastungen und Grenzen besser wahrnehmen und auch mit Menschen in ihrem Umfeld offener darüber sprechen können. Darüber hinaus möchte die Offensive die Präventionslandschaft in Deutschland mit ihren zahlreichen Anbietern besser vernetzen.

Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales: „Arbeit darf nicht krankmachen. Gerade weil Menschen an ihrem Arbeitsplatz sehr viel Zeit verbringen, muss hier besser auf ihre Gesundheit geachtet werden. Viele Menschen erleben dabei den schmalen Grat zwischen Belastung und Überlastung. Wir möchten Arbeitgeber dabei unterstützen, die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu stärken. Das liegt auch im wirtschaftlichen Interesse der Arbeitgeber, denn psychische Erkrankungen sind mit hohen Ausfallzeiten verbunden. Deshalb haben wir mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz bereits Regelungen für einen verbindlicheren Arbeitsschutz auf den Weg gebracht, die auch die psychische Gesundheit berücksichtigen. Aber wir blicken gemeinsam nicht nur auf den Arbeitsplatz, sondern nehmen alle Lebensbereiche der Menschen in den Blick. Mit der Offensive holen wir das Thema raus aus der Tabuzone.“

Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „Fast jeder kennt es, das Hamsterrad aus alltäglichen Anforderungen und Verpflichtungen. All das kann für Druck sorgen, unter dem viele Menschen Tag für Tag stehen. Mit der Offensive Psychische Gesundheit wollen wir eine gesellschaftliche Debatte anstoßen und dazu beitragen, dass offener über psychische Belastungen gesprochen wird. Für eine bessere Prävention machen wir mit der Offensive die Vielzahl von guten Beratungsangeboten, die es gibt, bekannter, wie die „Nummer gegen Kummer“ für Eltern, Kinder und Jugendliche oder die "Pausentaste" für junge Menschen, die zu Hause Angehörige pflegen. Mit zahlreichen anderen Maßnahmen steht das Bundesfamilienministerium Menschen auch in schwierigen Zeiten bei: Wir fördern Baumaßnahmen in den Kurkliniken des Müttergenesungswerks, Mehrgenerationenhäuser und Programme gegen Einsamkeit im Alter und nehmen im neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz Kinder in den Fokus, deren Eltern psychisch erkrankt sind. Die Offensive sendet ein Signal an Betroffene und ihr Umfeld: Ihr seid nicht allein, denn es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote.“

Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister: „Nicht nur eine Infektion selbst kann krank machen, sondern auch die Sorge davor. Die Corona-Pandemie bedeutet für viele auch eine enorme psychische Belastung, die bei manchen sogar behandlungsbedürftig werden kann. Gerade in dieser Zeit ist es deshalb wichtig, mit Aufklärungsarbeit und Unterstützungs-angeboten für psychische Gesundheit zu sensibilisieren und einen frühen Zugang zu Hilfe zu erleichtern. Die Offensive dreier Ministerien ist dafür ein starkes Signal.“

Zu den Partner*innen der Offensive gehören neben gesetzlichen und privaten Krankenkassen auch die Rentenversicherung sowie Unfallversicherungsträger und Berufsgenossenschaften, die Bundesagentur für Arbeit, berufsständische Verbände von Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen, Bündnisse und Betroffeneneinrichtungen im Bereich psychische Gesundheit und weitere Multiplikator*innen. Eine solche ressortübergreifende Initiative von BMAS, BMG und BMFSFJ mit breiter Unterstützung unterschiedlicher Akteur*innen zur Stärkung der Prävention in Deutschland ist bisher einmalig.

Im Rahmen der Offensive Psychische Gesundheit sollen die Präventionsanbieter und -anbieterinnen und weitere Partner in zwei Dialogveranstaltungen eine Bestandsaufnahme, die Verabredung gemeinsamer Ziele und die Vernetzung ihrer Angebote vornehmen. Die Erkenntnisse der Fachdialoge werden dokumentiert und veröffentlicht.

Alle Informationen zur Offensive auf: www.offensive-psychische-gesundheit.de

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 05.10.2020

BMFSFJ startet ESF-Förderprogramm zur Stärkung der Teilhabe älterer Menschen

Mit zunehmendem Alter wird das soziale Netzwerk der meisten Menschen kleiner. Isolation und Einsamkeit sind häufig die Folgen. Der Austritt aus dem Berufsleben, gesundheitliche Probleme, Einschränkungen der Mobilität und oftmals auch Armut und Migrationshintergrund verstärken das Risiko der sozialen Isolation. Besonders in der Corona-Pandemie sind die negativen Auswirkungen mangelnder sozialer Kontakte deutlich geworden.

Um ungewollter Vereinsamung entgegenzuwirken, fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit fünf Millionen Euro von Oktober 2020 bis September 2022 bundesweit 28 Modellprojekte. Die Mittel stammen aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) im Programm „Stärkung der Teilhabe Älterer – Wege aus der Einsamkeit und Isolation im Alter“. Es ist das erste ESF-Programm dieser Art und richtet sich vorrangig an ältere Beschäftigte (über 60 Jahre), die vom Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt bedroht oder betroffen sind und damit auch von gesellschaftlicher Isolation. Ziel ist es nicht nur, sozialer Vereinsamung vorzubeugen, sondern auch die finanzielle Absicherung im Alter zu stärken.

Direkt vor Ort sollen ältere, sozial isoliert lebende Menschen, fachliche Unterstützung bekommen. Mehr freiwilliges Engagement und regionale Netzwerkarbeit sollen zu einer Verbesserung der Einkommens- und Lebenssituation älterer Beschäftigter beitragen – sowohl während der aktiven Berufstätigkeit als auch in der nachberuflichen Phase.

Bundesseniorenministerin Dr. Franziska Giffey: „Als Gesellschaft darf es uns nicht egal sein, dass Menschen – gerade wenn sie älter werden – vereinsamen. Wir brauchen den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, in Zeiten von Corona mehr denn je. Deshalb ist es wichtig, dass es Angebote vor Ort gibt, die den Menschen helfen, miteinander in Kontakt zu kommen, Patenschaften einzugehen und sich ehrenamtlich zu engagieren. Die bundesweit ausgewählten 28 Projektträger adressieren vor allem die jüngeren Älteren, die bisher bei der kommunalen Altenhilfe weniger im Fokus standen.

Zu den Angeboten zählt digitale Weiterbildung genauso wie Nachbarschaftshilfe oder das Aufzeigen von Perspektiven beim Übertritt vom Berufsleben in die Rente. Ziel muss es sein, die Weichen für ein selbstbestimmtes und aktives Leben im Alter frühzeitig zu stellen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten. Hier setzt das neue ESF-Bundesmodellprogramm an, das wir als Ministerium sehr gern unterstützen.“

Die Maßnahmen umfassen besonders die Themen lebenslanges Lernen, digitale Kompetenzen und freiwilliges Engagement. Der Austausch zwischen den Generationen steht hier ebenso im Mittelpunkt wie die gesonderte Ansprache von älteren Menschen, die aufgrund ihrer sozioökonomischen Ausgangslage besonders von Einsamkeit und Isolation gefährdet sind. Die Projektträger gehören überwiegend den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege an.

Weiterführende Informationen auf den Webseiten der ESF-Regiestelle und des ESF: https://www.esf-regiestelle.de/foerderperiode-2014-2020/staerkung-der-teilhabe-aelterer-wege-aus-der-einsamkeit-und-sozialen-isolation-im-alter.html (*hier wird noch eine Übersicht zu allen geförderten Projekten eingestellt werden); https://www.esf.de/portal/DE/Foerderperiode-2014-2020/ESF-Programme/bmfsfj/staerkung-teilhabe-aeltere.html

Aktuell-Meldung vom 24.06.2020 zum Start der Ausschreibungsphase des ESF-Förderprogramms: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/sozialer-isolation-und-einsamkeit-aelterer-menschen-vorbeugen/156570

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 01.10.2020

Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes beschlossen. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt die Initiative von Bundesfamilienministerin Giffey für eine bessere Orientierung für Kinder, Jugendliche und Eltern und mehr Schutz im Internet.

„Kinder und Jugendliche nutzen heute andere Medien und sie nutzen sie immer intensiver. Das birgt einerseits viele neue Chancen auf Teilhabe und andererseits neue Gefahren. Weil die bisherige Ausrichtung des gesetzlichen Kinder- und Jugendmedienschutzes nicht mehr der heutigen Mediennutzungsrealität entspricht, wollen wir jetzt modernisieren.

Gerade in Pandemiezeiten sind Kinder und Jugendliche noch häufiger in der digitalen Welt unterwegs. Wir wollen, dass sie dort sicher unterwegs sind. Deshalb sollen sie einerseits vor aktuellen Risiken, wie zum Beispiel sexueller Anmache, Mobbing und Kostenfallen, bestmöglich geschützt werden. Andererseits sollen Eltern und Fachkräfte in Zukunft mehr Orientierung bekommen, um Kinder und Jugendliche im Netz kompetent zu begleiten.“

Quelle: Pressemitteilung SPD – Bundestagsfraktion vom 14.10.2020

Das Jugendschutzgesetz wird reformiert

Heute hat das Kabinett den Entwurf zur Reform des Jugendmedienschutzes beschlossen. Dazu erklärt die Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Nadine Schön:

„Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt, dass Bundesministerin Giffey endlich die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Jugendmedienschutzes vorlegt. Eine Novellierung ist dringend erforderlich. Das derzeit geltende Gesetz stammt noch aus einer Zeit, in der es weder Smartphones oder Online-Games noch Plattformen wie YouTube, WhatsApp oder Instagram gab.

Mit dem Gesetz wird der Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz verbessert, damit sie digitale Angebote sicher nutzen können, etwa wenn sie online spielen oder sich untereinander austauschen. Dabei geht es nicht nur um die Kontrolle von Inhalten, sondern auch um Funktionalitäten, die Risiken bergen können, wie beispielsweise Chat-Funktionen.

Dafür werden die Plattformbetreiber stärker in die Verantwortung genommen, zum Beispiel durch die Vorgabe, sichere Voreinstellungen vorzunehmen und geeignete Altersprüfungen einzuführen. Damit die Umsetzung des Gesetzes effektiv gesteuert werden kann, schlägt der Gesetzentwurf des BMFSFJ eine neue Bundeszentrale vor. Wir werden im parlamentarischen Verfahren prüfen, ob dies eine sinnvolle Ergänzung ist oder ob – im Zusammenspiel mit den Ländern – andere Instrumente effektiver wären. Diskussionsbedarf sehen wir zudem bei dem vorgeschlagenen System der Alterskennzeichnung, die auch Interaktionsrisiken wie Kommentarfunktion oder Kaufoption einbezieht. Hier sollten wir über Alternativen nachdenken. Dennoch: Der erste Schritt für einen verbesserten Jugendmedienschutz ist getan.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU – Bundestagsfraktion vom 14.10.2020

„Während die einen bis zum Umfallen arbeiten, sind die anderen unfreiwillig in Teilzeit oder finden keine Beschäftigung. Wir müssen die Arbeit umverteilen. Wir brauchen sichere Arbeitsverhältnisse für alle: mit einer kürzeren Vollzeit bei Lohnausgleich", kommentiert Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, die Meldung des Statistischen Bundesamtes, wonach 4,4 Millionen Menschen mehr arbeiten wollen. Ferschl weiter:

„Eine Umverteilung der Arbeit in Form der Arbeitszeitverkürzung ist nicht nur die logische Antwort auf die Corona-Krise und auf die parallel stattfindende Transformation mit den drohenden Beschäftigungsverlusten. Wir würden auch diejenigen schützen, die auf Kosten ihrer Gesundheit unter überlangen Arbeitszeiten, unbezahlten Überstunden und unter einer zunehmenden Arbeitsverdichtung leiden. So können alle von ihrer Arbeit gut und gesund leben.

DIE LINKE fordert, die zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz von 48 auf 40 Stunden pro Woche zu senken. Wir unterstützen die Gewerkschaften in ihrer Auseinandersetzung um weitere tarifliche Arbeitszeitverkürzungen. Zudem muss es ein Recht auf eine arbeitsvertragliche Mindeststundenzahl von 22 Stunden pro Woche geben, wovon nach unten nur auf Wunsch der Beschäftigten abgewichen werden kann."

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 09.10.2020

Für 245.817 volljährige Kinder mit einer Behinderung wird Kindergeld von der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit gezahlt. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/22408) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/21990) mit. Statistische Daten für die Familienkassen des öffentlichen Dienstes lägen nicht vor. Der Kindergeldanspruch für ein Kind, das wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, bestehe ohne eine Altersbegrenzung, gegebenenfalls also ein Leben lang. Die Familienkassen müssten in angemessenen Zeitabständen überprüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen weiter vorliegen würden. Dabei sehe das Verfahren so weit wie möglich Vereinfachungen vor, um die Eltern vor überflüssiger Bürokratie zu verschonen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1072 vom 07.10.2020

Mit einer gesetzlichen Änderung des Anspruchs auf Freistellung und Entgeltfortzahlung bei Erkrankung der Kinder will die Linksfraktion zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Es seien gerade die alltäglichen, häufig und kurzfristig auftretenden Erkrankungen, die Eltern logistisch vor große Herausforderungen stellten, heißt es in einem Gesetzentwurf (19/22496) der Fraktion.

Die jetzigen Regelungen seien insbesondere für alleinerziehende Eltern in prekärer Beschäftigung problematisch. Für sie greife häufig keine besondere tarifliche Regelung, die zeitliche Begrenzung des Krankengeldersatzanspruchs im SGB V sei bei kleineren Kindern schnell erreicht.

Die Abgeordneten fordern, den Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung wie auch die finanzielle Absicherung der Betreuung erkrankter Kinder im Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) eigenständig zu regeln. Der Krankengeldanspruch gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen soll entfristet werden.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1067 vom 07.10.2020

Die von den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke geforderte Einführung einer Kindergrundsicherung stößt bei Experten auf ein großes Maß an Zustimmung. Allerdings seien diese auch mit großen finanziellen Belastungen für die öffentliche Hand verbunden. Dies wurde in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses über Anträge der Grünen (19/14326) und Linken (19/17768) am Montag deutlich.

Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband und Alexander Nöhring vom Zukunftsforum Familie begrüßten die Anträge von Grünen und Linken als "wichtige Meilensteine" für eine grundlegende Reform der finanziellen Absicherung von Kindern und Jugendlichen. Schneider verwies darauf, dass sich trotz günstiger ökonomischer Entwicklung mit steigender Erwerbstätigenzahl die soziale Ungleichheit in Deutschland nicht verbessert habe. Für die weitere Debatte sei zentral, dass eine Kindergrundsicherung auf einer sachgerechten Ermittlung der Bedarfe von Kindern und Jugendlichen aufsetze, wie dies auch in beiden Anträge gefordert werde. Nach Ansicht von Nöhring ist die Vielzahlan familien- und kindbezogenen Leistungen in Deutschland kompliziert und für die Anspruchsberechtigten kaum mehr zu durchschauen. Das Kindergeld sei eine zwar bekannte und einfache Leistung, kommt jedoch auf Grund von Verrechnung bei Familien im SGB II-Bezug oder Alleinerziehenden fast gar nicht an. Durch den Kinderfreibetrag im Steuerrecht würden gut verdienende Familien stärker entlastet als Familien, die das Kindergeld bekommen.

Auch nach Ansicht von Christine Volland von der Arbeitsgemeinschaft der Familienverbände in Niedersachsen sind die Anträge von Grünen und Linken als "prinzipiell gut" zu bezeichnen. Die Unterteilung in beiden Anträgen in ein erhöhtes Kindergeld, von dem alle Kinder profitieren, und einen zusätzlichen Betrag, der je nach Einkommen der Eltern und Alter des Kindes gestaffelt wird, sei angemessen und bedarfsgerecht. Romy Ahner vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge wies darauf hin, dass eine Kindergrundsicherung nicht nur Änderungen im Bereich Kindergeld, Kinderzuschlag und Regelbedarfe der Kinder erfordert. Vielmehr seien die Auswirkungen und notwendigen Reformen auch im Unterhaltsrecht und im Steuerrecht mitzudenken und parallel in Angriff zu nehmen.

Martin Hagen vom Zentralen IT-Management der Freien Hansestadt Bremen begrüßte den Antrag der Grünen mit Verweis auf die große Komplexität bei der Beantragung familienpolitischer Leistungen. Die Eckpunkte des Antrags der Grünen führten zu einer Vereinfachung der Leistungen. In Kombination mit der Einwilligung in den Datenaustausch zwischen Behörden könnten sie für erhebliche Entlastungen auf Seiten der Bürger und der Verwaltung sorgen.

Der Volkswirtschaftler Holger Bonin vom Institut zur Zukunft der Arbeit verwies darauf, dass die von Grünen und Linken gemachten Vorschläge für eine Kindergrundsicherung mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden seien. Simulationsrechnungen für ein großzügig ausgestattetes Kindergrundsicherungsmodell wie das der Linksfraktion hätten Nettokosten für die öffentliche Hand von über 40 Milliarden Euro jährlich ergeben. Auch das Modell der Grünen lasse Kosten zwischen 20 und 25 Milliarden Euro erwarten. Bei den begrenzten finanziellen Mittel für die Familienpolitik müsse gefragt werden, ob statt der direkten finanziellen Förderung von Familien Investitionen in eine bessere Qualität der Infrastrukturen und zeitpolitische Instrumente sinnvoller wären.

