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ZFF-Info 07/2023

AUS DEM ZFF

Heute findet die ZFF-Fachtagung statt mit dem Titel „Familie und Familienpolitik in Zeiten des Umbruchs! Wie muss eine zukunftsfähige Familienpolitik aufgestellt sein?“. Rund 80 Interessierte und Expert*innen aus Politik, Wissenschaft und Praxis nehmen teil.

Die andauernden Umbrüche haben unsere Gesellschaft und ihre Familien fest im Griff. Die Corona-Krise und damit einhergehende Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben Kinder, Jugendliche und ihre Familien herausgefordert: Angesichts (teil-)geschlossener Bildungs- und Betreuungseinrichtungen stieg die Belastung familiär zu erbringender Sorgearbeit und zeitgleich sank das Wohlbefinden von Familienmitgliedern. Aber auch Einrichtungen der sozialen Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Angebote ambulanter Pflegedienste oder Tageseinrichtungen kamen immer wieder an ihre organisatorischen und personellen Grenzen. Zusätzlich erleben wir eine Energie- und Wirtschaftskrise, – ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine – die viele Menschen, aber auch Einrichtungen der sozialen Infrastruktur um ihre Existenz bangen lässt.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF), erklärt: „Durch die vielen Umbrüche und Krisen der letzten Jahre geht Familien die Puste aus! Daher brauchen sie gerade jetzt eine zukunftsfähige Politik, die sie anspricht und ihre Sorgen und Ängste ernst nimmt. Sie brauchen eine starke soziale Infrastruktur, die Eltern und Kinder gut bei ihren täglichen Herausforderungen unterstützen kann! Der beschlossene Ausbau der Ganztagesbetreuung für Grundschulkinder ist hier ein guter erster Schritt. Aber, viele Gesetzesvorhaben, die die Lage von Familien weiter verbessern und sie entlasten würden, lassen derzeit auf sich warten: angefangen von der Kindergrundsicherung über die Familienstartzeit bis hin zur Einführung einer Lohnersatzleistung für Pflegende Angehörige.“ 

Altenkamp ergänzt: „Es ist klar: ohne Familien geht es nicht und in die Verbesserung ihrer Lage muss angemessen investiert werden! Das ist nicht umsonst – in doppelter Hinsicht. Es gibt viele Möglichkeiten, die Staatskasse wieder zu füllen und Familien, Kinder und Jugendliche die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie dringend benötigen! Daher freue ich mich auf unserer heutigen Tagung mit vielen Expert*innen nochmal genauer hinzuschauen und nach Gelingensbedingungen zu suchen, die für Familien essentiell sind, um gut durch weitere Krisen zu kommen. Gleichzeitig ist es wichtig zu erfahren, wo genau wir den Blick hinrichten müssen und für wen noch mehr Unterstützung notwendig ist! Es ist nun an der Zeit, eine zukunftsfähige Familienpolitik zu gestalten! Lassen Sie uns das gemeinsam angehen, denn nur gemeinsam sind wir stark! “

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 23.05.2023

Gemeinsam mit dem Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG setzt sich das ZFF seit 2009 dafür ein, dass Kinderarmut wirksam bekämpft wird. Das Bündnis aus inzwischen 20 Verbänden und 13 unterstützenden Wissenschaftler*innen fordert dafür die Einführung einer echten Kindergrundsicherung, die ihren Namen verdient. Hierfür sollen große Teile der bisherigen staatlichen Leistungen für Kinder sowohl gebündelt und automatisiert als auch auf ein armutsverhinderndes Niveau erhöht werden. Mit dieser echten Kindergrundsicherung sollen alle Kinder in Deutschland so finanziell ausreichend abgesichert werden, dass sie unabhängig von ihrem Elternhaus echte Teilhabechancen erhalten.

Die Verhandlungen der Bundesregierung zur Einführung einer Kindergrundsicherung sind derzeit umfangreich Gegenstand der öffentlichen Debatten. Das Bündnis nimmt dabei mit Sorge zur Kenntnis, dass immer wieder Mythen und Vorurteile zur Kindergrundsicherung und Armutsbetroffenheit kursieren. Diese möchte das Bündnis mit folgender Zusammenstellung ein für alle Mal abräumen: https://kinderarmut-hat-folgen.de/Mythen-zur-Kindergrundsicherung

Hierzu erklärt Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF): „Vielen Kindern und Familien könnte es mit der Einführung einer Kindergrundsicherung deutlich besser gehen, denn derzeit wird das Kindergeld auf SGB II Leistungen angerechnet. Sie haben daher rein gar nichts von einer Erhöhung dieser Leistung. Unser Sozialstaat unternimmt nicht genügend gegen Kinderarmut, sondern nimmt in Kauf, dass es immer mehr Kinder gibt, die in Armut aufwachsen. Wir müssen das Projekt Kindergrundsicherung jetzt gemeinsam in die Hand nehmen und für eine bessere Zukunft für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land eintreten.“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 22.05.2023

Die 26 Mitgliedsorganisationen begrüßen das vom BMFSFJ konkretisierte Vorhaben der Bundesregierung, Väter bzw. zweite Elternteile nach der Geburt eines Kindes zehn Tage bezahlt freizustellen, und drängen auf einen zügigen Gesetzgebungsprozess. Sie fordern zudem, die Ausweitung der nicht übertragbaren Elterngeldmonate ebenfalls jetzt zeitnah umzusetzen. Für fair geteilte Sorgearbeit von Anfang an!

„Die geplante Familienstartzeit ist wichtig für die faire Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit von Anfang an. Mit der Geburt eines Kindes werden in Partnerschaften entscheidende Weichen gestellt. Die Freistellung für Väter bzw. zweite Elternteile muss jetzt zügig umgesetzt werden, damit sie ab 2024 gelebte Realität werden kann!“, fordern die Mitglieder im Bündnis Sorgearbeit fair teilen. Um die gerechte Verteilung von Sorgearbeit rund um die Familiengründung zu fördern, setzt sich das Bündnis zusätzlich für die Ausweitung der nicht übertragbaren Elterngeldmonate ein, die ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Mit beiden Maßnahmen werden Anreize für Männer gesetzt, vermehrt Sorgearbeit zu übernehmen, und Frauen in ihrer Erwerbstätigkeit gestärkt.

Knapp die Hälfte der Eltern (46 Prozent) wünscht sich laut kürzlich veröffentlichtem Familienbarometer eine partnerschaftliche Aufteilung von Kinderbetreuung, Haushalt und Erwerbstätigkeit. „Die Politik ist gefordert, den Wünschen nach einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung Rechnung zu tragen“, unterstreichen die Bündnismitglieder.

Die Zeit der Familiengründung ist der Abschnitt im Lebenslauf, an dem sich die Erwerbsbiografien von Frauen und Männern noch zu oft auseinanderentwickeln und sich die Sorgelücke vergrößert. Die Aufteilung geht bislang in der Regel zu Lasten der Erwerbstätigkeit von Frauen, was sich nachteilig auf ihre eigenständige ökonomische Absicherung über den Lebensverlauf auswirkt.

Vollständige Positionierunghttps://www.sorgearbeit-fair-teilen.de/wp-content/uploads/2023/04/BSFT-Position-Fuer-fair-geteilte-Sorgearbeit-von-Anfang-an.pdf

Das Bündnis

Das zivilgesellschaftliche Bündnis Sorgearbeit fair teilen setzt sich für die geschlechtergerechte Verteilung unbezahlter Sorgearbeit im Lebensverlauf ein. Seine 26 Mitgliedsverbände haben sich zum Ziel gesetzt, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft für den Gender Care Gap und seine Auswirkungen zu sensibilisieren und sich für die Schließung der Sorgelücke einzusetzen.

Quelle: Pressemitteilung Bündnis Sorgearbeit fair teilen vom 02.05.2023

SCHWERPUNKT I: Internationaler Tag der Familie

Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages teilt mit:

Der Internationale Tag der Familie wird jährlich am 15. Mai begangen. Dieser Aktionstag wurde von den Vereinten Nationen mit einer Resolution im Jahr 1993 eingeführt und im Jahr 1994 erstmalig gefeiert. In diesem Jahr steht unter dem Motto „Families and Demographic Change“ der demografische Wandel im Fokus.

Der demografische Wandel ist einer der wichtigsten Megatrends, der weltweit Auswirkungen auf das Leben und Wohlergehen von Familien hat. Überall sind Familien betroffen von seinen vielfältigen Auswirkungen. Auch in Deutschland ist der demografische Wandel längst angekommen. Die Zahl der jüngeren Menschen sinkt, während gleichzeitig immer mehr Menschen immer älter werden. Das bringt für den Zusammenhalt zwischen den Generationen besondere Herausforderungen mit sich. 

Der Vorsitzende der Kinderkommission, Paul Lehrieder, MdB, erklärt hierzu: „Familien sind der Kern unserer Gesellschaft, weil in ihnen Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Politik und Gesellschaft haben die Aufgabe, Familien in all ihrer Vielfalt und ihren unterschiedlichen Ausprägungen unterstützen und Kindern ein gutes Aufwachsen ermöglichen. Dazu gehört, nicht zu verkennen, wie viel mehr Verantwortung die jetzt noch jungen Generationen zukünftig für immer mehr ältere Menschen wird übernehmen müssen. Um unsere Kinder und unsere Gesellschaft für diese Aufgabe zu wappnen, ist es an uns, dafür zu sorgen, dass unsere Politik familienorientiert ist und den Menschen in Deutschland die Werkzeuge in die Hand gibt, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden.“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Bundestag vom 15.05.2023

„Der Familiennachzug nach Deutschland muss vereinfacht und beschleunigt werden! Jährlich stehen zehntausende Familien vor den hohen Hürden des deutschen Aufenthaltsrechts. Das Menschenrecht auf Familienleben gilt für sie in der Praxis häufig nicht. Ein großes Hindernis ist für Viele der Deutsch-Sprachnachweis, der beim Ehegattennachzug vor der Einreise verlangt wird. Allein letztes Jahr scheiterten rund 14.000 Familien an dieser Hürde, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf meine Anfrage hervorgeht. Es ist unerträglich, dass die Ampel-Koalition diese gesetzliche Schikane bislang nur beim Nachzug zu Fachkräften beseitigt hat. Das Recht auf Familie ist ein Menschenrecht und kein Privileg für Menschen, die beruflich besser qualifiziert sind“, erklärt Gökay Akbulut, migrations- und familienpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag zum Internationalen Tag der Familie und den hohen Hürden beim Familiennachzug nach Deutschland. Akbulut weiter:

„DIE LINKE hatte bereits im letzten Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt (BT-Drs. 20/1850), damit Deutschkenntnisse nicht schon vor der Einreise nach Deutschland nachgewiesen werden müssen. So ist es auch im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart. Trotzdem haben die Ampelfraktionen den Gesetzentwurf abgelehnt. Jetzt ist es höchste Zeit für eine entsprechende Gesetzesänderung, um tausenden Familien unnötiges Leid zu ersparen.

Eine weitere Hürde beim Familiennachzug ist, dass in der Regel ausreichendes Einkommen und Wohnraum nachgewiesen werden müssen. Das ist angesichts des Wohnungsmangels und bei niedrigen Löhnen für viele Menschen sehr schwierig.

Unerträglich ist zudem die Wartezeit auf einen Termin bei einer deutschen Auslandsvertretung, um ein Visum beantragen zu können. Das Auswärtige Amt lässt Familienangehörige in einigen Ländern über ein Jahr warten, in der Türkei dauert es über ein halbes Jahr, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine weitere Anfrage von zeigt. Hinzu kommt noch die Zeit der Bearbeitung der Visumsanträge. Diese extrem langen Wartezeiten sind nicht hinnehmbar. Das Auswärtige Amt muss die Visaverfahren gerade beim grundrechtsrelevanten Familiennachzug beschleunigen – nicht nur für Fachkräfte.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 15.05.2023

Die evangelische arbeitsgemeinschaft familie (eaf), begrüßt, dass sich so viele Verbände gemeinsam für die Qualität von Ganztagsangeboten einsetzen.

Anlässlich des „Internationalen Tags der Familie“ betont Svenja Kraus, Bundesgeschäftsführerin der eaf: „Kinder brauchen unsere geballte Unterstützung. Für uns als Familienverband stehen sie im Fokus. Gemeinsam mit unserem Forum Familienbildung setzen wir uns für eine gute Ausstattung von Ganztagsangeboten ein. Dabei sehen wir vor allem einen hohen Bedarf, multiprofessionelle Teams mit mehr finanziellen und zeitlichen Ressourcen auszustatten und so Kooperationen auch mit außerschulischen Lernorten, wie z.B. der Familienbildung, zu ermöglichen. Denn nur mit einem umfassenden Bildungsbegriff, der sozialräumliche Arbeit in die Gestaltung der Lebenswege der Kinder miteinbezieht, wird das Kind als Ganzes gesehen und kann sich individuell entfalten. Das ist uns wichtig!“

Zum Aufruf der Verbände: „Aufruf für eine qualitativ hochwertige Umsetzung des Ganztags­fördergesetzes“.

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V.
eaf vom 15.05.2023

SCHWERPUNKT II: Flüchtlingsgipfel

Zum morgigen Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt kritisiert die AWO die mangelnde Bereitschaft des Bundes, sich stärker an den Kosten für die Flüchtlingshilfe zu beteiligen. Wegen der Kostensteigerungen der zurückliegenden Monate drohe vielen Angeboten der Flüchtlingssozialarbeit das Aus.   

„Die Haltung der Bundesregierung ist für uns schlichtweg unverständlich, erklärt dazu Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt, “Die Migrationsfachberatungen sind wichtige Anlaufstellen für die Menschen, die nach Deutschland kommen. Angesichts von demografischem Wandel und Arbeitskräftemangel ist es eine sprichwörtliche Milchmädchenrechnung, an den Hilfen für diese Menschen zu sparen.”  

Beim Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt am 10. Mai wird erneut vor allem über die Unterbringung Geflüchteter in den Kommunen und die damit verbundenen finanziellen Forderungen verhandelt. Während die AWO eine verlässliche und ausreichende Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung ausdrücklich unterstützt, greift der Fokus der Verhandlungen aus Sicht des Verbandes zu kurz   

„Ein modernes Einwanderungsland muss nicht nur kurzfristig in Unterbringung investieren, sondern langfristig Ressourcen zur Verfügung stellen. Nur so können ankommende Menschen auf eigenen Beinen stehen, sich ein neues Leben aufbauen und einen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten”, so Sonnenholzner, “Menschenwürdige Unterbringung und Versorgung sollten selbstverständlich sein. Damit Ankommen und Teilhabe gelingen, braucht es aber mehr als ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Inflation und zu Recht steigende Löhne setzen Migrationsfachdienste finanziell unter Druck, viele Träger können die nötigen Eigenmittel nicht oder kaum noch aufbringen. Die AWO Migrationsberatung in Aschaffenburg beispielsweise musste bereits schließen, bundesweit stehen mehrere Migrationsberatungsstellen vor einer ungewissen Zukunft. Sollte eine Schließungswelle bevorstehen, stünden die Ratsuchenden vielerorts ohne eine lebenswichtige Unterstützung da, die sie brauchen, um in Deutschland zurechtzukommen.”  

Kathrin Sonnenholzner abschließend: „Der mögliche Verlust dieser lebenswichtigen Dienste ist nicht nur ein Schlag für alle, die auf sie angewiesen sind, sondern auch ein Rückschlag für Deutschlands Bemühungen, Zuwander*innen schnell Teil der Gesellschaft werden zu lassen. Die Regierung muss der Finanzierung von Migrationsberatungsdiensten eine hohe Priorität einräumen.”  

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 09.05.2023

Gemeinsamer Appell von über 50 Organisationen an die Bundesregierung

„In den Diskussionen über die Reform des EU-Asylrechts wird über das verhandelt, was eigentlich indiskutabel ist: das Versprechen, dass Menschen auf der Flucht, sobald sie Boden in der EU betreten, dort auch Schutz finden müssen. Wir sehen mit zunehmender Sorge, dass viele bereit sind, dieses grundlegende Prinzip aufzuweichen,“ so Steffen Feldmann, Vorstand des Deutschen Caritasverbandes für Internationales, anlässlich der Veröffentlichung eines Appells von über 50 Organisationen an die Bundesregierung.

Die Caritas und die anderen Unterzeichnenden fordern die Bundesregierung auf, in den Verhandlungen keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes einzugehen. Die Ende April veröffentlichte deutsche Verhandlungsposition signalisiert eine besorgniserregende Bereitschaft, den Weg der schleichenden Entwertung von Grund- und Menschenrechten mitzugehen. „Die aktuellen Reformvorschläge rütteln nicht nur an den Grundfesten des Rechtsstaates, sondern werden auch bereits existierende Probleme des europäischen Asylsystems noch verschärfen,“ so der Appell.

Das dysfunktionale EU-Asylsystem nach dem Dublin-Prinzip, bei dem überwiegend die Staaten an den EU-Außengrenzen für die Durchführung von Asylverfahren zuständig und damit überlastet sind, muss nicht noch einmal neu aufgelegt, sondern aufgegeben werden, so der Appell. Dieses System führt jetzt schon dazu, dass Tausende Menschen in unwürdigen Bedingungen in Lagern ohne Perspektive ausharren, etwa auf den griechischen Inseln.

„Das Leitmotiv für politische Entscheidungen muss immer der menschenwürdige Umgang mit Schutzsuchenden sein“, betont Feldmann. „Ein gemeinsames Asylsystem kann nur dann funktionieren, wenn es den desolaten Zuständen an den EU-Außengrenzen ein Ende setzt.“

Vorschlag für einen solidarischen Verteilungsmechanismus

„Wir brauchen einen wirklich solidarischen Mechanismus, in dem sich widerspiegelt, dass die EU hier eine gemeinschaftliche Verantwortung trägt “ so Steffen Feldmann. Eine solche Regelung muss sowohl den unterschiedlichen Auffassungen der EU-Mitgliedstaaten aber auch den Bedürfnissen und Interessen der Schutzsuchenden gleichermaßen gerecht werden.

Die Caritas, das Kommissariat der Deutschen Bischöfe – katholisches Büro und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland haben hierzu einen konkreten Vorschlag erarbeitet. Dieser sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat jedes Jahr der EU-Kommission mitteilt, wie viele Schutzsuchende er bereit und in der Lage ist aufzunehmen. Gleichzeitig gesteht er den Asylsuchenden eine aktive Rolle zu, indem durch eine Ausweitung der Kriterien persönliche Verbindungen zu einem Mitgliedstaat der EU – über die Präsenz von Verwandten in einem bestimmten Land hinaus – im Asylverfahren stärker gewichtet werden als bisher.

Um Mitgliedstaaten mit hohen Aufnahmekapazitäten zu unterstützen und um Anreize für diejenigen Mitgliedstaaten zu schaffen, die geringe Aufnahmekapazitäten melden, wird im EU-Haushalt ein Fonds eingerichtet, in den alle Mitgliedstaaten gemessen an ihrem Bruttoinlandsprodukt einzahlen und aus dem die Mitgliedstaaten entsprechend ihrer gemeldeten Aufnahmekapazitäten Zahlungen erhalten, um ihre Kosten auszugleichen und Maßnahmen zu finanzieren, die den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken.

Hier finden Sie den heute veröffentlichten Appell an die Bundesregierung zu ihrer Position zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems „Keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes“. Unterzeichnende des Appells sind neben der Caritas bspw. auch ProAsyl, Amnesty International, Diakonie, AWO, Der Paritätische, JRS, MSF und andere.

Hier geht es zu den gemeinsamen Vorschlägen des Deutschen Caritasverbands, des Kommissariats der deutschen Bischöfe – katholisches Büro Berlin und dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland für ein praktikables gemeinsames europäisches Asylsystem.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 17.05.2023

Bundeskanzler Olaf Scholz trifft sich am heutigen Mittwoch mit den Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer, um über die Aufgaben- und Lastenteilung bei der Versorgung von Flüchtlingen zu beraten.

Dazu erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: „In der gesamten Debatte sollte das Prinzip Fairness nicht nur das Reden, sondern auch das Handeln von allen Beteiligten bestimmen. Fairness bei einer gerechten Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen.  Erst recht aber brauchen Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Unterdrückung zu uns fliehen, Sicherheit und eine faire Chance, sich zu integrieren. Das bedeutet, von Anfang an gute Bedingungen zu schaffen, damit dies gelingt. Dies ist auch eine Frage der Fairness gegenüber allen, die bereits hier leben und ihre neuen Nachbarinnen und Nachbarn integriert wissen wollen. Darüber hinaus: Wir können auf Zuwanderung nicht verzichten. Deshalb sind faire und schnellere Verfahren für eine reguläre Zuwanderung wichtig. Denn wer hier arbeitet, der zahlt in die Sozialsysteme ein und leistet damit einen Beitrag für die Gesellschaft. Dafür brauchen wir mehr Flexibilität und weniger Bürokratie. Leider geht viel Zeit durch langwierige Asylverfahren verloren, die eine schnelle Integration hemmen und nicht fördern.

Dass geflüchtete Menschen aus der Ukraine direkt einen Aufenthaltstitel erhalten haben, war ein riesiger Vorteil. Diese faire Chance sollten wir auch für Menschen aus anderen Kriegs- und Krisengebieten mit hoher Schutzquote schaffen, um auf das jeweils individuelle Asylverfahren verzichten zu können. Dabei sollte vor allem ein schneller und unbürokratischer Zugang zum Arbeitsmarkt im Zentrum aller Bemühungen stehen.Bei der Schaffung von fairen Verfahren und Chancen haben Bund und Länder jahrelang zu wenig getan. Wenn Wohnraum, Kitaplätze und Beratungsangebote fehlen, steht das einer erfolgreichen Migrationspolitik entgegen. Geflüchtete haben den Mangel in vielen Bereichen nicht verursacht, der sich seit Jahren angekündigt hat. 

Mit dem falschen Rezept, durch mehr Haft und Abschiebungen Entlastung zu schaffen, ist die GroKo bereits gescheitert. Nun greift die Ampel in die Mottenkiste von praktisch nutzlosen und rechtsstaatlich bedenklichen Rechtseinschränkungen. Fair wären rechtsstaatlich einwandfreie und zügige Verfahren, um zeitnah zu klären, wer bleiben kann und wer nicht. Und gleichzeitig für Integrationsmöglichkeiten zu sorgen, die Zuwanderung für alle zu einem Gewinn macht.“

Weitere Informationen:

https://www.diakonie.de/gemeinsam-helfen-hilfe-fuer-fluechtlinge

https://www.diakonie.de/arbeitsmigration-und-pflege

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 10.05.2023

Anlässlich des morgigen Flüchtlingsgipfels warnt der Paritätische Gesamtverband davor, dass die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern auf dem Rücken der schutzsuchenden Menschen auf der Flucht ausgetragen werden könnten.

Der Wohlfahrtsverband fürchtet, dass im Streit zwischen den Verhandlungspartnern die Humanität und die Menschenrechte Strecke bleiben könnten und keine Politik im Sinne der Geflüchteten gemacht würde.

“Abschottung und Abschiebung dürfen nicht die Haupttreiber von Migrations- und Flüchtlingspolitik sein”, mahnt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Der Paritätische beobachtet mit Sorge, dass immer mehr fragwürdige Pläne seitens Bund und Ländern zur Flüchtlingspolitik gemacht werden. “In ihrem Koalitionsvertrag kündigt die Ampel an, dass sie das Leid an den Außengrenzen verhindern möchte.Nun schlägt die Innenministerin ganz andere Töne an und fordert Asylverfahren an den Außengrenzen”, so Schneider weiter.

Rechtsstaatliche Garantien müssten dringend erhalten bleiben, fordert der Wohlfahrtsverband. “Nachdem das Abschiebehaftrecht schon über acht Jahre lang massiv verschärft wurde, gehen die neuen Pläne sogar noch darüber hinaus und sehen die Möglichkeit einer Inhaftierung von Schutzsuchenden selbst während des Asylverfahrens vor”, stellt Ulrich Schneider fest. Die Härte der Maßnahmen seien ungerechtfertigt.

Wie es besser laufen konnte, zeigt die erfolgreiche Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine, die schnellen Zugang zu Wohnraum, regulären Sozialleistungen, Sprachkursen und Lohnarbeit bekommen haben. Diese Standards sollten für alle Geflüchteten gelten.

Der Paritätische fordert einen echten Spurwechsel für abgelehnte Asylbewerber*innen in einen Aufenthalt zur Erwerbstätigkeit. Der Verband erwartet vom Flüchtlingsgipfel ein starkes Signal für faire Asylverfahren in der EU und in Deutschland sowie die Aufhebung der Verpflichtung der Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen. Außerdem fordert der Paritätische die Integration und den  Zugang zum Arbeitsmarkt von Anfang an, unabhängig von der Herkunft, den Ausbau der Beratung sowie Erstorientierungs- und Integrationskurse und nachhaltige, gut finanzierte Strukturen für Aufnahme, Versorgung und Integration von Geflüchteten.

Bitte beachten Sie dazu auch unsere Fachinformation mit einer ausführlichen Bewertung!

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 09.05.2023

SCHWERPUNKT III: Pflegepolitik

Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung und zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege beschlossen. Danach sollen Studierende in der Pflege zukünftig für die gesamte Dauer ihres Studiums eine angemessene Vergütung erhalten. Zudem werden Anerkennungsverfahren für ausländische Pflegefachkräfte vereinheitlicht und vereinfacht.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „An der Hochschule ausgebildetes Pflegefachpersonal stärkt die Qualität in der Pflege. Allerdings nehmen derzeit nur wenige Studierende ein Pflegestudium auf, jeder zweite Studienplatz bleibt unbesetzt. Mit dem Pflegestudiumstärkungsgesetz wollen wir das ändern. Wir machen das Pflegestudium attraktiver, denn die Studierenden sollen zukünftig für die gesamte Dauer des Studiums eine Vergütung erhalten. Zudem profitieren die Ausbildungseinrichtungen: Auch ihre Kosten werden – wie bei der beruflichen Ausbildung – über Ausbildungsfonds zurückerstattet. So fördern wir die Bereitschaft der Einrichtungen, mehr Studierende auszubilden.“

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach: „Um mehr junge Menschen wieder für den Pflegeberuf zu begeistern, brauchen diese nicht nur gute Arbeits- sondern auch gute Ausbildungsbedingungen. Die hochschulische Pflegeausbildung spielt eine wichtige Rolle für die Weiterentwicklung und Aufwertung der Pflegeberufe. Studierende sollten aber auch den finanziellen Freiraum haben, um sich ganz auf das Studium konzentrieren zu können und nicht noch nebenbei arbeiten zu müssen. Daher sollen die Studierenden in der Pflege für die gesamte Dauer ihres Studiums eine angemessene Vergütung erhalten.“

Der Entwurf sieht im Einzelnen folgende Regelungen vor:

  • Studierende in der Pflege erhalten für die gesamte Dauer ihres Studiums eine angemessene Vergütung. Mit Übergangsvorschriften soll zugleich sichergestellt werden, dass diejenigen, die auf Grundlage der bisherigen Regelungen eine hochschulische Pflegeausbildung begonnen haben, für die verbleibende Studienzeit ebenfalls eine Ausbildungsvergütung erhalten, ohne dass ihr Studium neu organisiert werden muss.
  • Die Finanzierung des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung soll in das bestehende Finanzierungssystem der beruflichen Pflegeausbildung integriert werden. Dabei wird die hochschulische Pflegeausbildung als duales Studium ausgestaltet und künftig auch ein Ausbildungsvertrag vorgesehen.
  • Digitalisierung, gendermedizinische Aspekte und die Möglichkeit von Auslandsaufenthalten sollen in der Pflegeausbildung stärker berücksichtigt werden.
  • Anerkennungsverfahren für ausländische Pflegefachkräfte werden vereinheitlicht und vereinfacht, insbesondere durch bundesrechtliche Regelung des Umfangs und der erforderlichen Form der vorzulegenden Unterlagen. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, auf eine umfassende Gleichwertigkeitsprüfung, zugunsten einer Kenntnisprüfung oder eines Anpassungslehrgangs, zu verzichten.
  • Daneben werden die rechtlichen Rahmenbedingungen der beruflichen Pflegeausbildung weiter verbessert und an aktuelle Entwicklungen, z.B. im Bereich der Digitalisierung, angepasst.
  • Neben den bisherigen Berufsbezeichnungen „Pflegefachfrau“ bzw. „Pflegefachmann“ kann zukünftig eine geschlechtsneutrale Berufsbezeichnung „Pflegefachperson“ gewählt werden. Dies gilt entsprechend für Personen, die bereits über eine Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung verfügen.

Weitere Informationen finden Sie unter:

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/pflegestudiumstaerkungsgesetz-pflstudstg–223650

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 24.05.2023

Auszeichnung würdigt Leistungen der ersten Absolvent*innen der generalistischen Pflegeausbildung

Bundesministerin Lisa Paus startet heute anlässlich des „Internationalen Tags der Pflegenden“ den Pflegeausbildungspreis 2023 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Mit der Auszeichnung werden die Leistungen der Absolventinnen und Absolventen des ersten Jahrgangs der neuen generalistischen Pflegeausbildung gewürdigt.

Bundesministerin Lisa Paus: „Gute Pflege braucht Pflegeprofis. Mit dem Pflegeberufegesetz haben wir die Ausbildung zur Pflegefachkraft moderner und attraktiver gemacht. Die umfassende Ausbildung befähigt dazu, Menschen jeden Alters und in allen Bereichen zu versorgen. Jetzt schließt der erste Jahrgang die neue Ausbildung ab. Die Leistung der Absolventinnen und Absolventen wollen wir mit dem Pflegeausbildungspreis würdigen. Damit zeigen wir: Pflege ist ein anspruchsvoller Beruf. Wer ihn ausübt, trägt jeden Tag zur Lebensqualität von Millionen Menschen bei, die Unterstützung brauchen.“

Der Pflegeausbildungspreis wird in zwei Kategorien vergeben: Eine Kategorie richtet sich an Absolventinnen und Absolventen mit sehr guten Ausbildungsleistungen. Die zweite Kategorie zeichnet engagierte Pflegeklassen aus. Die Preisträgerinnen und Preisträger erwarten attraktive Sach- und Geldpreise. Bewerbungsschluss ist der 12. August 2023.

Die neue Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz bietet Praxiseinsätze in unterschiedlichen Bereichen, vielfältige Karrierechancen und eine der höchsten Ausbildungsvergütungen in Deutschland.

Alle Informationen zum BMFSFJ Pflegeausbildungspreis 2023 sind unter www.pflegeausbildungspreis.de zu finden. Informationen zur Pflegeausbildung, zur Ausbildungsoffensive Pflege und zum Beratungsteam Pflegeausbildung gibt es unter www.pflegeausbildung.net

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 12.05.2023

Am heutigen 12. Mai ist der Internationale Tag der Pflegenden. Dazu können Sie den Beauftragten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, Wilfried Oellers, gerne wie folgt zitieren:

„Pflegende Angehörige, in vielen Fällen Eltern von Kindern mit einer Behinderung, sind die leisen und stillen Helden des Alltags. Auch sie brauchen einmal eine Erholung. Ein gemeinsamer und flexibel einsetzbarer Jahresbetrag für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege würde ihnen solche Auszeiten ermöglichen. Doch 968 Euro mehr an Leistungen im Jahr sind der Ampel die Anerkennung des großen Einsatzes dieser Angehörigen offenbar nicht wert. Das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz gehört hier dringend nachgebessert. Der heutige Internationale Tag der Pflegenden hilft der Ampel hoffentlich beim Umdenken.“

Hintergrund:

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren. Der Referentenentwurf vom 24. Februar 2023 sah zunächst ab 2024 einen gemeinsamen Jahresbetrag in Höhe von 3.386 Euro vor, der flexibel für die bereits existierenden Leistungen der Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI) und der Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI) einsetzbar sein sollte (Neuregelung in § 42a SGB XI). Im Regierungsentwurf, der bereits in erster Lesung vom Deutschen Bundestag beraten wurde, findet sich der gemeinsame Jahresbetrag hingegen nicht mehr. Mit ihm hätten für die Verhinderungspflege künftig 968 Euro mehr im Jahr zur Verfügung gestanden, wovon vor allem Eltern behinderter Kinder profitiert hätten. Der Anspruch auf Kurzzeitpflege wiederum nützt dieser Personengruppe wenig, da er eine stationäre Unterbringung und damit Trennung der Kinder von ihren Eltern voraussetzt.

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 12.05.2023

Gesetzentwurf der Ampel löst die Probleme nicht

Am morgigen Freitag findet der internationale Tag der Pflegenden statt. Dazu erklären der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, und der zuständige Berichterstatter Erich Irlstorfer: 

Tino Sorge: „Die Pflege ist eine der größten Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht. Wir brauchen daher strukturelle Reformen, um den Pflegenden gute Arbeitsbedingungen und den zu Pflegenden eine gute Versorgung anbieten zu können.

Leider hat die Ampel mit dem Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz einen untauglichen Versuch unternommen, diese Herausforderungen zu bewältigen. Die Anhörung im Bundestag in dieser Woche hat die gewaltigen Defizite der Reform noch einmal deutlich gemacht. Eine nachhaltige Finanzierung wird es auch mit diesem Gesetz nicht geben.“

Erich Irlstorfer: „Viele Regelungen im Entwurf, etwa zur Leiharbeit, greifen zu kurz oder sind nicht umsetzbar. Gute Ansätze – wie die Einrichtung eines gemeinsamen Budgets für Kurzzeit- oder Verhinderungspflege – wurden im parlamentarischen Verfahren aus dem Entwurf genommen. Das heißt: Auch pflegende Angehörige finden bei der Ampel keine Berücksichtigung. 

Wir werden das weitere Verfahren nutzen, um aus der Opposition heraus unsere Verbesserungsvorschläge einzubringen. Die Anliegen der zu Pflegenden und ihrer Angehörigen sowie der Pflegerinnen und Pfleger werden wir dabei im Blick haben. Von der Bundesregierung und vor allem dem Bundeskanzler erwarten wir, dass sie die Pflege vorrangig behandeln – wie auch die Themen Inflation, Verteidigung, Energie und Klima.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 11.05.2023

„Our Nurses. Our Future.“ lautet das diesjährige Motto des Internationalen Tags der Pflege. Der AWO Bundesverband dankt allen professionell Pflegenden für ihren täglichen, ungebrochenen Einsatz für die hilfe- und pflegebedürftigen Menschen in unserer Gesellschaft. 

Die Erschöpfung aus den Pandemiejahren sitzt den Pflegenden noch in den Knochen. Manche mussten gehen, um sich selbst zu schützen. All diejenigen, die geblieben sind, tragen die doppelte Last – Our Nurses. Dabei rollt die Welle der Babyboomer-Generation gerade erst an. Sie wird uns in den nächsten Jahren in eine demografische Schieflage bringen – Our Future.  

Auch wenn bereits einiges auf den Weg gebracht wurde, um die Arbeitsbedingungen für professionell Pflegende zu verbessern, beispielsweise durch die verpflichtende regionalorientierte tarifliche Entlohnung oder die Einführung eines bundeseinheitlichen Personalbemessungsverfahrens, sind wir noch lange nicht am Ziel angekommen.

Das sogenannte „Holen aus dem Frei“ ist gängiger Alltag in der Pflege und bedeutet schlicht, dass professionell Pflegenden sichere Erholungsräume und Planbarkeit im Privaten nicht zugestanden werden. Derartige „Konzepte“ sind nicht länger tragbar. Es gilt diese beispielsweise durch sogenannte Springerpools aufzubrechen. Die Finanzierung wurde zumindest im aktuellen Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, der Aus- und Aufbau muss jetzt in der Praxis vorangetrieben werden. Springerpools können die Grundlage sein, weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf anzugehen, wie etwa die 4-Tage-Woche oder die Zusicherung von zwei freien Wochenenden im Monat.   

Springerpools sollen aber vor allem auch die umstrittene Leiharbeit in der Pflege ablösen, welche schon zuvor, aber gerade noch einmal in den Pandemiejahren, einen enormen Aufschwung in der Pflege erfahren hat.  

„Die Begrenzung der Leiharbeit in der Pflege ist längst überfällig. Es ist ungerecht, dass Pflegende Seite an Seite zu ganz unterschiedlichen Bedingungen arbeiten. Leiharbeit schafft zwei Klassen von Pflegenden, konterkariert Beziehungspflege und Teambuilding und zermürbt so das Stammpersonal“, sagt Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt.   

Zwar gibt es auch zur Begrenzung von Leiharbeit in der Pflege aktuelle Vorhaben in der Gesetzgebung, allerdings kritisiert der AWO Bundesverband, dass diese an der falschen Stelle ansetzen: „Den Einrichtungen die Finanzierungsmöglichkeiten zu entziehen, kann in der aktuellen Situation zu Leistungseinschränkungen und Belegungsstopps führen. Zielführender wäre es, direkt bei den Leiharbeitsunternehmen anzusetzen – deren Preise, Gebühren und Einsatzzeiten zu begrenzen“, fordert Kathrin Sonnenholzner.  

Der Internationale Tag der Pflege am 12. Mai ist allen professionell Pflegenden weltweit gewidmet. Er wurde in den 1960er Jahren vom International Council of Nurses (ICN) eingeführt, einem Zusammenschluss von 130 Pflegeverbänden aus verschiedenen Nationen. Der 12. Mai ist der Geburtstag der britischen Krankenschwester Florence Nightingale. Sie gilt als Pionierin der modernen Pflege. 

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 11.05.2023

Anlässlich der heutigen Anhörung des Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetzes (PUEG) im Bundestagsgesundheitsausschuss erneuert AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner die scharfe Kritik der Arbeiterwohlfahrt an dem Gesetzesentwurf:  

„Diese „Reform“ verdient den Namen nicht. Wir warnen seit Monaten davor, dass sie die Probleme der Pflege in Deutschland nicht einmal im Ansatz zu lösen vermag. Das Beharren auf unzureichenden Konzepten zeigt, was dieser Regierung Pflege wert ist: Mit diesem Gesetz lässt die Koalition pflegebedürftige Menschen und deren An- und Zugehörige genauso im Regen stehen wie die beruflich Pflegenden. Dringende Leistungsverbesserungen und -vereinfachungen bleiben aus oder wurden sogar seit dem Referentenentwurf zurückgenommen. Auch die drohende Zahlungsunfähigkeit der Pflegekassen wird nur verschoben statt grundsätzlich abgewendet, und die schon im Koalitionsvertrag vorgesehene Entlastung der Pflegekassen von versicherungsfremden Leistungen wie den Rentenversicherungsbeiträgen für pflegende Angehörige oder Pandemiekosten durch Steuermittel wird nicht umgesetzt. Der Gesetzesentwurf bleibt hinter den Vereinbarungen dieser Koalition zurück. Stattdessen werden einmal mehr die Versicherten durch höhere Beitragssätze belastet.“ 

Die Arbeiterwohlfahrt fordert daher Nachbesserungen: unter anderem die Entlastung der Pflegeversicherung von versicherungsfremden Leistungen, Deckelung der Eigenanteile der Pflegebedürftigen einschließlich der Herausnahme der Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen, eine Verbesserung der Leistungen für Pflegebedürftige und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von beruflich Pflegenden, z. B. durch die Regulierung von Leiharbeit.  

Hintergrund 

In Deutschland gibt es rund fünf Millionen pflegebedürftige Menschen und 780.000 Beschäftigte in der Altenpflege. Im Pflegeheim liegt der durchschnittlich zu leistende Eigenanteil für Pflegebedürftige inzwischen bei fast 2.500 Euro im ersten Jahr, die Sozialhilfequote liegt bei einem Drittel. Für 2022 beträgt das Defizit der sozialen Pflegeversicherung 2,25 Mrd. Euro, für 2023 wird ein Defizit in Höhe von 3 Mrd. Euro erwartet. Der Finanzierungsbedarf allein für die kurzfristige Stabilisierung in 2023 beträgt mindestens 4,5 Mrd. Euro. 

Die AWO warnt seit Monaten vor den Folgen der unzulänglichen Reformpläne. Sie hat bereits im Februar 2023 die Resolution „Rettet die Pflege!“ verabschiedet. Mehr dazu unter: https://awo.org/pflegekassen-stehen-vor-der-zahlungsunfaehigkeit  

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 10.05.2023

Gemeinsamer Jahresbetrag für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege muss zurück ins Gesetz!

Anlässlich des morgigen „Internationalen Tags der Pflegenden“, an dem treffenderweise der Bundesrat erstmals über das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) berät, fordert der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm), den Gemeinsamen Jahresbetrag für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege wieder in das Gesetz aufzunehmen. Hierdurch würde sich die Entlastung für pflegende Eltern von Kindern mit Behinderung deutlich verbessern.

„Pflegende Eltern sind oft am Limit“, macht Beate Bettenhausen, Vorsitzende des bvkm deutlich. „Die über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte erfolgende Pflege von Kindern mit Behinderung stellt eine kräftezehrende Dauerbelastung dar. Die Eltern brauchen deshalb dringend Auszeiten und Erholung von der Pflege, damit sie selbst gesund bleiben und weiterhin gut für sich und ihre Kinder sorgen können.“

Ein Hoffnungsschimmer für pflegende Eltern zeigte sich deshalb zu Beginn des Jahres: Im Referentenentwurf zum PUEG vom 24. Februar war ab 2024 ein Gemeinsamer Jahresbetrag für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege in Höhe von 3.386 Euro vorgesehen, der frei und flexibel einsetzbar sein sollte. Damit hätten für die besonders wichtige Entlastungsleistung der Verhinderungspflege künftig 968 Euro mehr im Jahr zur Verfügung gestanden. Im aktuellen Gesetzentwurf zum PUEG ist von diesem Gemeinsamen Jahresbetrag nicht mehr die Rede. Er wurde von der Bundesregierung kurzerhand wieder aus dem Gesetz gestrichen.

„Das ist eine ganz bittere Enttäuschung für mich und alle anderen pflegenden Eltern“, erklärt Beate Bettenhausen, die selbst Mutter eines jungen Mannes mit schwerer Behinderung ist. „Der Gemeinsame Jahresbetrag muss deshalb dringend zurück ins PUEG!“, fordert die Vorsitzende des bvkm und ruft pflegende Eltern dazu auf, sich für dieses Ziel gemeinsam bei den Abgeordneten des Deutschen Bundestages stark zu machen.

Hierfür hat der bvkm ein Musterschreiben vorbereitet, das pflegende Eltern ganz einfach auf der Webseite des bvkm herunterladen und per E-Mail an die Bundestagsabgeordneten ihres Wahlkreises versenden können. 

Zum Hintergrund:

Gemeinsamer Jahresbetrag: Der Referentenentwurf zum PUEG vom 24. Februar 2023 sah ab 2024 in einem neu einzuführenden § 42a SGB XI einen Gemeinsamen Jahresbetrag in Höhe von 3.386 Euro vor, der flexibel für Leistungen der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege einsetzbar sein sollte. Damit hätten für die Verhinderungspflege künftig 968 Euro mehr im Jahr zur Verfügung gestanden. Mit den Leistungen der Verhinderungspflege können Pflegende die Betreuung ihrer Angehörigen während der Zeiten finanzieren, in denen sie selbst an der Pflege gehindert sind. Für Eltern behinderter Kinder, die häufig keine geeigneten Kurzzeitpflegeangebote für ihre Kinder finden, stellt sie die wichtigste Entlastungsmöglichkeit der Pflegekassen dar.

Gesetzentwurf zum PUEG: Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum PUEG, über den der Bundesrat am 12. Mai 2023, dem „Internationalen Tag der Pflegenden“, erstmals berät, wurde der Gemeinsame Jahresbetrag wieder gestrichen. Die maßgeblichen Ausschüsse des Bundesrats haben sich im Vorfeld der Beratung für die Wiederaufnahme des Gemeinsamen Jahresbetrags in das PUEG ausgesprochen (vgl. BR-Drucksache 165/1/23).

Stellungnahme des bvkm: In seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf des PUEG vom 6. März 2023 hatte der bvkm die Einführung des Gemeinsamen Jahresbetrages für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege, die einer langjährigen Forderung des bvkm entspricht, nachdrücklich begrüßt.

Der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm) ist der größte Selbsthilfe- und Fachverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen und ihre Angehörigen in Deutschland. In über 280 Mitgliedsorganisationen sind 27.000 Familien organisiert. www.bvkm.de

Quelle: Pressemitteilung Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V. (bvkm) vom 11.05.2023

Bei der vorliegenden Pflegereformgesetzgebung haben Pflegebedürftige und ihre Angehörigen das Nachsehen – wieder einmal! Die Chance auf einen großen Schritt wird mit diesem Kompromissvorschlag verspielt, kommentiert der Deutsche Caritasverband das Gesetz zur Pflegereform, das am kommenden Freitag im Bundestag verabschiedet werden soll. „Wir erwarten, dass Minister Lauterbach das Kapitel „Pflegereform“ damit für diese Legislaturperiode nicht ad acta legt, sondern zeitnah die Themen aufgreift, die diesmal hinten runtergefallen sind“, unterstreicht Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.

Dass es nun ein Entlastungsbudget gibt, das Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege vereint, ist zwar zu begrüßen, kommt jedoch zum 1. Juli 2025 viel zu spät und wird auch noch durch Kürzung bei der geplanten Dynamisierung der Pflegeleistungen finanziert. „Gut, dass wenigstens Familien mit Kindern mit Behinderungen bereits ab 2024 davon profitieren können“, kommentiert Welskop-Deffaa die Reform. Ein nachhaltig tragfähiges Pflegesystem aber sieht anders aus. Und die jetzt umgesetzten Vorhaben bleiben weit hinter den geplanten Änderungen im Koalitionsvertrag zurück.

Wenigstens sind Quartierspflege und neue Modelle in der Pflegereform aufgenommen

Erleichtert ist die Caritas, dass die Modellvorhaben zur Förderung der Quartierspflege in den Gesetzentwurf aufgenommen wurden, wenngleich auch mit einem im Vergleich zu früheren Planungen reduzierten Fördervolumen. „Pflege im Quartier ist das A und O, wenn wir erreichen wollen, dass pflegebedürftige Menschen zu Hause gut versorgt werden. Dafür müssen wir auch neue Modelle der Quartierspflege, wie zum Beispiel das holländische Buurtzorg, in Deutschland erproben können. Wichtig ist auch die Entwicklung neuer Wohnformen wie Altenwohnheime für Menschen mit geringem Pflegebedarf oder die Öffnung der Kurzzeitpflege für die ambulante Versorgung“, so Welskop-Deffaa.

Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf stärken

Positiv bewertet der Deutsche Caritasverband auch, dass die Förderung der Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf verlängert wird. „Wie groß der Bedarf ist, zeigt das Projekt der Pflegebevollmächtigten „Gute Arbeitsbedingungen in der Pflege“, für das jetzt die Mittel länger ausgeschöpft werden können. Gute Arbeitsbedingungen sind der Dreh- und Angelpunkt, um Pflegekräfte zu gewinnen und im Beruf zu halten“, unterstreicht Welskop-Deffaa.

Pflegereform lässt Regulierung der 24-Stunden-Pflege außen vor

Allerdings liefert der aktuelle Vorschlag für eine Pflegereform keine Antwort auf faire gesetzliche Rahmenbedingungen für die sogenannte „24-Stunden-Pflege“. Damit steht sie einer breitenwirksamen Umsetzung eines fairen Konzepts für Live-in-Care-Kräfte im Wege, Für die Caritas hat das bereits vor einigen Jahren der Diözesancaritasverband Paderborn entwickelt. Das Projekt „CariFair“ sichert den Pflege-Betreuerinnen (Live-in-Care-Kräften) faire Bezahlung, verlässliche Arbeitsbedingungen und praktische Unterstützung und für die Pflegebedürftigen und ihre Familien eine Begleitung, die die Qualität der Betreuung gewährleistet und bei steigendem Pflegebedarf die „24-Stunden-Pflege“ nicht alleine lässt.

Weiterführende Links

Pflegereform: Notwendige strukturelle Reformen bleiben aus (caritas.de)

Stärkung der hochschulische Pflegeausbildung und Erleichterung bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege (caritas.de)

Betreuung von Pflegebedürftigen im Privathaushalt („24-Stunden-Betreuung“) legal und gerecht gestalten (caritas.de)

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 24.05.2023

Mit Trillerpfeifen und Sprechchören haben rund 300 Pflegekräfte aus Berlin und Brandenburg sowie pflegende Angehörige lautstark auf die dramatische Situation in der Pflege aufmerksam gemacht. Unter dem Motto „Fünf nach Zwölf“ demonstrierten sie um 12:05 am Berliner Hauptbahnhof für eine bessere Pflege und gegen die aktuellen Vorschläge von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zur geplanten Pflegereform. Zu der Kundgebung hatten die Diakonie Deutschland und der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) aufgerufen. Die Aktion mitten im politischen Berlin gehört zu einer bundesweiten Social Media-Kampagne für faire Bedingungen in der Pflege, bei der Hunderte diakonische Pflegeeinrichtungen und -dienste mit kreativen Live-Aktionen unter den Hashtags #5nach12 um 12:05 Uhr ihre Bilder, Kommentare, Videos posteten.

„Wer heute Mittag am Berliner Hauptbahnhof ankommt oder einsteigt, kommt an der Pflege nicht vorbei. Die Pflege selbst ist schon längst ein Pflegefall.  Leider nehmen viele Menschen in unserer Gesellschaft die Pflege erst wahr, wenn sie selbst oder Angehörige pflegebedürftig werden. Das wollen wir ändern. Wir brauchen dringend eine grundlegende Pflegereform, um in den nächsten Jahren eine würdevolle Pflege für alle Menschen zu sichern“, sagte Maria Loheide, Sozialpolitische Vorständin der Diakonie Deutschland bei der Kundgebung in Berlin.

Wilfried Wesemann, Vorstandsvorsitzender des DEVAP: „Heute sind wir laut und setzen uns gemeinsam mit vielen engagierten Pflegekräften in ganz Deutschland für eine bessere Pflege und gegen die aktuellen Vorschläge von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zur geplanten Pflegereform ein. Knapp 1,3 Millionen Pflegekräfte waren in den herausfordernden Jahren der Corona-Pandemie in der Langzeitpflege beschäftigt und haben unter hohem persönlichem Einsatz die Pflegebedürftigen weiter versorgt und geschützt. Dafür sind wir dankbar. Doch es ist längt 5 nach 12: Wir brauchen dringend eine grundlegenden Struktur- und Finanzreform der Pflege, damit wir endlich vor die Krise kommen. Die aktuelle DEVAP-Umfrage hat die dramatische Situation bestätigt. Wir brauchen Mut auf allen Ebenen und müssen die Pflege gesamtgesellschaftlich in den Blick nehmen, damit dieser großartige Beruf weiterhin attraktiv bleibt.“

Andrea U. Asch, Vorständin der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: „Pflegekräfte und pflegende Angehörige fühlen sich von der Politik nicht gesehen. Sie leiden unter Belastungen, die sich seit Jahren angestaut haben. Ein gravierender Personalmangel in den Pflegeeinrichtungen, Tausende Pflegebedürftige, die auf Sozialhilfe angewiesen sind: Symptome für das Versagen der Politik, während die Pflegekassen in Berlin und Brandenburg die Krise aktiv verstärken. In den laufenden Verhandlungen über bessere finanzielle Bedingungen für die Pflegeeinrichtungen glänzen sie mit Untätigkeit und schieben Personalnot vor. Alle müssen jetzt verstehen: Wer die schwarze Null will, bekommt im Alter null Pflege.“

Pressefotos stehen am 12.05. ab 13 Uhr zur Verfügung: https://timflavor.lightfolio.com/gallery/devap2023

Weitere Informationen:

Umfrage von Diakonie und DEVAP: Vier von fünf Pflegeeinrichtungen müssen Angebote einschränken – 89 Prozent der Pflegedienste mussten bereits neue Pflegekunden ablehnen: https://www.diakonie.de/pressemeldungen/umfrage-von-diakonie-und-devap-vier-von-fuenf-pflegeeinrichtungen-muessen-angebote-einschraenken-89-prozent-der-pflegedienste-mussten-bereits-neue-pflegekunden-ablehnen

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 12.05.2023

eaf beurteilt Entlastung von Familien im PUEG als unzureichend

Der Entwurf des Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes (PUEG) der Bunderegierung bleibt leider hinter den Möglichkeiten zurück, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Familienentlastung in der Pflegeversicherung bietet.

