SCHWERPUNKT I: Parlamentsdebatte Hartz IV Regelsätze
AWO zur Regelbedarfsermittlung: Gesetzentwurf bleibt hinter den Erwartungen zurück
Anlässlich der heutigen ersten parlamentarischen Lesung des Entwurfs zum Regelbedarfsermittlungsgesetz rügt der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt die vorgesehenen Erhöhungen als unzureichend. Er fordert, die Berechnung der Grundsicherung weiterzuentwickeln. „Wissenschaft und Zivilgesellschaft üben seit Jahren begründete Kritik an dem derzeitigen System der Regelbedarfserrechnung“, erklärt dazu Jens M. Schubert, Bundesgeschäftsführer der AWO, „Es ist äußerst fragwürdig, erst einen tatsächlichen Bedarf zu ermitteln und im Nachgang den Rotstift anzusetzen, um vermeintlich nicht bedarfsrelevante Bedarfe wegzukürzen. Neben der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Verfahrens geht es aktuell vor allem um eine politische Entscheidung: Wie sehr dürfen Menschen in ihren finanziellen Möglichkeiten eingeschränkt werden, die sowieso schon benachteiligt sind?“
Der vorliegende Entwurf wiederholt weitestgehend das breit kritisierte Berechnungsverfahren aus den Jahren 2011 und 2016. Dabei werden zunächst mit einem statistischen Verfahren die unteren durchschnittlichen Ausgaben für die alltägliche Lebensführung ermittelt und zahlreiche Posten im Nachhinein gekürzt. Dadurch wird der finanzielle Spielraum der Betroffenen so massiv beschränkt, dass keine Möglichkeit für internen Kostenausgleich, eigenständige Konsumentscheidungen oder kurzfristig notwendige Anschaffungen mehr bleibt. Die AWO mahnt deshalb eine Verbesserung des Berechnungsverfahrens an.
Der Verband kritisiert zudem, dass die pandemiebedingten Mehrkosten nicht ausdrücklich in der jetzigen Entwurfsfassung berücksichtigt worden seien. „Corona kommt diejenigen teuer zu stehen, die sowieso schon wenig haben. Mit den aktuellen Regelbedarfshöhen konnten und können Corona-bedingte Mehrkosten nicht hinreichend ausgeglichen werden. Der Gesetzesentwurf gibt keine Antwort, wie die Mehrkosten der letzten Monate für Masken, Desinfektionsmittel, nötige digitale Anbindung und vieles mehr bei Betroffenen ausgeglichen werden können“, so Schubert.
Die AWO sehe dringenden Bedarf zur Nachbesserung. Der Verband fordert daher eine zu März 2020 rückwirkende Regelsatzerhöhung, um Betroffene schnell zu entlasten. Anderenfalls würden Teilhabemöglichkeiten für Betroffene stark eingeschränkt bleibe.
Schubert abschließend: „Insgesamt nutzt der Gesetzgeber bisher seinen Handlungsspielraum nicht hinreichend aus, um die Situation für über sieben Millionen Grundsicherungsbeziehende spürbar zu verbessern. Es bleibt zu hoffen, dass dies im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens nachgeholt wird.“
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 07.10.2020
Nak zur Regelbedarfsermittlung: Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren nachbessern!
Heute findet im Bundestag die erste Beratung des Entwurfs des Regelbedarfsermittlungsgesetz statt. Darin wird die Höhe der Regelbedarfe ab 2021 festgesetzt. Die Nationale Armutskonferenz kommt nach Prüfung des Gesetzentwurfs zu dem Ergebnis: Der Regelbedarf ist an vielen Stellen zu knapp bemessen. Dies legt die nak beispielhaft in ihrem heute veröffentlichten Positionspapier dar. Bündnissprecher Gerwin Stöcken fordert daher deutliche Verbesserungen des Gesetzentwurfs im parlamentarischen Verfahren. Insbesondere sollten die Parlamentarier*innen die nachträglichen Streichungen revidieren.
Gerwin Stöcken, Sprecher der nak: „Die im Gesetzentwurf vorgelegte Berechnung der Regelbedarfe geht vielfach an der Lebensrealität der Menschen vorbei. Viele methodische Setzungen, angefangen bei der Definition der Referenzgruppen über den Einbezug verdeckter Armut in die Statistik bis zur Behandlung bestimmter Ausgaben wie langlebige Gebrauchsgüter, Gesundheitskosten, der Bereich der digitalen Ausstattung oder Strom, überzeugen nicht. Besonders ins Gewicht fallen erneut die umfangreichen nachträglichen Kürzungen, die sich Berechnungen zufolge auf über 150 Euro summieren. Die genannten Kritikpunkte zeigen: Die Bundesregierung gibt sich große Mühe, um den Regelbedarf möglichst knapp zu bemessen, ohne sich ernsthaft mit vorliegenden Verbesserungsvorschlägen des Verfahrens aus der Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu befassen. Wir setzen darauf, dass jetzt im parlamentarischen Verfahren nachgebessert wird.“
Anlässlich der Regelbedarfsermittlung hat die Nationale Armutskonferenz heute ein Positionspapier veröffentlicht, in dem dargelegt wird, was eine mangelhafte Ausgestaltung des Existenzminimums für die Menschen im Grundsicherungsbezug finanziell bedeuten kann. Seien es Zuzahlungen für die Gesundheit, der Umgang mit dem Kind in einer Trennungsfamilie, die Pflege sozialer und familiärer Beziehungen, die digitale Ausstattung von Kindern, die kaputte Waschmaschine oder die Stromkosten – anhand dieser Beispiele weist das Positionspapier auf die Lücken in der gegenwärtigen Ausgestaltung des Existenzminimums hin.
Zum Hintergrund:
Der Gesetzgeber ist zur Neuberechnung der Regelbedarfe verpflichtet, wenn die Ergebnisse der zu Grunde liegenden Statistik, der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) vorliegen. Mit dem aktuellen Regelbedarfsermittlungsgesetz wird dies für die Regelbedarfe ab 2021 umgesetzt. Die Regelsätze sollen gemeinsam mit den Kosten für Unterkunft und Heizung sowie den Mehrbedarfen den existenziellen Bedarf für Leistungsberechtigte des SGB II, des SGB XII und des Asylbewerberleistungsgesetz abbilden. Die Berechnung der Regelsätze in der Grundsicherung steht seit Jahren in der Kritik. Der vorliegende Gesetzentwurf führt dieses kritikwürdige Verfahren weitgehend fort.
Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz (nak) vom 07.10.2020
DKHW: Neuberechnung der Hartz-IV-Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche realitätsfremd
Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte über die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelbedarfe die neuen Regelsätze für Kinder und Jugendliche als realitätsfremd und unzureichend. Aus Sicht der Kinderrechtsorganisation fehlt nach wie vor ein politisches Gesamtkonzept, mit dem die Situation der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen in Deutschland nachhaltig verbessert wird.
"Durch die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Jugendliche wird Kinderarmut in Deutschland nicht beseitigt, sondern sie wird sogar zementiert. Die vorgesehenen Erhöhungen sehen nur auf den ersten Blick gut aus, bei genauerem Hinsehen sind sie ein armutspolitischer Skandal. 8,92 Euro monatlich für Kinderschuhe, 1,75 Euro für Toilettenpapier und Papiertaschentücher oder 3,92 Euro für einen Friseurbesuch: Diese Einzelposten zeigen, dass die Regelsätze mit der Realität so gut wie nichts zu tun haben. Und dass für ein Fahrrad, eine Uhr oder ein Musikinstrument kein einziger Cent vorgesehen ist, spricht Bände", betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
"Eine grundsätzliche Verbesserung der Lebenssituation von Armut betroffener Kinder und Jugendlicher benötigt eine grundlegende Reform der Regelsatzberechnung. Es sollte bedarfs- und realitätsgerecht ermittelt werden, was Kinder brauchen. Referenz muss dabei ein gutes Aufwachsen und die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben sein", so Hofmann weiter.
Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert Bund, Länder und Kommunen auf, der Bekämpfung von Kinderarmut in Deutschland endlich die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient, und in der Konsequenz wirksame Maßnahmen zur Förderung armer Kinder und ihrer Familien zu ergreifen. So zeigen die vor kurzem von der Bertelsmann Stiftung vorgelegten Zahlen zur Kinderarmut in Deutschland sehr eindrücklich, dass es nach wie vor nicht gelingt der anhaltend hohen Kinderarmut in Deutschland etwas entgegen zu setzen. Zudem ist angesichts der Corona-Krise damit zu rechnen, dass die Zahl der von Armut betroffenen Kinder und Familien noch ansteigen wird.
Das Deutsche Kinderhilfswerk tritt für die Einführung einer bedarfsgerechten Kindergrundsicherung nach dem Modell des Bündnisses KINDERGRUNDSICHERUNG ein, die den bestehenden Familienlastenausgleich ablöst, bestehende kindbezogene Leistungen bündelt und das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Familie, der Familienform und dem bisherigen Unterstützungssystem bedarfsgerecht gewährleistet. Die Kindergrundsicherung ist eine nachhaltige Lösung, die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen eigenständig und unabhängig von der Hartz-IV-Gesetzgebung absichert.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e. V. vom 07.10.2020
Paritätischer Gesamtverband: Hartz IV: Paritätischer Wohlfahrtsverband fordert Übernahme der Stromkosten für Grundsicherungsbeziehende
Die aktuellen Zahlen zu im Jahr 2019 durchgeführten Stromsperren nimmt der Paritätische Wohlfahrtsverband zum Anlass, seine Forderung nach einer Totalreform von Hartz IV zu unterstreichen: Strom dürfe künftig nicht mehr im Regelsatz pauschaliert erfasst werden, sondern müsse wie Miete und Heizkosten übernommen werden, fordert der Verband. Darüber hinaus sollen nach Vorstellungen des Verbandes größere Anschaffungen (z.B. Kühlschrank, Waschmaschine) als einmalige Leistungen zusätzlich finanziert werden und der Regelsatz selbst deutlich angehoben werden, um wirklich alle Bedarfe des täglichen Lebens zu decken.
Eine Stromabschaltung bedeute für viele Menschen, keine Möglichkeit zur Warmwasserbereitung, zum Kochen oder sogar zum Heizen zu haben. Gerade bei kleinen Kindern, alten, kranken oder behinderten Menschen sei diese Praxis überhaupt nicht hinnehmbar, kritisiert der Paritätische. Auch wenn die meisten Energieversorger derzeit während der Corona-Pandemie vorübergehend auf das Verhängen neuer Stromsperren verzichten, fehle noch immer eine dauerhafte Lösung für das Problem. „Stromsperren sind in unserer modernen Gesellschaft barbarisch. Energie gehört wie ein Dach über dem Kopf zum Existenzminimum“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. „Stromkosten lassen sich nicht pauschalieren und haben daher nichts im Regelsatz zu suchen. Klar und konsequent wäre es, wenn auch die Stromkosten genau wie die Heizkosten in tatsächlicher Höhe übernommen würden.“
Notwendig ist darüber hinaus aus Sicht des Verbandes eine deutliche Anhebung der Regelsätze. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müsste ein armutsfester Regelsatz 644 Euro (für alleinlebende Erwachsene) betragen. Bei den Berechnungen sind die umstrittenen und auch bereits von anderen kritisierten statistischen Manipulationen im Regelsatz herausgerechnet. Die direkten Mehrkosten zur Umsetzung des Vorschlags werden auf 14,5 Milliarden Euro geschätzt.
Der Paritätische begrüßt vor diesem Hintergrund die Vorstöße aus der Opposition im Bundestag zur Anhebung der Regelsätze auf über 600 Euro. „Alle Expert*innen sind sich einig, unter 600 Euro reicht es auf keinen Fall. Die Bundesregierung muss endlich ihre umstrittenen Methoden der Regelbedarfsermittlung korrigieren und zu einem Verfahren finden, das sich an der Lebensrealität orientiert. Es fehlt nicht an belastbaren Zahlen und Modellen. Was es braucht, ist den politischen Willen, Armut in diesem reichen Land wirklich zu verhindern“, so Schneider.
Die Expertise „Regelbedarfe 2021. Alternative Berechnungen zur Ermittlung der Regelbedarfe in der Grundsicherung“ kann hier heruntergeladen werden: https://www.der-paritaetische.de/publikationen/regelbedarfe-2021-alternative-berechnungen-zur-ermittlung-der-regelbedarfe-in-der-grundsicherung/
Zur unzureichenden Höhe der Regelsätze siehe u.a. auch die Studie „Arm, abgehängt, ausgegrenzt. Eine Untersuchung zu Mangellagen eines Lebens mit Hartz IV“: https://www.der-paritaetische.de/publikationen/expertise-arm-abgehaengt-ausgegrenzt-eine-untersuchung-zu-mangellagen-eines-lebens-mit-hartz-iv/
Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 07.10.2020
SCHWERPUNKT II: Safe Abortion Day
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen weltweit und in Deutschland absichern
Zum Internationalen Tag für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs (International Safe Abortion Day) am 28.09.2020 erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik, und Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Gesundheitsförderung:
Der International Safe Abortion Day macht auf das grundsätzliche Recht auf Zugang zu einem sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch aufmerksam. Weltweit bleibt dieses Recht vielen Frauen verwehrt. Jedes Jahr sind Millionen Frauen gezwungen auf unsichere Methoden zurückzugreifen, weil das Gesetz Abbrüche grundsätzlich verbietet. Diese grausame Praxis kostet viele Frauen das Leben. Es ist unerträglich, dass nach WHO-Schätzungen in unserer Zeit weltweit 70.000 Frauen pro Jahr an den Folgen unprofessionell durchgeführter Schwangerschaftsabbrüche sterben müssen.
In Deutschland haben Frauen die Möglichkeit, sichere Schwangerschaftsabbrüche zu bekommen. Die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch stellt Frauen aber auch hierzulande vor große Hürden. In nächster Zeit werden mehr und mehr Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, in den Ruhestand gehen. Die Versorgungssicherheit ist in einigen deutschen Regionen bereits jetzt nicht mehr gegeben und die Situation spitzt sich weiter zu. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Wir kämpfen weiter für die Streichung des Paragrafen 219 a StGB, gegen einen Versorgungsnotstand und die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Die Corona-Krise hat den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen weltweit erschwert. Es bleibt notwendig, das Recht auf Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen weltweit zu verteidigen.
Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 27.09.2020
Bundestagsfraktion DIE LINKE: Schwangerschaftsabbrüche raus aus dem Strafgesetzbuch
„Seit bald 150 Jahren steht das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen im Strafgesetzbuch. Nur unter bestimmten Bedingungen dürfen Frauen abtreiben, ohne dass dies bestraft wird. Feministischen Kämpfen haben wir es zu verdanken, dass es Ausnahmen vom Zwang gibt, ein Kind auszutragen. Eine Erlaubnis und Ausnahmen sind zu wenig, wenn es um die körperliche Selbstbestimmung geht. Frauen brauchen ein Recht darauf. Deshalb müssen Schwangerschaftsabbrüche raus aus dem Strafgesetzbuch und ganz normaler Teil der Gesundheitsversorgung werden“, so Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, zum internationalen Safe Abortion Day am 28. September. Möhring weiter:
„Das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen konterkariert eine gute Versorgung. Es wirkt stigmatisierend, Schwangerschaftsabbrüche erscheinen nicht als Teil der gesundheitlichen Versorgung, sondern als etwas, was gesellschaftlich nicht gewollt ist. Angehende Ärztinnen und Ärzte schreckt das ab. Darüber hinaus ist dieser medizinische Eingriff nicht verbindlicher Teil der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten. Schon jetzt gibt es einen Rückgang von Praxen und Einrichtungen, die die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen anbieten. Schon jetzt müssen ungewollt Schwangere in manchen Regionen hunderte Kilometer fahren, um eine Ärztin zu finden. Wir brauchen Bedarfsplanungen, ganzheitliche medizinische Versorgung, ein Recht auf Beratung statt einer Pflicht dazu.“
Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag vom 25.09.2020
AWO fordert zum Save Abortion Day: Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren!
Anlässlich des Internationalen Tages für einen sicheren Schwangerschaftsabbruch, der jedes Jahr am 28.September stattfindet, fordert die AWO die Streichung des §218 und §219a aus dem Strafgesetzbuch.
Der Bundesvorsitzende der AWO, Wolfgang Stadler, erklärt hierzu: „Seit der Gründung der Arbeiterwohlfahrt vor über 100 Jahren streitet die AWO für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Grundvoraussetzung für ein freies Leben ist die freie Entscheidung einer jeden Frau, ob, wann und wie viele Kinder sie im Laufe ihres Lebens bekommen möchte.“
Gemeinsam mit ihren bundesweit vorhandenen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen setzt sich die AWO daher für die freie Entscheidung von Frauen über ihren Körper, das Recht auf qualitativ hochwertige und niedrigschwellig verfügbare Informationen, medizinisch sichere Versorgung und eine Abschaffung der Pflichtberatung ein. Zusätzlich zur hochproblematischen Gesetzeslage ist in den letzten Jahren die Zahl der Ärzt*innen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, drastisch zurückgegangen. Dies ist teilweise auf den Rentenbeginn vieler Mediziner*innen zurückzuführen. Da sich das gesellschaftliche Klima durch die Auseinandersetzung um §219a StGB, dem sogenannten Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, zusehend verschärft hat, bieten aber auch Nachfolger*innen aus Angst vor Angriffen durch Abtreibungsgegner*innen keine Schwangerschaftsabbrüche mehr an. Das Recht von Frauen auf gute medizinische Versorgung und eine freie Arztwahl ist dadurch gefährdet.
„Die Corona-Pandemie hat überdeutlich gezeigt, dass es in der Mehrzahl Frauen sind, die unsere Gesellschaft tragen, sei es in den systemrelevanten Berufen oder bei der privaten Fürsorgearbeit zu Hause. Parallel haben sie immer noch nicht die Entscheidungsfreiheit über alle Aspekte ihres eigenen Lebens. Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch ist aus Sicht der AWO elementar für ein selbstbestimmtes Leben“, schließt der Vorstandsvorsitzende.
Anlässlich des „Safe Abortion Day“ beteiligt sich der AWO Bundesverband auch als Partnerin an der Vorabpremiere des Films „Niemals Selten Manchmal Immer“ und dem anschließenden Fachgespräch (besetzt mit Kristina Hänel, Prof. Maria Wersig und Bärbel Ribbert). Der Spielfilm zeigt eine 17-Jährige aus dem ländlichen Raum der USA, die sich auf die Reise nach New York City begibt, um dort eine Schwangerschaft zu beenden. Mehr zur Veranstaltung hier.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 25.09.2020
NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT
BMFSFJ: Kabinett beschließt neues Jugendschutzgesetz
Giffey: Update für den Jugendmedienschutz – Belästigung, Beleidigung und Abzocke im Internet wirksam begegnen, klare Alterskennzeichnungen und Regeln durchsetzen
Zocken, chatten, posten: Nicht erst seit den coronabedingten Einschränkungen ist es für Kinder und Jugendliche selbstverständlich, digitale Medien in ihrem Alltag zu nutzen. Im digitalen Raum verbringen sie viel Zeit. Dort tauschen sie sich aus, spielen, hören Musik. Dabei werden sie aber sehr häufig auch mit Bildern, Videos oder Kommentaren konfrontiert, die sie ängstigen. 41 % der Kinder und Jugendlichen fühlen sich im Internet gemobbt, beschimpft und beleidigt oder massiv von Fremden belästigt und bedrängt.
Um diesen Risiken wirksam zu begegnen, hat das Bundeskabinett heute den von Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey vorgelegten Entwurf eines modernen Jugendschutzgesetzes beschlossen.
Das neue Jugendschutzgesetz schafft:Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Interaktionsrisiken wie Mobbing, sexueller Anmache oder KostenfallenOrientierung für Eltern, Fachkräfte und Jugendliche durch einheitliche AlterskennzeichenDurchsetzung der Regelungen auch gegenüber ausländischen Anbietern, die Kinder und Jugendliche besonders viel nutzen.
Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey: „Unser Jugendschutz ist veraltet und im Zeitalter von CD-ROM und Videokassette stehengeblieben. Mit dem neuen Jugendschutzgesetz sorgen wir nun für Regelungen im digitalen Zeitalter. Es passt zu den heutigen technischen Möglichkeiten und es hat die verschiedenen Interaktionsrisiken, die das Internet für Kinder und Jugendliche mit sich bringt, im Blick: Belästigungen, Beleidigungen, Abzocke – denen begegnen wir mit dem Update für den Jugendmedienschutz. Kinder und Jugendliche werden besser geschützt, weil Anbieter von Spielen oder sozialen Netzwerken zu altersgerechten Voreinstellungen verpflichtet werden. Verstöße werden in letzter Konsequenz mit Bußgeldern geahndet. Und Eltern, pädagogische Fachkräfte und die Kinder und Jugendlichen selbst bekommen klare Orientierungshilfen, etwa durch einheitliche Alterskennzeichnungen. In der ‚analogen‘ Welt steht ein effektiver Jugendschutz seit Jahrzehnten außer Frage. Das soll und wird nun auch im Netz umgesetzt.“
Wir stellen sicher, dass Filme oder Spiele die gleiche Alterseinstufung bekommen, egal, ob sie online gestreamt oder im Geschäft an der Ladentheke gekauft werden. Wir sorgen außerdem dafür, dass bei Alterseinstufungen auch Zusatzfunktionen eines Spiels berücksichtigt werden und nicht nur auf den Inhalt abgestellt wird. Insbesondere Kontaktmöglichkeiten, die zu Cybermobbing, Anmache und Missbrauch führen können, und Kostenfallen etwa durch Loot Boxes und glücksspielsimulierende Elemente in Games können zu einer höheren Alterseinstufung führen. Das ist wichtig und auch dringend notwendig, da etwa Chatfunktionen ein Einfallstor für sexuelle Belästigung, das sogenannte Cybergrooming, durch Erwachsene sind.
Über verpflichtende Vorsorgemaßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen bei der Nutzung von Social-Media-Diensten werden auch die Anbieter stärker in die Verantwortung genommen.
„Eltern und Kinder müssen Risiken wie Cybergrooming und Cybermobbing kennen und wissen, was sie in diesem Fall tun können. Vor allem aber stehen die Anbieter in der Verantwortung, Kinder und Jugendliche vor diesen Interaktionsrisiken zu schützen. Mit unserem Gesetzentwurf werden nationale wie internationale Anbieter in die Pflicht genommen, geeignete Schutzkonzepte wie altersgerechte Voreinstellungen und Hilfs- und Beschwerdesysteme für ihre jungen Nutzerinnen und Nutzer zu entwickeln und umzusetzen“, so Ministerin Giffey.
Die bisherige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wird zu einer modernen Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz ausgebaut. Die Bundeszentrale wird dafür zuständig sein, sicherzustellen, dass die vom Gesetz erfassten Plattformen ihren systemischen Vorsorgepflichten (z.B. sichere Voreinstellungen, Beschwerde- und Hilfesystem) nachkommen. Sie soll Verstöße auch gegenüber ausländischen Anbietern ahnden. Mit der Bundeszentrale werden klare Strukturen im Kinder- und Jugendmedienschutz geschaffen. Die Länder bleiben für die inhaltsbezogenen Maßnahmen im Einzelfall zuständig, der Bund nimmt das Massenphänomen Interaktionsrisiken und eine systemische Vorsorge in den Fokus.
Der Entwurf wird nachdrücklich unterstützt von UBSKM, vom Antisemitismusbeauftragten des Bundes, von der Drogenbeauftragten, von Ärzte-, Kinderschutz-, Familien- und Jugendverbänden, von UNICEF und von Kirchen.
Wenn Bundestag und Bundesrat das Gesetz verabschieden, könnten die neuen Regelungen bereits im Frühjahr 2021 in Kraft treten.
Zahlen und Fakten9- bis 17-jährige sind täglich im Schnitt 2,4 Stunden online.Wenn Kinder und Jugendliche im Netz surfen, dann tun sie das weit überwiegend auf ausländischen Plattformen.Über 40 % der 10- bis 18-Jährigen haben im Internet bereits negative Erfahrungen gemacht; über 1 Million von ihnen haben etwas gesehen, das sie geängstigt hat.800.000 der 10- bis 18-Jährigen wurden bereits im Netz beleidigt oder gemobbt.250.000 Kinder wurden von Erwachsenen mit dem Ziel sexuellen Missbrauchs kontaktiert.70 % der Mädchen und Frauen sind bei der Nutzung sozialer Medien von digitaler Gewalt betroffen.
Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 14.10.2020
BMFSFJ: Ministerin Giffey stellt Miniserie „Ehrenpflegas“ vor
Fünfteilige Webserie macht Jugendliche auf Pflegeberuf und die neue Pflegeausbildung aufmerksam
Wie begeistert man Jugendliche angesichts des steigenden Fachkräftebedarfs für eine Ausbildung in der Pflege? Das Bundesfamilienministerium geht neue Wege – mit der fiktiven Miniserie „Ehrenpflegas“. Sie soll auf unkonventionelle und unterhaltsame Weise über den Pflegeberuf und die neue Pflegeausbildung informieren und die Jugendlichen auf den Kanälen erreichen, die sie auch wirklich nutzen. Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey war heute bei der offiziellen Premiere im Berliner Delphi-Filmpalast dabei. Die fünfteilige Serie ist Bestandteil der Kampagne „Mach Karriere als Mensch!“, mit der das Bundesfamilienministerium über die Chancen und die Vielfalt der 2020 gestarteten vollvergüteten Pflegeausbildung aufmerksam macht.
Die zusammen mit den Produzenten von „Fack ju Göhte“ entwickelte „Ehrenpflegas“-Serie erzählt die Geschichte von drei Jugendlichen, die die neue generalistische Ausbildung in der Pflege beginnen. Die Hauptrollen spielen Lena Klenke und Danilo Kamperidis, die beide unter anderem aus der Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“ bekannt sind, sowie „Dark“-Darstellerin Lisa Vicari. Alle drei waren bei der Premiere mit dabei. Produziert wurden die Folgen von Constantin Film. Die Filme werden digital in zielgruppenrelevanten Kanälen beworben und auf dem YouTube-Kanal des Bundesfamilienministeriums ausgespielt.
Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey: „Viele Jugendliche stehen nach bestandenen Abschlussprüfungen in der Schule vor der schwierigen Entscheidung, welche Ausbildung sie machen und welchen Beruf sie ergreifen möchten. Mit der Miniserie „Ehrenpflegas“ wollen wir die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt abholen und genau dort erreichen, wo sie sich Informationen holen: in den sozialen Netzwerken. Ansprechen wollen wir aber genauso Menschen mit dem Wunsch nach beruflicher Neuorientierung. Als Familienministerin arbeite ich gemeinsam mit dem Bundesgesundheits- und dem Bundesarbeitsministerium kontinuierlich daran, den Pflegeberuf attraktiver zu machen – durch bessere Arbeitsbedingungen, eine umfassendere Ausbildung und durch eine höhere Bezahlung. Nur so können wir dem Fachkräftemangel in dieser Branche begegnen. Einen großen Schritt haben wir schon mit der neuen Pflegeausbildung geschafft. Mit der generalistischen Ausbildung können die Fachkräfte in allen Pflegebereichen von der Kinderkrankenpflege bis zur Altenpflege arbeiten. Wichtig ist auch, dass das Schulgeld abgeschafft und überall in Deutschland eine angemessene Ausbildungsvergütung sichergestellt wurde. Dafür wollen wir jetzt Menschen begeistern und gewinnen. Die „Ehrenpflegas“-Serie ist ein weiterer Baustein in unserer Kampagne „Mach Karriere als Mensch“, mit der wir junge Menschen erreichen und über die neue Pflegeausbildung informieren wollen.“
Serie ist Teil der Kampagne „Mach Karriere als Mensch!“ Die Öffentlichkeitskampagne „Mach Karriere als Mensch!“ hat das BMFSFJ im Oktober 2019 im Rahmen der Ausbildungsoffensive Pflege gestartet. Ziel der Kampagne ist es, Jugendliche in der Berufsorientierungsphase und Erwachsene mit dem Wunsch nach beruflicher Neuorientierung für eine Ausbildung in der Pflege zu gewinnen. Für „Mach Karriere als Mensch!“ wurde auch die Pflegeporträtserie „Frühspätnachtdienst“ produziert, in der junge Pflegfachkräfte erzählen, warum sie ihren Beruf gewählt haben und wie ihr Arbeitsalltag aussieht. Diese Porträts sind ebenfalls auf YouTube zu sehen.
Die einzelnen Filme der Serie „Ehrenpflegas“ können Sie hier ansehen: https://www.youtube.com/playlist?list=PLVvNcE1KWVn8Vu9F2UPbRwJoXIUommQcd
Unter diesem Link finden Sie den Trailer zur Serie: https://www.youtube.com/watch?v=iJvZSSe5XdQ&feature=youtu.be
Weitere Informationen zur neuen Pflegeausbildung
Am 1. Januar 2020 ist die neue Pflegeausbildung zur "Pflegefachfrau" oder zum "Pflegefachmann" gestartet, in der erstmals alle Bereiche der Pflege von der Kinderkrankenpflege über die Krankenpflege bis zur Altenpflege vermittelt werden. Für die Ausbildung muss nun kein Schulgeld mehr bezahlt werden, die Auszubildenden erhalten eine angemessene Ausbildungsvergütung, die derzeit nach dem Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes 1.140,69 (1. Ausbildungsjahr), 1.207,07 (2. Ausbildungsjahr) und 1.303,38 (3. Ausbildungsjahr) beträgt. Außerdem ist eine Ausbildung an einer Hochschule mit Bachelor-Niveau möglich. Der generalistische Abschluss wird automatisch EU-weit anerkannt. Damit wurden die Ausbildungsbedingungen verbessert, die Attraktivität des Berufsfeldes Pflege gesteigert sowie der Berufsbereich der Pflege insgesamt aufgewertet.
Um die Einführung der neuen Pflegeausbildungen zu unterstützen, hat das BMFSFJ gemeinsam mit BMG und BMAS die Ausbildungsoffensive Pflege mit insgesamt 111 Maßnahmen gestartet, die im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege entwickelt wurde. Ein Ziel der Offensive ist, die Zahl der Azubis und der ausbildenden Einrichtungen bis 2023 um 10% zu steigern.
Weitere Informationen unter: www.pflegeausbildung.net
Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 12.10.2020
BMFSFJ: Heil, Giffey und Spahn starten „Offensive Psychische Gesundheit“
Breites Bündnis für mehr Offenheit im Umgang mit psychischer Belastung, Stress und Erschöpfung
Ob am Arbeitsplatz, in Schule, Ausbildung oder Privatleben – der Alltag ist oft stressig. Die Corona-Pandemie hat die Herausforderungen für viele Menschen noch erhöht. Solche Belastungen können zu Überlastung und dauerhafter Erschöpfung führen. Psychische Erkrankungen, die mittlerweile der zweithäufigste Krankheitsgrund sind, können die Folge sein.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn starten am 5. Oktober gemeinsam mit einem breiten Bündnis von über fünfzig Institutionen aus dem Bereich der Prävention die „Offensive Psychische Gesundheit“, damit der gesellschaftliche Umgang mit psychischen Belastungen offener wird.
Die Offensive soll dazu beitragen, dass Menschen ihre eigenen psychischen Belastungen und Grenzen besser wahrnehmen und auch mit Menschen in ihrem Umfeld offener darüber sprechen können. Darüber hinaus möchte die Offensive die Präventionslandschaft in Deutschland mit ihren zahlreichen Anbietern besser vernetzen.
Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales: „Arbeit darf nicht krankmachen. Gerade weil Menschen an ihrem Arbeitsplatz sehr viel Zeit verbringen, muss hier besser auf ihre Gesundheit geachtet werden. Viele Menschen erleben dabei den schmalen Grat zwischen Belastung und Überlastung. Wir möchten Arbeitgeber dabei unterstützen, die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu stärken. Das liegt auch im wirtschaftlichen Interesse der Arbeitgeber, denn psychische Erkrankungen sind mit hohen Ausfallzeiten verbunden. Deshalb haben wir mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz bereits Regelungen für einen verbindlicheren Arbeitsschutz auf den Weg gebracht, die auch die psychische Gesundheit berücksichtigen. Aber wir blicken gemeinsam nicht nur auf den Arbeitsplatz, sondern nehmen alle Lebensbereiche der Menschen in den Blick. Mit der Offensive holen wir das Thema raus aus der Tabuzone.“
Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „Fast jeder kennt es, das Hamsterrad aus alltäglichen Anforderungen und Verpflichtungen. All das kann für Druck sorgen, unter dem viele Menschen Tag für Tag stehen. Mit der Offensive Psychische Gesundheit wollen wir eine gesellschaftliche Debatte anstoßen und dazu beitragen, dass offener über psychische Belastungen gesprochen wird. Für eine bessere Prävention machen wir mit der Offensive die Vielzahl von guten Beratungsangeboten, die es gibt, bekannter, wie die „Nummer gegen Kummer“ für Eltern, Kinder und Jugendliche oder die "Pausentaste" für junge Menschen, die zu Hause Angehörige pflegen. Mit zahlreichen anderen Maßnahmen steht das Bundesfamilienministerium Menschen auch in schwierigen Zeiten bei: Wir fördern Baumaßnahmen in den Kurkliniken des Müttergenesungswerks, Mehrgenerationenhäuser und Programme gegen Einsamkeit im Alter und nehmen im neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz Kinder in den Fokus, deren Eltern psychisch erkrankt sind. Die Offensive sendet ein Signal an Betroffene und ihr Umfeld: Ihr seid nicht allein, denn es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote.“
Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister: „Nicht nur eine Infektion selbst kann krank machen, sondern auch die Sorge davor. Die Corona-Pandemie bedeutet für viele auch eine enorme psychische Belastung, die bei manchen sogar behandlungsbedürftig werden kann. Gerade in dieser Zeit ist es deshalb wichtig, mit Aufklärungsarbeit und Unterstützungs-angeboten für psychische Gesundheit zu sensibilisieren und einen frühen Zugang zu Hilfe zu erleichtern. Die Offensive dreier Ministerien ist dafür ein starkes Signal.“
Zu den Partner*innen der Offensive gehören neben gesetzlichen und privaten Krankenkassen auch die Rentenversicherung sowie Unfallversicherungsträger und Berufsgenossenschaften, die Bundesagentur für Arbeit, berufsständische Verbände von Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen, Bündnisse und Betroffeneneinrichtungen im Bereich psychische Gesundheit und weitere Multiplikator*innen. Eine solche ressortübergreifende Initiative von BMAS, BMG und BMFSFJ mit breiter Unterstützung unterschiedlicher Akteur*innen zur Stärkung der Prävention in Deutschland ist bisher einmalig.
Im Rahmen der Offensive Psychische Gesundheit sollen die Präventionsanbieter und -anbieterinnen und weitere Partner in zwei Dialogveranstaltungen eine Bestandsaufnahme, die Verabredung gemeinsamer Ziele und die Vernetzung ihrer Angebote vornehmen. Die Erkenntnisse der Fachdialoge werden dokumentiert und veröffentlicht.
Alle Informationen zur Offensive auf: www.offensive-psychische-gesundheit.de
Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 05.10.2020
BMFSFJ: Fünf Millionen Euro gegen Einsamkeit im Alter
BMFSFJ startet ESF-Förderprogramm zur Stärkung der Teilhabe älterer Menschen
Mit zunehmendem Alter wird das soziale Netzwerk der meisten Menschen kleiner. Isolation und Einsamkeit sind häufig die Folgen. Der Austritt aus dem Berufsleben, gesundheitliche Probleme, Einschränkungen der Mobilität und oftmals auch Armut und Migrationshintergrund verstärken das Risiko der sozialen Isolation. Besonders in der Corona-Pandemie sind die negativen Auswirkungen mangelnder sozialer Kontakte deutlich geworden.
Um ungewollter Vereinsamung entgegenzuwirken, fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit fünf Millionen Euro von Oktober 2020 bis September 2022 bundesweit 28 Modellprojekte. Die Mittel stammen aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) im Programm „Stärkung der Teilhabe Älterer – Wege aus der Einsamkeit und Isolation im Alter“. Es ist das erste ESF-Programm dieser Art und richtet sich vorrangig an ältere Beschäftigte (über 60 Jahre), die vom Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt bedroht oder betroffen sind und damit auch von gesellschaftlicher Isolation. Ziel ist es nicht nur, sozialer Vereinsamung vorzubeugen, sondern auch die finanzielle Absicherung im Alter zu stärken.
Direkt vor Ort sollen ältere, sozial isoliert lebende Menschen, fachliche Unterstützung bekommen. Mehr freiwilliges Engagement und regionale Netzwerkarbeit sollen zu einer Verbesserung der Einkommens- und Lebenssituation älterer Beschäftigter beitragen – sowohl während der aktiven Berufstätigkeit als auch in der nachberuflichen Phase.
Bundesseniorenministerin Dr. Franziska Giffey: „Als Gesellschaft darf es uns nicht egal sein, dass Menschen – gerade wenn sie älter werden – vereinsamen. Wir brauchen den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, in Zeiten von Corona mehr denn je. Deshalb ist es wichtig, dass es Angebote vor Ort gibt, die den Menschen helfen, miteinander in Kontakt zu kommen, Patenschaften einzugehen und sich ehrenamtlich zu engagieren. Die bundesweit ausgewählten 28 Projektträger adressieren vor allem die jüngeren Älteren, die bisher bei der kommunalen Altenhilfe weniger im Fokus standen.
Zu den Angeboten zählt digitale Weiterbildung genauso wie Nachbarschaftshilfe oder das Aufzeigen von Perspektiven beim Übertritt vom Berufsleben in die Rente. Ziel muss es sein, die Weichen für ein selbstbestimmtes und aktives Leben im Alter frühzeitig zu stellen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten. Hier setzt das neue ESF-Bundesmodellprogramm an, das wir als Ministerium sehr gern unterstützen.“
Die Maßnahmen umfassen besonders die Themen lebenslanges Lernen, digitale Kompetenzen und freiwilliges Engagement. Der Austausch zwischen den Generationen steht hier ebenso im Mittelpunkt wie die gesonderte Ansprache von älteren Menschen, die aufgrund ihrer sozioökonomischen Ausgangslage besonders von Einsamkeit und Isolation gefährdet sind. Die Projektträger gehören überwiegend den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege an.
Weiterführende Informationen auf den Webseiten der ESF-Regiestelle und des ESF: https://www.esf-regiestelle.de/foerderperiode-2014-2020/staerkung-der-teilhabe-aelterer-wege-aus-der-einsamkeit-und-sozialen-isolation-im-alter.html (*hier wird noch eine Übersicht zu allen geförderten Projekten eingestellt werden); https://www.esf.de/portal/DE/Foerderperiode-2014-2020/ESF-Programme/bmfsfj/staerkung-teilhabe-aeltere.html
Aktuell-Meldung vom 24.06.2020 zum Start der Ausschreibungsphase des ESF-Förderprogramms: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/sozialer-isolation-und-einsamkeit-aelterer-menschen-vorbeugen/156570
Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 01.10.2020
SPD – Bundestagsfraktion: Update für den Jugendmedienschutz
Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes beschlossen. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt die Initiative von Bundesfamilienministerin Giffey für eine bessere Orientierung für Kinder, Jugendliche und Eltern und mehr Schutz im Internet.
„Kinder und Jugendliche nutzen heute andere Medien und sie nutzen sie immer intensiver. Das birgt einerseits viele neue Chancen auf Teilhabe und andererseits neue Gefahren. Weil die bisherige Ausrichtung des gesetzlichen Kinder- und Jugendmedienschutzes nicht mehr der heutigen Mediennutzungsrealität entspricht, wollen wir jetzt modernisieren.
Gerade in Pandemiezeiten sind Kinder und Jugendliche noch häufiger in der digitalen Welt unterwegs. Wir wollen, dass sie dort sicher unterwegs sind. Deshalb sollen sie einerseits vor aktuellen Risiken, wie zum Beispiel sexueller Anmache, Mobbing und Kostenfallen, bestmöglich geschützt werden. Andererseits sollen Eltern und Fachkräfte in Zukunft mehr Orientierung bekommen, um Kinder und Jugendliche im Netz kompetent zu begleiten.“
Quelle: Pressemitteilung SPD – Bundestagsfraktion vom 14.10.2020
CDU/CSU – Bundestagsfraktion: Jugendmedienschutz wird zeitgemäß
Das Jugendschutzgesetz wird reformiert
Heute hat das Kabinett den Entwurf zur Reform des Jugendmedienschutzes beschlossen. Dazu erklärt die Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Nadine Schön:
„Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt, dass Bundesministerin Giffey endlich die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Jugendmedienschutzes vorlegt. Eine Novellierung ist dringend erforderlich. Das derzeit geltende Gesetz stammt noch aus einer Zeit, in der es weder Smartphones oder Online-Games noch Plattformen wie YouTube, WhatsApp oder Instagram gab.
Mit dem Gesetz wird der Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz verbessert, damit sie digitale Angebote sicher nutzen können, etwa wenn sie online spielen oder sich untereinander austauschen. Dabei geht es nicht nur um die Kontrolle von Inhalten, sondern auch um Funktionalitäten, die Risiken bergen können, wie beispielsweise Chat-Funktionen.