Für den Deutschen Landkreistag sprach sich Irene Vorholz gegen die Vorschläge von Grünen und Linken aus. Zielführender als eine eigenständige Grundsicherung für Kinder sei es, die vielfältigen kindbezogenen Leistungen weiter zu bündeln. Kinder sollten als Teil ihrer Familie und damit auch als Teil der Bedarfsgemeinschaft zu betrachten, auf die beispielsweise das SGB II und die Sozialhilfe aufbauen. Die Forderung nach einer Kindergrundsicherung suggeriere, dass man Kinder unabhängig von der sozialen Lage ihrer Eltern aus der Armut befreien könne. Allerdings seien Kinder in der Regel bedürftig, weil ihre Eltern bedürftig seien.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1062 vom 06.10.2020

Das von der Europäischen Union unterstützte Schulprogramm zur Versorgung mit Obst, Gemüse, Bananen und Milch an Bildungseinrichtungen erfordert aufgrund der föderalen Strukturen in Deutschland eine Änderung des Landwirtschaftserzeugnisse-Schulprogrammgesetzes. Dazu legt die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf (19/22857) zur innerstaatlichen Koordinierung vor. Weil die Bundesländer eigenverantwortlich an der Durchführung des EU-Schulprogramms teilnehmen, übernehme der Bund lediglich eine Koordinierungsfunktion gegenüber der Europäischen Kommission, heißt es zur Begründung. So werde mit dem Entwurf unter anderem eine Informationspflicht der Bundesländer gegenüber dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eingeführt.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1032 vom 30.09.2020

Die Bundesregierung lehnt die Anhebung des seit 1980 nicht mehr veränderten Höchstbetrags der steuerlichen Begünstigung von Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der auswärtigen Unterbringung eines volljährigen Kindes stehen, ab. Dies macht die Bundesregierung in ihrer als Unterrichtung (19/22815) vorgelegten Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (19/21988) deutlich. Die Maßnahmen des Zweiten Familienentlastungsgesetzes würden bereits zu finanziellen Entlastungen von insgesamt knapp zwölf Milliarden Euro jährlich führen, die insbesondere Familien mit Kindern zugute kommen würden. Vor diesem Grund werde eine zusätzliche Anhebung des Freibetrags für die Kosten eines sich in Berufsausbildung befindenden und auswärtig untergebrachten volljährigen Kindes abgelehnt.

Demgegenüber hatte der Bundesrat darauf hingewiesen, dass der Höchstbetrag für diese Aufwendungen seit dem Jahr 1980 beitragsmäßig nicht mehr angepasst worden sei. Derartige Aufwendungen hätten bis zum Jahr 2001 als Teil des Ausbildungsfreibetrages mit bis zu 1.800 DM berücksichtigt werden können. Seit der Neukonzeption im Jahr 2002 hätten bis zu 924 Euro als Sonderbedarfsfreibetrag geltend gemacht werden können. "Die Höhe des Freibetrages berücksichtigt damit weder den inflationsbedingten Preisanstieg der letzten 40 Jahre noch die aktuelle Mietpreisentwicklung", argumentiert der Bundesrat. Um dem gestiegenen Preisniveau, der allgemeinen Kostenentwicklung und insbesondere dem stetig wachsenden Mietpreisniveau Rechnung zu tragen, halten die Länder eine Erhöhung des Freibetrages auf 1.800 Euro für "dringend geboten".

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1028 vom 29.09.2020

Mehrere Sachverständige haben die von der Bundesregierung geplante steuerliche Entlastung von Familien als zu niedrig bezeichnet. So wies der Bund der Steuerzahler in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag unter Leitung der Vorsitzenden Katja Hessel (FDP) darauf hin, dass fast zehn Milliarden Euro der mit rund 11,8 Milliarden Euro veranschlagten Jahreswirkung des Entlastungsgesetzes auf ohnehin unerlässliche und verfassungsrechtlich gebotene Anpassungsschritte entfallen würden. Damit entspreche das Gesetzesvorhaben zum Großteil lediglich einem politischen Pflichtprogramm, erklärte der Bund der Steuerzahler, der allerdings die zusätzliche Erhöhung der Kinderfreibeträge ausdrücklich begrüßte. Gefordert wurde von der Organisation unter anderem eine bessere steuerliche Berücksichtigung der Kosten für ein Homeoffice. Gerade Familien hätten in der Corona-Krise erhebliche Belastungen zu stemmen.

Nach dem Entwurf der Bundesregierung (19/21988) eines "Zweiten Familienentlastungsgesetzes" sollen das Kindergeld und die steuerlichen Kinderfreibeträge zum 1. Januar 2021 steigen. Vorgesehen sind eine Erhöhung von 15 Euro beim Kindergeld und eine entsprechende Anpassung der Freibeträge. Dem Entwurf zufolge wird das Kindergeld für das erste und zweite Kind dann jeweils 219 Euro, für das dritte Kind 225 Euro und für das vierte und für jedes weitere Kind jeweils 250 Euro pro Monat betragen. Mit dem Entwurf sollen auch der Grundfreibetrag angehoben sowie die kalte Progression ausgeglichen werden.

Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine kritisierte den übermäßig starken Anstieg des Steuertarifs in der ersten Progressionszone. Dadurch werde bereits bei weniger als 15.000 Euro Einkommen ein Grenzsteuersatz von rund 24 Prozent erreicht. Der starke Anstieg bei unteren Einkommen sei sozial ungerecht und leistungsfeindlich, kritisierte die Organisation.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) stellte in seiner Stellungnahme fest, dass der aktuelle Grundfreibetrag wie auch die für die Jahre 2021 und 2022 im Gesetzentwurf vorgesehene Erhöhungen zu niedrig seien. Die Beträge würden sich aus der Bestimmung des Existenzminimums ableiten, dessen Ermittlung aber fragwürdig sei. In anderem Zusammenhang halte der Gesetzgeber durchaus höhere Beträge für geboten, um niedrige Einkommen zum Zwecke der Existenzsicherung vor einem übermäßigen Zugriff zu schützen. So dürfe beispielsweise ein Schuldner im Fall der Pfändung einen Teil seines monatlichen Nettoeinkommens behalten, um sein Existenzminimum zu sichern. Diese gesetzliche Pfändungsfreigrenze liege deutlich sowohl über dem derzeitigen wie auch dem für das kommende und übernächste Jahr im Gesetzentwurf vorgesehenen Grundfreibetrag.

Wie der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine kritisierte auch der DGB die hohe Steuerbelastung in der ersten Progressionszone und den frühen Zugriff des Spitzensteuersatzes ab einem zu versteuernden Einkommen von 57.052 Euro, der somit nicht nur Spitzenverdiener betreffe. Die Bundessteuerberaterkammer empfahl ebenfalls, den Spitzensteuersatz erst bei höheren Einkünften als heute wirksam werden zu lassen.

Der Deutsche Steuerberaterverband regte an, den Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsaufwand eines Kindes stärker anzuheben als vorgesehen. Außerdem müsse dieser Wert, der zuletzt 2010 angehoben worden war, in Zukunft regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter lobte die Verbesserung der staatlichen Unterstützung für Familien mit Kindern, kritisierte aber zugleich, dass die geplanten Verbesserungen nicht alle Familien erreichen würden. Insbesondere Familien mit kleinem beziehungsweise keinem Einkommen und Alleinerziehende würden nur wenig profitieren.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag empfahl, die durch die kalte Progression erwachsende Zusatzbelastung der Steuerpflichtigen in Zukunft automatisch durch einen Einkommensteuertarif "auf Rädern" zu beseitigen. Dies werde bereits in einigen OECD-Ländern praktiziert. Mit dem "Tarif auf Rädern" werden die Schwellenwerte der Progressionszonen im Zeitablauf automatisch an das Preisniveau beziehungsweise die Lohnentwicklung angepasst. Auch der Deutsche Steuerberaterverband empfahl die Einführung des "Tarifs auf Rädern", um der laufenden Geldentwertung wirksam entgegenzutreten.

Nach Ansicht der Hans-Böckler-Stiftung sind die Entlastungen des zweiten Familienentlastungsgesetzes für sich genommen aus verteilungspolitischer Perspektive "relativ ausgewogen". Dies gelte aber nicht für das Gesamtbild unter Einbeziehung der Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags ab 2021: "Hier ergeben sich hohe absolute und relative Entlastungen für deutlich überdurchschnittliche Einkommen." Zusammen mit der Teilabschaffung des Solidaritätszuschlages komme es mittelfristig zu einer Entlastung von rund 20 Milliarden Euro. Weitergehende Steuersenkungen sollten mit Blick auf wichtige öffentlicher Bedarfe unterbleiben, empfahl die Hans-Böckler-Stiftung.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1020 vom 28.09.2020

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf (19/22750) zur verfassungskonformen Ermittlung und Ausgestaltung der Regelbedarfe in der Grundsicherung für Arbeitssuchende, in der Sozialhilfe und im Asylbewerberleistungsgesetz vorgelegt. Bei Vorliegen einer neuen Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) ist die Regierung gesetzlich verpflichtet, die Regelsätze anzupassen. Sie verweist in dem Entwurf darauf, dass im Unterschied zu vorangegangenen Regelsatzänderungen die aktuellen Anpassungen bei den Kommunikationsausgaben auch die Kosten für die Handynutzung mit berücksichtigen sollen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1007 vom 24.09.2020

Eine repräsentative Umfrage des Berliner Beirats für Familienfragen ergab, dass die fehlenden sozialen Kontakte und die Mehrfachbelastung durch Arbeit plus Homeschooling und fehlender Kinderbetreuung für Familien die größten Herausforderungen in der Zeit des Corona-Lockdowns darstellten.

Dabei spielte das Alter der Kinder eine große Rolle. Je jünger die Kinder, desto höher war die Belastung. Aber auch das Familieneinkommen spielte eine große Rolle: Familien mit geringerem Einkommen befanden überdurchschnittlich stark finanzielle Sorgen und Ängste sowie beengte Wohnverhältnisse bzw. eine Wohnumgebung mit wenig Aufenthaltsqualität als belastend.

Die meisten Schulkinder benötigten beim Homeschooling viel Unterstützung durch ihre Eltern bzw. deren Partnerinnen und Partner. Die Mehrheit der Schulkinder erhielt Hilfe von Lehrkräften sowie weiteren Familienmitgliedern und Freunden. Ein Drittel der befragten Familien mit Schulkindern gab an, keine Unterstützung erhalten zu haben.

Bei einem möglichen erneuten Lockdown wünschen sich die befragten Familien vor allem:

  • keine Kontaktsperre für enge Familienangehörige
  • (weitestgehende) Offenhaltung der Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Ausbildungsstätten, Hochschulen etc.
  • Unterstützung durch den Arbeitgeber (z. B. durch flexible Arbeitszeiten, Homeoffice)
  • Unterstützung beim Homeschooling durch Lehrkräfte bzw. Schulen
  • bessere Erreichbarkeit der Behörden
  • Offenhaltung der Spielplätze

Informationen zur Umfrage:

Forsa befragte im August 2020 über 750 Berliner Familien zu ihren Erfahrungen während des coronabedingten Lockdowns. Der Berliner Familienbeirat hatte die Online-Umfrage in Auftrag gegeben, um in Erfahrung zu bringen, welche Unterstützung sich die Familien in
Berlin für den Fall eines erneuten Lockdowns bzw. einer Verschärfung der Einschränkungen wünschen würden.
Die Auswertung steht auf der Homepage des Berliner Beirats für Familienfragen www.familienbeirat-berlin.de zum Download bereit.

Quelle: Pressemitteilung Berliner Beirat für Familienfragen vom 01.10.2020

Rörig: „Die Androhung härterer Strafen allein reicht nicht aus, um sexuelle Gewalt nachhaltig zu bekämpfen. Ich fordere alle politisch Verantwortlichen auf, sich mit konkreten Maßnahmen deutlich stärker gegen Missbrauch zu engagieren.“

Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat sich vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um Strafverschärfungen und knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl mit einem Positionspapier 2020: „Gemeinsam gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Wie Bund, Länder und die politischen Parteien Kinder und Jugendliche besser vor sexueller Gewalt schützen können.“ an alle politischen Verantwortungsträger in Bund und Ländern gewandt und dieses heute in Berlin öffentlich vorgestellt.

Wir dürfen nicht den Fehler machen zu glauben, dass sich die Bekämpfung von Missbrauch alleine durch Strafverschärfungen verbessern lässt,“ sagt Rörig. „Wenn wir den Schutz von Kindern und Jugendlichen ernst nehmen, müssen ALLE den Kampf gegen sexuellen Missbrauch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen und aktiv führen.“

Im Positionspapier 2020 sind konkrete Handlungsempfehlungen, wie sexueller Missbrauch durch politisches Handeln bekämpft werden sollte, zusammengefasst. Um eine nachhaltige Verankerung des Maßnahmenpakets zu erreichen, hat Rörig das Positionspapier 2020 in dieser Woche persönlich an alle Partei- und Fraktionsvorsitzenden, die parlamentarischen Fachausschüsse und zuständigen Fachminister*innen in Bund und Ländern sowie an die Regierungschef*innen der Länder versandt.

Rörig: „Ich möchte, dass die Handlungsempfehlungen aus dem Positionspapier 2020 in die Wahlprogramme und darauf aufbauende Regierungsprogramme einfließen. So kann aus diesem Maßnahmenpaket überprüfbares, politisches Handeln werden.“

Im Positionspapier 2020 fordert der Missbrauchsbeauftragte, dass auch auf höchster politischer Ebene eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche stattfindet. Rörig schlägt deshalb unter anderem eine gesetzlich verankerte, regelmäßige Berichtspflicht seines Amtes gegenüber Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat zum Ausmaß der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und zum Stand von Prävention, Intervention, Hilfen, Forschung und Aufarbeitung vor, ähnlich wie es für den Bundesdatenschutzbeauftragten geregelt ist.

„Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt wird in Bund und Ländern gerne den jeweiligen Familienressorts überlassen“, sagt Rörig. „Ob auf Bundes- oder Landesebene: Nahezu alle Ressorts, wie zum Beispiel Gesundheit, Soziales, Finanzen, Justiz oder Bildung, müssen endlich interdisziplinär zusammenarbeiten. Nur geschlossen und aufeinander abgestimmt kann wirklich etwas bewegt, Missbrauch bestmöglich verhindert, das Entdeckungsrisiko für Missbrauchstäter und -täterinnen erhöht und Betroffenen geholfen werden.“

Den Bundesländern empfiehlt er, auf der Basis einer umfassenden Defizit- und Bestandsanalyse einen eigenen ressortübergreifenden Masterplan zur Verbesserung des Schutzes von Minderjährigen vor sexueller Gewalt und den Folgen zu entwickeln und umzusetzen. Zudem sollte in jedem Bundesland das Amt einer/eines „Landesbeauftragten für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt eingerichtet werden, der/dem die Federführung für die Erarbeitung eines solchen Masterplans sowie die fachliche Unterstützung bei der Umsetzung übertragen wird.

Zuletzt hatten die Missbrauchsfälle Lügde, Bergisch Gladbach und Münster zu einer breiten politischen Debatte zum Thema Strafverschärfungen geführt. Rörig betont vor diesem Hintergrund: „Die öffentliche Skandalisierung dieser spektakulären Missbrauchsfälle ist trügerisch, denn es entsteht der Eindruck einer vermeintlichen Einzigartigkeit. Tatsächlich handelt es sich bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche keineswegs um „Einzelfälle“, so skandalös sie uns auch erscheinen mögen, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen enormen Ausmaßes. Sexueller Missbrauch findet täglich, überall und mitten unter uns statt. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass jede und jeder ein Kind kennt, das sexuelle Gewalt erlitten hat oder aktuell erleidet.“

Der Missbrauchsbeauftragte betont abschließend, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt zu den grundlegenden Aufgaben des Staates gehört und fordert eine an den Kinderrechten orientierte politische und gesellschaftliche Grundhaltung.

Quelle: Pressemitteilung Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vom 02.10.2020

Studie untersucht Alternativen zum Ehegattensplitting – Realsplitting mit niedrigem Übertragungsbetrag ist ein guter Kompromiss zwischen verschiedenen Anforderungen – Reform würde Erwerbsbeteiligung von Frauen fördern und Steuermehraufkommen von zehn Milliarden Euro erzielen

Das in Deutschland seit den 50er Jahren gültige Ehegattensplitting führt zu hohen Steuersätzen bei Zweitverdienenden, was die Arbeitsmarktbeteiligung vor allem von Frauen reduziert. Verschiedene Reformvorschläge haben aber nicht die gewünschten Effekte oder unerwünschte Nebenwirkungen, wie aktuelle Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigen. Die StudienautorInnen haben traditionelle Vorschläge ebenso untersucht wie Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium und des Internationalen Währungsfonds.

Sie schlagen stattdessen ein Realsplitting mit einem niedrigen Übertragungsbetrag von maximal 9 696 Euro vor. Dies würde bedeuten, dass nur Einkommen in Höhe des Grundfreibetrags von besserverdienenden PartnerInnen auf geringer verdienende PartnerInnen übertragen werden könnten. Der oder die EmpfängerIn muss den Betrag als sonstiges Einkommen versteuern. Dadurch ist auch bei Alleinverdiener-Ehepaaren das Existenzminimum beider PartnerInnen steuerfrei gestellt. „Unser Vorschlag ist nicht nur relativ leicht umzusetzen und transparent. Er vermeidet auch unerwünschte Verteilungswirkungen zugunsten von besserverdienenden Beidverdiener-Paaren“, sagt Stefan Bach, der die Studie zusammen mit Björn Fischer, Peter Haan und Katharina Wrohlich durchgeführt hat.