„Eltern tragen durch die Erziehung von Kindern zur Stabilität des Pflegesystems bei, denn ihre Kinder zahlen zukünftig nicht nur Beiträge zur Pflegeversicherung, sondern sind auch – privat oder beruflich – die Pflegenden der Zukunft“, so Prof. Martin Bujard, Präsident der evangelischen arbeitsgemeinschaft familie (eaf). „Die Pflegereformen sind notwendig, da die Relation von Beitragszahlenden und Empfängern sich aus demografischen Gründen erheblich verschlechtert. Wobei gerade kinderreiche Familien hier zu einer Reduzierung der Probleme beitragen.“ Aus diesem Grund ist die eaf der Ansicht, dass auch bei mehr als fünf Kindern jedes weitere Kind zu weiteren Beitragsentlastungen führen sollte.

Zudem begrenzt der Gesetzesentwurf die Beitragsentlastung pro Kind auf die aktive Er­ziehungsphase. Dies kritisiert Professor Martin Bujard: „Aus dem Gleichstellungsbericht wissen wir, dass die Folgen der Erwerbsreduktion zugunsten der Kindererziehung ein Leben lang nachwirken: Auch ein nur vorübergehender Ausstieg aus der Erwerbsarbeit oder eine länger andauernde Teilzeitbeschäftigung lassen sich im Verlauf der Erwerbsbiografie kaum mehr kompensieren und führen in der Regel zu einer geringeren Altersversorgung. Für die eaf ist deshalb klar: Die Beitragsabschläge pro Kind müssen lebenslang gewährt werden.“

Zur Stellungnahme

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V. eaf vom 09.05.2023

Der Familienbund der Katholiken kritisiert die geplante Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Entlastung von Familien bei den Pflegeversicherungsbeiträgen. Die Entlastung ist unausgewogen gestaffelt und zu niedrig. Als angemessene Berücksichtigung der Leistungen der Familien für die Pflegeversicherung befürwortet der Familienbund einen Kinderfreibetrag analog zum Steuerrecht. 

Anlässlich der heutigen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages zum Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG)  kritisiert der Präsident des Familienbunds, Ulrich Hoffmann, das Regierungskonzept zur Entlastung von Familien: „Jedes Kind ist ein wichtiger Beitrag für die Zukunft der Pflegeversicherung. Daher leuchtet es nicht ein, warum die Entlastung pro Kind so unterschiedlich sein soll. Das erste Kind soll durch den Wegfall des Kinderlosenzuschlages zu einer lebenslangen Beitragsentlastung um 0,6 Prozentpunkte führen. Für die weiteren Kinder soll es nur noch eine bis zum 25. Lebensjahr begrenzte Entlastung um jeweils 0,25 Prozentpunkte geben. Und ab dem sechsten Kind soll es gar keine weitere Entlastung mehr geben. Hier gibt es eine Schlagseite zu Lasten von Mehrkindfamilien. Dabei sind gerade diese wichtig, damit die Pflegeversicherung auch in Zukunft funktioniert und finanzierbar bleibt. Es muss daher für alle Kinder eine angemessene Entlastung geben.“

Der Gesetzgeber ist durch die vom Familienbund der Katholiken und dem Deutschen Familienverband erstrittene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 verpflichtet, Familien bei den Pflegeversicherungsbeiträgen differenziert nach der Kinderzahl zu entlasten. Mit dieser Entscheidung bestätigten die Karlsruher Richter ihre im Jahr 2001 getroffene Entscheidung, dass Familien mit der Kindererziehung einen „generativen Beitrag“ für die Pflegeversicherung erbringen und daher bei den Pflegeversicherungsbeiträgen entlastet werden müssen.

Nach Auffassung des Familienbundes sollte der Gesetzgeber den Kinderlosenzuschlag abschaffen und auf einen einheitlichen Pflegeversicherungsbeitrag mit Kinderfreibeträgen für Familien analog zum Steuerrecht umstellen. Ulrich Hoffman weist darauf hin, dass der Kinderlosenzuschlag verdecke, worum es bei der Anerkennung des generativen Beitrages von Familien eigentlich gehe: „Es geht nicht um die zusätzliche Belastung von Kinderlosen, sondern um die Entlastung von Familien, weil diese durch die Kindererziehung einen weiteren, kostenaufwendigen Beitrag für die Pflegeversicherung erbringen. Die Erziehung zukünftiger Beitragszahlender kommt allen Versicherten zugute.“

Ein Kinderfreibetrag in der Pflegeversicherung hätte gegenüber einer prozentualen Entlastung von Familien den Vorteil, dass er für alle Familien die gleiche Entlastungswirkung hätte. Familien hätten pro Kind monatlich rund 30 Euro (inklusive Arbeitgeberbeitrag) bzw. 16 Euro (nur Arbeitnehmerbeitrag) mehr zur Verfügung. Dagegen würden Familien mit einem durchschnittlichen Bruttojahreseinkommen der gesetzlichen Rentenversicherung (2022: 38.901 Euro) nach dem aktuellen Gesetzentwurf nur eine monatliche Entlastung in Höhe von jeweils 8 Euro für die Kinder zwei bis fünf erhalten. Ulrich Hoffmann fordert daher mindestens eine Anhebung dieser Entlastung: „Wenn der Gesetzgeber bei der prozentualen Entlastung bleiben möchte, muss die Entlastung pro Kind mindestens 0,5 Prozentpunkte betragen, um Mehrkindfamilien mit Durchschnittseinkommen angemessen zu unterstützen. Sie muss darüber hinaus für jedes Kind gezahlt werden – auch über das 5. Kind hinaus. Denn mit jedem Kind leisten Familien einen generativen Beitrag, der die Pflegeversicherung stützt und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass später Angehörige statt der öffentlichen Hand den Großteil der Pflege übernehmen.“

Weitere Informationen:

Der Familienbund ist am 10. Mai 2023 als Sachverständiger zur Anhörung in den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages eingeladen. Unsere aktuelle Stellungnahme zum Regierungsentwurf finden sie hier.

Eine Bewertung der geplanten Familienentlastung ist auch in unserer Verbandszeitschrift „Stimme der Familie“ (02/2023) erschienen (Stand: Referentenentwurf). Diese finden sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken, Bundesgeschäftsstelle vom 10.05.2023

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Staatssekretärin Gottstein stellt gleichstellungspolitische
Herausforderungen und Fortschritte vor CEDAW-Komitee vor

Die Staatsekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Margit Gottstein, präsentiert heute den 9. Staatenbericht zur Gleichstellungspolitik der Bundesrepublik Deutschland vor dem CEDAW-Komitee der Vereinten Nationen (VN) in Genf. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women – CEDAW) wurde 1979 von den Vereinten Nationen verabschiedet. Mit dem Staatenbericht erfüllt Deutschland seine Verpflichtung aus dem Frauenrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, regelmäßig über die Umsetzung von Frauenrechten zu berichten.

Staatssekretärin Margit Gottstein: „Wir haben das Jahrzehnt der Gleichstellung ausgerufen und wollen bis 2030 echte Fortschritte erreichen. Diese Bundesregierung ist die erste, die die Umsetzung der Frauenrechtskonvention in ihrem Koalitionsvertrag verankert hat. Wir bekennen uns damit ausdrücklich zu diesem wichtigen Abkommen. Auch große Herausforderungen wie die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, Klimawandel, Wirtschaftskrisen oder der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dürfen uns nicht davon abhalten, Gleichstellung aktiv zu verfolgen. Im Gegenteil: Auch und gerade in diesen Zeiten wollen wir Gleichstellung in allen Bereichen voranbringen. Wenn wir Toleranz leben und Stereotypen abbauen wollen, spielt Gleichstellung eine entscheidende Rolle. Gleichstellungspolitik muss daher intersektional ausgerichtet sein. Dazu bekennt sich die Bundesregierung.“

Vor dem Komitee hat die deutsche Delegation auch die Pläne der Bundesregierung zur Weiterentwicklung des Entgeltgleichheitsgesetzes sowie zur weiteren Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst vorgestellt. Weitere Themen waren die Maßnahmen zur partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit, die Berufung einer Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin zur Prüfung der Frage, inwieweit der Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafrechts geregelt werden kann, sowie das geplante Gesetz für Schutz und Beratung bei Gewalt, das einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung und den Ausbau und die Finanzierung von Schutzeinrichtungen und Fachberatungsstellen zum Ziel hat.

Der 9. Staatenbericht wurde dem CEDAW-Komitee im Juli 2021 vorgelegt und umfasst den Berichtszeitraum 2017 bis 2021. Er erläutert, welche Maßnahmen Bund und Länder in diesem Zeitraum zur Umsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern getroffen haben.

Alle Dokumente und Informationen zum Staatenberichtsverfahren einschließlich der Parallelberichte der Zivilgesellschaft finden Sie unter: 

https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/treatybodyexternal/TBSearch.aspx?Lang=en&TreatyID=3&CountryID=66

https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/treatybodyexternal/SessionDetails1.aspx?SessionID=2648&Lang=en

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 11.05.2023

Rund 1.000 Teilnehmende entwickeln Ideen für jugendgerechte Politik

Bundesjugendministerin Lisa Paus eröffnet heute die 4. JugendPolitikTage in Berlin. Unter dem Motto „Politik ohne Jugend ist wie Gegenwart ohne Zukunft“ werden rund 1.000 junge Menschen aus ganz Deutschland vier Tage lang Ideen für eine jugendgerechtere Politik entwickeln und mit Vertreter*innen der Bundesregierung und der Zivilgesellschaft diskutieren.

Bundesministerin Lisa Paus: „Ich schätze die JugendPolitikTage als einen Ort, an dem die Fragen dieser Zeit besprochen werden, an dem unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen, an dem auch gestritten wird. Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig miteinander im Gespräch zu sein, das hilft, die aktuellen Herausforderungen zu benennen und zu bewältigen. Mir ist wichtig, mich mit jungen Menschen auszutauschen. Besonders in den Zeiten der Pandemie hatten viele Kinder und Jugendliche das Gefühl, dass sie nicht gehört und ihre Bedürfnisse und Belange ignoriert werden. Das muss ein Ende haben. Um Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu geben, habe ich auch das Bündnis für die junge Generation ins Leben gerufen. Die Bundesregierung hat außerdem das Wahlalter für die Europawahlen auf 16 Jahre gesenkt. Ich setze mich außerdem dafür ein, dass 16-Jährige künftig auch bei Bundestagswahlen abstimmen dürfen. Junge Menschen haben ein Recht darauf, nicht nur wahr- sondern ernstgenommen zu werden.“

Nach der Eröffnungsrede diskutiert Bundesministerin Paus mit Teilnehmenden, anschließend besucht sie mit Bundeskanzler Olaf Scholz das Jugendmedienzentrum und tauscht sich mit Jungjournalist*innen aus.

Die JugendPolitikTage bieten verschiedene Diskussionspanels und rund 40 Workshops mit Themen wie Frieden in Europa, psychische Gesundheit, Jugendbeteiligung, sexuelle Selbstbestimmung oder nachhaltige Klimapolitik. Die JugendPolitikTage finden alle zwei Jahre statt. Sie werden von der Jugendpresse Deutschland veranstaltet und durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Weitere Informationen unter https://jugendpolitiktage.de/

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 11.05.2023

Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes veröffentlicht

Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sollen künftig die Möglichkeit haben, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen durch eine Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen. Die Vorlage eines ärztlichen Attests oder die Einholung von Gutachten in einem Gerichtsverfahren sollen nicht länger erforderlich sein. Dies sieht der Entwurf für ein Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag vor, den das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das Bundesministerium der Justiz (BMJ) heute veröffentlicht haben. Das Gesetz soll das Transsexuellengesetz von 1980 ablösen, das in wesentlichen Teilen verfassungswidrig ist.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus erklärt dazu: „Wir sind mit dem Selbstbestimmungsgesetz erneut einen großen Schritt vorangekommen – und damit auch beim Schutz vor Diskriminierung und den Rechten trans- und intergeschlechtlicher und nichtbinärer Menschen. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz führen wir eine einfache und einheitliche Regelung für die Änderung des Geschlechtseintrages ein. So geben wir den Betroffenen einen Teil ihrer Würde zurück, die ihnen von Staats wegen jahrzehntelang vorenthalten wurde. Mit der nun eingeleiteten Verbändeanhörung ist die Möglichkeit gegeben, die Stellungnahmen aus der Community einzuholen.“

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu: „Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein langgehegter Wunsch vieler – und ein Vorhaben ganz im Geist unserer Verfassung. Denn das Freiheitsversprechen des Grundgesetzes umfasst auch die geschlechtliche Selbstbestimmung. Wir ermöglichen nun, dass betroffene Menschen ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern lassen können, wenn dieser nicht ihrer Identität entspricht. Genau um diese Freiheit geht es uns: Trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Personen sollen nicht länger entwürdigende Verfahren durchlaufen müssen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag ändern lassen wollen. Andere liberale Rechtsordnungen haben längst ähnliche Regelungen. Wenn wir hierzu aufschließen, dann ist das nur angemessen. Die überfällige Besserstellung von Personen, deren Geschlechtsidentität vom Geschlechtseintrag abweicht, geht nicht zu Lasten anderer Menschen. Der Entwurf wahrt Hausrecht und Privatautonomie – und lässt Raum für sachgerechte Differenzierungen. Ich bin überzeugt: Wir haben damit eine Lösung gefunden, die eine Chance hat auf breite gesellschaftliche Zustimmung. Transgeschlechtliche Menschen sind schon viel zu lange betroffen von Diskriminierung und würdeloser Behandlung – diesen Zustand werden wir endlich hinter uns lassen.“

Der Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz in Bezug auf den Geschlechtseintrag wurde von beiden Ministerien auf Grundlage des Eckpunktepapiers erarbeitet, das im Juni 2022 vorgelegt wurde. Der Gesetzentwurf bezieht sich auf die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen im Personenstandsregister. Er trifft keine Regelung zu geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen, es bleibt bei den einschlägigen medizinischen Regelungen und Leitlinien.

Die wesentlichen Regelungsinhalte des Gesetzentwurfs sind:

  • Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen durch „Erklärung mit Eigenversicherung“: Um eine Änderung ihres Geschlechtseintrags und ihres Vornamens im Personenstandsregister zu bewirken, sollen trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen künftig kein gerichtliches Verfahren mehr durchlaufen müssen. Auch die Einholung von Sachverständigengutachten soll keine Voraussetzung mehr für eine Änderung sein. Ausreichend hierfür soll vielmehr eine sogenannte „Erklärung mit Eigenversicherung“ gegenüber dem Standesamt sein. In der Erklärung hat die antragstellende Person zu versichern, dass die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht und ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist.
  • Drei-Monats-Frist für die Wirksamkeit: Die Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen soll drei Monate nach der Erklärung gegenüber dem Standesamt wirksam werden.
  • Einjährige Sperrfrist für erneute Änderung: Für eine erneute Änderung soll eine Sperrfrist von einem Jahr nach Wirksamkeit der vorherigen Änderungserklärung gelten.
  • Für Minderjährige sollen folgende Regelungen gelten:
    • Für Minderjährige bis 14 Jahren geben die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung ab.
    • Minderjährige ab 14 Jahre sollen die Änderungserklärung selbst abgeben können. Deren Wirksamkeit soll allerdings die Zustimmung der Sorgeberechtigten voraussetzen. Die Zustimmung soll durch das Familiengericht ersetzt werden können. Maßstab dabei soll das Kindeswohl sein.
  • Eintragung als „Elternteil“ in der Geburtsurkunde: Personen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, soll die Eintragung „Elternteil“ in der Geburtsurkunde ihrer Kinder ermöglicht werden.
  • Offenbarungsverbot: Um Personen vor einem Zwangsouting zu schützen, soll es – ähnlich wie im geltenden Recht – auch künftig verboten sein, frühere Geschlechtseinträge oder Vornamen auszuforschen und zu offenbaren. Wird eine betroffene Person durch die Offenbarung absichtlich geschädigt, so soll der Verstoß bußgeldbewehrt sein. Ein generelles Verbot des sogenannten „Misgenderns“ oder „Deadnamings“ ist im Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz nicht geregelt.
  • Hausrecht und Zugang zu geschützten Räumlichkeiten: Das Selbstbestimmungsgesetz lässt das private Hausrecht unberührt, wie der Gesetzestext klarstellt, ebenso das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Hinsichtlich des Zugangs zu geschützten Räumen wird sich durch das Selbstbestimmungsgesetz also nichts ändern. Was heute im Rechtsverkehr zulässig ist, das ist auch künftig zulässig, was heute verboten ist, bleibt verboten. Auch die Autonomie des Sports soll durch das Gesetz nicht angetastet werden.

Der Entwurf wurde heute an Länder und Verbände verschickt und auf der Internetseite beider Ministerien veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 30. Mai 2023 Stellung zu nehmen. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, werden die Stellungnahmen ebenfalls auf den Internetseiten von BMFSFJ und BMJ veröffentlicht.

Den Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) finden Sie hier: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/gesetz-ueber-die-selbstbestimmung-in-bezug-auf-den-geschlechtseintrag-sbgg–224546

Ein FAQ-Dokument finden Sie hier: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/gleichgeschlechtliche-lebensweisen-geschlechtsidentitaet/gesetz-ueber-die-selbstbestimmung-in-bezug-auf-den-geschlechtseintrag-sbgg–199332

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 09.05.2023

Zur heutigen Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung Ganztag durch die Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung:

Mit dem heutigen Start des Investitionsprogramms zeigen wir Kindern und Familien in diesem Land, dass wir in ihre Zukunft investieren. Als Bündnisgrüne ist es uns wichtig, die Länder dabei zu unterstützen, die Ganztagsbildung flächendeckend auszubauen.

Die gestern veröffentlichte Iglu-Studie zeigt, wie wichtig die Investition in die Bildung unserer Kinder ist. Es darf nicht sein, dass ein Viertel unserer Viertklässler gravierende Probleme beim Lesen hat. Die Ganztagsbildung ist ein zentraler Schritt, um den Bildungserfolg unserer Kinder endlich stärker von der Herkunft zu entkoppeln.

Ergänzende Maßnahmen müssen folgen. Der wichtigste nächste Schritt ist die Einigung auf die gemeinsamen Eckpunkte für das Startchancenprogramm. Es ist uns ein zentrales Anliegen, gezielt Schulen in benachteiligten Quartieren und Regionen zu unterstützen. Wir werden massiv in marode Schulinfrastruktur und neue Stellen für Schulsozialarbeit investieren. Bildung ist die größte Ressource für Chancengerechtigkeit.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 17.05.2023

Zum 12. Jahrestag der Unterzeichnung Deutschlands der Istanbul-Konvention (11.05.2011) erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik, und Denise Loop, Obfrau im Familienausschuss:

Vor bereits 12 Jahren hat Deutschland die Istanbul-Konvention, die europäische Konvention zum Schutz aller von Gewalt betroffenen Mädchen und Frauen, unterzeichnet. Nach jahrelangen Versäumnissen der Vorgänger-Regierung haben wir uns als Ampel-Koalition zum Ziel gesetzt, die Umsetzung der Istanbul-Konvention und die hierfür notwendigen Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen gezielt und vorrangig anzugehen. Dafür haben wir bereits im letzten Jahr mit der erforderlichen Einrichtung einer staatlichen Koordinierungsstelle im BMFSFJ einen wichtigen und zentralen Schritt eingeleitet, um eine effektive und ressortübergreifende nationale Strategie im Bereich Gewaltschutz zu entwickeln und die Umsetzung zu koordinieren. Als völkerrechtlicher Vertrag verpflichtet uns diese wegweisende und umfassende Konvention, Gewaltschutz für Frauen und Kinder auf allen Ebenen umzusetzen.

Auch die Einrichtung der unabhängigen Berichterstattungsstellen zu geschlechtsspezifischer Gewalt und Menschenhandel im Deutschen Institut für Menschenrechte, welche für die Sammlung und Auswertung von Daten sowie zur unabhängigen Überwachung der Umsetzung der Konvention zuständig ist, haben wir in unserer Regierung bereits umgesetzt.

Seit Februar dieses Jahres sind auch endlich die Vorbehalte gegen Artikel 44 und 59 der Istanbul-Konvention ausgeräumt, sodass endlich ein uneingeschränkter Schutz für alle Frauen gilt, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Aufenthaltsstatus. Es muss gewährleistet werden, dass jede Frau Schutz erhält, die häusliche Gewalt erfährt.

Unabdingbar ist, die Frauenhäuser und Schutzplätze auszubauen und auf Bundesebene einen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung zu schaffen.

Im erweiterten Sinne gehört zum Gewaltschutz auch, dass alle Menschen  Zugang zu Verhütungsmitteln, Beratungsangeboten rund um Sexualität und Familienplanung sowie medizinischer Versorgung beim Schwangerschaftsabbruch haben. Wir wollen den Schutz vor Gewalt auf allen Ebenen sicherstellen.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 10.05.2023

Zur Veröffentlichung von „Leitplanken für die Reform des Abstammungsrechts“ seitens zivilgesellschaftlicher Fachverbände erklären Helge Limburg, Sprecher für Rechtspolitik, und Ulle Schauws, Sprecherin für Familienpolitik:

Dass nunmehr ein so breites zivilgesellschaftliches Bündnis abermals die Reform des Abstammungsrechts anmahnt, unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf in diesem Feld: es kann nicht sein, dass Kinder, die in queere Paarkonstellationen geboren werden, auch noch im Jahr 2023 nur einen rechtlichen Elternteil zugewiesen bekommen. Regenbogenfamilien sind noch immer dem aufwändigen und mitunter in die Intimsphäre eingreifenden Prozess der Stiefkindadoption ausgesetzt. Durch die versagte Anerkennung des zweiten Elternteils werden den betroffenen Kindern wichtige Absicherungen von der Staatsangehörigkeit bis zum Unterhaltsanspruch genommen. Das kann mitunter fatale Folgen haben: Sollte die gebärende Mutter beispielsweise bei der Geburt versterben, wäre das Kind nach aktueller Rechtslage Vollwaise. Hierin liegt eine massive Ungleichbehandlung gegenüber Kindern, die in heterosexuelle Konstellationen geboren werden und bei denen entweder eine automatische Anerkennung des zweiten Elternteils qua Ehe oder durch die Vaterschaftsanerkennung erfolgt. Dieser immer noch andauernde Zustand schürt Unsicherheit für die betroffenen lesbischen Paare und queeren Familien und ist ganz sicher nicht im Sinne des Kindeswohls.

Mittlerweile liegen sechs Fälle von Regenbogenfamilien vor dem Bundesverfassungsgericht. Erst diese Woche kam der sechste dazu. Als Ampelkoalition muss unser Anspruch im Sinne einer progressiven Rechts- und Familienpolitik sein, nicht erst dann zu handeln, wenn Karlsruhe dies aufgrund verfassungsrechtlich nicht mehr haltbarer Zustände anmahnt. Im Koalitionsvertrag haben wir deswegen verabredet, das Abstammungsrecht zu reformieren. Dafür braucht es nun eine zügige und verfassungsrechtlich tragfähige Novelle. Damit stellen wir das Kindeswohl in den Mittelpunkt und bauen rechtliche Diskriminierung von Regenbogenfamilien ab.

Die im Bündnis vertretenen Organisationen haben maßgeblich dazu beigetragen, die Politik und Öffentlichkeit für die bestehenden Missstände im Abstammungsrecht zu sensibilisieren. Dafür gebühren ihnen unser Lob und unsere Anerkennung. Nun ist es an uns, das im Koalitionsvertrag verankerte Versprechen einzulösen.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 05.05.2023

„Gut ein Drittel der Studierenden sind in einer finanziell prekären Situation. Hinzu kommen zu hohe Mieten oder die verzweifelte Suche nach bezahlbarem Wohnraum und hohe psychische Belastungen. Da ist es wirklich unbegreiflich, wie die Bundesregierung wichtige Reformen zur Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden immer wieder verschleppt“, erklärt Nicole Gohlke zu der heute veröffentlichten 22. Sozialerhebung zur sozialen Lage der Studierenden des Deutschen Studierendenwerks. Die stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin für Bildung und Wissenschaft der Fraktion DIE LINKE weiter:

„Die Bundesregierung redet sich die Welt lieber schön, anstatt endlich eine umfassende BAföG-Reform vorzulegen, die die gestiegenen Lebenshaltungskosten mitberücksichtigt und einen breiteren Kreis erreicht. Das Programm ‚Junges Wohnen‘ muss an die tatsächlichen Bedarfe angepasst und verstetigt werden. Die große Lücke der Wohnraumversorgung für Studierende muss endlich geschlossen werden. Auch die psychosoziale Beratung muss schleunigst ausgebaut werden.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 24.05.2023

Queere Menschen erfahren weltweit Verletzungen ihrer Menschenrechte, darauf haben Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwochnachmittag aufmerksam gemacht und für ein stärkeres LGBTIQ-Engagement in der Außen- und Entwicklungspolitik plädiert.

In mindestens 67 Staaten weltweit würden Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Inter-Personen auf unterschiedlichste Weise kriminalisiert, sagte Julia Ehrt, Geschäftsführerin der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA World). Die Strafen reichten von Geldstrafen über körperliche Züchtigungen bis hin zu Haftstrafen. „Einige Länder verhängen auch die Todesstrafe, einige wenige vollstrecken sie auch regelmäßig“, so Ehrt. Die Expertin hob hervor, dass queere Menschen nicht nur für sexuelle Handlungen kriminalisiert würden, sondern bereits aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und ihres Geschlechtsausdrucks. Häufig seien LGBTI-Personen Polizeimissbrauch und Misshandlungen ausgesetzt. Durch die Kriminalisierung legitimierten Staaten gesellschaftliche Diskriminierung, das habe Einfluss „auf alle Bereiche des Lebens“.

Das bestätigte Mikhail Tumasov, ehemaliger Vorsitzender des Russian LGBT Network, der über die Situation der LGBTIQ-Gemeinschaft in Russland berichtete. Das „Anti-Homosexuellen-Propaganda Gesetz“, verabschiedet im Dezember 2022, habe Russland „Raum für einen Krieg gegen die Community“ gegeben. Ziel des Gesetzes sei nicht, die russische Gesellschaft vor den angeblich negativen Auswirkungen liberaler, westlicher Werte zu schützen, sondern Gewalt und Hassverbrechen gegen sexuelle Minderheiten zu schüren, so der Experte in seiner Stellungnahme. Laut einem Bericht von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International hätten die Übergriffe nach Verabschiedung des Gesetzes erheblich zugenommen.

Trotz Fortschritten hinsichtlich der rechtlichen Situation von queeren Menschen in Europa sah Philipp Braun, Mitglied des Vorstands des Lesben- und Schwulen Verbands in Deutschland (LSVD), die Lage der LGBTIQ-Community weltweit insgesamt mit Sorge: Die Menschenrechte von queeren Menschen stünden weltweit vermehrt unter Druck, so der Sachverständige.

Sarah Kohrt, Projektleiterin der LGBTI-Plattform Menschenrechte der Hirschfeld-Eddy-Stiftung, begrüßte zwar, dass sich die Bundesregierung Leitlinien für eine feministische Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit gegeben habe. Doch sie müssten jetzt auch auf „allen Ebenen in politisches Handeln übersetzt werden“, so die Mahnung der Expertin. Es brauche eine enge, kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Partnerländern und eine Auseinandersetzung mit der Kolonial- und Missionsgeschichte. Vor allem aber müsse das Konzept finanziell unterlegt werden – das sei bislang nicht passiert, monierte Kohrt. Deutschland sei eines der wichtigsten Geberländer weltweit. Doch in LGBTIQ-Projekte fließe nur ein sehr geringer Teil der Gelder. Anders sei das etwa in den Niederlanden oder in Schweden.

Die Aktivistin Marlize Andre lenkte den Blick auf die Lage der LGBTIQ-Gemeinschaft in Afrika, wo in Uganda das Parlament zuletzt eine Verschärfung des Anti-Homosexuellen-Gesetzes mit drakonischen Strafen beschlossen hat. Kein Einzelfall: Auch in anderen Ländern des globalen Südens gebe es Gesetze gegen Homosexualität, die Relikte aus der Kolonialzeit seien. Davor dürfe man nicht länger die Augen verschließen, forderte Andre. Menschen, die vor solcher Unterdrückung nach Deutschland flöhen, bräuchten zudem besondere Unterstützung. Zum Beispiel fehle es auch hierzulande an Angeboten, um Gesundheitsversorgung für queere Menschen leichter zugänglich zu machen. Experten zufolge meiden diese aufgrund von Diskriminierungserfahrungen oft das Gesundheitssystem, obwohl sie oft einen höheren Bedarf haben.

Die Bedeutung von Safe Houses für geflüchtete LGBTIQ-Personen, betonte Alexander Vogt, Bundesvorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union (LSU). In Asylbewerberunterkünften seien die Menschen vor erneuter Diskriminierung nicht sicher, da die „übrigen Bewohner in gesellschaftspolitischen Fragen nicht unbedingt liberale Werte vertreten, wenn sie aus muslimisch oder anderen traditionell geprägten Gesellschaften kommen“, so der Sachverständige. Inzwischen gebe es zwar in einigen deutschen Städten wie Frankfurt am Main oder Nürnberg solche separaten Unterkünfte, doch gebe es zu wenige Plätze.

Auch der Publizist David Berger beklagte in seiner schriftlichen Stellungnahme, „eine enorme Zunahme der Gewalt gerade in großen Städten“ gegen transsexuelle und homosexuelle Menschen. Den Blick auf dieses Problem verstellten jedoch „queer-ideologischer Schwurbeleien“. Politik und Gesellschaft warf er vor, gleichgültig auf Verbrechen wie die Messerattacke in Dresden auf ein schwules Paar im Oktober 2021 zu reagieren. Die „Überlebensinteressen homo- und transsexueller Menschen“ würden auf dem „Altar des Islam-Appeasements“ geopfert.

Als „sehr besorgniserregend“ bezeichnete der querpolitische Experte und Aktivist Fabian Grischkat die „globale Zunahme queerfeindlicher, antifeministischer und rechtspopulistischer Bewegungen“. Dieses Wachstum der international vernetzten Anti-Gender-Bewegung sei nicht zufällig, sondern werde seit Jahren strategisch koordiniert und finanziert. Teil davon seien „rechtsextreme Denkfabriken und korrupte Oligarchen“. Die Effekte der querfeindlicher Tendenzen könne man auch in Deutschland beobachten, warnte Grischkat mit Blick auf die Debatte um das geplante Selbstbestimmungsgesetz der Bundesregierung. „Radikalfeministinnen und Neue Rechte“ hätten den „Diskurs so verschoben“, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf radikal geändert worden sei.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 396 vom 24.05.2023

Einblick in die Kinderganztagsbetreuung in Deutschland als ein System am Limit, das die Nachfrage der gesetzlich Anspruchsberechtigten schon jetzt nicht mehr bedienen kann, gaben die Expertinnen und Experten im Fachgespräch des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema „Fachkräftemangel in den Kitas und Probleme beim Ausbau der Ganztagsbetreuung“ am Mittwochmittag.

Seit 37 Jahren sei sie nun als Erzieherin tätig, aber „so schlimm war es noch nie“, beschrieb Martina Meyer von der Bundesfachgruppe Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di die derzeitige Situation an den Kindertageseinrichtungen in Deutschland.

Die Personalentwicklung halte mit dem Ausbau des Systems – Rechtsansprüche, Qualitätsstandards, Neueröffnungen – nicht mehr Schritt. Auf fast 25.000 offene Stellen belaufe sich nach jüngsten Erhebungen der bundesweite Fachkräftemangel in dem Bereich. Und die Fachkräftelücke werde weiter wachsen. Mit dramatischen Folgen: Gruppen würden aufgestockt, Öffnungszeiten verkürzt, Bildungs- und Freizeitangebote entfielen. Und: Gebaute Einrichtungen könnten aufgrund des Fachkräftemangels nicht eröffnen, sagte Meyer. Ungeachtet dessen werde weiter gebaut.

Gleiches gelte für den Auf- und Ausbau der ganztägigen Bildung, Erziehung und Betreuung von Schulkindern, für die ab dem Schuljahr 2026/27 ein Rechtsanspruch für die Erstklässler bestehen soll. Durch die Personallücken einerseits, die noch durch Weggänge und eklatant hohe Krankenstände verschärft würden, sei es den Kitas unmöglich, ihren Betrieb den fachlichen Anforderungen der Bildungspläne und Ansprüchen der Eltern auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf entsprechend aufrecht zu erhalten.

Die Belastung der in den Einrichtungen verbleibenden Fachkräfte sei immens und steige weiter an, berichtete Meyer. Dieselbe Arbeit, ein Job mit hoher Verantwortung, höhere Standards und zu viel Verwaltungstätigkeit verteilten sich auf immer weniger Schultern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekämen zudem täglich Frust und Wut der Eltern zu spüren. „Wir sind davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren das derzeitige System die eigentlich notwendigen Kapazitäten nicht gewährleisten kann“, so die Verdi-Vertreterin.

Bund, Länder und Kommunen müssten einen Stufenplan erarbeiten, der die Stabilisierung des Systems sowie dessen qualitativen und quantitativen Ausbau sichere. Es brauche bundesweit einheitliche Standards für Personal, Ausbildung und Finanzierung. „Mindestens zehn Jahre“ werde es dauern, „um dieses System wieder stabil zu machen“, sagte die ehrenamtliche Gewerkschafterin, Erzieherin und Personalrätin.

„Das tue ich mir nicht mehr an“, sagten sich viele Erzieherinnen angesichts des Personalnotstands, der gestiegenen Arbeitsbelastung und der ihnen täglich entgegenschlagenden Unzufriedenheit der Eltern, und wechselten in einen anderen Job, berichtete Waltraud Weegmann vom Deutschen Kitaverband, Bundesverband freier unabhängiger Träger von Kindertagesstätten e. V.

Kita-Erzieherin/Kita-Erzieher gehöre zu den Jobs mit der höchsten Burnout-Quote. Die Erzieherinnen und Erzieher liebten ihre Arbeit, stellten höchste Ansprüche an sich selbst und seien dabei mit den Anforderungen und Defiziten eines expandierenden Systems sowie den gestiegenen Ansprüchen der Eltern konfrontiert. „Wir verlieren immer mehr Menschen aus dem System“, das doch eigentlich im Aufbau sei, so Weegmann

In dem Berufsfeld herrsche Vollbeschäftigung. Zehn Prozent der Stellen in den Kitas seien unbesetzt. Der Personalnot begegneten viele mit ganztägigen Schließungen. Fast 60 Prozent der Bildungsaktivitäten für die Kinder hätten im Schnitt eingestellt werden müssen. „Und die Situation verschärft sich täglich“, sagte Weegmann. Die genannten Zahlen datierten aus dem Jahr 2022. Heute sehe es vermutlich noch drastischer aus. Die Vergütung in der Branche – „Dreieinhalbtausend als Einstiegsgehalt“ – bezeichnete Weegmann als attraktiv. Und insgesamt: „Wir müssen den Beruf gut reden, nicht schlecht.“

Weegmann warb für ein „gemeinsames Verständnis“ der aktuellen problematischen Situation, die man gemeinsam lösen müsse. Es gehe darum, die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen, das System durchlässiger für Quereinsteiger zu machen und ausländische Fachkräfte schneller einzubinden. Sie wisse von britischen und spanischen Erziehern, die hierzulande arbeiten wollten, jedoch eineinhalb Jahre auf ihre Anerkennung hätten warten müssen.

Man brauche Personal aus allen Bereichen, von der pädagogischen Fachkraft bis hin zu Akademikern. Mit Vereinen aus den unterschiedlichsten Bereichen seien zudem Kooperationen einzugehen, um den Kindern attraktive Angebote machen, und dazu Fragen der rechtlichen Verantwortlichkeiten bei gemeinsamen Aktivitäten zu klären. Kita-Leitungen und Fachkräfte seien zudem dringend von Verwaltungstätigkeiten zu entlasten.

„Der Personalbedarf wird erheblich weiter steigen“, sagte auch Marc Elxnat, kommissarischer Leiter des Dezernats für Recht, Soziales, Bildung, Kultur und Sport des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Für die Kommunen als Träger zahlreicher Kitas werde es „immer schwieriger, familienfreundliche Öffnungszeiten anzubieten“.

830.000 Beschäftigte seien momentan deutschlandweit in den Kitas angestellt, es handele sich um einen sehr großen und dynamischen Bereich des Arbeitsmarktes. Von 2006 bis 2020 habe sich das pädagogische Personal verdoppelt. Je nach Bundesland habe man hohe Standards und Personalschlüssel, wie viele Kinder von wie vielen Fachkräften betreut und unterrichtet werden dürften. Zusätzlich zu mehr Personal benötige man aber auch noch mehr Einrichtungen.

Um die Probleme zu lösen, hätten sich Arbeitgeber, Gewerkschaften und Kommunen zusammengetan. Bund, Länder und Kommunen müssten nun ebenfalls gemeinsam handeln. Die Ausbildungskapazitäten müssten vergrößert werden, Auszubildende bereits eine Vergütung erhalten. Quereinsteigern und ausländischen Fachkräften sei der Einstieg zu erleichtern.

So wie es momentan laufe, könne man die sich aus den gestiegenen Rechtsansprüchen sich ergebenden Verpflichtungen nicht erfüllen, lautete das Fazit Elxnats. Einen Rechtsanspruch, den man nicht einhalten könne, schreibe man eigentlich besser nicht in ein Gesetz.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 393 vom 24.05.2023

Beim Mutterschutz sollen nichtselbständig und selbständig erwerbstätige Schwangere gleich behandelt werden. Dieser in einer öffentlichen Petition (ID 133680) erhobenen Forderung schließt sich der Petitionsausschuss an. In der Sitzung am Mittwoch verabschiedeten die Abgeordneten daher einstimmig eine Beschlussempfehlung an den Bundestag, die genannte Eingabe der Bundesregierung mit dem höchstmöglichen Votum „zur Berücksichtigung“ zu überweisen.

In der Petition, die schon in einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am 26. Oktober 2022 behandelt wurde, heißt es: Eine Schwangerschaft dürfe keine Existenzbedrohung für Selbständige darstellen oder zu einer Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt führen. Vor allem für Gründerinnen, Chefinnen, in investitionsintensiven Branchen Tätige und für Selbständige in körperlich arbeitenden Berufszweigen müssten Instrumente geschaffen werden, die schwangerschaftsbedingte Betriebsschließungen verhindern. Aus diesem Grund müssten die europarechtlichen Regelungen zum Mutterschutz selbständiger Frauen in Deutschland umgesetzt werden, schreibt die Petentin. Familie und berufliche Selbstentfaltung müssten geschlechtsunabhängig ermöglicht werden.

Gefordert wird daher, dass im Falle einer Krankschreibung aufgrund von Schwangerschaftsbeschwerden Krankentagegeld ab dem ersten Tag der Krankschreibung gezahlt wird. Auch dürfe es beim Krankengeld keine Abzüge geben, heißt es in der Eingabe. Das Krankengeld müsse auf der Grundlage der gezahlten Beträge und nicht auf der Grundlage des ausgefallenen Arbeitseinkommens berechnet werden.

Darüber hinaus sollten schwangere Selbständige nach Auffassung der Petentin einen voll bezahlten Mutterschutz genießen. Der schwangeren Selbständigen derzeit maximal gewährte Betrag, der überdies mit dem Krankengeld verrechnet werde, sei angesichts der laufenden privaten und betrieblichen Kosten völlig unzureichend, urteilt die Petentin.

Sie spricht sich des Weiteren dafür aus, im Hinblick auf die betriebliche Absicherung die Ausgleichszahlungen für werdende Mütter auf schwangere Selbständige in Berufen, in denen aufgrund der Arbeitsplatzbeschreibung das Beschäftigungsverbot für Angestellte greife, auszuweiten. Es müsse ein System aus Betriebshelfern nach dem Vorbild der Landwirtschaft eingerichtet werden, um Betrieben, in denen die Arbeitskraft der schwangeren Unternehmerin fehle, unbürokratisch und kostenfrei zu helfen.

„Dem Petitionsausschuss ist eine Stärkung der Gründerkultur ein herausragendes Anliegen“, heißt es in der Begründung zu der Beschlussempfehlung. Die Abgeordneten seien sich der zum Teil erheblichen, mit der Petition eindrucksvoll dargelegten Schwierigkeiten bewusst, denen insbesondere selbständige Frauen bei dem Versuch begegneten, eine berufliche Selbständigkeit, Schwangerschaft und Familie zu vereinbaren.

Eine gute Gründerkultur setzt nach Auffassung des Ausschusses zwingend voraus, dass Selbständigkeit, Schwangerschaft und eine gleichberechtigte Begleitung und Betreuung der eigenen Kinder sich nicht wechselseitig ausschließen. Dies sei auch eine Frage der sozialen wie ökonomischen Gleichstellung von Frauen, heißt es in der Vorlage. Von selbständigen Müttern gehe zudem ein wichtiges Signal für die Mädchen und Frauen aus, sich ihrerseits für eine berufliche Selbstständigkeit zu entscheiden.

Die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen würden den aufgezeigten Erfordernissen an eine moderne, die Bedürfnisse von Frauen, die sich für ein eigenes Kind entscheiden, Rechnung tragenden Gründerkultur „nur in eingeschränktem Maße gerecht“, befinden die Abgeordneten. Daher sei eine umfassende Überprüfung des Rechtsrahmens erforderlich.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 385 vom 24.05.2023

Die Situation von Müttern und Familien nach Fehl- und Totgeburten ist ein viel zu wenig beachtetes Thema und der Schutz der Mütter vor und nach der Geburt, egal wann und wie ein Kind zur Welt kommt, muss verbessert werden – darin waren sich die Expertinnen und Experten im Fachgespräch zum Thema „Sternenkinder“ des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Mittwochmittag einig.

Auch ein sehr früh geborenes und dann verstorbenes Kind „lebt im Herzen seiner Eltern weiter“. Wichtig sei, „dass das in Würde geschehen kann“, sagte Christoph Bührer, Präsident der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Er bezeichnete die Grenzwerte der geltenden Personenstandsgesetzgebung als wenig hilfreich. „Ein Kind“, das unterhalb der 24. Schwangerschaftswoche geboren werde, sei „genauso lebensfähig“. Die im Gesetz beschriebene „Gewichtsgrenze“ sei ebenso „unsinnig“. Die Mutter habe eine Beziehung zu ihrem Kind, auch wenn sie es noch nie oder nur durch das Ultraschallbild gesehen habe. Sie brauche einen angemessenen Rahmen, um mit dem Verlust nach einer Tot- oder Fehlgeburt fertig zu werden.

Nina Reitis von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und Gründerin der Initiative „Plötzlich SternenKindEltern“, unterstrich dies: „Jede Frau braucht Unterstützung und bestmöglichen Schutz nach der Geburt, unabhängig vom Geburtszeitraum.“ Reitis wies auf „einen Misstand im Mutterschutgesetz“ hin. Nach sogenannten „kleinen“ und „stillen Geburten“ habe eine Frau Anrecht auf eine Hebamme, nicht aber auf Mutterschutz. Die Zubilligung oder Aberkennung eines Schutzbedarfs je nach dem Zeitpunkt der Geburt eines Kindes müsse überwunden werden. Stattdessen brauche es in jedem Fall Mutterschutz, gestaffelt nach der Schwangerschaftswoche. Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten, bräuchten „Zeit für die körperliche Regeneration und Adaption an die neue Familiensituation“, müssten freiwillig und selbstbestimmt für eine gewisse Zeit ihre berufliche Tätigkeit ruhen lassen können ohne beim Arbeitgeber Nachteil zu erleiden. Das Thema müsse in der Gesellschaft sichtbarer gemacht werden. Mütter von Sternenkindern müssten wie alle anderen Mütter wertgeschätzt werden.

Dass Mütter nach einer Fehlgeburt am nächsten Morgen wieder ins Büro gehen müssten und nicht automatisch krankgeschrieben würden, deute auf ein strukturelles Problem hin, sagte Natascha Sagorski, Initiatorin der Petition „Gestaffelter Mutterschutz bei Fehlgeburten“ und Autorin aus München. Sie mahnte Handlungsbedarf an. Es ergehe vielen Frauen so. Sie trauerten stumm statt lautstark für ihr Anliegen zu werben. Es bestehe eine Gesetzeslücke, so Sagorski. Daher habe sie eine Petition gestartet für einen gestaffelten, freiwilligen Mutterschutz, der sich ab den ersten Schwangerschaftswochen sukzessive aufbaue und nicht von der Lebensfähigkeit des Kindes abhängig gemacht werde. Mit einer Staffelung gelte es, die harte Grenze und daraus resultierte Ungerechtigkeiten zu überwinden, die sich bislang aus Geburtszeitpunkt, Gewichtsangabe, Tot- oder Lebndgeburt ergäben. Die bisherige Praxis stehe auch in Widerspruch zum grundgesetzlich garantierten Schutz der Frauen und Mütter.

Physischer und psychischer Schutz solle jeder Gebärenden zukommen, auch bei einer Tot- oder Fehlgeburt, sagte Claudia Sprengel vom Netzwerk Sternenkinder Brandenburg. Durch die Schwangerschaft und Geburt werde eine Frau Mutter, Elternteil. Dies gelte es anzuerkennen. Um aus der Sprach- und Hilflosigkeit herauszukommen und die gesellschaftliche mit einer Fehlgeburt verbundene Stigmatisierung zu überwinden, habe sie das Netzwerk initiiert. Leider sei das Wissen um Hilfsangebote sehr unterschiedlich, es gebe oft keine ausreichende Unterstützung nach der Geburt, kaum Informationsmaterial direkt in den Kliniken. Die Hilfe für Mütter und Familien in einer solchen Situation dürfe kein Zufall oder ortsabhängig sein, sagte Sprengel. Die Betroffenen bräuchten flächendeckend, auch im ländlichen Raum, umfassende Unterstützung. Der gesetzliche Mutterschutz müsse ausgebaut werden. Dazu gelte es eine Expertinnengruppe einzurichten. Außerdem müsse die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert werden.

Für einen ganzheitlichen und präventiven Mutterschutz plädierte Marianne Weg vom Deutschen Juristinnenbund e.V. Die bisherige Gesetzeslücke gelte es durch eine gestaffelte Regelung im Sinne der Mütter zu schließen, ohne die Arbeitgeber aus dem Blick zu lassen. Für Mütter müssten adäquate, diskriminierungsfreie Bedingungen am Arbeitsplatz hergestellt werden, vor einer Geburt ebenso wie nach einer Fehlgeburt. Frauen müssten ihre Schwangerschaft ohne Angst beim Arbeitgeber anzeigen können, damit ihr Arbeitsplatz entsprechend umgestaltet werden könne. Auch nach einer Fehlgeburt wäre ein Beschäftigungsverbot wichtig. Mit einer guten betrieblichen Mutterschutzpraxis komme man der beruflichen Gleichstellung von Frauen näher. Das Europarecht gebe im Übrigen bereits einen besonderen Schutz von Frauen nach Fehlgeburten her, sagte die Expertin.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 347 vom 10.05.2023

Der Haushaltsausschuss hat in seiner Sitzung am Mittwochnachmittag einen Antrag der Fraktion Die Linke zur Einrichtung eines 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für Bildung (20/5821) abgelehnt. Bei Zustimmung der einbringenden Fraktion lehnten die Ausschussmitglieder der übrigen Fraktionen den Vorstoß ab.

In dem Antrag argumentiert die Fraktion unter anderem mit dem „immensen Sanierungsstau in der Bildung“. Dieser habe seine Ursache in der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, nach der der Bund nicht in den Schul- und Hochschulbau investieren dürfe. Die Finanzierung der Bildung müsse daher endlich als Gemeinschaftsaufgabe verstanden und als solche im Grundgesetz verankert werden, fordern die Linken über die Einrichtung eines Sondervermögens hinaus. „Wer 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr aufgelegt hat, muss sich angesichts des Zustandes des Bildungssystems fragen lassen, warum nicht gleichermaßen 100 Milliarden Euro Sondervermögen für Bildung bereitgestellt werden“, heißt es weiter.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 346 vom 10.05.2023

Der Petitionsausschuss setzt sich für die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ein. In der Sitzung am Mittwoch verabschiedete der Ausschuss einstimmig die Beschlussempfehlung an den Bundestag, eine entsprechende Petition dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit dem zweithöchsten Votum „zur Erwägung“ zu überweisen und sie den Fraktionen des Bundestages zur Kenntnis zu geben, „soweit es um die Fortentwicklung der Umsetzungsmaßnahmen des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, geht“.

In der Petition wird ein wirkungsvolles Programm zum Schutz von Frauen gegen Gewalt sowie die sofortige Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt gefordert. Zur Begründung wird auf die steigende Anzahl geschlechtsbedingter Tötungsdelikte an Mädchen und Frauen verwiesen. Die Taten beruhten im Wesentlichen auf männlicher Gewalt und seien durch Selbstüberhöhung beziehungsweise Frauenverachtung und eine fehlende Impulskontrolle gekennzeichnet, schreibt die Petentin. Die Kriminalitätszahlen zeigten, dass Deutschland beim Schutz von Frauen gegen Gewalt im internationalen Vergleich Nachholbedarf habe. Es fehle etwa an einer hinreichend differenzierten und transparenten bundeseinheitlichen Datenerfassung. Auch seien Defizite in der Strafgesetzgebung und bei der Strafzumessung zu verzeichnen.

Es sei daher erforderlich, dass der Bundestag einen dringenden Handlungsbedarf zu Femiziden auf allen Ebenen der Gesellschaft anerkenne und alle erforderlichen Mittel zur Akut-Bekämpfung sowie zur nachhaltigen Bewusstseinsänderung in der Gesellschaft bereitstelle. Zudem sei ein stringentes, an konkreten Ziel-Kennzahlen orientiertes Aktionsprogramm zu beschließen. Nicht nachvollziehbar sei, dass die Istanbul-Konvention in Deutschland nicht vollständig umgesetzt worden sei, obwohl deren Inkrafttreten bereits mehrere Jahre zurückliege, heißt es in der Petition.

In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung betont der Petitionsausschuss, dass ihm die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen „ein herausragend wichtiges Anliegen ist“. Zugleich bilde dieser Politikbereich seit Jahren einen langjährigen Tätigkeitsschwerpunkt sowohl des Bundestages als auch der Bundesregierung. „In Deutschland wird der Gewalt gegen Frauen und Mädchen auf allen staatlichen Ebenen durch ein umfangreiches Hilfe- und Unterstützungssystem entschieden begegnet“, schreiben die Abgeordneten. So seien zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen bereits zahlreiche gesetzgeberische Maßnahmen sowohl im straf- als auch im zivilrechtlichen Bereich ergriffen worden.

Was die mit der Petition bemängelte Datenlage anbelangt, so gelangt der Ausschuss zu der Feststellung, dass die Datenerhebung mit einer geänderten polizeilichen Kriminalstatistik weiterentwickelt worden sei. Neben der Erfassung aller der Polizei bekannt gewordenen strafrechtlichen Sachverhalte unter dem jeweiligen Straftatenschlüssel erfolge seitdem eine auf Bundesebene einheitliche Erfassung weiterer Angaben zu Tatverdächtigen, Opfern sowie zur Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung.