Dafür werden die Plattformbetreiber stärker in die Verantwortung genommen, zum Beispiel durch die Vorgabe, sichere Voreinstellungen vorzunehmen und geeignete Altersprüfungen einzuführen. Damit die Umsetzung des Gesetzes effektiv gesteuert werden kann, schlägt der Gesetzentwurf des BMFSFJ eine neue Bundeszentrale vor. Wir werden im parlamentarischen Verfahren prüfen, ob dies eine sinnvolle Ergänzung ist oder ob – im Zusammenspiel mit den Ländern – andere Instrumente effektiver wären. Diskussionsbedarf sehen wir zudem bei dem vorgeschlagenen System der Alterskennzeichnung, die auch Interaktionsrisiken wie Kommentarfunktion oder Kaufoption einbezieht. Hier sollten wir über Alternativen nachdenken. Dennoch: Der erste Schritt für einen verbesserten Jugendmedienschutz ist getan.“
Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU – Bundestagsfraktion vom 14.10.2020
Bundestagsfraktion DIE LINKE.: Arbeit ist genug da – sie ist nur falsch verteilt
„Während die einen bis zum Umfallen arbeiten, sind die anderen unfreiwillig in Teilzeit oder finden keine Beschäftigung. Wir müssen die Arbeit umverteilen. Wir brauchen sichere Arbeitsverhältnisse für alle: mit einer kürzeren Vollzeit bei Lohnausgleich", kommentiert Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, die Meldung des Statistischen Bundesamtes, wonach 4,4 Millionen Menschen mehr arbeiten wollen. Ferschl weiter:
„Eine Umverteilung der Arbeit in Form der Arbeitszeitverkürzung ist nicht nur die logische Antwort auf die Corona-Krise und auf die parallel stattfindende Transformation mit den drohenden Beschäftigungsverlusten. Wir würden auch diejenigen schützen, die auf Kosten ihrer Gesundheit unter überlangen Arbeitszeiten, unbezahlten Überstunden und unter einer zunehmenden Arbeitsverdichtung leiden. So können alle von ihrer Arbeit gut und gesund leben.
DIE LINKE fordert, die zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz von 48 auf 40 Stunden pro Woche zu senken. Wir unterstützen die Gewerkschaften in ihrer Auseinandersetzung um weitere tarifliche Arbeitszeitverkürzungen. Zudem muss es ein Recht auf eine arbeitsvertragliche Mindeststundenzahl von 22 Stunden pro Woche geben, wovon nach unten nur auf Wunsch der Beschäftigten abgewichen werden kann."
Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 09.10.2020
Bundestag: Kindergeld für volljährige Behinderte
Für 245.817 volljährige Kinder mit einer Behinderung wird Kindergeld von der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit gezahlt. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/22408) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/21990) mit. Statistische Daten für die Familienkassen des öffentlichen Dienstes lägen nicht vor. Der Kindergeldanspruch für ein Kind, das wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, bestehe ohne eine Altersbegrenzung, gegebenenfalls also ein Leben lang. Die Familienkassen müssten in angemessenen Zeitabständen überprüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen weiter vorliegen würden. Dabei sehe das Verfahren so weit wie möglich Vereinfachungen vor, um die Eltern vor überflüssiger Bürokratie zu verschonen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1072 vom 07.10.2020
Bundestag: Linke will mit Reform die Eltern entlasten
Mit einer gesetzlichen Änderung des Anspruchs auf Freistellung und Entgeltfortzahlung bei Erkrankung der Kinder will die Linksfraktion zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Es seien gerade die alltäglichen, häufig und kurzfristig auftretenden Erkrankungen, die Eltern logistisch vor große Herausforderungen stellten, heißt es in einem Gesetzentwurf (19/22496) der Fraktion.
Die jetzigen Regelungen seien insbesondere für alleinerziehende Eltern in prekärer Beschäftigung problematisch. Für sie greife häufig keine besondere tarifliche Regelung, die zeitliche Begrenzung des Krankengeldersatzanspruchs im SGB V sei bei kleineren Kindern schnell erreicht.
Die Abgeordneten fordern, den Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung wie auch die finanzielle Absicherung der Betreuung erkrankter Kinder im Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) eigenständig zu regeln. Der Krankengeldanspruch gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen soll entfristet werden.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1067 vom 07.10.2020
Bundestag: Sympathien für Kindergrundsicherung
Die von den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke geforderte Einführung einer Kindergrundsicherung stößt bei Experten auf ein großes Maß an Zustimmung. Allerdings seien diese auch mit großen finanziellen Belastungen für die öffentliche Hand verbunden. Dies wurde in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses über Anträge der Grünen (19/14326) und Linken (19/17768) am Montag deutlich.
Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband und Alexander Nöhring vom Zukunftsforum Familie begrüßten die Anträge von Grünen und Linken als "wichtige Meilensteine" für eine grundlegende Reform der finanziellen Absicherung von Kindern und Jugendlichen. Schneider verwies darauf, dass sich trotz günstiger ökonomischer Entwicklung mit steigender Erwerbstätigenzahl die soziale Ungleichheit in Deutschland nicht verbessert habe. Für die weitere Debatte sei zentral, dass eine Kindergrundsicherung auf einer sachgerechten Ermittlung der Bedarfe von Kindern und Jugendlichen aufsetze, wie dies auch in beiden Anträge gefordert werde. Nach Ansicht von Nöhring ist die Vielzahlan familien- und kindbezogenen Leistungen in Deutschland kompliziert und für die Anspruchsberechtigten kaum mehr zu durchschauen. Das Kindergeld sei eine zwar bekannte und einfache Leistung, kommt jedoch auf Grund von Verrechnung bei Familien im SGB II-Bezug oder Alleinerziehenden fast gar nicht an. Durch den Kinderfreibetrag im Steuerrecht würden gut verdienende Familien stärker entlastet als Familien, die das Kindergeld bekommen.
Auch nach Ansicht von Christine Volland von der Arbeitsgemeinschaft der Familienverbände in Niedersachsen sind die Anträge von Grünen und Linken als "prinzipiell gut" zu bezeichnen. Die Unterteilung in beiden Anträgen in ein erhöhtes Kindergeld, von dem alle Kinder profitieren, und einen zusätzlichen Betrag, der je nach Einkommen der Eltern und Alter des Kindes gestaffelt wird, sei angemessen und bedarfsgerecht. Romy Ahner vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge wies darauf hin, dass eine Kindergrundsicherung nicht nur Änderungen im Bereich Kindergeld, Kinderzuschlag und Regelbedarfe der Kinder erfordert. Vielmehr seien die Auswirkungen und notwendigen Reformen auch im Unterhaltsrecht und im Steuerrecht mitzudenken und parallel in Angriff zu nehmen.
Martin Hagen vom Zentralen IT-Management der Freien Hansestadt Bremen begrüßte den Antrag der Grünen mit Verweis auf die große Komplexität bei der Beantragung familienpolitischer Leistungen. Die Eckpunkte des Antrags der Grünen führten zu einer Vereinfachung der Leistungen. In Kombination mit der Einwilligung in den Datenaustausch zwischen Behörden könnten sie für erhebliche Entlastungen auf Seiten der Bürger und der Verwaltung sorgen.
Der Volkswirtschaftler Holger Bonin vom Institut zur Zukunft der Arbeit verwies darauf, dass die von Grünen und Linken gemachten Vorschläge für eine Kindergrundsicherung mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden seien. Simulationsrechnungen für ein großzügig ausgestattetes Kindergrundsicherungsmodell wie das der Linksfraktion hätten Nettokosten für die öffentliche Hand von über 40 Milliarden Euro jährlich ergeben. Auch das Modell der Grünen lasse Kosten zwischen 20 und 25 Milliarden Euro erwarten. Bei den begrenzten finanziellen Mittel für die Familienpolitik müsse gefragt werden, ob statt der direkten finanziellen Förderung von Familien Investitionen in eine bessere Qualität der Infrastrukturen und zeitpolitische Instrumente sinnvoller wären.
Für den Deutschen Landkreistag sprach sich Irene Vorholz gegen die Vorschläge von Grünen und Linken aus. Zielführender als eine eigenständige Grundsicherung für Kinder sei es, die vielfältigen kindbezogenen Leistungen weiter zu bündeln. Kinder sollten als Teil ihrer Familie und damit auch als Teil der Bedarfsgemeinschaft zu betrachten, auf die beispielsweise das SGB II und die Sozialhilfe aufbauen. Die Forderung nach einer Kindergrundsicherung suggeriere, dass man Kinder unabhängig von der sozialen Lage ihrer Eltern aus der Armut befreien könne. Allerdings seien Kinder in der Regel bedürftig, weil ihre Eltern bedürftig seien.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1062 vom 06.10.2020
Bundestag: EU-Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch
Das von der Europäischen Union unterstützte Schulprogramm zur Versorgung mit Obst, Gemüse, Bananen und Milch an Bildungseinrichtungen erfordert aufgrund der föderalen Strukturen in Deutschland eine Änderung des Landwirtschaftserzeugnisse-Schulprogrammgesetzes. Dazu legt die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf (19/22857) zur innerstaatlichen Koordinierung vor. Weil die Bundesländer eigenverantwortlich an der Durchführung des EU-Schulprogramms teilnehmen, übernehme der Bund lediglich eine Koordinierungsfunktion gegenüber der Europäischen Kommission, heißt es zur Begründung. So werde mit dem Entwurf unter anderem eine Informationspflicht der Bundesländer gegenüber dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eingeführt.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1032 vom 30.09.2020
Bundestag: Höherer Freibetrag für Kinder abgelehnt
Die Bundesregierung lehnt die Anhebung des seit 1980 nicht mehr veränderten Höchstbetrags der steuerlichen Begünstigung von Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der auswärtigen Unterbringung eines volljährigen Kindes stehen, ab. Dies macht die Bundesregierung in ihrer als Unterrichtung (19/22815) vorgelegten Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (19/21988) deutlich. Die Maßnahmen des Zweiten Familienentlastungsgesetzes würden bereits zu finanziellen Entlastungen von insgesamt knapp zwölf Milliarden Euro jährlich führen, die insbesondere Familien mit Kindern zugute kommen würden. Vor diesem Grund werde eine zusätzliche Anhebung des Freibetrags für die Kosten eines sich in Berufsausbildung befindenden und auswärtig untergebrachten volljährigen Kindes abgelehnt.
Demgegenüber hatte der Bundesrat darauf hingewiesen, dass der Höchstbetrag für diese Aufwendungen seit dem Jahr 1980 beitragsmäßig nicht mehr angepasst worden sei. Derartige Aufwendungen hätten bis zum Jahr 2001 als Teil des Ausbildungsfreibetrages mit bis zu 1.800 DM berücksichtigt werden können. Seit der Neukonzeption im Jahr 2002 hätten bis zu 924 Euro als Sonderbedarfsfreibetrag geltend gemacht werden können. "Die Höhe des Freibetrages berücksichtigt damit weder den inflationsbedingten Preisanstieg der letzten 40 Jahre noch die aktuelle Mietpreisentwicklung", argumentiert der Bundesrat. Um dem gestiegenen Preisniveau, der allgemeinen Kostenentwicklung und insbesondere dem stetig wachsenden Mietpreisniveau Rechnung zu tragen, halten die Länder eine Erhöhung des Freibetrages auf 1.800 Euro für "dringend geboten".
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1028 vom 29.09.2020
Bundestag: Höhere Entlastung der Familien gefordert
Mehrere Sachverständige haben die von der Bundesregierung geplante steuerliche Entlastung von Familien als zu niedrig bezeichnet. So wies der Bund der Steuerzahler in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag unter Leitung der Vorsitzenden Katja Hessel (FDP) darauf hin, dass fast zehn Milliarden Euro der mit rund 11,8 Milliarden Euro veranschlagten Jahreswirkung des Entlastungsgesetzes auf ohnehin unerlässliche und verfassungsrechtlich gebotene Anpassungsschritte entfallen würden. Damit entspreche das Gesetzesvorhaben zum Großteil lediglich einem politischen Pflichtprogramm, erklärte der Bund der Steuerzahler, der allerdings die zusätzliche Erhöhung der Kinderfreibeträge ausdrücklich begrüßte. Gefordert wurde von der Organisation unter anderem eine bessere steuerliche Berücksichtigung der Kosten für ein Homeoffice. Gerade Familien hätten in der Corona-Krise erhebliche Belastungen zu stemmen.
Nach dem Entwurf der Bundesregierung (19/21988) eines "Zweiten Familienentlastungsgesetzes" sollen das Kindergeld und die steuerlichen Kinderfreibeträge zum 1. Januar 2021 steigen. Vorgesehen sind eine Erhöhung von 15 Euro beim Kindergeld und eine entsprechende Anpassung der Freibeträge. Dem Entwurf zufolge wird das Kindergeld für das erste und zweite Kind dann jeweils 219 Euro, für das dritte Kind 225 Euro und für das vierte und für jedes weitere Kind jeweils 250 Euro pro Monat betragen. Mit dem Entwurf sollen auch der Grundfreibetrag angehoben sowie die kalte Progression ausgeglichen werden.
Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine kritisierte den übermäßig starken Anstieg des Steuertarifs in der ersten Progressionszone. Dadurch werde bereits bei weniger als 15.000 Euro Einkommen ein Grenzsteuersatz von rund 24 Prozent erreicht. Der starke Anstieg bei unteren Einkommen sei sozial ungerecht und leistungsfeindlich, kritisierte die Organisation.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) stellte in seiner Stellungnahme fest, dass der aktuelle Grundfreibetrag wie auch die für die Jahre 2021 und 2022 im Gesetzentwurf vorgesehene Erhöhungen zu niedrig seien. Die Beträge würden sich aus der Bestimmung des Existenzminimums ableiten, dessen Ermittlung aber fragwürdig sei. In anderem Zusammenhang halte der Gesetzgeber durchaus höhere Beträge für geboten, um niedrige Einkommen zum Zwecke der Existenzsicherung vor einem übermäßigen Zugriff zu schützen. So dürfe beispielsweise ein Schuldner im Fall der Pfändung einen Teil seines monatlichen Nettoeinkommens behalten, um sein Existenzminimum zu sichern. Diese gesetzliche Pfändungsfreigrenze liege deutlich sowohl über dem derzeitigen wie auch dem für das kommende und übernächste Jahr im Gesetzentwurf vorgesehenen Grundfreibetrag.
Wie der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine kritisierte auch der DGB die hohe Steuerbelastung in der ersten Progressionszone und den frühen Zugriff des Spitzensteuersatzes ab einem zu versteuernden Einkommen von 57.052 Euro, der somit nicht nur Spitzenverdiener betreffe. Die Bundessteuerberaterkammer empfahl ebenfalls, den Spitzensteuersatz erst bei höheren Einkünften als heute wirksam werden zu lassen.
Der Deutsche Steuerberaterverband regte an, den Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsaufwand eines Kindes stärker anzuheben als vorgesehen. Außerdem müsse dieser Wert, der zuletzt 2010 angehoben worden war, in Zukunft regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter lobte die Verbesserung der staatlichen Unterstützung für Familien mit Kindern, kritisierte aber zugleich, dass die geplanten Verbesserungen nicht alle Familien erreichen würden. Insbesondere Familien mit kleinem beziehungsweise keinem Einkommen und Alleinerziehende würden nur wenig profitieren.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag empfahl, die durch die kalte Progression erwachsende Zusatzbelastung der Steuerpflichtigen in Zukunft automatisch durch einen Einkommensteuertarif "auf Rädern" zu beseitigen. Dies werde bereits in einigen OECD-Ländern praktiziert. Mit dem "Tarif auf Rädern" werden die Schwellenwerte der Progressionszonen im Zeitablauf automatisch an das Preisniveau beziehungsweise die Lohnentwicklung angepasst. Auch der Deutsche Steuerberaterverband empfahl die Einführung des "Tarifs auf Rädern", um der laufenden Geldentwertung wirksam entgegenzutreten.
Nach Ansicht der Hans-Böckler-Stiftung sind die Entlastungen des zweiten Familienentlastungsgesetzes für sich genommen aus verteilungspolitischer Perspektive "relativ ausgewogen". Dies gelte aber nicht für das Gesamtbild unter Einbeziehung der Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags ab 2021: "Hier ergeben sich hohe absolute und relative Entlastungen für deutlich überdurchschnittliche Einkommen." Zusammen mit der Teilabschaffung des Solidaritätszuschlages komme es mittelfristig zu einer Entlastung von rund 20 Milliarden Euro. Weitergehende Steuersenkungen sollten mit Blick auf wichtige öffentlicher Bedarfe unterbleiben, empfahl die Hans-Böckler-Stiftung.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1020 vom 28.09.2020
Bundestag: Gesetzentwurf zur Ermittlung der Regelsätze
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf (19/22750) zur verfassungskonformen Ermittlung und Ausgestaltung der Regelbedarfe in der Grundsicherung für Arbeitssuchende, in der Sozialhilfe und im Asylbewerberleistungsgesetz vorgelegt. Bei Vorliegen einer neuen Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) ist die Regierung gesetzlich verpflichtet, die Regelsätze anzupassen. Sie verweist in dem Entwurf darauf, dass im Unterschied zu vorangegangenen Regelsatzänderungen die aktuellen Anpassungen bei den Kommunikationsausgaben auch die Kosten für die Handynutzung mit berücksichtigen sollen.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1007 vom 24.09.2020
BBfF: Umfrage zeigt Belastung von Berliner Familien in Zeiten von Corona auf
Eine repräsentative Umfrage des Berliner Beirats für Familienfragen ergab, dass die fehlenden sozialen Kontakte und die Mehrfachbelastung durch Arbeit plus Homeschooling und fehlender Kinderbetreuung für Familien die größten Herausforderungen in der Zeit des Corona-Lockdowns darstellten.
Dabei spielte das Alter der Kinder eine große Rolle. Je jünger die Kinder, desto höher war die Belastung. Aber auch das Familieneinkommen spielte eine große Rolle: Familien mit geringerem Einkommen befanden überdurchschnittlich stark finanzielle Sorgen und Ängste sowie beengte Wohnverhältnisse bzw. eine Wohnumgebung mit wenig Aufenthaltsqualität als belastend.
Die meisten Schulkinder benötigten beim Homeschooling viel Unterstützung durch ihre Eltern bzw. deren Partnerinnen und Partner. Die Mehrheit der Schulkinder erhielt Hilfe von Lehrkräften sowie weiteren Familienmitgliedern und Freunden. Ein Drittel der befragten Familien mit Schulkindern gab an, keine Unterstützung erhalten zu haben.
Bei einem möglichen erneuten Lockdown wünschen sich die befragten Familien vor allem:
- keine Kontaktsperre für enge Familienangehörige
- (weitestgehende) Offenhaltung der Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Ausbildungsstätten, Hochschulen etc.
- Unterstützung durch den Arbeitgeber (z. B. durch flexible Arbeitszeiten, Homeoffice)
- Unterstützung beim Homeschooling durch Lehrkräfte bzw. Schulen
- bessere Erreichbarkeit der Behörden
- Offenhaltung der Spielplätze
Informationen zur Umfrage:
Forsa befragte im August 2020 über 750 Berliner Familien zu ihren Erfahrungen während des coronabedingten Lockdowns. Der Berliner Familienbeirat hatte die Online-Umfrage in Auftrag gegeben, um in Erfahrung zu bringen, welche Unterstützung sich die Familien in
Berlin für den Fall eines erneuten Lockdowns bzw. einer Verschärfung der Einschränkungen wünschen würden.
Die Auswertung steht auf der Homepage des Berliner Beirats für Familienfragen www.familienbeirat-berlin.de zum Download bereit.
Quelle: Pressemitteilung Berliner Beirat für Familienfragen vom 01.10.2020
UBSKM: „Gemeinsam gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ – Missbrauchsbeauftragter ruft mit Positionspapier 2020 die Bundes- und Landespolitik zu resolutem Handeln auf
Rörig: „Die Androhung härterer Strafen allein reicht nicht aus, um sexuelle Gewalt nachhaltig zu bekämpfen. Ich fordere alle politisch Verantwortlichen auf, sich mit konkreten Maßnahmen deutlich stärker gegen Missbrauch zu engagieren.“
Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat sich vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um Strafverschärfungen und knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl mit einem Positionspapier 2020: „Gemeinsam gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Wie Bund, Länder und die politischen Parteien Kinder und Jugendliche besser vor sexueller Gewalt schützen können.“ an alle politischen Verantwortungsträger in Bund und Ländern gewandt und dieses heute in Berlin öffentlich vorgestellt.
„Wir dürfen nicht den Fehler machen zu glauben, dass sich die Bekämpfung von Missbrauch alleine durch Strafverschärfungen verbessern lässt,“ sagt Rörig. „Wenn wir den Schutz von Kindern und Jugendlichen ernst nehmen, müssen ALLE den Kampf gegen sexuellen Missbrauch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen und aktiv führen.“
Im Positionspapier 2020 sind konkrete Handlungsempfehlungen, wie sexueller Missbrauch durch politisches Handeln bekämpft werden sollte, zusammengefasst. Um eine nachhaltige Verankerung des Maßnahmenpakets zu erreichen, hat Rörig das Positionspapier 2020 in dieser Woche persönlich an alle Partei- und Fraktionsvorsitzenden, die parlamentarischen Fachausschüsse und zuständigen Fachminister*innen in Bund und Ländern sowie an die Regierungschef*innen der Länder versandt.