Hohe Anforderungen an eine Reform des Ehegattensplittings

Eine Reform des Ehegattensplittings muss schwierige Zielkonflikte abwägen: Zum einen sollen Steuervorteile für Alleinverdiener-Paare mit hohen Einkommen abgebaut sowie die Grenzbelastung auf den Zweitverdienst reduziert werden, damit die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen gefördert wird. Zum anderen sollen untere Einkommensgruppen nicht stärker belastet werden. Komplett abgeschafft wird das Ehegattensplitting in Deutschland auf absehbare Zeit nicht, meint Studienautorin Katharina Wrohlich: „Eine Individualbesteuerung wie in Schweden oder Österreich kann aufgrund von rechtlichen Hürden in Deutschland nicht eingeführt werden.“
Die DIW-ÖkonomInnen haben daher Reformoptionen analysiert, die in den letzten Jahren etwa vom Internationalen Währungsfonds vorgelegt wurden. Die Simulationsstudie zeigt: Ein Realsplitting mit höherem Übertragungsbetrag oder ein übertragbarer Grundfreibetrag verringern die Grenzbelastung des Zweitverdiensts kaum und erhöhen die Erwerbsquote von Frauen nur wenig. Zusatzfreibeträge hingegen entlasten insbesondere Paare mit mittleren und höheren Einkommen, bei denen beide PartnerInnen verdienen, zusätzlich. Dies wird zwar bei einem Steuerabzugsbetrag vermieden, der von der Steuerschuld und nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen wird. Dies stößt in Deutschland aber auf rechtliche und ideologische Vorbehalte. „Ein Realsplitting mit einem Übertragungsbetrag in Höhe des Grundfreibetrags – also maximal 9 696 Euro – ist daher ein guter Kompromiss“, sagt Björn Fischer.

Reform würde Erwerbsbeteiligung von Frauen fördern

Die StudienautorInnen erwarten, dass bei dieser Reform die Arbeitsstunden verheirateter Frauen um 1,7 Prozent und ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt um 0,6 Prozentpunkte steigen würde. Zudem erzielt die Reform Steuermehreinnahmen von zehn Milliarden Euro pro Jahr, davon allein zwei Milliarden Euro durch die Arbeitsmarkteffekte. Die Belastungen werden dabei zum Großteil von Paaren aus den obersten beiden Einkommensdezilen getragen. „Das zusätzliche Steueraufkommen könnte man dazu verwenden, Familien über höheres Kindergeld, Kinderfreibeträge oder auch eine bessere Kinderbetreuungsinfrastruktur breit zu entlasten“, so Stefan Bach. „Das hilft gerade Familien mit kleineren Kindern viel mehr als die paar Euro, die sie beim Ehegattensplitting sparen.“

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 07.10.2020

Kurzarbeit hat während der Corona-Pandemie ein deutlich anderes „Profil“ bekommen als in vorherigen Wirtschaftskrisen. Erstmals haben beispielsweise kleine Betriebe das Instrument häufiger als größere genutzt, um durch die Krise zu kommen und Entlassungen zu vermeiden. Und während in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 Männer fast dreimal so häufig wie Frauen in Kurzarbeit waren (damals 6,3 Prozent der männlichen vs. 2,3 Prozent der weiblichen Beschäftigten in Deutschland), war im Juni 2020 die Quote unter beiden Geschlechtern mit jeweils rund 13 Prozent Beschäftigten in Kurzarbeit beinahe gleich hoch. Das liegt wesentlich daran, dass in der Pandemie nicht nur Industriebetriebe stark betroffen sind, sondern auch viele Dienstleistungsbranchen. Im Vergleich zu vorherigen Wirtschaftseinbrüchen ist damit die gesamtwirtschaftliche Quote der Kurzarbeitenden sehr hoch, ebenso wie mit rund 50 Prozent auch der Anteil, um den die Arbeitszeit im Durchschnitt reduziert wurde. Entsprechend groß ist die Bedeutung einer Aufstockung des Kurzarbeitergeldes, um Einkommensverluste zu reduzieren. In Betrieben mit Tarifvertrag und/oder Betriebsrat wird das Kurzarbeitergeld dabei fast doppelt so häufig aufgestockt wie in Betrieben, die nicht über Tarifbindung und/oder Mitbestimmung verfügen. Das sind wesentliche Ergebnisse einer neuen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler Stiftung.*

Die Autoren Dr. Toralf Pusch und Dr. Hartmut Seifert haben die Erwerbstätigenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet. Dafür wurden in zwei Wellen im April und im Juni jeweils mehr als 6.000 Menschen befragt. Die Befragung bildet die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab. Das erlaubt es, Arbeitszeiten und Kurzarbeit auf dem bisherigen Höhepunkt der Corona-Krise detailliert auszuleuchten:

Kleinbetriebe und Gastgewerbe nutzten Kurzarbeit am häufigsten

Im Juni gaben 13 Prozent der befragten Beschäftigten an, in Kurzarbeit zu sein. Differenziert man nach Branchen, war Kurzarbeit im Gastgewerbe mit Abstand am stärksten verbreitet (siehe auch Abbildung 1 in der Untersuchung; Link unten): Gut 45 Prozent der dort Beschäftigten befanden sich in Kurzarbeit. Es folgten das verarbeitende Gewerbe mit rund 20 Prozent sowie der Verkehrs- und Logistikbereich mit gut 17 Prozent. Unterdurchschnittlich oft wurde Kurzarbeit unter anderem im Gesundheits- und Sozialwesen (5 Prozent), im Baugewerbe (knapp 4 Prozent) und im öffentlichen Dienst (knapp 3 Prozent) genutzt. Die starke Verbreitung in Branchen wie dem Gastgewerbe mit seinen vielen Kleinbetrieben spiegelt sich nach Analyse der Wissenschaftler in der Kurzarbeits-Quote nach Betriebsgröße wider: In Kleinstbetrieben mit weniger als 5 Beschäftigten waren knapp 17 Prozent von Kurzarbeit betroffen, in großen Betrieben ab 2000 Beschäftigten waren es gut 11 Prozent (Abbildung 2 in der Studie).

Verkürzte und verlängerte Arbeitszeiten

Auch jenseits von Kurzarbeit wurde bei zahlreichen Befragten die Arbeitszeit krisenbedingt verkürzt. Insgesamt arbeiteten 21 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Sample im Juni weniger Stunden als normal. In einigen Branchen musste aber auch ein Teil der Beschäftigten ihre Arbeitszeit ausweiten, um zusätzliche Nachfrage und Anforderungen während der Pandemie bewältigen zu können. Das betraf laut Pusch und Seifert etwa den Handel, wo 19 Prozent der Befragten mehr arbeiteten als normal, während ebenfalls 19 Prozent kürzer treten mussten. Im öffentlichen Dienst arbeiteten 17 Prozent der Beschäftigten Pandemie-bedingt länger, bei neun Prozent wurde die Arbeitszeit reduziert. In beiden Bereichen fiel die Ausweitung der Arbeitszeit bei den von Mehrarbeit Betroffenen erheblich aus: Im Handel um durchschnittlich 5,7, im öffentlichen Dienst um 4,7 Wochenstunden.

Mit Tarif und Mitbestimmung deutlich häufiger Aufstockung

Auch wenn Kurzarbeit zahlreiche Jobs sichern konnte: Für die Betroffenen bedeutet die Arbeitszeitreduzierung Einkommenseinbußen. Schließlich ersetzt das gesetzliche Kurzarbeitergeld (KUG) ab dem 1. Tag lediglich 60 Prozent des Lohns, bzw. 67 Prozent, wenn Kinder im Haushalt leben. „Umso wichtiger sind deshalb tarifliche, betriebliche und gesetzliche Regelungen über Aufstockungen des Kurzarbeitergeldes“, schreiben die Wissenschaftler mit Blick auf die Befragungsdaten: Von den Befragten in Kurzarbeit, die lediglich das normale KUG erhielten, schätzten 49 Prozent, ihr Haushaltseinkommen habe sich um 25 bis 50 Prozent reduziert. Weitere 46 Prozent gingen von Verlusten bis zu 25 Prozent aus. Unter den Kurzarbeitenden mit Aufstockung kamen Einkommenseinbußen jenseits von 25 Prozent hingegen deutlich seltener vor: knapp ein Viertel der Befragten berichtete davon. Bei 73 Prozent blieben die Verluste unter 25 Prozent (Abbildung 4).

Insgesamt erhielten im Juni 46 Prozent der Befragten in Kurzarbeit eine Aufstockung. Darunter dürften einige gewesen sein, die vom höheren gesetzlichen KUG ab dem 4. Monat profitierten – eine neue Regelung, die im Zuge der staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen eingeführt wurde. Eine deutlich größere Bedeutung spielten zum Zeitpunkt der Befragung nach Puschs und Seiferts Analyse aber höhere Leistungen, die durch Tarifverträge und/oder von Betriebsräten vereinbart wurden. So erhielten im Durchschnitt 58 Prozent der Beschäftigten, die nach einem Tarifvertrag bezahlt wurden, eine Aufstockung. In Unternehmen ohne Tarifbindung waren es hingegen lediglich 34 Prozent. Ähnlich groß fiel der Vorsprung in Betrieben mit Betriebs- oder Personalrat aus: In dieser Gruppe lag der Anteil der Kurzarbeitenden mit Aufstockung bei 60 Prozent. Dagegen profitierten in Unternehmen ohne betriebliche Mitbestimmung lediglich 32 Prozent der Beschäftigten von einer Aufstockung.

Kurzarbeit und Weiterbildung

Noch viel Luft nach oben. Kurzarbeit zur Weiterbildung zu nutzen ist nach Analyse der Forscher absolut vernünftig und wurde in früheren wirtschaftlichen Krisensituationen bereits praktiziert, insbesondere wenn diese länger andauerten. Das gilt vor allem für die Transformationsphase der ostdeutschen Wirtschaft nach der deutschen Wiedervereinigung. Zum Befragungszeitpunkt im Juni war der Anteil der Kurzarbeitenden, die seit Beginn der Pandemie an Weiterbildung teilgenommen hatten, mit knapp 10 Prozent allerdings deutlich niedriger als unter Beschäftigten ohne Kurzarbeit (18 Prozent). Das könne unter anderem mit zeitweiligen Betriebsschließungen und der besonders schwierigen Situation vor dem Hintergrund von notwendigen Hygienebestimmungen und Kontaktbeschränkungen zu tun haben, schreiben die Forscher. Trotzdem bestehe ganz offensichtlich „noch Potenzial für eine Ausweitung der Weiterbildungsaktivitäten“.

WSI-Policy Brief Nr. 47, September 2020: Kurzarbeit in der Corona-Krise mit neuen Schwerpunkten

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 14.10.2020

Ein gesetzlicher Rahmen für mobile Arbeit inklusive eines Rechts auf Homeoffice ist sinnvoll und dringend nötig. Das gilt vor allem für eine objektive Zeiterfassung und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Betriebs- und Personalräten. Darauf verweist Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

„Homeoffice kann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Allerdings müssen dafür die Rahmenbedingungen stimmen: Fairer Zugang für alle, die mobil arbeiten möchten und bei denen die Arbeitsinhalte mobiles Arbeiten möglich machen. Und klare Abgrenzungen zwischen Arbeit und Freizeit, damit beides nicht immer weiter verschwimmt. Denn von dieser Gefahr berichten viele Beschäftigte, die mobil arbeiten – auch viele, die es eigentlich gerne tun“, sagt Kohlrausch.

Vor- und Nachteile von Arbeit im Homeoffice beleuchtet eine aktuelle Befragung der Hans-Böckler-Stiftung unter mehr als 6000 Erwerbstätigen. Von den Befragten, die zum Befragungszeitpunkt Ende Juni zumindest teilweise mobil arbeiteten gaben 77 Prozent an, dass sich die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben durch Homeoffice verbessert. Allerdings hatten 60 Prozent der Befragten auch den Eindruck, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen. 37 Prozent gaben an, im Homeoffice mehr Wochenstunden zu arbeiten.

Heimarbeit könne also auch zusätzlichen Druck erzeugen; vor allem, wenn sie im Unternehmen zuvor als nicht selbstverständlich galt und es keine klaren Regeln gebe, betont Forscherin Kohlrausch. So zeigten ältere Studien, dass sich Beschäftigte im Homeoffice nicht selten verpflichtet fühlen, mehr leisten zu müssen und über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu arbeiten, um das „Privileg“ mobiler Arbeit zu rechtfertigen. Dieses Risiko sei besonders groß, wenn die mobile Arbeitszeit nicht erfasst würde. „Die Gesetzesinitiative von Arbeitsminister Hubertus Heil setzt daher an den richtigen Punkten an, auch wenn das vorgeschlagene Volumen von 24 Tagen mobiler Arbeit im Jahr deutlich zu gering ist“, erklärt Kohlrausch. Enorm wichtig seien auch die Mitbestimmungsmöglichkeiten von Betriebs- und Personalräten, wie die aktuelle Umfrage zeigt: Darin beurteilten Befragte ihre Erfahrungen mit dem Homeoffice insgesamt deutlich positiver, wenn in ihrem Betrieb klare Regeln zu mobiler Arbeit galten. Solche Regeln hatten im Juni 2020 rund 62 Prozent der Betriebe mit Betriebs- oder Personalrat, aber nur 37 Prozent der Betriebe ohne Arbeitnehmervertretung. Zudem sei Homeoffice ein wichtiges, aber nicht das einzige Instrument, um Arbeitszeitsouveränität für Beschäftigte zu garantieren. „Hier brauchen wir zusätzliche gesetzliche Regelungen wie zum Beispiel den Ausbau von zeitflexiblen Arbeitsmöglichkeiten für all jene Beschäftigte, die nicht im Homeoffice arbeiten können“, so Kohlrausch.

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 05.10.2020

Die Arbeitsbedingungen sind in tarifgebundenen Unternehmen durchweg besser als in Unternehmen ohne Tarif. Damit sind Arbeitgeber, die sich nicht an Tarifverträge halten, für Beschäftigte weniger attraktiv. So arbeiten Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben im bundesweiten Schnitt wöchentlich eine Stunde länger und verdienen gleichzeitig deutlich weniger als die Kollegen in Betrieben mit Tarifbindung. „Diese Unterschiede unterstreichen die Dringlichkeit, die Tarifbindung in Deutschland zu stärken“, schreiben Dr. Malte Lübker und Prof. Dr. Thorsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung in einer aktuellen Analyse.* Die Forscher haben die Tarifbindung für Deutschland insgesamt und auf Ebene der einzelnen Bundesländer anhand des IAB-Betriebspanels untersucht.

Im Jahr 2019 konnten nur noch 52 Prozent der Beschäftigten in Deutschland auf einen Tarifvertrag zählen, im Jahr 2018, dem aktuellsten, für das auch differenzierte Länder-Daten vorliegen, waren es 54 Prozent. Im Vergleich der Bundesländer liegen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mit 60 Prozent vorn, Schlusslicht ist Sachsen mit nur 40 Prozent (siehe auch die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Gemeinsam ist allen Bundesländern, dass die Arbeitsbedingungen in wesentlichen Punkten wie Arbeitszeit und Entgelt in tariflosen Betrieben deutlich schlechter sind. Teilweise lassen sich die Unterschiede damit erklären, dass tarifgebundene Betriebe im Schnitt größer sind und in Branchen mit tendenziell höheren Löhnen tätig sind.

Doch auch um diese Effekte bereinigt bleibt die Differenz eklatant: Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben arbeiten bundesweit im Schnitt wöchentlich 53 Minuten länger und verdienen elf Prozent weniger als Beschäftigte in Betrieben mit Tarifbindung, die hinsichtlich der Betriebsgröße, des Wirtschaftszweiges, der Qualifikation der Beschäftigten und des Standes ihrer technischen Anlagen identisch sind.

Dabei gibt es deutliche regionale Unterschiede: Längere Arbeitszeiten in tariflosen Betrieben sind in den westdeutschen Bundesländern besonders ausgeprägt, und zwar auch dann, wenn man strukturelle Effekte wie Betriebsgröße und Branche herausrechnet. In Baden-Württemberg arbeiten Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Unternehmen jede Woche 72 Minuten zusätzlich, in Bremen sind es 64 Minuten. Über das Jahr gesehen entspricht dies gut einer zusätzlichen Arbeitswoche – und dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass Beschäftigte ohne Tarifvertrag häufig auch weniger Urlaubstage haben. Beim Entgelt zeigen sich die größten Nachteile in den neuen Bundesländern: In Brandenburg verdienen Beschäftigte in tariflosen Betrieben monatlich 17,7 Prozent weniger als Arbeitnehmer in vergleichbaren Betrieben mit Tarifbindung, in Sachsen-Anhalt beträgt der Rückstand sogar 18,3 Prozent. Um auf ein volles Jahresgehalt ihrer Kollegen mit Tarifvertrag zu kommen, müssen Beschäftigte in tariflosen Betrieben dort also bis in den März des Folgejahres hinein arbeiten.