In Bezug auf die mit der Petition geforderte vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention merkt der Ausschuss an, dass die Konvention in Deutschland am 1. Februar 2018 in Kraft getreten sei. Gleichzeitig unterstreichen die Abgeordneten, „dass dies nach deutschem Verfassungsrecht nur möglich ist, wenn Deutschland schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens die Anforderungen der Konvention auch im nationalen Recht bereits erfüllt“. Ungeachtet dessen, so heißt es in der Beschlussempfehlung weiter, arbeiteten Bund, Länder und Kommunen im Rahmen ihrer verfassungsgemäßen Zuständigkeiten beständig daran, „den Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention weiter nachzukommen“.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 338 vom 10.05.2023

Die Fraktion Die Linke fordert die Bundesregierung in einem Antrag (20/6583) auf, eine Studie zur sozialen Lage von queeren Menschen zu beauftragen. Die Studie solle mit mindestens zwei Millionen Euro finanziert und deren Ergebnisse alle drei Jahre dem Bundestag vorgelegt werden.

Die Lebenswelt queerer Menschen sei bislang nur ungenügend erforscht, heißt es in dem Antrag. Um Gesetzesvorhaben und Unterstützungen künftig auch an die soziale Lebenslage von queeren Menschen anzupassen, sei es notwendig, beispielsweise mehr zu „Einkommen, Familienverhältnissen, Diskriminierungen, Einstellungen und Lebensstrategien“ zu erfahren.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 329 vom 04.05.2023

Die Fraktion Die Linke will wissen, wie viele Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die bei einem alleinerziehenden Elternteil leben, Anspruch auf Unterhaltszahlungen haben. Auch erkundigt sie sich in einer Kleinen Anfrage (20/6604) unter anderem danach, wie hoch der Anteil barunterhaltspflichtiger Eltern in Deutschland ist, die ihren Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 324 vom 02.05.2023

Mehrheit in Deutschland für staatliches Grundeinkommen ohne Verpflichtungen für Erwachsene – Analyse von zwei repräsentativen Umfragen zeigt, dass politische Zustimmung für Grundeinkommen vorhanden ist – Grundeinkommen sollte daher bei Reform der Sozialsysteme mitgedacht werden – Grundeinkommen kann Menschen unterstützen, wirtschaftliche Transformation in Klimakrise zu meistern 

Ungebrochen von Corona oder Krisen stimmt die Mehrheit der Deutschen einem bedingungslosen Grundeinkommen zu. Das ergeben zwei repräsentative Befragungen aus dem Sommer 2022, die Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Universität Konstanz durchgeführt und analysiert haben. Vor allem Menschen mit geringem Einkommen und großen Sorgen über die eigene wirtschaftliche Situation unterstützen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die Befragung von Wissenschaftlern der Uni Konstanz erlaubt durch Anwendung innovativer Umfragemethoden, die Bedeutung einzelner Aspekte eines fiktiven Grundeinkommens abzuschätzen. Demnach steigt die Zustimmung für ein Grundeinkommen, je höher es ausfällt – die größte Unterstützung hätten 1.200 Euro im Monat. Ebenso steigt die Unterstützung, wenn das bedingungslose Grundeinkommen an Deutsche oder Menschen, die länger als fünf Jahre in Deutschland leben, ausgezahlt würde. Zur Finanzierung eines Grundeinkommens unterstützen die meisten Befragten die Erhöhung von Einkommen- und Vermögensteuern. „Politisch ist das bedingungslose Grundeinkommen hoch umstritten, doch genießt es seit Jahren hohe Popularität in der Bevölkerung“, sagt Jürgen Schupp, Wissenschaftler in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) im DIW Berlin und einer der Autoren der Studie. „Die politische Zustimmung zum Grundeinkommen ist also vorhanden – es sollte daher in künftigen Debatten über die Transformation der Sozialsysteme berücksichtigt werden.“

Die Studie analysiert Zustimmung oder Ablehnung in Verbindung mit sozialen und demographischen Merkmalen wie Alter, Haushaltsnettoeinkommen oder auch Lebenszufriedenheit der Menschen. Sie wurden in einer repräsentativen Online-Erhebung unter Wahlberechtigten in Deutschland ermittelt. Vor allem jüngere Leute, Menschen mit niedrigem Einkommen oder geringer Lebenszufriedenheit befürworten demnach ein Grundeinkommen. Auffallend ist auch, dass vor allem Befragte mit großen Sorgen über Klima und Umwelt einem Grundeinkommen zustimmen.

Erstmalig analysiert die Studie die Präferenzen der Wohnbevölkerung in Deutschland zu einer möglichen Ausgestaltung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Dafür haben Marius R. Busemeyer (Universität Konstanz) und Adrian Rinscheid (Universitäten Nijmegen und Konstanz) die Daten einer zweiten repräsentativen Befragung von 4.500 Menschen zwischen 18 bis 84 Jahren in Deutschland mit verschiedenen Möglichkeiten eines Grundeinkommens verbunden. „Besonders interessant an den Ergebnissen ist, dass ein Grundeinkommen ohne weitere Bedingungen tatsächlich die beliebteste Option wäre,“ sagt Marius Busemeyer, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Konstanz und Sprecher des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“. Adrian Rinscheid, Assistenzprofessor für Umweltpolitik an der Universität Nijmegen und Gastforscher am Konstanzer Exzellenzcluster, ergänzt: „Unsere Ergebnisse zeigen außerdem, dass in der Bevölkerung durchaus Unterstützung für eine engagierte Umverteilungspolitik vorhanden ist.“

„Politisch ist das bedingungslose Grundeinkommen hoch umstritten, doch genießt es seit Jahren hohe Popularität in der Bevölkerung.“ Jürgen Schupp

Die Ergebnisse aus dem Sommer 2022 bestätigen die seit Jahren hohe Zustimmung in Deutschland zwischen 45 und 53 Prozent zum bedingungslosen Grundeinkommen. Am DIW Berlin läuft derzeit ein Pilotprojekt des Vereins Mein Grundeinkommen in Kooperation mit mehreren wissenschaftlichen Instituten wie dem DIW Berlin zu den individuellen Wirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens von 1.200 Euro pro Monat für die Dauer von drei Jahren. Die Ergebnisse werden im Sommer 2024 veröffentlicht. Studienleiter Jürgen Schupp: „Ein garantiertes Grundeinkommen könnte die Menschen in die Lage versetzen, aus einer stärkeren ökonomischen Position und größeren Verlässlichkeit künftige Herausforderungen zu bewältigen, die etwa in den Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels oder technologischen Umwälzungen am Arbeitsplatz ihre Ursachen haben.“

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vom 24.05.2023

DIW-Studie untersucht Arbeitsmarktintegration geflüchteter Frauen in Deutschland – Erwerbsbeteiligung steigt allmählich – Mangelnde Bildung und Sprachkenntnisse sowie traditionelle Rollenbilder hemmen Integration – Sprachförderung und Ausbildungsprogramme gezielt für geflüchtete Frauen mit Kindern müssen ausgebaut werden

Frauen mit Fluchthintergrund haben es schwer auf dem Weg in den Arbeitsmarkt, fassen dort aber immer besser Fuß. Ihre Erwerbsbeteiligung steigt langsam, liegt aber weiter auf einem niedrigen Niveau, wie aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervorgeht. Studienautorin Adriana Cardozo hat dafür Befragungen von Geflüchteten ausgewertet, die das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) im DIW Berlin vorgenommen haben. Befragt wurden geflüchtete Frauen, die zwischen 2013 und 2019 und damit auch zum Höhepunkt der Fluchtmigration 2015 nach Deutschland kamen.

Geflüchtete Frauen werden durch mehrere Faktoren ausgebremst

Gaben 2017 fünf Prozent der befragten erwerbsfähigen Frauen an, einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen, waren es 2020 bereits 13 Prozent. „Für geflüchtete Frauen ist es nach wie vor sehr schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden“, erläutert Ökonomin Adriana Cardozo. „Zu den Bremsfaktoren gehören das im Vergleich zur deutschen Bevölkerung geringere Bildungsniveau sowie mangelnde Deutschkenntnisse. Erschwerend hinzu kommen traditionelle Geschlechterrollen.“ Die meisten der befragten Geflüchteten stammen aus Syrien, Afghanistan, Irak, Iran und Eritrea – Ländern, in denen eher traditionelle Familienbilder vorherrschen.

Frauen mit Fluchthintergrund haben oftmals einen nur geringen Bildungsabschluss sowie keine oder nur geringe Berufserfahrung. Geflüchtete Männer verfügen zumeist über ein höheres Bildungsniveau und mehr berufliche Praxis. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Sprachkenntnissen. Geflüchtete Männer sprechen meistens besser Deutsch, weil sie mehr Zeit mit Sprachkursen verbringen konnten. Frauen können die Kursangebote hingen oft nicht nutzen, unter anderem weil Betreuungsangebote für ihre Kinder fehlen. „Hier zeigt sich deutlich, dass bei vielen Geflüchteten noch sehr traditionelle Rollenbilder vorherrschen“, so Cardozo. Die Männer besuchten die Sprach- und Integrationskurse, während die Frauen mit Haus- und Sorgearbeit beschäftigt seien. Später seien es dann auch eher die Männer, die zur Arbeit gingen und am Arbeitsplatz durch mehr Kontakte zu deutschen Muttersprachler*innen ihre Sprachkompetenz verbesserten. „Ein ermutigendes Zeichen ist aber, dass sich die Zahl der jungen Frauen in Bildungsprogrammen über die Jahre von 5,3 Prozent auf 17 Prozent mehr verdreifacht hat. Auch die Zahl der Frauen mit mittleren und guten Sprachkenntnissen wächst stetig.“

„Bei den geflüchteten Frauen liegt ein ungenutztes Arbeitskräftepotenzial“ Adriana Cardozo

Maßgeschneiderte Bildungsprogramme für geflüchtete Frauen

Genau hier setzt die Empfehlung der Studienautorin an: „Bei den geflüchteten Frauen liegt ein ungenutztes Arbeitskräftepotenzial“, bilanziert Cardozo. „Auch Frauen mit Fluchterfahrung können einen Beitrag leisten, den Arbeitskräftemangel in Deutschland zu beheben.“ Voraussetzung dafür sei der Ausbau bestehender Integrations- und Sprachprogramme, die zudem mehr auf die Bedürfnisse der Frauen zugeschnitten werden und etwa Betreuungsmöglichkeiten für Kinder stärker berücksichtigen müssten. Dies sei auch mit Blick auf die zahlreichen geflüchteten Frauen mit Kindern aus der Ukraine sinnvoll, die seit 2022 nach Deutschland kämen – zumeist ohne Begleitung ihrer Partner.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vom 10.05.2023

Die Inflationsrate in Deutschland ist im April gegenüber März nur wenig gesunken und war mit 7,2 Prozent weiterhin sehr hoch. Die sozialen Unterschiede bei der Teuerung haben sich spürbar verkleinert, sie machen gleichwohl noch fast zwei Prozentpunkte aus. So hatten Alleinlebende mit niedrigen Einkommen im April mit 8,1 Prozent die größte Inflationsbelastung zu tragen, Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 6,2 Prozent die niedrigste. Die soziale Spreizung bei der haushaltsspezifischen Inflation betrug damit 1,9 Prozentpunkte, nachdem es im März 2,4 Prozentpunkte waren. Dass ärmere Haushalte besonders stark durch die Inflation belastet sind, liegt daran, dass die nach wie vor wichtigsten Preistreiber, Haushaltsenergie und Nahrungsmittel, in ihren Warenkörben ein besonders hohes Gewicht haben. Allerdings hat die Preisdynamik bei diesen Gütern des Grundbedarfs gegenüber anderen Waren und Dienstleistungen zuletzt nachgelassen. Deshalb haben sich die Raten im April stärker angenähert als in den Vormonaten. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.* Die IMK-Inflationsexpertin Dr. Silke Tober und IMK-Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien berechnen darin seit Anfang 2022 jeden Monat die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen. Am größten war die soziale Differenz bei den Inflationsraten bislang im Oktober 2022 mit 3,1 Prozentpunkten.   

Eine überdurchschnittlich hohe Teuerungsrate mussten im April auch Familien mit niedrigen Einkommen schultern (7,6 Prozent). Sie hatten zwischen Februar 2022 und Februar 2023 durchgehend die höchste Inflationsbelastung unter allen Haushaltstypen aufgewiesen, in den ersten beiden Monaten 2023 zusammen mit einkommensarmen Alleinlebenden. Dass die ärmeren Familien nun nicht mehr ganz so stark hervorstechen, beruht auf zuletzt rückläufigen Kraftstoffpreisen. Diese schlagen sich rechnerisch im Ausgabenportfolio von Familien spürbar nieder. Arme Alleinstehende besitzen hingegen selten ein Auto, weshalb ihre Inflationsrate weniger zurückging.

Die übrigen untersuchten Haushaltstypen lagen im April bei oder relativ nahe an der allgemeinen Inflationsrate. Das gilt für Alleinerziehende sowie für Alleinlebende und kinderlose Paare mit jeweils mittleren Einkommen, die 7,2 Prozent bzw. 7,1 Prozent Teuerungsrate verzeichneten. Bei Familien mit mittleren Einkommen schlug die Inflation mit 7,0 Prozent zu Buche. Alleinlebende mit höherem Einkommen und Familien mit hohen Einkommen hatten Inflationsraten von 6,9 bzw. 6,8 Prozent (siehe auch die Informationen zur Methode unten und die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten).

Trotz des nachlassenden Drucks bei den Preisen für Haushaltsenergie und Lebensmitteln spielen diese Kostenfaktoren für Haushalte mit niedrigeren Einkommen weiterhin eine große Rolle, wie der Detailvergleich zeigt. Bei ärmeren Alleinlebenden trugen sie im April 5,5 Prozentpunkte zu 8,1 Prozent haushaltsspezifischer Inflationsrate bei. Bei Familien mit niedrigeren Einkommen summierten sie sich auf 5,2 Prozentpunkte, bei Familien mit zwei Kindern und mittleren Einkommen immerhin noch auf 3,9 Prozentpunkte. Das Problem wird vor allem für Haushalte mit niedrigen Einkommen dadurch verschärft, dass die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, kaum zu ersetzen sind und viele nur geringe finanzielle Rücklagen haben.

Bei Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen trugen Nahrungsmittel und Haushaltsenergie hingegen lediglich 2,2 Prozentpunkte zur Inflationsrate von 6,2 Prozent bei. Bei ihnen wie den Haushalten mit höheren Einkommen waren dagegen beispielsweise die deutlich gestiegenen Preise für Pauschalreisen ein spürbarer Faktor bei der spezifischen Teuerung.  

Für die kommenden Monate erwarten die Fachleute des IMK eine weitere leichte Entspannung bei der Preisentwicklung. Dullien und Tober rechnen damit, dass mittlerweile auch die sogenannte Kernrate der Inflation – die Teuerung ohne Energie und Nahrungsmittel – ihren Höhepunkt erreicht hat. Das liege daran, dass die Preisschocks bei der Energie die Produktions- und Transportkosten nahezu aller Güter und Dienstleistungen verteuert haben, was zeitversetzt geschieht. Dieser Prozess könnte aber weitgehend abgeschlossen sein, schätzen die Fachleute: Mittlerweile dürften die Preisschocks „weitgehend in der Kernrate enthalten sein, sodass bei hinreichendem Wettbewerb in den kommenden Monaten Entspannung und teilweise auch Preisrückgänge zu erwarten wären“, schreiben die Forschenden. Im Zuge dieser Normalisierung dürften sich auch die „teilweise überhöhten Gewinnmargen“ zurückbilden, die etliche Unternehmen im Windschatten von Lieferengpässen und allgemein starken Preissteigerungen aufgeschlagen haben.

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 12.05.2023, gekürzt

Die Vier-Tage-Woche wird öffentlich viel diskutiert. Positive Zwischenergebnisse von Pilotprojekten in Großbritannien haben Schlagzeilen gemacht: Beschäftigte sind mit der verkürzten Arbeitszeit produktiver, weniger gestresst und seltener krank. Auch in Deutschland halten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Verkürzung ihrer Arbeitswoche unter bestimmten Voraussetzungen für sinnvoll, zeigt eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Darin untersuchen Dr. Yvonne Lott vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Stiftung und Dr. Eike Windscheid auf Basis aktueller Befragungsdaten, ob Vollzeiterwerbstätige eine Vier-Tage-Woche möchten oder nicht, und aus welchen Gründen. Kernergebnis: Rund 81 Prozent der Vollzeiterwerbstätigen wünschen sich eine Vier-Tage-Woche mit entsprechend niedrigerer Wochenarbeitszeit. Knapp 73 Prozent geben dabei an, eine Arbeitszeitverkürzung nur bei gleichem Lohn zu wollen. Acht Prozent der Erwerbstätigen würden ihre Arbeitszeit auch reduzieren, wenn dadurch das Entgelt geringer ausfiel. 17 Prozent der Befragten lehnen eine Vier-Tage-Woche ab, zwei Prozent haben ihre Vollzeittätigkeit bereits auf vier Tage verteilt.

Die Befragten, die sich eine Vier-Tage-Woche wünschten, gaben an, mehr Zeit für sich selbst und für ihre Familie haben zu wollen (knapp 97 bzw. 89 Prozent; Mehrfachnennungen möglich). Lott und Windscheid schlussfolgern daraus, dass eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Beschäftigte einen sehr hohen Stellenwert hat und viele eine Vier-Tage-Woche als Instrument ansehen, das ihnen dabei hilft. Mehr Zeit für Hobbies, Sport und Ehrenamt möchten 87 Prozent der Befragten. Eine Vier-Tage-Woche könnte also auch dabei helfen, zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken, so die Forschenden. „Zeit für Muße hat damit einen besonderen Stellenwert für gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Stabilität von Demokratie.“ Rund 75 Prozent der Befragten möchten ihre Arbeitsbelastung verringern. Knapp 31 Prozent der Vollzeiterwerbstätigen möchten ihre Arbeitszeit aufgrund von gesundheitlichen Problemen verkürzen.

Wer eine Vier-Tage-Woche grundsätzlich ablehnt, hat sehr oft das Gefühl, dass sich an den Arbeitsabläufen nichts ändern würde (82 Prozent der 17 Prozent, die mit Nein geantwortet haben; auch hier waren Mehrfachantworten möglich) oder die Arbeit in kürzerer Zeit nicht zu schaffen wäre (rund 77 Prozent). Etwa 86 Prozent wollen ihre Arbeitszeit nicht verkürzen, weil sie Spaß an der Arbeit haben. Bei circa 69 Prozent der Befragten ohne Interesse kann die Arbeit nach eigener Einschätzung nicht einfach einen Tag ruhen. Knapp 38 Prozent lehnen eine Vier-Tage-Woche ab, weil sie häufig für Kollegen einspringen müssten, rund 34 Prozent haben das Gefühl, bei verkürzten Arbeitszeiten beruflich nicht voranzukommen.

Die Untersuchung basiert auf Daten von 2.575 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in Vollzeit arbeiten und vertraglich geregelte Arbeitszeiten haben. Sie nahmen im November 2022 an der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung teil. Das ist eine Online-Panelbefragung, bei der seit April 2020 in bislang neun Wellen Berufstätige zu ihrer Arbeits- und Lebenssituation befragt werden. Die Auswahl der Befragten basiert auf strukturellen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bundesland und Bildung. Deren Verteilung in der Stichprobe entspricht der Verteilung in der amtlichen Statistik, sodass die Ergebnisse repräsentativ für die deutsche Erwerbsbevölkerung sind.

Produktivitätsgewinne durch kürzere Arbeitszeiten

Dass die große Mehrheit der Vollzeitbeschäftigten sich eine Vier-Tage-Woche bei gleichbleibendem Lohn wünscht, ist nach Einschätzung der Forschenden keine grundsätzliche Hürde für eine Arbeitszeitverkürzung. Bisherige Forschung weist darauf hin, dass Arbeitnehmer bei einer Vier-Tage-Woche produktiver arbeiten, wodurch ein Lohnausgleich kompensiert werden könne, betonen Lott und Windscheid. „Insofern handelt es sich bei der Vier-Tage-Woche um ein Arbeitszeitarrangement, das nicht nur betriebliche Gewinne verspricht, sondern auch individuell breit favorisiert wird“, schreiben die Forschenden. „Eine Verbesserung der subjektiven Zeitautonomie stellt dabei zugleich als wichtiger Aspekt von Arbeitgeberattraktivität einen Mehrwert bei der Gewinnung von Fachkräften dar.“

Weitere Vorteile sehen Lott und Windscheid für die Gesellschaft insgesamt – darin, dass sich Beschäftigte besser regenerieren können, Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren und eher gesund bleiben. „Es spricht daher viel dafür, dass Entscheidungsträger*innen in Politik, bei den Sozialpartnern sowie in Betrieben das Modell der Vier-Tage-Woche als Instrument zur Behebung des Fachkräftemangels, zur Stabilisierung von Sozialkassen, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Gesunderhaltung von Beschäftigten in Erwägung ziehen und den verbreiteten Wunsch danach unter den Erwerbstätigen ernst nehmen sollten“, schreiben die Forschenden.
 
Jedoch müssen bei einer Vier-Tage-Woche auch die Arbeitsmenge und die Arbeitsabläufe angepasst werden. Ansonsten könnte sich eine Arbeitszeitverkürzung negativ auf die Motivation und das Wohlergehen der Beschäftigten auswirken. „Für eine wirkungsvolle Umsetzung braucht es verbindliche Vertretungsregelungen, mehr Personal sowie eine angepasste Arbeitsorganisation, z.B. Erreichbarkeitsregeln im Kundenkontakt, und eine verringerte Arbeitsmenge, z.B. durch Automatisierungsprozesse“, schreiben Lott und Windscheid. Ein weiterer wichtiger Punkt: Mehr und verlässliche öffentliche Kinderbetreuung sei auch dann nötig, wenn künftig deutlich mehr Beschäftigte vier Tage die Woche arbeiten.

Vorteile für Beschäftigte und betriebliche Voraussetzungen, WSI Policy Brief Nr. 79, Mai 2023

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 08.05.2023

Neueingestellte Frauen verdienen durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. Vergleicht man Frauen und Männer im gleichen Beruf mit ähnlichen individuellen Merkmalen lag der Unterschied bei rund 15 Prozent. Unter Berücksichtigung des geschlechtsspezifischen Bewerbungsverhaltens reduziert sich die bereinigte Verdienstlücke sogar um mehr als die Hälfte auf rund 7 Prozent. Dies zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die am Montag veröffentlicht wurde.

„Der Frauen bewarben sich seltener bei Betrieben mit höheren Löhnen und häufiger bei solchen mit niedrigeren Löhnen. Ihre Bewerbungsquote bei Hochlohnfirmen war um mehr als 25 Prozentpunkte niedriger als die der Männer. Bei den zehn Prozent der Betriebe mit den niedrigsten Löhnen bewarben sich im Mittel rund 55 Prozent Frauen und 45 Prozent Männer. 

Flexibilitätsanforderungen, die mit einer ausgeschriebenen Stelle einher gehen, beeinflussen das Bewerbungsverhalten. Bewerber*innen sind bereit, längere Pendelstrecken für besser bezahlte Stellen zurückzulegen. Außerdem erfordern höher bezahlte Stellen im Durchschnitt mehr Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit und beruflicher Mobilität. Mit zunehmenden Flexibilitätsanforderungen steigt der Anteil der Bewerbungen von Männern. Im Mittel bewarben sich etwa 30 Prozent Frauen auf Stellen mit häufigen Dienstreisen und wechselnden Arbeitsorten. Dagegen lag der Anteil der Bewerbungen von Männern bei circa 70 Prozent. Auch legten Männer größere Pendeldistanzen zu Hochlohnfirmen zurück als Frauen, speziell im Vergleich zu Müttern. Mütter, die in geringerem Maße Flexibilitätsanforderungen nachkommen können, haben im Vergleich zu Männern und kinderlosen Frauen die höchsten Verdiensteinbußen. „Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, etwa durch flexiblere Arbeitsmodelle und mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten, sowie eine gerechtere Aufteilung der Sorge-Arbeit zwischen beiden Elternteilen könnte die individuelle Flexibilität erhöhen, was sich wiederum positiv auf das Bewerbungsverhalten und die Verdienstmöglichkeiten auswirken könnte“, erklärt IAB-Forscher Benjamin Lochner.

Die Ergebnisse beruhen auf kombinierten Daten der IAB-Stellenerhebung von 2016 bis 2020 und den Individualdaten 21.694 neueingestellter Personen im Rahmen der Integrierten Erwerbsbiografien (IEB), basierend auf dem Meldeverfahren der Sozialversicherungen in 2020. Die Studie ist abrufbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2023/kb2023-08.pdf

Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 08.05.2023

Anteil 2022 fünf Prozentpunkte höher als zehn Jahre zuvor

Immer mehr Alleinerziehende sind Väter. Im Jahr 2022 traf dies auf 15 % der Alleinerziehenden zu, die in Deutschland mit ihren minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt leben. Der Anteil ist gestiegen: zehn Jahre zuvor lag er noch bei 10 %, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Vatertags am 18. Mai mitteilt. Parallel dazu hat auch die Zahl der alleinerziehenden Väter mit minderjährigen Kindern zugenommen: um 44 % von 166 000 im Jahr 2012 auf 239 000 im Jahr 2022. Zum Vergleich: Die Zahl der alleinerziehenden Mütter ging im selben Zeitraum um 10 % zurück: von 1,48 Millionen auf 1,33 Millionen.

Insgesamt gab es im vergangenen Jahr rund 1,57 Millionen Alleinerziehenden-Familien in Deutschland. Damit gab es in knapp jeder fünften Familie mit Kindern unter 18 Jahren (19 %) nur ein Elternteil. Der Anteil ist gegenüber 2012 leicht zurückgegangen: Damals machten 1,64 Millionen Alleinerziehenden-Familien einen Anteil von 20 % an allen Familien mit minderjährigen Kindern aus.

Insgesamt stieg die Zahl der Familien mit Kindern unter 18 Jahren von 8,11 Millionen im Jahr 2012 auf 8,45 Millionen im vergangenen Jahr.

Methodischer Hinweis:

Alleinerziehende sind Mütter und Väter, die ohne Ehe- oder Lebenspartner/-in mit minder- oder volljährigen Kindern in einem Haushalt zusammenleben. Im vorliegenden Fall werden nur Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern betrachtet.

Ausführliche Informationen zu den Änderungen der Neugestaltung des Mikrozensus sind auf einer Sonderseite verfügbar.

Weitere Informationen:

Weitere Daten zu Familien in Deutschland finden Sie auf unserer Themenseite.

Daten zur unterschiedlichen Erwerbs- und Einkommenssituation von Männern und Frauen sowie der geschlechterspezifischen Verteilung von Sorgearbeit enthält die Themenseite „Gleichstellungsindikatoren“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes. Sie bietet einen Überblick zu Stand und Entwicklung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland.

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 16.05.2023

Familie und Arbeit unter einen Hut zu bekommen, ist für Eltern eine besondere Herausforderung. Vor allem Mütter übernehmen oft die Sorgearbeit und passen ihre Erwerbstätigkeit der Familiensituation an. Im Jahr 2022 waren 39,7 % der Mütter mit mindestens einem Kind unter drei Jahren erwerbstätig, wie das Statistische Bundesamt anlässlich des Muttertags am 14. Mai mitteilt. Der Anteil ist binnen 14 Jahren um 9 Prozentpunkte gestiegen, 2008 zu Beginn der Zeitreihe lag er bei 30,8 %. Ein Grund dürfte der Ausbau der Kinderbetreuung im Zuge der Einführung eines rechtlichen Anspruchs auf frühkindliche Betreuung sein. Auf die Erwerbstätigkeit von Vätern mit Kindern unter drei Jahren wirkte sich dies kaum aus. 2022 waren 89,6 % der Väter mit einem Kind unter drei Jahren erwerbstätig, 2008 waren es 88,9 %.  

Insgesamt lebten im vergangenen Jahr in Deutschland 8,2 Millionen Mütter mit minderjährigen Kindern unter einem Dach. Bei 2,1 Millionen von ihnen war mindestens ein Kind jünger als drei Jahre.   

Erwerbstätigkeit von Müttern insgesamt gestiegen  

Unabhängig vom Alter des Kindes ist die Erwerbstätigkeit der Mütter in den vergangenen 14 Jahren gestiegen. Waren 2008 noch 56,7 % aller Mütter mit Kindern unter 12 Jahren erwerbstätig, so waren es 2022 bereits 64,1 %. Bei Müttern mit älteren Kindern im Alter von 12 bis unter 18 Jahren stieg der Anteil im selben Zeitraum von 76,8 % auf 84,0 %. Insgesamt waren 2022 mehr als zwei von drei Müttern (69,3 %) Minderjähriger im Job, im Jahr 2008 waren es noch 62,8 %.   

Methodischer Hinweis: 

Erfasst werden Mütter und Väter im Alter von 15 bis 64 Jahren mit mindestens einem im Haushalt lebenden Kind (in Hauptwohnsitzhaushalten). Erfasst wird die realisierte Erwerbstätigkeit, das heißt, Personen, die ihr bestehendes Erwerbsverhältnis aufgrund von Mutterschutz oder Elternzeit unterbrechen, werden nicht berücksichtigt. Personen, die ihre Erwerbstätigkeit aufgrund von Krankheit oder Urlaub zum Stichtag nicht aktiv ausüben, sind enthalten.  

Weitere Informationen:  

Daten zur unterschiedlichen Erwerbs- und Einkommenssituation von Männern und Frauen sowie der geschlechterspezifischen Verteilung von Sorgearbeit finden Sie auf unserer neuen Themenseite Gleichstellungsindikatoren. Sie liefert einen Überblick zu Stand und Entwicklung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland. 

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 09.05.2023

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Der Koalitionsvertrag für die aktuelle Legislaturperiode sieht nichts weniger als einen „Neustart der Familienförderung“ vor und meint damit die Reformierung und Bündelung der bisher bestehenden familienpolitischen Leistungen unter dem Dach der sog. Kindergrundsicherung. Jungen Menschen und Familien in Armutslagen soll so der Zugang zu den ihnen zustehenden Sozialleistungen erleichtert werden.

Dieser versprochene Neustart ist derzeit allerdings heftig ins Stottern geraten, weil sich die Koalitionspartner über die Frage der Finanzierung nicht einig werden. „Mit Sorge und Verärgerung“, so die AGJ-Vorsitzende Prof. Dr. Karin Böllert, „nimmt die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ wahr, dass beim zentralen sozialpolitischen Vorhaben der Regierungskoalition scheinbar der politische Wille für eine nennenswerte Investition in junge Menschen fehlt.“

Die AGJ begrüßt das Vorhaben, eine Kindergrundsicherung einzuführen, weil sie darin einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung von Kinderarmut und zur Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen sieht. Die Kindergrundsicherung kann dazu beitragen, das unübersichtliche Nebeneinander familienpolitischer Leistungen – die sich in ihrer Wirkung teilweise aufheben – in eine neue transparente Struktur zu überführen und Bürokratie abzubauen. Wenn so deutlich mehr Anspruchsberechtigte als bisher die ihnen zustehende finanzielle Unterstützung erhalten, ist dies sozialpolitisch nur wünschenswert. Um bislang verschlossene Zukunftschancen zu öffnen, braucht es zusätzlich zu dem fixen Grundbetrag einen flexiblen, an die finanzielle Situation der Familie angepassten Zusatzbetrag. Damit stellt die Kindergrundsicherung einen Schritt in Richtung   gesellschaftlicher und sozialer Teilhabe für alle jungen Menschen dar.

Die AGJ hat in einem Positionspapier im Dezember 2022 folgende Mindestanforderungen an die Kindergrundsicherung formuliert:

  • Das Kind ist Anspruchsinhaber*in.
  • Die Kindergrundsicherung muss bedarfsgerecht und sozial gerecht ausgestaltet sein.
  • Die Kindergrundsicherung muss unkompliziert gewährt werden.
  • Der Gestaltung von Schnittstellen kommt eine zentrale Bedeutung zu.
  • Die Kindergrundsicherung muss auskömmlich finanziert sein.
  • Die Kindergrundsicherung muss mit dem Ausbau von Infrastrukturleistungen für Kinder und Jugendliche verknüpft werden.

 

Entscheidend wird sein, wie die Kindergrundsicherung konkret gestaltet wird. Dazu besteht eine Vielzahl möglicher Modelle – und es müssen nun Festlegungen zwischen den Koalitionspartnern getroffen werden. Andernfalls wird der für 2025 versprochene Start der Kindergrundsicherung, an dem die Koalition sich wird messen lassen müssen, nicht zu halten sein.

Fest steht: Die Kindergrundsicherung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die vom Familienministerium genannten 12 Mrd. € liegen dabei noch am unteren Ende der Kostenspanne. Die Nettokosten der bekannten Konzepte zur Umsetzung einer Kindergrund-sicherung betragen je nach Modell zwischen 10 und 22 Mrd. €. Ein großer Teil der Mehrkosten der Kindergrundsicherung geht allerdings darauf zurück, dass von einer automatischen Auszahlung, d. h. einer 100-prozentigen Inanspruchnahme ausgegangen und dies mit den Ausgaben für aktuelle Leistungen verglichen wird. Diese weisen aufgrund ihrer Komplexität und hoher bürokratischer Hürden allerdings deutlich geringere Inanspruchnahmequoten auf. Dies zu Lasten der Kinder in Armutslagen auszublenden, ist unlauter, zumal in der Debatte um die Kosten der Kindergrundsicherung die entlastenden Effekte einer besseren monetären Absicherung von Kindern und Jugendlichen bisher nicht ausreichend berücksichtigt werden. Dazu Prof. Dr. Karin Böllert: „Bislang bleiben die monetären Folgekosten eines Aufwachsens in Armut außen vor. Nicht zuletzt ist die auskömmliche Finanzierung der Kindergrundsicherung eine Frage sozialer Gerechtigkeit – daran zeigt sich, was einer Gesellschaft ihre Kinder wert sind.“

Quelle: Pressemitteilung Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ vom 03.05.2023

‚Eintritt zum Arzt leider nicht möglich!‘. Nur jede vierte Praxis in Deutschland ist in Teilen barrierefrei, weniger als ein Drittel ist barrierereduziert.1 „Aus Sicht der AWO ist das ein unhaltbarer Zustand,“ konstatiert AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner anlässlich des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. „14 Jahre nach Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention ist das ein Skandal! Gesundheit ist ein Menschenrecht. Allen Menschen ist der gleichberechtigte Zugang zu Gesundheitsleistungen zu ermöglichen!“  

Von der Bundesregierung fordert die AWO-Präsidentin mehr Finanzmittel für den barrierefreien Umbau des Gesundheitswesens: “Wir müssen aus dem Schneckentempo der letzten Jahre herauskommen. Menschen brauchen sofort Zugang zu ärztlichen Einrichtungen. Fehlender Zutritt für Menschen mit Behinderungen zu Arztpraxen und Gesundheitseinrichtungen ist ein Armutszeugnis für unser Gesundheitssystem und kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen für Betroffene haben.“  

Sonnenholzner, die selbst Ärztin ist, führt weiter aus: „Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag versprochen, bis zum Ende des Jahres 2022 einen Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen aufzustellen. Am heutigen 5. Mai 2023, dem Europäischen Protesttag, liegt immer noch kein Plan vor. Es ist Zeit für die Bundesregierung, auf Worte Taten folgen zu lassen. Sie muss konkrete Schritte benennen und verbindliche Zeiträume definieren, in denen die vollständige Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen im Gesundheitssystem umgesetzt wird.“ 

Durch die Ratifizierung der UN-BRK ist Deutschland dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderungen eine wohnortnahe gesundheitliche Versorgung auf demselben Standard zu garantieren wie Menschen ohne Behinderungen. Außerdem sollen sie alle Leistungen der gesundheitlichen Versorgung erhalten, die sie aufgrund ihrer Behinderung benötigen. Des Weiteren haben alle Versicherten das Recht, sich ihre Ärztin frei zu wählen. In § 17 Abs. 1 SGB I heißt es zudem, dass die Leistungsträger darauf hinwirken müssen, dass Sozialleistungen in barrierefreien Räumen erbracht werden. In der Praxis stoßen Menschen mit Behinderungen in Deutschland vielerorts jedoch auf zahlreiche Barrieren: Sei es die nicht barrierefreie Internetseite, der fehlende Aufzug oder nicht vorhandene Informationsmaterialien in einfacher oder Leichter Sprache.    

1 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion vom Oktober 2020 (Drucksache 19/23214 (bundestag.de)); vgl. Zahlen der KBV zitiert in: DVFR Reha Recht: Bundesinitiative Barrierefreiheit auf den Weg gebracht (reha-recht.de) und Drucksache 20/4977 — Eckpunkte für die Bundesinitiative Barrierefreiheit – Deutschland wird barrierefrei (bundestag.de) 

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 05.05.2023

Gemeinsamer Appell von über 50 Organisationen an die Bundesregierung

„In den Diskussionen über die Reform des EU-Asylrechts wird über das verhandelt, was eigentlich indiskutabel ist: das Versprechen, dass Menschen auf der Flucht, sobald sie Boden in der EU betreten, dort auch Schutz finden müssen. Wir sehen mit zunehmender Sorge, dass viele bereit sind, dieses grundlegende Prinzip aufzuweichen,“ so Steffen Feldmann, Vorstand des Deutschen Caritasverbandes für Internationales, anlässlich der Veröffentlichung eines Appells von über 50 Organisationen an die Bundesregierung.

Die Caritas und die anderen Unterzeichnenden fordern die Bundesregierung auf, in den Verhandlungen keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes einzugehen. Die Ende April veröffentlichte deutsche Verhandlungsposition signalisiert eine besorgniserregende Bereitschaft, den Weg der schleichenden Entwertung von Grund- und Menschenrechten mitzugehen. „Die aktuellen Reformvorschläge rütteln nicht nur an den Grundfesten des Rechtsstaates, sondern werden auch bereits existierende Probleme des europäischen Asylsystems noch verschärfen,“ so der Appell.

Das dysfunktionale EU-Asylsystem nach dem Dublin-Prinzip, bei dem überwiegend die Staaten an den EU-Außengrenzen für die Durchführung von Asylverfahren zuständig und damit überlastet sind, muss nicht noch einmal neu aufgelegt, sondern aufgegeben werden, so der Appell. Dieses System führt jetzt schon dazu, dass Tausende Menschen in unwürdigen Bedingungen in Lagern ohne Perspektive ausharren, etwa auf den griechischen Inseln.

„Das Leitmotiv für politische Entscheidungen muss immer der menschenwürdige Umgang mit Schutzsuchenden sein“, betont Feldmann. „Ein gemeinsames Asylsystem kann nur dann funktionieren, wenn es den desolaten Zuständen an den EU-Außengrenzen ein Ende setzt.“

Vorschlag für einen solidarischen Verteilungsmechanismus

„Wir brauchen einen wirklich solidarischen Mechanismus, in dem sich widerspiegelt, dass die EU hier eine gemeinschaftliche Verantwortung trägt “ so Steffen Feldmann. Eine solche Regelung muss sowohl den unterschiedlichen Auffassungen der EU-Mitgliedstaaten aber auch den Bedürfnissen und Interessen der Schutzsuchenden gleichermaßen gerecht werden.

Die Caritas, das Kommissariat der Deutschen Bischöfe – katholisches Büro und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland haben hierzu einen konkreten Vorschlag erarbeitet. Dieser sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat jedes Jahr der EU-Kommission mitteilt, wie viele Schutzsuchende er bereit und in der Lage ist aufzunehmen. Gleichzeitig gesteht er den Asylsuchenden eine aktive Rolle zu, indem durch eine Ausweitung der Kriterien persönliche Verbindungen zu einem Mitgliedstaat der EU – über die Präsenz von Verwandten in einem bestimmten Land hinaus – im Asylverfahren stärker gewichtet werden als bisher.

Um Mitgliedstaaten mit hohen Aufnahmekapazitäten zu unterstützen und um Anreize für diejenigen Mitgliedstaaten zu schaffen, die geringe Aufnahmekapazitäten melden, wird im EU-Haushalt ein Fonds eingerichtet, in den alle Mitgliedstaaten gemessen an ihrem Bruttoinlandsprodukt einzahlen und aus dem die Mitgliedstaaten entsprechend ihrer gemeldeten Aufnahmekapazitäten Zahlungen erhalten, um ihre Kosten auszugleichen und Maßnahmen zu finanzieren, die den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken.

Hier finden Sie den heute veröffentlichten Appell an die Bundesregierung zu ihrer Position zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems „Keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes“. Unterzeichnende des Appells sind neben der Caritas bspw. auch ProAsyl, Amnesty International, Diakonie, AWO, Der Paritätische, JRS, MSF und andere.

Hier geht es zu den gemeinsamen Vorschlägen des Deutschen Caritasverbands, des Kommissariats der deutschen Bischöfe – katholisches Büro Berlin und dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland für ein praktikables gemeinsames europäisches Asylsystem.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 17.05.2023

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden in Deutschland 295.300 neue Wohnungen im Jahr 2022 gebaut. Vorgenommen hatte sich die Ampelregierung den Neubau von 400.000 Wohnungen, um der grassierenden Wohnungsnot Einhalt zu gebieten. Dass dieses Ziel nicht erreicht wurde, hat viele Gründe, unter anderem massiv gestiegene Baukosten und Grundstückspreise. Zu den neuen Zahlen erklärt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

„Angemessene, bezahlbare Wohnungen sind eine zentrale Frage sozialer Gerechtigkeit. Deshalb muss die Bundesregierung die Wohnungspolitik neu und konsequent denken – sozial und ökologisch. Die Wohnsituation ist an vielen Orten desolat, die Mietsteigerungen in Ballungsräumen sind dramatisch, die Zahl der Sozialwohnungen nimmt immer weiter ab. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum hat längst die Mittelschicht erreicht. Besonders betroffen sind jedoch Menschen mit Behinderungen, alte Menschen, Familien mit vielen Kindern, Wohnungslose und andere am Wohnungsmarkt strukturell Benachteiligte, die keine Bleibe finden.“

Ergänzend zum Neubau schlägt die Diakonie ein Maßnahmenbündel gegen Wohnungsnot vor:

– Deutschland braucht die Einführung einer echten Wohngemeinnützigkeit und damit einen nicht gewinnorientierten Sektor im Wohnungsmarkt.

– Das Konzept der Gemeinwohlwohnungen muss umgesetzt werden. Es sieht eine besondere Förderung für privater Vermieter vor, die energetisch sanieren und sich verpflichten, preisgedämpft zu vermieten.

– Die energetische Gebäudesanierung muss konsequent vorangetrieben werden. Dabei müssen Steuermittel nicht mit der Gießkanne, sondern nach sozialen Kriterien verteilt werden.

– Spekulationsgewinne aus Immobiliengeschäften müssen weitgehend abgeschöpft und für bezahlbares Wohnen eingesetzt werden.

– Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Mietrechtsreform muss kommen.

Weitere Informationen: https://www.diakonie.de/armut-und-arbeit/bezahlbarer-wohnraum

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 23.05.2023

Der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern im Grundschulalter soll stufenweise ab 2026 eingeführt werden. Eine qualitativ hochwertige Umsetzung des Ganztagsfördergesetzes (GaFöG) kann einen wichtigen Beitrag zu mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit für alle Kinder leisten. Die Diakonie Deutschland unterstützt kirchliche und diakonische Träger der Kinder- und Jugendhilfe deshalb mit einem neuen Entwicklungs- und Zertifizierungsprogramm beim Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems im Ganztagsbereich.

Mit dem neuen „Bundesrahmenhandbuch Bildung und Betreuung für junge Menschen im Ganztag“ verknüpft die Diakonie den Rechtsanspruch mit einer Qualitätsoffensive im Ganztagsbereich. Das „Bundesrahmenhandbuch“ beschreibt erforderliche Führungs-, Kern- und Unterstützungsprozesse, Ziele und Qualitätskriterien für den Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems zur Entwicklung der Ganztagsqualität von kirchlich-diakonischen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe mit evangelischem Profil. Es stellt das psychische und physische Wohlergehen junger Menschen in den Mittelpunkt. Partizipation als zentrales Element zur Verwirklichung der Kinderrechte sowie eine demokratische Verfasstheit der Arbeit sind entscheidend für die Qualität ganztägiger Bildung und Betreuung.

Die Qualität des Ganztages und ein gelingendes Zusammenwirken mit außerschulischen Trägern ist entscheidend für die Verbesserung der Bildungschancen für junge Menschen aus benachteiligenden Lebensverhältnissen und eine stärkere Entkopplung von Herkunft und Bildungserfolg. Über die Unterstützung bei Aufbau oder Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements hinaus eröffnet das Bundesrahmenhandbuch auch die Möglichkeit zur Zertifizierung mit Diakonie-Siegel sowie nach DIN EN ISO 9001. Das Siegel belegt, dass Einrichtungen und Angebote evangelischer Träger im Ganztag eine ganz besondere Qualität nach modernsten Standards aufweisen, dabei einen hohen Anspruch an ihre Professionalität haben sowie unabhängig, überprüfbar sowie transparent sind. Das Rahmenhandbuch ermöglicht es jedem Träger, sein individuelles Profil vor Ort herauszubilden und weiter zu stärken. Mit ihm werden die praxisnahe Reflexion der eigenen Abläufe erleichtert und Räume eröffnet, den eigenen fachlichen Ansprüchen an Qualität im Ganztag gerecht zu werden.

Zum Bundesrahmenhandbuch:

https://shop.diakonie.de/Bildung-und-Betreuung-fuer-junge-Menschen-im-Ganztag-Bundesrahmenhandbuch-Diakonie-Siegel/90032088

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 04.05.2023

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat einen Alternativbericht zum neunten CEDAW-Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht und darin umfassende Forderungen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau gestellt.

Heute findet die Anhörung der Bundesrepublik Deutschland vor dem Frauenrechtsausschuss der Vereinten Nationen anlässlich des neunten CEDAW-Staatenberichtsverfahrens in Genf statt. CEDAW ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau. Die Bundesregierung ist verpflichtet, dem CEDAW-Ausschuss regelmäßig über den derzeitigen Umsetzungsstand der Rechte dieses Abkommens zu berichten. Im Juli 2021 hat die Bundesregierung ihren neunten Staatenbericht (CEDAW/C/DEU/9) abgegeben, auf dessen Grundlage die heutige Anhörung stattfindet. Im Anschluss an die Anhörung wird der Ausschuss der Bundesrepublik Empfehlungen zur verbesserten Umsetzung machen und dabei auch die sogenannten „Alternativberichte“ der Zivilgesellschaft berücksichtigen.

„Wir begleiten im djb die Umsetzung dieses wichtigen internationalen Abkommens für die Rechte der Frau sehr aufmerksam und drängen auf Verbesserungen“, so Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des djb.

Die Forderungen des djb-Alternativberichts beziehen sich auf die Bereiche des Waffenhandels, der Digitalisierung, der geschlechtsspezifischen Gewalt, der Rechte geflüchteter Frauen, der politischen Teilhabe, des Arbeitsmarktzugangs, des Steuerrechts sowie des Schwangerschaftsabbruchs. Im Einzelnen kritisiert der djb beispielsweise, dass die Vorgaben des Vertrags über den Waffenhandel zur Risikoüberprüfung hinsichtlich geschlechtsspezifischer Gewalt nicht ausreichend umgesetzt wurden. Der djb fordert die Bundesregierung dazu auf, die geschlechtergerechte Gestaltung der Digitalisierung institutionell abzusichern. Im Hinblick auf Strafverfahren gegen geschlechtsspezifische Gewalt kritisiert der Alternativbericht die mangelhafte Unterstützung der Betroffenen sowie fehlende Fortbildungsmöglichkeiten der staatlichen Stellen. Der djb weist außerdem darauf hin, dass geflüchtete Frauen in Deutschland nicht ausreichend geschützt werden, und fordert ihren uneingeschränkten Zugang zu Frauenhäusern. Hinsichtlich des deutschen Arbeitsmarkts konstatiert der djb eine ausgeprägte Geschlechtersegregation sowie eine fortbestehende Entgeltungleichheit und macht Vorschläge, um dieser Diskriminierung entgegenzuwirken. Der Alternativbericht fordert ferner die Abschaffung negativer Erwerbsanreize im Steuer- und Sozialrecht und die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb) vom 11.05.2023

Das Deutsche Kinderhilfswerk appelliert zum heutigen Tag des Grundgesetzes an Bund und Länder, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Nach Ansicht der Kinderrechtsorganisation sind Kinderrechte im Grundgesetz ein unverzichtbarer Baustein, um kindgerechtere Lebensbedingungen und bessere Entwicklungschancen für alle Kinder zu schaffen, ihre Rechtsposition deutlich zu stärken, und Kinder an den sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen. Mit der Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention besteht die große Chance, langfristig eine tragfähige Grundlage für ein kinder- und familienfreundlicheres Land zu schaffen.

„Bundestag und Bundesrat müssen endlich mit der Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz einen großen Schritt für eine kinderfreundlichere Gesellschaft machen. Es muss rechtlich normiert werden, dass das Kindeswohl vorrangig zu beachten ist, dass Kinder das Recht auf Entwicklung, auf Schutz, auf Förderung und das Recht auf Beteiligung haben. Es braucht im Grundgesetz einen eigenen Artikel für die Kinderrechte, die unabhängig von den Elternrechten und ohne mit ihnen in Konflikt zu geraten gegenüber dem Staat gelten. Die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland ist durch die aktuelle Rechtslage nicht abgesichert“, betont Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Bei der Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen war immer wieder zu hören, dass die Vernachlässigung der Kinderinteressen ein Fehler war und zukünftig ausgeschlossen werden muss. Das kann aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes am besten mit der Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz bewerkstelligt werden. Bereits seit vielen Jahren gibt es auf Bundesebene eine breite Unterstützung für die Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz, denn dadurch würde der Staat insgesamt stärker in die Pflicht genommen werden, wenn es beispielsweise um die Wahrnehmung seiner Verantwortung für kindgerechte Lebensverhältnisse und um gleiche Entwicklungschancen für alle Kinder und Jugendlichen geht. Und auch angesichts der aktuellen Debatten über eine viel zu hohe Kinderarmutsquote, unterschiedliche Bildungschancen, ein Auseinanderdriften der Gesellschaft in Arm und Reich und häufige Fälle von Vernachlässigung wäre dies ein wichtiges Signal. Der Gesetzgebungsprozess dazu muss baldmöglichst starten, damit das Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode des Bundestages umgesetzt werden kann. Denkbar wäre dafür auch, dass die Bundesländer jetzt einen Anstoß geben, damit der Prozess in Schwung kommt“, so Lütkes weiter.

„Die Interessen der Kinder und Jugendlichen dürfen darüber hinaus auch im Hinblick auf eine zukunftsfähige Gesellschaft nicht außer Acht gelassen werden. Schließlich entspricht eine starke Subjektstellung von Kindern einem veränderten gesellschaftlichen Verständnis. Dieses sollte sich auch im Grundgesetz niederschlagen, das in den letzten Jahrzehnten unzählige Male an aktuelle Bedingungen angepasst wurde. Als ausdrücklicher Bestandteil der Werteordnung des Grundgesetzes könnten Kinderrechte die Anwendung sämtlichen Rechts prägen. Dies würde sich vor allem auf die Auslegung der Kinderrechte durch Gerichte und Behörden positiv auswirken und die Stellung von Eltern und Kindern gegenüber dem Staat stärken. Es geht bei den Kinderrechten somit nicht um Symbolik, sondern um eine mit tatsächlichen rechtlichen Auswirkungen, denn die Strahlkraft des Grundgesetzes wirkt sowohl in alle gesellschaftlichen als auch in alle rechtlichen Bereiche“, sagt Anne Lütkes.