Rörig: „Ich möchte, dass die Handlungsempfehlungen aus dem Positionspapier 2020 in die Wahlprogramme und darauf aufbauende Regierungsprogramme einfließen. So kann aus diesem Maßnahmenpaket überprüfbares, politisches Handeln werden.“
Im Positionspapier 2020 fordert der Missbrauchsbeauftragte, dass auch auf höchster politischer Ebene eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche stattfindet. Rörig schlägt deshalb unter anderem eine gesetzlich verankerte, regelmäßige Berichtspflicht seines Amtes gegenüber Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat zum Ausmaß der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und zum Stand von Prävention, Intervention, Hilfen, Forschung und Aufarbeitung vor, ähnlich wie es für den Bundesdatenschutzbeauftragten geregelt ist.
„Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt wird in Bund und Ländern gerne den jeweiligen Familienressorts überlassen“, sagt Rörig. „Ob auf Bundes- oder Landesebene: Nahezu alle Ressorts, wie zum Beispiel Gesundheit, Soziales, Finanzen, Justiz oder Bildung, müssen endlich interdisziplinär zusammenarbeiten. Nur geschlossen und aufeinander abgestimmt kann wirklich etwas bewegt, Missbrauch bestmöglich verhindert, das Entdeckungsrisiko für Missbrauchstäter und -täterinnen erhöht und Betroffenen geholfen werden.“
Den Bundesländern empfiehlt er, auf der Basis einer umfassenden Defizit- und Bestandsanalyse einen eigenen ressortübergreifenden Masterplan zur Verbesserung des Schutzes von Minderjährigen vor sexueller Gewalt und den Folgen zu entwickeln und umzusetzen. Zudem sollte in jedem Bundesland das Amt einer/eines „Landesbeauftragten für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt“ eingerichtet werden, der/dem die Federführung für die Erarbeitung eines solchen Masterplans sowie die fachliche Unterstützung bei der Umsetzung übertragen wird.
Zuletzt hatten die Missbrauchsfälle Lügde, Bergisch Gladbach und Münster zu einer breiten politischen Debatte zum Thema Strafverschärfungen geführt. Rörig betont vor diesem Hintergrund: „Die öffentliche Skandalisierung dieser spektakulären Missbrauchsfälle ist trügerisch, denn es entsteht der Eindruck einer vermeintlichen Einzigartigkeit. Tatsächlich handelt es sich bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche keineswegs um „Einzelfälle“, so skandalös sie uns auch erscheinen mögen, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen enormen Ausmaßes. Sexueller Missbrauch findet täglich, überall und mitten unter uns statt. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass jede und jeder ein Kind kennt, das sexuelle Gewalt erlitten hat oder aktuell erleidet.“
Der Missbrauchsbeauftragte betont abschließend, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt zu den grundlegenden Aufgaben des Staates gehört und fordert eine an den Kinderrechten orientierte politische und gesellschaftliche Grundhaltung.
Quelle: Pressemitteilung Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vom 02.10.2020
DIW: Reform des Ehegattensplittings: Kompromiss fördert Frauenerwerbsbeteiligung und führt zu Mehreinnahmen
Studie untersucht Alternativen zum Ehegattensplitting – Realsplitting mit niedrigem Übertragungsbetrag ist ein guter Kompromiss zwischen verschiedenen Anforderungen – Reform würde Erwerbsbeteiligung von Frauen fördern und Steuermehraufkommen von zehn Milliarden Euro erzielen
Das in Deutschland seit den 50er Jahren gültige Ehegattensplitting führt zu hohen Steuersätzen bei Zweitverdienenden, was die Arbeitsmarktbeteiligung vor allem von Frauen reduziert. Verschiedene Reformvorschläge haben aber nicht die gewünschten Effekte oder unerwünschte Nebenwirkungen, wie aktuelle Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigen. Die StudienautorInnen haben traditionelle Vorschläge ebenso untersucht wie Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium und des Internationalen Währungsfonds.
Sie schlagen stattdessen ein Realsplitting mit einem niedrigen Übertragungsbetrag von maximal 9 696 Euro vor. Dies würde bedeuten, dass nur Einkommen in Höhe des Grundfreibetrags von besserverdienenden PartnerInnen auf geringer verdienende PartnerInnen übertragen werden könnten. Der oder die EmpfängerIn muss den Betrag als sonstiges Einkommen versteuern. Dadurch ist auch bei Alleinverdiener-Ehepaaren das Existenzminimum beider PartnerInnen steuerfrei gestellt. „Unser Vorschlag ist nicht nur relativ leicht umzusetzen und transparent. Er vermeidet auch unerwünschte Verteilungswirkungen zugunsten von besserverdienenden Beidverdiener-Paaren“, sagt Stefan Bach, der die Studie zusammen mit Björn Fischer, Peter Haan und Katharina Wrohlich durchgeführt hat.
Hohe Anforderungen an eine Reform des Ehegattensplittings
Eine Reform des Ehegattensplittings muss schwierige Zielkonflikte abwägen: Zum einen sollen Steuervorteile für Alleinverdiener-Paare mit hohen Einkommen abgebaut sowie die Grenzbelastung auf den Zweitverdienst reduziert werden, damit die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen gefördert wird. Zum anderen sollen untere Einkommensgruppen nicht stärker belastet werden. Komplett abgeschafft wird das Ehegattensplitting in Deutschland auf absehbare Zeit nicht, meint Studienautorin Katharina Wrohlich: „Eine Individualbesteuerung wie in Schweden oder Österreich kann aufgrund von rechtlichen Hürden in Deutschland nicht eingeführt werden.“
Die DIW-ÖkonomInnen haben daher Reformoptionen analysiert, die in den letzten Jahren etwa vom Internationalen Währungsfonds vorgelegt wurden. Die Simulationsstudie zeigt: Ein Realsplitting mit höherem Übertragungsbetrag oder ein übertragbarer Grundfreibetrag verringern die Grenzbelastung des Zweitverdiensts kaum und erhöhen die Erwerbsquote von Frauen nur wenig. Zusatzfreibeträge hingegen entlasten insbesondere Paare mit mittleren und höheren Einkommen, bei denen beide PartnerInnen verdienen, zusätzlich. Dies wird zwar bei einem Steuerabzugsbetrag vermieden, der von der Steuerschuld und nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen wird. Dies stößt in Deutschland aber auf rechtliche und ideologische Vorbehalte. „Ein Realsplitting mit einem Übertragungsbetrag in Höhe des Grundfreibetrags – also maximal 9 696 Euro – ist daher ein guter Kompromiss“, sagt Björn Fischer.
Reform würde Erwerbsbeteiligung von Frauen fördern
Die StudienautorInnen erwarten, dass bei dieser Reform die Arbeitsstunden verheirateter Frauen um 1,7 Prozent und ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt um 0,6 Prozentpunkte steigen würde. Zudem erzielt die Reform Steuermehreinnahmen von zehn Milliarden Euro pro Jahr, davon allein zwei Milliarden Euro durch die Arbeitsmarkteffekte. Die Belastungen werden dabei zum Großteil von Paaren aus den obersten beiden Einkommensdezilen getragen. „Das zusätzliche Steueraufkommen könnte man dazu verwenden, Familien über höheres Kindergeld, Kinderfreibeträge oder auch eine bessere Kinderbetreuungsinfrastruktur breit zu entlasten“, so Stefan Bach. „Das hilft gerade Familien mit kleineren Kindern viel mehr als die paar Euro, die sie beim Ehegattensplitting sparen.“
- Studie im DIW Wochenbericht 41/2020
- Infografik in hoher Auflösung (JPG, 3.46 MB)
- Interview mit Stefan Bach
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 07.10.2020
Hans-Böckler-Stiftung: Auswertung von Befragung unter gut 6000 Erwerbstätigen Kurzarbeit in Corona-Zeiten: Mehr Frauen, mehr Kleinbetriebe betroffen, Tarif und Mitbestimmung reduzieren Einkommensverluste
Kurzarbeit hat während der Corona-Pandemie ein deutlich anderes „Profil“ bekommen als in vorherigen Wirtschaftskrisen. Erstmals haben beispielsweise kleine Betriebe das Instrument häufiger als größere genutzt, um durch die Krise zu kommen und Entlassungen zu vermeiden. Und während in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 Männer fast dreimal so häufig wie Frauen in Kurzarbeit waren (damals 6,3 Prozent der männlichen vs. 2,3 Prozent der weiblichen Beschäftigten in Deutschland), war im Juni 2020 die Quote unter beiden Geschlechtern mit jeweils rund 13 Prozent Beschäftigten in Kurzarbeit beinahe gleich hoch. Das liegt wesentlich daran, dass in der Pandemie nicht nur Industriebetriebe stark betroffen sind, sondern auch viele Dienstleistungsbranchen. Im Vergleich zu vorherigen Wirtschaftseinbrüchen ist damit die gesamtwirtschaftliche Quote der Kurzarbeitenden sehr hoch, ebenso wie mit rund 50 Prozent auch der Anteil, um den die Arbeitszeit im Durchschnitt reduziert wurde. Entsprechend groß ist die Bedeutung einer Aufstockung des Kurzarbeitergeldes, um Einkommensverluste zu reduzieren. In Betrieben mit Tarifvertrag und/oder Betriebsrat wird das Kurzarbeitergeld dabei fast doppelt so häufig aufgestockt wie in Betrieben, die nicht über Tarifbindung und/oder Mitbestimmung verfügen. Das sind wesentliche Ergebnisse einer neuen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler Stiftung.*
Die Autoren Dr. Toralf Pusch und Dr. Hartmut Seifert haben die Erwerbstätigenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet. Dafür wurden in zwei Wellen im April und im Juni jeweils mehr als 6.000 Menschen befragt. Die Befragung bildet die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab. Das erlaubt es, Arbeitszeiten und Kurzarbeit auf dem bisherigen Höhepunkt der Corona-Krise detailliert auszuleuchten:
Kleinbetriebe und Gastgewerbe nutzten Kurzarbeit am häufigsten
Im Juni gaben 13 Prozent der befragten Beschäftigten an, in Kurzarbeit zu sein. Differenziert man nach Branchen, war Kurzarbeit im Gastgewerbe mit Abstand am stärksten verbreitet (siehe auch Abbildung 1 in der Untersuchung; Link unten): Gut 45 Prozent der dort Beschäftigten befanden sich in Kurzarbeit. Es folgten das verarbeitende Gewerbe mit rund 20 Prozent sowie der Verkehrs- und Logistikbereich mit gut 17 Prozent. Unterdurchschnittlich oft wurde Kurzarbeit unter anderem im Gesundheits- und Sozialwesen (5 Prozent), im Baugewerbe (knapp 4 Prozent) und im öffentlichen Dienst (knapp 3 Prozent) genutzt. Die starke Verbreitung in Branchen wie dem Gastgewerbe mit seinen vielen Kleinbetrieben spiegelt sich nach Analyse der Wissenschaftler in der Kurzarbeits-Quote nach Betriebsgröße wider: In Kleinstbetrieben mit weniger als 5 Beschäftigten waren knapp 17 Prozent von Kurzarbeit betroffen, in großen Betrieben ab 2000 Beschäftigten waren es gut 11 Prozent (Abbildung 2 in der Studie).
Verkürzte und verlängerte Arbeitszeiten
Auch jenseits von Kurzarbeit wurde bei zahlreichen Befragten die Arbeitszeit krisenbedingt verkürzt. Insgesamt arbeiteten 21 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Sample im Juni weniger Stunden als normal. In einigen Branchen musste aber auch ein Teil der Beschäftigten ihre Arbeitszeit ausweiten, um zusätzliche Nachfrage und Anforderungen während der Pandemie bewältigen zu können. Das betraf laut Pusch und Seifert etwa den Handel, wo 19 Prozent der Befragten mehr arbeiteten als normal, während ebenfalls 19 Prozent kürzer treten mussten. Im öffentlichen Dienst arbeiteten 17 Prozent der Beschäftigten Pandemie-bedingt länger, bei neun Prozent wurde die Arbeitszeit reduziert. In beiden Bereichen fiel die Ausweitung der Arbeitszeit bei den von Mehrarbeit Betroffenen erheblich aus: Im Handel um durchschnittlich 5,7, im öffentlichen Dienst um 4,7 Wochenstunden.
Mit Tarif und Mitbestimmung deutlich häufiger Aufstockung
Auch wenn Kurzarbeit zahlreiche Jobs sichern konnte: Für die Betroffenen bedeutet die Arbeitszeitreduzierung Einkommenseinbußen. Schließlich ersetzt das gesetzliche Kurzarbeitergeld (KUG) ab dem 1. Tag lediglich 60 Prozent des Lohns, bzw. 67 Prozent, wenn Kinder im Haushalt leben. „Umso wichtiger sind deshalb tarifliche, betriebliche und gesetzliche Regelungen über Aufstockungen des Kurzarbeitergeldes“, schreiben die Wissenschaftler mit Blick auf die Befragungsdaten: Von den Befragten in Kurzarbeit, die lediglich das normale KUG erhielten, schätzten 49 Prozent, ihr Haushaltseinkommen habe sich um 25 bis 50 Prozent reduziert. Weitere 46 Prozent gingen von Verlusten bis zu 25 Prozent aus. Unter den Kurzarbeitenden mit Aufstockung kamen Einkommenseinbußen jenseits von 25 Prozent hingegen deutlich seltener vor: knapp ein Viertel der Befragten berichtete davon. Bei 73 Prozent blieben die Verluste unter 25 Prozent (Abbildung 4).
Insgesamt erhielten im Juni 46 Prozent der Befragten in Kurzarbeit eine Aufstockung. Darunter dürften einige gewesen sein, die vom höheren gesetzlichen KUG ab dem 4. Monat profitierten – eine neue Regelung, die im Zuge der staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen eingeführt wurde. Eine deutlich größere Bedeutung spielten zum Zeitpunkt der Befragung nach Puschs und Seiferts Analyse aber höhere Leistungen, die durch Tarifverträge und/oder von Betriebsräten vereinbart wurden. So erhielten im Durchschnitt 58 Prozent der Beschäftigten, die nach einem Tarifvertrag bezahlt wurden, eine Aufstockung. In Unternehmen ohne Tarifbindung waren es hingegen lediglich 34 Prozent. Ähnlich groß fiel der Vorsprung in Betrieben mit Betriebs- oder Personalrat aus: In dieser Gruppe lag der Anteil der Kurzarbeitenden mit Aufstockung bei 60 Prozent. Dagegen profitierten in Unternehmen ohne betriebliche Mitbestimmung lediglich 32 Prozent der Beschäftigten von einer Aufstockung.
Kurzarbeit und Weiterbildung
Noch viel Luft nach oben. Kurzarbeit zur Weiterbildung zu nutzen ist nach Analyse der Forscher absolut vernünftig und wurde in früheren wirtschaftlichen Krisensituationen bereits praktiziert, insbesondere wenn diese länger andauerten. Das gilt vor allem für die Transformationsphase der ostdeutschen Wirtschaft nach der deutschen Wiedervereinigung. Zum Befragungszeitpunkt im Juni war der Anteil der Kurzarbeitenden, die seit Beginn der Pandemie an Weiterbildung teilgenommen hatten, mit knapp 10 Prozent allerdings deutlich niedriger als unter Beschäftigten ohne Kurzarbeit (18 Prozent). Das könne unter anderem mit zeitweiligen Betriebsschließungen und der besonders schwierigen Situation vor dem Hintergrund von notwendigen Hygienebestimmungen und Kontaktbeschränkungen zu tun haben, schreiben die Forscher. Trotzdem bestehe ganz offensichtlich „noch Potenzial für eine Ausweitung der Weiterbildungsaktivitäten“.
WSI-Policy Brief Nr. 47, September 2020: Kurzarbeit in der Corona-Krise mit neuen Schwerpunkten
Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 14.10.2020
Hans-Böckler-Stiftung: Gesetzesinitiative zu Homeoffice Recht auf mobile Arbeit und klare Regeln zu Zeiterfassung absolut sinnvoll, zeigen aktuelle Studienergebnisse
Ein gesetzlicher Rahmen für mobile Arbeit inklusive eines Rechts auf Homeoffice ist sinnvoll und dringend nötig. Das gilt vor allem für eine objektive Zeiterfassung und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Betriebs- und Personalräten. Darauf verweist Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
„Homeoffice kann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Allerdings müssen dafür die Rahmenbedingungen stimmen: Fairer Zugang für alle, die mobil arbeiten möchten und bei denen die Arbeitsinhalte mobiles Arbeiten möglich machen. Und klare Abgrenzungen zwischen Arbeit und Freizeit, damit beides nicht immer weiter verschwimmt. Denn von dieser Gefahr berichten viele Beschäftigte, die mobil arbeiten – auch viele, die es eigentlich gerne tun“, sagt Kohlrausch.
Vor- und Nachteile von Arbeit im Homeoffice beleuchtet eine aktuelle Befragung der Hans-Böckler-Stiftung unter mehr als 6000 Erwerbstätigen. Von den Befragten, die zum Befragungszeitpunkt Ende Juni zumindest teilweise mobil arbeiteten gaben 77 Prozent an, dass sich die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben durch Homeoffice verbessert. Allerdings hatten 60 Prozent der Befragten auch den Eindruck, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen. 37 Prozent gaben an, im Homeoffice mehr Wochenstunden zu arbeiten.
Heimarbeit könne also auch zusätzlichen Druck erzeugen; vor allem, wenn sie im Unternehmen zuvor als nicht selbstverständlich galt und es keine klaren Regeln gebe, betont Forscherin Kohlrausch. So zeigten ältere Studien, dass sich Beschäftigte im Homeoffice nicht selten verpflichtet fühlen, mehr leisten zu müssen und über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu arbeiten, um das „Privileg“ mobiler Arbeit zu rechtfertigen. Dieses Risiko sei besonders groß, wenn die mobile Arbeitszeit nicht erfasst würde. „Die Gesetzesinitiative von Arbeitsminister Hubertus Heil setzt daher an den richtigen Punkten an, auch wenn das vorgeschlagene Volumen von 24 Tagen mobiler Arbeit im Jahr deutlich zu gering ist“, erklärt Kohlrausch. Enorm wichtig seien auch die Mitbestimmungsmöglichkeiten von Betriebs- und Personalräten, wie die aktuelle Umfrage zeigt: Darin beurteilten Befragte ihre Erfahrungen mit dem Homeoffice insgesamt deutlich positiver, wenn in ihrem Betrieb klare Regeln zu mobiler Arbeit galten. Solche Regeln hatten im Juni 2020 rund 62 Prozent der Betriebe mit Betriebs- oder Personalrat, aber nur 37 Prozent der Betriebe ohne Arbeitnehmervertretung. Zudem sei Homeoffice ein wichtiges, aber nicht das einzige Instrument, um Arbeitszeitsouveränität für Beschäftigte zu garantieren. „Hier brauchen wir zusätzliche gesetzliche Regelungen wie zum Beispiel den Ausbau von zeitflexiblen Arbeitsmöglichkeiten für all jene Beschäftigte, die nicht im Homeoffice arbeiten können“, so Kohlrausch.
Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 05.10.2020
Hans-Böckler-Stiftung: Neue Studie des WSI zur Tarifbindung Beschäftigte ohne Tarifvertrag arbeiten länger und verdienen weniger – niedrigere Löhne in Ostdeutschland auch durch geringere Tarifbindung
Die Arbeitsbedingungen sind in tarifgebundenen Unternehmen durchweg besser als in Unternehmen ohne Tarif. Damit sind Arbeitgeber, die sich nicht an Tarifverträge halten, für Beschäftigte weniger attraktiv. So arbeiten Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben im bundesweiten Schnitt wöchentlich eine Stunde länger und verdienen gleichzeitig deutlich weniger als die Kollegen in Betrieben mit Tarifbindung. „Diese Unterschiede unterstreichen die Dringlichkeit, die Tarifbindung in Deutschland zu stärken“, schreiben Dr. Malte Lübker und Prof. Dr. Thorsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung in einer aktuellen Analyse.* Die Forscher haben die Tarifbindung für Deutschland insgesamt und auf Ebene der einzelnen Bundesländer anhand des IAB-Betriebspanels untersucht.