Die geringeren Löhne in Ostdeutschland lassen sich deshalb auch mit Defiziten bei der Tarifbindung erklären: Zum einen ist die Tarifbindung im Osten durchweg geringer als im Westen, es profitieren also weniger Menschen von Tarifverträgen. Zum anderen unterbieten hier die tariflosen Betriebe die Konditionen der Tarifverträge besonders deutlich. „Das empfinden viele der Betroffenen verständlicher Weise als ungerecht“, so WSI-Experte Lübker. „Tarifverträge schaffen mehr Gerechtigkeit, müssen aber oft hart erkämpft werden.“ Ermutigend seien deshalb Beispiele von ostdeutschen Betrieben, in denen Beschäftigte sich organisiert haben und über Tarifverträge bessere Konditionen durchgesetzt haben. Auch in den ostdeutschen Staatskanzleien habe sich inzwischen die Einsicht durchgesetzt, dass Niedriglöhne im Wettbewerb um Fachkräfte kein Standortvorteil sind.

Bedrohliche Erosion

Mit Tarifverträgen seien in der Bundesrepublik sukzessive kürzere Wochenarbeitszeiten durchgesetzt, Lohnerhöhungen festgeschrieben oder Wahlmöglichkeiten zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit eingeführt worden, schreiben Lübker und Schulten. Vor diesem Hintergrund sei es „eine bedrohliche Entwicklung“, dass die Tarifbindung in den vergangenen zwei Jahrzehnten abgenommen hat – zur Jahrtausendwende hatten noch 68 Prozent der Beschäftigten einen Tarifvertrag. Ein Grund für diese Entwicklung war einerseits der wirtschaftliche Strukturwandel: In industriellen Großbetrieben sind Arbeitsplätze verloren gegangen, während in kleinteiligeren Bereichen neue entstanden sind. Dies mache es für Gewerkschaften heute schwieriger, Mitglieder zu organisieren, so die Experten. Doch auch dort, wo es Gewerkschaften gelingt, durch erfolgreiche Mitgliedergewinnung in tariflosen Betrieben Fuß zu fassen, stößt die Durchsetzung von Tarifverträgen zum Teil auf heftigen Widerstand der Arbeitgeber. Zusätzlich trägt zur Erosion bei, dass sich auch Arbeitgeber aus Branchen, in denen Tarifverträge traditionell verwurzelt sind, einer tariflichen Bezahlung entziehen. Durch die Einführung von sogenannten OT-Mitgliedschaften (ohne Tarifbindung) haben einige Arbeitgeberverbände diese Entwicklung vorangetrieben.

Bundesregierung sollte Tarifautonomie stärken

„Damit Tarifautonomie funktionieren kann, braucht es neben starken Gewerkschaften handlungsfähige Arbeitgeberverbände, die für ihre jeweilige Branche Standards setzen können“, erklären die Wissenschaftler. Gleichzeitig sei auch die Regierung gefordert: Die Erleichterung von Allgemeinverbindlicherklärungen könne die Reichweite von bereits geschlossenen Tarifverträgen erhöhen. Zudem verfügten Bund, Länder und Gemeinden mit der öffentlichen Auftragsvergabe und der Wirtschaftsförderung über einen zusätzlichen Hebel – sie könnten Tariftreue zur Voraussetzung für die Auftragsvergabe oder Förderung machen. Wegweisend seien hier das Landesvergabegesetz in Berlin sowie die Richtlinien zur Wirtschaftsförderung in Mecklenburg-Vorpommern, die sehr weitgehende Tariftreuevorgaben enthielten.

Tarifbindung in den Bundesländern: Entwicklungslinien und Auswirkungen auf die Beschäftigten, Elemente qualitativer Tarifpolitik Nr. 87, Düsseldorf, September 2020

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 01.10.2020

Die Zahl der Kinder unter drei Jahren in Kindertagesbetreuung ist zum 1. März 2020 gegenüber dem Vorjahr um rund 10700 auf insgesamt 829200 Kinder gestiegen. Damit waren 1,3% mehr unter Dreijährige in Kindertagesbetreuung als am 1. März 2019. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, lag die Betreuungsquote am Stichtag bundesweit bei 35,0% (2019: 34,3%).

Höhere Betreuungsquoten in Ostdeutschland

In Ostdeutschland waren durchschnittlich mehr als die Hälfte aller Kinder unter drei Jahren in einer Tagesbetreuung (52,7%), im Westen knapp ein Drittel (31,0%). Im Vergleich der Bundesländer hatten am 1. März 2020 Sachsen-Anhalt (58,3%), Brandenburg (57,7%) und Mecklenburg-Vorpommern (57,6%)die höchsten Betreuungsquoten. Unter den westdeutschen Bundesländern erreichte Hamburg mit 46,7% die höchste Quote, gefolgt von Schleswig-Holstein (35,2%). Am niedrigsten lag die Betreuungsquote in Bremen (29,0%) und Nordrhein-Westfalen (29,2%).

Betreuungsquoten steigen mit dem Alter der Kinder

Bundesweit waren 1,8% der Kinder unter einem Jahr in einer Kindertagesbetreuung. Dagegen haben 37,5% der Einjährigen ein Angebot der Kindertagesbetreuung in Anspruch genommen, bei den Zweijährigen waren es schon fast zwei Drittel (64,5%). Seit dem 1.August 2013 gibt es für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen bundesweiten Rechtsanspruch auf einen öffentlich geförderten Betreuungsplatz.

Bei der Betreuungsquote handelt es sich um den Anteil der in Kindertageseinrichtungen (zum Beispiel Kindertagesstätte) oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege (zum Beispiel öffentlich geförderter Betreuungsplatz bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater) tatsächlich betreuten unter Dreijährigen an allen Kindern dieser Altersgruppe.

1,6% mehr Kindertageseinrichtungen und 4,5% mehr Personal als 2019

Am 1. März 2020 gab es bundesweit knapp 57600 Kindertageseinrichtungen. Das waren knapp 900Einrichtungen mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres (+1,6%). Die Zahl der dort als pädagogisches Personal oder als Leitungs- und Verwaltungspersonal beschäftigten Personen stieg um 4,5% auf rund 682900. Die Zahl der Tagesmütter und -väter erhöhte sich leicht um 0,1% auf rund 44800.

30 Jahre Deutsche Einheit

Informationen zu regionalen Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen östlichen und westlichen Bundesländern 30 Jahre nach der deutschen Vereinigung finden Sie in unserem Statistik-Dossier sowie auf unserer Themenseite "30 Jahre Deutsche Einheit".

Basisdaten zur Kindertagesbetreuung in Deutschland können über die Tabellen Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen (22541), Statistik der öffentlich geförderten Kindertagespflege (22543) und Personen in Großtagespflegestellen und betreute Kinder (22545) in der Datenbank GENESIS-Online abgerufen werden.

Quelle: Pressemitteilung DESTATISStatistisches Bundesamt vom 30.09.2020

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Heute, am 29. September findet von der AGF und COFACE Families Europe ein gemeinsames Europäisches Fachgespräch zum Thema "The Child Guarantee – a tool to tackle family poverty?“ statt. Im Rahmen der Gremiensitzungen von COFACE Families Europe, die bereits gestern stattgefunden haben, ist Sven Iversen, Geschäftsführer der AGF, zum Vize-Präsidenten der COFACE gewählt worden. Die bisherige Präsidentin Annemie Drieskens vom belgischen Familienverband Gezinsbond sowie die zweite Vize-Präsidentin Antonia Torrens aus Griechenland wurden in ihrem Amt bestätigt. Neue Schatzmeisterin ist Sylvia Stanic aus Kroatien.

Beim heutigen Europäischen Fachgespräch steht das Thema der sogenannten Kindergarantie im Mittelpunkt. Hinter der Idee der „Kindergarantie“ steht das Ziel der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments, für alle Kinder und Jugendliche in fünf zentralen Lebensbereichen Garantien für eine Mindestversorgung zu schaffen. Dabei geht es um die Sicherung des Zugangs von Kindern zu kostenloser medizinischer Versorgung, unentgeltlicher Bildung, kostenlosen Betreuungseinrichtungen, angemessenen Wohnverhältnissen und geeigneter Ernährung. Die Initiative soll insbesondere die Teilhabechancen von Kindern in besonders armutsgefährdeten Familiensituationen, Kindern mit Migrations- oder Fluchterfahrung, Kindern in Heimunterbringung und Kindern mit Behinderung stärken.

Aus Sicht der AGF und COFACE Families Europe ist die Kindergarantie eine vielversprechende Initiative und bietet die Gelegenheit, den Kampf gegen Kinder- und Familienarmut zu verstärken und die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte des Kindes weiter voranzutreiben.

Dazu diskutieren ca. 30 Expert/innen vor Ort in Berlin und weitere 90 Expert/innen, die per Videokonferenz dieser Tagung zugeschaltet werden. Eine Grußwort hält Nicolas Schmidt, Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration in der Europäischen Kommission. Dieses steht bereits als Videobotschaft inklusive Transkription auf der Website von coface Families Europe zur Verfügung: http://www.coface-eu.org/consumers/children/kick-off-video-address-to-citizens-by-european-commission-for-jobs-and-social-rights-nicolas-schmit-full-speech-transcript/.

Im Zentrum der Veranstaltung stehen die Vorstellung einer Machbarkeitsstudie zur Implementierung der Kindergarantie sowie die Fragen wie die Kindergarantie aus der Sicht von Familien gestaltet werden muss und wie nationale Ansätze der Implementierung der Kindergarantie aussehen könnten. Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Website unter https://www.ag-familie.de/news/1598344330Veranstaltung_Kindergarantie.html, wo auch im Nachgang der Veranstaltung eine Zusammenfassung der Diskussionen eingestellt werden.

Quelle: Pressemitteilung Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V. vom 29.09.2020

Corona-Krise stellt auch für die soziale Infrastruktur in Deutschland einen „nie dagewesenen Stress-Test“ dar

Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) eine befristete Verlängerung der Schutzschirme für Träger sozialer Dienste über den 31. Dezember 2020 hinaus. „Die bisherigen Schutzpakete mit dem SodEG und dem Krankenhausentlastungsgesetz haben erheblich dazu beigetragen, dass die vielfältige Infrastruktur an sozialen und gesundheitsbezogenen Leistungen zum großen Teil aufrechterhalten werden konnte. Diese Schutzschirme laufen jedoch alle spätestens zum Jahresende 2020 aus. Deshalb brauchen wir hier dringend eine Lösung“, sagt BAGFW-Präsidentin Gerda Hasselfeldt.

Die Corona-Krise stellt auch für die soziale Infrastruktur in Deutschland nach Einschätzung der BAGFW einen „nie dagewesenen Stress-Test“ dar. Auf allen Ebenen der Wohlfahrtsarbeit werde versucht, Dienste und Hilfen in möglichst großem Umfang und zum Teil in veränderter Form aufrecht zu erhalten. Betretungsverbote und andere pandemiebedingte Vorgaben hätten jedoch Einschränkungen vieler Angebote und Mehraufwendungen für die Träger unvermeidbar mit sich gebracht. „Steigende Infektionszahlen zeigen, dass die Corona-Pandemie noch längst nicht überwunden ist. Der Gesetzgeber geht zu Recht für das Jahr 2021 nach wie vor von nicht unerheblichen Einschränkungen des Privat- und Wirtschaftslebens aus. Aus diesem Grunde werden aktuell durch die Bundesregierung Regularien für das Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht getroffen, die den betroffenen Rechtsformen Planungssicherheit bis zum 31. Dezember 2021 geben. Derartige Vorkehrungen sind auch für die Sicherung der sozialen Infrastruktur und die Erbringung sozialer Dienstleistungen unabdingbar“, sagt BAGFW-Präsidentin Hasselfeldt.

Zum Beispiel hätten Reha-Einrichtungen und Einrichtungen des Müttergenesungswerkes im Corona-Regelbetrieb wegen des Abstandsgebots eine stark verringerte Auslastungsquote in einer Spanne von 50 bis 80 Prozent gegenüber normal 95 Prozent. Zugleich hätten sie Mehraufwendungen für mehr Personal sowie erhöhte Sachkosten für Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu tragen. „Vor allem die kleineren Rehaeinrichtungen werden ohne Absicherungen insolvent gehen und könnten dann die Klienten nicht mehr versorgen“, sagt Hasselfeldt. Problematisch sei die Situation vor allem auch für Einrichtungen, die sich um Wohnungslose und obdachlose Menschen kümmern, sowie für Schuldnerberatungsstellen und Werkstätten für Menschen mit Behinderung.

Wenn die aktuelle Pandemie tatsächlich überwunden ist, brauchen wir jenseits der aktuellen Schutzschirme nachhaltige Regelungen zur Absicherung der sozialen Infrastruktur in den Sozialgesetzbüchern bei künftigen Pandemien. Denn auch für die Zukunft müsse damit gerechnet werden, dass sich pandemische Situationen wiederholen.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 14.10.2020

Während die Corona-Fallzahlen wieder steigen, ist der Rettungsschirm für medizinische Kuren nach § 111d SGB V ausgelaufen: Es gibt keine Ausgleichszahlungen für pandemiebedingte Belegungsausfälle mehr. Das bedroht die Vorsorge- und Rehakliniken existenziell.

„Die Kliniken agieren bereits seit Monaten an der finanziellen Belastungsgrenze: Sie schultern Mehrausgaben wegen erhöhter Material- und Personalaufwände auf Grund der Hygieneauflagen und können gleichzeitig deutlich weniger Einnahmen erwirtschaften, weil sie nicht voll belegen können“, erklärt dazu Brigitte Döcker, Mitglied des AWO Bundesvorstands, „die Situation ist alarmierend. Sollte erneut der Fall eintreten, dass Einrichtungen für längere Zeit geschlossen werden müssen oder sollten sich die kurzfristigen Absagen oder vorzeitigen Abreisen noch verstärken, wird das finanziell für viele Kliniken nicht mehr aufzufangen sein.“

Gerade jetzt seien diese Einrichtungen ganz besonders gefordert, so Döcker weiter, denn insbesondere Familien in prekären Lebenslagen stelle die Pandemie vor große Herausforderungen: „Für Familien mit Kindern oder zu pflegenden Angehörigen kann es besonders belastend sein, den Alltag in Zeiten der Pandemie zu meistern. Das gilt gerade, wenn sie zusätzlich von Armut betroffen sind, wegen der Pandemie finanzielle Einbußen verkraften oder Pflege- und Lohnarbeit neu organisieren müssen. Viele von ihnen stehen unter hohem Druck und sind auf Kur-Angebote der Kliniken angewiesen.“

Vorsorge- und Rehakliniken erhielten bis zum 30.09.2020 max. 60% Ausgleichszahlungen für pandemiebedingte Ausfälle. Seitdem gibt es nur noch einen Zuschlag für Corona-bedingte Mehraufwendungen für Hygiene- und Organisationsmaßnahmen. Viele Kliniken hatten aber bereits vor September den Betrieb wieder aufgenommen. Die Mehrausgaben aus dieser Zeit sind nicht vom Zuschlag abgedeckt. Er ist zudem begrenzt bis zum 31.12.2020. Die Arbeiterwohlfahrt kritisiert, dass diese Befristung angesichts der Pandemieentwicklung nicht haltbar sei.

Brigitte Döcker: „Die Pandemie wird nicht zum Jahresabschluss am Silvesterabend beendet sein. Nach allen derzeitigen Prognosen werden wir noch monatelang mit ihren Auswirkungen zu tun haben. In, aber auch nach der Krise brauchen Mütter, Väter und pflegende Angehörige Vorsorge- und Rehamaßnahmen dringend. Der Zuschlag für Mehrausgaben muss deshalb rückwirkend ab dem Zeitpunkt gezahlt werden, ab dem die Kliniken tatsächlich wieder öffneten, und über das Jahresende hinausgehen. Dasselbe gilt für den Rettungsschirm: Wird er nicht verlängert, droht eine Schließungswelle. Fallen die Kliniken und ihr Gesundheitsangebot weg, stehen Familien allein da. Das dürfen wir nicht hinnehmen.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 14.10.2020

Der europäische Dachverband der Seniorenorganisationen, AGE Platform Europe, und die BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen begrüßen die Ratsschlussfolgerungen „Menschenrechte, Teilhabe und Lebensqualität älterer Menschen im Zeitalter der Digitalisierung“. Diese wurden von der deutschen Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union 2020 vorgeschlagen. Zum ersten Mal seit zehn Jahren stehen ältere Menschen damit im Zentrum einer Entscheidung des Rates der EU.

In einer gemeinsamen Erklärung der Zivilgesellschaft fordern die AGE Platform Europe und die BAGSO die baldige Umsetzung der Schlussfolgerungen. Dies muss die Zuweisung angemessener Budgets und qualifizierter Personalressourcen auf nationaler wie auf EU-Ebene einschließen. AGE Platform und BAGSO begrüßen den vorgesehenen 5-Jahres-Aktionsplan, der die Autonomie älterer Menschen stärken und ihre aktive Beteiligung an der Gestaltung eines Europas für alle Generationen fördern soll.

„Die zunehmende Digitalisierung bringt enorme Chancen und Herausforderungen für das Leben im Alter mit sich. Wir fordern die deutsche Ratspräsidentschaft und alle anderen europä-
ischen Regierungen auf, bei ihren künftigen politischen Maßnahmen insbesondere die digitale Kluft zu beachten, die innerhalb der älteren Bevölkerung besteht“, sagte Dr. Heidrun Mollenkopf, Mitglied im Vorstands der BAGSO und Vizepräsidentin der AGE Platform Europe.