Ein im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes bereits vor einiger Zeit erstelltes Rechtsgutachten hatte sich für die explizite Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz ausgesprochen. Die Gutachter kamen zu der Einschätzung, dass die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland durch die aktuelle Rechtslage nicht abgesichert sei. So bestehe ein erhebliches Umsetzungsdefizit in Rechtsprechung und Verwaltung, da die Kinderrechte durch eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes oder eine Kombination mit anderen Verfassungsnormen erst kompliziert hergeleitet werden müssen. Deshalb würden eindeutige Formulierungen im Grundgesetz zum besseren Verständnis und zu mehr Rechtssicherheit beitragen, so dass eine angemessenere Berücksichtigung von Kinderrechten durch Gerichte, die Verwaltung und den Gesetzgeber zu erwarten sei. Das „Gutachten bezüglich der Aufnahme eines ausdrücklichen Kindergrundrechts in das Grundgesetz vor dem Hintergrund der Maßgaben der Kernprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention“ kann unter https://www.dkhw.de/schwerpunkte/kinderrechte/kinderrechte-ins-grundgesetz/  heruntergeladen werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 23.05.2023

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert zum heutigen Start der JugendPolitikTage in Berlin einen grundlegenden Wandel bei der Kinder- und Jugendbeteiligung in Deutschland. „Es muss Schluss sein mit den Lippenbekenntnissen und Sonntagsreden, wenn es um die Mitwirkung junger Menschen geht. Wir brauchen einen grundlegenden Wandel im Verständnis der Erwachsenen bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Beteiligung heißt nämlich auch Macht abzugeben, und darf nicht zu einer Pseudo-Beteiligung verkommen, die nur dann zugestanden wird, wenn es den Erwachsenen gerade in den Kram passt. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist kein ,nice to have‘, sondern ein zentraler Wert einer demokratischen Gesellschaft. Deshalb sollten verbindliche Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen systematisch ausgebaut und strukturell verankert werden, zuvorderst im Grundgesetz“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Eine vom Deutschen Kinderhilfswerk veröffentlichte Studie ist vor einiger Zeit zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche in Deutschland dringend weiter ausgebaut werden müssen. Auch wenn sich in vielen Bundesländern und in zahlreichen Kommunen in den letzten Jahren einiges zum Positiven verändert hat, wird der Partizipation von Kindern und Jugendlichen oftmals nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei kommt der Bundesebene für den Wissenstransfer und bundesweite Maßnahmen besondere Bedeutung zu. Deshalb gehört das Thema verstärkt auf die bundespolitische Agenda. Es gilt, den Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen flächendeckend Geltung zu verschaffen.

„Die Interessen, Wünsche und Ideen von Kindern und Jugendlichen sind sehr vielfältig, je nach Alter oder sozialen, gesundheitlichen oder finanziellen Lebensbedingungen. Ganz klar ist, dass alle Kinder und Jugendlichen laut UN-Kinderrechtskonvention das Recht haben, ihre Meinung zu äußern und an Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligt zu werden. So können beispielsweise Kinder- und Jugendparlamente dazu beitragen, dass die Anliegen von Kindern und Jugendlichen gegenüber Erwachsenen Gehör finden und an Stärke gewinnen. Optimalerweise sind sie zentrale Interessenvertretungen, mit denen Kinder und Jugendliche gleichberechtigte Teilhabe und Einfluss auf Entscheidungen in der Kommune einfordern können“, so Krüger weiter.

Der vom Bundesfamilienministerium angekündigte Nationale Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung der Bundesregierung (NAP) sollte schnell auf den Weg gebracht werden. Darin sollten möglichst alle Beteiligungsformate Berücksichtigung finden: Kinder- und Jugendparlamente, Jugendbeiräte und Kinderforen ebenso wie Beteiligungsnetzwerke und Jugendverbände. „Der Nationale Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung sollte die vielfältigen Potentiale der Kinder- und Jugendbeteiligung insbesondere auf der lokalen Ebene, aber auch auf Bundes- und Länderebene stärker zusammenführen und sichtbar machen. So gibt es beispielsweise mehrere hundert Kinder- und Jugendparlamente in Deutschland, bei gleichzeitig rund 11.000 Kommunen in unserem Land sehen wir aber noch große Lücken, die es zu schließen gilt. Dazu gehört es auch, über die Notwendigkeit der Kinder- und Jugendbeteiligung mehr als bisher zu informieren. Dabei sind auch die kommunalen Spitzenverbände gefragt. Schließlich sollte der Aktionsplan auch Aussagen über notwenige Qualitätsstandards der Kinder- und Jugendbeteiligung treffen, und dabei vor allem auf praxisdienliche Methoden und Arbeitsformen abheben“, sagt Thomas Krüger.

Bei den JugendPolitikTagen vom 11. bis 14. Mai in Berlin entwickeln bis zu 1.000 junge Menschen Maßnahmen und Zukunftsideen für eine kinder- und jugendgerechtere Politik. Im Mittelpunkt steht dabei auch die Erarbeitung von Empfehlungen für den Nationalen Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung. Erstmals finden die JugendPolitikTage zusammen mit dem Bundestreffen der Kinder- und Jugendparlamente statt. Für die Organisation und inhaltliche Gestaltung dieses Bundestreffens arbeitet der Veranstalter Jugendpresse Deutschland e.V. mit der Initiative Starke Kinder- und Jugendparlamente zusammen. Diese Initiative besteht aus der Akademie für Kinder- und Jugendparlamente in Trägerschaft des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten e.V. (AdB), dem Deutschen Kinderhilfswerk e.V. als Träger der Servicestelle Starke Kinder- und Jugendparlamente und des Jugendbeirates, einer wissenschaftlichen Begleitung durch die Professoren Dr. Waldemar Stange und Dr. Roland Roth, sowie dem für die „Jugendstrategie und eigenständige Jugendpolitik“ zuständigen Referat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 11.05.2023

Mit dem Launch des Infoportals https://kommunen.kinderrechte.de/ präsentieren das Deutsche Kinderhilfswerk und der Verein Kinderfreundliche Kommunen einen neuen Baustein zur besseren Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention auf kommunaler Ebene. Die auf dem Infoportal gesammelten Materialien über Kinderrechte werden Städte und Gemeinden dabei unterstützen, ihre Angebote, Planungen und Strukturen im Sinne der Interessen von Kindern zu verbessern. Zielgruppen des Portals sind insbesondere Verwaltungsmitarbeitende sowie politische Entscheidungsträgerinnen und -träger in den Kommunen, beispielsweise Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Gemeinderäte.

„Insbesondere den Kommunen kommt bei der Umsetzung der Kinderrechte eine wichtige Rolle zu, da ihre Aufgaben und ihr Handeln sich sehr oft direkt oder indirekt auf Kinder auswirken. Der Wissenstransfer unter den kommunalen Akteurinnen und Akteure ist allerdings bisher eher gering, obwohl kontinuierlich Materialien zum Thema entstehen. Das möchten wir mit dem neuen Infoportal ändern“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„In fast allen kommunalen Handlungsfeldern spielen Kinderrechte eine Rolle und sind damit eine typische Querschnittsaufgabe. Doch die UN-Kinderrechtskonvention bekannt zu machen und auf eine praktische Ebene in die täglichen Arbeitsabläufe einer Kommunalverwaltung zu übersetzen, ist eine Herausforderung. Auf dem Infoportal ‚Kinderrechte in Kommunen‘ finden Mitarbeitende von Städten und Gemeinden jetzt gebündelt an einer Stelle Informationen zu Kinderrechten und ihrer Beachtung im Verwaltungshandeln. Das wird die Kinderechte auf kommunaler Ebene einen Schritt voranbringen“, sagt Dominik Bär, Geschäftsführer des Vereins Kinderfreundliche Kommunen.

Das Infoportal „Kinderrechte in Kommunen“ ist ein Angebot der Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes und des Vereins Kinderfreundliche Kommunen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert das Infoportal. Neben dem Infoportal bietet der Verein Kinderfreundliche Kommunen ein auf die jeweilige Kommune maßgeschneidertes Programm, das bei der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention unterstützt. Das Deutsche Kinderhilfswerk qualifiziert darüber hinaus Kommunalmitarbeitende zu Kinderrechten und insbesondere zu Beteiligung im Verwaltungshandeln.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 11.05.2023

Die Mitgliederversammlung des Kinderschutzbundes hat Professorin Sabine Andresen zur neuen Präsidentin gewählt. Heinz Hilgers kandidierte nach 30 Jahren Präsidentschaft nicht mehr für den Vorsitz.

Professorin Sabine Andresen ist Kindheits- und Familienforscherin an der Goethe-Universität Frankfurt (Main). Zu ihren Arbeitsschwerpunkten gehören Kinderarmut, sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen und deren Aufarbeitung, Generationengerechtigkeit und Bildungsmöglichkeiten. Von 2016 bis 2021 war Andresen ehrenamtlich Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung.

Kinderschutzbund-Präsidentin Sabine Andresen:

„Kinder und Jugendliche brauchen starke Verbündete. Darum nehme ich die Aufgabe, mich als Präsidenten des Kinderschutzbundes zusammen mit dem neu gewählten Vorstand für die Belange der jungen Generation einzusetzen, gern an. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie oft die Interessen, Bedürfnisse und vor allem die Rechte von Kindern und Jugendlichen nachrangig behandelt werden. Wir brauchen in unserer Gesellschaft endlich einen Sinneswandel. Insbesondere müssen sich Kinder und Jugendliche darauf verlassen können, dass sie gehört, gesehen und beteiligt werden. Der Kinderschutzbund tritt seit Langem dafür ein.“

Andresen fügt hinzu:

„Armut, Gewalt, die medizinische Versorgung, Bildung, Erfahrungen mit Diskriminierung und Ungerechtigkeit, aber auch das Recht der jungen Generation auf Zukunft angesichts der Klimakrise sind zentrale Themen des Kinderschutzbundes. Bei uns werden starke Kinderrechte als Basis für den Schutz von Kindern und Jugendlichen verstanden.“

Andresen weiter:

„Ich danke Heinz Hilgers im Namen des gesamten Kinderschutzbundes für sein außerordentliches Engagement im Kampf für die Rechte der Kinder. In seiner Amtszeit sind Meilensteine wie das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung umgesetzt worden. Die Debatte um die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz hat es in den breiten Diskurs geschafft, auch, wenn diese Aufgabe bleiben wird. Sein besonderes Engagement galt immer jenen Kindern, die in Armut aufwachsen. Er entwickelte maßgeblich das Konzept einer Kindergrundsicherung, die Kinderarmut nachhaltig bekämpfen soll. Und er setzte sich in unzähligen Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern, auf Bundes- Landes- und Kommunalebene, in Zeitungen, im Radio und Fernsehen für eine gerechtere Gesellschaft ein, in der jedes Kind eine echte Chance bekommt. Heinz Hilgers ist daher heute von der Mitgliederversammlung zum Ehrenpräsidenten des Kinderschutzbundes ernannt worden.“

Der neue Bundesvorstand des Kinderschutzbundes im Überblick:

Präsidentin

Prof. Dr. Sabine Andresen, geboren 1966 in Nordstrand, verheiratet, eine erwachsene Tochter.

  • Promotion in Heidelberg, Habilitierung in Zürich
  • seit 2011 Professur für Familienforschung und Sozialpädagogik an der Goethe-Universität Frankfurt am Main
  • seit 2011 Vizepräsidentin des Kinderschutzbundes
  • von 2016 bis 2021 ehrenamtlich Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs

Vizepräsident

Joachim Türk, geboren 1957 in Bad Marienberg, verheiratet, zwei erwachsene Töchter, ein Enkel

  • Chefredakteur der Rhein-Zeitung, Aufbau Online-Dienst
  • Unternehmensberater mit dem Schwerpunkt digitale Transformationsprozesse
  • Lehrbeauftragter TH Köln (u.a. Social Media Marketing); HS Osnabrück (Strategische Onlinekommunikation); Goethe-Universität Frankfurt (Ökosysteme des Internet)

Vizepräsidentin

Nezahat Baradari, MdB, geboren 1965 in Ankara (Türkei), verheiratet, zwei erwachsene Töchter

  • Seit 2019 Mitglied im Deutschen Bundestag, SPD-Bundestagsfraktion
  • Mitglied im erweiterten Fraktionsvorstand der SPD-Bundestagsfraktion, Mitglied im Gesundheitsausschuss, Mitglied im Ausschuss für europäische Angelegenheiten
  • Seit 2008 Niederlassung als Kinder- und Jugendärztin in Attendorn

Schatzmeister

Rolf Himmelsbach, geboren 1956 in Hannover, zwei Kinder

Schriftführerin

Prof. Beate Naake, geboren 1973 in Riesa, drei Kinder

Beisitzerin

Yvonne Bauer, geboren 1977 in Werneck, drei Kinder

Beisitzerin

Heidi Schmieding, geboren 1954 in Korbach, ein Sohn

Quelle: Pressemitteilung Kinderschutzbund – Bundesverband e.V. vom 13.05.2023

eaf vermisst gesellschaftliche Debatte zu europäischem Elternschafts­zertifikat

 

Die Frist für die nationalen Parlamente, sich zur EU-Verordnung zur Einführung eines Eltern­schaftszertifikats zu äußern, läuft Anfang Juni aus. Die Zeit für eine Stellungnahme und die dazu gehörige gesellschaftliche Debatte drängt also.

 

Die evangelischen arbeitsgemeinschaft familie (eaf) begrüßt grundsätzlich den Vorschlag der Europäischen Kommission. Insbesondere die Anerkennung der Elternschaft von gleichgeschlecht­lichen Eltern und Adoptiveltern in jedem Mitgliedsstaat ist ein wichtiger Schritt zur Wahrung von Kinderrechten innerhalb der Europäischen Union. Kritisch sieht die eaf hingegen, dass damit faktisch auch Rechtssicherheit für Eltern geschaffen wird, die sich ihren Kinderwunsch mithilfe von Leihmutterschaft erfüllen.

 

„Leihmutterschaft macht die Reproduktionsfähigkeit der Frau zu einer käuflichen Ware. In Deutschland ist sie deshalb zu Recht verboten. Die Risiken und Belastungen einer Schwanger­schaft und die Ausnutzung sozialer Notlagen durch die meist wohlhabenderen Auftraggeber werden von den Befürwortern heruntergespielt“, so Präsident Prof. Martin Bujard.

 

Aus Sicht der eaf sollte der juristischen Regelung solcher Fragen eine gesellschaftliche Debatte voraus gehen, die bislang jedoch noch nicht geführt wurde. „So lange die dazu kürzlich eingerichtete Kommission keinen Abschlussbericht vorgelegt hat, der in Parlament und Zivilgesellschaft diskutiert wurde, erwarten wir von der Bundesregierung, der Verordnung nicht zuzustimmen, da sie über die deutsche Rechtslage hinaus Fakten schafft.“ Bujard formuliert die Position der eaf: „Die rechtliche Zuordnung von Kindern, die im Ausland von einer Leihmutter geboren werden, muss – analog zur deutschen Rechtsprechung – aus der Anerkennungsregelung zwischen den Mitgliedsstaaten ausgenommen werden. Es sollten weiterhin gerichtliche Einzelfallentscheidungen erfolgen, die sich ausschließlich an dem Kriterium des Kindeswohls orientieren.“

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 24.05.2023

LSVD fordert Ergänzung des Grundgesetzes

Im Koalitionsvertrag haben SPD, FDP und Bündnis 90/ Die Grünen eine Anpassung des Artikel 3,3 des Grundgesetzes für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und intergeschlechtliche sowie queere (LSBTIQ*) Menschen in Aussicht gestellt. Aktuell gibt es allerdings keine wahrnehmbaren Bestrebungen der Regierungskoalition, dieses Versprechen umzusetzen. Zum Tag des Grundgesetzes am 23. Mai erklärt Henny Engels, Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD):

75 Jahre nachdem der Parlamentarische Rat mit der Erarbeitung eines Grundgesetzes begonnen hat, bleibt der Schutz von LSBTIQ* eine Leerstelle. Der Antidiskriminierungskatalog in Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes war 1949 eine demokratische Antwort auf die nationalsozialistischen Verbrechen. Die LSBTIQ* Verfolgten des NS-Regimes blieben aber bis heute von dieser Antwort ausgeschlossen. Eine explizite Nennung von LSBTIQ* bedeutet umfassenden Rechtsschutz, der zurzeit umso wichtiger ist, weil Gewalt und Anfeindungen zunehmen. Der Deutsche Bundestag hat sich mit der Gedenkstunde für LSBTIQ* Opfer des Nationalsozialismus im Januar diesen Jahres seiner historischen Verantwortung für den Schutz der LSBTIQ*-Community gestellt. Nun muss als Konsequenz darauf auch die längst überfällige Ergänzung von Artikel 3 Abs. 3 folgen. Die demokratischen Parteien im Bundestag müssen endlich diesen Anfangsfehler korrigieren und auch ganz explizit die Diskriminierung von LSBTIQ* verbieten.

In einigen Bundesländern gibt es bereits entsprechende Diskriminierungsverbote in der jeweiligen Landesverfassung. Diesem Vorbild müssen der Bundestag und andere Bundesländer unbedingt folgen. Dafür setzt sich der LSVD seit 1992 ein. Der Rechtsschutz für LSBTIQ* in Artikel 3,3 würde z. B. verhindern, dass bereits erstrittene Rechte für die Gleichstellung von LSBTIQ* wie die Ehe für alle nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden können. Die Bundesregierung und der Bundestag müssen die Umsetzung dieses zentralen queerpolitischen Anliegens umgehend angehen. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Mehr zum Thema:
Artikel 3 GG ergänzen: Den Anfangsfehler endlich korrigieren
Diskriminierungsverbot ins Grundgesetz

Quelle: Pressemitteilung Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) vom 22.05.2023

LSVD begrüßt weiteren Schritt zur rechtlichen Selbstbestimmung

Heute liegt der offizielle Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz nach der Ressortabstimmung den Verbänden zur Stellungnahme vor. Damit startet die zivilgesellschaftliche Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren. Dazu erklärt Mara Geri aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD):

in weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Selbstbestimmung von trans*, inter* und nichtbinären Personen ist mit der Veröffentlichung des Referent*innenentwurfs heute getan. Der LSVD begrüßt es ausdrücklich, dass der Prozess auf dem Weg zu rechtlicher Selbstbestimmung nach vierzig Jahren Diskriminierung durch das Transsexuellengesetz (TSG) von der Ampelregierung wie im Koalitionsvertrag versprochen vorangebracht wird. Betroffene und ihre Interessensvertretungen haben seit der Vorstellung des Eckpunktepapiers im Juni 2022 lange auf diesen nächsten Schritt gewartet, der sich mehrfach verschoben hat.

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz soll das verfassungswidrige TSG endlich abgelöst werden. Das ist ein längst überfälliger Schritt. Trans*, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen müssten mit dem neuen Gesetz keinen übergriffigen Begutachtungsprozess und kein Gerichtsverfahren mehr durchlaufen, um ihren Personenstand und Vornamen anpassen zu lassen. Durch die vereinfachte Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens auf Antrag beim Standesamt könnte sich die rechtliche Lage und die Anerkennung von trans*, intergeschlechtlichen und nichtbinären Menschen fundamental verbessern.

Wir werden die Regelungen des Entwurfs in den nächsten Wochen genau analysieren. Der LSVD wird sich im weiteren legislativen Verfahren aktiv für die Verbesserungen einsetzen, die aus der Sicht der Betroffenen notwendig sind. Insbesondere der Verweis auf das Hausrecht, die Wirksamkeitsfrist, die Regelungen für Minderjährige sowie Ausnahmen beim Offenbarungsverbot werfen Fragen auf, die einer kritischen Auseinandersetzung bedürfen. Unsere detaillierte Stellungnahme werden wir in den nächsten Wochen veröffentlichen.

Seit der Vorstellung des Eckpunktepapiers im letzten Jahr beobachten wir eine Zunahme trans*feindlicher Rhetorik und Stimmungsmache in der breiten Öffentlichkeit. Ängste vor trans*, inter* und nichtbinären Personen werden gezielt verbreitet, geschürt und instrumentalisiert. Die Aufgabe eines Selbstbestimmungsgesetz ist es auch, sich klar gegen Trans*feindlichkeit zu positionieren. Es darf nicht bestehendes Misstrauen gegenüber trans* Personen noch weiter verstärken. Das Ziel ist die rechtliche Absicherung der geschlechtlichen Selbstbestimmung.

Weiterlesen

BMJ | Aktuelle Gesetzgebungsverfahren | Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften

Das Selbstbestimmungsgesetz: Antworten zur Abschaffung des Transsexuellengesetz (TSG) – Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum geplanten Selbstbestimmungs-Gesetz

Soll Geschlecht jetzt abgeschafft werden?“ – 12 Antworten auf Fragen zum Thema Selbstbestimmungsgesetz und Trans*geschlechtlichkeit

Selbstbestimmungsgesetz jetzt! – Beschluss des LSVD-Verbandstages 2023

Quelle: Pressemitteilung Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) vom 09.05.2023

LSVD übergibt Leitplanken zur Abstammungsrechtsreform

Ein Bündnis aus über dreißig Organisationen übergibt Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau heute vor dem Kindergarten des Bundestags Leitplanken für eine Reform des Abstammungsrechts. Das geltende Abstammungsrecht verwehrt Kindern aus Regenbogenfamilien den zweiten Elternteil. Es diskriminiert zudem weibliche, trans*, inter* und nicht-binäre Personen als Elternteile. Im Koalitionsvertrag ist eine Reform vereinbart, die Ampelregierung ist aber bisher nicht tätig geworden. Dazu erklärt Patrick Dörr, aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD):

Seit Jahren fordern wir eine Reform des Abstammungsrechts, damit Kinder in Regenbogenfamilien endlich gleiche Rechte haben. Ein Bündnis aus über dreißig Organisationen übergibt heute um 12:45 Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau vor dem Kindergarten des Bundestags Leitplanken für eine Reform des Abstammungsrechts. Die Leitplanken sind eine Aufforderung an den Bundestag, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform endlich auf den Weg zu bringen – und zwar in einer Weise, die keine neuen Diskriminierungen produziert und möglichst umfassend die vielfältigen Familienkonstellationen berücksichtigt. Dafür enthalten die Leitplanken konkrete Vorschläge, die schnell und ohne großen Aufwand umsetzbar sind. Erarbeitet haben die Leitplanken der Deutsche Juristinnenbund (djb), die Initiative Nodoption, die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen (BASJ) und der Lesben- und Schwulenverband (LSVD).

Es ist höchste Zeit, das Abstammungsrecht zu reformieren. Auch nach sechs Jahren „Ehe für Alle“ sind Kinder lesbischer, bisexueller, trans*, inter* und nichtbinärer Elternteile noch immer auf die Stiefkindadoption angewiesen, um einen zweiten rechtlichen Elternteil zu bekommen. Das sind sechs bis 18 Monate, in denen das Kind sorge-, unterhalts- und erbrechtlich nur durch einen Elternteil abgesichert und die Geburtsurkunde unvollständig ist. Mehrere Oberlandesgerichte haben die aktuellen Regelungen zum Abstammungsrecht schon dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weil sie an deren Verfassungsmäßigkeit zweifeln. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus. Es gibt mehrere Petitionen mit insgesamt über 80.000 Unterschriften, die eine unverzügliche Abstammungsrechtsreform fordern.

Die Ampelregierung hat im Koalitionsvertrag eine umfassende Reform des Abstammungs- und Familienrechts zur besseren rechtlichen und gesellschaftlichen Absicherung von Regenbogenfamilien versprochen. Angekündigt sind vorgeburtliche Elternschaftsvereinbarungen, die Aufwertung der sozialen Elternschaft, die Öffnung des Samenspenderregisters für private Spenden, die Einführung einer Verantwortungsgemeinschaft, und die automatische Elternschaft beider Mütter, wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sofern nichts anderes vereinbart ist. Bisher hat die Bundesregierung weder Eckpunkte noch einen Gesetzentwurf für die versprochenen Reformen vorgelegt.

Mehr zum Thema:

Wir brauchen eure Unterstützung, um unsere Regierung davon zu überzeugen, die Abstammungsrechtsreform jetzt voranzubringen. Unterschreibe die Petition:
Abstammungsrecht: Kein Gesetz ohne uns!

Pressekontakt für 5.5.: Lucy Chebout, Nodoption@gmx.de

Leitplanken für die Reform des Abstammungsrechts 

Was fordert der LSVD für Regenbogenfamilien?

Reform im Abstammungsrecht: Regenbogenfamilien endlich rechtlich absichern

Quelle: Pressemitteilung Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) vom 05.05.2023

pro familia diskutiert über die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs und verabschiedet Verbandsposition

pro familia hat sich auf dem Verbandswochenende am 6. und 7. Mai 2023 mit dem Thema gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs befasst. Den nach Leipzig angereisten Fachkräften und Delegierten boten Vorträge und Workshops auf der Fachtagung am Samstag die Möglichkeit zum Austausch und zur Diskussion. Eine zentrale Frage war dabei, wie das Recht auf Zugang zu freiwilligen, rechtebasierten Informations- und Beratungsangeboten zum Schwangerschaftsabbruch und zu allen anderen Themen im Rahmen einer Neuregelung ausgestaltet werden kann. Auf der Bundesdelegiertenversammlung am Sonntag wurde als wichtigster Beschluss eine Positionierung zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts verabschiedet.

Auf der Fachtagung mit dem Titel „Perspektiven einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs – Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte umsetzen“ zeigte ein Vortrag über erste Erkenntnisse aus der ELSA-Studie deutliche Defizite bei der Versorgung zum Schwangerschaftsabbruch auf und machte somit den Handlungsbedarf deutlich. Jede zweite der befragten Frauen berichtete über Schwierigkeiten beim Zugang zum Schwangerschaftsabbruch. Insbesondere seien belastend: der Zeitdruck, Probleme bei der Organisation des Schwangerschaftsabbruchs, die Kosten sowie die Wartezeit. Zudem fühlte sich jede fünfte Frau schlecht informiert. In den weiteren Vorträgen ging es um die wichtige Bedeutung der ergebnisoffenen Beratung für die Vermittlung von Informationen und für die Befähigung, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen. Beratung stehe für Emanzipation, fördere Autonomie und Teilhabe und erfülle somit eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, so die Fachreferent*innen.

Laut gängigen fachlichen Standards darf Beratung keine Pflicht sein. Die Teilnehmenden diskutierten in einem Workshop, welche Veränderungen und Chancen sich in der Beratungsarbeit auftun, wenn aus der Pflicht zur Beratung ein Recht wird. In einem weiteren Workshop ging es um die Möglichkeiten, der Stigmatisierung des Schwangerschaftsabbruchs entgegenzuwirken und die Selbstermächtigung von Frauen zu stärken. Was die sexuellen und reproduktiven Rechte konkret bedeuten und wie sie sich mit der Beratungsarbeit verknüpfen lassen, erarbeiteten die Teilnehmenden in einem dritten Workshop. In der abschließenden Diskussion zeigte sich das Podium optimistisch, dass eine gesellschaftliche Debatte über eine gesetzliche Neuregelung Räume eröffne, aus verschiedenen Perspektiven – juristisch, medizinisch, beraterisch – Anforderungen an eine gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs neu zu formulieren . Neben einer aktuellen verfassungsrechtlichen Perspektive müsse hierbei internationalen Menschenrechtsnormen und internationaler Gesundheitsevidenz Rechnung getragen werden. Ein ‚Weiter so‘ könne es auch angesichts der sich verschlechternden Versorgungslage nicht geben. Alle müssten ein Interesse an einem konstruktiven Gespräch haben, um eine Verbesserung zu erreichen.

Die Delegierten verabschiedeten am Tag darauf eine Positionierung für eine außerstrafrechtliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs. pro familia sieht sich den sexuellen und reproduktiven Rechten verpflichtet und geht daher vom prinzipiellen Recht und der Fähigkeit schwangerer Personen aus, über die Fortsetzung einer Schwangerschaft, über ihren Körper und ihr Leben selbst verantwortungsvoll entscheiden zu können und die erforderliche Unterstützung erhalten. Dies bedeutet, dass Schwangere in keiner Situation zum Austragen oder zum Abbruch einer Schwangerschaft gezwungen werden dürfen. Der Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen oder ohne die Zustimmung der schwangeren Person muss weiterhin strafrechtlich sanktioniert sein. pro familia schließt sich den Positionierungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie der International Planned Parenthood Federation (IPPF) an und fordert eine außerstrafrechtliche Regelung der Entscheidungsfreiheit der schwangeren Person ohne Fristen und Indikationen. Die Positionierung ist Ergebnis intensiver innerverbandlicher Diskussionen zur Frage, wie zukünftige Regelungen wirkungsvoll dazu beitragen können, den Schwangerschaftsabbruch zu entstigmatisieren sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte umzusetzen und zu stärken. pro familia hat in der Positionierung ausführlich formuliert, wie eine neue menschenrechtsbasierte Regelung des Schwangerschaftsabbruchs ausgestaltet werden sollte. Außerdem werden Kriterien benannt, anhand derer der Verband mögliche Gesetzesänderungen zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs bewerten wird.

„pro familia steht dafür ein, schwangeren Menschen zu vertrauen und sie dabei zu unterstützen, für sie passende Entscheidungen zu treffen“, erklärt Monika Börding, Bundesvorsitzende von pro familia.

„Wir brauchen eine gesetzliche Regelung, die der schwangeren Person die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft zugesteht – frei von Strafandrohungen, staatlicher Einflussnahme und Stigmatisierung. Wir möchten mit unserer Positionierung fachliche sowie politische Impulse setzen und einen Beitrag zur Konzeption einer umfassenden Neuregelung leisten“, ergänzt die stellvertretende Bundesvorsitzende Stephanie Schlitt, die von den Delegierten für drei Jahre wiedergewählt worden war.

Quelle: Pressemitteilung pro familia Bundesverband vom 09.05.2023

Seit 2 Jahren das wichtigste Thema des Kinder-und Jugendrates von SOS-Kinderdorf e.V.

Psychische Erkrankungen steigen seit der Pandemie rasant an: Knapp 30 Prozent mehr 15- bis 17-Jährige wurden 2021 mit Depressionen in Kliniken behandelt.

Im KiJu-Rat sind zur Lösung deshalb diese Forderungen entstanden, die der KiJu-Rat nun auch in Form einer Petition veröffentlicht hat.

Der Rat vertritt die Rechte von Kindern und setzt sich aus betreuten Kindern und Jugendlichen von SOS-Kinderdorf zusammen. Die Jugendlichen haben die Forderungen gemeinsam erarbeitet und dazu auch mit Psychiatern, Therapeuten und anderen Experten gesprochen.

Die Petition und die Möglichkeit, diese zu unterzeichnen, finden Sie hier: https://www.sos-kinderdorf.de/portal/spenden/wie-wir-helfen/familie/petition-mehr-therapiemoeglichkeiten-fuer-kinder-und-jugendliche

Quelle: Information SOS-Kinderdorf e.V. vom 02.05.2023

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 01. Juni 2023

Veranstalter: Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V. (VAMV)  

Ort: Berlin

Zielgruppe

Unser Fachtag richtet sich an Geschäftsführungen, Trägervertreter*innen und Einrichtungsleitungen aus allen Arbeitsfeldern des Sozialwesen, wie Pflege, Kinder- und Jugendhilfe sowie Eingliederungshilfe. Auch andere Interessierte sind herzlich willkommen.

Der Inhalt:

Im Rahmen des Fachtages stellen wir Strategien und Erfahrungen zur Anwerbung und Bindung von Personal im Sozialwesen vor. Die Gelegenheit zum Austausch bieten wir in wählbaren Workshops mit verschiedenen Schwerpunkten. Unser Fokus liegt dabei nicht auf der Lösung des angespannten Arbeitsmarktes im Sinne des Personalmangels, sondern auf wirksamen Herangehensweisen für Einrichtungen und Träger, um Personal anzuwerben und zu halten.

Mitwirkende:

Prof. Dr. Lutz Schumacher – Professor für Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Alice Salomon Hochschule in Berlin

Martina Schmeink und Uta Sadowski-Lehmann (Das Demographie-Netzwerk e.V.) – Geschäftsführender Vorstand des Demographie Netzwerks und Freie Beraterin. Verein, der Unternehmen, Organisationen und Institutionen bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen unterstützt

Kirsten Frohnert und Damian Cvetkovic (Erfolgsfaktor Familie) – Projektleiterin und Referent im Unternehmensnetzwerk als zentrale Plattform zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Dr. Sabine Gregersen (BGW) – Leitung Bereich Gesundheitswissenschaften bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege

Alessandro Novellino (GEW) – Referent für den Organisationsbereich Jugendhilfe und Sozialarbeit beim Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

Experten*innen der Volkssolidarität mit Best-Practice-Beispielen aus unserem Verband im Bereich Pflege, Kinder- und Jugendhilfe und Marketing.

Die Anmeldung ist ab sofort und bis einschließlich 24. Mai 2023 über folgenden Link möglich: https://app.guestoo.de/public/event/a56c1180-f500-4262-ba26-33036b30093e.

Alle weiteren Informationen zum Programm, den Workshops sowie zu Anmeldung und Anfahrt entnehmen Sie bitte hier.

Die Teilnahmegebühr beträgt 25 Euro. Bitte beachten Sie, dass keine Kosten für Anfahrt und Übernachtung übernommen werden können.

Termin: 01. Juni 2023

Veranstalter: Kooperation zwischen carat- caring all together und Rosa Luxemburg Stiftung Nordrhein- Westfalen

Referentin: Melanie Stitz, Rosa Luxemburg Stiftung NRW.

Überforderung ist häufig ein Resultat menschlicher Unterforderung. Um alle notwendige Arbeit gerecht zu teilen, bräuchte wir einen 16-Stunden-Arbeitstag. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre Teilzeit für alle.

Mit provokanten Thesen wie diesen bringt die marxistische Feministin Frigga Haug das Denken über Arbeit, Demokratie und menschliche Entwicklung in Bewegung. Melanie Stitz stellt Frigga Haugs „4-in-1-Perspektive“ vor – eine Utopie, die ihre Kraft zieht aus den Widersprüchen unserer Zeit, ein Instrument zur Analyse herrschender Verhältnisse sowie ein nützlicher Kompass für konkrete Politik hier und heute.

Melanie Stitz (lohn-)arbeitet als Büroleiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung in NRW, ist Mitglied der feministischen Sektion des Berliner Instituts für Kritische Theorie (InkriT), Redakteurin der feministischen Zeitschrift „Wir Frauen“ (www.wirfrauen.de) und Mitherausgeberin des gleichnamigen Taschenkalenders.

Hier der Zoom- Link zur Veranstaltung:

https://uni-bremen.zoom.us/j/61877725357?pwd=K0d1WmJsN2VhUTBocUdJYlEySVUvZz09

Termin: 06. Juni 2023

Veranstalter: carat- caring all together 

Referentin: Maimuna Sallah

Kinder sollten in den Medien, die sie konsumieren, repräsentiert werden und sich gesehen fühlen. Durch eine positive Repräsentation mit Figuren, die ihnen als Vorbildcharaktere dienen, können Kinder empowert werden. Authentische und altersgerechte Abbildung und Adressierung zeigt ihnen, dass sie mitgedacht werden und ein relevanter Teil der Gesellschaft sind. Auch lernen Kinder, die keiner bestimmten Marginalisierung angehören, dass Vielfalt in der Gesellschaft etwas Normales und Gutes ist. Doch noch immer werden diverse Kinder kaum oder gar nicht als Hauptfiguren von Geschichten in ihrer Alltagswelt oder Lebensrealität abgebildet.

Die Schwarze Kinderbibliothek Bremen ist bundesweit die erste Kinder- und Jugendbibliothek, die Schwarze Kinder und Jugendliche als Protagonist*innen und Held*innen der Geschichten zentriert. Sie möchte Schwarze und Afrodeutsche Kinder empowern und alle anderen Kinder für diverse Lebensentwürfe sensibilisieren.

In diesem Vortrag wird Maimuna Sallah (sie/ihr), Co-Leitung der Schwarzen Kinderbibliothek, die Idee und das Konzept der Bibliothek vorstellen, über Diversität in Kinder- und Jugendliteratur referieren und in einem offenen Austausch Raum für Fragen geben.

Maimuna Sallah studiert an der Universität Bremen den Master „Transnationale Literaturwissenschaft: Literatur, Theater, Film“. Ihr Interessens- und Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Dekonstruktion von kolonialen Kontinuitäten an der Intersektion von Bildungs-und Kulturpolitik sowie im Bereich der diversen Kinder- und Jugendliteratur. Seit 2023 leitet sie zusammen mit Sheeko Ismail (keine Pronomen) die Schwarze Kinderbibliothek Bremen.
Freiberuflich moderiert sie Lesungen und Podien.

Hier der Zoom- Link zur Veranstaltung:

https://uni-bremen.zoom.us/j/66477733396?pwd=RmtnOTBWNU5WYkdnQ2F2NFU3U1ltdz09

Veranstalter: Konsortium Elternchanse

Die Veranstaltungen richten sich sowohl an zertifizierte Elternbegleiter*innen als auch an interessierte Fachkräfte aus der frühkindlichen Bildung, Familienbildung und sozialen Arbeit.

Termine:

06.06.2023, Dienstag

„Aktiv und empathisch zuhören“ – digital

Ob als Erwachsene oder als Kinder brauchen wir die Sicherheit, gesehen und gehört zu werden; wahrgenommen als die, die wir (gerade) sind und als solche auch wertvoll zu sein.

Durch Input, praktische Übungen und im Austausch untereinander laden wir dazu ein, sich mit den Grundlagen des „Zuhörens“ auseinanderzusetzen. Wir wollen konkrete Fragen und Anliegen aufgreifen, um durch dialogisches und empathisches Zuhören neue Lösungen zu entdecken und Konfliktlösungskompetenzen zu stärken.

Dozentinnen: Gerhild Damm, Kim Ehlers-Klier

Anmeldung und weitere Informationen unter: https://veranstaltungen.awo.org/event/aktiv-und-empathisch-zuhoeren

13.-14.06.2023, Dienstag bis Mittwoch

„Dialogische Haltung in mein Team und meine Einrichtung tragen“ – Nümbrecht

Nach Abschluss der Weiterqualifizierung zur Elternbegleitung stehen die Fachkräfte vor der Herausforderung die erlernte Dialogische Haltung in der Praxis zu leben. Nicht immer gibt es Kolleg*innen, die ebenfalls an der Qualifizierung teilgenommen haben und so gilt es das Team mit ins Boot zu holen.

Dozentinnen: Oda Bakuhn, Beate Lamm

Anmeldung und weitere Informationen unter: https://veranstaltungen.awo.org/event/dialogische-haltung-mein-team-und-meine-einrichtung-tragen

19.-20.06.2023, Montag bis Dienstag

„Gewaltsensibilisierung in der Kita“ – digital

Nicht nur das Erkennen von Gewalt, auch der weitere Umgang damit ist oft schwierig. In der Weiterbildung wird das Bewusstsein für verschiedene Arten von Gewalt geschärft. Die Teilnehmer*innen erfahren, wie sie für Gewalt sensibilisieren, aber auch gewaltvolles Verhalten konstruktiv ansprechen können. Dafür wird zusammen die Dialogische Haltung eingenommen. Weitere Methoden der Gesprächsführung, u.a. aus dem Systemischen Aggressions-Management (SAM), werden ebenfalls gemeinsam ausprobiert. Anhand von Fallbeispielen werden in der Diskussion mögliche Handlungsspielräume aufgezeigt.

Dozent*innen: Prof. Dr. Jörg Maywald, Goska Soluch

Prof. Maywald war von 1995 bis 2021 Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind, von 2002 bis 2022 Sprecher der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention.

Anmeldung und weitere Informationen unter: https://veranstaltungen.awo.org/event/gewaltsensibilisierung-der-kita

14.11.2023, Dienstag

„Meine Methodenschatzkiste“ – digital

Diese eintägige Weiterbildung wird durchgeführt von und mit Sabine König und Petra Bartoli y Eckert.

Anmeldung und weitere Informationen folgen. Bei Interesse können Sie gern bereits eine Mail schreiben an: christhin.krage@awo.org

Termin: 10. Juni 2023

Veranstalter: Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V. (VAMV)  

Ort: Kiel

Insbesondere in Großstädten ist bezahlbarer Wohn­raum Mangelware. Dort wo das Geld knapp ist, nimmt die Miete einen überdurchschnittlich hohen Teil des Ein­kommens weg und verfestigt soziale Schieflagen. Stei­gende Mieten führen zu beengten Wohnverhältnissen. Alleinerziehende mit niedrigen Einkommen hatten auch vor der Inflation mit knapp 50 Prozent des Haushalts­budgets bereits eine viel zu hohe Wohnkostenbelastung. Die harte Konkurrenz um viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum führt zunehmend dazu, dass Einelternfami­lien in prekäre Wohnlagen und benachteiligte Quartiere verdrängt werden. Dies hat vor allem negative Folgen für die Entwicklungs- und Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen. Der VAMV will mit seiner Fachtagung auf die beson­deren Bedarfe und Herausforderungen von Eineltern­familien bei den Themen bezahlbares Wohnen und le­benswertes Umfeld hinweisen und multiperspektivische Handlungsansätze für eine nachhaltige Verbesserung der Situation aufzeigen.

Mit Blick auf geplante Wohnungsbauoffensiven will sich der VAMV mit den Fragestellungen des „Gender Planning“ aus der Perspektive von Alleinerziehenden auseinandersetzen und mögliche Handlungsansätze für Planungsvorhaben im Wohnungsbau und Quartiers­management diskutieren. Für Alleinerziehende stehen neben dem sozialen Umfeld insbesondere auch alltags­praktische und organisatorische Herausforderungen, wie Wegezeiten oder die infrastrukturelle Anbindung, im Vordergrund. Was macht ein gutes, förderliches Wohn­raumumfeld für Alleinerziehende und ihre Kinder aus? Nicht zuletzt soll der Frage nachgegangen werden, welche gelungenen Beispiele unterschiedlicher Wohn­formen bereits erprobt sind und inwiefern die bewähr­te Praxis mögliche Lösungsansätze für bestehende Fragen rund um Wohnraum und Lebensumfeld bieten könnte.

Die Tagung richtet sich an Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und Verbänden, Vertreter*innen des VAMV und Interessierte.

Den vollständige Veranstaltungsflyer mit weiteren Informationen finden Sie  unter https://www.vamv.de/service/veranstaltungen.

Anmeldung

Bitte melden Sie sich bis zum 17. Mai 2023 mit Angabe Ihres Namens, Ihrer Organisation, und Ihrer E-Mailadresse unter kontakt@vamv.de an.

Teilnahmebeitrag

Für die Teilnahme an der Fachtagung erheben wir einen Beitrag von 30,00 Euro. Bitte überweisen Sie diesen nach Erhalt Ihrer Anmeldungsbestätigung auf unser Konto: Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE17 3702 0500 0007 0946 00.

Termin: 12. Juni 2023

Veranstalter: UN Women Deutschland e.V.

Ort: Berlin

für eine (geschlechter-)gerechte Welt brauchen wir mutige Ideen mit intersektionaler Perspektive und entschlossene Schritte. Bisher verlaufen die Fortschritte viel zu langsam. Sie haben bereits darüber abgestimmt, welche vier Utopien wir in unserer Konferenz vertiefen wollen.

Wir freuen uns auf spannende Beiträge von u.a. Elke Ferner, Kübra Gümüşay, Esther 윤정  (Yungsung) Lisa Rüden, Jacinta Nandi, Asha Hedayati und Fikri Anıl Altıntaş.

Lassen Sie uns gemeinsam couragierte feministische Utopien schaffen und uns an die Umsetzung machen. Gemeinsam können wir eine gerechte Zukunft für alle verwirklichen.

Alle Infos hier. Bitte melden Sie sich bis zum 29. Mai 2023 an (Kinderbetreuungswünsche müssen bis zum 22. Mai gemeldet werden).

Termin: 20. Juni 2023

Veranstalter: Der Paritätische Gesamtverband

Die Präsentation stellt die zentralen Ergebnisse eines Forschungsprojektes des NZFH zum Thema migrationssensible Frühe Hilfen vor. Die qualitative Studie hatte zum Ziel, explorativ die alltäglichen Herausforderungen zu eruieren, die Fachkräfte in ihrer Arbeit mit Familien mit Migrations- und Fluchterfahrung wahrnehmen. Drei Schlüsselelemente standen dabei im Fokus: der Beziehungsaufbau zwischen Fachkraft und Eltern, das Erkennen von psychosozialen Bedarfen und Umgang mit den Bedarfen sowie die Vermittlung in passende Angebote der Frühen Hilfen oder andere Angebote.

An der Veranstaltung wirkt mit:

Dr. Birgit Jentsch, wissenschaftliche Referentin, Nationales Zentrum Frühe Hilfen/Deutsches Jugendinstitut in München

Hier geht es zur Anmeldung.

Termin: 22. Juni 2023

Veranstalter: Der Paritätische Gesamtverband

Im März 2021 haben die Vereinten Nationen einen neuen General Comment zur UN-Kinderrechtskonvention veröffentlicht. Damit erläutern sie, wie die Rechte des Kindes auf Schutz, Befähigung und Teilhabe in digitalen Umgebungen realisiert werden können. In unserer Veranstaltung wird es einen Überblick zum Dokument sowie Ausführungen zu dessen Bedeutung für die Bereiche Kinder, Jugend und Familie geben.

Vorgestellt wird der General Comment No.25 durch Torsten Krause, Referent für Kinderschutz und Kinderrechte in der digitalen Welt bei der Stiftung Digitale Chancen. Er koordinierte die Stellungnahme der deutschen Zivilgesellschaft während des Beteiligungsverfahrens und war Mitglied der Redaktionsgruppe zur Übersetzung des verabschiedeten Dokumentes ins Deutsche.

Hier geht es zur Anmeldung.

Termin: 23. Juni 2023

Veranstalter: nak-Koordinierungskreis und AG Gesundheit

Ort: Mainz

In insgesamt zwei Impulsvorträgen werden unter anderem die Lücken im Gesundheitssystem darleget sowie aus dem Arbeitsalltag der Clearingstellen berichtet. Auch die Situationen der Haftentlassenen werden aufgezeigt und das Positionspapier der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen in der nak wird vorgestellt.

Weitere Informationen und die Anmeldung finden Sie hier.

WEITERE INFORMATIONEN

Im vergangenen Jahr startete das Forschungs- und Praxisentwicklungsprojekt „Niedrigschwellige Familienbildung für und mit Familien in kritischen Lebenskonstellationen“ der Evangelischen Hochschule Dresden, an dem schon viele Familienbildungseinrichtungen und Familienzentren beteiligt sind. Einrichtungen aller Träger, die mit und für Familien Angebote gestalten, sind nun herzlich eingeladen, sich an einer bundesweiten Online-Befragung zu beteiligen. Diese Befragung basiert auf einer bereits durchgeführten qualitativen Forschungsphase, in der durch das Forschungsteam Einrichtungen der Familienbildung besucht, sowie Eltern und Mitarbeiter*innen interviewt wurden.

Anhand der Befragung sollen in der Breite Informationen zu den Rahmenbedingungen, Zielen und der konkreten Umsetzung von Familienbildung erhoben werden, um Erkenntnisse zu gewinnen, wie Familienbildung niedrigschwellig gestaltet werden kann und insbesondere belastete und erschöpfte Familien erreichen werden können. Die Ergebnisse der Forschung fließen direkt in die Praxisentwicklung der Familienbildung ein und kommen somit den Familien zugute.

Weitere Informationen zum Projekt sind auf der Projektseite verfügbar.

Eine Mitwirkung an der Befragung ist möglich bis zum 31. Mai 2023 unter diesem Link: https://www.soscisurvey.de/fabi/

Auch mit dem QR-Code lässt sich der Fragebogen aufrufen.

Das Ausfüllen des Fragebogens wird etwa 25 Minuten in Anspruch nehmen.

Anlässlich der sehr angespannten Situation in vielen Kitas hat das Institut für Kindheits- und Schulpädagogik der Justus-Liebig-Universität Gießen eine empirische Studie konzipiert, die seit letzter Woche bundesweit freigeschaltet ist. Ziel ist es, konkrete Anhaltspunkte für die Entwicklung von Maßnahmen zu identifizieren, die dazu geeignet sind, das Kita-System auch unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu entlasten.

Im Fokus stehen psychosoziale Belastungsfaktoren im Arbeitsalltag pädagogischer Fachkräfte – konkret betrifft dies den angemessenen Umgang mit Kindern und herausfordernden Situationen, Kinderschutz und die sozialen Dynamiken, die sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen innerhalb der Kita-Teams entwickelt haben.

Teilnehmen können bis zum 9. Juni 2023 alle Personen, die in einer pädagogischen Funktion in Kitas in Deutschland tätig sind – als Fachkraft, Aushilfe, aber auch als PraktikantIn etc. Die Teilnahme erfolgt freiwillig und ist anonym. Es wird nicht möglich sein, Rückschlüsse auf die Teilnehmenden oder auf deren Einrichtungen zu ziehen.

Link zur Studie: https://survey.hrz.uni-giessen.de/index.php/357442?lang=de

Für Rückfragen und Anregungen stehen Frau Dr. Lagemann (Marina.Lagemann@erziehung.uni-giessen.de) und ich, Eva Werner (Eva.S.Werner@erziehung.uni-giessen.de), jederzeit gerne zur Verfügung.

Demokratisch und nicht indifferent – Orientierungen und Positionierungen zum Neutralitätsgebot in der Kinder- und Jugendhilfe

Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

Träger und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe sowie Ehrenamtliche sind zunehmend mit demokratie- und menschenfeindlichen Überzeugungen konfrontiert. Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ möchte der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe mit dem Positionspapier Orientierung bieten, was das Grundgesetz mit seinem parteipolitischen und religiös-weltanschaulichen Neutralitätsgebot meint, wie die Praxis diese Grundpfeiler einer freiheitlichen Demokratie in ihre Arbeit integrieren und Instrumentalisierungen und bewusste Fehlinterpretationen, u. a. von rechten Gruppierungen, entgegentreten kann.

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Archiv ZFF-Info

ZFF-Info 06/2023

AUS DEM ZFF

 

Termin: 23. Mai 2023

Ort: Centre Monbijou, Oranienburger Straße 13-14, 10178 Berlin

Die andauernden Umbrüche haben unsere Gesellschaft und ihre Familien fest im Griff. Die Corona-Krise und damit einhergehende Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben Kinder, Jugendliche und ihre Familien herausgefordert: Angesichts (teil-)geschlossener Bildungs- und Betreuungseinrichtungen stieg die Belastung familiär zu erbringender Sorgearbeit und zeitgleich sank das Wohlbefinden von Familienmitgliedern. Aber auch Einrichtungen der sozialen Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Angebote ambulanter Pflegedienste oder Tageseinrichtungen kamen immer wieder an ihre organisatorischen und personellen Grenzen. Zusätzlich erleben wir eine Energie- und Wirtschaftskrise, – ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine – die viele Menschen, aber auch Einrichtungen der sozialen Infrastruktur um ihre Existenz bangen lässt. Damit geraten Familien weiterhin unter enormen Druck.

Gemeinsam mit u. a. Prof. Dr. Katharina Spieß (BiB) und Sabine Rennefanz (Journalistin und Autorin), wollen wir daher in unterschiedlichen Formaten der Frage nachgehen, wie eine zukunftsfähige Familienpolitik aufgestellt sein muss. Dabei können wir auf wissenschaftliche Erkenntnisse, auf den Austausch mit Jugendlichen und den Erfahrungen unserer Mitgliedsorganisationen aus der täglichen Arbeit mit und für Familien aufbauen.

Wir freuen uns auf Ihr Kommen und den Austausch mit Ihnen! Das Veranstaltungsprogramm finden Sie hier. Anmeldeschluss ist der 08.05.2023.

Die Arbeiterwohlfahrt, das Bundesjugendwerk der AWO und das Zukunftsforum Familie rufen die Bundesregierung zu einer Trendwende bei der Finanzierung zentraler kinder- und familienpolitischer Vorhaben auf. In einer Resolution, die die Bundes-Sonderkonferenz der AWO in Leipzig verabschiedete, fordern die Delegierten Investitionen in die soziale Sicherung sowie die Bildung von Kindern und Jugendlichen.