Im Jahr 2019 konnten nur noch 52 Prozent der Beschäftigten in Deutschland auf einen Tarifvertrag zählen, im Jahr 2018, dem aktuellsten, für das auch differenzierte Länder-Daten vorliegen, waren es 54 Prozent. Im Vergleich der Bundesländer liegen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mit 60 Prozent vorn, Schlusslicht ist Sachsen mit nur 40 Prozent (siehe auch die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Gemeinsam ist allen Bundesländern, dass die Arbeitsbedingungen in wesentlichen Punkten wie Arbeitszeit und Entgelt in tariflosen Betrieben deutlich schlechter sind. Teilweise lassen sich die Unterschiede damit erklären, dass tarifgebundene Betriebe im Schnitt größer sind und in Branchen mit tendenziell höheren Löhnen tätig sind.
Doch auch um diese Effekte bereinigt bleibt die Differenz eklatant: Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben arbeiten bundesweit im Schnitt wöchentlich 53 Minuten länger und verdienen elf Prozent weniger als Beschäftigte in Betrieben mit Tarifbindung, die hinsichtlich der Betriebsgröße, des Wirtschaftszweiges, der Qualifikation der Beschäftigten und des Standes ihrer technischen Anlagen identisch sind.
Dabei gibt es deutliche regionale Unterschiede: Längere Arbeitszeiten in tariflosen Betrieben sind in den westdeutschen Bundesländern besonders ausgeprägt, und zwar auch dann, wenn man strukturelle Effekte wie Betriebsgröße und Branche herausrechnet. In Baden-Württemberg arbeiten Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Unternehmen jede Woche 72 Minuten zusätzlich, in Bremen sind es 64 Minuten. Über das Jahr gesehen entspricht dies gut einer zusätzlichen Arbeitswoche – und dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass Beschäftigte ohne Tarifvertrag häufig auch weniger Urlaubstage haben. Beim Entgelt zeigen sich die größten Nachteile in den neuen Bundesländern: In Brandenburg verdienen Beschäftigte in tariflosen Betrieben monatlich 17,7 Prozent weniger als Arbeitnehmer in vergleichbaren Betrieben mit Tarifbindung, in Sachsen-Anhalt beträgt der Rückstand sogar 18,3 Prozent. Um auf ein volles Jahresgehalt ihrer Kollegen mit Tarifvertrag zu kommen, müssen Beschäftigte in tariflosen Betrieben dort also bis in den März des Folgejahres hinein arbeiten.
Die geringeren Löhne in Ostdeutschland lassen sich deshalb auch mit Defiziten bei der Tarifbindung erklären: Zum einen ist die Tarifbindung im Osten durchweg geringer als im Westen, es profitieren also weniger Menschen von Tarifverträgen. Zum anderen unterbieten hier die tariflosen Betriebe die Konditionen der Tarifverträge besonders deutlich. „Das empfinden viele der Betroffenen verständlicher Weise als ungerecht“, so WSI-Experte Lübker. „Tarifverträge schaffen mehr Gerechtigkeit, müssen aber oft hart erkämpft werden.“ Ermutigend seien deshalb Beispiele von ostdeutschen Betrieben, in denen Beschäftigte sich organisiert haben und über Tarifverträge bessere Konditionen durchgesetzt haben. Auch in den ostdeutschen Staatskanzleien habe sich inzwischen die Einsicht durchgesetzt, dass Niedriglöhne im Wettbewerb um Fachkräfte kein Standortvorteil sind.
Bedrohliche Erosion
Mit Tarifverträgen seien in der Bundesrepublik sukzessive kürzere Wochenarbeitszeiten durchgesetzt, Lohnerhöhungen festgeschrieben oder Wahlmöglichkeiten zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit eingeführt worden, schreiben Lübker und Schulten. Vor diesem Hintergrund sei es „eine bedrohliche Entwicklung“, dass die Tarifbindung in den vergangenen zwei Jahrzehnten abgenommen hat – zur Jahrtausendwende hatten noch 68 Prozent der Beschäftigten einen Tarifvertrag. Ein Grund für diese Entwicklung war einerseits der wirtschaftliche Strukturwandel: In industriellen Großbetrieben sind Arbeitsplätze verloren gegangen, während in kleinteiligeren Bereichen neue entstanden sind. Dies mache es für Gewerkschaften heute schwieriger, Mitglieder zu organisieren, so die Experten. Doch auch dort, wo es Gewerkschaften gelingt, durch erfolgreiche Mitgliedergewinnung in tariflosen Betrieben Fuß zu fassen, stößt die Durchsetzung von Tarifverträgen zum Teil auf heftigen Widerstand der Arbeitgeber. Zusätzlich trägt zur Erosion bei, dass sich auch Arbeitgeber aus Branchen, in denen Tarifverträge traditionell verwurzelt sind, einer tariflichen Bezahlung entziehen. Durch die Einführung von sogenannten OT-Mitgliedschaften (ohne Tarifbindung) haben einige Arbeitgeberverbände diese Entwicklung vorangetrieben.
Bundesregierung sollte Tarifautonomie stärken
„Damit Tarifautonomie funktionieren kann, braucht es neben starken Gewerkschaften handlungsfähige Arbeitgeberverbände, die für ihre jeweilige Branche Standards setzen können“, erklären die Wissenschaftler. Gleichzeitig sei auch die Regierung gefordert: Die Erleichterung von Allgemeinverbindlicherklärungen könne die Reichweite von bereits geschlossenen Tarifverträgen erhöhen. Zudem verfügten Bund, Länder und Gemeinden mit der öffentlichen Auftragsvergabe und der Wirtschaftsförderung über einen zusätzlichen Hebel – sie könnten Tariftreue zur Voraussetzung für die Auftragsvergabe oder Förderung machen. Wegweisend seien hier das Landesvergabegesetz in Berlin sowie die Richtlinien zur Wirtschaftsförderung in Mecklenburg-Vorpommern, die sehr weitgehende Tariftreuevorgaben enthielten.
Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 01.10.2020
Statistisches Bundesamt: Betreuungsquote der unter 3- jährigen Kinder auf 35,0 % gestiegen/ Kindertagesbetreuung unter 3-jähriger im März 2020: +1,3 % gegenüber dem Vorjahr
Die Zahl der Kinder unter drei Jahren in Kindertagesbetreuung ist zum 1. März 2020 gegenüber dem Vorjahr um rund 10700 auf insgesamt 829200 Kinder gestiegen. Damit waren 1,3% mehr unter Dreijährige in Kindertagesbetreuung als am 1. März 2019. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, lag die Betreuungsquote am Stichtag bundesweit bei 35,0% (2019: 34,3%).
Höhere Betreuungsquoten in Ostdeutschland
In Ostdeutschland waren durchschnittlich mehr als die Hälfte aller Kinder unter drei Jahren in einer Tagesbetreuung (52,7%), im Westen knapp ein Drittel (31,0%). Im Vergleich der Bundesländer hatten am 1. März 2020 Sachsen-Anhalt (58,3%), Brandenburg (57,7%) und Mecklenburg-Vorpommern (57,6%)die höchsten Betreuungsquoten. Unter den westdeutschen Bundesländern erreichte Hamburg mit 46,7% die höchste Quote, gefolgt von Schleswig-Holstein (35,2%). Am niedrigsten lag die Betreuungsquote in Bremen (29,0%) und Nordrhein-Westfalen (29,2%).
Betreuungsquoten steigen mit dem Alter der Kinder
Bundesweit waren 1,8% der Kinder unter einem Jahr in einer Kindertagesbetreuung. Dagegen haben 37,5% der Einjährigen ein Angebot der Kindertagesbetreuung in Anspruch genommen, bei den Zweijährigen waren es schon fast zwei Drittel (64,5%). Seit dem 1.August 2013 gibt es für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen bundesweiten Rechtsanspruch auf einen öffentlich geförderten Betreuungsplatz.
Bei der Betreuungsquote handelt es sich um den Anteil der in Kindertageseinrichtungen (zum Beispiel Kindertagesstätte) oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege (zum Beispiel öffentlich geförderter Betreuungsplatz bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater) tatsächlich betreuten unter Dreijährigen an allen Kindern dieser Altersgruppe.
1,6% mehr Kindertageseinrichtungen und 4,5% mehr Personal als 2019
Am 1. März 2020 gab es bundesweit knapp 57600 Kindertageseinrichtungen. Das waren knapp 900Einrichtungen mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres (+1,6%). Die Zahl der dort als pädagogisches Personal oder als Leitungs- und Verwaltungspersonal beschäftigten Personen stieg um 4,5% auf rund 682900. Die Zahl der Tagesmütter und -väter erhöhte sich leicht um 0,1% auf rund 44800.
30 Jahre Deutsche Einheit
Informationen zu regionalen Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen östlichen und westlichen Bundesländern 30 Jahre nach der deutschen Vereinigung finden Sie in unserem Statistik-Dossier sowie auf unserer Themenseite "30 Jahre Deutsche Einheit".
Basisdaten zur Kindertagesbetreuung in Deutschland können über die Tabellen Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen (22541), Statistik der öffentlich geförderten Kindertagespflege (22543) und Personen in Großtagespflegestellen und betreute Kinder (22545) in der Datenbank GENESIS-Online abgerufen werden.
Quelle: Pressemitteilung DESTATISStatistisches Bundesamt vom 30.09.2020
INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN
AGF und COFACE Families Europe: Sven Iversen zum Vize-Präsidenten gewählt / Heute gemeinsames Fachgespräch
Heute, am 29. September findet von der AGF und COFACE Families Europe ein gemeinsames Europäisches Fachgespräch zum Thema "The Child Guarantee – a tool to tackle family poverty?“ statt. Im Rahmen der Gremiensitzungen von COFACE Families Europe, die bereits gestern stattgefunden haben, ist Sven Iversen, Geschäftsführer der AGF, zum Vize-Präsidenten der COFACE gewählt worden. Die bisherige Präsidentin Annemie Drieskens vom belgischen Familienverband Gezinsbond sowie die zweite Vize-Präsidentin Antonia Torrens aus Griechenland wurden in ihrem Amt bestätigt. Neue Schatzmeisterin ist Sylvia Stanic aus Kroatien.
Beim heutigen Europäischen Fachgespräch steht das Thema der sogenannten Kindergarantie im Mittelpunkt. Hinter der Idee der „Kindergarantie“ steht das Ziel der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments, für alle Kinder und Jugendliche in fünf zentralen Lebensbereichen Garantien für eine Mindestversorgung zu schaffen. Dabei geht es um die Sicherung des Zugangs von Kindern zu kostenloser medizinischer Versorgung, unentgeltlicher Bildung, kostenlosen Betreuungseinrichtungen, angemessenen Wohnverhältnissen und geeigneter Ernährung. Die Initiative soll insbesondere die Teilhabechancen von Kindern in besonders armutsgefährdeten Familiensituationen, Kindern mit Migrations- oder Fluchterfahrung, Kindern in Heimunterbringung und Kindern mit Behinderung stärken.
Aus Sicht der AGF und COFACE Families Europe ist die Kindergarantie eine vielversprechende Initiative und bietet die Gelegenheit, den Kampf gegen Kinder- und Familienarmut zu verstärken und die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte des Kindes weiter voranzutreiben.
Dazu diskutieren ca. 30 Expert/innen vor Ort in Berlin und weitere 90 Expert/innen, die per Videokonferenz dieser Tagung zugeschaltet werden. Eine Grußwort hält Nicolas Schmidt, Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration in der Europäischen Kommission. Dieses steht bereits als Videobotschaft inklusive Transkription auf der Website von coface Families Europe zur Verfügung: http://www.coface-eu.org/consumers/children/kick-off-video-address-to-citizens-by-european-commission-for-jobs-and-social-rights-nicolas-schmit-full-speech-transcript/.
Im Zentrum der Veranstaltung stehen die Vorstellung einer Machbarkeitsstudie zur Implementierung der Kindergarantie sowie die Fragen wie die Kindergarantie aus der Sicht von Familien gestaltet werden muss und wie nationale Ansätze der Implementierung der Kindergarantie aussehen könnten. Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Website unter https://www.ag-familie.de/news/1598344330Veranstaltung_Kindergarantie.html, wo auch im Nachgang der Veranstaltung eine Zusammenfassung der Diskussionen eingestellt werden.
Quelle: Pressemitteilung Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V. vom 29.09.2020
AWO: Dringend Schutzschirme für soziale Dienste verlängern – soziale Infrastruktur auch für 2021 sichern
Corona-Krise stellt auch für die soziale Infrastruktur in Deutschland einen „nie dagewesenen Stress-Test“ dar
Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) eine befristete Verlängerung der Schutzschirme für Träger sozialer Dienste über den 31. Dezember 2020 hinaus. „Die bisherigen Schutzpakete mit dem SodEG und dem Krankenhausentlastungsgesetz haben erheblich dazu beigetragen, dass die vielfältige Infrastruktur an sozialen und gesundheitsbezogenen Leistungen zum großen Teil aufrechterhalten werden konnte. Diese Schutzschirme laufen jedoch alle spätestens zum Jahresende 2020 aus. Deshalb brauchen wir hier dringend eine Lösung“, sagt BAGFW-Präsidentin Gerda Hasselfeldt.
Die Corona-Krise stellt auch für die soziale Infrastruktur in Deutschland nach Einschätzung der BAGFW einen „nie dagewesenen Stress-Test“ dar. Auf allen Ebenen der Wohlfahrtsarbeit werde versucht, Dienste und Hilfen in möglichst großem Umfang und zum Teil in veränderter Form aufrecht zu erhalten. Betretungsverbote und andere pandemiebedingte Vorgaben hätten jedoch Einschränkungen vieler Angebote und Mehraufwendungen für die Träger unvermeidbar mit sich gebracht. „Steigende Infektionszahlen zeigen, dass die Corona-Pandemie noch längst nicht überwunden ist. Der Gesetzgeber geht zu Recht für das Jahr 2021 nach wie vor von nicht unerheblichen Einschränkungen des Privat- und Wirtschaftslebens aus. Aus diesem Grunde werden aktuell durch die Bundesregierung Regularien für das Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht getroffen, die den betroffenen Rechtsformen Planungssicherheit bis zum 31. Dezember 2021 geben. Derartige Vorkehrungen sind auch für die Sicherung der sozialen Infrastruktur und die Erbringung sozialer Dienstleistungen unabdingbar“, sagt BAGFW-Präsidentin Hasselfeldt.
Zum Beispiel hätten Reha-Einrichtungen und Einrichtungen des Müttergenesungswerkes im Corona-Regelbetrieb wegen des Abstandsgebots eine stark verringerte Auslastungsquote in einer Spanne von 50 bis 80 Prozent gegenüber normal 95 Prozent. Zugleich hätten sie Mehraufwendungen für mehr Personal sowie erhöhte Sachkosten für Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu tragen. „Vor allem die kleineren Rehaeinrichtungen werden ohne Absicherungen insolvent gehen und könnten dann die Klienten nicht mehr versorgen“, sagt Hasselfeldt. Problematisch sei die Situation vor allem auch für Einrichtungen, die sich um Wohnungslose und obdachlose Menschen kümmern, sowie für Schuldnerberatungsstellen und Werkstätten für Menschen mit Behinderung.
Wenn die aktuelle Pandemie tatsächlich überwunden ist, brauchen wir jenseits der aktuellen Schutzschirme nachhaltige Regelungen zur Absicherung der sozialen Infrastruktur in den Sozialgesetzbüchern bei künftigen Pandemien. Denn auch für die Zukunft müsse damit gerechnet werden, dass sich pandemische Situationen wiederholen.
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 14.10.2020
AWO: Kuren für Mütter, Väter, Kinder und pflegende Angehörige müssen gesichert werden!
Während die Corona-Fallzahlen wieder steigen, ist der Rettungsschirm für medizinische Kuren nach § 111d SGB V ausgelaufen: Es gibt keine Ausgleichszahlungen für pandemiebedingte Belegungsausfälle mehr. Das bedroht die Vorsorge- und Rehakliniken existenziell.
„Die Kliniken agieren bereits seit Monaten an der finanziellen Belastungsgrenze: Sie schultern Mehrausgaben wegen erhöhter Material- und Personalaufwände auf Grund der Hygieneauflagen und können gleichzeitig deutlich weniger Einnahmen erwirtschaften, weil sie nicht voll belegen können“, erklärt dazu Brigitte Döcker, Mitglied des AWO Bundesvorstands, „die Situation ist alarmierend. Sollte erneut der Fall eintreten, dass Einrichtungen für längere Zeit geschlossen werden müssen oder sollten sich die kurzfristigen Absagen oder vorzeitigen Abreisen noch verstärken, wird das finanziell für viele Kliniken nicht mehr aufzufangen sein.“
Gerade jetzt seien diese Einrichtungen ganz besonders gefordert, so Döcker weiter, denn insbesondere Familien in prekären Lebenslagen stelle die Pandemie vor große Herausforderungen: „Für Familien mit Kindern oder zu pflegenden Angehörigen kann es besonders belastend sein, den Alltag in Zeiten der Pandemie zu meistern. Das gilt gerade, wenn sie zusätzlich von Armut betroffen sind, wegen der Pandemie finanzielle Einbußen verkraften oder Pflege- und Lohnarbeit neu organisieren müssen. Viele von ihnen stehen unter hohem Druck und sind auf Kur-Angebote der Kliniken angewiesen.“
Vorsorge- und Rehakliniken erhielten bis zum 30.09.2020 max. 60% Ausgleichszahlungen für pandemiebedingte Ausfälle. Seitdem gibt es nur noch einen Zuschlag für Corona-bedingte Mehraufwendungen für Hygiene- und Organisationsmaßnahmen. Viele Kliniken hatten aber bereits vor September den Betrieb wieder aufgenommen. Die Mehrausgaben aus dieser Zeit sind nicht vom Zuschlag abgedeckt. Er ist zudem begrenzt bis zum 31.12.2020. Die Arbeiterwohlfahrt kritisiert, dass diese Befristung angesichts der Pandemieentwicklung nicht haltbar sei.
Brigitte Döcker: „Die Pandemie wird nicht zum Jahresabschluss am Silvesterabend beendet sein. Nach allen derzeitigen Prognosen werden wir noch monatelang mit ihren Auswirkungen zu tun haben. In, aber auch nach der Krise brauchen Mütter, Väter und pflegende Angehörige Vorsorge- und Rehamaßnahmen dringend. Der Zuschlag für Mehrausgaben muss deshalb rückwirkend ab dem Zeitpunkt gezahlt werden, ab dem die Kliniken tatsächlich wieder öffneten, und über das Jahresende hinausgehen. Dasselbe gilt für den Rettungsschirm: Wird er nicht verlängert, droht eine Schließungswelle. Fallen die Kliniken und ihr Gesundheitsangebot weg, stehen Familien allein da. Das dürfen wir nicht hinnehmen.“
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 14.10.2020
BAGSO: Seniorenorganisationen fordern baldige Umsetzung der EU-Ratsschlussfolgerungen zur Stärkung der Rechte älterer Menschen
Der europäische Dachverband der Seniorenorganisationen, AGE Platform Europe, und die BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen begrüßen die Ratsschlussfolgerungen „Menschenrechte, Teilhabe und Lebensqualität älterer Menschen im Zeitalter der Digitalisierung“. Diese wurden von der deutschen Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union 2020 vorgeschlagen. Zum ersten Mal seit zehn Jahren stehen ältere Menschen damit im Zentrum einer Entscheidung des Rates der EU.
In einer gemeinsamen Erklärung der Zivilgesellschaft fordern die AGE Platform Europe und die BAGSO die baldige Umsetzung der Schlussfolgerungen. Dies muss die Zuweisung angemessener Budgets und qualifizierter Personalressourcen auf nationaler wie auf EU-Ebene einschließen. AGE Platform und BAGSO begrüßen den vorgesehenen 5-Jahres-Aktionsplan, der die Autonomie älterer Menschen stärken und ihre aktive Beteiligung an der Gestaltung eines Europas für alle Generationen fördern soll.
„Die zunehmende Digitalisierung bringt enorme Chancen und Herausforderungen für das Leben im Alter mit sich. Wir fordern die deutsche Ratspräsidentschaft und alle anderen europä-
ischen Regierungen auf, bei ihren künftigen politischen Maßnahmen insbesondere die digitale Kluft zu beachten, die innerhalb der älteren Bevölkerung besteht“, sagte Dr. Heidrun Mollenkopf, Mitglied im Vorstands der BAGSO und Vizepräsidentin der AGE Platform Europe.
„Alle älteren Menschen müssen das Recht auf Zugang zu digitalen Informationen, Diensten und sozialen Netzwerken haben, unabhängig von ihren finanziellen Ressourcen, ihrer Wohnform oder ihrem Wohnort. Um die gleichberechtigte Anwendung der Menschenrechte auf alle älteren Männer und Frauen zu gewährleisten, sind neue Gesetze auf nationaler und globaler Ebene erforderlich“, so Mollenkopf.