„Alle älteren Menschen müssen das Recht auf Zugang zu digitalen Informationen, Diensten und sozialen Netzwerken haben, unabhängig von ihren finanziellen Ressourcen, ihrer Wohnform oder ihrem Wohnort. Um die gleichberechtigte Anwendung der Menschenrechte auf alle älteren Männer und Frauen zu gewährleisten, sind neue Gesetze auf nationaler und globaler Ebene erforderlich“, so Mollenkopf.

Die Erklärung der Zivilgesellschaft zu den EU-Ratsschlussfolgerungen wurde auf einer zweitägigen internationalen Konferenz zum Thema "Die Rechte älterer Menschen in Zeiten der Digitalisierung" abgegeben. Die Konferenz wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der AGE Platform Europe und der BAGSO organisiert. An ihr nahmen hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission und mehrerer EU-Mitgliedstaaten sowie Repräsentanten von europäischen Seniorenorganisationen teil.

Gemeinsame Erklärung von AGE Platform Europe und BAGSO

Quelle: Pressemitteilung BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen vom 29.09.2020

Internationale Konferenz ruft Europäische Union zum Handeln auf

Die Förderung von Menschenrechten im Alter steht im Fokus einer heute beginnenden internationalen Online-Konferenz im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Eines der Schwerpunkt-Themen ist die Digitalisierung, die durch die COVID-19-Pandemie beschleunigt worden ist und erhebliche Auswirkungen auch auf das Leben älterer Menschen hat. Dies gilt unter anderem für die soziale Interaktion, den Zugang zu Informationen und die Erbringung von Dienstleistungen. Diese verstärkte Nutzung digitaler Technologien bleibt auch nicht ohne Konsequenzen für unsere Menschenrechte.

Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission und mehrerer Mitgliedstaaten sowie Vertreterinnen und Vertreter europäischer Seniorenorganisationen diskutieren zwei Tage lang darüber, wie ältere Menschen stärker von der Digitalisierung profitieren können. Die Konferenz wird gemeinsam vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der AGE Platform Europe und der BAGSO – der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen – veranstaltet.

„Die Digitalisierung eröffnet große Chancen für die soziale Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben im hohen Alter, auch unter schwierigen Bedingungen. Diese Chancen müssen wir nutzen. Gerade in Zeiten von Corona hat sich gezeigt: Wenn Menschen digital nicht dabei sein können, wächst die Gefahr zu vereinsamen“, betont Bundesseniorenministerin Dr. Franziska Giffey.

„Damit Menschen jeden Alters die Chancen der Digitalisierung nutzen können, müssen wir dafür sorgen, dass alle mit den notwendigen Geräten und Kenntnissen ausgestattet werden. Auch Ältere. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ältere Menschen auch in Zukunft ihr Recht auf Information, Bildung, soziale Teilhabe, Gesundheit und vieles mehr wahrnehmen können“, so der BAGSO-Vorsitzende Franz Müntefering.

Der Präsident der AGE Platform Europe, Ebbe Johansen, sieht die Konferenz als Möglichkeit des Austausches zwischen Zivilgesellschaft und Politik. „Die Konferenz bietet ein Forum für eine Diskussion, die unserer Meinung nach seit langem notwendig ist. Die Digitalisierung birgt viele Chancen, aber sie kommt nicht ohne einen besseren Schutz unserer Menschenrechte aus. Es liegt in der Verantwortung der politischen Entscheidungsträger, Gesetze und Richtlinien zu entwickeln, die digitale Anwendungen für alle zugänglich, freundlich und sicher machen.“

Aufgrund der anhaltenden Pandemie findet die zweitägige Konferenz ausschließlich digital statt. An ihr nehmen unter anderem die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für Demokratie und Demografie, Dubravka Šuica, die EU-Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli, sowie die Unabhängige Expertin der Vereinten Nationen für die Menschenrechte von älteren Personen, Dr. Claudia Mahler, teil.

Die Konferenz läuft von Montag (13:30-16:00 Uhr) bis Dienstag (09:30-12:30 Uhr) und kann live verfolgt werden – nach Anmeldung unter folgendem Link: https://pretix.eu/bmfsfj/AgeingEU2020/

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, AGE Platform Europe und BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen vom 28.09.2020

BAGSO fordert Konsequenzen aus der Corona-Pandemie

Die BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen ruft dazu auf, die Lebensbedingungen älterer Menschen nachhaltig zu verbessern. In dem Positionspapier „Jetzt erst recht!“ formuliert der Dachverband erste Lehren aus der Corona-Pandemie. Sie habe bestehende Missstände für alle sichtbar gemacht. Reformen sind demnach in der Pflege, in der kommunalen Seniorenarbeit und in weiteren Bereichen der Seniorenpolitik dringend erforderlich.

In der häuslichen Pflege fordert die BAGSO mehr Anerkennung und Unterstützung für pflegende Angehörige, insbesondere eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Für künftige Krisen sei zwingend zu klären, inwieweit Ausgangs- und Besuchsbeschränkungen in Pflegeheimen zulässig sind. Angemahnt werden zudem bessere Arbeitsbedingungen in der professionellen Pflege, verbunden mit einer Reform der Pflegeversicherung. Ein würdevolles Sterben müsse in allen Versorgungsformen möglich sein, auch in Zeiten einer Pandemie, heißt es in dem Positionspapier.

Die BAGSO ruft außerdem dazu auf, den Zugang älterer Menschen zu digitalen Medien mit einem „Digitalpakt Alter“ sicherzustellen. Im Bereich Engagement und Partizipation brauche es zudem verlässliche Strukturen zur Förderung. Verbessert werden müssten auch die Gesundheitsförderung und der rechtliche Schutz älterer Menschen. Aktivierende kommunale Seniorenpolitik benötige eine verbindliche rechtliche Grundlage und finanzielle Ausstattung.

Die BAGSO appelliert an Politik, Medien und Zivilgesellschaft, die vielfältigen Lebenslagen älterer Menschen ebenso wie ihre Diversität in der öffentlichen Diskussion zu transportieren. Auch in Krisensituationen ist das Recht auf Selbstbestimmtheit und Selbstverantwortung älterer Menschen zu respektieren. „Alte Menschen brauchen keine Bevormundung“, heißt es in dem Positionspapier. „Ihre Stimme und ihr Engagement sind unverzichtbar für den Erhalt einer lebendigen Bürgergesellschaft.“

Zum Positionspapier "Jetzt erst recht!"

Quelle: Pressemitteilung BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen vom 24.09.2020

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn äußern sich morgen in einer Pressekonferenz zu Kitas in der Corona-Pandemie. Die Diakonie plädiert für wirkungsvolle Corona- Schutzmaßnahmen und Regelungen in der Kindertagesbetreuung. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

"Wir müssen alles dafür tun, dass auch bei steigenden Infektionszahlen die Kindertagesbetreuung gesichert bleibt! Die flächendeckende Schließung der Kitas und Schulen zu Beginn der Pandemie hat Familien und den Kindern enorm viel abverlangt. Wir dürfen Eltern nicht noch einmal im Regen stehen lassen und Kinder nicht schon in ihrer frühkindlichen Bildung benachteiligen.

Es ist den engagierten Erzieherinnen und Erziehern zu verdanken, dass mittlerweile alle Kinder wieder in die Kita gehen können. Träger und Einrichtungen haben in dieser schwierigen Zeit einen hervorragenden Job gemacht und die notwendigen Corona-Schutzmaßnahmen wirkungsvoll umgesetzt.

Angesichts der steigenden Infektionszahlen sind Häufungen in der Kindertagesbetreuung nicht ausgeschlossen. Dazu brauchen wir jetzt ein überzeugendes Konzept mit einheitlichen Regelungen und Maßnahmen in den Bundesländern zum Schutz vor COVID-19-Infektionen in der Kindertagesbetreuung.

Unerlässlich ist eine Teststrategie für alle Bildungseinrichtungen. Es kann nicht sein, dass die Testregelungen für Fachkräfte aus Kitas und das Personal der Schulen unterschiedlich sind. Das sorgt nicht nur für Unklarheit, sondern auch für viel Unverständnis. Durch die Corona-Pandemie hat sich die enge Personalsituation noch verschärft. Um die Corona-Schutzmaßnahmen und Regelungen im Kita-Alltag auch umsetzen zu können und Ausfälle von Fachkräften zu kompensieren, brauchen wir dringend mehr Personal. Wir müssen unbedingt verhindern, dass Einrichtungen wieder komplett schließen müssen. So weit darf es nicht kommen!"

Weitere Informationen: www.diakonie.de/kinderbetreuung

Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 15.10.2020

Anlässlich des Starts der Kältehilfe in vielen deutschen Städten dringt die Diakonie darauf, deren Angebote pandemiefest aufzustellen. Wohnungslose Menschen brauchen gleichermaßen Infektions- wie Kälteschutz, und das verlässlich. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

"Die Wohnungsnotfallhilfe muss in diesem Winter nicht nur Kälte-, sondern auch Infektionsschutz leisten und im Ernstfall Isolations- und Quarantänemöglichkeiten bieten. Dafür sind zusätzliche Unterkünfte, mehr Personal und die entsprechende Ausrüstung notwendig. Das geht nur mit zusätzlichen finanziellen Mitteln. Durch die Corona-Schutzmaßnahmen sind die Plätze der Kältehilfe dieses Jahr besonders knapp. Sollte es dann noch zu Covid-19-Verdachts- oder Infektionsfällen kommen, ist das organisatorisch und personell nur mit erheblich mehr Aufwand und Ressourcen zu stemmen.

Wir müssen unbedingt verhindern, dass wohnungslose Menschen abgewiesen werden, weil Unterkünfte voll sind oder Isolations- und Behandlungsmöglichkeiten fehlen.

Auch wohnungslose Menschen, die an Covid-19 erkranken, brauchen die Möglichkeit, sich in Ruhe und unter Isolationsbedingungen auszukurieren. Zudem sollte die Kältehilfe raschen Zugang zu Testmöglichkeiten für Menschen mit Symptomen haben. Nur dann können Wohnungslose gut versorgt und mögliche Infektionsketten durchbrochen werden."

Weitere Informationen:

– Überblick Angebote Kältehilfe der Diakonie: https://www.diakonie.de/fileadmin/user_upload/Diakonie/PDFs/Themenschwerpunkt_PDF/2020_Themendienst_Kaeltehilfe_F.pdf

– Nachgefragt-Interview zu Kältehilfe unter Corona-Bedingungen: https://www.diakonie.de/journal/nachgefragt-kaeltehilfe-braucht-dringend-mehr-plaetze

– Wissen Kompakt Obdachlosigkeit: https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/obdachlosigkeit

– Themenschwerpunkt zu Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit: https://www.diakonie.de/wohnungslosigkeit

Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 14.10.2020

Während die Corona Pandemie anhält und sich weiter zuspitzt, ist der Schutzschirm für die medizinische Kuren – Rehabilitation und Vorsorge – Ende September ausgelaufen. Bis zum 30. September erhielten die Vorsorge- und Reha-Kliniken bis zu 60 Prozent Ausgleichszahlungen für pandemiebedingte Belegungsausfälle.

Viele Einrichtungen sind nach wie vor in ihrem Betrieb stark eingeschränkt und mit drastischen Mindereinnahmen und Mehrausgaben konfrontiert. Dadurch sind zahlreiche Kliniken akut in ihrer Existenz bedroht. Das trifft in ganzer Härte auf die Einrichtungen des Müttergenesungswerks zu, die ausschließlich von den Krankenkassen belegt werden.

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: "Die Kuren für Mütter, Mutter und Kind oder Vater und Kind sind gerade jetzt wichtig, damit Eltern den anstrengenden Alltag unter Pandemie Bedingungen bewältigen können."

Antje Krause, Vorsitzende des Evangelischen Fachverbands für Frauengesundheit (EVA): "Durch den Wegfall des Rettungsschirms sind die Kliniken in ihrer Existenz gefährdet. Damit fällt ein wichtiges gesundheitliches und systemrelevantes Angebot für Mütter, Väter und auch pflegende Angehörige weg.

Aber auch Arbeitsplätze und medizinische Kompetenznetzwerke sind in Gefahr."

Die Diakonie Deutschland und der Evangelische Fachverband für Frauengesundheit (EVA) setzen sich dafür ein, dass der Rettungsschirm bis zum 31.März 2021 verlängert wird. Außerdem sollte im Sozialgesetzbuch geregelt werden, dass im Fall einer Pandemie Vereinbarungen zwischen Kostenträger und Leistungserbringer über einrichtungsbezogene Vergütungsanpassungen zu regeln sind. "Die Zukunft der Kurkliniken muss jetzt gesichert werden", so Loheide und Krause.

Um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von der Dringlichkeit des Anliegens zu überzeugen, wurde eine Online-Petition gestartet: https://www.change.org/FamilienRettungsschirm

Weitere Informationen und Material zum Download: https://www.eva-frauengesundheit.de/rettungsschirm

Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. und Evangelischer Fachverband für Frauengesundheit e.V. (EVA) vom 13.10.2020

Zum UN-Tag der älteren Menschen am 1. Oktober erinnert Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, daran, älteren Menschen umfassende Teilhabe zu ermöglichen und die ältere Generation als Bereicherung zu sehen. "Menschen ab 60 Jahren in Zeiten der Bedrohung durch das Corona-Virus pauschal als ‚Risikogruppe‘ zu etikettieren und sie besonders abzuschirmen, grenzt aus und beraubt einer Gesellschaft den Erfahrungsschatz der älteren Generation", sagt Maria Loheide.

"Ältere Menschen sind keine homogene Gruppe. Sie sind genauso vielfältig wie die ganze Gesellschaft. Sie haben unterschiedliche Interessen, Talente und Berufe, sind besonders fit oder gesundheitlich eingeschränkt, leben auf dem Land oder in der Stadt, sprechen verschiedene Sprachen und haben vielfältige Erfahrungen.

Diese Vielfalt der Älteren ist wichtig für eine Gesellschaft. Deshalb sollten auch ältere Menschen in allen Bereichen nach ihren eigenen Interessen gefördert und ihre umfassende Teilhabe gestärkt werden", fasst sie die Beobachtungen und Erwartungen der Diakonie zusammen.

Gerade im Lockdown hat sich gezeigt, dass die wichtigen Sozialkontakte auch digital aufrechterhalten werden können. Hier die älteren Menschen mitzunehmen, ist eine Aufgabe des Miteinanders der Generationen. Viele Ältere haben in dieser Zeit mit Unterstützung der jungen Generation zum ersten Mal mit Tablets oder Smartphones kommuniziert und gemerkt, dass es einfacher ist, als sie gedacht haben.

"Brücken zu bauen und Teilhabe für Menschen aller Generationen zu ermöglichen, darin sehen wir unsere Aufgabe als Diakonie", sagt Loheide. "Deshalb setzen wir uns für ein Zusammenleben in Vielfalt ein, in dem Alter als Bereicherung erlebt wird. Die ganze Welt kann von der älteren Generation profitieren!"

Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 30.09.2020

Vielfalt ist Alltag in unserer von Einwanderung geprägten Gesellschaft. Gerade jetzt sind Austausch und Dialog wichtiger denn je. Trotz Corona brauchen wir Begegnung. Dafür plädiert die Diakonie anlässlich der Interkulturellen Woche unter dem Motto "Zusammen leben – zusammen wachsen", die am 27. September beginnt. Bis zum 4. Oktober gibt es in mehr als 500 Städten und Gemeinden Veranstaltungen und Begegnungsformate, die auch in Zeiten von Kontakteinschränkungen durch die Corona-Pandemie funktionieren. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

"Interkulturelle Vielfalt ist in Deutschland über Generationen gewachsen und Alltag in unserer Gesellschaft. Damit wir in dieser Vielfalt weiter gemeinsam zusammenwachsen, müssen wir uns immer wieder offen begegnen und unser Zusammenleben miteinander organisieren – jede und jeder Einzelne. Die Interkulturelle Woche mit ihren vielfältigen Aktionen und Begegnungsmöglichkeiten hilft uns, das ‚Wir‘ neu zu denken: Sie schafft Raum für gegenseitiges Kennenlernen und bringt Menschen über alle Unterschiede hinweg zusammen. Das war noch nie so wichtig wie jetzt. Auch mit Abstandsgebot können sich Menschen neu begegnen. Denn Begegnungen mit Menschen helfen am wirksamsten dabei, Vorurteile abzubauen. Vielfalt darf unsere Gesellschaft nicht trennen, Vielfalt muss uns verbinden. Daran wirkt die Diakonie nicht nur im Rahmen der Interkulturellen Woche mit, sondern daran arbeiten wir tagtäglich."

Zum Hintergrund:

Die Interkulturelle Woche (IKW) ist eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie. Seit 1975 findet sie jährlich bundesweit statt. Jeweils Ende September wird sie von Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Integrationsbeiräten und -beauftragten, Migrantenorganisationen, Religionsgemeinschaften und Initiativgruppen ausgerichtet. In diesem Jahr steht sie unter dem Motto "zusammen leben – zusammen wachsen". Vom 27. September bis 4. Oktober beteiligen sich auch diakonische Träger an der Arbeit für mehr Teilhabe. Insgesamt werden in mehr als 500 Städten und Gemeinden rund 5.000 Veranstaltungen durchgeführt.