Es sei ein Skandal, dass Finanzminister Lindner Projekte wie die Kindergrundsicherung infrage stelle, so AWO-Präsident Michael Groß: “Deutschland ist im europäischen Vergleich eines der Länder mit der geringsten sozialen Durchlässigkeit. Wir brauchen eine echte Kindergrundsicherung, eine Investitionsoffensive für die Bildung und eine auskömmliche Finanzierung der Kinder- und Jugendhilfe, damit die Lebenschancen der Kinder und Jugendlichen nicht vom Konto- und Bildungsstand der Eltern abhängen.” Für diese wichtigen Anliegen die nötigen Mittel bereitzustellen, müsse für die selbsternannte “Fortschrittskoalition” eigentlich selbstverständlich sein.

Durch die Corona-Pandemie und die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs hat sich die Situation armutsgefährdeter junger Menschen weiter verschlechtert. Dies gelte neben der finanziellen Situation vieler Kinder und Jugendlicher auch für deren Sozialleben und Bildungschancen, ergänzt Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforums Familie: “Armutsbetroffene Kinder und Jugendliche haben schlechtere Chancen, einen guten Schulabschluss zu machen und sie leiden öfter unter gesundheitlichen Einschränkungen. Sie haben kleinere Freundeskreise als nicht arme Kinder, sind seltener im Sportverein und verfügen über ein geringeres Selbstwertgefühl. All das wissen wir seit Jahrzenten!”

Dass die Politik nicht längst gegengesteuert hat, sei für den gesellschaftlichen Zusammenhalt fatal – und sozial ungerecht: “Die Bundesregierung hält einerseits an der Schuldenbremse fest und besitzt andererseits nicht den Mumm, endlich jene stärker in die finanzielle Verantwortung zu nehmen, die mehr zur Finanzierung unseres Gemeinwesens beitragen müssen und können”, so Senihad Sator, Vorsitzender des Bundesjugendwerks der AWO.

Die Resolution „Solidarität mit Kindern und Jugendlichen – massiv in soziale Sicherung, Bildung und Infrastruktur investieren – jetzt!“ und die darin erhobenen Forderungen finden Sie unter: https://www.zukunftsforum-familie.de/wp-content/uploads/2023-04-22_GemeinsameResolution_SolidaritaetKinderJugendliche.pdf

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 22.04.2023

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Bundesfamilienministerin Lisa Paus diskutiert auf Fach-Kongress in Berlin

Unter dem Motto „Gelingensbedingungen für guten Ganztag“ veranstalten das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam einen Kongress zur Ganztagsbetreuung von Grundschüler*innen in Berlin. Der zweitägige Fach-Kongress bietet Gelegenheit, Erfahrungen zum aktuellen Stand des Ganztagsausbaus auszutauschen, sich über die Investitionshilfen des Bundes zu informieren und Fragen des Rechtsanspruchs zu diskutieren. In Präsenz und im Online-Format soll der Kongress zusammen mit Wissenschaft und Verbänden fachliche Impulse und Denkanstöße für Schulverwaltungen und Kinder- und Jugendhilfe geben sowie zur Qualitätsentwicklung der Ganztagsbildung und -betreuung beitragen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus schaltet sich digital zu und diskutiert mit Steffen Freiberg, designierter Minister für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg und Vorsitzender der JFMK und Astrid-Sabine Busse, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie von Berlin und Präsidentin der KMK.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ist Voraussetzung dafür, die kindgerechte, qualitativ hochwertige Ganztagsbildung und -betreuung flächendeckend auszubauen. Erfolg in der Bildung hängt in vielen Fällen vom Elternhaus ab. Mit ganztägigen Angeboten für Kinder im Grundschulalter können wir mögliche Nachteile ausgleichen. Zugleich erhöht Ganztagsbetreuung die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das führt zu einer höheren Erwerbstätigkeit von Müttern und stellt einen wichtigen Faktor für die Fachkräftesicherung dar.“

Auf dem Kongress erwartet die Teilnehmenden ein umfangreiches Programm aus Vorträgen, Podiumsdiskussionen und insgesamt 21 Fachforen. Ziel ist der Austausch über die notwendigen Rahmenbedingungen für gute Ganztagsbetreuung. Der Kongress ist als jährlich wiederkehrendes Format konzipiert.

Bund und Länder werden in den kommenden Jahren nicht nur den quantitativen Ausbau, sondern auch die Qualität der Ganztagsbildung und -betreuung vorantreiben. Der Bund begrüßt, dass die Kultusministerkonferenz gemeinsam mit der Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder in diesem Jahr den Prozess „Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität im Ganztag für Kinder im Grundschulalter“ gestartet hat. BMFSFJ und BMBF begleiten den Prozess mit eigenen Formaten.

Der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung für Kinder im Grundschulalter wurde 2021 im Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) geregelt, um Teilhabechancen von Kindern zu verbessern und um Familien in der Organisation ihres Alltags besser zu unterstützen. Vom Schuljahr 2026/27 an gilt der Rechtsanspruch für Kinder ab der Klassenstufe 1. Danach geht es schrittweise weiter, bis im Schuljahr 2029/30 alle Kinder der Klassenstufen 1 bis 4 einen Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung haben. Der Bund beteiligt sich mit 3,5 Milliarden Euro an den Investitionskosten sowie an den laufenden Kosten (ab 2026 aufsteigend; ab 2030 mit 1,3 Mrd. Euro pro Jahr).

Mehr Informationen zum Investitionsprogramm Ganztagsausbau finden Sie unter:

https://www.ganztagsschulen.org/

https://www.recht-auf-ganztag.de

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 26.04.2023

Mehr als 160.000 Jugendliche erhalten am heutigen Girls’Day und Boys’Day spannende Einblicke in Berufs- und Studienfelder

 

Rund 20.000 Aktionen und mehr als 160.000 Plätze bieten Unternehmen und Institutionen am diesjährigen Girls’Day und Boys’Day bundesweit an – so viele Möglichkeiten für eine interessengeleitete und klischeefreie Berufs- und Studienorientierung wie noch nie. Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 bis 10 können beispielsweise von Sportprofis Teamplay lernen, einen Blick hinter die Kulissen der Modewelt werfen oder Pflegefachkräften bei der Arbeit über die Schulter sehen.

Bundesjugendministerin Lisa Paus: „Für welche Berufe sich junge Menschen entscheiden, hat viel damit zu tun, welche Chancen sie haben eigene Erfahrungen zu machen. Ich möchte alle Mädchen und Jungen ermuntern, mutig ihre Talente zu erforschen – frei von überholten Ideen zu Geschlechterrollen im Beruf. Mädchen können beispielsweise erleben, dass sie in technischen Berufen erfolgreich sein können und Jungen dürfen kreative oder sorgende Seiten entdecken, indem sie am Aktionstag praxisnah Berufe kennenlernen. Der Girls’Day und Boys‘Day kann so ein Schritt sein zu mehr gelebter Vielfalt im Beruf.“

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger: „Mädchen können heute alles werden. Es gibt keinen Grund, warum sie mit ihren Talenten und Fähigkeiten nicht überall vertreten sind. Deshalb unterstützt mein Haus den Girls’Day schon seit Jahren. Er setzt genau da an, wo wir Interesse wecken und Potenziale heben müssen. Der Girls’Day bietet Mädchen die tolle Gelegenheit, MINT praktisch zu erleben, Einblicke und Erfahrungen zu sammeln und weibliche Vorbilder kennenzulernen. Das ist eine große Chance für sie und auch für uns als Gesellschaft. Wir müssen Mädchen und Jungen die Möglichkeit geben, ihre Talente zu entdecken und frei zu entfalten.“

Barbara Schwarze, Vorsitzende des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V., wo der Girls’Day und Boys’Day angesiedelt ist: „Schülerinnen und Schüler haben dank der Aktionstage die Möglichkeit, sich Berufen anzunähern, die sie sonst eher selten für sich in Erwägung ziehen. Unsere aktuelle Befragung zeigt: Es gibt einen Klebeeffekt. 42 Prozent der Girls’Day-Teilnehmenden und 36 Prozent der Boys’Day-Teilnehmenden können sich vorstellen, in das Unternehmen für ein Praktikum oder eine Ausbildung zurückzukehren.“

Hintergrund
In Deutschland gibt es mehr als 330 duale Ausbildungsberufe. Doch mehr als die Hälfte der Mädchen begrenzt sich bei der Berufswahl auf lediglich zehn dieser Ausbildungsberufe, darunter kein einziger gewerblich-technischer. Bei Jungen ist es ähnlich: Mehr als die Hälfte der männlichen Jugendlichen wählt unter nur 20 Ausbildungsberufen.

Am Girls’Day und Boys’Day bekommen Jugendliche Einblicke in Berufe, in denen Frauen und Männer bislang unterrepräsentiert sind. Für die Unternehmen und Institutionen ist der Aktionstag eine Möglichkeit, den Nachwuchs praxisnah zu fördern und für das eigene Themenfeld zu begeistern. Die Aktionstage setzen einen wichtigen Impuls gegen gängige Geschlechterstereotype und sorgen dafür, dass junge Menschen ihr Berufs- und Studienwahlspektrum erweitern. Der Aktionstag Girls’Day wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Seit 2011 fördert das BMFSFJ auch den Aktionstag Boys’Day. Mehr als 2,25 Millionen Plätze standen im Rahmen des Girls’Day für Mädchen seit 2001 zur Verfügung. Am Boys’Day haben insgesamt bisher mehr als 370.000 Jungen teilgenommen.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 26.04.2023

Zur Einleitung der regierungsinternen Ressortabstimmung für das Selbstbestimmungsgesetz erklärt Tessa Ganserer, stellv. Mitglied im Gesundheitsausschuss:

„Menschen wollen selbstbestimmt leben können. Das ist ein zentrales Bedürfnis, garantiert vom Grundgesetz. Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz erhalten endlich auch transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen dieses Grundrecht, das ihnen bisher verwehrt wurde. Es ist ein historischer Schritt. Wir freuen uns sehr, dass die regierungsinterne Ressortabstimmung und somit die nächste Etappe dorthin eingeleitet wurde.

Das bisher geltende sogenannte Transsexuellengesetz zwingt Menschen in unwürdige Gerichtsverfahren samt Zwangsbegutachtungen mit peinlichen und sehr intimen Fragen. Um endlich so zu leben, wie sie sind, mussten sich transgeschlechtliche Personen auf einen langen, kostenintensiven und entwürdigenden Weg machen, mit ungewissen Ausgang. Das werden wir als Ampelkoalition mit dem Selbstbestimmungsgesetz beenden. Es legt die Hoheit über das eigene Leben wieder dahin, wo sie hingehört: In die Hände der jeweiligen Personen. Es stärkt die persönliche Freiheit und bietet mehr Schutz für die betreffenden Menschen. Damit stärken wir aber auch die Grundrechte für alle, denn für uns ist das Selbstbestimmungsgesetz nicht nur eine faktische Verbesserung im Leben einiger. Es ist vielmehr eine Werteentscheidung: das Versprechen unseres Grundgesetzes gilt für alle und die Würde aller Menschen ist unantastbar. Nur so werden wir unserem Anspruch gerecht, eine offene und demokratische Gesellschaft zu sein. Die Rechte trans-, intergeschlechtlicher und nicht-binärer Menschen sind Menschenrechte.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 27.04.2023

Die Mittel des Kinder- und Jugendplans des Bundes zu dynamisieren, Räume für Bildung und Begegnung für junge Leute zu schaffen und zu erhalten sowie Kinder- und Jugendarmut und die Pandemiefolgen stärker in den Blick zu nehmen: Das forderten die Sachverständigen im Fachgespräch des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Mittwochmittag, bei dem sie aus der Arbeit des Bundesjugendrings berichteten.

In Zeiten multipler Krisen mache der Bundesjugendring als Arbeitsgemeinschaft von 28 Jugendverbänden und 16 Landesjugendringen jungen Menschen ein Angebot und verleihe ihnen eine Stimme, sagte Daniela Broda, Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings e. V. Die Mitgliedsorganisationen stünden für ein breites Spektrum jugendlichen Engagements. Man vertrete die Interessen von sechs Millionen jungen Menschen in Deutschland. „Junge Menschen engagieren sich überdurchschnittlich.“

Kinder und Jugendliche seien von heutigen Entscheidungen ebenso wie von den aktuellen Krisen und deren Folgen am längsten betroffen und wollten in politische Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Kinder und Jugendliche setzten sich für offene Gesellschaften, für europäische Integration, internationale Solidarität und für die ökologische und soziale Transformation mit demokratischen Mitteln ein. „Jugendverbände sind Werkstätten der Demokratie“, so Broda.

Der Bundesjugendring und seine Mitglieder setzten sich dafür ein, dazu die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, Freizeitangebote für die jungen Menschen sowie eine Verbindung zu den aktuellen politischen Prozessen wie der Jugendbeteiligung, Kindergrundsicherung, der Engagementstrategie, dem Demokratiefördergesetz, dem Inklusiven Sozialgesetzbuch VIII oder der nationalen Plattform für nachhaltige Entwicklung.

Die Vorsitzende des Bundesjugendrings unterstrich den Wert und die Berechtigung jungen Engagements. Das Engagement der Kinder und Jugendlichen sei vielfältig und spiegele die Gesellschaft in ihrer ganzen Bandbreite. Der Einsatz der jungen Leute in einem Verein halte oft ein Leben lang. Ihre Themen wollten die jungen Menschen in den politischen Prozess einbringen. Dazu müsse man sie anhören. „Junge Menschen wissen selbst am Besten was sie brauchen.“ Als gewählte Vorstände des Bundesjugendrings betrachte man sich als legitime Interessenvertretung der Kinder und Jugendlichen und fordere „echte Beteiligung junger Menschen in allen Politikfeldern, die sie betreffen“.

Als Beispiel nannte Broda deren Mitwirkung im jugendpolitischen Beirat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kinder- und Jugendarmut müsse mit einer umfassenden Kindergrundsicherung, bis zum 25. Lebensjahr und mit einem „soziokulturellen Existenzminimum“ beendet werden. Die Ganztagsbetreuung jenseits der Schule müsse zu einer Stätte der Ganztagsbildung werden, die nicht allein an den Aufbewahrungsinteressen der Erwachsenen orientiert sei.

Um den Jugendlichen mehr demokratische Mitbestimmung zu ermöglichen, solle sich die Politik dazu durchringen, das Wahlalter ab der kommenden Bundestagswahl auf 16 abzusenken, forderte Wendelin Haag, Vorsitzender des Deutschen Bundesjugendrings e. V. Jugendlichen dieses weiter vorzuenthalten sei „in hohem Maß rechtfertigungsbedürftig“. „Junge Menschen können und wollen wählen.“ Sie wollten dies nicht nur zu Kommunal-, Landes- und Europawahlen. Die Absenkung des Wahlalters diene einer starken und wehrhaften Demokratie.Überdies brauche die politische Jugendbildung, als ein „Fundament unserer Demokratie“, eine strukturelle Förderung durch das Demokratiefördergesetz.

Um hauptamtliche Fachstellen zu finanzieren, die die Ehrenamtlichen und das Engagement der Jugendlichen unterstützen, gelte es dringend eine Verstetigung des Mittelaufwuchses für die Jugendverbandsarbeit herbeizuführen. „Wenn Löhne und Preise steigen, darf das nicht zum Nachteil der Kinder sein.“ Man müsse nun einen rückwirkenden Inflationsausgleich sowie eine Erhöhung und zudem eine Dynamisierung des Kinder- und Jugendplans des Bundes (KJP) erreichen. „Die grundständige Förderung im KJP ist am wichtigsten“, sagte Haag. „Es gibt keine bessere Förderung.“

„Die Förderung der bundeszentralen Strukturen der Jugendverbandsarbeit ermöglicht ehrenamtliches Engagement“, sagte Haag. Aber die Aufwüchse im KJP blieben hinter den Anforderungen an zivilgesellschaftliches Engagement und hinter der Inflation zurück. Neben der Bezahlung hauptamtlichen Personals müssten nun auch dringende Sanierungsaufgaben bei den Jugendfreizeit- und Jugendbildungsstätten in Angriff genommen werden. Nachdem in der Zeit der Pandemie einiges liegengeblieben sei und die energetische Modernisierung Neubauten erfordere, herrsche ein Investitionsbedarf, der durch die Einrichtungen selbst nicht zu stemmen sei.

Diese müssten aber als zentrale, unverzichtbare Orte der Bildung und Begegnung unbedingt erhalten werden. „Ohne eine energetische Sanierung sind die Einrichtungen nicht zukunftsfähig“, sagte Haag. „Junge Menschen haben den Anspruch an eine Kinder- und Jugendhilfe, die langfristig klimaneutrale Gebäudeinfrastruktur bereitstellt.“

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 313 vom 26.04.2023

Die Fraktion Die Linke will in einer Kleinen Anfrage (20/6402) von der Bundesregierung wissen, wie sich die Ausgaben für die Kinderbetreuung seit 2019 entwickelt haben und nach Einschätzung der Regierung bis zum Jahr 2030 entwickeln werden.

Die Abgeordneten wollen vor dem Hintergrund des seit 2008 geltenden Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege wissen, welche Programme der Bundesregierung neben dem Gute-Kita-Gesetz und dem KiTa-Qualitätsgesetz seit 2021 mit dem Ziel, die Kinderbetreuung zu unterstützen, aufgelegt wurden.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 307 vom 26.04.2023

Die Bundesregierung will ihre Eckpunkte für eine neue Wohngemeinnützigkeit und ein entsprechendes Förderprogramm bis 14. Juni vorlegen. Das kündigte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Cansel Kiziltepe (SPD) am Mittwoch im Bauausschuss an. Ursprünglich sollten die Eckpunkte bereits Ende März vorliegen. Der Termin sei aufgrund der komplexen und aufwendigen Rechtsgebiete und der erforderlichen Abstimmungen nicht zu halten gewesen.

Kiziltepe erinnerte daran, dass Deutschland einmal eine Hochburg des sozialen Wohnungsbaus gewesen sei. 1990 sei die Wohngemeinnützigkeit abgeschafft worden, bis Ende der neunziger Jahre habe es rund vier Millionen Wohnungen im gemeinnützigen Bestand gegeben. Ziel der geplanten neuen Wohngemeinnützigkeit ist es nach den Worten Kiziltepes, dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Man komme mit dem Bau von Sozialwohnungen nicht mehr hinterher, weil mehr Wohnungen aus der Sozialbindung herausfielen als neue gebaut würden. Alte Wohnungsbestände sollen in das neue Segment umgewidmet werden können und neue Wohnungsbestände entstehen. Kiziltepe räumte ein, dass die Wohnungswirtschaft eine höhere Neubauförderung bevorzugen würde. Die Neubauförderung gewährleiste den dauerhaft bezahlbaren Wohnraum jedoch nicht. Das neue Segment werde gemeinwohlorientiert und mit einer Rendite- und Mietenbegrenzung versehen sein, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin.

Hanna Steinmüller (Bündnis 90/Die Grünen) urteilte, der Wohnungsmarkt funktioniere nicht so, „wie wir es uns wünschen“. Bezahlbare Wohnungen seien möglich, wenn man die Renditeerwartung aus dem Wohnungsmarkt herausnehme.

Franziska Mascheck (SPD) erinnerte an die Wohngemeinnützigkeit bis 1990, deren Problem gewesen sei, dass Steuervergünstigungen Tür und Tor für Steuerschlupflöcher geöffnet hätten. Im Kern brauche man Wohnraum, der „aus der Spekulation rausgeht“.

Caren Lay (Die Linke) sprach von einer „guten Idee“, denn die Wohnungsgemeinnützigkeit der alten Bundesrepublik sei ein Erfolgsmodell gewesen. Wegen der Wohnungsnot und dem „Mietenwahnsinn“ müsse gehandelt werden. Angesichts der Bauflaute sei ein Neustart die einzige Lösung, um die Bauwirtschaft „wieder in die Gänge zu bringen“.

Sandra Weeser (FDP) sagte, ihre Fraktion lehne die Wohngemeinnützigkeit nicht generell ab, sie sei im Koalitionsvertrag vereinbart. Allerdings stehe sie unter der Prämisse der Finanzierbarkeit. Ein sozialer Wohnungsbau müsse geschaffen werden, da viele Wohnungen verkauft und nicht im gleichen Umfang nachgebaut worden seien. Die FDP priorisiere die Subjektförderung wie etwa beim Wohngeld gegenüber einer Objektförderung. Ziel müsse es sein, zu „durchmischten Quartieren“ zu kommen.

Jan-Marco Luczak (CDU) berichtete von Rückmeldungen aus der Wohnungsbaubranche, in der das Vorhaben kritisch gesehen und abgelehnt werde, dass sich die Finanzierung darauf fokussiert. Auch Luczak plädierte dafür, „sozial durchmischte Gebiete“ zu haben, was mit der Wohngemeinnützigkeit nicht erreicht werde.

Roger Beckamp (AfD) sah es als problematisch an, dass die Kosten bezuschusst werden sollen und dass die geförderte Zielgruppe Asylbewerber sein könnten und Einheimische das Nachsehen hätten. Auch könnten Landesbaugesellschaften installiert werden, die hinterher „Versorgungsposten für die Altparteien“ bereitstellen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 305 vom 26.04.2023

Die Abschaffung des Kinderreisepasses sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/6519) vor, der am Donnerstag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Danach soll statt des Dokumententyps „Kinderreisepass“ künftig ein elektronischer Reisepass mit der längeren Gültigkeitsdauer sowie der Nutzungsmöglichkeit für weltweite Reisen beantragt werden können. „In begründeten Einzelfällen kommt – bei Anerkennung im Reisezielland – auch die Beantragung eines vorläufigen Reisepasses in Betracht, welcher in der Regel sofort ausgestellt werden kann“, heißt es in der Vorlage weiter.

Zudem soll laut Bundesregierung durch die Einführung eines neuen Passversagungsgrundes Kindesmissbrauch im Ausland verhindert werden. Im Hinblick auf die beabsichtigte Schaffung der Möglichkeit, Pässe, Personalausweise, elektronische Aufenthaltstitel und eID-Karten auf Wunsch der antragstellenden Person auch im Inland an diese zu versenden, sollen den Angaben zufolge die erforderlichen Verordnungsermächtigungen geschaffen werden. Ferner sieht der Gesetzentwurf „zur Modernisierung des Pass-, des Ausweis- und des ausländerrechtlichen Dokumentenwesens“ unter anderem vor, das Mindestalter für die Nutzung eines elektronischen Identitätsnachweises auf 13 Jahre zu reduzieren.

Wie die Bundesregierung ausführt, besteht der Nutzen des Gesetzentwurfs darin, Verwaltungsabläufe zu modernisieren und durch angepasste Verfahren den Aufwand für die Pass-, Ausweis- und Ausländerbehörden sowie die Bürgerinnen und Bürger zu reduzieren. Darüber hinaus werde die Sicherheit und Integrität der Daten in Pässen, Personalausweisen und elektronischen Aufenthaltstiteln gesichert und somit das Vertrauen in diese Dokumente aufrechterhalten.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 295 vom 25.04.2023

Den Diskriminierungsschutz „konsequent durchsetzen und stärken“ will die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, die am Mittwochmittag in einem Fachgespräch des Familienausschusses ihr Arbeitsprogramm vorstellte und den Mitgliedern außerdem Rede und Antwort stand zum „Vierten Gemeinsamen Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages: Diskriminierung in Deutschland – Erfahrungen, Risiken und Fallkonstellationen“ (BT-Drs. 19/32690).

Ob man mit dem Kinderwagen wegen mangelnder Barrierefreiheit verzweifele, bei der Wohnungssuche aufgrund ethnischer Merkmale immer wieder ausgesiebt werde oder männliche ihren weiblichen Kolleginnen am Arbeitsplatz wegen einer möglichen Schwangerschaft vorgezogen würden – „Antidiskriminierungspolitik ist kein Minderheitenthema“, sondern „ein Freiheitsthema“ und betreffe alle, unterstrich Ataman.

Sie sehe sich als Beauftragte aller Menschen in Deutschland. Viele erlebten Einschränkungen, jeder könne in eine solche Situation geraten. 63.000 Anfragen seien seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) 2006 an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und das im vergangenen Jahr neu geschaffene Amt der Unabhängigen Beauftragten gerichtet worden, berichtete sie.

Sie freue sich, dass die Koalition eine Reform des AGG in dieser Wahlperiode vereinbart habe, sagte Ataman. Das aktuell geltende Gesetz, das formuliert, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen, sei „eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa.“ Auch die Zahl von einer Beratungsstelle pro eine Million Einwohner sei gering. Man habe „in Deutschland einiges aufzuholen“.

Um den Schutz vor Diskriminierung „konsequent durchzusetzen und zu stärken“ werde sie sich als Beauftragte dafür einsetzen, die rechtlichen Rahmenbedingungen mit dem Ziel der Gleichbehandlung zu verbessern, das Wissen über Diskriminerungsschutz und das AGG zu vergrößern sowie Betroffene zu beraten und die Beratung und Vernetzung auszubauen.

Der Hauptfokus ihrer fünfjährigen Amtszeit liege auf der Reform des AGG. „Alle Menschen sollen wissen: Es gibt ein AGG und einen Rechtsstaat, der mir dabei hilft, meinen Schutz in Anspruch zu nehmen.“ Dazu werde man eine bundesweite Aufklärungskampagne starten.

Außerdem wolle sie sich dafür einsetzen, das Beratungsangebot, in der Fläche, in den Bundesländern und Kommunen, gleichmäßig auszubauen, sagte Ataman. Die Strukturen, die Versorgung mit Antidiskriminierungsstellen, seien momentan sehr unterschiedlich. Man müsse zudem Diskriminierungsschutz niedrigschwelliger anbieten, wie es andere Länder auch täten.

Sie würde es gerne sehen, wenn es ihrer Einrichtung, die Betroffenen eine „rechtliche Ersteinschätzung“ geben könne, eingeräumt werde, diesen auch Rechtsbeistand anzubieten, sagte Ataman. Heute habe man nur die Möglichkeit, sich einen Anwalt zu nehmen und vor Gericht ziehen. Viele verzichteten jedoch wegen des Eskalationspotenzials von Gerichtsverfahren darauf. Man brauche außerdem längere Fristen, um einen Tatbestand anzuzeigen, die heute geltende Frist von zwei Monaten sei zu kurz. Auch müsse das AGG, das bislang Streitfälle zwischen Privatpersonen regele, auf staatliches Handeln ausgedehnt werden.

Der im Oktober 2021 dem Deutschen Bundestag vorgelegte „Vierte gemeinsame Bericht“ liste Benachteiligungen aus den im AGG genannten Gründen auf und gebe, obwohl er sich auf den Zeitraum 2017-2020 beziehe, weiter gültige Empfehlungen, wie sich Diskriminierung vermeiden lasse. Die Zahl der Beratungsanfragen sei in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich gestiegen. Die meisten Anfragen seien in den Bereichen Arbeitsleben, Güter und Dienstleistungen sowie Ämter und Behörden zu verzeichnen gewesen. Man arbeite bereits an dem folgenden Bericht.

Der gemeinsam mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen und der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration erstellte Bericht empfiehlt, Beratungsstrukturen zu stärken, Landesantidiskriminierungsstellen einzurichten, Diskriminierung durch Datenerhebung besser sichtbar machen sowie alternative Streitbeilegungsverfahren auszubauen. Insbesondere der Altersdiskriminierung wolle sie sich in ihrer Amtszeit widmen, sagte Ataman. Das betreffe fast alle und sei ein „gutes Thema, um klar zu machen was Diskriminierung ist“.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 280 vom 19.04.2023

Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Bundesregierung dazu auf, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Aktuell würden in Deutschland pro Jahr elf Millionen Tonnen an Lebensmitteln im Mülleimer landen. „Alle Beteiligten in der Lieferkette sind deshalb aufgefordert, ihre jeweiligen Möglichkeiten zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen zu nutzen. Insbesondere eine bessere Kenntnis der Haltbarkeit von Lebensmitteln bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie rechtliche Erleichterungen für Lebensmittelspenden“, schreiben die Abgeordneten der Unionsfraktion in einem Antrag (20/5407), der Mittwochabend erstmals im Bundestag debattiert wird.

Zum einen wird die Bundesregierung aufgefordert, die kostenlose Weitergabe von Lebensmitteln an die Tafeln, soziale Einrichtungen und Organisationen zu vereinfachen, indem spendende Unternehmen von Haftungsrisiken insbesondere nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch befreit werden. Außerdem soll geprüft werden, ob gemeinnützige Organisationen projektbezogen stärker finanziell unterstützt werden könnten, um sie beim Aufbau notwendiger Infrastruktur zur Annahme von Lebensmittelspenden zu unterstützen.

Auf EU-Ebene solle darauf hingewirkt werden, dass eine Ausweitung der Ausnahmeregelung von der Mindesthaltbarkeitsdatum-Kennzeichnung für Lebensmittel – unter Einbindung der betroffenen Akteure – erarbeitet werden könne, insbesondere im Hinblick auf trockene Lebensmittel wie beispielsweise Nudeln und Reis. Die EU solle darüber hinaus dafür sorgen, dass es eine einheitliche Berichterstattung der Mitgliedstaaten gebe, und sich für eine Ausweitung des Messumfangs der Lebensmittelverschwendung einsetzen, um eine vollständige und vergleichbare Datenlage zu erhalten.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 279 vom 19.04.2023

DIW-Studie analysiert Energieausgaben von 2010 bis 2019, also vor Corona-Pandemie und Krieg in der Ukraine – Vor allem Stromausgaben sind in grundsicherungsbeziehenden Haushalten deutlich höher als in vergleichbaren Haushalten – Offenbar fehlt es an Anpassungsmöglichkeiten, trotz Sparanreizen – Förderprogramme für mehr Energieeffizienz sowie Informationskampagnen nötig

Haushalte, die Bürgergeld (früher Arbeitslosengeld II) oder Grundsicherung im Alter beziehen, geben Monat für Monat deutlich mehr Geld für Heizung und Strom aus als vergleichbare Haushalte mit geringen Einkommen. Für das Heizen der Wohnung waren es im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2019 5,30 Euro monatlich mehr, für Strom sogar 9,10 Euro, wie aus einer Studie der Abteilung Staat und der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervorgeht. Dabei gibt es mit Blick auf die Stromausgaben eigentlich einen erheblichen Sparanreiz für grundsicherungsbeziehende Haushalte, denn diese Ausgaben werden im Rahmen des Regelsatzes pauschal und damit unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch abgegolten. Jede eingesparte Kilowattstunde Strom würde sich also positiv im Geldbeutel bemerkbar machen. Demgegenüber werden die Ausgaben für Heizenergie als Teil der Kosten der Unterkunft – die separat zum Regelsatz berechnet werden – in der tatsächlichen Höhe übernommen. Entsprechend gibt es hier keinen direkten finanziellen Anreiz, Energie einzusparen.

„Dass Haushalte in der Grundsicherung trotz starker Sparanreize deutlich mehr Geld für Strom ausgeben als vergleichbare Haushalte, ist nicht nur aus sozialpolitischer Sicht bedenklich, insbesondere vor dem Hintergrund der zuletzt stark gestiegenen Energiepreise“, sagt Peter Haan, Leiter der Abteilung Staat im DIW Berlin und neben Stefan Bach, Lars Felder und Wolf-Peter Schill einer der Studienautoren. „Es ist auch klimapolitisch eine Herausforderung – denn eine Ursache dürften ältere und weniger energieeffiziente Elektrogeräte sein, die die Haushalte mangels finanzieller Spielräume auch nicht so schnell werden ersetzen können“, so Haan. Grundsicherungshaushalte lebten zudem häufiger in älteren und schlechter gedämmten Mietwohnungen, was beim Heizen nachteilig sei.

Klimapolitik gerät an Grenzen, wenn Sparanreize nicht greifen können

Für die Studie haben die Autoren bevölkerungsrepräsentative Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) verwendet, die bis zum Jahr 2019 reichen. Effekte der Corona-Pandemie und der Energiepreiskrise infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine waren somit nicht Teil der Untersuchung. Weil ein einfacher Vergleich der durchschnittlichen Ausgaben für Energie von Haushalten mit und ohne Grundsicherung zu kurz greifen würde, haben die Studienautoren in ihren Berechnungen relevante Unterschiede zwischen den Haushalten berücksichtigt. Dazu zählen etwa das Einkommen, die Wohnungsgröße oder die Zahl der in einem Haushalt lebenden Personen.

„Dass Haushalte in der Grundsicherung trotz starker Sparanreize deutlich mehr Geld für Strom ausgeben als vergleichbare Haushalte, ist nicht nur aus sozialpolitischer Sicht bedenklich, sondern auch klimapolitisch eine Herausforderung.“ Peter Haan

Die Befunde verdeutlichen, dass die Klimapolitik mit anreizgesteuerten Maßnahmen bei ärmeren Haushalten an ihre Grenzen kommen könnte. „Zentrales Steuerungselement der Klimapolitik ist ein künftig steigender Preis für den Ausstoß von CO2, wodurch fossile Heizenergieträger und Strom teurer werden“, erklärt Energieökonom und Studienautor Wolf-Peter Schill. „Wenn manche Haushalte auf Sparanreize aber gar nicht reagieren können, droht die Klimapolitik bei diesen Gruppen ins Leere zu laufen.“

Daher raten die Studienautoren zu Förderprogrammen, die es Haushalten in der Grundsicherung und mit niedrigen Einkommen erleichtern, energieeffizientere Geräte anzuschaffen. Darüber hinaus brauche es gezielte Aufklärungs- und Informationskampagnen, die konkrete Einsparmöglichkeiten aufzeigen. Schließlich müsse auch bei der Förderung der energetischen Gebäudesanierung nachjustiert werden, damit diese effektiver werde.

Links:

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vom 19.04.2023

Von allen formalen beruflichen Aufstiegen im Jahr 2019 entfielen 59 Prozent auf Männer und 41 Prozent auf Frauen. Das zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Von allen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Männern gelang damit 3,8 Prozent ein formaler Aufstieg, bei den Frauen waren es mit 3,1 Prozent erkennbar weniger.

Geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen auch beim Ausgangsniveau, von dem aus ein Aufstieg vollzogen wird: Für Frauen und Männer gilt gleichermaßen, dass mehr als die Hälfte aller formalen Aufstiege aus Helfer- und Anlerntätigkeiten erfolgen. Allerdings wurden 41 Prozent der Aufstiege von Frauen in 2019 aus Fachkrafttätigkeiten vollzogen, während das bei 35 Prozent der Aufstiege von Männern der Fall war. In 13 Prozent der Aufstiege sind Männer aus Spezialisten- hin zu Expertentätigkeiten aufgestiegen, bei Frauen traf dies auf 8 Prozent zu.

Gerade Beschäftigen in Berufen mit einem hohen Frauenanteil gelingt mit 5 Prozent aller formalen Aufstiege der Aufstieg von einer Spezialisten- in eine Expertentätigkeit selten. Zum Vergleich: In Berufen mit einem hohen Männeranteil und in geschlechtergemischten Berufen, in denen der Frauenanteil zwischen 30 und 70 Prozent beträgt, ist das in 13 beziehungsweise 15 Prozent aller Aufstiege der Fall. „Die geschlechtersegregierte Berufswahl spielt bei den Karrieremöglichkeiten eine wichtige Rolle, denn in frauendominierten Berufen gibt es weniger Stellen mit komplexeren Spezialisten- und Expertentätigkeiten“, erklärt IAB-Forscherin Basha Vicari. „Kampagnen wie der Girls‘ Day können helfen, Mädchen schon frühzeitig auf Berufe aufmerksam zu machen, in denen es bessere Aufstiegschancen gibt“, so Vicari weiter.

Die Studie beruht auf den den Daten der Integrierten Erwerbsbiografien, die Informationen zu Erwerbsläufen ermöglichen. Die IAB-Studie ist online abrufbar unter https://www.iab-forum.de/frauen-ueben-seltener-als-maenner-taetigkeiten-mit-hohen-anforderungsniveau-aus.

Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 25.04.2023

Im internationalen Vergleich ist die Kurzarbeit in Deutschland in Folge der Corona-Krise weniger schnell zurückgegangen. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor, die am Mittwoch veröffentlicht worden ist. Zunächst war die Inanspruchnahme im Vergleich zu anderen OECD-Ländern mit 15,5 Prozent der Beschäftigten im April/Mai 2020 eher niedrig. Andere Länder haben Sonderregelungen bei den Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherung eher aufgegeben und somit sank der Anteil von Kurzarbeit dort rascher.

„Vor allem in der frühen Phase der Coronakrise hat der starke Einsatz von Kurzarbeit in Verbindung mit Möglichkeiten des erleichterten Zugangs einen massiven Rückgang der Beschäftigung verhindert und zur Stabilisierung der Wirtschaft beigetragen“, berichtet Bernd Fitzenberger, Direktor des IAB. Die zunächst vielfach befürchtete Zombiefizierung von Firmen mit einer anschließenden Pleitewelle sei nicht eingetreten.

Gleichzeitig ist aber festzustellen, dass der massenhafte Einsatz der Kurzarbeit mit in der Spitze bis zu sechs Millionen Kurzarbeitenden in Deutschland zu einem sehr hohen Verwaltungsaufwand führt. Das bedeutet auch, dass es vergleichsweise lange dauert, bis alle Abrechnungen abschließend bearbeitet werden können. Andere europäische Länder haben die Möglichkeiten zur Kurzarbeit stärker als Deutschland vereinfacht und kamen so auf einen höheren Anteil von Kurzarbeitenden. Spanien konnte mit dem starken Einsatz von Kurzarbeit die Effekte eines Rückgangs des Bruttoinlandsprodukts auf die Beschäftigung deutlich abbremsen. Lohnkostensubventionen wie in den USA oder wie in Australien waren wenig zielgenau und mit hohen Mitnahmeeffekten verbunden. „Sie sind daher nicht als bessere Alternative zur Kurzarbeit einzustufen“, erklärt IAB-Vizedirektor Ulrich Walwei.

„Trotz der insgesamt positiven Einschätzung der Kurzarbeit kann Deutschland aus den internationalen Erfahrungen einiges lernen. Wir sollten die Zeit nun nutzen, um uns für eine neue Krise zu rüsten“, so Fitzenberger. Bei einem Krisen-Kurzarbeitergeld mit größeren administrativen Erleichterungen muss die Notwendigkeit fortwährend überprüft werden. So spricht die Erfahrung der anderen Länder, wie Spanien, dafür, in einem Zwei-Wochen-Rhythmus weitreichende Sonderregelungen, etwa durch ein Fachgremium, zu überprüfen. Außerdem sollten geeignete Kofinanzierungsmodelle genutzt werden, um Betriebe im Verlauf einer Krise stärker an den Kosten der Kurzarbeit zu beteiligen und Anreize zu setzen, Kurzarbeit nur im notwendigen Maß zu nutzen. Bei einer langen Nutzung von Kurzarbeit, könnten Unternehmen in normalen Zeiten Rückzahlungen zu leisten haben oder höhere Beiträge als Umlage zahlen müssen. Die Einnahmen könnten dann als Rücklage für kommende Krisen dienen. Des Weiteren sollte die Nutzung von Kurzarbeit eine notwendige Transformation nicht behindern. Erreicht werden könnte dies über mehr Anreize zur Weiterbildung und einem Arbeitsplatzwechsel, wenn die Kurzarbeit länger als 6 Monate dauert.

Die IAB-Studie ist online abrufbar unter: https://doku.iab.de/forschungsbericht/2023/fb0523.pdf.

Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 19.04.2023

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

 

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 28.04.2023

Bund und Länder müssen umgehend und langfristig in den öffentlichen Nahverkehr investieren, um ein hochwertiges Angebot sicherzustellen. „Die notwendigen Mittel für einen zukunftsfähigen ÖPNV sowie ein flächendeckendes Sozialticket sind Voraussetzung für Klimaschutz und soziale Teilhabe“, erklärt das Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende. Das Deutschlandticket könne nur der Anfang sein.

In der jetzigen Form erfüllt das Deutschlandticket nicht den Anspruch eines für alle zugänglichen ÖPNVs. Mit einem Standardpreis von 49 Euro ist das Ticket speziell für Familien, Kinder und Jugendliche sowie für Menschen mit geringem oder keinem Einkommen zu teuer. Obwohl einige Bundesländer bereits die Einführung eines bundesweit gültigen Sozialtickets zugesagt haben, fehlt es an einer flächendeckenden, einheitlichen Regelung. Wichtig, so das Bündnis, sei zudem eine Mitnahmeregelung wie im Fernverkehr für Kinder bis 14 Jahre sowie günstige Schüler- und Azubitickets mit deutschlandweiter Gültigkeit. „Bezahlbare und nachhaltige Mobilität gehört zur Daseinsvorsorge. Diese darf nicht an Stadt-, Kreis- oder Ländergrenzen enden“, so die Bündnismitglieder. Dazu gehört auch, dass das Ticket auf sämtlichen Vertriebswegen und ohne Bonitätsauskunft erworben werden kann.

Die Ampel hat sich in ihrem Koalitionsvertrag klar zu einem leistungsfähigen, stärker genutzten ÖPNV bekannt. Das geht nicht ohne massive Investitionen in ein flächendeckendes und barrierefreies Angebot im ländlichen Raum und in den Städten. Dazu gehört neben dem Ausbau und der Instandhaltung von Fahrzeugen und Infrastruktur auch die umfassende Verbesserung für die Situation der Beschäftigten – dann kann der Sektor auch für Nachwuchskräfte attraktiver werden. „Nur mit ausreichend Personal und einem Ausbau des Angebots kann der ÖPNV auch bei steigenden Fahrgastzahlen zuverlässig und in hoher Qualität zur Verfügung stehen. Die langfristige Verfügbarkeit und der Ausbau des Angebots sind jedoch noch fraglich“, kritisiert das Bündnis die fehlende Finanzierung.

Das Bündnis drängt auf ein ganzheitliches Konzept: „Das Deutschlandticket allein ist nicht genug.“ Neben umfassenden Finanzierungszusagen von Bund und Ländern brauche es die Zusammenarbeit von Politik, Verkehrsgesellschaften und Verbänden: „Um die Potenziale des ÖPNV voll zu nutzen, müssen die aktuellen Debatten sowie die Erarbeitung des Ausbau- und Modernisierungspakts im engen Dialog mit der Zivilgesellschaft geführt werden.“


Das Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende bündelt die Expertise aus Gewerkschaften (IG Metall, ver.di, DGB), Sozial-, Wohlfahrts- und Umweltverbänden (VdK, SoVD, AWO, VCD, BUND, NABU) sowie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), um zusammen die Transformation der Mobilität in Deutschland zu unterstützen. Gemeinsam vertritt das Bündnis viele Millionen Mitglieder und bietet eine Plattform für die Fragestellungen rund um eine soziale und ökologische Mobilitätswende. Das Bündnis wird gefördert und unterstützt durch die Stiftung Mercator.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 28.04.2023

Kein Geld mehr für Investitionen in Ausbau, Sanierung oder barrierefreien Umbau für Frauenhäuser und Fachberatungsstellen bei häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt: Still und leise lässt das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) das Investitionsprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ auslaufen. 30 Millionen Euro sollten 2020 – 2024 jedes Jahr zur Verfügung stehen. Eine Perspektive zur Verlängerung des Programms gibt es nicht. 

“Das Ende des Förderprogramms ist eine Katastrophe. Das Hilfesystem braucht dieses Geld, um Gewaltschutzeinrichtungen auszubauen. Viele Träger konnten angesichts der Pandemie bisher noch gar keine Bauvorhaben umsetzen. Das Programm müsste also dringend mit deutlich weniger Hürden verlängert oder neu aufgelegt werden. Stattdessen wurden unsere wiederholten Hinweise zur komplizierten und langwierigen Beantragung ignoriert, und nach einer Kürzung des Programms 2023 droht nun der Stopp”, kritisiert Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt.

2020 startete das Programm bereits mit Verzögerungen, da zunächst die Verwaltungsstruktur zur Antrags-Bearbeitung aufgebaut werden musste. Zeitgleich mussten die Träger von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen neue Maßnahmen zum Infektionsschutz umsetzen und den Zugang zu Schutz und Beratung für von Gewalt betroffene Frauen unter schwierigen Bedingungen aufrechterhalten. “In diesen unsicheren Zeiten große Bauvorhaben anzugehen, war trotz des erheblichen Bedarfs am Ausbau des Hilfesystems kaum zu leisten. Frauenhausplätze sind in Deutschland noch immer Mangelware”, so AWO Präsidentin Kathrin Sonnenholzner. 2020 und 2021 wurden daher nur wenige Förderanfragen für Mittel aus dem Bundesprogramm gestellt. Die wenigen Frauenhausträger, die es dennoch wagten, waren oft konfrontiert mit komplizierten Antragsverfahren und langem Warten auf Bewilligungsentscheidungen. Entsprechende Problemanzeigen wurden von den Wohlfahrtsverbänden und Frauenhausvertretungen immer wieder an das BMFSFJ übermittelt.

2022 konnten viele Frauenhäuser und Fachberatungsstellen endlich dringend notwendige Bauvorhaben anpacken. Mehr als 20 Millionen Euro wurden bis September 2022 bewilligt. Der Aus- und Umbau von Schutzeinrichtungen für Frauen hatte Fahrt aufgenommen. Dass in den letzten Haushaltsverhandlungen das Budget für 2023 von 30 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro abgesenkt wurde, kam daher mehr als überraschend. Noch dazu gab das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben am 12.04.2023 fast unbemerkt auf seiner Internetseite bekannt, dass aktuell keine neuen Förderanfragen im Rahmen des Bundesinvestitionsprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ mehr eingereicht werden sollen bzw. diese nicht mehr berücksichtigt werden können. Das BMFSFJ und die Servicestelle konzentrierten sich auf aktuelle eingereichte Vorhaben, die sich bis zum Programmende umsetzen lassen. Das Programm wird „nach derzeitigem Stand wie geplant 2024 enden“. Somit endet das notwendige Bundesinvestitionsprogramm, bevor es richtig begonnen hat und Wirkung entfalten kann.

Eine Perspektive, ob es nach 2024 eine Fortführung des dringend notwendigen Programms gibt, ist nicht in Ansätzen erkennbar. Für die Frauenhäuser und Fachberatungsstellen wäre das ein wichtiges Signal, um frühzeitig in Planungsprozesse einsteigen zu können. Die bundesseitige investive Unterstützung für Schutzeinrichtungen und Fachberatungsstellen für Frauen kann nur als halbherzig wahrgenommen werden. Offenbar gilt das Motto: Schweigen und Aussitzen.

Für Träger von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen ist dies ein unerträglicher Zustand, da sie das volle Kosten- und Verfahrensrisiko tragen. “Die prekäre Situation von Hilfeeinrichtungen für Frauen wird so nochmal verschärft. Jeder Träger überlegt sich sehr genau, ob solch umfassende Bauvorhaben mit Fördermitteln des Bundes überhaupt angegangen werden sollen, wenn der Zugang dazu derart kompliziert, hürdenreich und unsicher gestaltet ist. Letztendlich sind gewaltbetroffene Frauen die Leidtragenden, denn für sie gibt es noch immer keine ausreichende Schutz- und Beratungsinfrastruktur”, so Kathrin Sonnenholzner.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 27.04.2023

Millionen Menschen in Deutschland – Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen, Rentner*innen, schlecht bezahlte Beschäftigte – sind angesichts immer stärker steigender Preise mit einer existenzbedrohenden Lage konfrontiert. Während einerseits die Preise für Nahrungsmittel seit Ende 2021 um weit über 20 Prozent gestiegen sind, sind die Kosten für Strom, Gas und Heizung durch die Decke gegangen. Die Stromkosten liegen je nach Anbieter zwischen 37 und 60 Prozent höher als 2021. Bereits 2022 gab es laut Bundesnetzagentur bundesweit rund 235 000 durchgeführte Stromsperren und etwa vier Millionen Sperrandrohungen.

Ähnliches gilt für die Heizkosten. Der Energiedienstleister Techem prognostiziert für die Raumheizkosten  auf das gesamte Jahr gerechnet Kostensteigerungen um 49 Prozent für mit Gas betriebene Heizungen, um 63 Prozent für mit Heizöl betriebene – und das trotz einer staatlichen Preisbremse.

Für Löhne und Renten, die zum Leben reichen

Immer mehr Menschen in der Bundesrepublik können sich ein menschenwürdiges Leben schlicht nicht mehr leisten. Offiziell hängen 7,5 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnsektor  fest und 19 Prozent der Rentner*innen sind von Altersarmut betroffen. Die bisher von der Regierung ergriffenen Maßnahmen zur Abfederung der Krisenfolgen sind völlig unzureichend.

Für eine existenzsichernde Grundsicherung!

Beim im Januar feierlich eingeführten „Bürgergeld“ handelt es sich nicht um die gepriesene „Überwindung von Hartz IV“, sondern im Wesentlichen nur um ein neues Etikett auf dem menschenfeindlichen Fundament des Hartz IV-Systems. Nach einer Nullrunde im Vorjahr ist der Regelsatz zum 1. Januar 2023 lediglich um 11,8 Prozent auf 502 Euro für eine alleinstehende Person gestiegen. Dieser Betrag reicht bei weitem nicht für ein menschenwürdiges Leben – wir brauchen dringend eine existenzsichernde und repressionsfreie Grundsicherung für alle, die sich an den realen Kosten orientiert und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht!

Für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums!

Das Geld, das den Armen zum Leben fehlt, ist durchaus verfügbar, wie u.a. das 100 Mrd.-„Sondervermögen“ für die Bundeswehr zeigt.  Die hundert umsatzstärksten Unternehmen haben im Krisenjahr 2022 ihren Umsatz um 30 Prozent gesteigert. Während Millionen Haushalte nicht wissen, wie sie die nächste Stromrechnung bezahlen sollen, haben die Energiekonzerne Milliardenprofite gemacht und die Rüstungskonzerne ihren Gewinn verdoppelt. Wir wollen die Umverteilung von unten nach oben stoppen. Die Arbeitgeber*innen und die Vermögenden müssen bei den Kosten für gesamtgesellschaftliche Aufgaben in die Verantwortung genommen werden.

Das Bündnis „AufRecht bestehen“ will mit einer bundesweiten dezentralen Aktionswoche vom 25. April bis zum 5. Mai 2023 die Wut über die um sich greifende Verarmung und unsere Forderungen nach höheren Löhnen, einer existenzsichernden Mindestrente und Grundsicherung sowie einer Kindergrundsicherung auf die Straße tragen. Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass es für immer mehr Menschen hinten und vorne nicht zum Leben reicht.

Die Aktionswoche steht unter dem Motto: „Es reicht, Armut abschaffen und Reichtum umverteilen!“

Wir fordern konkret:

  • Anhebung des Mindestlohnes auf 15 Euro
  • eine solidarische Mindestrente, die wirklich zum Leben reicht
  • Anhebung des Regelsatzes auf mindestens 725 Euro und Übernahme der Stromkosten in voller Höhe
  • Abschaffung der Sanktionen
  • einen niedrigschwelligen Zugang zu Sozialleistungen und wohlwollendes und rechtskonformes Handeln der Behörden
  • eine Kindergrundsicherung, die Kinder und Jugendliche aus der Armut holt und eine aktive Teilhabe ermöglicht

Wir brauchen eine Daseinsvorsorge insbesondere in den Bereichen soziale Infrastruktur, Gesundheit, Bildung, Wohnen, Mobilität, Energieversorgung usw. statt eine weitere Privatisierung und Profitmaximierung.

Eine Übersicht, wo etwas stattfindet, sowie weiteres Material sind hier zu finden sein: https://www.erwerbslos.de/aktivitaeten

Quelle: Pressemitteilung Bündnis „AufRecht bestehen“ vom 24.04.2023

Ab 2026 haben Grundschulkinder bundesweit einen Anspruch auf ganztägige Bildung, Erziehung und Betreuung. Noch reichen die Angebote in Grundschulen und Horten dafür bei weitem nicht aus. „Vor dem Hintergrund des hohen zusätzlichen Fachkräftebedarfs und baulicher Mängel besteht die Gefahr, dass aus dem Bildungsganztag ein reiner Verwahrtag wird,“ so Eva M. Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes. „Dringend überfällig, dass die politisch Verantwortlichen jetzt ressortübergreifend nach Lösungen suchen“, so der Deutsche Caritasverband zum Ganztagskongress, der am 26. und 27. April von Bundesbildungs- und Bundesfamilienministerium gemeinsam in Berlin durchgeführt wird.