Die Erklärung der Zivilgesellschaft zu den EU-Ratsschlussfolgerungen wurde auf einer zweitägigen internationalen Konferenz zum Thema "Die Rechte älterer Menschen in Zeiten der Digitalisierung" abgegeben. Die Konferenz wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der AGE Platform Europe und der BAGSO organisiert. An ihr nahmen hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission und mehrerer EU-Mitgliedstaaten sowie Repräsentanten von europäischen Seniorenorganisationen teil.
Gemeinsame Erklärung von AGE Platform Europe und BAGSO
Quelle: Pressemitteilung BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen vom 29.09.2020
BAGSO, BMFSFJ und AGE: Digitalisierung: Die Rechte Älterer stärken
Internationale Konferenz ruft Europäische Union zum Handeln auf
Die Förderung von Menschenrechten im Alter steht im Fokus einer heute beginnenden internationalen Online-Konferenz im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Eines der Schwerpunkt-Themen ist die Digitalisierung, die durch die COVID-19-Pandemie beschleunigt worden ist und erhebliche Auswirkungen auch auf das Leben älterer Menschen hat. Dies gilt unter anderem für die soziale Interaktion, den Zugang zu Informationen und die Erbringung von Dienstleistungen. Diese verstärkte Nutzung digitaler Technologien bleibt auch nicht ohne Konsequenzen für unsere Menschenrechte.
Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission und mehrerer Mitgliedstaaten sowie Vertreterinnen und Vertreter europäischer Seniorenorganisationen diskutieren zwei Tage lang darüber, wie ältere Menschen stärker von der Digitalisierung profitieren können. Die Konferenz wird gemeinsam vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der AGE Platform Europe und der BAGSO – der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen – veranstaltet.
„Die Digitalisierung eröffnet große Chancen für die soziale Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben im hohen Alter, auch unter schwierigen Bedingungen. Diese Chancen müssen wir nutzen. Gerade in Zeiten von Corona hat sich gezeigt: Wenn Menschen digital nicht dabei sein können, wächst die Gefahr zu vereinsamen“, betont Bundesseniorenministerin Dr. Franziska Giffey.
„Damit Menschen jeden Alters die Chancen der Digitalisierung nutzen können, müssen wir dafür sorgen, dass alle mit den notwendigen Geräten und Kenntnissen ausgestattet werden. Auch Ältere. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ältere Menschen auch in Zukunft ihr Recht auf Information, Bildung, soziale Teilhabe, Gesundheit und vieles mehr wahrnehmen können“, so der BAGSO-Vorsitzende Franz Müntefering.
Der Präsident der AGE Platform Europe, Ebbe Johansen, sieht die Konferenz als Möglichkeit des Austausches zwischen Zivilgesellschaft und Politik. „Die Konferenz bietet ein Forum für eine Diskussion, die unserer Meinung nach seit langem notwendig ist. Die Digitalisierung birgt viele Chancen, aber sie kommt nicht ohne einen besseren Schutz unserer Menschenrechte aus. Es liegt in der Verantwortung der politischen Entscheidungsträger, Gesetze und Richtlinien zu entwickeln, die digitale Anwendungen für alle zugänglich, freundlich und sicher machen.“
Aufgrund der anhaltenden Pandemie findet die zweitägige Konferenz ausschließlich digital statt. An ihr nehmen unter anderem die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für Demokratie und Demografie, Dubravka Šuica, die EU-Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli, sowie die Unabhängige Expertin der Vereinten Nationen für die Menschenrechte von älteren Personen, Dr. Claudia Mahler, teil.
Die Konferenz läuft von Montag (13:30-16:00 Uhr) bis Dienstag (09:30-12:30 Uhr) und kann live verfolgt werden – nach Anmeldung unter folgendem Link: https://pretix.eu/bmfsfj/AgeingEU2020/
Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, AGE Platform Europe und BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen vom 28.09.2020
BAGSO: Jetzt erst recht! Lebensbedingungen älterer Menschen verbessern
BAGSO fordert Konsequenzen aus der Corona-Pandemie
Die BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen ruft dazu auf, die Lebensbedingungen älterer Menschen nachhaltig zu verbessern. In dem Positionspapier „Jetzt erst recht!“ formuliert der Dachverband erste Lehren aus der Corona-Pandemie. Sie habe bestehende Missstände für alle sichtbar gemacht. Reformen sind demnach in der Pflege, in der kommunalen Seniorenarbeit und in weiteren Bereichen der Seniorenpolitik dringend erforderlich.
In der häuslichen Pflege fordert die BAGSO mehr Anerkennung und Unterstützung für pflegende Angehörige, insbesondere eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Für künftige Krisen sei zwingend zu klären, inwieweit Ausgangs- und Besuchsbeschränkungen in Pflegeheimen zulässig sind. Angemahnt werden zudem bessere Arbeitsbedingungen in der professionellen Pflege, verbunden mit einer Reform der Pflegeversicherung. Ein würdevolles Sterben müsse in allen Versorgungsformen möglich sein, auch in Zeiten einer Pandemie, heißt es in dem Positionspapier.
Die BAGSO ruft außerdem dazu auf, den Zugang älterer Menschen zu digitalen Medien mit einem „Digitalpakt Alter“ sicherzustellen. Im Bereich Engagement und Partizipation brauche es zudem verlässliche Strukturen zur Förderung. Verbessert werden müssten auch die Gesundheitsförderung und der rechtliche Schutz älterer Menschen. Aktivierende kommunale Seniorenpolitik benötige eine verbindliche rechtliche Grundlage und finanzielle Ausstattung.
Die BAGSO appelliert an Politik, Medien und Zivilgesellschaft, die vielfältigen Lebenslagen älterer Menschen ebenso wie ihre Diversität in der öffentlichen Diskussion zu transportieren. Auch in Krisensituationen ist das Recht auf Selbstbestimmtheit und Selbstverantwortung älterer Menschen zu respektieren. „Alte Menschen brauchen keine Bevormundung“, heißt es in dem Positionspapier. „Ihre Stimme und ihr Engagement sind unverzichtbar für den Erhalt einer lebendigen Bürgergesellschaft.“
Zum Positionspapier "Jetzt erst recht!"
Quelle: Pressemitteilung BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen vom 24.09.2020
Diakonie: Kindertagesbetreuung sichern! Corona-Schutzmaßnahmen und Regelungen jetzt wirkungsvoll gestalten
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn äußern sich morgen in einer Pressekonferenz zu Kitas in der Corona-Pandemie. Die Diakonie plädiert für wirkungsvolle Corona- Schutzmaßnahmen und Regelungen in der Kindertagesbetreuung. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
"Wir müssen alles dafür tun, dass auch bei steigenden Infektionszahlen die Kindertagesbetreuung gesichert bleibt! Die flächendeckende Schließung der Kitas und Schulen zu Beginn der Pandemie hat Familien und den Kindern enorm viel abverlangt. Wir dürfen Eltern nicht noch einmal im Regen stehen lassen und Kinder nicht schon in ihrer frühkindlichen Bildung benachteiligen.
Es ist den engagierten Erzieherinnen und Erziehern zu verdanken, dass mittlerweile alle Kinder wieder in die Kita gehen können. Träger und Einrichtungen haben in dieser schwierigen Zeit einen hervorragenden Job gemacht und die notwendigen Corona-Schutzmaßnahmen wirkungsvoll umgesetzt.
Angesichts der steigenden Infektionszahlen sind Häufungen in der Kindertagesbetreuung nicht ausgeschlossen. Dazu brauchen wir jetzt ein überzeugendes Konzept mit einheitlichen Regelungen und Maßnahmen in den Bundesländern zum Schutz vor COVID-19-Infektionen in der Kindertagesbetreuung.
Unerlässlich ist eine Teststrategie für alle Bildungseinrichtungen. Es kann nicht sein, dass die Testregelungen für Fachkräfte aus Kitas und das Personal der Schulen unterschiedlich sind. Das sorgt nicht nur für Unklarheit, sondern auch für viel Unverständnis. Durch die Corona-Pandemie hat sich die enge Personalsituation noch verschärft. Um die Corona-Schutzmaßnahmen und Regelungen im Kita-Alltag auch umsetzen zu können und Ausfälle von Fachkräften zu kompensieren, brauchen wir dringend mehr Personal. Wir müssen unbedingt verhindern, dass Einrichtungen wieder komplett schließen müssen. So weit darf es nicht kommen!"
Weitere Informationen: www.diakonie.de/kinderbetreuung
Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 15.10.2020
Diakonie: Kältehilfe muss pandemiefest sein – Infektions- und Kälteschutz für wohnungslose Menschen sicherstellen
Anlässlich des Starts der Kältehilfe in vielen deutschen Städten dringt die Diakonie darauf, deren Angebote pandemiefest aufzustellen. Wohnungslose Menschen brauchen gleichermaßen Infektions- wie Kälteschutz, und das verlässlich. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
"Die Wohnungsnotfallhilfe muss in diesem Winter nicht nur Kälte-, sondern auch Infektionsschutz leisten und im Ernstfall Isolations- und Quarantänemöglichkeiten bieten. Dafür sind zusätzliche Unterkünfte, mehr Personal und die entsprechende Ausrüstung notwendig. Das geht nur mit zusätzlichen finanziellen Mitteln. Durch die Corona-Schutzmaßnahmen sind die Plätze der Kältehilfe dieses Jahr besonders knapp. Sollte es dann noch zu Covid-19-Verdachts- oder Infektionsfällen kommen, ist das organisatorisch und personell nur mit erheblich mehr Aufwand und Ressourcen zu stemmen.
Wir müssen unbedingt verhindern, dass wohnungslose Menschen abgewiesen werden, weil Unterkünfte voll sind oder Isolations- und Behandlungsmöglichkeiten fehlen.
Auch wohnungslose Menschen, die an Covid-19 erkranken, brauchen die Möglichkeit, sich in Ruhe und unter Isolationsbedingungen auszukurieren. Zudem sollte die Kältehilfe raschen Zugang zu Testmöglichkeiten für Menschen mit Symptomen haben. Nur dann können Wohnungslose gut versorgt und mögliche Infektionsketten durchbrochen werden."
Weitere Informationen:
– Überblick Angebote Kältehilfe der Diakonie: https://www.diakonie.de/fileadmin/user_upload/Diakonie/PDFs/Themenschwerpunkt_PDF/2020_Themendienst_Kaeltehilfe_F.pdf
– Nachgefragt-Interview zu Kältehilfe unter Corona-Bedingungen: https://www.diakonie.de/journal/nachgefragt-kaeltehilfe-braucht-dringend-mehr-plaetze
– Wissen Kompakt Obdachlosigkeit: https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/obdachlosigkeit
– Themenschwerpunkt zu Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit: https://www.diakonie.de/wohnungslosigkeit
Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 14.10.2020
Diakonie und EVA: Existenz der medizinischen Kuren für Mütter, Väter, Kinder und pflegende Angehörige in Gefahr
Während die Corona Pandemie anhält und sich weiter zuspitzt, ist der Schutzschirm für die medizinische Kuren – Rehabilitation und Vorsorge – Ende September ausgelaufen. Bis zum 30. September erhielten die Vorsorge- und Reha-Kliniken bis zu 60 Prozent Ausgleichszahlungen für pandemiebedingte Belegungsausfälle.
Viele Einrichtungen sind nach wie vor in ihrem Betrieb stark eingeschränkt und mit drastischen Mindereinnahmen und Mehrausgaben konfrontiert. Dadurch sind zahlreiche Kliniken akut in ihrer Existenz bedroht. Das trifft in ganzer Härte auf die Einrichtungen des Müttergenesungswerks zu, die ausschließlich von den Krankenkassen belegt werden.
Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: "Die Kuren für Mütter, Mutter und Kind oder Vater und Kind sind gerade jetzt wichtig, damit Eltern den anstrengenden Alltag unter Pandemie Bedingungen bewältigen können."
Antje Krause, Vorsitzende des Evangelischen Fachverbands für Frauengesundheit (EVA): "Durch den Wegfall des Rettungsschirms sind die Kliniken in ihrer Existenz gefährdet. Damit fällt ein wichtiges gesundheitliches und systemrelevantes Angebot für Mütter, Väter und auch pflegende Angehörige weg.
Aber auch Arbeitsplätze und medizinische Kompetenznetzwerke sind in Gefahr."
Die Diakonie Deutschland und der Evangelische Fachverband für Frauengesundheit (EVA) setzen sich dafür ein, dass der Rettungsschirm bis zum 31.März 2021 verlängert wird. Außerdem sollte im Sozialgesetzbuch geregelt werden, dass im Fall einer Pandemie Vereinbarungen zwischen Kostenträger und Leistungserbringer über einrichtungsbezogene Vergütungsanpassungen zu regeln sind. "Die Zukunft der Kurkliniken muss jetzt gesichert werden", so Loheide und Krause.
Um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von der Dringlichkeit des Anliegens zu überzeugen, wurde eine Online-Petition gestartet: https://www.change.org/FamilienRettungsschirm
Weitere Informationen und Material zum Download: https://www.eva-frauengesundheit.de/rettungsschirm
Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. und Evangelischer Fachverband für Frauengesundheit e.V. (EVA) vom 13.10.2020
Diakonie: Ältere Menschen – mehr als eine Risikogruppe
Zum UN-Tag der älteren Menschen am 1. Oktober erinnert Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, daran, älteren Menschen umfassende Teilhabe zu ermöglichen und die ältere Generation als Bereicherung zu sehen. "Menschen ab 60 Jahren in Zeiten der Bedrohung durch das Corona-Virus pauschal als ‚Risikogruppe‘ zu etikettieren und sie besonders abzuschirmen, grenzt aus und beraubt einer Gesellschaft den Erfahrungsschatz der älteren Generation", sagt Maria Loheide.
"Ältere Menschen sind keine homogene Gruppe. Sie sind genauso vielfältig wie die ganze Gesellschaft. Sie haben unterschiedliche Interessen, Talente und Berufe, sind besonders fit oder gesundheitlich eingeschränkt, leben auf dem Land oder in der Stadt, sprechen verschiedene Sprachen und haben vielfältige Erfahrungen.
Diese Vielfalt der Älteren ist wichtig für eine Gesellschaft. Deshalb sollten auch ältere Menschen in allen Bereichen nach ihren eigenen Interessen gefördert und ihre umfassende Teilhabe gestärkt werden", fasst sie die Beobachtungen und Erwartungen der Diakonie zusammen.
Gerade im Lockdown hat sich gezeigt, dass die wichtigen Sozialkontakte auch digital aufrechterhalten werden können. Hier die älteren Menschen mitzunehmen, ist eine Aufgabe des Miteinanders der Generationen. Viele Ältere haben in dieser Zeit mit Unterstützung der jungen Generation zum ersten Mal mit Tablets oder Smartphones kommuniziert und gemerkt, dass es einfacher ist, als sie gedacht haben.
"Brücken zu bauen und Teilhabe für Menschen aller Generationen zu ermöglichen, darin sehen wir unsere Aufgabe als Diakonie", sagt Loheide. "Deshalb setzen wir uns für ein Zusammenleben in Vielfalt ein, in dem Alter als Bereicherung erlebt wird. Die ganze Welt kann von der älteren Generation profitieren!"
Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 30.09.2020
Diakonie: Ein neues „Wir“: Vielfalt darf nicht trennen, Vielfalt muss verbinden
Vielfalt ist Alltag in unserer von Einwanderung geprägten Gesellschaft. Gerade jetzt sind Austausch und Dialog wichtiger denn je. Trotz Corona brauchen wir Begegnung. Dafür plädiert die Diakonie anlässlich der Interkulturellen Woche unter dem Motto "Zusammen leben – zusammen wachsen", die am 27. September beginnt. Bis zum 4. Oktober gibt es in mehr als 500 Städten und Gemeinden Veranstaltungen und Begegnungsformate, die auch in Zeiten von Kontakteinschränkungen durch die Corona-Pandemie funktionieren. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
"Interkulturelle Vielfalt ist in Deutschland über Generationen gewachsen und Alltag in unserer Gesellschaft. Damit wir in dieser Vielfalt weiter gemeinsam zusammenwachsen, müssen wir uns immer wieder offen begegnen und unser Zusammenleben miteinander organisieren – jede und jeder Einzelne. Die Interkulturelle Woche mit ihren vielfältigen Aktionen und Begegnungsmöglichkeiten hilft uns, das ‚Wir‘ neu zu denken: Sie schafft Raum für gegenseitiges Kennenlernen und bringt Menschen über alle Unterschiede hinweg zusammen. Das war noch nie so wichtig wie jetzt. Auch mit Abstandsgebot können sich Menschen neu begegnen. Denn Begegnungen mit Menschen helfen am wirksamsten dabei, Vorurteile abzubauen. Vielfalt darf unsere Gesellschaft nicht trennen, Vielfalt muss uns verbinden. Daran wirkt die Diakonie nicht nur im Rahmen der Interkulturellen Woche mit, sondern daran arbeiten wir tagtäglich."
Zum Hintergrund:
Die Interkulturelle Woche (IKW) ist eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie. Seit 1975 findet sie jährlich bundesweit statt. Jeweils Ende September wird sie von Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Integrationsbeiräten und -beauftragten, Migrantenorganisationen, Religionsgemeinschaften und Initiativgruppen ausgerichtet. In diesem Jahr steht sie unter dem Motto "zusammen leben – zusammen wachsen". Vom 27. September bis 4. Oktober beteiligen sich auch diakonische Träger an der Arbeit für mehr Teilhabe. Insgesamt werden in mehr als 500 Städten und Gemeinden rund 5.000 Veranstaltungen durchgeführt.
Weitere Informationen:
http://www.interkulturellewoche.de/
https://vimeo.com/458964141/e840fc7268
Die Diakonie ist in vielen Kommunen maßgeblich an der Organisation und Koordination der IKW beteiligt. Beispiele für diakonische Aktivitäten:
– Diakonie Odenwald: https://www.diakonie-odenwald.de/ikw/
-Diakonie Meißen: http://www.diakonie-meissen.de/aktuelles_interkulturelle_wochen_de.html
– Diakonie Mannheim: https://www.diakonie-mannheim.de/aktuelles-detail.html?ne_id=2842&ev_hide=1&backLink=%2F
Datenbank zu allen Veranstaltungen: http://www.interkulturellewoche.de/datenbank
Themenschwerpunkt Interkulturelle Öffnung der Diakonie Deutschland: https://www.diakonie.de/interkulturelle-oeffnung
Kennen.Lernen. Eine Initiative für Vielfalt und Begegnung der Diakonie Deutschland: www.diakonie-kennenlernen.de
Quelle: PressemitteilungDiakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 25.09.2020
djb: Recht auf Information: Diskussion um § 219a StGB gehört im Wahljahr auf die politische Tagesordnung
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) setzt sich für reproduktive Rechte aller Frauen in Deutschland ein und weist regelmäßig auf Reformbedarfe hin. Heute, am 4. Oktober 2020, lädt der djb unter strenger Beachtung der Hygieneregeln ein zur Matinée im Kino Hackesche Höfe in Berlin. Gezeigt wird „Never Rarely Sometimes Always“ – auf der diesjährigen Berlinale mit dem Großen Preis der Jury und auf dem Internationalen Sundance Filmfestival ausgezeichnet. Anschließend spricht djb-Präsidentin Prof. Dr. Maria Wersig mit Dr. Sina Fontana, Vorsitzende der djb-Kommission für „Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung“, Akademische Rätin, Georg-August-Universität Göttingen und Prof. Dr. Daphne Hahn, Professorin für Gesundheitswissenschaften und empirische Sozialforschung, Leiterin des Promotionszentrums Public Health, Hochschule Fulda, über das Thema des Films: Stig-matisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und die damit verbundenen Probleme rund um weibliche Selbstbestimmungsrechte und Gesundheitsversorgung.
„,Never Rarely Sometimes Always‘ zeigt eindrücklich die Hürden, die Recht und Gesellschaft einer ungewollt schwangeren Frau in den Weg legen können. Ich sehe viele Parallelen zu Deutschland, denn auch hier besteht Reformbedarf. Die Diskussion um § 219a StGB gehört im Wahljahr 2021 verstärkt auf die Tagesordnung, ebenso wie der rechtliche Umgang mit Gehsteigbelästigungen vor Beratungsstellen und Arztpraxen.“, fordert die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig.
„Die freie Entscheidung über die Fortführung der Schwangerschaft ist elementarer Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Es gehört zur Schutzpflicht des Staates, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Frauen von diesem Recht auch tatsächlich Gebrauch machen können.“, erläutert Dr. Sina Fontana.