Weitere Informationen:

http://www.interkulturellewoche.de/

https://vimeo.com/449194328

https://vimeo.com/458964141/e840fc7268

Die Diakonie ist in vielen Kommunen maßgeblich an der Organisation und Koordination der IKW beteiligt. Beispiele für diakonische Aktivitäten:

– Diakonie Odenwald: https://www.diakonie-odenwald.de/ikw/

-Diakonie Meißen: http://www.diakonie-meissen.de/aktuelles_interkulturelle_wochen_de.html

– Diakonie Mannheim: https://www.diakonie-mannheim.de/aktuelles-detail.html?ne_id=2842&ev_hide=1&backLink=%2F

Datenbank zu allen Veranstaltungen: http://www.interkulturellewoche.de/datenbank

Themenschwerpunkt Interkulturelle Öffnung der Diakonie Deutschland: https://www.diakonie.de/interkulturelle-oeffnung

Kennen.Lernen. Eine Initiative für Vielfalt und Begegnung der Diakonie Deutschland: www.diakonie-kennenlernen.de

Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 25.09.2020

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) setzt sich für reproduktive Rechte aller Frauen in Deutschland ein und weist regelmäßig auf Reformbedarfe hin. Heute, am 4. Oktober 2020, lädt der djb unter strenger Beachtung der Hygieneregeln ein zur Matinée im Kino Hackesche Höfe in Berlin. Gezeigt wird „Never Rarely Sometimes Always“ – auf der diesjährigen Berlinale mit dem Großen Preis der Jury und auf dem Internationalen Sundance Filmfestival ausgezeichnet. Anschließend spricht djb-Präsidentin Prof. Dr. Maria Wersig mit Dr. Sina Fontana, Vorsitzende der djb-Kommission für „Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung“, Akademische Rätin, Georg-August-Universität Göttingen und Prof. Dr. Daphne Hahn, Professorin für Gesundheitswissenschaften und empirische Sozialforschung, Leiterin des Promotionszentrums Public Health, Hochschule Fulda, über das Thema des Films: Stig-matisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und die damit verbundenen Probleme rund um weibliche Selbstbestimmungsrechte und Gesundheitsversorgung.

„,Never Rarely Sometimes Always‘ zeigt eindrücklich die Hürden, die Recht und Gesellschaft einer ungewollt schwangeren Frau in den Weg legen können. Ich sehe viele Parallelen zu Deutschland, denn auch hier besteht Reformbedarf. Die Diskussion um § 219a StGB gehört im Wahljahr 2021 verstärkt auf die Tagesordnung, ebenso wie der rechtliche Umgang mit Gehsteigbelästigungen vor Beratungsstellen und Arztpraxen.“, fordert die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig.

„Die freie Entscheidung über die Fortführung der Schwangerschaft ist elementarer Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Es gehört zur Schutzpflicht des Staates, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Frauen von diesem Recht auch tatsächlich Gebrauch machen können.“, erläutert Dr. Sina Fontana.

„Ich bin froh, dass mit diesem und anderen Filmen zum Schwangerschaftsabbruch Fragen auf den Tisch kommen, die für die Situation in Deutschland dringend diskutiert werden müssen. Dazu gehören Fragen der medizinischen Versorgung, Verhütung, medizinischen Ausbildung zum Schwangerschaftsabbruch, aber auch das große Thema Stigmatisierung des Abbruchs.“, betont Prof. Dr. Daphne Hahn.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 04.10.2020

Die Aktionstage „Zu Fuß zur Schule und zum Kindergarten“ waren trotz Corona-Krise ein voller Erfolg: In den letzten Wochen standen deutschlandweit vielerorts die Elterntaxis still. Mehrere zehntausend Kinder waren dem Aufruf des Deutschen Kinderhilfswerkes, des ökologischen Verkehrsclub VCD und dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) gefolgt und sind während der Aktionstage unter dem Motto „Besser ohne Elterntaxi!“ zu Fuß, mit dem Roller oder Fahrrad zur Schule oder zum Kindergarten gekommen. Zusammen mit ihren Eltern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Erzieherinnen und Erziehern lernten die Kinder dabei, wie sie sich selbstständig sicher im Straßenverkehr bewegen können und warum ein Zuviel an Autoverkehr schlecht für das Klima und die Sicherheit der Kinder ist.

„Wir freuen uns sehr über die rege Beteiligung an den Aktionstagen, vor allem natürlich vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen. Das zeigt uns ganz deutlich, wie relevant unser Thema ist. Zunehmend entsteht ein Bewusstsein dafür, dass wir unseren Kindern keinen Gefallen tun, wenn wir sie im Auto kutschieren. Bewegung an der frischen Luft tut dem Nachwuchs gut, nebenbei lernen die Kleinen sich sicher im Verkehr zu bewegen und für die Umwelt ist auch viel gewonnen, wenn immer mehr Familien das Elterntaxi stehen lassen“, sagt Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des VCD.

Die besten Projektideen haben der VCD, VBE und das Deutsche Kinderhilfswerk mit bewegungsfördernden Pausenhofsets ausgezeichnet, bestehend aus umfangreichen Ball-Sets, Soft-Wurfscheiben, Springseilen oder Mini-Badminton-Sets. Der erste Platz geht an die „Aktionswoche: Sicherheit auf dem Weg zur Schule“ der Grundschule am Rüdesheimer Platz in Berlin-Wilmersdorf. Hier wurde mit Unterstützung des Berliner Senats anlässlich des autofreien Tages die zur Schule führende Straße für Autos gesperrt und in eine temporäre Spielstraße umgewandelt. Auf Platz zwei landete die Aktion „Schulweg“ der Berliner Grundschule auf dem Tempelhofer Feld, wo am „Zu-Fuß-zur-Schule-Tag“ eine Demonstration für eine Schulstraße durchgeführt wurde. Mit ihrer Aktion „Gut sichtbar den neuen Schulweg erkunden“, bei der bereits seit vergangenem Schuljahr nach konkreten und langfristigen Lösungen für das Verkehrschaos vor der Schule gesucht wurde, hat es die Professor-Ecker-Schule Lisdorf aus Saarlouis auf Platz drei geschafft.

„Schon der Weg zur Schule ist essenziell für den weiteren Verlauf des Tages. Bildung beginnt nicht an der Tür zum Klassenzimmer und hört dort auch nicht auf. Die selbstständige Bewältigung des Schulweges macht nicht nur einen frischen Kopf und kanalisiert die überschüssigen Energien von Kindern, sondern ist auch der Weg zu Orientierung, Kommunikation, freiem Spiel, Naturerfahrung und letztlich Identifikation mit dem Heimatort“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Vor immer mehr Schulen entstehen gefährliche Situationen durch die Praxis, Kinder mit dem Auto vor das Schultor zu fahren. Das birgt nicht nur ein Risiko für andere Kinder, sondern führt auch dazu, dass sich das eigene Kind schlechter orientieren kann als Gleichaltrige. Eine geeignete Alternative wären Elternhaltestellen, die ein Stück entfernt vom Eingang liegen, sodass die Situation vor der Schule sicherer wird. Noch besser wäre, die Infrastruktur auf dem Schulweg zu verbessern und so dazu beizutragen, dass noch mehr Kinder den Schulweg zu Fuß, mit dem Roller oder dem Fahrrad bestreiten. Hier ist die Politik in der Pflicht“, sagt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des VBE.

Die Aktionstage „Zu Fuß zur Schule und zum Kindergarten“ standen unter der Schirmherrschaft von Dr. Stefanie Hubig, Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Botschafterin der Aktionstage war Fernsehmoderatorin Enie van de Meiklokjes.

Weitere Informationen:

Aktionstage „Zu Fuß zur Schule“: www.zu-fuss-zur-schule.de Tipps für den sicheren Schulweg: www.vcd.org/sicher-zur-schule.html

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e. V. vom 06.10.2020

Das Deutsche Kinderhilfswerk und die Bundesschülerkonferenz fordern im Vorfeld der heutigen Bund-Länder-Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder, auch die Interessen und Bedarfe der rund 11 Millionen Schülerinnen und Schüler in Deutschland in den Fokus ihrer Beratungen zu stellen. Aus Sicht der beiden Organisationen kann das nur mit einer umfassenden Beteiligung der Schülerinnen und Schüler gelingen. Diese Beteiligung muss sowohl auf Landesebene über die jeweiligen Landesschülervertretungen als auch direkt in den Schulen durch die bereits gegebenen Strukturen sichergestellt werden. Gleichzeitig sollten bei Bildungsgipfeln alle Einrichtungen der Bildungslandschaft mitgedacht und einbezogen werden, also Bildungsangebote in Schulen, Ausbildung und im non-formalen Bereich.

Praxisnahe Konzepte

Beratungen auf Bundesebene, wie beispielsweise der Schulgipfel in der letzten Woche im Bundeskanzleramt, dürfen nicht ohne Beteiligung der direkt Betroffenen stattfinden. Nur so können neben dem Gesundheitsschutz und den Interessen von Landesregierungen und Kultusbehörden auch soziale und kindheitspädagogische Aspekte berücksichtigt und Anregungen sowie Bedenken der Schülerinnen und Schüler bestmöglich mit einbezogen werden. Die Fachkräfte im Bildungsbereich gehören mit ihren Interessensvertretungen zwingend ebenfalls an den Beratungstisch.

„Als direkt Betroffene der Maßnahmen bekommen wir die Auswirkungen im Schulalltag direkt und deutlich zu spüren. Schülervertreter wissen, wie es vor Ort läuft und haben die nötige Nähe zur Praxis, die in manchen Entscheidungen und Debatten in der Politik fehlen. An vielen Stellen läuft es einfach noch nicht rund. Evaluationen und Verbesserungen der Konzepte gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern durchzuführen und abzustimmen ist daher wichtiger denn je”, so Vertreter der Bundesschülerkonferenz.

„Als hätten wir aus den letzten Monaten nichts gelernt, steuern wir sehenden Auges in ein bildungspolitisches Corona-Desaster. Nach einer besorgniserregenden Vernachlässigung der Interessen von Schülerinnen und Schülern in den letzten sechs Monaten muss die Frage erlaubt sein, was Politik und Verwaltungen getan haben, um diesen Herbst und Winter erneute Schulschließungen zu vermeiden. Wir brauchen beispielsweise alternative Räumlichkeiten für den Schulunterricht, die eine Entzerrung der räumlichen Enge in vielen Schulen ermöglichen. So begrüßenswert finanzielle Zusagen für technische die Ausstattung von Schulen sein mögen, muss die Handlungsfähigkeit von Schulen auch über bürokratiearme, praxisnahe Formen der Lehr- und Lerndigitalisierung und vor allem personelle Aufstockungen unterstützt werden. Darauf zu hoffen, dass es schon nicht so schlimm werden wird, dass die Pandemie bald überstanden ist oder die Eltern mit einspringen werden, kann nicht die Lösung für die Herausforderungen im Schulbetrieb sein“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Langfristige und nachhaltige Konzepte durch Expertenrat – Schließungen vermeiden Umfassende Konzepte sind notwendig, um bei weiter steigenden Infektionszahlen kompletten Schließungen der Bildungseinrichtungen unbedingt vorzubeugen. Notwendig ist dazu ein konzertiertes Vorgehen durch einen Expertenrat mit Verantwortlichen aus Gesundheits- und Bildungsbehörden unter Einbezug von Schülerinnen und Schülern sowie von Fachkräften und Elternverbänden, um eine regelmäßige Abstimmung und den Erfahrungsaustausch, das Ineinandergreifen von Maßnahmen sowie den gemeinsamen Umgang mit bildungspolitischen Folgen der Corona-Krise zu gewährleisten.

Selbständiges und digitales Lernen der Schülerinnen und Schüler stärken Aus Sicht von Bundesschülerkonferenz und Deutschem Kinderhilfswerk funktioniert in der jetzigen Krisensituation die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern meist schlechter als sonst. Unabhängig von potenziellen massiven Einschränkungen eines Regelbetriebs müssen jetzt bereits Bedingungen für eine gerechte digitale und datensouveräne Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen an Bildungsangeboten in Schulen, Ausbildung und im non-formalen Bereich geschaffen werden. Neben der Beteiligung braucht es aus Sicht der Organisationen kreative, nachhaltige und zukunftsfähige Konzepte für Bildungseinrichtungen. Vor allem wenn es darum geht, selbständiges und digitales Lernen der Kinder und Jugendlichen sowie ihre Kapazitäten mit der Krisensituation umzugehen, zu stärken. Alle hier notwendigen Förderprogramme müssen weiterhin an der Perspektive der jungen Menschen ausgerichtet sein.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. und Bundesschülerkonferenz vom 29.09.2020

Der Verband ist heute als Sachverständiger im Ausschuss für Inneres und Heimat geladen. Es geht um Änderungen des Freizügigkeitsgesetzes, um unionsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Zukünftig sollen u.a. auch Familienangehörige nachgezogen werden können, die nicht zur klassischen Kernfamilie gehören. Diese Umsetzung ist längst überfällig und dringend notwendig.

Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften begrüßt daher ausdrücklich, dass erstmalig die Möglichkeit der Einreise und des Aufenthaltes für Lebenspartner*innen von Unionsbürger*innen geschaffen werden soll. Jedoch bleiben die Ausführungen zur Einreise und Aufenthalt anderer nahestehender Familienangehöriger hinter den Erwartungen zurück.

Die geplante Regelung ist so restriktiv gefasst, dass sie nur wenige Unionsbürger*innen betreffen werden. Das Recht auf Einreise und Aufenthalt sogenannter „nahestehender Personen“, wie es die EU-Unionsbürgerrichtlinie vorsieht, wird daher nahezu ins Leere laufen.

Für die Einreise und den Aufenthalt sind mindestens eine zweijährige Unterhaltsgewährung, ein Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft mit dem Unionsbürger /der Unionsbürgerin von mindestens zwei Jahren nachzuweisen oder eine Pflegebedürftigkeit, die eine Pflege durch den Unionsbürger resp. die Unionsbürgerin zwingend notwendig macht.

Dabei stellen sich lebenspraktische Fragen der Nachweiserbringung. Wie ist ein Zusammenleben außerhalb Deutschlands nachzuweisen, wenn kein Meldesystem besteht? Wie ist die Unterhaltsgewährung nachzuweisen, wenn Zahlungen nicht über eine Bank erfolgt, was sehr üblich ist, sondern über Verwandte bzw. Vertraute? Weiterhin ist stets eine Krankenversicherung abzuschließen. Solange die “nahestehenden Familienangehörigen” einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ist dies möglich, was ist aber mit Angehörigen, die pflegebedürftig sind?

Der Gesetzentwurf sollte daher überarbeitet werden.

Die juristische Beraterin des Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften, Swenja Gerhard, führt heute in der Anhörung diese Problematiken aus. Die Stellungnahme des Verbandes entnehmen Sie bitte dem Anhang.

Quelle: Pressemitteilung Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. vom 05.10.2020

Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften hat heute auf einer Pressekonferenz gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen ein Forderungspapier an die hessische Landesregierung veröffentlicht.

„Es muss aufhören, dass unsere Familien immer wieder als “andere”, “nicht-dazugehörende”, „Fremde“ angesehen und in Schubladen gesteckt werden. Die Familien müssen sich in Deutschland sicher fühlen können. Rassistischen und rechtsextremistischen Übergriffen, Anfeindungen und Gewalttaten muss konsequent entgegengetreten und sie müssen vor Allem verhindert werden. Die hessische Landesregierung ist gut beraten, zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Expertise dabei mit einzubeziehen und gegen strukturellen und institutionellen Rassismus vorzugehen. Für alle Bürger*innen des Landes.“

Hiltrud Stöcker-Zafari, Geschäftsführerin Verband binationaler Familien und Partnerschaften

Vor dem Hintergrund der Morde von Hanau und an Walter Lübcke sowie den aktuellen Bedrohungen durch den „NSU 2.0“, die auf rechtsextreme Netzwerke in den Landesbe-hörden hinweisen, fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis die hessische Lan-desregierung zum Handeln auf. Die Landesregierung müsse Bewegungen für Menschenrechte stärken und allen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entschieden entgegentreten, heißt es in dem Forderungspapier, das am heutigen Montag bei einer Online-Pressekonferenz vorgestellt wurde.

Die Herausgeber des Forderungspapiers sehen die Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und möchten mit seiner Veröffentlichung den Dialog und den Austausch mit der Landesregierung zu diesem Thema vertiefen. Dabei sollen zivilgesellschaftliche Gruppen und insbesondere Betroffenen-Vertretungen stärker als bisher einbezogen werden.

Das Zehn-Punkte-Papier wurde von 13 hessenweit aktiven Organisationen aus unter-schiedlichen zivilgesellschaftlichen Bereichen herausgegeben, mehr als 20 weitere Gruppen haben es bereits unterzeichnet. Gefordert wird darin, dass rechtsextreme Grup-pen und Netzwerke aufgelöst und Verfassungsschutz und Polizei reformiert werden. Ein unabhängiges Expert*innengremium solle die Bekämpfung von Rassismus, Rechtsextremismus und Diskriminierung begleiten, steuern und evaluieren. Das Land solle die Repräsentanz aller gesellschaftlicher Gruppen in allen gesellschaftlichen und politischen Lebensbereichen und in leitenden Funktionen in der öffentlichen Verwaltung fördern und das Demokratiebewusstsein im öffentlichen Dienst stärken.