„Wir müssen jetzt dringend für einen verbindlichen Qualitäts-Rahmen sorgen, sonst hat der Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung keinen Sinn. Gerade in Krisen-Zeiten dürfen die Kinder nicht unter die Räder kommen. Nur ein qualitativ hochwertiges, inklusives Angebot, das alle Kinder mitnimmt, kann den Anspruch an Bildungs- und Chancengerechtigkeit einlösen“, fordert die Caritas-Präsidentin. Der Rechtsanspruch muss für alle Kinder im Grundschulalter verlässlich die Chance auf gute Bildung, Erziehung und Betreuung bieten – gerade auch für Kinder aus belasteten Familien und Kinder mit besonderem Förderbedarf.

Das Betreuungssystem vollständig neu denken

Menschen, die ohne einschlägige Qualifikation im Ganztag arbeiten, müssen nachqualifiziert werden. Bestehende Angebote im Sozialraum wie Musikschulen, Sportvereine, Kinder- und Jugendarbeit, auch Angebote, die von Ehrenamtlichen getragen werden, müssen eingebunden sein. Die Wichtigkeit von sozialräumlicher Arbeit im Ganztag muss mitgedacht werden. Erprobte Prozesse der Jugendhilfe wie Kinderbeteiligung, Kinderschutz und Inklusion sind zu gewährleisten. Und es braucht qualifizierte Fachkräfte für die Betreuung von allen Kindern, auch Kindern mit Behinderungen. Hierfür ist ein bedarfsgerechter Fachkraft-Kind-Personalschlüssel notwendig.

Bundesweit gültiger Qualitätsrahmen notwendig

„Die Zusammenarbeit von Lehrkräften und Fachkräften der Jugendhilfe, von multiprofessionellen Teams im Ganztag muss für alle Akteure verbindlich sein. Es braucht ein ganzheitliches Bildungsverständnis für die Ganztagsförderung. Ohne hinreichende Finanzierung durch Bund und Länder, gerade auch für genügend qualifizierte Fachkräfte, ist die Rede von der Ganztagsförderung für Grundschulkinder Schall und Rauch“, unterstreicht Welskop-Deffaa. „Es braucht gute Arbeitsbedingungen mit unbefristeten Arbeitsverträgen und die tariftreue Bezahlung der im Ganztag eingesetzten Beschäftigten.“

Die verbandliche Caritas ist bereit, sich am Ausbau der Ganztagsförderung zu beteiligen und wird gerne ihre in Offenen Ganztagsschulen und Horten erprobten Konzepte einbringen, etwa bei der Inklusion von Kindern mit besonderen Bedarfen oder zur Resilienzförderung.

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung: Bessere Chancen für alle Grundschulkinder (caritas.de)

Informationen zum Kongress
https://bmfsfj-veranstaltungen.bafza.de/2023-gelingensbedingungen-fuer-guten-ganztag/start.html

Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes
https://www.caritas.de/fuerprofis/stellungnahmen/24-04-2023-grundschulkinder-haben-ein-recht-auf-ganztaegig-gute-erziehung-bildun

Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes
https://www.caritas.de/fuerprofis/stellungnahmen/24-04-2023-erwartungen-der-caritas-an-einen-qualitaetsrahmen-der-laender

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 26.04.2023

„Wir brauchen in Deutschland ein Einbürgerungsrecht, das integrierend wirkt und endlich überkommene Vorstellungen über Nationalität und Zugehörigkeit überwindet. Das politische Versprechen, die Einbürgerung und den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt in Deutschland erleichtern zu wollen, muss jetzt eingehalten werden. Das darf nicht auf die lange Bank geschoben werden“, fordert Steffen Feldmann Caritas-Vorstand für Finanzen und Internationales.

Die Ampel-Koalition bereitet aktuell die Novellierung des Einbürgerungsrechts vor. Der Deutsche Caritasverband fordert seit langem, dass Eingewanderte und ihre Nachkommen einfacher die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten.

Echte politische Mitspracherechte

Von den etwa 84 Millionen Menschen, die in Deutschland leben, haben rund 11 Millionen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. „Diese Menschen leben in Deutschland, haben aber nicht alle Rechte, Pflichten und Beteiligungsmöglichkeiten, die dazu gehören. Es ist aus Sicht des Deutschen Caritasverbandes für die Demokratie in Deutschland, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Gestaltung der Gesellschaft schädlich, wenn große Teile der Bevölkerung ohne echte politische Mitspracherechte sind“, so Feldmann.

Mehrfachstaatsangehörigkeit ist lebensnah

Im Staatsangehörigkeitsrecht müssen sich die Lebensrealitäten der Menschen besser als bisher widerspiegeln. Dazu gehört insbesondere die Hinnahme von Mehrfachstaatsangehörigkeiten. In einer global vernetzen Welt haben immer mehr Menschen mehr als eine Heimat. Immer mehr Kinder stammen von Eltern mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten ab oder werden in Deutschland geboren und erwerben dadurch mehrere Staatsangehörigkeiten. Einen sogenannten Generationenschnitt, wonach die ausländische Staatsangehörigkeit bei Mehrfachstaatler_innen nicht über Generationen “vererbt“ werden soll, lehnt der Deutsche Caritasverband als ausgrenzend, verfassungsrechtlich bedenklich und nicht praktikabel ab.

Lebensleistung der sogenannten Gastarbeitergeneration würdigen

Der Deutscher Caritasverband fordert schon lange, dass insbesondere die Lebensleistung der sogenannten Gastarbeitergeneration bei der Einbürgerung gewürdigt wird. Dazu gehöre auch von diesem Personenkreis „nur“ mündliche Deutschkenntnisse zu fordern, da viele neben der Arbeit keine Zeit und danach keine Gelegenheit hatten, deutsch lesen und schreiben zu lernen.

Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit muss nicht „verdient“ werden. Menschen dürfen nicht ausgegrenzt werden, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst sichern können. Auch Arbeitslose oder Arbeitskräfte im Niedriglohnbereich oder Menschen, die noch zu Schule gehen oder in der Ausbildung sind, müssen die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben können. Die bestehende Regelung, dass eine Einbürgerung möglich ist, wenn der Bezug von Sozialleistungen nicht auf Fehlverhalten beruht, darf daher nicht verschärft, sondern muss klarer gefasst werden.

Hintergrund
Die Hürden für eine Einbürgerung sind aktuell groß – sowohl von den Voraussetzungen (mindestens acht Jahre Aufenthalt in Deutschland, geklärte Identität, gesicherter Lebensunterhalt sofern Bedürftigkeit nicht unverschuldet, ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift, Kenntnisse der Rechtsordnung etc.) als auch von der Komplexität des Prozesses her – und die Anwendungspraxis ist rigide. Die Ampel-Koalition bereitet aktuell eine Novellierung des Einbürgerungsrechts vor. Eine wesentliche Erleichterung für Migrant_innen soll die verkürzte Aufenthaltszeit bringen.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 18.04.2023

Die Diakonie Deutschland appelliert an Bund und Länder, die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt endlich gemeinsam voranzutreiben. Dazu müsse der Bund auch die Migrationsberatung auskömmlich finanzieren. Von den Ländern erwartet die Diakonie politische Unterstützung – mit eigenen und mit den Kommunen abgestimmten Strategien, so die Diakonie anlässlich der Integrationsministerkonferenz in Wiesbaden.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik Diakonie Deutschland: „Ohne Zuwanderung könnten wir unseren Fach- und Arbeitskräftebedarf nicht decken und unsere Sozialkassen würden jedes Jahr schrumpfen. Auch in Zukunft werden Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Die Menschen fliehen vor Krieg, Verfolgung, Unterdrückung und wirtschaftlicher Not. Deutschland kann aus der Not der Aufnahme eine Tugend zur Steigerung des Arbeitskräftepotenzials machen. Die Menschen, die schon da sind, müssen einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Davon profitiert unsere Gesellschaft! Diese Integration kostet Geld und die Asylverfahren dauern. Das muss zukünftig schneller gehen. Damit Geflüchtete, die schon länger hier in Deutschland leben, diese verlorene Zeit für eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt schnell wieder aufholen können, braucht es gezielte Vorbereitungen zur Integration in den Arbeitsmarkt und eine starke und nachhaltige soziale Arbeit. Nötig ist eine verlässlichere und nachhaltige Finanzierung. Eine gesicherte Migrationsberatung unterstützt nachhaltig die Integration in den Arbeitsmarkt.“

Außerdem fordert die Diakonie Deutschland eine Härtefallregelung, die es in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Menschen mit ungeklärter Identität und Staatsangehörigkeit ermöglicht, mit Erreichen der Volljährigkeit eingebürgert zu werden. Maria Loheide: „Wer mit ungeklärter Identität in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, darf nicht ein Leben lang zum Opfer einer Sicherheitslogik werden. Wir sind ein Land der Menschenrechte.“

Weitere Informationen:

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist dank der Zuwanderung – auch aus humanitären Gründen – auf einem Höchststand: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Tabellen/inlaender-inlandskonzept.html

Mit gezielter individueller und bedarfsgerechter Beratung könnten es noch mehr sein. Die Diakonie betreibt mehrere hundert Migrationsfachdienste: https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/migrationsfachdienste/

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 26.04.2023

Personalmangel macht krank. Das geht aus dem heute vorgestellten DAK-Gesundheitsreport 2023 hervor. Besonders betroffen sind demnach Kranken- und Altenpflegekräfte sowie alle, die in der Kinderbetreuung arbeiten. So geben drei Viertel (74 Prozent) der befragten Krankenpflegekräfte an, dass sie ihre Arbeit mit dem vorhandenen Personal nur unter großen Anstrengungen schaffen, und auch die große Mehrheit der Altenpflegerinnen und -pfleger (65 Prozent) bestätigt dies.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Das Warnsignal, das von dieser Studie ausgeht, muss in der Politik und im Kreis der Kranken- und Pflegekassen gehört werden. Unsere Träger kennen die Situation sehr gut und haben täglich mit einem hohen Krankenstand von erschöpften Mitarbeitenden zutun. Die zwei Jahre Arbeit unter Pandemiebedingungen haben zudem die personellen Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft.“

Die Studie macht deutlich, dass die Beschäftigten insbesondere in der Pflege überdurchschnittlich stark vom Personalmangel betroffen sind. Die vorhandenen Mitarbeitenden müssten zusätzliche Arbeiten übernehmen und die Vakanzen kranker Kolleginnen und Kollegen auffangen. Diese Mehrbelastung macht auch sie krank. „Personalmangel erhöht die Gesundheitsrisiken der Mitarbeitenden. Diese zentrale Aussage des DAK-Gesundheitsreports kann ich vor dem Erfahrungshintergrund der Diakonie nur unterstreichen. Zur Realität in der Pflege gehört auch, dass verantwortungsbewusste Mitarbeitende arbeiten, obwohl sie krank sind“, so Loheide weiter. Die Politik müsse die finanziellen Rahmenbedingungen für Entlastungen in der Pflege schaffen. Der vorliegende Entwurf für ein Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz von Bundesminister Lauterbach verdient seinen Namen nicht.

Die Diakonie fordert zudem, dass die Aufgaben des Arbeitsschutzes und der Gesundheitsförderung künftig in den Pflegesatz- und Vergütungsverhandlungen berücksichtigt werden. „Das betrifft die Leitungsaufgaben, die Ressourcen für die verpflichtende Gefährdungsbeurteilung und die Arbeitszeit, in der die Beschäftigten Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung wahrnehmen. Konkret heißt das: Arbeitsschutz und gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen müssen refinanziert werden“, so Loheide weiter.

Weitere Informationen: https://www.diakonie.de/pflegeversicherung

DAK-Gesundheitsreport: https://www.dak.de/dak/bundesthemen/dak-gesundheitsreport-personalmangel-macht-krank-2617954.html#/

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 19.04.2023

Der Abschlussbericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe zu den gesundheitlichen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona greift nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes an entscheidenden Stellen zu kurz. „Es ist schon erstaunlich, dass ein Bericht von 22 Seiten, bei dem es ausschließlich um Kinder und Jugendliche geht, beim Thema Kinderrechte mit fünf dürren Sätzen auskommt. So werden das Kinderrecht auf Beteiligung, wie es in Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention normiert ist, und das Kinderrecht auf Gesundheit nach Artikel 24 der Konvention im Bericht nicht einmal erwähnt. Dabei haben wir doch in der Corona-Pandemie ganz deutlich erkennen können, dass insbesondere das Kinderrecht auf Beteiligung fast durchgängig ignoriert wurde, und sowohl die in der UN-Kinderrechtskonvention normierte Vorrangstellung des Kindeswohls als auch die Perspektive von Kindern und Jugendlichen selbst kaum Niederschlag in den Entscheidungen von Politik und Verwaltung fanden“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte über den Abschlussbericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“.

„Ein Abschlussbericht der Bundesregierung sollte aber auch dazu dienen, aus den Fehlern während der Corona-Pandemie zu lernen und unser Land für die Zukunft besser aufzustellen. Dabei hätte gerade das Thema Beteiligung eine zentrale Rolle spielen müssen, denn Beteiligung und psychische Gesundheit sind eng miteinander verbunden. Selbstbestimmung und Mitbestimmung und die damit verbundene Eigenverantwortung sind entscheidende Faktoren für die Entwicklung von Widerstandsressourcen, die Kindern helfen, Stressfaktoren positiv zu bewältigen. Darüber hinaus wird durch die Einbeziehung der unmittelbar Betroffenen mehr Wissen über Problemlösungen generiert. Und auch die besondere Bedeutung von außerschulischen Bezugspersonen für Kinder, die sie beispielsweise in der Jugendarbeit, in Jugendverbänden oder Vereinen finden, wird im Abschlussbericht nicht deutlich genug hervorgehoben“, so Hofmann weiter.

Das Deutsche Kinderhilfswerk teilt die Auffassung der Arbeitsgruppe, dass viele Kinder und Jugendliche schon vor der Corona-Pandemie bessere Unterstützungsangebote benötigt hätten. So seien die sozialen Systeme teilweise schon vor Ausbruch der Pandemie kaum in der Lage gewesen, auf psychosoziale Beeinträchtigungen junger Menschen zeitnah zu reagieren. Ein nachhaltiger Effekt der Pandemieerfahrungen wäre daher, sowohl neue als auch bestehende Maßnahmen zur Verbesserung der körperlichen und psychischen Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen mit einem kontinuierlichen Monitoring zu begleiten.

Als wichtige Lehre aus der Corona-Pandemie fordert das Deutsche Kinderhilfswerk vor allem eine stärkere Einbettung der Themen „Psychische Gesundheit“ und „Resilienzförderung“ in die Gesundheitsprävention im Bildungssystem. Im Zentrum sollte dabei die Vermittlung eines „gesunden Lebens“ stehen, für das Ernährung und Bewegung ebenso wichtig sind wie Psychohygiene und der Umgang mit Belastungen. Gleichzeitig ist festzustellen, dass es Kindern, Jugendlichen und auch Fachkräften gerade im Nachgang von Schulschließungen und Distanzunterricht im Zuge der Corona-Pandemie helfen würde, wenn im schulischen System der Leistungsdruck minimiert sowie Zeit und Raum für den gemeinsamen Austausch ermöglicht werden. Durch die Corona-Pandemie wurde auch deutlich, dass die Versorgung mit Jugendpsychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern nicht in allen Regionen Deutschlands im Verhältnis zum Beratungs- und Behandlungsbedarf junger Menschen steht. Dem könnte durch eine kleinräumlichere Betrachtung der Versorgungsgebiete und damit einhergehender zusätzlicher Praxen begegnet werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 20.04.2023

Der prozentuale Anteil von Kindern und Jugendlichen in der Grundsicherung ist im Vergleich zum Vorjahr angestiegen und hat einen neuen Höchststand erreicht. Nach aktuellen Berechnungen des Deutschen Kinderhilfswerkes erhöhte sich der Anteil der unter 18-jährigen in der Grundsicherung nach dem SGB II auf jetzt 34,3 Prozent. Vor fünf Jahren hatte dieser Wert noch bei 32,9 Prozent, im letzten Jahr bei 33,4 Prozent gelegen. Zum Jahresende 2022 waren von 5.668.669 Personen in Bedarfsgemeinschaften 1.946.095 Kinder und Jugendliche. Deshalb braucht es aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes dringend eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland und eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung.

„Mehr als ein Drittel der Empfänger von Grundsicherung sind Kinder und Jugendliche, obwohl deren Anteil an der Gesamtbevölkerung in Deutschland nur bei rund 16 Prozent liegt. Damit sind sie mit ihren Familien in besonderem Maße von Armut betroffen. Das unterstreicht unsere Forderung nach einer Kindergrundsicherung, die ihren Namen auch wirklich verdient. Die Förderung armer Familien und ihrer Kinder sowie unbürokratische Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen gehören auf der Prioritätenliste der Bundesregierung ganz nach oben. Ziel der Kindergrundsicherung muss es sein, Kinderarmut wirksam zu bekämpfen und die gesellschaftliche Teilhabe jedes Kindes eigenständig, sozial gerecht und unbürokratisch abzusichern. Dafür brauchen wir nun endlich eine an den tatsächlichen Bedarfen von Kindern ausgerichtete Neubemessung des kindlichen Existenzminimums und den politischen Willen der Bundesregierung, auch die für eine Kindergrundsicherung notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Bis zum Inkrafttreten der Kindergrundsicherung fordert das Deutsche Kinderhilfswerk kurzfristige Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut, vor allem deutliche Nachbesserungen bei den seit Januar geltenden Bürgergeld-Regelsätzen für Kinder und Jugendliche. Wichtig ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes zudem die Erstellung einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland, die mit einer umfassenden Kinder- und Jugendbeteiligung an diesem Prozess einhergehen muss und einen ressortübergreifenden Ansatz braucht. Die Kinderarmut in Deutschland kann aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes nur dann effizient und nachhaltig bekämpft werden, wenn alle Maßnahmen zu diesem Zweck in einem Gesamtkonzept verknüpft und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Die Erarbeitung des Nationales Aktionsplans im Rahmen der von Deutschland mitbeschlossenen EU-Kindergarantie kann hierfür einen guten Ansatz bieten.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 14.04.2023

„Der geplante Standardpreis für 49 Euro für das neue Deutschlandticket liegt weit über dem, was für viele kinderreiche Familien bezahlbar ist“, erklärt Dr. Elisabeth Müller, Vorsitzende des Verbands kinderreicher Familien Deutschland e.V. „Insbesondere Familien mit drei und mehr Kindern brauchen angesichts der hohen Inflation und Kostenexplosionen jetzt eine gezielte finanzielle Entlastung.“ Der Verband fordert deshalb eine „Familienkomponente“ beim 49-Euro-Ticket, denn Familien werden übersehen.

Der Preis für das Deutschlandticket ist für viele kinderreiche Familien unerschwinglich. Für eine sechsköpfige Familie mit schulpflichtigen Kindern über dem 6. Lebensjahr würden so monatliche Kosten in Höhe von 294 Euro anfallen. „Knapp 300 Euro allein für den ÖPNV ist nicht realisierbar.“ Der Verband regt deshalb ein zusätzliches Preismodell an, was zielgenau die Gruppe der Eltern unterstützt. „Wir vermissen ein sachgerechtes Angebot, das schulpflichtige Kinder und Jugendliche in den Blick nimmt. Für sie bleiben die Tarife im ÖPNV unverändert hoch“, so Müller.

Das neue Ticket bleibt damit außerdem stark hinter den Standards der Deutschen Bahn (Mitnahme bis 14 Jahren kostenlos mit Bahncard, wechselnde saisonale Angebote für Jugendliche, Super Sparpreis Young etc.) oder auch hinter bereits bestehenden Angebote des ÖPNV zurück. Eine Tageskarte in Berlin erlaubt die kostenlose Mitnahme von bis zu drei Kindern. Im Saarland gibt es das „Junge-Leute-Ticket“ für 30,40 Euro. In Hamburg zahlen Schüler und Auszubildende nur noch 19 anstatt 49 Euro.

Der Verband nimmt dies zum Anlass und plädiert dringend für eine Nachbesserung beim Deutschlandticket. Er fordert eine „Familienkomponente“ mindestens in Form der Mitnahmemöglichkeit eigener Kinder und einer Übertragbarkeit des Tickets auf selbige. „Das Deutschlandticket sollte eigentlich zu einer Verbesserung für Familien führen; aber es resultiert oftmals in einer Schlechterstellung im Vergleich zu bereits vorhandener Tarifpolitik“, zeigt sich die Vorsitzende enttäuscht. Eine kostenlose Mitnahme von den eigenen Kindern ist nur bis zum 6. Lebensjahr gestattet. Hinzu kommt, dass das Ticket nicht auf andere Familienmitglieder, wie beispielsweise ältere Kinder und heranwachsende Jugendliche, übertragen werden kann. „Dabei wäre genau das eine Chance, wo die Infrastrukturen ausgebaut sind, ein nachhaltiges und familienfreundliches Programm bundesweit zu implementieren“, so die Vorsitzende.

„Je älter Kinder und Jugendlichen sind, desto verständlicher ist es, wenn sie eigenständig unterwegs sein wollen und sich vom „Eltern-Taxi“ zunehmend entkoppeln möchten. Die Jugend möchte eine selbstbestimmte Mobilität leben. Morgens in die Schule, nachmittags zum Verein oder zu Freunden“, so Müller. „Wir haben als Gesellschaft jetzt die Möglichkeit, unsere nächste Generation für ökologisch nachhaltige Mobilitätswege bereits im jungen Alter zu sensibilisieren. Nach dem Vorbild Hamburgs setzen wir uns außerdem bundesweit für ein 19-Euro-Ticket für alle schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen (bis zum 27. Lebensjahr) ein“, so Müller.

Quelle: Pressemitteilung Verband kinderreicher Familien Deutschland (KRFD e.V.) vom 17.04.2023

Energetische Gebäudemodernisierung ist zentraler Baustein für Klimaschutz, bezahlbares Wohnen und Energiesicherheit.

Unter Teilnahme von Bundesbau- und Bundeswirtschaftsministerium findet heute der von einem breiten Verbändebündnis aus Umwelt-, Industrie-, Verbraucherschutz-, Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften organisierte Sanierungsgipfel statt. 

Der Gebäudesektor hat im Jahr 2022 bereits zum dritten Mal in Folge die gesetzlich festgelegten Klimaziele verfehlt. Nur durch eine grundlegende Kurskorrektur können diese erreicht und Bewohner*innen nachhaltig bei den Energiekosten entlastet und die Versorgungssicherheit gewährleistet werden.  

Die Organisationen fordern von der Bundesregierung die dringend notwendige sozialverträgliche Sanierungsoffensive. Neben der Frage des Heizungstauschs muss die Politik endlich in Sachen Energieeffizienz aktiv werden. 

“Die Ampel muss jetzt unbedingt in Richtung Klimaschutz umsteuern. Bisher wurden nicht annähernd genügend Gebäude energetisch modernisiert: Der bisherige Ansatz, allein auf Anreize zu setzen, hat sein Ziel verfehlt. Ineffiziente  Mietwohnungen und Eigenheime werden so zur Kostenfalle für die Bewohner*innen. Der beste Weg, jetzt Tempo in die Gebäudesanierung zu bringen, sind verbindliche Mindeststandards für die Effizienz von Bestandsgebäuden sowie einheitliche Förderhöhen bei Gebäudehülle und -technik. Sie bieten die notwendige Planungssicherheit für Gebäudeeigentümer*innen, Handwerk, Industrie, Planende und die Beschäftigten dieser Bereiche. Zudem muss die Politik dafür sorgen, dass energetische Modernisierungen zu einer Entlastung bei den Wohnkosten führen. Dafür muss die Modernisierungsumlage angepasst werden und es braucht sozial gestaffelte Förderprogramme“, so die beteiligten Verbände.

Darüber hinaus braucht es für die energetische Modernisierung von Sozialwohnungen, öffentlichen Gebäuden und gemeinnützigen sozialen Einrichtungen ebenfalls unterstützende Programme.

Terminhinweis: Heute um 10.30 Uhr erläutern Vertreter*innen der beteiligten Verbände ihre Forderungen im Detail im Rahmen einer Pressekonferenz. Diese kann per Livestream  verfolgt werden. Bei der  Pressekonferenz mit dabei:

  • Jörg-Andreas Krüger, NABU-Präsident
  • Ramona Pop, Vorständin Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)
  • Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)
  • Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle e.V. (BuVEG)
  • Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer, Der Paritätische Gesamtverband

Der Sanierungsgipfel wird durchgeführt von:

Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle e.V. (BuVEG)
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V.
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Caritasverband e.V.
Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)
Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF)
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Deutscher Mieterbund e.V. (DMB)
Diakonie Deutschland
Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. (FÖS)
Klima Allianz Deutschland e.V.
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)
WWF Deutschland 

Weiterführende Links

Verbändepapier zum Sanierungsgipfel Das gemeinsame Forderungspapier können Sie hier als PDF downloaden.

Livestream zur Pressekonferenz Am 24.04., 10.30 Uhr erläutern Vertreter*innen der beteiligten Verbände die Forderungen für eine ökosoziale Sanierungsoffensive im Rahmen einer Pressekonferenz.

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 24.04.2023

Es fehlt an Geld für Technik und an Gelegenheit, digitale Kompetenzen zu erwerben.

Nach einer aktuellen Expertise der Paritätischen Forschungsstelle ist das Risiko, digital abgehängt zu werden, für arme Menschen besonders groß. Armen Menschen fehlt es im Vergleich zu nicht von Armut Betroffenen doppelt so oft an den nötigen technischen Geräten und Voraussetzungen zur digitalen Teilhabe, zudem haben sie viel seltener Gelegenheit zum Auf- und Ausbau digitaler Kompetenzen über den Beruf. Der Paritätische Gesamtverband warnt vor einer wachsenden digitalen Kluft und fordert umfassende Maßnahmen zur Sicherung digitaler Teilhabe für alle.

Die Studie zeigt: Rund ein Drittel der Deutschen sorgt sich, angesichts der rasanten technischen Entwicklung nicht mithalten zu können. Das Risiko, tatsächlich abgehängt zu werden, ist jedoch für Armutsbetroffene ungleich höher: Jede*r Fünfte Armutsbetroffene in Deutschland verfügt nicht einmal über einen eigenen Internetanschluss. “Digitale Teilhabe ist inzwischen eine wesentliche Voraussetzung für umfassende soziale, kulturelle und politische Teilhabe. Internetzugang und Computer sind daher kein Luxus, sondern gehören ohne Frage zum Existenzminimum”, betont Gwendolyn Stilling, Leiterin des Projekts #GleichImNetz zur digitalen Teilhabe im Paritätischen Gesamtverband, und warnt: “Arme Menschen drohen auch im digitalen Raum knallhart abgehängt und ausgegrenzt zu werden.”

Ein weiterer Befund der Studie: Es fehlt häufig nicht nur an eigener Technik, sondern auch an digitaler Praxis. Während viele Erwerbstätige Gelegenheit haben, über ihren Beruf digitale Kompetenzen auf- und auszubauen, spielen digitale Arbeitsmittel bei von Armut betroffenen Erwerbstätigen kaum eine Rolle. Zwei Drittel der Armutsbetroffenen gaben an, beruflich nie Laptop, Smartphone oder Tablet zu nutzen, über die Hälfte hat auch sonst beruflich nie mit digitalen Anwendungen oder Programmen zu tun. “Teilhabe im Privaten, aber auch berufliche Perspektiven hängen immer mehr von digitalen Kompetenzen ab”, betont Greta Schabram von der Paritätischen Forschungsstelle. “Damit hier niemand den Anschluss verpasst und alle mitgenommen werden, braucht es dringend entsprechende Qualifizierungsangebote sowie Bildungs- und Experimentierräume auch außerhalb des Berufs.”

Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert neben dem Ausbau nötiger Infrastruktur eine Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung auf ein bedarfsgerechtes, armutsfestes Niveau, das auch laufende Verbrauchsausgaben zur Sicherstellung digitaler Teilhabe angemessen berücksichtigt. Die Kosten für die Anschaffung notwendiger technischer Ausstattung sollen dabei als einmalige Leistungen gesondert übernommen werden. Soziale Träger als wichtige Anlaufstellen für vulnerable Gruppen können zudem bei entsprechender Unterstützung einen unverzichtbaren Beitrag zur digitalen Teilhabe leisten, indem sie Zugänge ermöglichen und Befähigung fördern, betont der Verband.

Die Kurzexpertise “Armut und digitale Teilhabe” basiert auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und ist unter www.paritaet.org abzurufen.

Für den 4. und 5. Mai lädt der Paritätische unter dem Motto “Armut? Abschaffen!” zu einem Online-Aktionskongress ein, der mit verschiedenen sozialen Organisationen, die mit Armutsbetroffenen zusammenarbeiten, vorbereitet wurde und zu dem u.a. Bundesfamilienministerin Lisa Paus erwartet wird. Details: www.aktionskongress.de

Weiterführende Links

Jetzt anmelden: Aktionskongress gegen Armut Am 4. und 5. Mai 2023 findet der Online-Kongress „Armut? Abschaffen!“ statt. Hier geht es zu Programm und Anmeldung.

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 17.04.2023

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 8. Mai 2023 – 12. Mai 2023

Veranstalter: carat- caring all together

carat kooperiert in diesem Jahr mit der jährlichen Vereinbarkeitswoche in der Universität Bremen. Sie findet überwiegend online statt, von Montag, 8. Mai 2023 bis Freitag, 12. Mai 2023. Dazu laden wir Sie herzlich ein!

Auch dieses Mal werden Expert*innen vielfältige Themen rund um die Vereinbarkeit vorstellen. Hier einige Beispiele:

Familie: Hindernisse und Kompetenzen im Beruf und im Studium; Stressbewältigung und Arbeitsstruktur im Studium; Psychische Erkrankungen in Familien; Palliativ-Care; Trauer; unerfüllter Kinderwunsch; Erfahrungen von internationalen Wissenschaftlerinnen mit und ohne Kinder im deutschen Hochschulsystem (in englischer Sprache), Klassismus; Schwangerschaftsabbrüche; Rassismus in Hochschulen; Voraussetzungen für eine inklusive und diverse Uni; Care- Arbeit in trans communities; queer mit Kind im Uni- Alltag etc..

In den Fachvorträgen wird es auch Raum für Diskussion und Austausch geben.

Das gesamte Programm der Vereinbarkeitswoche und die Anmeldemöglichkeiten finden Sie auf der Homepage:

https://www.uni-bremen.de/familie/vereinbarkeitswoche/vereinbarkeitswoche-2023

Beiliegend finden Sie außerdem das Wochenprogramm, das Plakat und Postkarten jeweils im pfd- Format.

Wir freuen uns auf Sie!

Die beiden Veranstaltungen von carat zum Equal Care Day 2023 („Young Carer- Eine unsichtbare und stark belastete Gruppe junger Menschen. Was muss getan werden“? Und „Bremen- eine Stadt, die für Alle sorgt?! Feministische Perspektiven auf die Gestaltung und Planung von Stadt und Raum“) sind inzwischen auf der Projekthomepage http://unihb.eu/caringalltogether zum Nachsehen bzw. Nachhören hochgeladen.

Unterstützen Sie uns gerne und leiten diese Veranstaltungen bitte in Ihren Bereichen weiter, danke!

Bürgerschaftswahl in Bremen am 14. Mai 2023

Im Vorfeld der Landtagswahl in Bremen haben wir „Wahlprüfsteine“ an die Parteien SPD, Die Linke, Die Grünen, CDU und FDP versendet. Unsere 10 Fragen (mehr sind nicht vorgesehen) zum Themenfeld Care und Gender. Wir haben die Antworten der Parteien auf unserer Projekthomepage veröffentlicht: http://unihb.eu/caringalltogether). Gerne lesen!

Termin: 12. Mai 2023

Veranstalter: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Ort: Berlin

Wie können wir uns in Zukunft so ernähren, dass es unserer Gesundheit gut tut und der unseres Planeten? Wie steigern wir das Angebot an frischen und gesunden Lebensmitteln? Und wer macht alles mit bei der großen Transformation des Ernährungssystems?

Auf unserem Kongress werfen wir die großen Fragen der Ernährungswende auf und diskutieren sie mit Expert/innen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Praxis. Anschließend erarbeiten wir mit allen Teilnehmenden in fünf Foren, welche konkreten Maßnahmen uns in zentralen und aktuellen Bereichen der Ernährungspolitik voranbringen. Die Ergebnisse werden allen Teilnehmenden zugänglich gemacht und bieten eine Vorlage für Diskussionen und Entscheidungen der Fraktion.

Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.

Termin: 15. Mai 2023

Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V.

Ort: Berlin

Die aktuell steigenden Kosten für Wohnen und Energie belasten Familien, trotz einer Reihe von entlastenden Maßnahmen, bis in die Mittelschicht hinein in einem außergewöhnlich hohem Maß. Dies liegt unter anderem daran, dass die akute Krise bereits länger existierende Probleme des Wohnungs- und Energiemarktes verstärkt. Die Bezahlbarkeit, die Verfügbarkeit und der diskriminierungsfreie Zugang zu Wohnraum für alle Familienformen ist bereits seit längerer Zeit nicht mehr selbstverständlich gegeben. Auch Energiearmut ist ein Thema, das bereits vor dem Anstieg der Energiepreise im letzten Jahr für viele Familien ein Problem darstellte.

Die AGF-Veranstaltung soll eine Bestandsaufnahme der Belastungen von Familien durch die steigenden Wohn- und Energiekosten vornehmen sowie kurz- und langfristige Handlungsoptionen für die Politik diskutieren.

Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden sie hier.

Termin: 23. Mai 2023

Veranstalter: MitWirkung – Perspektiven für Familien

Ort: Online Via Zoom

Kindzentriert zu denken und zu handeln sind die zentrale Herausforderung, wenn es darum geht, integrierte Strategien gegen Kinder- und Familienarmut umzusetzen. Aufwachsen in Wohlergehen ist als ein Recht für alle Kinder umzusetzen, durch uns, die wir in den Strukturen arbeiten und Verantwortung tragen. Wie können uns hier die Kinderrechte helfen?

Wir werden darüber diskutieren, wie Kinderrechte und der Einsatz gegen Kinderarmut zusammengehören und wie sich bestehende Ansätze aus beiden Feldern zusammendenken lassen. Dazu haben wir drei Personen eingeladen, die uns mit ihrer Expertise und ihrem Engagement begeistern:

  • Miriam Zeleke, Landesbeauftragte für Kinder- und Jugendrechte in Hessen  
  • Rebekka Bendig, Professorin für Soziale Arbeit an der Hochschule für Soziale Arbeit und Pädagogik Berlin, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik DeGeDe e.V und der Initiative Große Kinder e.V.
  • Ulrike Milstrey, Sozialraumorientierte Planungskoordination Pankow

Weitere Informationen zur Veranstaltung und den Anmeldelink finden Sie hier:

Aufwachsen in Wohlergehen ist ein Recht. Kinderrechte und Strategien gegen Kinderarmut zusammendenken.

Termin: 29. Juni 2023

Veranstalter: Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.

Ort: Berlin

Um unsere Klimaziele zu erreichen, ist es entscheidend, dass wir gesamtgesellschaftliche Akzeptanz für Klimapolitik schaffen. Das bedeutet auch, dass ökologische Lebensweisen für alle Menschen möglich und bezahlbar sein müssen.

Viele Menschen, die wenig Geld zur Verfügung haben und staatliche Transferleistungen beziehen, verursachen im Vergleich weniger CO2-Emissionen, weil sie zum Beispiel in kleineren Wohnungen leben, weniger elektronische Geräte besitzen oder sich kein eigenes Auto leisten können. Dieses (unfreiwillig) ökologische Verhalten bedeutet aber auch Einschränkungen in den Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe.

Menschen mit wenig Geld sind gleichzeitig besonders stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen und haben häufig wenig Spielraum, auf Krisen oder veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Die Voraussetzungen, Verhalten zu ändern und nachhaltigere Lebensweisen anzunehmen, sind häufig nicht gegeben.

In dieser Veranstaltung wollen wir verschiedene Möglichkeiten und Konzepte diskutieren, wie es z.B. durch Änderungen im Sozialrecht oder Umverteilungsmaßnahmen allen Menschen ermöglicht werden kann, an der Transformation aktiv teilzuhaben und welche Rolle ein Wohlfahrtsverband wie die Diakonie in diesem Kontext einnehmen kann und sollte.

Wir freuen uns, dass wir renommierte Expert:innen aus Wissenschaft, Kirche und Diakonie gewinnen konnten, diese Fragen mit uns zu diskutieren.

Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden sie hier.

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ZFF-Info 05/2023

AUS DEM ZFF

Termin: 23. Mai 2023

Ort: Centre Monbijou, Oranienburger Straße 13-14, 10178 Berlin

Die andauernden Umbrüche haben unsere Gesellschaft und ihre Familien fest im Griff. Die Corona-Krise und damit einhergehende Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben Kinder, Jugendliche und ihre Familien herausgefordert: Angesichts (teil-)geschlossener Bildungs- und Betreuungseinrichtungen stieg die Belastung familiär zu erbringender Sorgearbeit und zeitgleich sank das Wohlbefinden von Familienmitgliedern. Aber auch Einrichtungen der sozialen Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Angebote ambulanter Pflegedienste oder Tageseinrichtungen kamen immer wieder an ihre organisatorischen und personellen Grenzen. Zusätzlich erleben wir eine Energie- und Wirtschaftskrise, – ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine – die viele Menschen, aber auch Einrichtungen der sozialen Infrastruktur um ihre Existenz bangen lässt. Damit geraten Familien weiterhin unter enormen Druck.

Gemeinsam mit u. a. Prof. Dr. Katharina Spieß (BiB) und Sabine Rennefanz (Journalistin und Autorin), wollen wir daher in unterschiedlichen Formaten der Frage nachgehen, wie eine zukunftsfähige Familienpolitik aufgestellt sein muss. Dabei können wir auf wissenschaftliche Erkenntnisse, auf den Austausch mit Jugendlichen und den Erfahrungen unserer Mitgliedsorganisationen aus der täglichen Arbeit mit und für Familien aufbauen.

Wir freuen uns auf Ihr Kommen und den Austausch mit Ihnen! Das Veranstaltungsprogramm finden Sie hier. Anmeldeschluss ist der 08.05.2023.

Anlässlich der ernüchternden Ergebnisse des Koalitionsausschusses fordern vier progressive Familienverbände die Bundesregierung auf, durch die Einführung der Kindergrundsicherung einen echten Unterschied im Kampf gegen Kinderarmut zu machen. Dafür müssen im Bundeshaushalt die Einnahmen wieder stärker in den Blick genommen werden.

Svenja Kraus, Bundesgeschäftsführerin der evangelischen arbeitsgemeinschaft familie e.V. erklärt: „Für den gewünschten Systemwechsel müssen wir jetzt die richtigen Weichen stellen und auch Geld im Haushalt einplanen, um Kinder und ihre Familien tatsächlich aus der Armut zu holen. Es kann nicht sein, dass der Finanzminister im Koalitionsvertrag verabredete Maßnahmen für Kinder jede Woche aufs Neue hinterfragt und nun auch noch der Koalitionsausschuss Entscheidungen darüber auf später vertagt.“

Chrysovalantou Vangeltziki, Bundesgeschäftsführerin des Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften ergänzt die Position ihres Verbandes: „Kinderarmut ist eine traurige Realität in Deutschland und sie betrifft besonders migrantische Kinder und Jugendliche. Daher: Kindergrundsicherung für alle Kinder – ohne migrationspolitische Ausschlüsse und ausländerrechtliche Diskriminierungen. Der Anspruch auf Kindergrundsicherung darf nicht von der Staatsangehörigkeit oder dem Aufenthaltsstatus abhängig sein.“

Daniela Jaspers, Vorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter fordert: „Wichtig ist, dass alle Kinder unabhängig von der Familienform unterstützt werden, insbesondere Kinder von Alleinerziehenden. Die Kindergrundsicherung sollte realitätsgerecht abbilden, was ein Kind tatsächlich braucht. Durch die Steuerfreibeträge für Kinder erhalten Familien mit hohen Einkommen aktuell mehr Geld fürs Kind als Familien mit kleinen oder mittleren Einkommen mit dem Kindergeld. Hier sollte es keine falschen Tabus geben: Auch die Höhe des steuerlichen Pauschalbetrags für Betreuung, Erziehung und Ausbildung gehört auf den Prüfstand. Es ist Zeit, die soziale Schieflage in der Familienförderung vom Kopf auf die Füße zu stellen: Kinder aus armen bzw. armutsgefährdeten Familien brauchen eine höhere Unterstützung als jetzt, um ihre Potenziale und Talente entfalten zu können. Für Kinder aus gut situierten Familien können die Eltern diese Unterstützung aus eigener Kraft finanzieren.“

Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie, stellt abschließend fest: „Die Kindergrundsicherung muss insbesondere für Familien im SGB II-Bezug eine materielle Verbesserung darstellen. Derzeit hat zum Beispiel die volle Anrechnung von Kindergeld auf das Bürgergeld zur Folge, dass arme Familien überhaupt nicht von einer Kindergelderhöhung profitieren. Damit muss Schluss sein! Eine weitere ungerechte und von der sozialen Realität überholte Regelung ist das Ehegattensplitting. Eine Finanzierung der neuen Kindergrundsicherung wird einfacher, wenn dieses verstaubte Instrument zu ihren Gunsten beendet wird. Das Splitting kommt insbesondere Ehen mit starken Einkommensdifferenzen zu Gute. Eine zeitgemäße Familienförderung soll nicht am Trauschein ansetzen, sondern dort wo Kinder aufwachsen.“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V., evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V., Verband binationaler Familien und Partnerschaften und  Verband alleinerziehender Mütter und Väter vom 29.03.2023

In einem offenen Brief fordern AWO und Zukunftsforum Familie (ZFF) Bundesfinanzminister Lindner auf, seine Blockadehaltung aufzugeben und zusätzliches Geld für die Kindergrundsicherung bereitzustellen.

Michael Groß, Vorsitzender des Präsidiums des AWO Bundesverbandes, zeigt sich entsetzt: „Seit Jahrzehnten stagniert die Armut von Kindern und Jugendlichen in unserem Land auf hohem Niveau. Als Träger von Kitas, Familienzentren oder Beratungsstellen sehen wir jeden Tag, was es bedeutet, wenn Kinder und Jugendliche unter Armutsbedingungen aufwachsen. Ihr Selbstwertgefühl leidet, sie haben schlechtere Chancen auf ihrem Bildungsweg und ihr Risiko, krank zu sein, ist deutlich höher. Die Dauerkrisenjahre haben die Situation drastisch verschärft. Es reicht, Finanzminister Lindner muss seine Blockadehaltung aufgeben und Geld zur entschiedenen Armutsbekämpfung bereitstellen! Durch Geld für gute Kitas, Schulen und Sozialarbeit vor Ort und für eine ambitionierte Kindergrundsicherung, welche die Armut beendet.“

Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie, fügt hinzu: „Wir fordern von der Bundesregierung, die Kindergrundsicherung als zentralen Baustein zur Bekämpfung von Kinderarmut endlich umzusetzen. Aus unserer Sicht braucht eine wirksame neue Leistung neben einer armutsfesten Höhe auf Grundlage der Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums eine weitgehend automatische Auszahlung, die alle Anspruchsberechtigten erreicht. Darüber hinaus sollte eine Kindergrundsicherung eine sozial gerechte Familienförderung anstreben, die armutsbetroffene Familien mehr unterstützt als wohlhabende Familien. Damit die Kindergrundsicherung diese Wirkung entfalten kann, können die derzeit zur Diskussion stehenden 12 Mrd. Euro maximal ein Anfang sein. Im Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG gehen wir von circa doppelt so hohen Kosten aus. Wir müssen jetzt in die Zukunft unserer Kinder investieren, das geht nur mit einer Kindergrundsicherung, die auch wirklich ihren Namen verdient!

Hintergrund: Die Bundesregierung plant die Einführung einer Kindergrundsicherung, in welcher die wesentlichen pauschalierbaren Leistungen der monetären Familienförderung wie Kindergeld, Kinderzuschlag, Kinderregelsätze nach SGB II/XII, Wohnkostenanteile, kindbedingte Anteile aus dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie Teile aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zusammengefasst werden. Darüber hinaus soll die neue Leistung höher ausfallen als die aktuelle Unterstützung, da sie ein neu zu bemessendes Existenzminimum für Kinder und Jugendliche zu Grunde legt. AWO und ZFF unterstützen dies ausdrücklich, fordern jedoch zudem, dass von Anfang an die Kinderfreibeträge aus dem Steuerrecht systematisch in die Kindergrundsicherung mit einbezogen werden. Die Kindergrundsicherung soll in 2024 beschlossen und ab 2025 ausgezahlt werden. Im Zuge der Beratungen über die langfristige Finanzplanung wird die Kindergrundsicherung jedoch derzeit vor allem von Bundesfinanzminister Lindner öffentlich in Frage gestellt, denn diese neue Leistung kostet zusätzliches Geld.

Den offenen Brief an BM Lindner „Die Kindergrundsicherung ist unverzichtbar, das notwendige Geld für eine armutsfeste Höhe muss bereitgestellt werden!“ steht Ihnen auf unserer Website zur Verfügung.

AWO und ZFF sind seit der Gründung Mitglied im Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG. Weitere Informationen zum Konzept des Bündnisses und seinen Forderungen finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 24.03.2023

Anlässlich der gestern veröffentlichten Ergebnisse des Familienbarometers fordert das ZFF, Rahmenbedingungen für mehr Partnerschaftlichkeit weiterzuentwickeln.  

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Viele Eltern wünschen sich eine partnerschaftliche Aufteilung bei Kinderbetreuung und Hausarbeit, scheitern jedoch bei der Umsetzung. Die aktuellen Ergebnisse des Familienbarometers weisen erneut darauf hin, dass sich mit Geburt des ersten Kindes, trotz anders gelagerter Wünsche und persönlicher Leitbilder, bei den meisten Eltern eine (Re-)Traditionalisierung der Arbeitsteilung einschleicht. Danach übernehmen Mütter den Hauptteil der Sorgearbeit während Väter ihre Erwerbsvorstellungen nach Teilzeittätigkeit nur selten realisieren.“

Altenkamp ergänzt: „Es liegt in öffentlicher Verantwortung, politische Lösungen vorzulegen, die es allen Geschlechtern ermöglichen, Sorgeverpflichtungen zu übernehmen und am Erwerbsleben teilzuhaben. Es ist nun Aufgabe der Bundesregierung, ihre politischen Vorhaben endlich anzupacken: die Weiterentwicklung des Elterngelds, die Einführung einer Freistellung für den zweiten Elternteil nach der Geburt sowie die Abschaffung der Lohnsteuerklasse V. Langfristig müssen wir aber weiterdenken. Nur wenn wir Familienpolitik konsistent am Leitbild der Partnerschaftlichkeit ausrichten, können wir uns nachhaltig auf den Weg zu einer (geschlechter-)gerechten Gesellschaft machen!“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 21.03.2023

SCHWERPUNKT I: Kindergrundsicherung

Pflege, Kindergrundsicherung, energetische Sanierung von sozialen Wohnungen, soziale Absicherung für kleine Selbstständige: Die dringend notwendigen sozialen Reformvorhaben der Ampel bleiben derzeit komplett auf der Strecke, moniert der Deutsche Caritasverband. „Der Regierung fehlt erkennbar der Gestaltungswille, Sozialpolitik als Krisenresilienz-Politik mit den notwendigen finanziellen Mitteln auszustatten.“

Vom Fortschritts- zum Stillstandsbündnis

„Um die Ankündigungen des Koalitionsvertrages einzulösen, allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beste Lebenschancen zu bieten, muss die Bundesregierung Geld in die Hand nehmen,“ so Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. „Mit leeren Versprechen wird aus dem selbsternannten Fortschritts- ein Stillstandsbündnis. Mit gravierenden Folgen für die Zukunftschancen derer, die auf Unterstützungsleistungen dringend angewiesen sind.“       

Ohne Finanzierung bleiben viele Vorhaben heiße Luft

Die Probleme sind vielfältig, wie die Caritas aus ihrer Arbeit vor Ort weiß. Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigen Einkommen haben schlechte Bildungs- und Teilhabechancen; viele Pflegebedürftige erhalten nicht die Pflege, die sie brauchen, oder tragen dafür horrende Kosten; Menschen in sozialen Berufen sind am Limit; arme Haushalte ächzen unter steigenden Energiekosten.

Die Bundesregierung hat sich vieles vorgenommen, was sich positiv auswirken würde –  Leistungsverbesserungen für Familien mit niedrigen Einkommen und eine ambitionierte Pflegereform. „Nur: Wenn die Ampel dafür kein Geld bereitstellt, bleiben diese Vorhaben heiße Luft und die rot-grün-gelben Blütenträume zerplatzen“, so Welskop-Deffaa.

Sozial gerechte Klimamaßnahmen, Kindergrundsicherung, Lösungen für die Pflege: Fehlanzeige

Die jüngsten Verabredungen im Koalitionsausschuss nähren die Sorge, dass das Soziale für die Bundesregierung keine Priorität hat. Wirksame sozial gerechte Klimaschutzmaßnahmen wurden dort genauso wenig verabredet wie Lösungen im Streit um die Neugestaltung von Kindergeld und Kinderzuschlag. Die vorliegenden Vorschläge für eine Pflegereform sind mangels ausreichender Finanzierung gänzlich ungeeignet, den Teufelskreis aus Personalmangel, Einschränkung der Angebote und steigender Kosten für Pflegebedürftige zu durchbrechen. Das Versprechen, für die sogenannte 24-Stunden-Pflege faire Rahmenbedingungen zu schaffen, scheint gänzlich vergessen.

Der Deutsche Caritasverband fordert eindringlich Finanzzusagen für Familienleistungen, die das Existenzminimum aller Kinder verlässlich absichern; die Bereitstellung von Mitteln für ein Gebäudeenergiegesetz, das diesen Namen verdient und ein ambitioniertes Sanierungsprogramm für Sozialwohnungen vorsieht. Bundeszuschüsse für ein Pflegesystem, das menschenwürdiges Leben im Alter sichert, sind auch dringend erforderlich.

Mehr Informationen

Pflegereform: Notwendige strukturelle Reformen bleiben aus (gemeinsame Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege)

Kinder vor Armut bewahren: Eckpunkte einer Kindergrundsicherung

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 02.04.2023

Im Streit in der Ampelkoalition über die Kindergrundsicherung appelliert Diakonie-Präsident Ulrich Lilie an Finanzminister Christian Lindner, zügig die Mittel für die Kindergrundsicherung freizugeben. Interne Koalitionsstreitigkeiten dürfen nicht auf dem Rücken der von Armut betroffenen Kinder ausgetragen werden.