„Ich bin froh, dass mit diesem und anderen Filmen zum Schwangerschaftsabbruch Fragen auf den Tisch kommen, die für die Situation in Deutschland dringend diskutiert werden müssen. Dazu gehören Fragen der medizinischen Versorgung, Verhütung, medizinischen Ausbildung zum Schwangerschaftsabbruch, aber auch das große Thema Stigmatisierung des Abbruchs.“, betont Prof. Dr. Daphne Hahn.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 04.10.2020
DKHW, VCD und VBE: „Zu Fuß zur Schule und zum Kindergarten“: Großes Engagement trotz Corona-Krise – Gewinnerprojekte aus Berlin und Saarlouis
Die Aktionstage „Zu Fuß zur Schule und zum Kindergarten“ waren trotz Corona-Krise ein voller Erfolg: In den letzten Wochen standen deutschlandweit vielerorts die Elterntaxis still. Mehrere zehntausend Kinder waren dem Aufruf des Deutschen Kinderhilfswerkes, des ökologischen Verkehrsclub VCD und dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) gefolgt und sind während der Aktionstage unter dem Motto „Besser ohne Elterntaxi!“ zu Fuß, mit dem Roller oder Fahrrad zur Schule oder zum Kindergarten gekommen. Zusammen mit ihren Eltern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Erzieherinnen und Erziehern lernten die Kinder dabei, wie sie sich selbstständig sicher im Straßenverkehr bewegen können und warum ein Zuviel an Autoverkehr schlecht für das Klima und die Sicherheit der Kinder ist.
„Wir freuen uns sehr über die rege Beteiligung an den Aktionstagen, vor allem natürlich vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen. Das zeigt uns ganz deutlich, wie relevant unser Thema ist. Zunehmend entsteht ein Bewusstsein dafür, dass wir unseren Kindern keinen Gefallen tun, wenn wir sie im Auto kutschieren. Bewegung an der frischen Luft tut dem Nachwuchs gut, nebenbei lernen die Kleinen sich sicher im Verkehr zu bewegen und für die Umwelt ist auch viel gewonnen, wenn immer mehr Familien das Elterntaxi stehen lassen“, sagt Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des VCD.
Die besten Projektideen haben der VCD, VBE und das Deutsche Kinderhilfswerk mit bewegungsfördernden Pausenhofsets ausgezeichnet, bestehend aus umfangreichen Ball-Sets, Soft-Wurfscheiben, Springseilen oder Mini-Badminton-Sets. Der erste Platz geht an die „Aktionswoche: Sicherheit auf dem Weg zur Schule“ der Grundschule am Rüdesheimer Platz in Berlin-Wilmersdorf. Hier wurde mit Unterstützung des Berliner Senats anlässlich des autofreien Tages die zur Schule führende Straße für Autos gesperrt und in eine temporäre Spielstraße umgewandelt. Auf Platz zwei landete die Aktion „Schulweg“ der Berliner Grundschule auf dem Tempelhofer Feld, wo am „Zu-Fuß-zur-Schule-Tag“ eine Demonstration für eine Schulstraße durchgeführt wurde. Mit ihrer Aktion „Gut sichtbar den neuen Schulweg erkunden“, bei der bereits seit vergangenem Schuljahr nach konkreten und langfristigen Lösungen für das Verkehrschaos vor der Schule gesucht wurde, hat es die Professor-Ecker-Schule Lisdorf aus Saarlouis auf Platz drei geschafft.
„Schon der Weg zur Schule ist essenziell für den weiteren Verlauf des Tages. Bildung beginnt nicht an der Tür zum Klassenzimmer und hört dort auch nicht auf. Die selbstständige Bewältigung des Schulweges macht nicht nur einen frischen Kopf und kanalisiert die überschüssigen Energien von Kindern, sondern ist auch der Weg zu Orientierung, Kommunikation, freiem Spiel, Naturerfahrung und letztlich Identifikation mit dem Heimatort“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Vor immer mehr Schulen entstehen gefährliche Situationen durch die Praxis, Kinder mit dem Auto vor das Schultor zu fahren. Das birgt nicht nur ein Risiko für andere Kinder, sondern führt auch dazu, dass sich das eigene Kind schlechter orientieren kann als Gleichaltrige. Eine geeignete Alternative wären Elternhaltestellen, die ein Stück entfernt vom Eingang liegen, sodass die Situation vor der Schule sicherer wird. Noch besser wäre, die Infrastruktur auf dem Schulweg zu verbessern und so dazu beizutragen, dass noch mehr Kinder den Schulweg zu Fuß, mit dem Roller oder dem Fahrrad bestreiten. Hier ist die Politik in der Pflicht“, sagt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des VBE.
Die Aktionstage „Zu Fuß zur Schule und zum Kindergarten“ standen unter der Schirmherrschaft von Dr. Stefanie Hubig, Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Botschafterin der Aktionstage war Fernsehmoderatorin Enie van de Meiklokjes.
Weitere Informationen:
Aktionstage „Zu Fuß zur Schule“: www.zu-fuss-zur-schule.de Tipps für den sicheren Schulweg: www.vcd.org/sicher-zur-schule.html
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e. V. vom 06.10.2020
DKHW und Bundesschülerkonferenz: Schluss mit Schul- und Bildungsgipfeln ohne Beteiligung der Kinder und Jugendlichen
Das Deutsche Kinderhilfswerk und die Bundesschülerkonferenz fordern im Vorfeld der heutigen Bund-Länder-Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder, auch die Interessen und Bedarfe der rund 11 Millionen Schülerinnen und Schüler in Deutschland in den Fokus ihrer Beratungen zu stellen. Aus Sicht der beiden Organisationen kann das nur mit einer umfassenden Beteiligung der Schülerinnen und Schüler gelingen. Diese Beteiligung muss sowohl auf Landesebene über die jeweiligen Landesschülervertretungen als auch direkt in den Schulen durch die bereits gegebenen Strukturen sichergestellt werden. Gleichzeitig sollten bei Bildungsgipfeln alle Einrichtungen der Bildungslandschaft mitgedacht und einbezogen werden, also Bildungsangebote in Schulen, Ausbildung und im non-formalen Bereich.
Praxisnahe Konzepte
Beratungen auf Bundesebene, wie beispielsweise der Schulgipfel in der letzten Woche im Bundeskanzleramt, dürfen nicht ohne Beteiligung der direkt Betroffenen stattfinden. Nur so können neben dem Gesundheitsschutz und den Interessen von Landesregierungen und Kultusbehörden auch soziale und kindheitspädagogische Aspekte berücksichtigt und Anregungen sowie Bedenken der Schülerinnen und Schüler bestmöglich mit einbezogen werden. Die Fachkräfte im Bildungsbereich gehören mit ihren Interessensvertretungen zwingend ebenfalls an den Beratungstisch.
„Als direkt Betroffene der Maßnahmen bekommen wir die Auswirkungen im Schulalltag direkt und deutlich zu spüren. Schülervertreter wissen, wie es vor Ort läuft und haben die nötige Nähe zur Praxis, die in manchen Entscheidungen und Debatten in der Politik fehlen. An vielen Stellen läuft es einfach noch nicht rund. Evaluationen und Verbesserungen der Konzepte gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern durchzuführen und abzustimmen ist daher wichtiger denn je”, so Vertreter der Bundesschülerkonferenz.
„Als hätten wir aus den letzten Monaten nichts gelernt, steuern wir sehenden Auges in ein bildungspolitisches Corona-Desaster. Nach einer besorgniserregenden Vernachlässigung der Interessen von Schülerinnen und Schülern in den letzten sechs Monaten muss die Frage erlaubt sein, was Politik und Verwaltungen getan haben, um diesen Herbst und Winter erneute Schulschließungen zu vermeiden. Wir brauchen beispielsweise alternative Räumlichkeiten für den Schulunterricht, die eine Entzerrung der räumlichen Enge in vielen Schulen ermöglichen. So begrüßenswert finanzielle Zusagen für technische die Ausstattung von Schulen sein mögen, muss die Handlungsfähigkeit von Schulen auch über bürokratiearme, praxisnahe Formen der Lehr- und Lerndigitalisierung und vor allem personelle Aufstockungen unterstützt werden. Darauf zu hoffen, dass es schon nicht so schlimm werden wird, dass die Pandemie bald überstanden ist oder die Eltern mit einspringen werden, kann nicht die Lösung für die Herausforderungen im Schulbetrieb sein“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Langfristige und nachhaltige Konzepte durch Expertenrat – Schließungen vermeiden Umfassende Konzepte sind notwendig, um bei weiter steigenden Infektionszahlen kompletten Schließungen der Bildungseinrichtungen unbedingt vorzubeugen. Notwendig ist dazu ein konzertiertes Vorgehen durch einen Expertenrat mit Verantwortlichen aus Gesundheits- und Bildungsbehörden unter Einbezug von Schülerinnen und Schülern sowie von Fachkräften und Elternverbänden, um eine regelmäßige Abstimmung und den Erfahrungsaustausch, das Ineinandergreifen von Maßnahmen sowie den gemeinsamen Umgang mit bildungspolitischen Folgen der Corona-Krise zu gewährleisten.
Selbständiges und digitales Lernen der Schülerinnen und Schüler stärken Aus Sicht von Bundesschülerkonferenz und Deutschem Kinderhilfswerk funktioniert in der jetzigen Krisensituation die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern meist schlechter als sonst. Unabhängig von potenziellen massiven Einschränkungen eines Regelbetriebs müssen jetzt bereits Bedingungen für eine gerechte digitale und datensouveräne Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen an Bildungsangeboten in Schulen, Ausbildung und im non-formalen Bereich geschaffen werden. Neben der Beteiligung braucht es aus Sicht der Organisationen kreative, nachhaltige und zukunftsfähige Konzepte für Bildungseinrichtungen. Vor allem wenn es darum geht, selbständiges und digitales Lernen der Kinder und Jugendlichen sowie ihre Kapazitäten mit der Krisensituation umzugehen, zu stärken. Alle hier notwendigen Förderprogramme müssen weiterhin an der Perspektive der jungen Menschen ausgerichtet sein.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. und Bundesschülerkonferenz vom 29.09.2020
iaf: Heutige Sachverständigen-Anhörung zu geplanten Änderungen im Freizügigkeitsgesetz: weitere Überarbeitung ist notwendig.
Der Verband ist heute als Sachverständiger im Ausschuss für Inneres und Heimat geladen. Es geht um Änderungen des Freizügigkeitsgesetzes, um unionsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Zukünftig sollen u.a. auch Familienangehörige nachgezogen werden können, die nicht zur klassischen Kernfamilie gehören. Diese Umsetzung ist längst überfällig und dringend notwendig.
Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften begrüßt daher ausdrücklich, dass erstmalig die Möglichkeit der Einreise und des Aufenthaltes für Lebenspartner*innen von Unionsbürger*innen geschaffen werden soll. Jedoch bleiben die Ausführungen zur Einreise und Aufenthalt anderer nahestehender Familienangehöriger hinter den Erwartungen zurück.
Die geplante Regelung ist so restriktiv gefasst, dass sie nur wenige Unionsbürger*innen betreffen werden. Das Recht auf Einreise und Aufenthalt sogenannter „nahestehender Personen“, wie es die EU-Unionsbürgerrichtlinie vorsieht, wird daher nahezu ins Leere laufen.
Für die Einreise und den Aufenthalt sind mindestens eine zweijährige Unterhaltsgewährung, ein Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft mit dem Unionsbürger /der Unionsbürgerin von mindestens zwei Jahren nachzuweisen oder eine Pflegebedürftigkeit, die eine Pflege durch den Unionsbürger resp. die Unionsbürgerin zwingend notwendig macht.
Dabei stellen sich lebenspraktische Fragen der Nachweiserbringung. Wie ist ein Zusammenleben außerhalb Deutschlands nachzuweisen, wenn kein Meldesystem besteht? Wie ist die Unterhaltsgewährung nachzuweisen, wenn Zahlungen nicht über eine Bank erfolgt, was sehr üblich ist, sondern über Verwandte bzw. Vertraute? Weiterhin ist stets eine Krankenversicherung abzuschließen. Solange die “nahestehenden Familienangehörigen” einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ist dies möglich, was ist aber mit Angehörigen, die pflegebedürftig sind?
Der Gesetzentwurf sollte daher überarbeitet werden.
Die juristische Beraterin des Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften, Swenja Gerhard, führt heute in der Anhörung diese Problematiken aus. Die Stellungnahme des Verbandes entnehmen Sie bitte dem Anhang.
Quelle: Pressemitteilung Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. vom 05.10.2020
iaf: Forderungspapier Demokratie stärken, Rechtsextremismus und Rassismus bekämpfen
Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften hat heute auf einer Pressekonferenz gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen ein Forderungspapier an die hessische Landesregierung veröffentlicht.
„Es muss aufhören, dass unsere Familien immer wieder als “andere”, “nicht-dazugehörende”, „Fremde“ angesehen und in Schubladen gesteckt werden. Die Familien müssen sich in Deutschland sicher fühlen können. Rassistischen und rechtsextremistischen Übergriffen, Anfeindungen und Gewalttaten muss konsequent entgegengetreten und sie müssen vor Allem verhindert werden. Die hessische Landesregierung ist gut beraten, zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Expertise dabei mit einzubeziehen und gegen strukturellen und institutionellen Rassismus vorzugehen. Für alle Bürger*innen des Landes.“
Hiltrud Stöcker-Zafari, Geschäftsführerin Verband binationaler Familien und Partnerschaften
Vor dem Hintergrund der Morde von Hanau und an Walter Lübcke sowie den aktuellen Bedrohungen durch den „NSU 2.0“, die auf rechtsextreme Netzwerke in den Landesbe-hörden hinweisen, fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis die hessische Lan-desregierung zum Handeln auf. Die Landesregierung müsse Bewegungen für Menschenrechte stärken und allen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entschieden entgegentreten, heißt es in dem Forderungspapier, das am heutigen Montag bei einer Online-Pressekonferenz vorgestellt wurde.
Die Herausgeber des Forderungspapiers sehen die Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und möchten mit seiner Veröffentlichung den Dialog und den Austausch mit der Landesregierung zu diesem Thema vertiefen. Dabei sollen zivilgesellschaftliche Gruppen und insbesondere Betroffenen-Vertretungen stärker als bisher einbezogen werden.
Das Zehn-Punkte-Papier wurde von 13 hessenweit aktiven Organisationen aus unter-schiedlichen zivilgesellschaftlichen Bereichen herausgegeben, mehr als 20 weitere Gruppen haben es bereits unterzeichnet. Gefordert wird darin, dass rechtsextreme Grup-pen und Netzwerke aufgelöst und Verfassungsschutz und Polizei reformiert werden. Ein unabhängiges Expert*innengremium solle die Bekämpfung von Rassismus, Rechtsextremismus und Diskriminierung begleiten, steuern und evaluieren. Das Land solle die Repräsentanz aller gesellschaftlicher Gruppen in allen gesellschaftlichen und politischen Lebensbereichen und in leitenden Funktionen in der öffentlichen Verwaltung fördern und das Demokratiebewusstsein im öffentlichen Dienst stärken.
Weitere Forderungen sind, Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierung gesetzlich zu verankern und eine unabhängige Beschwerdestelle für polizeiliches Fehlverhalten einzurichten. Opfer von rechtsextremer und rassistischer Gewalt müssen unterstützt, gefährdete Einrichtungen wie Moscheen und Synagogen geschützt werden.
Schulen sollen zur umfassenden Bildung und Werteorientierung für ein antirassistisches und solidarisches Zusammenleben in der Gesellschaft beitragen. Demokratie-Projekte müssen ausreichend und dauerhaft gefördert werden.
Herausgegeben haben das Papier die folgenden Organisationen und Gruppen: agah – Landesausländerbeirat, Aufstehen gegen Rassismus, Bildungsstätte Anne-Frank, Der Paritätische Wohlfahrtsverband Hessen, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – Landesverband Hessen, Hessischer Flüchtlingsrat, LAG Mädchen*politik, LandesFrauenRat Hessen, NaturFreunde Hessen, Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., Verband Deutscher Sinti und Roma – Landesverband Hessen, VVN-BdA – Landesvereinigung Hessen und der Zentralrat der Muslime in Deutschland – Landesverband Hessen.
Zu den mehr als 20 Unterzeichnenden des Forderungspapiers zählen Organisationen aus der sozialen Arbeit, dem Kultur- und Jugendbereich ebenso wie antifaschistische und antirassistische Initiativen.
Quelle: Pressemitteilung Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. vom 28.09.2020
LSVD: Expert*innenkommission für LSBTI-feindliche Hasskriminalität und Solidarität mit polnischen LSBTI gefordert
Beschlüsse des digitalen 32. Verbandstags des LSVD
Am Samstag, den 10. Oktober 2020, fand unter dem Motto „Frei und sicher leben“ digital der 32. LSVD-Verbandstagstatt. Schwerpunkt war der Kampf gegen homophobe und transfeindliche Hasskriminalität. Laut Bundesregierung gab es 2019 mindestens 564 Fälle von Hasskriminalität gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI), darunter 147 Gewalttaten. Die Dunkelziffer wird von offizieller Seite mit bis zu 90% angegeben. Trotzdem ist diese Gewalt auf keiner innen- und kriminalpolitischen Agenda.
Nach einer Videobotschaft des Präsidenten des Bundeskriminalamtes Holger Münch diskutierten der Berliner Kriminaldirektor Wolfram Pemp, Şefik_a Gümüş (Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben, Schwule und Trans* in NRW), LSVD-Bundesvorstand Günter Dworek und Roman Heggli (Pink Cross, Schweiz), wie dem Kampf gegen LSBTI-feindliche Gewalt effektiv begegnet und das Anzeigeverhalten sowie die Erfassung bei diesen Taten verbessert werden können.
In einem anschließenden Beschluss fordert der LSVD neben Sofortmaßnahmen im staatlichen Handeln und der Gesetzgebung die Einsetzung einer Expert*innen-Kommission durch die Bundesregierung. Diese soll eine systematische Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen von LSBTI-Feindlichkeit und damit verbundener Hasskriminalität erarbeiten sowie Empfehlungen für einen Nationalen Aktionsplan entwickeln. Bestandteil dieses Aktionsplans muss ein Bund-Länder-Programm gegen LSBTI-feindliche Gewalt sein.
Mehr Solidarität mit polnischen LSBTI fordert der LSVD in einem weiteren Beschluss. In Polen findet ein Kulturkampf mit immer bedrohlicheren Auswirkungen auf LSBTI statt. Die Regierungspartei PiS, Bischöfe der katholischen Kirche und Initiativen christlich-fundamentalistischer Gruppen dämonisieren LSBTI als Gefahr für Kinder, Familien und die polnische Identität. Die deutsche Bundespolitik hält sich mit Kritik aber weitgehend zurück. Das anstehende 30jährige Jubiläum des Deutsch-Polnischen Vertrags muss jedoch genutzt werden, diesem menschenverachtenden Treiben ein Ende zu setzen und die Zusammenarbeit und Unterstützung mit allen progressiven, liberalen und menschenrechtsorientierten Kräften zu intensivieren. Das gilt ebenfalls für die länderübergreifende Kulturarbeit, die über 300 bestehenden Städte- und Gemeindepartnerschaften sowie den binationalen zivilgesellschaftlichen Austausch.
Bei den Wahlen zum Bundesvorstand wurden Günter Dworek, Henny Engels, Christian Rudolph und Stefanie Schmidt wiedergewählt, neugewählt wurden Patrick Dörr und André Lehmann. Weiterhin gehören dem nun zehnköpfigen ehrenamtlichen Gremium die 2019 für eine zweijährige Amtszeit gewählten Axel Hochrein, Gabriela Lünsmann, Helmut Metzner und Alfonso Pantisano an.
Weiterlesen
- Gewalt gegen LSBTI.Zahlen/ Statistik zu homophober und transphober Gewalt / PMK Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung
- Offenheit im Alltag? Erfahrungen mit Diskriminierung und Hasskriminalität. Erfahrungen von über 16.000 Befragten aus Deutschland
- "LSBTI-freie Zonen" in Polen. Steigender Hass im Nachbarland. Waskönnen Politik, Zivilgesellschaft und Community in Deutschland tun? Forderungen und Vorschläge des LSVD
Quelle: Pressemitteilung Lesben- und Schwulenverband (LSVD) vom 13.10.2020
TERMINE UND VERANSTALTUNGEN
Heinrich-Böll-Stiftung: Passgenau? Bessere Kinderteilhabe durch Pass-Systeme
Termin: 27.Oktober 2020
Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung
Gelingende gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen benötigt zwei tragende Säulen: die materielle Absicherung ihres soziokulturellen Existenzminimums und ein bedarfs- und chancengerechtes Infrastrukturangebot in ihrem Umfeld. Ziel muss es sein, Kindern ein möglichst selbstbestimmtes Leben und eine individuell angepasste Förderung zu garantieren, unabhängig von der Höhe des Familieneinkommens und den Gegebenheiten am Wohnort. Bisher ist es in weiten Teilen Deutschlands noch nicht gelungen, Kindern aus armutsbetroffenen Familien gleiche Chancen zu ermöglichen. Es scheitert am fehlenden Angebot, den Kosten oder den bürokratischen Hürden.