Weitere Forderungen sind, Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierung gesetzlich zu verankern und eine unabhängige Beschwerdestelle für polizeiliches Fehlverhalten einzurichten. Opfer von rechtsextremer und rassistischer Gewalt müssen unterstützt, gefährdete Einrichtungen wie Moscheen und Synagogen geschützt werden.

Schulen sollen zur umfassenden Bildung und Werteorientierung für ein antirassistisches und solidarisches Zusammenleben in der Gesellschaft beitragen. Demokratie-Projekte müssen ausreichend und dauerhaft gefördert werden.

Herausgegeben haben das Papier die folgenden Organisationen und Gruppen: agah – Landesausländerbeirat, Aufstehen gegen Rassismus, Bildungsstätte Anne-Frank, Der Paritätische Wohlfahrtsverband Hessen, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – Landesverband Hessen, Hessischer Flüchtlingsrat, LAG Mädchen*politik, LandesFrauenRat Hessen, NaturFreunde Hessen, Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., Verband Deutscher Sinti und Roma – Landesverband Hessen, VVN-BdA – Landesvereinigung Hessen und der Zentralrat der Muslime in Deutschland – Landesverband Hessen.

Zu den mehr als 20 Unterzeichnenden des Forderungspapiers zählen Organisationen aus der sozialen Arbeit, dem Kultur- und Jugendbereich ebenso wie antifaschistische und antirassistische Initiativen.

Quelle: Pressemitteilung Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. vom 28.09.2020

Beschlüsse des digitalen 32. Verbandstags des LSVD

Am Samstag, den 10. Oktober 2020, fand unter dem Motto „Frei und sicher leben“ digital der 32. LSVD-Verbandstagstatt. Schwerpunkt war der Kampf gegen homophobe und transfeindliche Hasskriminalität. Laut Bundesregierung gab es 2019 mindestens 564 Fälle von Hasskriminalität gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI), darunter 147 Gewalttaten. Die Dunkelziffer wird von offizieller Seite mit bis zu 90% angegeben. Trotzdem ist diese Gewalt auf keiner innen- und kriminalpolitischen Agenda.

Nach einer Videobotschaft des Präsidenten des Bundeskriminalamtes Holger Münch diskutierten der Berliner Kriminaldirektor Wolfram Pemp, Şefik_a Gümüş (Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben, Schwule und Trans* in NRW), LSVD-Bundesvorstand Günter Dworek und Roman Heggli (Pink Cross, Schweiz), wie dem Kampf gegen LSBTI-feindliche Gewalt effektiv begegnet und das Anzeigeverhalten sowie die Erfassung bei diesen Taten verbessert werden können.

In einem anschließenden Beschluss fordert der LSVD neben Sofortmaßnahmen im staatlichen Handeln und der Gesetzgebung die Einsetzung einer Expert*innen-Kommission durch die Bundesregierung. Diese soll eine systematische Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen von LSBTI-Feindlichkeit und damit verbundener Hasskriminalität erarbeiten sowie Empfehlungen für einen Nationalen Aktionsplan entwickeln. Bestandteil dieses Aktionsplans muss ein Bund-Länder-Programm gegen LSBTI-feindliche Gewalt sein.

Mehr Solidarität mit polnischen LSBTI fordert der LSVD in einem weiteren Beschluss. In Polen findet ein Kulturkampf mit immer bedrohlicheren Auswirkungen auf LSBTI statt. Die Regierungspartei PiS, Bischöfe der katholischen Kirche und Initiativen christlich-fundamentalistischer Gruppen dämonisieren LSBTI als Gefahr für Kinder, Familien und die polnische Identität. Die deutsche Bundespolitik hält sich mit Kritik aber weitgehend zurück. Das anstehende 30jährige Jubiläum des Deutsch-Polnischen Vertrags muss jedoch genutzt werden, diesem menschenverachtenden Treiben ein Ende zu setzen und die Zusammenarbeit und Unterstützung mit allen progressiven, liberalen und menschenrechtsorientierten Kräften zu intensivieren. Das gilt ebenfalls für die länderübergreifende Kulturarbeit, die über 300 bestehenden Städte- und Gemeindepartnerschaften sowie den binationalen zivilgesellschaftlichen Austausch.

Bei den Wahlen zum Bundesvorstand wurden Günter Dworek, Henny Engels, Christian Rudolph und Stefanie Schmidt wiedergewählt, neugewählt wurden Patrick Dörr und André Lehmann. Weiterhin gehören dem nun zehnköpfigen ehrenamtlichen Gremium die 2019 für eine zweijährige Amtszeit gewählten Axel Hochrein, Gabriela Lünsmann, Helmut Metzner und Alfonso Pantisano an.

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Quelle: Pressemitteilung Lesben- und Schwulenverband (LSVD) vom 13.10.2020

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 27.Oktober 2020

Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung

Gelingende gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen benötigt zwei tragende Säulen: die materielle Absicherung ihres soziokulturellen Existenzminimums und ein bedarfs- und chancengerechtes Infrastrukturangebot in ihrem Umfeld. Ziel muss es sein, Kindern ein möglichst selbstbestimmtes Leben und eine individuell angepasste Förderung zu garantieren, unabhängig von der Höhe des Familieneinkommens und den Gegebenheiten am Wohnort. Bisher ist es in weiten Teilen Deutschlands noch nicht gelungen, Kindern aus armutsbetroffenen Familien gleiche Chancen zu ermöglichen. Es scheitert am fehlenden Angebot, den Kosten oder den bürokratischen Hürden.

Das Fachgespräch will eine Übersicht liefern, welche Pass-Systeme bisher existieren, die sich in Bezug auf Anbietende, Adressierte und Leistungskatalog sowie Voraussetzungen der Inanspruchnahme und Geltungsbereich stark unterscheiden. Mit Hilfe einer Systematisierung der verschiedenen Modelle sollen die Potenziale von Pass-Systemen für die Verbesserung von Kinderteilhabe dargestellt und umsetzungskritische Aspekte aufgezeigt werden. Ausgehend von guten Praxisbeispielen soll zudem dargestellt werden, wie deren flächendeckende Nutzung zur verbesserten Teilhabe von Kindern beitragen kann.

Im Zentrum unserer Diskussionen steht dabei die Frage, inwieweit Pass-Systeme das Potential haben, die Nutzung der bestehenden BuT-Leistungen zu vereinfachen, sie sinnvoll zu ergänzen und auszubauen. Wir diskutieren, wie Pass-Systeme dazu beitragen können, vor Ort ein breiteres und zielgruppengerechteres Angebot zu bieten und ob die Idee eines bundesweit einsetzbaren Kinderteilhabepasses hilfreich wäre. Zudem überprüfen wir, welche Faktoren in den Bereichen Information, Antragsverfahren, Gültigkeitsbereich, Technik sowie Datenschutz relevant sind, damit Pass-Systeme wirksamer eingesetzt werden können.

Mit Inputs von:

  • Franziska Brantner, MdB, Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
  • Petra Budke, MdL, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg, Sprecherin für Bildung, Kinder, Sport, Medien und Religion
  • Birgit Duden, Stadt Oldenburg, Fachdienst Besondere Soziale Hilfen/Amt für Teilhabe und Soziales
  • Lutz Foth, Sozialamt Landeshauptstadt Stuttgart
  • George Wyrwoll, Unternehmenskommunikation und Regierungsbeziehungen Sodexo Pass GmbH

Moderation & Fachkontakt

Dorothee Schulte-Basta, Referentin Sozialpolitik, Heinrich-Böll-Stiftung, E. schulte-basta@boell.de

Nina Ohlmeier, Abteilungsleiterin Politische Kommunikation, Deutsches Kinderhilfswerk, E. ohlmeier@dkhw.de

Wir bitten um Anmeldung bis zum 21. Oktober 2020 unter https://calendar.boell.de/de/civi_register/141689

Sie haben bereits konkrete Fragen zu dieser Thematik oder an unsere Referent/innen?

Dann schicken Sie bis zum 12. Oktober 2020 eine Mail an: Tmnit Zere, zere@boell.de.

Weitere Fragen können Sie natürlich auch während der Veranstaltung stellen.

Das böll.brief „Passgenau? Bessere Kinderteilhabe durch Pass-Systeme“ steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.

Termin: 29.Oktober 2020

Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V.

Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung unterstützt seit Jahren eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Kinder- und Jugendsport. 2003 initiierte sie den Kinder- und Jugendsportbericht, der die aktuelle Situation im Kinder- und Jugendsport darlegt und Handlungsempfehlungen für Politik, Verbände, Vereine und Schulen gibt. Seitdem wurden Schwerpunktthemen wie Kinder- und Jugendsport im Umbruch oder Bewegung und Sport von Kindern bis zu zwölf Jahren intensiv aufgearbeitet. Der Vierte Deutsche Kinder- und Jugendsportbericht, der im Oktober 2020 erscheint, befasst sich mit den Themen Leistung, Gesundheit und Gesellschaft. Darin werden aktuelle Fragestellungen beleuchtet, wie z. B. die positive Wirkung von Sport auf chronisch erkrankte Kinder oder das Konzept der Physical Literacy als ganzheitlichen Ansatz der kindlichen Bewegungsförderung, in dem neben Partizipation, motorischen Fähigkeiten auch Motivation und Selbstwirksamkeit zusammengefasst werden.

Podiumsdiskussion zum Thema "Kinder- und Jugendsport" am 29. Oktober, 18 Uhr

Mit Prof. Dr. Christoph Breuer, Dr. Eckart von Hirschhausen, Pauline Grabosch, Tim Reichert und Alfons Hörmann im Live-Stream, moderiert von Julia Scharf.

Der Live-Stream beginnt am 29. Oktober um 18 Uhr.

Die Veranstaltung wird auch auf dem neuen Instagram-Kanal „kruppstiftung“ übertragen. Schauen Sie rein unter https://www.instagram.com/kruppstiftung/ und folgen Sie uns!

Termin: 04. und 18. November 2020

Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V.

Konflikte gehören zum Familienleben. In etwa einem Drittel der Ehen erscheinen die Konflikte den Partner*innen so gravierend, dass sie durch Scheidung aufgelöst werden. Betroffen sind in hohem Maße auch die Kinder, in Deutschland sind es jährlich etwa 120.000 minderjährige Kinder.

Gerichtliche Scheidungs- oder Sorgerechtsverfahren stellen in Trennungsprozessen wichtige Ereignisse mit weitreichenden Folgen dar. Dies gilt unabhängig der Ausgestaltung der Rechtsstrukturen in einem Staat. In jedem Fall ist eine gelingende Kooperation zwischen beratenden / unterstützenden Angeboten für Familien und gerichtlichen Akteuren für möglichst konfliktarme Trennungs- / Scheidungsprozesse von hoher Bedeutung.

Die gemeinsame Webinar-Serie von ICCFR und AGF betrachtet vor diesem Hintergrund einige bestehende Rechtssysteme und Lösungsansätze in verschiedenen Staaten. Expert/innen aus diversen Staaten sowie mit verschiedenen Professionen diskutieren vor dem Hintergrund ihrer Rechtsstrukturen Möglichkeiten, Familien in dem Trennungsprozess zu unterstützen.

Die Webinar-Serie wird online mit Zoom durchgeführt und besteht aus drei Sessions, die jeweils unterschiedlichen globalen Zeitzonen angepasst sind. Alle Webinar-Sessions werden aufgezeichnet, sodass allen angemeldeten Teilnehmenden alle drei Sessions zur Verfügung stehen. Termine für Teilnehmende aus Deutschland finden an folgenden Daten statt:

•Mittwoch, 04. November 2020: 17:00 – 19:00 Uhr
•Mittwoch, 18. November 2020: 10:00 – 12:00 Uhr

Die Beiträge dieser beiden Sessions werden simultan deutsch / englisch übersetzt. Eine dritte Session findet am 11. November statt, sie ist jedoch auf die asiatisch / amerikanische Zeitzone ausgerichtet. Als registrierte Teilnehmende können Sie die Aufzeichnung der Session im Nachgang und zur Vorbereitung für den 18. November ansehen. Das Gesamt-Programm zur Webinar-Serie finden Sie im Anhang. Die Teilnahme ist kostenlos.

Zur Anmeldung nutzen Sie bitte

-die Website der ICCFR: https://iccfr.org/webinars-2020/webinar-2020-registration/ oder
-eine einfache Email an: anmeldung@ag-familie.de mit der Angabe, an welcher /welchenSession(s)Sie gern teilnehmen möchten.

Termin: 05. November 2020

Veranstalter: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Die Digitalisierung verändert unser Leben in allen Bereichen und bringt auch für ältere Menschen Veränderungen und neue Herausforderungen mit. Wie Seniorinnen und Senioren an diese Herausforderungen herangehen, hat die Achte Altersberichtskommission untersucht.

Der Achte Altersbericht „Ältere Menschen und Digitalisierung“ wurde am 12. August 2020 ver-öffentlicht. Er wurde von einigen Akteuren bereits kommentiert. Welche Fragen ältere Menschen und auch Unterstützerinnen und Unterstützer in deren Umfeld haben, wollen wir mit Mitgliedern der Sachverständigenkommission und einem Vertreter der Seniorenabteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einer einstündigen Online-Veranstaltung am 5. November 2020 um 10 Uhr erörtern. Sie haben die Möglichkeit, bei der Anmeldung zur Veranstaltung im Vorfeld Fragen zum Achten Altersbericht auf der Veranstaltungswebsite einzureichen, die im Rahmen der Veranstaltung aufgegriffen werden sollen. Sie können der Diskussion im Livestream auf YouTube folgen.

Anfang Oktober erhalten Sie eine Einladung mit dem konkreten Programmablauf und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Sie haben dann die Möglichkeit, sich online zum Livestream anzumelden. Gerne können Sie diesen Terminhinweis an Interessierte weiterleiten.

Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) wurde mit der Organisation der Veranstaltung beauftragt. Sollten Sie Fragen zur Organisation der Veranstaltung haben, wenden Sie sich bitte direkt an das Veranstaltungsmanagement unter veranstaltung@bafza.bund.de oder 0221/3673 – 1625.

Bitte wenden Sie sich auch dorthin, wenn Sie diese Ankündigung nicht über einen Mailverteiler bekommen haben und eine Einladung zur Anmeldung erhalten möchten.

Termin: 24. November 2020

Veranstalter: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Wir freuen uns sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 24. November 2020 die Online-Konferenz „COVID-19 überwinden – gemeinsam Perspektiven für starke Familien entwickeln“ ausrichten wird.

Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedstaaten sowie mit Expertinnen und Experten aus dem Bereich Familienpolitik soll diskutiert werden, wie die Auswirkungen von COVID 19 auf Kinder und Familien weiter abgemildert bzw. überwunden und gemeinsam Perspektiven für starke Familien in Europa entwickelt werden können.

In vier Fachpanels sollen die finanzielle Stabilität von Familien, gleiche Bildungschancen für alle Kinder, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Bekämpfung von Gewalt in Familien erörtert werden.
Wir würden uns freuen, wenn Sie sich den 24. November 2020 für die Teilnahme an unserer ganztägigen Online-Konferenz vormerken würden.

Eine Einladung mit Weblink, Programm sowie Chat-Anmeldung, um Fragen stellen zu können, erhalten Sie per E-Mail Anfang November.

AUS DEM ZFF

Anlässlich der heutigen öffentlichen Anhörung des Familienausschusses im Deutschen Bundestag zum Thema Kinderarmut unterstreicht das ZFF die Bedeutung von Reformen der Familienförderung hin zu einer Kindergrundsicherung.

Die Debatte um eine Reform der Familienförderung hin zu einer Kindergrundsicherung ist in vollem Gange. Der Bundestag diskutiert heute in einer Öffentlichen Anhörung einen Antrag der Fraktion DIE LINKE. "Kinderarmut überwinden, Kindergrundsicherung einführen" und einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen "Faire Chancen für jedes Kind – Kindergrundsicherung einführen". Das ZFF begrüßt diese Entwicklung. Gemeinsam mit dem Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG fordern wir seit 2009 die Zusammenlegung und einkommensabhängige Auszahlung der pauschal bemessenen monetären Leistungen für Familien.

Alexander Nöhring (Geschäftsführer des ZFF) erklärt dazu: „Das ZFF beurteilt beide Anträge auf Einführung einer Kindergrundsicherung als Meilensteine auf dem Weg zu einer besseren und sozial gerechteren Absicherung von Kindern, Jugendlichen und ihrer Familien sowie für die Sicherung eines Aufwachsens in Wohlergehen. Darüber hinaus enthalten die Konzepte viele Bestandteile des Modells des Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG, für das sich das ZFF seit nunmehr elf Jahren einsetzt.

Zudem sind dies nicht die einzigen Vorschläge im politischen Raum, die hierzu vorliegen: Auch die SPD hat ein Konzept für eine Kindergrundsicherung vorgelegt, einige Landesverbände der CDU haben sich der grundsätzlichen Forderung nach einer Kindergrundsicherung angeschlossen, auf Länderebene wird in diesem Jahr ein Grundsatzbeschluss der Arbeits- und Sozialminister*innenkonferenz (ASMK) zur Kindergrundsicherung erwartet und auch der DGB hat im Sommer 2020 ein eigenes, jedoch sehr ähnliches Konzept vorgelegt.“

Alexander Nöhring fährt fort: „Aus Sicht des ZFF ist es dringend notwendig, diese Dynamik zu nutzen, zügig eine Kindergrundsicherung umzusetzen und die Familienförderung „vom Kopf auf die Füße“ zu stellen. Dabei kommt es jedoch darauf an, dass die neue Leistung für alle Kinder und Jugendliche gilt, in ausreichender Höhe zu Verfügung gestellt wird, nicht hinter dem Status Quo zurückfällt und so einfach wie möglich an alle Kinder und Jugendlichen bzw. an ihre Familien ausbezahlt wird.“

Alexander Nöhring, Geschäftsführer des ZFF, wird heute als Sachverständiger bei der Ausschusssitzung dabei sein. Die Sitzung wird zeitversetzt am 6. Oktober um 15 Uhr im Parlamentsfernsehen und im Internet auf www.bundestag.de übertragen.