 

Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland:

„Ich appelliere an Finanzminister Lindner, den Weg für die Kindergrundsicherung freizumachen. Die Kindergrundsicherung ist eines der zentralen Reformprojekte der Ampel. Sie bietet die historische Chance, das Versprechen gleicher Chancen für alle Kinder endlich einzulösen. Es ist wenig zukunftsweisend, ja unverantwortlich, dieses Reformprojekt mit dem Hinweis auf die Erhöhung des Kindergeldes und auf Sparzwänge zu kippen. Drei Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut – das ist rund ein Fünftel aller Kinder in unserem Land. Ihnen fehlt es regelmäßig an früher Förderung im Elternhaus und unkomplizierten und leicht zugänglichen Hilfen. Mehr als die Hälfte der Sozialleistungsansprüche verfällt, weil ihre Eltern den Weg durch das Behördendickicht eben nicht finden. Wir wissen längst, dass unterschiedliche Kinder unterschiedliche Formen der möglichst frühen Unterstützung und Hilfen benötigen. Jetzt hat die Regierung die Chance, die Startblöcke für alle Kinder endlich auf dieselbe Linie zu bringen. Damit wird die Strecke für alle Mädchen und Jungen zu ersten Mal gleich lang. Bisher müssen Kinder aus wohlhabenderen Haushalten nur 100 Meter bis zum Ziel laufen, während die anderen ein Vielfaches der Strecke zurücklegen müssen bis sie einen Schulabschluss geschafft haben. Das Existenzminimum von Kindern muss realistisch ermittelt und unbürokratisch zugänglich gemacht werden. Je größer die Not in einer Familie, desto größer muss die Hilfe sein. Wer jetzt nicht handelt, trägt Mitverantwortung dafür, dass sich die Bildungsbiografien von Kindern in Deutschland immer unfairer entwickeln.“

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 03.04.2023

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert ein klares Bekenntnis des Bundesrates zur Einführung einer Kindergrundsicherung in Deutschland. „Das Ergebnis oder besser gesagt Nicht-Ergebnis des Koalitionsausschusses bei der Kindergrundsicherung hat uns wieder einmal vor Augen geführt, dass die Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland ganz offensichtlich nicht die notwendige Priorität innerhalb der Bundesregierung hat. Das ist verantwortungslos gegenüber den rund drei Millionen Kindern und Jugendlichen, die in unserem Land von Armut betroffen sind. Die Kindergrundsicherung muss jetzt, und nicht erst irgendwann, auf den Weg gebracht werden und so ausgestaltet sein, dass sie die Armutszahlen spürbar senkt und sich damit an den tatsächlichen Bedarfen der Kinder und Jugendlichen orientiert. Dazu gehört es einerseits die materielle Absicherung von Kindern und ihren Familien in den Blick zu nehmen, andererseits aber auch ihre ausreichende Versorgung in den Bereichen Gesundheit, Mobilität, Freizeit und soziale Teilhabe sicherzustellen. Entsprechend dringend sollte nun auch eine an den tatsächlichen Bedarfen von Kindern ausgerichtete Neubemessung des kindlichen Existenzminimums erfolgen“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, im Vorfeld der heutigen Abstimmung des Bundesrates über einen Entschließungsantrag des Saarlandes zur umgehenden Einführung der Kindergrundsicherung.

„Das alles gibt es nicht zum Nulltarif. Deshalb erwarten wir entsprechende Rückendeckung für eine finanziell ausreichend ausgestattete Kindergrundsicherung durch Bundeskanzler Olaf Scholz in den Etatberatungen von Bundesfamilienministern Lisa Paus mit Bundesfinanzminister Christian Lindner. Denn ein so hohes Maß an Kinderarmut darf sich ein Land wie Deutschland nicht mehr länger leisten. Eine effektive Kindergrundsicherung, die Kinder aus der Armut holt, sind wir nicht nur den betroffenen Kindern und Familien schuldig, sie ist auch unerlässlich für eine nachhaltige wirtschaftlich-soziale Ausgewogenheit unseres Landes. Es darf keine weiteren Verzögerungen bei diesem wichtigen armutspolitischen Projekt geben. Wir brauchen bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland endlich ein klares Signal an die junge Generation, dass der gesellschaftliche Skandal der Kinderarmut entschieden angegangen wird. Immer neue Höchststände bei den Kinderarmutszahlen zeigen den dringenden Handlungsbedarf und auch die Notwendigkeit, hier zügig mehr finanzielle Mittel als bisher zur Verfügung zu stellen. Mit einer reinen Zusammenfassung der bisherigen Unterstützungsleistungen kommen wir bei der Bekämpfung der Kinderarmut nicht den entscheidenden Schritt voran, den es dringend braucht“, so Krüger weiter.

Bis zum Inkrafttreten der Kindergrundsicherung fordert das Deutsche Kinderhilfswerk deutliche Nachbesserungen bei den seit Januar geltenden Bürgergeld-Regelsätzen für Kinder und Jugendliche. „Bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland können wir nicht auf die Kindergrundsicherung warten. Wir brauchen schnellstmöglich eine signifikante Erhöhung der Transferleistungen, ohne die es bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland weitere Rückschläge geben wird. Trotz der seit Januar geltenden Verbesserungen bei den Regelsätzen reicht das Geld in vielen Familien vorne und hinten nicht. Für ein gutes Aufwachsen aller Kinder und Jugendlichen müssen monetäre Leistungen und soziale Infrastruktur ineinandergreifen. Nur so kann das strukturelle Problem der Kinderarmut in Deutschland umfassend beseitigt werden. Notwendig ist dafür letztlich ein Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Kommunen“, so Thomas Krüger.

Wichtig ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes daher die Erstellung einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland, die mit einer umfassenden Kinder- und Jugendbeteiligung an diesem Prozess einhergehen muss und einen ressortübergreifenden Ansatz braucht. Die Kinderarmut in Deutschland kann aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes nur dann effizient und nachhaltig bekämpft werden, wenn alle Maßnahmen zu diesem Zweck in einem Gesamtkonzept verknüpft und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Die Erarbeitung des Nationales Aktionsplans im Rahmen der von Deutschland mitbeschlossenen EU-Kindergarantie kann hierfür einen guten Ansatz bieten.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 31.03.2023

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Dr. Ulrich Schneider schrieb heute an den Vorsitzenden der FDP, Christian Lindner, und den Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, Christian Dürr, einen Brief in Sachen „Kindergrundsicherung“.

Schneider korrigiert darin die vielzitierten Thesen von angeblich 150 verschiedenen familienpolitischen Leistungen und einer angeblichen Dunkelziffer beim Kinderzuschlag in Höhe von 65 Prozent. Er setzt sich darüber hinaus kritisch mit der tatsächlichen Reichweite der seitens der FDP zur Bekämpfung der Kinderarmut präferierten Wege der Digitalisierung und der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auseinander.

Sie finden den Brief hier zum Download.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V. vom 06.04.2023

SCHWERPUNKT II: Familienbarometer

Familienpolitik sorgt für Zusammenhalt, schafft Zuversicht und sozialen Ausgleich in unruhigen Zeiten

Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat heute gemeinsam mit Prof. Renate Köcher (Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach) und Christian Böllhoff (Direktor Prognos AG) das Familienbarometer vorgestellt. Im Familienbarometer werden zentrale Trends zum Familienleben in Deutschland analysiert und konkrete Optionen für die Weiterentwicklung familienpolitischer Leistungen aufzeigt. Die Publikation ist auf der Website des BMFSFJ zu finden: www.bmfsfj.de/familienbarometer.

Der Fokus des Familienbarometers liegt auf den Handlungsfeldern: „Finanzielle Sicherheit für Familien erhöhen“, „Kinderbetreuung bedarfsgerecht weiterentwickeln“ und „Zeitautonomie in herausfordernden Familienphasen erhöhen“.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „Das Familienbarometer macht deutlich: Mit Familienpolitik können wir Zusammenhalt und Resilienz unserer Gesellschaft stärken. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen für Familien so gestalten, dass sie zu den Bedürfnissen von Familien passen – gerade in Krisen. Das Familienbarometer gibt dafür zuverlässig Orientierung.

Ich sehe es als eine der Kernaufgaben des Staates, Sicherheit zu schaffen – erst recht in Zeiten, in denen sich Menschen um ihre Zukunft sorgen. Deshalb hat vor allem die Umsetzung der Kindergrundsicherung Priorität für mich. Denn mit der Kindergrundsicherung können wir ein Sicherheitsnetz schaffen.

Nach der Geburt des ersten Kindes stellen Eltern zentrale Weichen bei der Aufgabenteilung zwischen Familie und Beruf. Die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit aber ist dabei in vielen Familien groß. Mit einer Elternstartzeit schaffen wir nun auch einen Schutz- und Schonraum für die erste intensive Phase mit einem neugeborenen Kind, stärken den familiären Zusammenhalt und setzen einen wichtigen Impuls für partnerschaftliche Aufgabenteilung in Familien.“

Prof. Renate Köcher (IfD Allensbach): „Es ist eine besondere Stärke Deutschlands, dass die Bevölkerung soziale Unterschiede ernst nimmt. Das prägt auch die Erwartungen an die Familienpolitik. Die Bekämpfung von Kinderarmut und die Förderung benachteiligter Kinder ist der Bevölkerung außerordentlich wichtig. Dies ist ein wesentliches Motiv für die breite Unterstützung der Kindergrundsicherung.“

Christian Böllhoff (Prognos AG): „Die ökonomische Transformation wird gut gelingen, wenn Familien gestärkt werden durch wirksame Geldleistungen, bedarfsgerechte Infrastruktur und eine moderne Zeitpolitik, für die die Unternehmen Mitverantwortung übernehmen.“

Zentrale Ergebnisse des Familienbarometers:

Für das Familienbarometer hat das Institut für Demoskopie Allensbach eine vom BMFSFJ beauftragte repräsentative Studie für die Aufgabenteilung in Familie und Beruf durchgeführt (Weichenstellungsstudie). Aus dieser Studie und weiteren repräsentativen Allensbach-Umfragen, die in den vergangenen Wochen für die Vorstellung des Familienbarometers gemacht wurden, ergeben sich die folgenden Erkenntnisse:

Eltern durch Krisen unter Druck – 93 % in Sorge wegen Inflation

Familien stehen unter Druck: Die Jahre der Pandemie und die hohe Inflation sind für Familien eine besondere Herausforderung: 93 Prozent der Eltern minderjähriger Kinder macht die Inflation große Sorgen. Die Bilanz der eigenen wirtschaftlichen Lage hat sich im vergangenen Jahr deutlich verschlechtert: Nur noch 43 Prozent der Eltern bewerten ihre Lage positiv. Gleichzeitig werden die staatlichen Entlastungsmaßnahmen von Familien überdurchschnittlich als hilfreich bewertet.

Die Erwartung, dass der Sozialstaat materieller Ungleichheit entgegenwirkt und gute Startchancen für alle Kinder fördert, ist in der Bevölkerung insgesamt und speziell bei Eltern hoch. Unterstützung soll zielgenau sein und denjenigen helfen, die sie brauchen. Das gilt insbesondere in Krisenzeiten. 70 Prozent der Bevölkerung erwarten von der Familienpolitik, dass die Kinderarmut reduziert wird.

75 Prozent der Eltern befürworten Kindergrundsicherung

Die Befunde des Familienbarometers zeigen deutlich: Die Kindergrundsicherung kann Sicherheit und Stabilität schaffen. Mit ihr werden Familien in wirtschaftlich prekären Lagen gestärkt und Kinderarmut wird reduziert. Eine große Mehrheit der Bevölkerung von 60 Prozent und 75 Prozent der Eltern mit minderjährigen Kindern befürwortet die Einführung der Kindergrundsicherung. Sozialer Ausgleich ist den Menschen wichtig – auch dann, wenn auf die Kosten der Kindergrundsicherung hingewiesen wird.

Neben der finanziellen Stabilität braucht es eine verlässliche Betreuungsinfrastruktur, damit Familien mit Vertrauen in staatliche Unterstützung ihre Zukunft planen können. Gute Kinderbetreuung ist für die meisten Familien eine zentrale Voraussetzung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Aufgabenteilung wird beim ersten Kind zementiert

Der Wunsch nach partnerschaftlicher Aufgabenteilung von Familien- und Erwerbsarbeit ist weiterhin hoch, aber für viele schwer zu realisieren: Knapp die Hälfte (46 %) der Eltern wünscht sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Kinderbetreuung, Haushalt und Erwerbstätigkeit, aber nur ein erheblich kleinerer Teil kann dies tatsächlich umsetzen.

Mit der Geburt des ersten Kindes und dem Beginn der Elternzeit stellen Paare zentrale Weichen für ihre Aufgabenteilung bei Familien- und Erwerbsarbeit. Vor der Geburt des ersten Kindes sind angehende Eltern mit großer Mehrheit noch beide vollzeitberufstätig. Nach der Geburt ändern sich die Erwerbskonstellationen dann erheblich. Die große Bedeutung dieser Entscheidung für die gesamte Erwerbsbiografie und das Lebenseinkommen scheint den meisten aber nicht bewusst zu sein. Die Entscheidung ergibt sich meist, ohne groß thematisiert zu werden.

49 Prozent erwarten Unterstützung der Politik

49 Prozent der Gesamtbevölkerung und 56 Prozent der Eltern mit Kindern unter 6 Jahren erwarten, dass Familienpolitik Eltern bei einer gleichmäßigen Aufteilung von Kinderbetreuung und Beruf unterstützt.

Die Aufgabenteilung in der Familie hat langfristige Effekte auf die Lebenszufriedenheit und die Fachkräftesicherung: Eine partnerschaftliche Aufgabenteilung ermöglicht vielen Müttern die gewünschte stärkere Erwerbsbeteiligung und vielen Vätern die gewünschte stärkere Beteiligung in der Familie. Elternpaare, die ihre Aufgaben in Beruf und Familie gleichgewichtig teilen, berichten auch häufiger als andere Paarfamilien über ein gutes Familienklima, enge Beziehungen zwischen Eltern und Kindern und besonders über gegenseitige Unterstützung der Elternteile (84 Prozent gegenüber 63 Prozent).

Langfristig sorgt die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf für wirtschaftliche Stabilität beider Eltern und ist damit auch eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Wenn Väter den Spielraum für Mütter vergrößern, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen bzw. auszubauen, werden Erwerbstätigkeit und -umfänge von Müttern weiter zunehmen.

Pflege von Angehörigen: 75 % wünschen sich Lohnersatzleistung

Längst beschränkt sich die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und familiären Verpflichtungen nicht mehr auf die Kinderbetreuung, sondern umfasst auch die Versorgung pflegebedürftiger Eltern und anderer Angehörige. Zwei Drittel der Bevölkerung können sich grundsätzlich vorstellen, Angehörige zu pflegen. Eine überwältigende Mehrheit von 75 Prozent wünscht sich eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige.

Zentrale Vorhaben des BMFSFJ

Das Familienbarometer macht deutlich: Familienpolitik sorgt für Zusammenhalt, schafft Zuversicht und sozialen Ausgleich in unruhigen Zeiten. Zentrale Vorhaben des BMFSFJ sind dafür:

  • eine Kindergrundsicherung, die Sicherheit gibt und Chancengerechtigkeit beim Start ins Leben stärkt
  • Investitionen in eine verlässliche und gute Kinderbetreuungsinfrastruktur
  • die 2-wöchige Freistellung des Partners oder der Partnerin (Elternstartzeit), um gleich nach der Geburt des Kindes den familiären Zusammenhalt zu stärken
  • eine Reform der Familienpflegezeit, um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf deutlich zu verbessern

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20.03.2023

Zur heutigen Veröffentlichung des Familienbarometers des Bundesfamilienministeriums erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung:

Das Familienbarometer des Bundesfamilienministeriums zeigt, dass die Pandemiejahre und die hohe Inflation Familien besonders belasten.

Vor diesem Hintergrund darf der Eckwertebeschluss zum Bundeshaushalt 2024 nicht an den Entwicklungschancen unserer Kinder und Jugendlichen sparen. Als bündnisgrüne Bundestagsfraktion erwarten wir eine auskömmliche Finanzierung der Kindergrundsicherung. Konkret heißt das, dass wir sowohl die Inanspruchnahme familienpolitischer Leistungen durch Digitalisierung und Entbürokratisierung vereinfachen als auch ein Teilhabe sicherndes kindliches Existenzminimum umsetzen müssen.

Das Familienbarometer zeigt auch, dass die Einführung der Kindergrundsicherung von weiteren Maßnahmen flankiert werden muss. Wir setzen uns deshalb gleichzeitig für qualitativ hochwertige und verlässliche Kita und Ganztag in der Grundschule ein. Zudem wird die zweiwöchige Freistellung für den zweiten Elternteil nach der Geburt und eine Reform der Familienpflegezeit kommen.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 20.03.2023

eaf fordert, jetzt mutig Geld in zeitpolitische Instrumente für Eltern zu investieren

Das gestern von Familienministerin Lisa Paus vorgestellte Familienbarometer nimmt Wünsche und Erwartungen von Eltern an die Familienpolitik in den Blick. Ein Fokus liegt auf dem Handlungsfeld „Zeitautonomie in herausfordernden Familienphasen erhöhen“.

Aus Sicht der eaf ist der Ausbau des Basis-Elterngeldes der richtige Weg. Sie favorisiert ein 6+6+6 Modell: 18 Basis-Elterngeld-Monate mit jeweils sechs Monaten exklusiv für einen Elternteil und sechs zur beliebigen Verteilung. „Das kostet natürlich Geld“, so die Bundes­geschäftsführerin Svenja Kraus, „aber gute Familienpolitik darf nicht dem Haushaltsdiktat zum Opfer fallen.“ Sie kritisiert die geplante bloße Umverteilung innerhalb der 14 Elterngeldmonate. „Die Wünsche von Familien sind äußerst unterschiedlich. Deshalb sollte der Bund ihnen größere Spielräume eröffnen, wie das Leben mit Kindern organisiert und finanziert werden kann. Dies nimmt den Druck aus den Familien und dafür setzt sich die eaf ein.“

„Den Fokus auf Zeitpolitik setzen wir als evangelische arbeitsgemeinschaft familie schon länger“, unterstreicht Kraus. Laut Familienbarometer ist eine Reduktion des Erwerbsumfangs von Vätern, um die Lasten der Sorgearbeit innerhalb der Familien besser zu verteilen, aber bisher kaum zu beobachten. „Sorgearbeit passiert nicht nebenbei, sondern beide Elternteile müssen ihre Erwerbsarbeit dafür phasenweise zurückstellen und reduzieren“, erklärt Kraus. „Nur wer von Anfang an mindestens zeitweise allein Sorge für ein Kind übernimmt, kann einschätzen, was das bedeutet und wird später diese Verantwortung anerkennen und teilen. Hier erwarten wir ein deutliches Signal im Bundeshaushalt.“

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V.
eaf vom 21.03.2023

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, der Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, und der Bundesminister der Justiz, Dr. Marco Buschmann, haben auf Grundlage des Koalitionsvertrages die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin berufen. Die Kommission hat sich am 31. März 2023 konstituiert.

Die Kommission ist ein interdisziplinär zusammengesetztes Gremium, das aus 18 Expertinnen und Experten besteht und wissenschaftliche Expertise insbesondere der Fachbereiche Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften bündelt.

Die Kommission wird in zwei Arbeitsgruppen Möglichkeiten der Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches (Arbeitsgruppe 1) sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft (Arbeitsgruppe 2) prüfen. Der Abschlussbericht der Kommission soll zwölf Monate nach Konstituierung vorgelegt werden.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „Frauen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, sollen nicht stigmatisiert werden. Sie brauchen gute Beratung und erreichbare Ärztinnen und Ärzte. Ich begrüße sehr, dass nun die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ihre Arbeit aufnimmt, um diese komplexe Thematik durch unabhängige Sachverständige prüfen zu lassen. Ich erhoffe mir Vorschläge, wie die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen in Zukunft gestärkt werden kann.“

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach: „Ethische Fragen in der Medizin müssen mit dem Fortschritt der Wissenschaft immer wieder neu gestellt und beantwortet werden. Deswegen haben wir eine Kommission berufen, die sich ergebnisoffen mit reproduktiver Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin befassen wird. Sie soll dazu Lösungsvorschläge erarbeiten, die gesellschaftlich konsensfähig sind. Die Mitglieder der Kommission bringen unterschiedliche fachliche Perspektiven und ausgewiesene wissenschaftliche Expertise in diesen Prozess ein. Ich wünsche den Mitgliedern der Kommission viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.“

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann: „In der Kommission haben wir nicht nur Sachverstand aus Rechtswissenschaft und Medizin, sondern auch aus anderen Fachbereichen gebündelt. So schaffen wir für die politische und gesellschaftliche Diskussion einiger der schwierigsten Fragen der reproduktiven Selbstbestimmung eine aktuelle wissenschaftliche Grundlage. Die beiden Arbeitsgruppen der Kommission sollen unvoreingenommen und ohne inhaltliche Vorgaben von außen arbeiten und dann ihre Schlussfolgerungen vorlegen. Im Anschluss wird dann noch ausreichend Raum bleiben für die notwendige breite politische und gesellschaftliche Diskussion der Ergebnisse.“

Mitglieder der Arbeitsgruppe 1 sind:

  1. Prof. Dr. Maika Böhm, Hochschule Merseburg
  2. Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf, Universität Potsdam
  3. Prof. Dr. Daphne Hahn, Hochschule Fulda
  4. Prof. Dr. Paulina Starski, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
  5. Prof. Dr. Stephanie Wallwiener, Universitätsfrauenklinik Heidelberg
  6. Prof. Dr. Bettina Weißer, Universität zu Köln
  7. Prof. Dr. Maria Wersig, Hochschule Hannover
  8. Prof. Dr. Christiane Woopen, Universität Bonn
  9. Prof. Dr. Liane Wörner, LL.M. (UW-Madison), Universität Konstanz

 

Mitglieder der Arbeitsgruppe 2 sind:

  1. Prof. Dr. Susanne Lilian Gössl, LL.M. (Tulane), Universität Bonn
  2. Prof. Dr. Dr. Sigrid Graumann, Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe
  3. Prof. Dr. Katharina Hancke, Universitätsfrauenklinikum Ulm
  4. Prof. Dr. Tobias Helms, Philipps-Universität Marburg
  5. Prof. Dr. Dr. h.c. Ute Sacksofsky, M.P.A. (Harvard), Goethe-Universität Frankfurt
  6. Prof. Dr. phil. habil. Bernhard Strauß, Friedrich-Schiller-Universität Jena
  7. Prof. Dr. Jochen Taupitz, Universität Mannheim
  8. Prof. Dr. Friederike Wapler, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  9. Prof. Dr. Claudia Wiesemann, Universitätsmedizin Göttingen

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 31.03.2023

Projekt für ehrenamtliche Erstbegleitung nach der Diagnose Demenz startet

In Deutschland leben etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Jedes Jahr gibt es etwa 440.000 neue Erkrankungen. Um Betroffene nach ihrer Diagnose zu unterstützen, sollen sie von geschulten Ehrenamtlichen begleitet werden können. Das kann ihnen Sicherheit in der neuen Lebenssituation sowie einen Überblick zu Unterstützungsangeboten geben. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. Selbsthilfe Demenz (DAlzG) startet dafür zusammen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ein Projekt, um ehrenamtliche Erstbegleitung in der Praxis aufzubauen und zu erproben. Sie bietet außerdem eine Handreichung für dieses Ehrenamt an.

Bundesseniorenministerin Lisa Paus: „Ehrenamtliche Erstbegleiterinnen und Erstbegleiter haben ein offenes Ohr für Betroffene, geben Orientierung zu möglichen Hilfen und stellen Kontakte her. Davon profitieren insbesondere Menschen mit Demenz, die alleine leben. Denn sie können besonders schutzbedürftig sein. Als Bundesseniorenministerin möchte ich die Situation von Demenzerkrankten verbessern. Ich hoffe, dass wir durch dieses Projekt in den nächsten Jahren an vielen Orten in Deutschland ehrenamtliche Erstbegleitungen anbieten.“ 

Monika Kaus, 1. Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft: „Die Diagnose einer Demenz im frühen Stadium ist für davon betroffene Menschen ein großer Einschnitt. Das Leben ist häufig auf den Kopf gestellt und nicht selten macht sich ein Gefühl von Hilflosigkeit breit. Die bisherige Lebensplanung wird durch die Diagnose komplett in Frage gestellt. Die Idee der „Ehrenamtlichen Erstbegleitung“ setzt hier an, um die Betroffenen in den ersten Monaten nach der Diagnose nicht allein zu lassen und ihnen Hilfestellungen zu geben, sich im Versorgungs- und Unterstützungssystem zurecht zu finden.“

Die Nationale Demenzstrategie sieht vor, eine niedrigschwellige Erstbegleitung von Menschen mit beginnender Demenz durch ehrenamtliche Personen auszubauen. Initiativen und Organisationen sind aufgerufen, solche Angebote aufzubauen und zu erproben. Zur Unterstützung bietet die DAlzG auch fachliche Begleitung an:

  • für Personen und Träger, die solche Angebote koordinieren
  • für die ehrenamtlichen Begleitungen selbst
  • Kontaktvermittlung zu Referentinnen und Referenten für die Schulung der Ehrenamtlichen
  • zur Förderung des Austausches der umsetzenden Organisationen untereinander.

Die DAlzG arbeitet eng mit der Netzwerkstelle Lokale Allianzen der BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e. V. zusammen. Die „Ehrenamtliche Erstbegleitung“ und die Handreichung sollen in ihrer Wirksamkeit wissenschaftlich evaluiert werden.

Das Projekt ergänzt existierende Angebote. So bietet die Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e. V. die Online-Weiterbildung „Demenz und Ehrenamt in der Arbeit mit älteren Menschen“ an.

Im Rahmen des Bundesprogramms „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“ können Netzwerke für ehrenamtliche Erstbegleitung von Menschen mit Demenz über einen dreijährigen Zeitraum auch finanzielle Förderung erhalten. Die Bewerbung für 2024 ist seit 1. März 2023 möglich.

Hintergrund

Die Nationale Demenzstrategie wurde 2020 durch die Bundesregierung beschlossen. Sie wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) begleitet. Co-Vorsitzende ist die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. Selbsthilfe Demenz (DAlzG). Ziel ist es, durch mehr als 160 Einzelmaßnahmen aus vier Handlungsfeldern bis 2026 die Situation von Menschen mit Demenz und ihren An- und Zugehörigen in Deutschland zu verbessern. Mehr als 70 Akteure sind an der Umsetzung der Nationalen Demenzstrategie beteiligt.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 21.03.2023

Zum Kabinettsbeschluss zum Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz erklären Maria Klein-Schmeink, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende, und Kordula Schulz-Asche, Mitglied im Gesundheitsausschuss:

Wir haben lange auf diesen Kabinettsentwurf gewartet, endlich kann die Pflegereform in das parlamentarische Verfahren.

Der Entwurf bringt Verbesserungen für die Pflegebedürftigen und die Pflegenden. Ein wichtiger Schritt ist die Erhöhung des Pflegegelds und der Zuschüsse der Pflegeversicherung zur häuslichen Pflege. Zugleich muss man feststellen, dass der Finanzminister verhindert hat, dass die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen in der Höhe entlastet werden, wie es notwendig wäre.

Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Mittel zur Steuerfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben werden nicht bereitgestellt. Dies sind insbesondere die Rentenbeiträge für Pflegende Angehörige in Höhe von 3,7 Mrd. Euro im Jahr und die Kosten für Pflegeausbildung in Höhe von 750 Mio. Euro im Jahr. Da diese Ausgaben weiter von den Beitragszahler*innen getragen werden, werden diese nicht entlastet. Sie müssen weiterhin allein die erforderlichen Mittel aufbringen, um die Pflegeversicherung zu stabilisieren.

Die vereinbarte Vereinfachung bei der Beantragung von Entlastungsleistungen in der häuslichen Pflege fehlt. Auch die Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bleiben hinter dem Vereinbarten zurück. In all diesen Punkten werden wir im parlamentarischen Verfahren auf Nachbesserungen dringen.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 05.04.2023

Zur Einsetzung der Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik, und Saskia Weishaupt, Obfrau im Gesundheitsausschuss:

Es ist gut und wichtig, dass die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin jetzt eingesetzt wird und ihre Arbeit aufnimmt. Damit setzen wir als Ampel-Koalition um, was wir im Koalitionsvertrag beschlossen haben. Ziel ist, eine verfassungskonforme Regelung zum Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches zu erarbeiten sowie Legalisierungsmöglichkeiten der Eizellspende und altruistischer Leihmutterschaft zu prüfen.

Für uns Grüne ist klar: Wir brauchen eine neue gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches als Ersatz für den § 218 StGB. Menschen, die einen Schwangerschaftsabbruch benötigen und Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, sollen nicht weiter grundsätzlich kriminalisiert werden.

Die strafrechtsbasierte Regelung führt zu einer Tabuisierung und Stigmatisierung von selbstbestimmten Schwangerschaftsabbrüchen und dadurch auch zu einer mangelhaften medizinischen Versorgungslage. Es gibt nicht genügend Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, weil die Kriminalisierung durch § 218 StGB eine große Hürde darstellt. Im Studium wird den Medizinstudierenden der Schwangerschaftsabbruch auf Grund der gesetzlichen Verortung nicht vermittelt. Menschen, die einen Schwangerschaftsabbruch benötigen, müssen wegen der schon geringen – und weiter abnehmenden – Zahl an Anlaufstellen oft weite Strecken zurücklegen. Außerdem gibt die strafrechtliche Regelung den Anti-Choice-Gruppen, die Ärzt*innen und ungewollt Schwangere belästigen und diffamieren, eine gesetzliche Basis.

Auch wird die Kommission Legalisierungsmöglichkeiten der sogenannten Eizellspende und altruistischen Leihmutterschaft prüfen. Besonders die Perspektive der Spenderinnen und Leihmütter muss im Vordergrund stehen. Bestehende soziale und finanzielle Ungleichheit darf nicht dazu führen, dass sich Frauen gezwungen sehen, Eizellen abzugeben oder ein Kind für Dritte auszutragen.

Wir werden diesen Prozess engmaschig begleiten und freuen uns auf die gemeinsame Arbeit.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 31.03.2023

Zur heutigen Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts zum Elterngeld erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung:

Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts zum Elterngeld zeigen, dass wir gesellschaftlich noch weit von einer gleichberechtigen Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit entfernt sind. Zwar verzeichnen wir einen positiven Trend, wonach mit 26,1 Prozent immer mehr Väter Elternzeit nehmen, doch vom Wunsch vieler junger Familien nach paritätischer Aufteilung sind wir noch weit entfernt. Auch die Bezugsdauer unterscheidet sich nach wie vor erheblich zwischen Frauen und Männern. Während Frauen durchschnittlich 14,6 Monate zu Hause bleiben, sind es bei Männern nur 3,6 Monate.

Als Grüne Bundestagsfraktion setzen wir uns für eine gleichberechtige Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit ein. In einem ersten Schritt führen wir die Familienstartzeit ein, wodurch der zweite Elternteil für zwei Wochen nach der Geburt freigestellt wird. Das ermöglichen wir auch für Alleinerziehende. Damit unterstützen wir Familien in dieser besonders vulnerablen aber auch wichtigen und schönen Zeit.

Außerdem fördern wir mit dem Kita-Qualitätsgesetz und dem Ganztag in Grundschulen bedarfsgerechte und bessere Bildung und ermöglichen damit beiden Elternteilen einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Weitere Maßnahmen werden folgen, zum Beispiel die Entbürokratisierung und Digitalisierung des Elterngelds.

Das alles sind wichtige und richtige Maßnahmen. Doch klar ist auch: Es muss noch mehr folgen. Wir werden uns genau anschauen, aus welchen Gründen in manchen Familien eine paritätische Aufgabenverteilung gelingt und in anderen nicht – obwohl die Mehrheit der jungen Eltern sich eine paritätische Aufteilung wünscht. In diesem Zusammenhang ist ein Blick auf Familien mit niedrigen Einkommen und dementsprechend niedriger Elterngeldhöhe besonders wichtig. Auch hier braucht es Verbesserungen, damit es nicht am Geldbeutel hängt, ob der zweite Elternteil Elternzeit und Elterngeld in Anspruch nehmen kann oder nicht.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 29.03.2023

Entlastungsbudget muss in die Pflegereform aufgenommen werden

Das Bundeskabinett hat am 5. April 2023 den Entwurf eines Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetzes beschlossen. Dazu erklärt der Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, Wilfried Oellers:

„Pflegende Angehörige verdienen unsere Unterstützung. Sie leisten einen großen Dienst für unsere Gesellschaft. Nicht selten unter großen persönlichen, beruflichen und gesundheitlichen Entbehrungen helfen sie pflegebedürftigen Menschen, oftmals mit einer Behinderung und darunter vielfach Kindern.

Für diese Angehörigen entpuppt sich der Regierungsentwurf der Ampel zum Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz als Etikettenschwindel und als eine große Enttäuschung. Denn das im Referentenentwurf noch enthaltene Entlastungsbudget – der gemeinsame Jahresbetrag für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege – ist von der Ampel still und heimlich gestrichen worden.

In unserem im vergangenen Herbst beschlossenen Positionspapier ‚Barrieren abbauen – Bewusstsein schaffen – Teilhabe sichern‘ haben wir uns als Unionsfraktion ausdrücklich zum Entlastungsbudget bekannt. Genauso fordern wir die Schaffung von mehr Kurzzeitpflegeplätzen, um pflegenden Angehörigen mehr Flexibilität und auch einmal Ruhezeiten zu ermöglichen.

Wir fordern daher die Ampelfraktionen dringend dazu auf, das Entlastungsbudget im parlamentarischen Verfahren in das Gesetz aufzunehmen.“ 

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 12.04.2023

„Mieterinnen und Mietern kommt die Untätigkeit der Regierung teuer zu stehen. In Anbetracht der steigenden Energiekosten sitzen die 20 Millionen Miethaushalte auf einer tickenden Zeitbombe. Es wird höchste Zeit, dass der ‚Kanzler für bezahlbares Wohnen‘ ein Machtwort spricht“, erklärt die mieten- und wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Caren Lay, angesichts der heutigen Veröffentlichung der Destatis-Auswertung zur steigenden Wohnkostenbelastung. Lay weiter:

„Diese Zahlen sind erschreckend, überraschend sind sie nicht. Schon seit vielen Jahren steigen die Mietkosten rasant, schon seit Jahren ist die Hälfte der Miethaushalte in den Städten überlastet. Jetzt spitzt sich die Situation durch die Inflation zu. Im vergangenen Jahr haben die fast 20 Millionen Miethaushalte im Schnitt 27,8 Prozent ihres Einkommens für Kaltmiete und Betriebskosten ausgegeben. 16 Prozent aller Miethaushalte weisen eine Mietbelastung von mehr als 40 Prozent auf. Die rasant gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten sind noch nicht mit eingerechnet.

Das ist das Ergebnis von jahrelanger Unfähigkeit, Politik im Interesse der Mieterinnen und Mieter zu machen. Die unterlassene Hilfeleistung für Miethaushalte setzt die Ampel-Regierung bedauerlicherweise fort: Die versprochene Mietrechtsnovelle lässt ebenso auf sich warten wie die Wiederherstellung des Vorkaufsrechtes oder die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit. Statt der versprochenen 100.000 neuen Sozialwohnungen waren es im Jahr 2022 de facto 27.000 weniger. Wie bereits die Vorgängerregierung hat auch diese Regierung nicht den Mut, sich mit der Immobilienlobby anzulegen. Die Ampelparteien schieben sich wechselseitig die Schuld in die Schuhe, der Kanzler für bezahlbares Wohnen ist abgetaucht.

Wir brauchen endlich einen bundesweiten Mietenstopp, den die SPD im Wahlkampf noch vollmundig versprochen hat. Außerdem brauchen wir einen bundesweiten, atmenden Mietendeckel, der die unterschiedlichen Situationen vor Ort berücksichtigt. Ein Neustart im sozialen Wohnungsbau und eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit müssen endlich kommen. Die Ampel darf die Mieterinnen und Mieter nicht weiter im Stich lassen.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 31.03.2023

Die Kinderkommisssion teilt mit:

„Lesen ist Malen im Kopf“ – mit diesem Bild verweist der Vorsitzende der Kinderkommission, Paul Lehrieder, zum Internationalen Kinderbuchtag auf die Freude, die das Lesen machen kann: 

„Lesen eröffnet eine neue Welt, regt die Phantasie an und bildet so auf ganz eigene Weise. Es ist eine Schlüsselkompetenz, ohne die der Zugang zur Wissens- und Informationsgesellschaft verschlossen bleibt. Lesen richtet den Blick und den Verstand auf Dinge, die ansonsten nicht im eigenen Blickfeld liegen, und erlaubt ein Eintauchen in die große Vielfalt unserer Welt. Wer mit offenen Augen liest, der lernt, dieser Vielfalt wertschätzend zu begegnen. Das ist für ein respektvolles Zusammenleben in unserer Gesellschaft unerlässlich“.

Der Internationale Kinderbuchtag wird seit 1967 am 2. April, dem Geburtstag von Hans Christian Andersen, begangen. Mit diesem Aktionstag soll die Freude am Lesen und das Interesse an Kinder- und Jugendliteratur gefördert und ein Zugang zu Kinderbüchern mit literarischem und künstlerischem Anspruch geschaffen werden.

Leider haben nicht alle Kinder die Chance, für sich zu entdecken, welchen Spaß das Lesen machen kann. Erzieherinnen und Erzieher, Pädagoginnen und Pädagogen und vor allem die Eltern sind aufgerufen, die Freude und Begeisterung am Lesen zu wecken. Kommunen sind aufgerufen, Lese- und Bücherräume für Kinder vorzuhalten. Lesen und Vorlesen mit Kindern sollte in den Familien und Kitas zum Alltag gehören – meint die Kinderkommission.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Bundestag vom 31.03.2023

Rund 283.000 mit BAföG-geförderte Studierende hatten im Wintersemester 2022/23 Anspruch auf den Heizkostenzuschlag I in Höhe von 230 Euro. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung (20/6222) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/5976) hervor.

Das seien 9,6 Prozent der Studierenden, schreibt die Bundesregierung und bezieht sich dabei auf die Studierendenstatistik des Statistischen Bundesamtes, wonach im Wintersemester 2021/22 fast drei Millionen Studierende an Hochschulen in Deutschland eingeschrieben waren. Bezogen auf die in der amtlichen BAföG-Statistik 2021 erfassten rund 467. 600 BAföG-geförderten Studierenden, seien das 60,4 Prozent.

Zudem hätten rund 60.000 der insgesamt rund 155.400 im Jahr 2021 mit BAföG geförderten Schüler Anspruch auf den Heizkostenzuschuss I, heißt es in der Antwort weiter. Hinzu kämen außerdem etwa 79.000 „Ausbildungsfortbildungsteilnehmende“, die nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) zwischen Oktober 2021 und März 2022 Unterstützung erhalten haben: Sie hätten ebenfalls Anspruch auf den Zuschuss. Darunter befänden sich auch Fachschüler, schreibt die Bundesregierung. Wie viele genau, werde jedoch nicht erfasst.

Aussagen zur Anzahl der mit dem Heizkostenzuschuss II in Höhe von 345 Euro unterstützten Studierenden und Schüler macht die Bundesregierung in der Antwort nicht: Abschließende Meldungen der Länder über die mit dem Heizkostenzuschuss II geförderten BAföG- bzw. AFBG-Berechtigten lägen noch nicht vor, heißt es dort zur Erklärung. Die Auszahlung der Zuschüsse sei voraussichtlich erst Ende April 2023 abgeschlossen.

Die Union hatte mit der Anfrage Auskunft über die „Unterstützung von Studentinnen und Studenten sowie Fachschülerinnen und Fachschüler in der aktuellen Krise“ verlangt und insbesondere nach der Auszahlung des Heizkostenzuschlag I an sie gefragt.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 254 vom 11.04.2023

Studie auf Basis von SOEP-Daten zeigt: Kinder machen unter anderem seltener (Fach-)Abitur, wenn ein Elternteil arbeitslos war – Studiendesign erlaubt es, gemessene Effekte kausal zu interpretieren – Ergebnisse verdeutlichen Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom Elternhaus – Bildungspolitik sollte dem entgegenwirken, Ganztagsschulausbau ist wichtiger Schritt

Sind die Eltern in der Grundschulzeit ihres Kindes arbeitslos, leidet dessen Bildungserfolg nachhaltig: Ihr Kind erreicht dann viele Jahre später niedrigere Bildungsabschlüsse. Das ist das Ergebnis einer Studie der Abteilung Bildung und Familie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), für die Celina Tippmann und Felix Weinhardt Daten den Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet haben. Das Besondere an der Untersuchung: Anders als bisherige Studien legt sie den Schwerpunkt auf die Arbeitslosigkeit der Eltern im Grundschulalter der Kinder, also im Alter von sechs bis neun Jahren. Trotz der langen Zeit zwischen der Arbeitslosigkeit der Eltern und den gemessenen Effekten erlaubt es das Studiendesign, die Ergebnisse kausal zu interpretieren – die Arbeitslosigkeit der Eltern ist also tatsächlich die Ursache für die schlechteren Bildungsergebnisse ihrer Kinder.

„Die Studie zeigt ein weiteres Mal, wie stark der Bildungserfolg in Deutschland vom Elternhaus abhängt“, sagt Tippmann, Co-Autorin der Studie. Die Effekte treten demnach insbesondere dann auf, wenn der Vater arbeitslos war: Betroffene Kinder erreichen mit einer um gut 30 Prozentpunkte geringeren Wahrscheinlichkeit das Abitur oder Fachabitur. Ein Studium schließen Kinder mit einem in ihrer Grundschulzeit arbeitslosen Vater mit einer um fast neun Prozentpunkte geringeren Wahrscheinlichkeit ab.

Bei einer Arbeitslosigkeit der Mutter sind die Effekte schwächer oder gar nicht vorhanden. „Das bedeutet aber nicht, dass der Arbeitslosigkeit von Müttern eine geringere Bedeutung beigemessen werden sollte als der von Vätern“, erklärt Tippmann. Die Kinder in der untersuchten Stichprobe wurden zwischen 1979 und 2001 geboren – seitdem ist zum Beispiel die Erwerbstätigkeit von Müttern deutlich gestiegen. Entsprechend dürfte bei späteren Geburtsjahrgängen die Arbeitslosigkeit von Müttern eine größere Rolle spielen.

Ganztagsausbau kann ein wichtiger Schritt zu mehr Chancengleichheit sein

Arbeitslosigkeit verursacht also noch Jahre später hohe soziale Kosten – und zwar generationenübergreifend. Deshalb gilt es Tippmann und Weinhardt zufolge, Arbeitslosigkeit so weit wie möglich zu verhindern und besonders Kinder vor den Folgen zu schützen. Dafür müsse das Bildungssystem so gestaltet werden, dass der Bildungserfolg der Kinder weniger stark von den Eltern abhängt. „Ganztagsschulen und der beschlossene Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz im Grundschulalter ab 2026 sind ein wichtiger Schritt “, sagt Weinhardt, Co-Autor der Studie. „Nun kommt es darauf an, den Rechtsanspruch auch tatsächlich zu erfüllen und eine hohe Qualität der Betreuung sicherzustellen.“ Nur dann könne dieser dazu beitragen, Bildungsungleichheit zu reduzieren, so Weinhardt. „Nicht nur mit Blick auf die Chancengleichheit ist das dringend geboten, sondern aus gesamtwirtschaftlicher Sicht auch vor dem Hintergrund des schon heute bestehenden Fachkräftemangels, der sich noch deutlich verschärfen dürfte.“

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 22.03.2023

Für die Qualität in Kitas gilt der Personal-Kind-Schlüssel als wichtiges Merkmal. Dieser hat sich in den vergangenen zehn Jahren zwar deutlich verbessert: So ist eine pädagogisch tätige Person in Gruppen mit unter 3-Jährigen rechnerisch im Mittel für 4 Kinder zuständig, und damit für ein Kind weniger als noch vor zehn Jahren (2012: 4,9; 2021: 4,0). Doch benennen Dr. Christiane Meiner-Teubner und Katharina Knopp in der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse mit dem Titel „Frühe Bildung weiterentwickeln“ auch Verbesserungsbedarf. Dieser betrifft vor allem die ostdeutschen Bundesländer, wo sich eine Fachkraft um 5 bis 6 Kinder dieser Altersgruppe kümmert.

Fachkräftemangel erschwert die Qualitätsentwicklung

Eine große Herausforderung für die Qualitätsentwicklung in der Kindertagesbetreuung stellt zudem der akute Fachkräfteengpass dar, schreiben die DJI-Wissenschaftlerinnen Birgit Riedel, Prof. Dr. Susanne Kuger, Dr. Diana Schacht und Franka Baron in ihrem Artikel. Das zeigen Ergebnisse aus dem am Deutschen Jugendinstitut (DJI) und im Forschungsverbund DJI/TU Dortmund angesiedelten Projekt „Entwicklung von Rahmenbedingungen in der Kindertagesbetreuung“ (ERiK): Ein hoher Anteil an Stellen in den Kitas bleibt demnach mehr als sechs Monate unbesetzt. Dies hat erhebliche Konsequenzen für den Kita-Alltag: So wird fehlendes Personal in der Regel durch Überstunden der anwesenden Fachkräfte und größere Gruppen ausgeglichen. Außerdem helfen häufig Leitungskräfte aus, die eigentlich anderen Aufgaben nachgehen müssten.

Staatssekretärin Deligöz fordert, Kosten für Erzieherinnen-Ausbildung abzuschaffen

Im Hinblick auf die Gewinnung und Bindung von Fachkräften spricht sich die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium Ekin Deligöz für höhere Löhne in den Einrichtungen aus. Außerdem fordert sie im Interview mit DJI Impulse unter anderem, die Kosten für die schulische Erzieher:innen-Ausbildung flächendeckend abzuschaffen und die Fachkräfte im Arbeitsalltag von Zusatzaufgaben zu entlasten, die nicht in den pädagogischen Bereich fallen.

Kita-Zugang ist nicht für alle gleich

Verbesserungsbedarf gibt es laut DJI Impulse auch bei der gleichberechtigten Teilhabe an früher Bildung: So besuchen in Deutschland Kinder von Eltern mit geringerem Bildungsabschluss und Migrationshintergrund seltener und später die Kindertagesbetreuung als der Durchschnitt der entsprechenden Altersgruppe. Anhand von Ergebnissen der international vergleichenden Equal-Access-Studie des Deutschen Jugendinstituts stellen DJI-Wissenschaftler:innen dar, wie Kommunen Barrieren für benachteiligte Familien abbauen können.

Der Blick auf andere Länder

Wie Herausforderungen bei der Qualitätsentwicklung in der Kindertagesbetreuung in anderen Ländern bewältigt werden, zeigen die Beiträge von drei Gast-Autor:innen. Sie illustrieren, wie in Gent und Brüssel die Kommunalpolitik Ungleichheiten beim Kita-Zugang verringert, wie Finnland Evaluationen gezielt nutzt, um ein gleichwertiges Angebot in allen Kommunen zu stärken und wie Norwegen innerhalb von 15 Jahren die Anzahl männlicher Fachkräfte verdreifachte. Die international vergleichende Forschung zur frühen Bildung wird am DJI seit zehn Jahren vom Internationalen Zentrum Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung vorangetrieben. Anlässlich des Jubiläums werden wichtige Meilensteine nachgezeichnet.

Fachkräfte sind im internationalen Vergleich gut ausgebildet

Die international vergleichende Forschung zeigt auch: Deutschlands Kita-Fachkräfte sind gut ausgebildet, wie Ergebnisse der OECD-Studie TALIS-Starting-Strong nachweisen. Dies gilt als wichtige Voraussetzung dafür, dass Fachkräfte die Interaktionen mit den Kindern gut gestalten können. Dr. Katja Flämig, Leiterin der Fachgruppe „Pädagogische Konzepte der Kindheit“ am DJI erklärt in ihrem Artikel und im „DJI Videocast Perspektiven“, wie die Interaktionsqualität erhoben werden kann und warum es wichtig ist, die Sicht von Kindern, Eltern und Fachkräften bei der Qualitätsentwicklung einzubeziehen.

Das Forschungsmagazin DJI Impulse berichtet über die wissenschaftliche Arbeit am DJI, einem der größten sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute in Deutschland. Regelmäßig informieren Wissenschaftler:innen über relevante Themen aus den Bereichen Kindheit, Jugend, Familie sowie Bildung und liefern Impulse für Politik, Wissenschaft und Fachpraxis.

In einer Videoreihe, die die thematischen Schwerpunkte in DJI Impulse begleitet, benennen DJI-Wissenschaftler:innen auf Basis der wissenschaftlichen Analysen im Forschungsmagazin zentrale Herausforderungen und formulieren Lösungsansätze.

Die DJI Impulse-Ausgabe mit dem Schwerpunkt „Frühe Bildung weiterentwickeln“ kann kostenlos bestellt und heruntergeladen werden: www.dji.de/impulse

Folge 2 der Videoreihe mit Dr. Katja Flämig, Leiterin der Fachgruppe „Pädagogische Konzepte für die Kindheit“ am DJI: www.dji.de/videocast-perspektiven-folge2

Mehr Angebote zum Impulse-Schwerpunkt: www.dji.de/fruehebildung

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Jugendinstitut e.V. vom 22.03.2023

  • Überdurchschnittlich hohe Mietbelastungsquote für nach 2019 eingezogene Haushalte, Einpersonenhaushalte sowie Haushalte in Großstädten
  • 3,1 Millionen Haushalte hatten eine Mietbelastung von 40 % und mehr
  • 1,5 Millionen Haushalte gaben sogar mindestens die Hälfte ihres Einkommens für Nettokaltmiete und verbrauchsunabhängige Betriebskosten aus
  • Bruttokaltmiete je Quadratmeter bundesweit im Schnitt bei 8,70 Euro 

Im Jahr 2022 haben die rund 19,9 Millionen Hauptmieterhaushalte in Deutschland durchschnittlich 27,8 % ihres Einkommens für die Miete ausgegeben. Diese Mietbelastungsquote gibt den Anteil der Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete zuzüglich verbrauchsunabhängiger Betriebskosten) am Haushaltsnettoeinkommen an. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach Erstergebnissen der Mikrozensus-Zusatzerhebung zur Wohnsituation 2022 weiter mitteilt, war die Mietbelastungsquote für die rund 6,6 Millionen Haushalte, die ihre Wohnung 2019 oder später angemietet haben, mit 29,5 % um 2,7 Prozentpunkte höher als für die rund 2,7 Millionen Haushalte, die ihren Mietvertrag bereits vor 1999 abgeschlossen haben (26,8 %).  

3,1 Millionen Haushalte mit einer Mietbelastung von 40 % oder mehr

Rund 1,5 Millionen Mieterhaushalte wiesen 2022 eine Mietbelastung von 50 % oder mehr auf. Etwa 1,6 Millionen weitere Mieterhaushalte wendeten für die Bruttokaltmiete zwischen 40 % und 50 % ihres Haushaltseinkommens auf. Insgesamt hatten somit 16 % aller Haushalte, die zur Miete wohnten, eine Mietbelastung von mehr als 40 %. 

Besonders belastet waren Einpersonenhaushalte, deren Mietbelastungsquote im Durchschnitt bei knapp einem Drittel (32,7 %) ihres Einkommens lag. Haushalte mit zwei Personen mussten dagegen weniger als ein Viertel (22,8 %) ihres Einkommens für die Miete einplanen. 

Mietbelastung und Miete pro Quadratmeter in Großstädten überdurchschnittlich

In Großstädten mit mehr als 100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern mussten Mieterhaushalte im Jahr 2022 mit durchschnittlich 28,9 % mehr von ihrem Einkommen für die Bruttokaltmiete verwenden als in Kleinstädten beziehungsweise Orten mit bis zu 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, wo die Mietbelastungsquote lediglich 25,9 % betrug. Nah am Durchschnitt war hingegen die Belastung von Haushalten in einer mittelgroßen Stadt mit einer Einwohnerzahl zwischen 20 000 und 100 000. Dort zahlten die Haushalte im Schnitt 27,6 % ihres Einkommens für die Bruttokaltmiete. 

Neben dem Verhältnis von Miete zu Einkommen lassen sich auch für die Miete je Quadratmeter Unterschiede feststellen. Diese unterscheidet sich beispielsweise nach der Lage der Wohnung sowie dem Einzugsjahr. So betrug die Bruttokaltmiete je Quadratmeter im Jahr 2022 bundesweit im Schnitt 8,70Euro. Wer in einer Großstadt lebte, musste auf den Quadratmeter gerechnet mit 9,60 Euro jedoch eine deutlich höhere Miete zahlen als in mittelgroßen Städten (8,20 Euro) oder kleineren Orten (7,50 Euro). Dies bedeutet beispielsweise, dass zwei Haushalte mit Mietwohnungen von je 75 Quadratmetern Größe, von denen einer in einer Großstadt und einer in einer Mittelstadt wohnt, im Durchschnitt allein durch diesen Umstand einen Mietunterschied von etwa 105 Euro aufwiesen. Beim Vergleich zwischen Groß- und Kleinstadt betrug der Mietunterschied in diesem Beispiel sogar rund 158 Euro. 