Das Fachgespräch will eine Übersicht liefern, welche Pass-Systeme bisher existieren, die sich in Bezug auf Anbietende, Adressierte und Leistungskatalog sowie Voraussetzungen der Inanspruchnahme und Geltungsbereich stark unterscheiden. Mit Hilfe einer Systematisierung der verschiedenen Modelle sollen die Potenziale von Pass-Systemen für die Verbesserung von Kinderteilhabe dargestellt und umsetzungskritische Aspekte aufgezeigt werden. Ausgehend von guten Praxisbeispielen soll zudem dargestellt werden, wie deren flächendeckende Nutzung zur verbesserten Teilhabe von Kindern beitragen kann.
Im Zentrum unserer Diskussionen steht dabei die Frage, inwieweit Pass-Systeme das Potential haben, die Nutzung der bestehenden BuT-Leistungen zu vereinfachen, sie sinnvoll zu ergänzen und auszubauen. Wir diskutieren, wie Pass-Systeme dazu beitragen können, vor Ort ein breiteres und zielgruppengerechteres Angebot zu bieten und ob die Idee eines bundesweit einsetzbaren Kinderteilhabepasses hilfreich wäre. Zudem überprüfen wir, welche Faktoren in den Bereichen Information, Antragsverfahren, Gültigkeitsbereich, Technik sowie Datenschutz relevant sind, damit Pass-Systeme wirksamer eingesetzt werden können.
Mit Inputs von:
- Franziska Brantner, MdB, Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
- Petra Budke, MdL, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg, Sprecherin für Bildung, Kinder, Sport, Medien und Religion
- Birgit Duden, Stadt Oldenburg, Fachdienst Besondere Soziale Hilfen/Amt für Teilhabe und Soziales
- Lutz Foth, Sozialamt Landeshauptstadt Stuttgart
- George Wyrwoll, Unternehmenskommunikation und Regierungsbeziehungen Sodexo Pass GmbH
Moderation & Fachkontakt
Dorothee Schulte-Basta, Referentin Sozialpolitik, Heinrich-Böll-Stiftung, E. schulte-basta@boell.de
Nina Ohlmeier, Abteilungsleiterin Politische Kommunikation, Deutsches Kinderhilfswerk, E. ohlmeier@dkhw.de
Wir bitten um Anmeldung bis zum 21. Oktober 2020 unter https://calendar.boell.de/de/civi_register/141689
Sie haben bereits konkrete Fragen zu dieser Thematik oder an unsere Referent/innen?
Dann schicken Sie bis zum 12. Oktober 2020 eine Mail an: Tmnit Zere, zere@boell.de.
Weitere Fragen können Sie natürlich auch während der Veranstaltung stellen.
Das böll.brief „Passgenau? Bessere Kinderteilhabe durch Pass-Systeme“ steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.
Vierter Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht
Termin: 29.Oktober 2020
Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V.
Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung unterstützt seit Jahren eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Kinder- und Jugendsport. 2003 initiierte sie den Kinder- und Jugendsportbericht, der die aktuelle Situation im Kinder- und Jugendsport darlegt und Handlungsempfehlungen für Politik, Verbände, Vereine und Schulen gibt. Seitdem wurden Schwerpunktthemen wie Kinder- und Jugendsport im Umbruch oder Bewegung und Sport von Kindern bis zu zwölf Jahren intensiv aufgearbeitet. Der Vierte Deutsche Kinder- und Jugendsportbericht, der im Oktober 2020 erscheint, befasst sich mit den Themen Leistung, Gesundheit und Gesellschaft. Darin werden aktuelle Fragestellungen beleuchtet, wie z. B. die positive Wirkung von Sport auf chronisch erkrankte Kinder oder das Konzept der Physical Literacy als ganzheitlichen Ansatz der kindlichen Bewegungsförderung, in dem neben Partizipation, motorischen Fähigkeiten auch Motivation und Selbstwirksamkeit zusammengefasst werden.
Podiumsdiskussion zum Thema "Kinder- und Jugendsport" am 29. Oktober, 18 Uhr
Mit Prof. Dr. Christoph Breuer, Dr. Eckart von Hirschhausen, Pauline Grabosch, Tim Reichert und Alfons Hörmann im Live-Stream, moderiert von Julia Scharf.
Der Live-Stream beginnt am 29. Oktober um 18 Uhr.
Die Veranstaltung wird auch auf dem neuen Instagram-Kanal „kruppstiftung“ übertragen. Schauen Sie rein unter https://www.instagram.com/kruppstiftung/ und folgen Sie uns!
AGF internationale Webinar-Serie: “Unterstützung für Familien im Trennungsprozess“
Termin: 04. und 18. November 2020
Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V.
Konflikte gehören zum Familienleben. In etwa einem Drittel der Ehen erscheinen die Konflikte den Partner*innen so gravierend, dass sie durch Scheidung aufgelöst werden. Betroffen sind in hohem Maße auch die Kinder, in Deutschland sind es jährlich etwa 120.000 minderjährige Kinder.
Gerichtliche Scheidungs- oder Sorgerechtsverfahren stellen in Trennungsprozessen wichtige Ereignisse mit weitreichenden Folgen dar. Dies gilt unabhängig der Ausgestaltung der Rechtsstrukturen in einem Staat. In jedem Fall ist eine gelingende Kooperation zwischen beratenden / unterstützenden Angeboten für Familien und gerichtlichen Akteuren für möglichst konfliktarme Trennungs- / Scheidungsprozesse von hoher Bedeutung.
Die gemeinsame Webinar-Serie von ICCFR und AGF betrachtet vor diesem Hintergrund einige bestehende Rechtssysteme und Lösungsansätze in verschiedenen Staaten. Expert/innen aus diversen Staaten sowie mit verschiedenen Professionen diskutieren vor dem Hintergrund ihrer Rechtsstrukturen Möglichkeiten, Familien in dem Trennungsprozess zu unterstützen.
Die Webinar-Serie wird online mit Zoom durchgeführt und besteht aus drei Sessions, die jeweils unterschiedlichen globalen Zeitzonen angepasst sind. Alle Webinar-Sessions werden aufgezeichnet, sodass allen angemeldeten Teilnehmenden alle drei Sessions zur Verfügung stehen. Termine für Teilnehmende aus Deutschland finden an folgenden Daten statt:
•Mittwoch, 04. November 2020: 17:00 – 19:00 Uhr
•Mittwoch, 18. November 2020: 10:00 – 12:00 Uhr
Die Beiträge dieser beiden Sessions werden simultan deutsch / englisch übersetzt. Eine dritte Session findet am 11. November statt, sie ist jedoch auf die asiatisch / amerikanische Zeitzone ausgerichtet. Als registrierte Teilnehmende können Sie die Aufzeichnung der Session im Nachgang und zur Vorbereitung für den 18. November ansehen. Das Gesamt-Programm zur Webinar-Serie finden Sie im Anhang. Die Teilnahme ist kostenlos.
Zur Anmeldung nutzen Sie bitte
-die Website der ICCFR: https://iccfr.org/webinars-2020/webinar-2020-registration/ oder
-eine einfache Email an: anmeldung@ag-familie.de mit der Angabe, an welcher /welchenSession(s)Sie gern teilnehmen möchten.
Save the Date Digitale Veranstaltung zum Achten Altersbericht
Termin: 05. November 2020
Veranstalter: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Die Digitalisierung verändert unser Leben in allen Bereichen und bringt auch für ältere Menschen Veränderungen und neue Herausforderungen mit. Wie Seniorinnen und Senioren an diese Herausforderungen herangehen, hat die Achte Altersberichtskommission untersucht.
Der Achte Altersbericht „Ältere Menschen und Digitalisierung“ wurde am 12. August 2020 ver-öffentlicht. Er wurde von einigen Akteuren bereits kommentiert. Welche Fragen ältere Menschen und auch Unterstützerinnen und Unterstützer in deren Umfeld haben, wollen wir mit Mitgliedern der Sachverständigenkommission und einem Vertreter der Seniorenabteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einer einstündigen Online-Veranstaltung am 5. November 2020 um 10 Uhr erörtern. Sie haben die Möglichkeit, bei der Anmeldung zur Veranstaltung im Vorfeld Fragen zum Achten Altersbericht auf der Veranstaltungswebsite einzureichen, die im Rahmen der Veranstaltung aufgegriffen werden sollen. Sie können der Diskussion im Livestream auf YouTube folgen.
Anfang Oktober erhalten Sie eine Einladung mit dem konkreten Programmablauf und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Sie haben dann die Möglichkeit, sich online zum Livestream anzumelden. Gerne können Sie diesen Terminhinweis an Interessierte weiterleiten.
Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) wurde mit der Organisation der Veranstaltung beauftragt. Sollten Sie Fragen zur Organisation der Veranstaltung haben, wenden Sie sich bitte direkt an das Veranstaltungsmanagement unter veranstaltung@bafza.bund.de oder 0221/3673 – 1625.
Bitte wenden Sie sich auch dorthin, wenn Sie diese Ankündigung nicht über einen Mailverteiler bekommen haben und eine Einladung zur Anmeldung erhalten möchten.
Save the Date Online-Konferenz „COVID-19 überwinden – gemeinsam Perspektiven für starke Familien entwickeln“
Termin: 24. November 2020
Veranstalter: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Wir freuen uns sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 24. November 2020 die Online-Konferenz „COVID-19 überwinden – gemeinsam Perspektiven für starke Familien entwickeln“ ausrichten wird.
Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedstaaten sowie mit Expertinnen und Experten aus dem Bereich Familienpolitik soll diskutiert werden, wie die Auswirkungen von COVID 19 auf Kinder und Familien weiter abgemildert bzw. überwunden und gemeinsam Perspektiven für starke Familien in Europa entwickelt werden können.
In vier Fachpanels sollen die finanzielle Stabilität von Familien, gleiche Bildungschancen für alle Kinder, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Bekämpfung von Gewalt in Familien erörtert werden.
Wir würden uns freuen, wenn Sie sich den 24. November 2020 für die Teilnahme an unserer ganztägigen Online-Konferenz vormerken würden.
Eine Einladung mit Weblink, Programm sowie Chat-Anmeldung, um Fragen stellen zu können, erhalten Sie per E-Mail Anfang November.
AUS DEM ZFF
ZFF: Kinderarmut: Dynamik jetzt nutzen und Kindergrundsicherung einführen!
Anlässlich der heutigen öffentlichen Anhörung des Familienausschusses im Deutschen Bundestag zum Thema Kinderarmut unterstreicht das ZFF die Bedeutung von Reformen der Familienförderung hin zu einer Kindergrundsicherung.
Die Debatte um eine Reform der Familienförderung hin zu einer Kindergrundsicherung ist in vollem Gange. Der Bundestag diskutiert heute in einer Öffentlichen Anhörung einen Antrag der Fraktion DIE LINKE. "Kinderarmut überwinden, Kindergrundsicherung einführen" und einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen "Faire Chancen für jedes Kind – Kindergrundsicherung einführen". Das ZFF begrüßt diese Entwicklung. Gemeinsam mit dem Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG fordern wir seit 2009 die Zusammenlegung und einkommensabhängige Auszahlung der pauschal bemessenen monetären Leistungen für Familien.
Alexander Nöhring (Geschäftsführer des ZFF) erklärt dazu: „Das ZFF beurteilt beide Anträge auf Einführung einer Kindergrundsicherung als Meilensteine auf dem Weg zu einer besseren und sozial gerechteren Absicherung von Kindern, Jugendlichen und ihrer Familien sowie für die Sicherung eines Aufwachsens in Wohlergehen. Darüber hinaus enthalten die Konzepte viele Bestandteile des Modells des Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG, für das sich das ZFF seit nunmehr elf Jahren einsetzt.
Zudem sind dies nicht die einzigen Vorschläge im politischen Raum, die hierzu vorliegen: Auch die SPD hat ein Konzept für eine Kindergrundsicherung vorgelegt, einige Landesverbände der CDU haben sich der grundsätzlichen Forderung nach einer Kindergrundsicherung angeschlossen, auf Länderebene wird in diesem Jahr ein Grundsatzbeschluss der Arbeits- und Sozialminister*innenkonferenz (ASMK) zur Kindergrundsicherung erwartet und auch der DGB hat im Sommer 2020 ein eigenes, jedoch sehr ähnliches Konzept vorgelegt.“
Alexander Nöhring fährt fort: „Aus Sicht des ZFF ist es dringend notwendig, diese Dynamik zu nutzen, zügig eine Kindergrundsicherung umzusetzen und die Familienförderung „vom Kopf auf die Füße“ zu stellen. Dabei kommt es jedoch darauf an, dass die neue Leistung für alle Kinder und Jugendliche gilt, in ausreichender Höhe zu Verfügung gestellt wird, nicht hinter dem Status Quo zurückfällt und so einfach wie möglich an alle Kinder und Jugendlichen bzw. an ihre Familien ausbezahlt wird.“
Alexander Nöhring, Geschäftsführer des ZFF, wird heute als Sachverständiger bei der Ausschusssitzung dabei sein. Die Sitzung wird zeitversetzt am 6. Oktober um 15 Uhr im Parlamentsfernsehen und im Internet auf www.bundestag.de übertragen. |
---|
Die Stellungnahme des ZFF zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages am 05. Oktober 2020 zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Faire Chancen für jedes Kind – Kindergrundsicherung einführen" sowie zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. "Kinderarmut überwinden, Kindergrundsicherung einführen" finden Sie hier.
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 05.10.2020
ZFF: Fürsorge ist systemrelevant!
Bei der heutigen Mitgliederversammlung des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) wurde die gemeinsame Erklärung „Fürsorge ist systemrelevant“ verabschiedet. Darin fordern die Mitglieder die Politik in Bund, Ländern und Kommunen in sechs Zwischenrufen auf, in Krisenzeiten, aber auch für die Zukunft, für eine solidarische und geschlechtergerechte Absicherung von Fürsorgearbeit einzutreten.
„Fürsorge ist systemrelevant!“
In der Corona-Pandemie ist unsere Gesellschaft gefordert wie selten zuvor. Die Erwerbsarbeit wurde im „Lockdown“ entweder nach Hause verlagert oder fand unter großen Herausforderungen statt, um die soziale und technische Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig wurde die Betreuung der Kinder, die Begleitung der Schulaufgaben, die Pflege von Angehörigen und die solidarische Nachbarschaftshilfe gestemmt. Dabei waren die Familien weitgehend auf sich alleine gestellt: Die Kindertagesbetreuung und die Schulen liefen nicht im Regelbetrieb und Familienbildung sowie weitere Angebote der Kinder- und Jugendhilfe fanden nur unter erschwerten Bedingungen statt. Auch Angebote ambulanter Pflegedienste oder Tageseinrichtungen standen nur eingeschränkt zur Verfügung.
Insbesondere die Kinder und Jugendlichen waren es, die am wenigsten Beachtung gefunden haben mit ihren Bedürfnissen nach Freizeit, Platz zum Spielen und Lernen, Treffen von Freund*innen und einem stabilen und möglichst stressfreien familiären Umfeld.
Zwar wurden Sozialpakete geschnürt, Unterstützungsleistungen im Rahmen des Konjunkturpaketes geschaffen und Rücksicht auf Arbeitnehmer*innen mit Fürsorgeaufgaben genommen. Dennoch zeigt sich, dass die Lasten des „Lockdowns“ sowie die Wirkungen der staatlichen Rettungsschirme ungleich verteilt sind. Aus unserer Sicht ist es nicht nachzuvollziehen, dass die Interessen von Familien, Senior*innen, Frauen und Jugendlichen nicht am Tisch des Krisenkabinetts und der wissenschaftlichen Beiräte besprochen wurden und sie bis heute nur zweitrangig verhandelt werden.
Diese Lücken im Hilfesystem und den Rettungsschirmen sind weiter offen und müssen dringend geschlossen werden.
In dieser Krise, aber auch weit darüber hinaus, fordern wir, die Mitglieder des Zukunftsforums Familie e. V., eine solidarische und geschlechtergerechte Absicherung von Fürsorgearbeit über den gesamten Lebensverlauf hinweg! Dieses setzt einen guten Mix aus Zeit, Geld und Infrastruktur voraus, der dringend abgesichert sein muss – jetzt und in Zukunft.
Dazu zählen für uns:
- Zwischenruf: Kinder und Jugendliche dürfen nicht zurückgelassen werden!
- Zwischenruf: Rettungsschirme müssen auch über arme Familien gespannt werden!
- Zwischenruf: Die Bildung muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen!
- Zwischenruf: Frauen und Mütter dürfen nicht die Hauptlast der Krise tragen!
- Zwischenruf: Die Pflege von Angehörigen muss endlich gut abgesichert werden!
- Zwischenruf: Alle Menschen haben ein Recht auf Familie und Fürsorge!
Die gemeinsame Erklärung im Wortlaut finden Sie hier.
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 02.10.2020
Zukunftsforum Familie e.V. hat neuen Vorstand
Im Rahmen der heutigen Mitgliederversammlung des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) wurde ein neuer achtköpfiger Vorstand gewählt.
Das Zukunftsforum Familie hat einen neuen Vorstand. Die Mitgliederversammlung wählte heute in Berlin Britta Altenkamp aus dem Bundespräsidium der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zur neuen Vorsitzenden. Die MdL und Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Bezirk Niederrhein war bereits Mitglied im Vorstand des ZFF und setzt sich seit über 20 Jahren auf kommunaler und Landesebene für eine solidarische Kinder-, Jugend- und Familienpolitik ein. Altenkamp folgt auf Christiane Reckmann, die den Verband seit seiner Gründung geleitet und geprägt hat.
Stellvertretende Vorsitzende sind weiterhin die Kita-Fachberaterin Birgit Merkel, stellv. Vorsitzende der AWO Region Hannover e.V., und Dieter Heinrich, Geschäftsführer des Progressiven Eltern- und Erzieherverbandes (PEV) NW e.V.
In ihrem Amt als Beisitzer*innen wurde Anita Leese-Hehmke, Mitglied im Vorstand des AWO Landesverbandes Berlin e.V., bestätigt. Neu in den Vorstand und in das Amt der Beisitzer*innen wurden gewählt: Ines Albrecht-Engel, Mitglied im Präsidium des AWO-Bezirk Hannover e.V, Wolfgang Jörg, MdL und Vorsitzender des AWO Unterbezirks Hagen-Märkischer Kreis e.V., Selvi Naidu, Vorstandsmitglied des AWO Bundesverbandes e.V. und Jürgen Tautz, Geschäftsführer des AWO Kreisverbandes Chemnitz und Umgebung e.V. / AWO Landesverband Sachsen e.V.
Wir gratulieren den Gewählten und freuen uns auf eine weiterhin hervorragende Zusammenarbeit.
Der ursprünglich geplante Festakt zur Verabschiedung von Christiane Reckmann, Wolfgang Stadler (AWO Bundesverband e.V.) und Renate Drewke (AWO Unterbezirk Hagen-Märkischer Kreis e.V.) wird aufgrund der Corona-Pandemie auf das Frühjahr 2021 verschoben. Wir sagen jedoch bereits heute Danke für das herausragende Engagement sowie die wunderbare und intensive Zeit!
Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 02.10.2020
AKTUELLES
DFV: Auswirkungen von Antifeminismus auf Frauenverbände
Die demokratische (Alltags-)Kultur, Menschenrechte und Gleichstellungspolitik stehen in den letzten Jahren unter Druck. Autoritäre, neurechte und menschenfeindliche Ideologien und Bewegungen gewinnen an Bedeutung – und mit ihnen Antifeminismus. Antifeministische Rhetoriken und Ideen, die sich auf die weibliche Zivilgesellschaft auswirken, haben sich verstärkt.
Um abzubilden, wie das Erstarken dieser Ideologien die Arbeit von Frauenverbänden beeinflusst und verändert, hat der Deutsche Frauenrat die Amadeu Antonio Stiftung beauftragt, bei seinen Mitgliedsverbänden nachzufragen. Entstanden ist daraus die Expertise Auswirkungen von Antifeminismus auf Frauenverbände – Demokratie-Empowerment als Gegenstrategie:
Nach einer Einführung in den Antifeminismus gibt sie Überblick über Berührungspunkte der DF-Mitgliedsverbände und Aggressionen gegen diese. Abschließend werden bewährte Gegenstrategien gebündelt, um sich gegen antifeministische Angriffe besser zur Wehr setzen zu können.
Studie alleinerziehende Väter
Im Rahmen eines Psychologie-Masterstudiums an der SRH Hochschule Heidelbergwurde ein Fragebogen erstellt, anhand dessendie Lebenszufriedenheit und die soziale Situation alleinerziehender Vätern erhoben werden soll. Damit sollenvorhandene Problembereiche erforscht undein besseres Bild der Situation alleinerziehender Männer gewonnen werden.
Hier geht es zum Fragebogen: https://www.soscisurvey.de/vaeterforschungsrh2020/