Die Stellungnahme des ZFF zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages am 05. Oktober 2020 zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Faire Chancen für jedes Kind – Kindergrundsicherung einführen" sowie zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. "Kinderarmut überwinden, Kindergrundsicherung einführen" finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 05.10.2020

Bei der heutigen Mitgliederversammlung des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) wurde die gemeinsame Erklärung „Fürsorge ist systemrelevant“ verabschiedet. Darin fordern die Mitglieder die Politik in Bund, Ländern und Kommunen in sechs Zwischenrufen auf, in Krisenzeiten, aber auch für die Zukunft, für eine solidarische und geschlechtergerechte Absicherung von Fürsorgearbeit einzutreten.

„Fürsorge ist systemrelevant!“

In der Corona-Pandemie ist unsere Gesellschaft gefordert wie selten zuvor. Die Erwerbsarbeit wurde im „Lockdown“ entweder nach Hause verlagert oder fand unter großen Herausforderungen statt, um die soziale und technische Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig wurde die Betreuung der Kinder, die Begleitung der Schulaufgaben, die Pflege von Angehörigen und die solidarische Nachbarschaftshilfe gestemmt. Dabei waren die Familien weitgehend auf sich alleine gestellt: Die Kindertagesbetreuung und die Schulen liefen nicht im Regelbetrieb und Familienbildung sowie weitere Angebote der Kinder- und Jugendhilfe fanden nur unter erschwerten Bedingungen statt. Auch Angebote ambulanter Pflegedienste oder Tageseinrichtungen standen nur eingeschränkt zur Verfügung.

Insbesondere die Kinder und Jugendlichen waren es, die am wenigsten Beachtung gefunden haben mit ihren Bedürfnissen nach Freizeit, Platz zum Spielen und Lernen, Treffen von Freund*innen und einem stabilen und möglichst stressfreien familiären Umfeld.

Zwar wurden Sozialpakete geschnürt, Unterstützungsleistungen im Rahmen des Konjunkturpaketes geschaffen und Rücksicht auf Arbeitnehmer*innen mit Fürsorgeaufgaben genommen. Dennoch zeigt sich, dass die Lasten des „Lockdowns“ sowie die Wirkungen der staatlichen Rettungsschirme ungleich verteilt sind. Aus unserer Sicht ist es nicht nachzuvollziehen, dass die Interessen von Familien, Senior*innen, Frauen und Jugendlichen nicht am Tisch des Krisenkabinetts und der wissenschaftlichen Beiräte besprochen wurden und sie bis heute nur zweitrangig verhandelt werden.

Diese Lücken im Hilfesystem und den Rettungsschirmen sind weiter offen und müssen dringend geschlossen werden.

In dieser Krise, aber auch weit darüber hinaus, fordern wir, die Mitglieder des Zukunftsforums Familie e. V., eine solidarische und geschlechtergerechte Absicherung von Fürsorgearbeit über den gesamten Lebensverlauf hinweg! Dieses setzt einen guten Mix aus Zeit, Geld und Infrastruktur voraus, der dringend abgesichert sein muss – jetzt und in Zukunft.

Dazu zählen für uns:

  1. Zwischenruf: Kinder und Jugendliche dürfen nicht zurückgelassen werden!
  2. Zwischenruf: Rettungsschirme müssen auch über arme Familien gespannt werden!
  3. Zwischenruf: Die Bildung muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen!
  4. Zwischenruf: Frauen und Mütter dürfen nicht die Hauptlast der Krise tragen!
  5. Zwischenruf: Die Pflege von Angehörigen muss endlich gut abgesichert werden!
  6. Zwischenruf: Alle Menschen haben ein Recht auf Familie und Fürsorge!

Die gemeinsame Erklärung im Wortlaut finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 02.10.2020

Im Rahmen der heutigen Mitgliederversammlung des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) wurde ein neuer achtköpfiger Vorstand gewählt.

Das Zukunftsforum Familie hat einen neuen Vorstand. Die Mitgliederversammlung wählte heute in Berlin Britta Altenkamp aus dem Bundespräsidium der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zur neuen Vorsitzenden. Die MdL und Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Bezirk Niederrhein war bereits Mitglied im Vorstand des ZFF und setzt sich seit über 20 Jahren auf kommunaler und Landesebene für eine solidarische Kinder-, Jugend- und Familienpolitik ein. Altenkamp folgt auf Christiane Reckmann, die den Verband seit seiner Gründung geleitet und geprägt hat.

Stellvertretende Vorsitzende sind weiterhin die Kita-Fachberaterin Birgit Merkel, stellv. Vorsitzende der AWO Region Hannover e.V., und Dieter Heinrich, Geschäftsführer des Progressiven Eltern- und Erzieherverbandes (PEV) NW e.V.

In ihrem Amt als Beisitzer*innen wurde Anita Leese-Hehmke, Mitglied im Vorstand des AWO Landesverbandes Berlin e.V., bestätigt. Neu in den Vorstand und in das Amt der Beisitzer*innen wurden gewählt: Ines Albrecht-Engel, Mitglied im Präsidium des AWO-Bezirk Hannover e.V, Wolfgang Jörg, MdL und Vorsitzender des AWO Unterbezirks Hagen-Märkischer Kreis e.V., Selvi Naidu, Vorstandsmitglied des AWO Bundesverbandes e.V. und Jürgen Tautz, Geschäftsführer des AWO Kreisverbandes Chemnitz und Umgebung e.V. / AWO Landesverband Sachsen e.V.

Wir gratulieren den Gewählten und freuen uns auf eine weiterhin hervorragende Zusammenarbeit.

Der ursprünglich geplante Festakt zur Verabschiedung von Christiane Reckmann, Wolfgang Stadler (AWO Bundesverband e.V.) und Renate Drewke (AWO Unterbezirk Hagen-Märkischer Kreis e.V.) wird aufgrund der Corona-Pandemie auf das Frühjahr 2021 verschoben. Wir sagen jedoch bereits heute Danke für das herausragende Engagement sowie die wunderbare und intensive Zeit!

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 02.10.2020

AKTUELLES

Die demokratische (Alltags-)Kultur, Menschenrechte und Gleichstellungspolitik stehen in den letzten Jahren unter Druck. Autoritäre, neurechte und menschenfeindliche Ideologien und Bewegungen gewinnen an Bedeutung – und mit ihnen Antifeminismus. Antifeministische Rhetoriken und Ideen, die sich auf die weibliche Zivilgesellschaft auswirken, haben sich verstärkt.

Um abzubilden, wie das Erstarken dieser Ideologien die Arbeit von Frauenverbänden beeinflusst und verändert, hat der Deutsche Frauenrat die Amadeu Antonio Stiftung beauftragt, bei seinen Mitgliedsverbänden nachzufragen. Entstanden ist daraus die Expertise Auswirkungen von Antifeminismus auf Frauenverbände – Demokratie-Empowerment als Gegenstrategie:

Nach einer Einführung in den Antifeminismus gibt sie Überblick über Berührungspunkte der DF-Mitgliedsverbände und Aggressionen gegen diese. Abschließend werden bewährte Gegenstrategien gebündelt, um sich gegen antifeministische Angriffe besser zur Wehr setzen zu können.

Broschüre als PDF

Im Rahmen eines Psychologie-Masterstudiums an der SRH Hochschule Heidelbergwurde ein Fragebogen erstellt, anhand dessendie Lebenszufriedenheit und die soziale Situation alleinerziehender Vätern erhoben werden soll. Damit sollenvorhandene Problembereiche erforscht undein besseres Bild der Situation alleinerziehender Männer gewonnen werden.

Hier geht es zum Fragebogen: https://www.soscisurvey.de/vaeterforschungsrh2020/

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Pressemitteilung Thema: Kinderarmut

Kinderarmut: Dynamik jetzt nutzen und Kindergrundsicherung einführen!

05.10.2020 – Anlässlich der heutigen öffentlichen Anhörung des Familienausschusses im Deutschen Bundestag zum Thema Kinderarmut unterstreicht das ZFF die Bedeutung von Reformen der Familienförderung hin zu einer Kindergrundsicherung.

Die Debatte um eine Reform der Familienförderung hin zu einer Kindergrundsicherung ist in vollem Gange. Der Bundestag diskutiert heute in einer Öffentlichen Anhörung einen Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Kinderarmut überwinden, Kindergrundsicherung einführen“ und einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen „Faire Chancen für jedes Kind – Kindergrundsicherung einführen“. Das ZFF begrüßt diese Entwicklung. Gemeinsam mit dem Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG fordern wir seit 2009 die Zusammenlegung und einkommensabhängige Auszahlung der pauschal bemessenen monetären Leistungen für Familien.

Alexander Nöhring (Geschäftsführer des ZFF) erklärt dazu: „Das ZFF beurteilt beide Anträge auf Einführung einer Kindergrundsicherung als Meilensteine auf dem Weg zu einer besseren und sozial gerechteren Absicherung von Kindern, Jugendlichen und ihrer Familien sowie für die Sicherung eines Aufwachsens in Wohlergehen. Darüber hinaus enthalten die Konzepte viele Bestandteile des Modells des Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG, für das sich das ZFF seit nunmehr elf Jahren einsetzt.

Zudem sind dies nicht die einzigen Vorschläge im politischen Raum, die hierzu vorliegen: Auch die SPD hat ein Konzept für eine Kindergrundsicherung vorgelegt, einige Landesverbände der CDU haben sich der grundsätzlichen Forderung nach einer Kindergrundsicherung angeschlossen, auf Länderebene wird in diesem Jahr ein Grundsatzbeschluss der Arbeits- und Sozialminister*innenkonferenz (ASMK) zur Kindergrundsicherung erwartet und auch der DGB hat im Sommer 2020 ein eigenes, jedoch sehr ähnliches Konzept vorgelegt.“

Alexander Nöhring fährt fort: „Aus Sicht des ZFF ist es dringend notwendig, diese Dynamik zu nutzen, zügig eine Kindergrundsicherung umzusetzen und die Familienförderung „vom Kopf auf die Füße“ zu stellen. Dabei kommt es jedoch darauf an, dass die neue Leistung für alle Kinder und Jugendliche gilt, in ausreichender Höhe zu Verfügung gestellt wird, nicht hinter dem Status Quo zurückfällt und so einfach wie möglich an alle Kinder und Jugendlichen bzw. an ihre Familien ausbezahlt wird.“

Alexander Nöhring, Geschäftsführer des ZFF, wird heute als Sachverständiger bei der Ausschusssitzung dabei sein. Die Sitzung wird zeitversetzt am 6. Oktober um 15 Uhr im Parlamentsfernsehen und im Internet auf www.bundestag.de übertragen.

Die Stellungnahme des ZFF zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages am 05. Oktober 2020 zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Faire Chancen für jedes Kind – Kindergrundsicherung einführen“ sowie zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Kinderarmut überwinden, Kindergrundsicherung einführen“ finden Sie hier.

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Pressemitteilung Thema: Zeitpolitik

Zukunftsforum Familie e.V.: Fürsorge ist systemrelevant!

02.10.2020 – Bei der heutigen Mitgliederversammlung des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) wurde die gemeinsame Erklärung „Fürsorge ist systemrelevant“ verabschiedet. Darin fordern die Mitglieder die Politik in Bund, Ländern und Kommunen in sechs Zwischenrufen auf, in Krisenzeiten, aber auch für die Zukunft, für eine solidarische und geschlechtergerechte Absicherung von Fürsorgearbeit einzutreten.

„Fürsorge ist systemrelevant!“

In der Corona-Pandemie ist unsere Gesellschaft gefordert wie selten zuvor. Die Erwerbsarbeit wurde im „Lockdown“ entweder nach Hause verlagert oder fand unter großen Herausforderungen statt, um die soziale und technische Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig wurde die Betreuung der Kinder, die Begleitung der Schulaufgaben, die Pflege von Angehörigen und die solidarische Nachbarschaftshilfe gestemmt. Dabei waren die Familien weitgehend auf sich alleine gestellt: Die Kindertagesbetreuung und die Schulen liefen nicht im Regelbetrieb und Familienbildung sowie weitere Angebote der Kinder- und Jugendhilfe fanden nur unter erschwerten Bedingungen statt. Auch Angebote ambulanter Pflegedienste oder Tageseinrichtungen standen nur eingeschränkt zur Verfügung.

Insbesondere die Kinder und Jugendlichen waren es, die am wenigsten Beachtung gefunden haben mit ihren Bedürfnissen nach Freizeit, Platz zum Spielen und Lernen, Treffen von Freund*innen und einem stabilen und möglichst stressfreien familiären Umfeld.

Zwar wurden Sozialpakete geschnürt, Unterstützungsleistungen im Rahmen des Konjunkturpaketes geschaffen und Rücksicht auf Arbeitnehmer*innen mit Fürsorgeaufgaben genommen. Dennoch zeigt sich, dass die Lasten des „Lockdowns“ sowie die Wirkungen der staatlichen Rettungsschirme ungleich verteilt sind. Aus unserer Sicht ist es nicht nachzuvollziehen, dass die Interessen von Familien, Senior*innen, Frauen und Jugendlichen nicht am Tisch des Krisenkabinetts und der wissenschaftlichen Beiräte besprochen wurden und sie bis heute nur zweitrangig verhandelt werden.

Diese Lücken im Hilfesystem und den Rettungsschirmen sind weiter offen und müssen dringend geschlossen werden.

In dieser Krise, aber auch weit darüber hinaus, fordern wir, die Mitglieder des Zukunftsforums Familie e. V., eine solidarische und geschlechtergerechte Absicherung von Fürsorgearbeit über den gesamten Lebensverlauf hinweg! Dieses setzt einen guten Mix aus Zeit, Geld und Infrastruktur voraus, der dringend abgesichert sein muss – jetzt und in Zukunft.

Dazu zählen für uns:

  1. Zwischenruf: Kinder und Jugendliche dürfen nicht zurückgelassen werden!
  2. Zwischenruf: Rettungsschirme müssen auch über arme Familien gespannt werden!
  3. Zwischenruf: Die Bildung muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen!
  4. Zwischenruf: Frauen und Mütter dürfen nicht die Hauptlast der Krise tragen!
  5. Zwischenruf: Die Pflege von Angehörigen muss endlich gut abgesichert werden!
  6. Zwischenruf: Alle Menschen haben ein Recht auf Familie und Fürsorge!

Die gemeinsame Erklärung im Wortlaut finden Sie hier.

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Pressemitteilung

Zukunftsforum Familie e.V. hat neuen Vorstand

02.10.2020 – Im Rahmen der heutigen Mitgliederversammlung des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) wurde ein neuer achtköpfiger Vorstand gewählt.

Das Zukunftsforum Familie hat einen neuen Vorstand. Die Mitgliederversammlung wählte heute in Berlin Britta Altenkamp aus dem Bundespräsidium der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zur neuen Vorsitzenden. Die MdL und Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Bezirk Niederrhein war bereits Mitglied im Vorstand des ZFF und setzt sich seit über 20 Jahren auf kommunaler und Landesebene für eine solidarische Kinder-, Jugend- und Familienpolitik ein. Altenkamp folgt auf Christiane Reckmann, die den Verband seit seiner Gründung geleitet und geprägt hat.

Stellvertretende Vorsitzende sind weiterhin die Kita-Fachberaterin Birgit Merkel, stellv. Vorsitzende der AWO Region Hannover e.V., und Dieter Heinrich, Geschäftsführer des Progressiven Eltern- und Erzieherverbandes (PEV) NW e.V.

In ihrem Amt als Beisitzer*innen wurde Anita Leese-Hehmke, Mitglied im Vorstand des AWO Landesverbandes Berlin e.V., bestätigt. Neu in den Vorstand und in das Amt der Beisitzer*innen wurden gewählt: Ines Albrecht-Engel, Mitglied im Präsidium des AWO-Bezirk Hannover e.V, Wolfgang Jörg, MdL und Vorsitzender des AWO Unterbezirks Hagen-Märkischer Kreis e.V., Selvi Naidu, Vorstandsmitglied des AWO Bundesverbandes e.V. und Jürgen Tautz, Geschäftsführer des AWO Kreisverbandes Chemnitz und Umgebung e.V. / AWO Landesverband Sachsen e.V.

Wir gratulieren den Gewählten und freuen uns auf eine weiterhin hervorragende Zusammenarbeit.

Der ursprünglich geplante Festakt zur Verabschiedung von Christiane Reckmann, Wolfgang Stadler (AWO Bundesverband e.V.) und Renate Drewke (AWO Unterbezirk Hagen-Märkischer Kreis e.V.) wird aufgrund der Corona-Pandemie auf das Frühjahr 2021 verschoben. Wir sagen jedoch bereits heute Danke für das herausragende Engagement sowie die wunderbare und intensive Zeit!