Regelsätze: Kinder gehören nicht in die Grundsicherung!

02.11.2020 – Anlässlich der heutigen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag zum Gesetzentwurf zur Neuermittlung der Regelbedarfe mahnt das ZFF an, dass sich der Gesetzgeber bei der Existenzsicherung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen endlich ein auskömmliches soziokulturelles Existenzminimum zum Maßstab nehmen sollte.

Alle fünf Jahre wird der Regelbedarf auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) neu ermittelt. Die EVS wird vom Statistischen Bundesamt durchgeführt und liefert Angaben zu den Lebensverhältnissen der privaten Haushalte in Deutschland. Im Rahmen der Ermittlung des Regelbedarfs werden Sonderauswertungen der EVS vorgenommen und die durchschnittlichen Verbrauchsausgaben einkommensschwacher Haushalte ermittelt. Der Gesetzgeber trifft dann eine Auswahl der Ausgabenpositionen, die er als regelbedarfsrelevant erachtet. Die ausgewählten Positionen werden anschließend addiert und ergeben den Regelbedarf im SGB II und XII.

Alexander Nöhring (Geschäftsführer des ZFF) erklärt dazu: „Die ermittelten Regelsätze erfassen gerade einmal den allernötigsten Bedarf. Armen Kindern und Jugendlichen ist ein Aufwachsen in Wohlergehen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben so nicht möglich. In der aktuellen Krisensituation zeigt sich erneut, wie stark die Bildungs- und Teilhabechancen vom Geldbeutel der Eltern abhängen: Nicht alle Kinder und Jugendlichen können am digitalen Unterrichtsgeschehen adäquat teilnehmen, da zu Hause das Geld nicht ausreicht, um einen Computer oder einen Drucker zu kaufen. Oft fehlt ein Tisch oder auch ein eigenes Zimmer in einer beengten Wohnung, um in Ruhe Schularbeiten zu machen. Darüber hinaus ist weder ein Eis, noch ein Campingurlaub im Sommer dem Gesetzgeber für ein Kinderleben relevant. Bildungsungleichheiten und Leistungsunterschiede und das Gefühl, nicht dazuzugehören verstärken sich so immer mehr.

Was Kinder und Jugendliche für ihre Existenzsicherung brauchen, ist nicht losgelöst vom Haushaltskontext und der Bemessung des elterlichen Existenzminimums. Der elterliche Bedarf wird aber aus den ärmsten 15 Prozent der Alleinlebenden ermittelt und enthält weder Begleitkosten für einen Ausflug ins Schwimmbad oder den Zoo, noch ist der Betreuungs- und Erziehungsaufwand angemessen berücksichtigt.“

Alexander Nöhring fährt fort: „Das ZFF fordert eine bedarfsgerechte, transparente und methodisch stimmige Ermittlung der Regelsätze und damit des soziokulturellen Existenzminimums. Ausgangspunkt der Ermittlung muss das sein, was Kinder und Jugendliche für ein Aufwachsen in Wohlergehen brauchen und nicht das Minimalniveau. Ebenfalls muss der Bedarf, der in einer Familie im Vergleich zu einem Alleinlebenden zusätzlich anfällt, berücksichtigt werden. Auf Grundlage dieser Neuberechnung und um langfristig, effizient und zielgerichtet gegen Kinderarmut vorzugehen, wollen wir Kinder und Jugendlichen mit einer einkommensabhängigen Kindergrundsicherung raus aus der Grundsicherung holen.“

Alexander Nöhring und Nikola Schopp werden heute als Sachverständige bei der Ausschusssitzung dabei sein. Die Sitzung wird live am 2. November um 13 Uhr im Parlamentsfernsehen und im Internet auf www.bundestag.de übertragen.

Die Stellungnahme des ZFF zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 2. November 2020 zum Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes“ und weiterer Anträge finden Sie hier.