Um die Entwicklung von Mieten nachzuvollziehen, lohnt es sich, zudem das Einzugsjahr zu berücksichtigen. Hier zeigt sich, dass Mietende, die 2019 oder später eingezogen sind, unabhängig von der Einwohnerzahl der Wohngemeinde überdurchschnittlich hohe Mieten und Belastungsquoten aufweisen. Der Unterschied zwischen der durchschnittlichen Bruttokaltmiete dieser Gruppe und dem Gesamtdurchschnitt betrug 2022 etwa 1,10 Euro je Quadratmeter. In Großstädten war dieser Unterschied mit 1,40 Euro deutlich höher als in mittelgroßen Städten (1,00 Euro) oder Kleinstädten (0,80 Euro). 

Methodische Hinweise: 

  • Alle Angaben beruhen auf Selbstauskünften der Befragten zum Mikrozensus. Die hier dargestellten Ergebnisse stammen aus dem nur vierjährlich erhobenen Zusatzprogramm Wohnen (Aufbereitungsstand 31. März 2023), das erstmals im Rahmen des 2020 neu gestalteten Mikrozensus durchgeführt wurde. Vergleiche mit den Ergebnissen aus früheren Jahren sind daher nur sehr eingeschränkt möglich.
  • Die Mietbelastung eines Haushalts ist der Anteil der Bruttokaltmiete am Haushaltsnettoeinkommen. Dieser Indikator wird ohne die verbrauchsabhängigen Bestandteile der Miete berechnet, um eine vom individuellen Verbrauch der Haushalte unabhängigen Vergleich zu ermöglichen.
  • Sofern auch die verbrauchsabhängigen Bestandteile der Miete berücksichtigt werden, wird von der Belastung durch Wohnkosten gesprochen. Diese wird nicht standardmäßig ausgewiesen, da sie vom individuellen Verbrauch der Haushalte abhängt und somit einen Vergleich erschwert.
  • Die Bruttokaltmiete setzt sich aus der Nettokaltmiete (Grundmiete) und den kalten Nebenkosten zusammen, die an die Vermieter/-innen gezahlt werden. Das sind zum Beispiel die monatlichen Betriebskosten einer Wohnung für Haus- und Straßenreinigung, Müllabfuhr, Allgemeinstrom, Hausmeisterleistungen, Schornsteinreinigung, Kabelanschluss; die Grundsteuer oder Gebäudeversicherungen gehören ebenfalls dazu. Sofern diese Kosten nicht an die Vermieter/-innen gezahlt werden, sind diese seit dem Erhebungsjahr 2022 nicht mehr in der Bruttokaltmiete sowie der Mietbelastungsquote berücksichtigt, sondern werden als Zahlungen an Dritte gesondert erfasst.
  • Zum Haushaltsnettoeinkommen zählen im Mikrozensus alle Zahlungen, die zum Haushaltseinkommen beitragen. Dies ist die Summe aller Einkunftsarten abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, zum Beispiel Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, Renten, Vermietung und Verpachtung, Unterhaltszahlungen oder auch staatlichen Leistungen wie Arbeitslosengeld, Kinder- und Wohngeld.
  • Für die Ergebnisse zu Mieten und zur Mietbelastung wurden lediglich Hauptmieterhaushalte ausgewertet, die alleine in einer Wohnung leben. Das heißt, dass zum Zeitpunkt der Befragung neben dem befragten kein weiterer Haushalt in der Wohnung gelebt hat. Insbesondere klassische Wohngemeinschaften sind daher nicht Bestandteil der ausgewiesenen Ergebnisse. Hauptmieterhaushalte sind alle Haushalte, die angegeben haben, Hauptmieter der von ihnen bewohnten Wohnungen zu sein. Haushalte in anderen Mietverhältnissen, wie zum Beispiel einer Untervermietung oder auch mietfreien Überlassung, wurden nicht berücksichtigt.
  • Bei den Angaben für die Bruttokaltmiete je Quadratmeter in Euro wurde der Cent-Betrag jeweils auf Zehner gerundet.
  • Damit zwischen dem Ende des Erhebungsjahres und der Ergebnisbereitstellung möglichst wenig Zeit vergeht, werden seit dem Jahr 2020 zunächst Erstergebnisse und mit einigem zeitlichen Abstand Endergebnisse (voraussichtlich im Januar 2024 für das Berichtsjahr 2022) veröffentlicht.

Weitere Informationen:

Bei den Angaben handelt es sich um Erstergebnisse des Mikrozensus 2022. Weitere Ergebnisse aus dem Zusatzprogramm Wohnen bietet die Rubrik Tabellen (hier: „Wohnsituation privater Haushalte“ sowie „Mieten und finanzielle Belastungen durch die Wohnsituation“) auf der Themenseite „Wohnen“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes. Dort finden sich auch Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema. Ausführliche Informationen zum im Jahr 2020 neugestalteten Mikrozensus sowie den Auswirkungen der Neugestaltung und der Corona-Krise auf den Mikrozensus bietet die Sonderseite www.destatis.de/mikrozensus2020.

Detaillierte Ergebnisse aus weiteren Themenbereichen des Mikrozensus werden in den kommenden Monaten gesondert im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes veröffentlicht. Bereits jetzt sind weitere Ergebnisse in der Datenbank GENESIS-Online (Tabellen 12211) verfügbar.

Quelle: Pressemitteilung  Statistisches Bundesamt vom 31.03.2023

Frauen bekommen ihr erstes Kind immer später – nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Staaten der Europäischen Union: Im Jahr 2021 waren Frauen in der EU im Schnitt 29,7 Jahre alt, wenn sie zum ersten Mal Mutter wurden. Das Durchschnittsalter der Erstgebärenden ist nach vergleichbaren Ergebnissen, die seit 2013 vorliegen, kontinuierlich gestiegen; im Jahr 2013 betrug es noch 28,8 Jahre. Deutschland liegt mit einem Durchschnittsalter von 30,1 Jahren im oberen Drittel der EU-Staaten, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis von Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat weiter mitteilt. 

Besonders hoch war das Alter von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes im Jahr 2021 in Spanien und Italien (jeweils 31,6 Jahre), gefolgt von Luxemburg (31,3 Jahre) und Irland (31,2). Vergleichsweise früh bekommen Frauen dagegen in den osteuropäischen EU-Staaten ihr erstes Kind: allen voran in Bulgarien mit einem Durchschnittsalter von 26,5 Jahren sowie in Rumänien mit 27,1 Jahren und der Slowakei mit 27,3 Jahren. Doch auch in diesen Staaten bekommen Frauen immer später ihr erstes Kind.   

Die Geburtenrate betrug 2021 im EU-Durchschnitt 1,53 Kinder je Frau

Damit die Bevölkerung eines Landes – ohne Zuwanderung – nicht schrumpft, müssten in hoch entwickelten Ländern rein rechnerisch etwa 2,1 Kinder pro Frau geboren werden. In allen EU-Mitgliedstaaten lag die zusammengefasste Geburtenziffer im Jahr 2021 deutlich darunter, im Schnitt bekam im Jahr 2021 eine Frau 1,53 Kinder. Dabei sind nicht nur sehr unterschiedlich hohe Geburtenziffern zu beobachten, auch die Entwicklung in den vergangenen Jahren weicht stark voneinander ab.

In einigen Staaten wie Spanien (1,19) und Malta (1,13) stagnierte die zusammengefasste Geburtenziffer nach einem länger andauernden Geburtenrückgang auf niedrigem Niveau. In einigen Staaten ging sie entsprechend dem Trend der Vorjahre weiter zurück: in Litauen auf 1,36 und in Polen auf 1,33. Und in vielen anderen Staaten zeigte sich nach jahrelang sinkender Geburtenhäufigkeit im Jahr 2021 ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr, beispielsweise in Frankreich (1,84), den Niederlanden (1,62), Belgien (1,60) oder Italien (1,25). Auch in Deutschland stieg die Geburtenziffer zuletzt an, von 1,53 im Jahr 2020 auf 1,58 im Jahr 2021. Hierzulande bekamen die Frauen damit etwas häufiger Kinder als im EU-Durchschnitt. 

Methodischer Hinweis:

Die Eurostat-Angaben zum Durchschnittsalter der Frauen bei Geburt weichen aufgrund methodischer Unterschiede von den Angaben des Statistischen Bundesamtes ab. 

Weitere Informationen: 

Die Daten zu den Geburtenziffern und dem Durchschnittsalter der Frauen bei Geburt des ersten Kindes stammen aus der Eurostat Datenbank. 

Aktuelle monatliche Geburtenzahlen für Deutschland für das Jahr 2022 finden Sie auf unserer Themenseite. 

Annahmen zur Geburtenentwicklung in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten liefert unsere 15. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung.

Quelle: Pressemitteilung  Statistisches Bundesamt vom 28.03.2023

Rund 104 000 gemeldete Fälle – knapp drei Viertel der Frauen unter 35 Jahren

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland ist im Jahr 2022 mit rund 104 000 gemeldeten Fällen um 9,9 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen, nachdem im Jahr 2021 mit 94 600 Fällen der niedrigste Stand seit Beginn der Statistik verzeichnet worden war. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, lag die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche damit auch über dem Niveau der Jahre 2014 bis 2020, als die Zahl der gemeldeten Fälle stets zwischen rund 99 000 und 101 000 gelegen hatte. Höher als im Jahr 2022 war die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zuletzt im Jahr 2012 mit 106 800 Fällen. Anhand der vorliegenden Daten lässt sich keine klare Ursache für die starke Zunahme im Jahr 2022 erkennen.

Sieben von zehn Frauen (rund 70 %), die im Jahr 2022 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen, waren zwischen 18 und 34 Jahren alt und rund 19 % waren im Alter zwischen 35 und 39 Jahren. Rund 8 % der Frauen waren 40 Jahre und älter, rund 3 % waren jünger als 18 Jahre. Rund 41 % der Frauen hatten vor dem Schwangerschaftsabbruch noch kein Kind zur Welt gebracht.

96 % der im Jahr 2022 gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche wurden nach der sogenannten Beratungsregelung vorgenommen. Indikationen aus medizinischen Gründen und aufgrund von Sexualdelikten waren in 4 % der Fälle die Begründung für den Abbruch. Die meisten Schwangerschaftsabbrüche (51 %) wurden mit der Absaugmethode (Vakuumaspiration) durchgeführt, bei 35 % wurde das Mittel Mifegyne® verwendet. Die Eingriffe erfolgten überwiegend ambulant, davon rund 83 % in Arztpraxen beziehungsweise OP-Zentren und 14 % ambulant im Krankenhaus.

4. Quartal 2022: 7,1 % mehr Schwangerschaftsabbrüche als im Vorjahresquartal

Im 4. Quartal 2022 wurden rund 26 100 Schwangerschaftsabbrüche gemeldet, das waren 7,1 % mehr als im 4. Quartal 2021.

Zehnjahresvergleich: Deutlich weniger Abbrüche in jungen Altersgruppen

Im Vergleich zum Jahr 2012 (106 800 Fälle) war die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2022 um 2,7 % beziehungsweise 2 900 Fälle niedriger. Besonders stark ging die Zahl in den Altersgruppen 15 bis 17 Jahre (-29,4 % bzw. -1 000 Fälle), 18 bis 19 Jahre (-30,8 % bzw. -2 100 Fälle) und 20 bis 24 Jahre (-23,5 % bzw. -6 000 Fälle) zurück. Teilweise ist diese Entwicklung darauf zurückzuführen, dass zeitgleich die Zahl der 15- bis 17-jährigen Frauen um 5,4 %, der 18- bis 19-jährigen Frauen um 3,8 % und die der Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren um 7,6 % gesunken ist. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche je 10 000 Frauen ging bei den 15- bis 17-jährigen Frauen von 30 auf 22 zurück, bei den 18- bis 19-Jährigen von 83 auf 60, bei den 20- bis 24-Jährigen von 108 auf 90. Dabei wurden Abbrüche von Frauen mit inländischem Wohnsitz berücksichtigt und der Berechnung für das Jahr 2022 Bevölkerungszahlen von 2021 zugrunde gelegt.

Weitere Informationen:

Detaillierte Ergebnisse (einschließlich Quartalsergebnissen) sind in der Datenbank GENESIS-Online (Tabellen 23311), im Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung des Bundes unter www.gbe-bund.de sowie auf der Themenseite „Schwangerschaftsabbrüche“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes abrufbar. Dort gibt es auch eine Übersicht über die Zahl der Meldestellen, also Kliniken und Arztpraxen, in denen grundsätzlich Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden.

Quelle: Pressemitteilung  Statistisches Bundesamt vom 27.03.2023

Gut 6 % mehr Personen als im Vorjahr beginnen ein Bildungsprogramm im Übergangsbereich

Im Jahr 2022 haben in Deutschland rund 239 000 junge Menschen ein Bildungsprogramm im Übergangsbereich zwischen Schule und Berufsausbildung begonnen. Ziel dieser Programme ist der Erwerb beruflicher Grundkenntnisse oder das Nachholen eines Haupt- oder Realschulabschlusses, um die Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu verbessern. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Ergebnissen der integrierten Ausbildungsberichterstattung mitteilt, nahm die Anfängerzahl im Übergangsbereich gegenüber 2021 um gut 6 % oder 14 000 Personen zu. Sie stieg damit erstmals seit dem Jahr 2016 wieder an. Der Zuwachs dürfte im Wesentlichen auf ukrainische Jugendliche zurückzuführen sein, die aufgrund des Kriegs in der Ukraine zugewandert sind und an Programmen zum Erlernen der deutschen Sprache teilnehmen. So stieg die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer, die 2022 ein Bildungsprogramm im Übergangsbereich begannen, gegenüber 2021 um 22 % oder 14 000 auf insgesamt 81 000 Personen. Eine Unterscheidung nach einzelnen Staatsangehörigkeiten ist dabei nicht möglich.

Steigende Anfängerzahlen bei Studium, Rückgang bei Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung

Neben dem Übergangsbereich zwischen Schule und Ausbildung werden in der integrierten Ausbildungsberichterstattung auch die Anfängerzahlen in Bildungsgängen dreier weiterer Sektoren nachgewiesen: Berufsausbildung, Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung und Studium. Im Jahr 2022 nahmen knapp 1,9 Millionen Personen einen Bildungsgang in einem dieser insgesamt vier Sektoren auf. Das waren 0,7 % oder 14 000 Personen mehr als im Jahr 2021.

Während die Zahl der Personen in Bildungsgängen zum Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung im Vorjahresvergleich um 0,7 % auf 483 000 sank, stieg die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger um 0,6 % auf 479 000. Die Zahl der Personen, die eine Berufsausbildung begannen, blieb gegenüber dem Vorjahr unverändert bei 682 000.

Der Zuwachs der Anfängerzahl von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit zeigt sich analog zum Übergangsbereich auch in den übrigen drei Sektoren. So stieg die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer, die eine Berufsausbildung begannen, gegenüber dem Vorjahr um knapp 6 % auf 93 000. Bei den Studienanfängerinnen und -anfängern betrug der Zuwachs gut 10 % auf 129 000, in den Programmen zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung gab es mit 41 000 gut 13 % mehr ausländische Anfängerinnen und Anfänger als im Jahr 2021.

Methodischer Hinweis:

Die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger in der Integrierten Ausbildungsberichterstattung beinhaltet auch die Studierenden im ersten Studienjahr an Berufsakademien (Vorjahresdaten). Sie ist daher etwas höher als die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger des Studienjahres 2022 an den deutschen Hochschulen.

Weitere Informationen:

Detaillierte Informationen bietet die Publikation „Schnellmeldung Integrierte Ausbildungsberichterstattung – Vorläufige Ergebnisse“.

Einen Gesamtüberblick über die Bildungssituation in Deutschland von der Schule über die Berufsbildung bis zur Hochschule bietet die Themenseite „Bildungsindikatoren“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamts.

Quelle: Pressemitteilung  Statistisches Bundesamt vom 20.03.2023

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Es reicht nicht zum Leben…

Während Bundeskanzler Olaf Scholz „Zuversicht“ zu verkünden versucht, müssen Millionen Menschen in  Deutschland – Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen, Rentner*innen, schlecht bezahlte Beschäftigte – mit einer ihre Existenz bedrohenden Lage klarkommen. Viele wissen nicht mehr, wie sie angesichts  immer stärker steigender Preise über den Monat kommen  sollen. Während einerseits die Preise für Nahrungsmittel seit Ende 2021 um weit über 20 Prozent gestiegen sind, sind die Kosten für Strom, Gas und Heizung durch die Decke gegangen.

Für Löhne und Renten, die zum Leben reichen

An der Tatsache, dass in der reichen Bundesrepublik immer mehr Menschen in der Einkommensarmut landen und sich ein menschenwürdiges Leben schlicht nicht mehr leisten können, ändern weder die lächerlichen Zuversichtsparolen der Regierung etwas, noch die bisher durchgeführten völlig unzureichenden Maßnahmen zur Abfederung der Krisenfolgen. Dies gilt sowohl für die 7,5 Millionen Beschäftigten, die im Niedriglohnsektor festhängen als auch für die offiziell 19 Prozent von Altersarmut betroffenen Rentner*innen.

Für eine existenzsichernde Grundsicherung!

Die Einführung des so genannten Bürgergelds wurde als „Überwindung von Hartz IV“ gefeiert. Festzuhalten ist jedoch leider, dass es sich im Wesentlichen nur um ein neues Etikett auf dem menschenfeindlichen Fundament des Hartz IV-Systems handelt. Nach einer Nullrunde im Vorjahr ist der Regelsatz zum 1. Januar 2023 lediglich um 11,8 Prozent auf 502 Euro für eine alleinstehende Person gestiegen. Ein Blick auf die Preisschilder im Supermarkt oder die Stromrechnung zeigt, dieser Betrag reicht NICHT zum Leben. Wir brauchen dringend eine existenzsichernde und repressionsfreie
Grundsicherung für alle, die sich an den realen Kosten orientiert und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht!

Für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums!

Das Geld, das den Armen zum Leben fehlt, ist durchaus verfügbar, wie das 100 Mrd.- „Sondervermögen“ für die Bundeswehr zeigt. Während die Tafeln dem immer größeren Andrang nicht gewachsen sind, haben die hundert umsatzstärksten Unternehmen im Krisenjahr 2022 ihren Umsatz um 30 Prozent gesteigert. Während Millionen Haushalte mühsam das Geld für Strom zusammenkratzen, haben die Energiekonzerne Milliardenprofite gemacht und die Rüstungskonzerne ihren Gewinn verdoppelt.

… uns reicht es jetzt!

Es bleibt dabei, wir fordern:

  • Anhebung des Mindestlohnes auf 15 Euro
  • eine solidarische Mindestrente, die wirklich zum Leben reicht
  • Anhebung des Regelsatzes auf mindestens 725 Euro und Übernahme der Stromkosten in voller Höhe
  • Abschaffung der Sanktionen
  • einen niedrigschwelligen Zugang zu Sozialleistungen und wohlwollendes und rechtskonformes Handeln der Behörden
  • eine Kindergrundsicherung, die Kinder und Jugendliche aus der Armut holt und eine aktive Teilhabe ermöglicht

Wir brauchen eine Daseinsvorsorge insbesondere in den Bereichen soziale Infrastruktur, Gesundheit, Bildung, Wohnen, Mobilität, Energieversorgung usw. statt eine weitere Privatisierung und Profitmaximierung.

Bitte teilt uns möglichst bald mit, ob und in welcher Form ihr euch an der Aktionswoche beteiligt!

Mit einer bundesweiten dezentralen Aktionswoche vom 25. April bis zum 5. Mai 2023 wollen wir auf die wachsende finanzielle Not und die Armutsbedrohung großer Teil der Bevölkerung in der Bundesrepublik aufmerksam machen, über mögliche Sozialleistungen informieren, unseren Forderungen in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen und diesen Nachdruck verleihen.

Alle Gruppen können und sollen sich nach ihren Möglichkeiten an der Aktionswoche beteiligen, so zum Beispiel mit Infoständen vor Jobcentern, in Fußgängerzonen oder vor Supermärkten; Schautafeln mit Erfahrungsberichten, Einladungen zu eigenen Veranstaltungen… Wenn ihr weitere
Aktionsideen habt, freuen wir uns über eine Mitteilung!

Wir werden ein Flugblatt schreiben, das Ihr für Eure Aktionswoche bzw. Euren Aktionstag gerne mit Eurem Logo versehen und verteilen könnt.

Den Entwurf einer Pressemitteilung und ggfs. weiteres Material werden wir Euch im Vorfeld der Aktionswoche zur Verfügung stellen.

Wir werden uns nicht damit abfinden, dass es für immer mehr Menschen hinten und vorne nicht zum Leben reicht.

Quelle: Pressemitteilung Bündnis „AufRecht bestehen“ vom 03.04.2023

Die Geschichte der Kinderkuren und Kindererholungs-maßnahmen in der bundesdeutschen Nachkriegszeit wird wissenschaftlich aufgearbeitet: Dafür haben sich die Deutsche Rentenversicherung Bund und drei Wohlfahrtsverbände – Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland und Deutsches Rotes Kreuz – auf ein Forschungsvorhaben verständigt. Mit der Durchführung beauftragt wurde ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Alexander Nützenadel, Sozial- und Wirtschaftshistoriker an der Humboldt-Universität zu Berlin. Das Vorhaben ist auf zwei Jahre angelegt. Ergebnisse sollen bis Ende 2024 vorliegen und 2025 veröffentlicht werden.

Im Mittelpunkt der Forschungen steht die geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung des bundesdeutschen Kinderkurwesens zwischen 1945 und 1989. Bei den zu untersuchenden Kinderkuren und Kindererholungsmaßnahmen handelt es sich um ein weit verbreitetes Angebot in der deutschen Nachkriegszeit. Die Kuren sollten den gesundheitlichen Zustand von Kindern und Jugendlichen durch eine ausreichende Ernährung und den Aufenthalt in einer Region mit guter Luftqualität verbessern. In den letzten Jahren wurden vermehrt Berichte von Menschen veröffentlicht, die während der Kuraufenthalte belastende Erfahrungen machten und die auf Missstände in Heimeinrichtungen hinwiesen.

Professor Nützenadel und sein Team sind damit beauftragt, die grundlegenden Strukturen der Kinderkuren und Kindererholungsmaßnahmen aufzuarbeiten, um eine empirische, sozialrechtliche, historische und konzeptionelle Einordnung vorzunehmen. Auch sollen Ausmaß und Formen von Fehlverhalten und Missständen in den Heimeinrichtungen aufgezeigt werden. Zu den zu untersuchenden Akteurinnen und Akteuren zählen das Heimpersonal, Aufsichtsbehörden und die Träger der Einrichtungen sowie Krankenkassen und die Rentenversicherung. Die Erfahrungen der betroffenen ehemaligen Kinder und Jugendlichen werden durch Zeitzeugenberichte und qualitative Interviews eingebunden.

Begleitet wird das Forschungsvorhaben durch einen Projektbeirat. Ihm gehören neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch Vertreterinnen und Vertreter von Betroffeneninitiativen an.

Es ist der Rentenversicherung und den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege – Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland und Deutsches Rotes Kreuz – ein wichtiges Anliegen, ihre Rolle in diesem Zusammenhang unabhängig untersuchen zu lassen und damit ihrer Verantwortung als institutionelle Akteure nachzukommen.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt gibt es online unter diesem Link zur Studie.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 31.03.2023

Familienzusammenführungen dürfen nicht an zu strengen Regeln scheitern

Der Vorschlag für die Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes stellt wichtige Weichen, um die die dringend gebrauchte Arbeitskräfteeinwanderung auf fast allen Qualifikationsstufen aus Nicht-EU-Staaten zu erleichtern und Migrantinnen und Migranten möglichst zeitnah in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Fakt ist aber: Damit Deutschland noch attraktiver für Arbeitskräfte aus dem Ausland wird, müssen vor allen die Verfahren zum Familiennachzug und die bürokratischen und rechtlichen Hürden deutlich erleichtert werden.

„Familienzusammenführungen nach Deutschland dauern oft viele Monate, sogar mehrere Jahre. Das ist für die Betroffenen nicht zumutbar. Gerade für Kinder oder Jugendliche kann die lange Zeit ohne ein Elternteil oder ohne die Geschwister schwere Folgen haben“, mahnt Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. „Es darf nicht sein, dass Familienzusammenführung an zu hohen Hürden scheitert oder die Umsetzung am Bürokratiestau in deutschen Behörden stecken bleibt.“

Der Deutsche Caritasverband fordert seit 2006 analog der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit, dass u.a. Sprachnachweise vor der Einreise, die eine Familienzusammenführung verzögern oder sogar verhindern, generell gestrichen werden – denn Deutsch lässt sich am besten in Deutschland lernen. Weiterhin führen die aktuell gültigen Wohnraumerfordernisse dazu, dass Niedrig- und Durchschnittsverdiener in Großstädten kaum eine Chance haben, ihre Familien nachzuholen: „Für die Kinder ist es wichtiger, gegebenenfalls ohne eigenes Zimmer, dafür aber mit dem eigenen Vater und der eigenen Mutter aufzuwachsen“, erläutert Welskop-Deffaa. Auch die Pflicht zur Lebensunterhaltssicherung für die ganze Familie führt dazu, dass es z.B. für eine Krankenschwester in München unmöglich ist, ihre Familie nachzuholen. Der Familiennachzug von Ehegatt_innen und nachziehenden Kindern müsse generell von der Einkommenssicherung unabhängig sein, fordert die Caritas. „Die Einheit der Familie ist höher zu bewerten als die Vermeidung des Bezugs von Transferleistungen,“ bewertet die Caritas-Präsidentin.

Neben den rechtlichen Neuerungen im Gesetz dürfen wir die praktische Umsetzung in den Behörden vor Ort nicht vernachlässigen. Visa- und Verwaltungsverfahren dauern schon seit einiger Zeit übermäßig lang, u.a. weil Visastellen und Ausländerbehörden stark überlastet sind und sie mit einer ständig komplexer werdenden und häufigen Änderung unterworfenen Rechtslage konfrontiert sind. „Es braucht primär mehr Personal für die betroffenen Behörden. Weiterhin wissen wir aus der Praxis unserer Beratungsstellen, dass die Prozesse dringend stärker digitalisiert werden müssen, unter anderem bei den Terminvergaben und dem Dokumenten- und Informationsaustausch. Zudem sollten z.B. bei der Visavergabe stärker Videogespräche eingesetzt werden, um lange Anreise- und Wartezeiten zu ersetzen und in der Regel sollte auch eine persönliche Vor-Ort-Verifizierung reichen“, betont Eva Maria Welskop-Deffaa. Die schwierigen und überlangen Verfahren führen auch dazu, dass Arbeitgeber das Angebot zurückziehen und sich dringend benötigte Fachkräfte in einwanderungsfreundlichere Länder orientierten.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 20.03.2023

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt das Ergebnis der Wahl des Richterwahlausschusses, der am 30. März 2023 tagte. Insgesamt wurden elf Richterinnen und sieben Richter gewählt. “Es ist ein sehr gutes Zeichen, dass im zweiten Jahr in Folge mehrheitlich Frauen auf die zu besetzenden Stellen an vier obersten Gerichtshöfen des Bundes gewählt wurden“, kommentiert die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig, das Ergebnis. „Damit kann die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Spitzenpositionen in der Justiz nun tatsächlich zur Normalität werden“, so Wersig.

Insbesondere die Wahl von zwei Richterinnen für die zwei Stellen am Bundesverwaltungsgericht setzt ein deutliches Zeichen, nachdem im letzten Jahr ausschließlich Männer für dieses Gericht gewählt wurden. Die Wahl von drei Richterinnen auf die fünf zu besetzenden Stellen am Bundesfinanzhof deutet ebenfalls darauf hin, dass die Forderungen des djb, der sich seit Jahren im Rahmen der Initiative „Frauen in die Roten Roben“ für mehr Richterinnen an den obersten Bundesgerichten engagiert, in der Politik nun endgültig verankert sind. Nun sind auch diese beiden Bundesgerichte mit dem regelmäßig geringsten Frauenanteil auf einem guten Weg zu einer paritätischen Besetzung.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb) vom 03.04.2023

Ein Bündnis von zwölf Verbänden, Organisationen und Institutionen warnt in einem Offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz und mehrere Bundesministerien vor der Verabschiedung der EU-Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung. „Wir befürchten, dass unsere Arbeit durch den Verordnungsentwurf eingeschränkt oder gar unmöglich werden wird. Dabei gründet unsere Sorge auf Definitionen und Regulierungsansätzen in diesem Entwurf, welche unserer Auffassung nach nicht hinreichend zwischen kommerziellen und gemeinnützigen Interessen unterscheiden und dadurch, möglicherweise unbeabsichtigt, negative Auswirkungen auf unsere vitale und für eine Demokratie notwendige Zivilgesellschaft haben. Es bedarf daher präziserer Regeln und Definitionen, was als politische Werbung erachtet werden und welche Akteur*innen unter die neue Verordnung fallen sollen“, heißt es wörtlich in dem Offenen Brief, den u.a. das Deutsche Kinderhilfswerk, die Amadeu Antonio Stiftung, der Deutsche Fundraising Verband, die Deutsche Liga für das Kind, die National Coalition Deutschland, Save the Children und die Stiftung Digitale Chancen unterzeichnet haben.

Zur Arbeit der unterzeichnenden Verbände und Organisationen gehört es unter anderem, regelmäßig mit Veröffentlichungen über politische Vorhaben zu informieren und auf deren Wechselwirkungen hinsichtlich des Aufwachsens junger Menschen sowie mit den Kinderrechten hinzuweisen. Im Rahmen dieser Tätigkeiten werden auch Möglichkeiten der Unterstützung durch politische Persönlichkeiten genutzt, um damit die öffentliche Aufmerksamkeit für politischen Ziele und Forderungen zu erhöhen, beispielweise wenn diese als Schirmherren oder -frauen tätig werden oder Veranstaltungen eröffnen. Ebenso dienen Veröffentlichungen dazu die Arbeit als gemeinnützige Organisationen darzustellen sowie die Bekanntheit zu steigern. Insgesamt ist die Arbeit der Verbände und Organisationen ohne das Artikulieren von Positionen, die als Beeinflussung politischer Vorgänge entsprechend des vorliegenden Entwurfes gewertet werden, nicht umsetzbar. Diese Arbeit darf durch die geplante EU-Verordnung nicht eingeschränkt werden.

Vor diesem Hintergrund setzen sich die unterzeichnenden Organisationen für folgende Punkte ein:

  1. Politische Werbung und damit verbundene Dienstleistungen sollen Regeln unterworfen werden, die dazu dienen, die Manipulationen von Wahlen und Abstimmungen zu verhindern bzw. minimieren.
  2. Der Begriff der politischen Werbung bedarf einer klaren und eindeutigen Definition, die auf einem präzisen Kriterienkatalog basiert.
  3. Der Regulierungsvorschlag sollte eindeutig zwischen Akteur*innen unterscheiden, die im eigenen oder kommerziellen Interesse agieren und solchen, die menschenrechtsbasiert und gemeinnützig tätig sind.
  4. Auch für Akteur*innen, die auf Grundlage der Menschenrechte und gemeinnützig tätig sind sollen die Regelungen zur Transparenz politischer Werbung gelten.
  5. Im Unterschied zu Akteur*innen, die im eigenen oder kommerziellen Interesse agieren soll politische Werbung von Akteur*innen, die menschenrechtsbasiert und gemeinnützig tätig sind, jedoch nicht dem grundsätzlichen Verbot des Targeting unterfallen.
  6. Politische Werbung von Akteur*innen, die im eigenen oder kommerziellen Interesse tätig sind, sollte auch nicht auf Grundlage einer individuellen Einwilligung zur Nutzung der persönlichen Daten erlaubt werden.

Der Offene Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesdigitalminister Volker Wissing, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Bundesjustizminister Marco Buschmann und Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke zum Entwurf für eine „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung“ mit allen unterzeichnenden Verbänden, Organisationen und Institutionen kann unter www.dkhw.de/transparenzpolitischeWerbung heruntergeladen werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 12.04.2023

Das Deutsche Kinderhilfswerk unterstreicht zum Start der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2023 die Bedeutung von kinderrechtebasierter Demokratiebildung als Grundlage für die kritische Auseinandersetzung mit Rassismus. „Wir müssen rassistischen Einstellungen und Verhaltensweisen offensiv entgegentreten und die von Rassismus und Diskriminierung Betroffenen mit fester Entschlossenheit verteidigen. Auch Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sind ebenso wie Schulen keine diskriminierungsfreien Räume. Insbesondere pädagogische Fachkräfte und Leitungskräfte müssen sich mit dieser Thematik auseinandersetzen und das nicht erst, wenn es zu rassistischen Vorfällen in ihren Einrichtungen kommt. Dafür braucht es auch eine flächendeckende Verankerung kinderrechtebasierter Demokratiebildung sowie diskriminierungssensibler und diskriminierungskritischer Bildung in der Fachkräfteausbildung und im Lehramtsstudium“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes. Das Deutsche Kinderhilfswerk unterstützt die Internationalen Wochen gegen Rassismus 2023 als Kooperationspartner.

 

„Der Schutz vor Diskriminierung und der präventive Umgang damit muss somit institutionell verankert und für alle Beteiligten verpflichtend sein. So kann nachhaltig ein besseres gesellschaftliches Miteinander ermöglicht und entschiedener als bisher gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung angegangen werden. Hier dürfen Staat und Gesellschaft keinen Millimeter nachgeben. Es braucht aber auch eine stärkere Unterstützung der antirassistischen Arbeit von Betroffenenselbstorganisationen und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft durch eine verlässliche und dauerhafte Finanzierung. Und das möglichst früh: Beispiele wie das vom Deutschen Kinderhilfswerk koordinierte Kompetenznetzwerk ,Demokratiebildung im Kindesalter‘ zeigen auf, wie bereits im frühkindlichen Bildungsbereich kinderrechteorientierte Arbeit für ein vielfaltsbewusstes, demokratisches Miteinander und gegen Vorurteile und Diskriminierung gefördert und vernetzt werden kann. Wichtig sind zudem unabhängige und niedrigschwellige Beschwerdestellen für Kinder und Familien im Bildungsbereich“, so Krüger weiter.

 

Die Internationalen Wochen gegen Rassismus 2023 finden vom 20. März bis 02. April statt und stehen unter dem Motto „Misch dich ein“. Gemeinsam mit zahlreichen bundesweiten Organisationen und Einrichtungen – darunter das Deutsche Kinderhilfswerk – fordert die Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus dazu auf, sich an den Aktionswochen zu beteiligen und Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Botschafterin für die Internationalen Wochen gegen Rassismus 2023 ist die Bundestagsabgeordnete Reem Alabali-Radovan, Staatsministerin beim Bundeskanzler und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus.

 

Weitere Infos zu den Positionen des Deutschen Kinderhilfswerkes zum Thema Rassismus unter www.dkhw.de/positionspapier-gegen-rassismus. Zur Unterstützung der Demokratiebildung in Kita, Hort und Ganztag betreibt das Deutsche Kinderhilfswerk die Website www.kompetenznetzwerk-deki.de. Auf dieser Seite präsentiert das im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ geförderte Kompetenznetzwerk „Demokratiebildung im Kindesalter“ sich und seine Arbeit und bietet vielfältige Informationsangebote für Fachkräfte der frühkindlichen Bildung und Erziehung. Auf der Website finden die Besucherinnen und Besucher umfangreiche Informationen, Empfehlungen und praxisbezogene Tipps rund um das Thema Demokratiebildung im frühkindlichen und Primarbildungsbereich. Verantwortlich für die Website sind das Deutsche Kinderhilfswerk und das Institut für den Situationsansatz (ISTA) als Träger des Kompetenznetzwerkes. Dieses wird unter dem offiziellen Fördertitel „Kompetenznetzwerk Frühkindliche Bildung und Bildung in der Primarstufe“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 20.03.2023

Die Kindergelderhöhung im Rahmen des Inflationsausgleichgesetzes (IAG) trägt nicht zur finanziellen Entlastung in großen Familien bei. Noch immer erfahren vierte und weitere Kinder keine inflationsangepasste Unterstützung.

Viele Familien ächzen gegenwärtig besonders unter den enormen Lebensmittelpreisen. Für Familien mit mehreren Kindern ist die Lage deshalb sehr angespannt. „Als wären kinderreiche Familien unsichtbar“, zeigt sich die Vorsitzende Dr. Elisabeth Müller enttäuscht vom IAG. Der Verband fordert eine inflationsbedingte Anpassung und Nachbesserung des Kindergeldes pro Kind um 35 Euro und schlägt die Beibehaltung der gestaffelten Sätze vor dem IAG für dritte und weitere Kinder vor.  

Die Grundnahrungsmittel machen einen großen Teil des monatlichen Budgets aus. „Als Mutter von mehreren Kindern und Verbandschefin bin ich mir sehr bewusst darüber, wie angespannt die finanzielle Lage gegenwärtig ist, insbesondere wenn es um die Grundnahrungsmittel geht“, so Müller. Noch vor 12 Monaten hätte man für einen typischen Einkauf von Milch, Brot und Eiern nur 5-10 Euro ausgegeben, aber heute kosten diese Produkte alleine schon 15-20 Euro. Wenn man bedenkt, dass man als Familie in der Woche mehrere solcher Einkäufe tätigen muss, kann das schnell zu einer immensen finanziellen Belastung werden, wie die Zahlen zeigen (siehe Tabelle).

Je mehr Kinder im Haushalt leben, desto mehr schmilzt die Wirkung des Kindergeldes ab, denn  sowohl für eine 8-köpfige Familie als auch eine 5-köpfige Familie stehen nach der Erhöhung des Kindergeldes mit dem IAG lediglich 87 Euro monatlich mehr zur Verfügung. Dabei brauchen gerade kinderreiche Haushalte besondere Unterstützung, müssen aber, wie das Beispiel verdeutlicht, mit demselben Betrag auskommen, wie kleinere Familien. So liegt die Unterstützungswirkung des inflationsangepassten Kindergeldes mit 5 Kindern bei 7,48%. Allein die Inflationsrate lag im Februar 2023 bei 8,7%. Einmal einkaufen und dann ist das „Unterstützungsgeld“ von 87 Euro sofort aufgeschmolzen – und davon sind noch keine Öl- und Gaskosten, Lehr- und Lernmittel, Vereins- oder Musikschulmitgliedschaften bezahlt.

Laut Abfrage unter Mitgliedsfamilien des Verbandes kostet der Wocheneinkauf in kinderreichen Familien durchschnittlich 100-150 Euro mehr. Generell ist der Warenkorb bei kinderreichen Familien wesentlich voller. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Inflation die kinderreichen Familien wesentlich stärker trifft. „Leider wird der Warenkorb und damit die tatsächliche Inflationsrate kinderreicher Familien statistisch nicht erfasst, sodass auch hier dringend Nachholbedarf besteht“, wünscht sich Müller.
Für den Verband ist es daher unerlässlich, dass die Regierung zeitnah Maßnahmen ergreift, um Familien mit mehreren Kindern jetzt zu unterstützen und die finanzielle Belastung zu verringern. „Ein- und Zwei-Kind-Familien profitieren um die Hälfte mehr von der Inflationsanpassung als Familien mit drei oder mehr Kindern“, so Müller. „Die kinderreichen Familien, die einen so wichtigen generativen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten, werden in diesen herausfordernden Zeiten schlichtweg übersehen. Diese Familien spüren, dass ihr Familienmodell vergessen wird. Mehrkindfamilien werden so immer mehr ins Abseits gestellt.“

Quelle: Pressemitteilung Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD) vom 16.03.2023

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 28. April 2023

Veranstalter: Fraktion  Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag

Ort: hybrid 

In Deutschland werden nach wie vor Säuglinge und Kinder normangleichenden, medizinisch nicht notwendigen Operationen und Behandlungen unterzogen. Das Ziel ist, ihre körperliche Erscheinung und Funktion mit den binären Geschlechterstereotypen in Einklang zu bringen. Diese Eingriffe sind in der Regel irreversibel und können schwerwiegende, langfristige physische sowie psychische Leiden verursachen.

Am 22. Mai 2021 trat das Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung in Kraft. Als grüne Fraktion haben wir dieses Gesetz begrüßt, gleichwohl mit einem Entschließungsantrag auf die Lücken und praktische Defizite hingewiesen (Drucksache 19/27940). Zahlreiche Meldungen aus der Praxis sowie der Zivilgesellschaft bestätigen unsere Kritik, sodass eine Reform des Gesetzes erforderlich ist.

Daran anknüpfend sollen konkrete Vorschläge zur Schließung bestehender Gesetzeslücken erarbeitet werden, wie es im Koalitionsvertrag angekündigt wurde.

Diese Veranstaltung findet hybrid statt. Sie können also vor Ort teilnehmen oder digital per Videokonferenz. Die Moderation informiert Sie während der Veranstaltung, in welcher Form Sie Fragen stellen und sich beteiligen können. Beachten Sie bitte auch unseren Datenschutzhinweis zur Verwendung von Zoom: https://www.gruene-bundestag.de/zoom-hinweis

Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.

Termin: 04. Mai 2023

Veranstalter: Fraktion  Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag

Ort: Berlin

Verkanntes Potenzial für die deutsche Wirtschaft?

Wir leben in einer älter werdenden Gesellschaft. Immer häufiger wird es vorkommen, dass Arbeitnehmer*innen sich plötzlich um Angehörige kümmern müssen, weil diese pflegebedürftig werden. Das ist ein Einschnitt im Leben der betroffenen Menschen, stellt aber auch die Betriebe vor die Herausforderung, mit solchen Situationen umzugehen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es für sie entscheidend, Mitarbeiter*innen durch gute Vereinbarkeitsregelungen im Job zu halten. Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wird somit zu einem wichtigen Faktor für Unternehmen und letztlich für die ganze Wirtschaft, um das vorhandene Arbeitskräftepotenzial auszuschöpfen.

Dieses Potenzial wollen wir adressieren: Welche Möglichkeiten bestehen schon heute für Arbeitnehmer*innen und Betriebe, um Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu gewährleisten? Was muss verbessert werden und welche Chancen bietet der Koalitionsvertrag der Ampel? Diese Fragen wollen wir als Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus bei einem öffentlichen Fachgespräch diskutieren. Im Anschluss besteht bei einem Get-Together die Möglichkeit für direkten Austausch untereinander.

Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.

Termin: 10. Mai 2023

  • Fachtag: 10:00 bis 16:30 Uhr
  • politischer Jahresempfang: 17:00 bis 21:00 Uhr

Veranstalter: Fraktion  Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag

Ort: Berlin

Zentral werden uns auf dem Fachtag folgende Fragen beschäftigen: 

  • Warum brauchen wir eine gleichstellungsorientierte Jungen-, Männer- und Väterpolitik? 
  • Wie kann eine solche Perspektive als Teil einer nachhaltigen Gleichstellungspolitik wirksam werden?  
  • Wie kann ein solcher Politikansatz auf den verschiedenen politischen Ebenen – Kommune, Länder, Bund und darüber hinaus – stärker verankert werden? 

Programm 

  • 10:00 Uhr: Ankommen
  • 10:30 Uhr: Begrüßung durch Dr. Dag Schölper, Geschäftsführer Bundesforum Männer e.V. 
  • 10:35 Uhr: Keynote „Gleichstellung beginnt am Anfang. Gender in der Arbeit mit Jungen.“ 
    Referentin: Elli Scambor, Geschäftsleiterin im Institut für Männer- und Geschlechterforschung Graz
  • 11:15 Uhr: Keynote: „Männerpolitik im Plural gedacht“ 
    Referent: Dr. Dag Schölper, Geschäftsführer Bundesforum Männer e.V.

Pause

  • 13:30 Uhr: Panel „Männerpolitik von der EU zur Kommune“

Teilnehmer:innen:

  • Terry Reintke, Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament (Videobotschaft) 
  • Daniel Baldy, Mitglied des Deutschen Bundestags (SPD)/Ordentliches Mitglied des Familienausschusses 
  • Dr. Arn Sauer, Co-Direktor der Bundesstiftung Gleichstellung
  • Astrid Petermann, Koordinatorin Interkulturelle Projekte beim Christlichen Verein Kiel 
  • Matthias Becker, Ansprechpartner für Männer in der Gleichstellungsstelle der Stadt Nürnberg   
  • 14:15 Uhr: „Sie sind gefragt“ – Thementische

Begleitet von inhaltlichen Expert:innen kommen die Teilnehmenden des Fachtags an Thementischen zu unterschiedlichen Aspekten einer gleichstellungsorientierten Männerpolitik ins Gespräch. 

Unter anderem folgende Thementische sind aktuell geplant:

  • Männer und Gewaltschutz
  • Männergesundheitsstrategie politisch verankern
  • Väter, Sorge, Familienrecht
  • Männerberatung und Flucht
  • Männer in der Daseinsvorsorge von Kommunen
  • Vielfältige Männlichkeiten

Kaffeepause

  • 15:45 Uhr: Fishbowl „Gleichstellungsorientierte Männerpolitik – so geht das!” 

Zum Abschluss des Fachtags führen wir die Diskussionen der Thementische zusammen.   

  • 16:30 Uhr: Ende

Gesamtmoderation: Shelly Kupferberg (freie Journalistin und Moderatorin)

Pause

  • 17:00 Uhr: Politischer Jahresempfang

Begrüßung durch Thomas Altgeld, Vorstandsvorsitzender des Bundesforum Männer e.V.  

  • Keynote von Sven Lehmann, parlamentarischer Staatssekretär im BMFSFJ und Queer-Beauftragter der Bundesregierung 
  • Gespräch mit Boris von Heesen, Autor des Buchs „Was Männer kosten
  • 21:00 Uhr: Ende der Veranstaltung

Weitere Informationen und Anmeldung

Termin: 03. – 05. Juli 2023

Veranstalter: Fraktion  Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag

Ort: Weimar

Der Fokus dieser Tagung liegt auf der Inklusion von jungen Menschen mit Behinderung in die Übergangsgestaltung. Denn in der Praxis und in ihrer Lebenswelt sehen sich junge Menschen mit Behinderung mit einem exkludierenden Sondersystem konfrontiert.

Wie können sich die Jugendberufsagenturen (JBA) für den Rechtskreis des SGB IX öffnen? Wie können sich die Systeme ergänzen, wie kann eine Koordination der Leistungen erfolgen? Damit das Leitbild der Inklusion nach und nach auch im Übergang Schule – Beruf mit Leben gefüllt werden kann, sollen diese und weitere Fragen mit all ihren Facetten beleuchtet werden.

Anmeldeschluss ist der 2.5.2023.

Den Link zur Onlineanmeldung sowie zum Veranstaltungsprogramm finden Sie unter: https://www.deutscher-verein.de/de/va-23-uebergang-schule-beruf

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Archiv ZFF-Info

ZFF-Info 04/2023

AUS DEM ZFF

Anlässlich des morgigen Equal Pay Day bekräftigt das Zukunftsforum Familie (ZFF) seine Forderung nach gleicher Bezahlung von Frauen und Männern und verlangt nachhaltige politische Schritte, um die Lohnlücke zu bekämpfen.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Wir fordern, dass das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit“ in Deutschland endlich umgesetzt wird. Denn geringere Entgeltunterschiede sind eine wichtige Voraussetzung für eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern.“

Britta Altenkamp ergänzt: „Es liegen gute Lösungsvorschläge auf dem Tisch, die uns in puncto Equal Pay einen großen Schritt voran bringen. Die Bundesregierung hat sich u. a. vorgenommen, die Familienbesteuerung im Sinne einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung weiterzuentwickeln und die Steuerklassen III und V abzuschaffen. Wir begrüßen die Initiative und fordern, dass sie zeitnah umgesetzt wird. Langfristig gehört das längst aus der Zeit gefallene Ehegattensplitting aber vollständig abgeschafft. Es steht einer geschlechtergerechten Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit weiter im Weg. Das ZFF erwartet von der Politik, endlich den Mut aufzubringen, zeitgemäße Rahmenbedingungen für eine moderne Familienpolitik zu schaffen!“

Hintergrund:

Am 07. März 2023 macht der Aktionstag Equal Pay Day auf die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen aufmerksam. Unter dem Motto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“ stellt die Kampagne dabei Lohngerechtigkeit in Kunst und Kultur in den Mittelpunkt. Auch im Jahr 2022 verdienten Frauen in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent weniger je Stunde als Männer. Die Ursachen für die Lohnlücke sind vielfältig und strukturell verankert: Frauen haben z.B. schlechtere Zugangschancen zu unterschiedlichen Berufen, arbeiten häufiger in Teilzeit und Minijobs. Noch viel eklatanter sind die Lücken, wenn man die Absicherung im Alter bzw. das gesamte Lebenseinkommen betrachtet.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 06.03.2023

Anlässlich der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg fordert das ZFF die Bundesregierung auf, die Kindergrundsicherung nun endlich zielgerichtet und schnell umzusetzen. Darüber hinaus muss sie tatsächlich spürbare Verbesserungen insbesondere für von Armut und gesellschaftlicher Exklusion betroffene oder bedrohte Kinder, Jugendliche und Familien mit sich bringen.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Armut macht krank und grenzt aus. Wir brauchen daher eine schnelle und gute Umsetzung der im Koalitionsvertrag beschlossenen Reform. Um dem Namen Kindergrundsicherung gerecht zu werden, erwarten wir allerdings mehr als eine Verwaltungsreform. Erste Überlegungen einer Leistungsbündelung mit vereinfachtem Zugang sind ein wichtiger Schritt, um verdeckte Armut zu verhindern. Eine zielgerichtete Kindergrundsicherung muss aber zusätzlich armutsvermeidend wirken und deshalb in ausreichender Höhe ausbezahlt werden. Zudem ist es zentral, dass endlich die Bevorteilung von Familien mit besonders hohen Einkommen ein Ende findet. Eine sozial gerechte und armutsvermeidende Ausgestaltung der Kindergrundsicherung funktioniert daher nur, wenn der Garantiebetrag der maximalen steuerlichen Entlastungswirkung (derzeit 354 Euro) entspricht. Der maximale Betrag der Kindergrundsicherung (Garantiebetrag und einkommensabhängiger Zusatzbetrag) muss bei 746 Euro liegen, was die derzeitige Höhe der steuerlichen Freibeträge widerspiegelt.“

Altenkamp ergänzt: „Damit auch in Zukunft mehr Geld bei den Kindern und ihren Familien ankommt, muss die Höhe der Kindergrundsicherung durch eine präzise und realitätsgerechte Neubemessung des soziokulturellen kindlichen Existenzminimums auf sichere Beine gestellt werden.

Den Namen Kindergrundsicherung hat nur eine Leistung verdient, die wirklich Armut vermeidet und soziale Gerechtigkeit herstellt. Das gibt es nicht zum Nulltarif. Dieser Einsatz wird sich lohnen, da die Kindergrundsicherung auch eine Investition in die Zukunft ist, mit der gesellschaftliche Folgekosten eines Lebens in Armut vermieden werden.“

Abschließend appelliert Britta Altenkamp an Finanzminister Lindner: „Uns ist bewusst, dass die Kindergrundsicherung in Konkurrenz zu anderen Projekten steht, die die Bundesregierung finanziell stemmen muss. Angesichts leerer Staatskassen scheint es schwierig, mutige finanzintensive Vorhaben anzugehen. Wir wollen diese auch nicht gegeneinander ausspielen, sondern erwarten stattdessen, dass finanzpolitische Lösungen gefunden werden, anstatt notwendige Reformen zu blockieren. Die Finanzierung der Kindergrundsicherung ist möglich. In Deutschland gibt es enorm viel Reichtum, Sie müssen ihn vernünftig verteilen und gerecht einsetzen. Ein Anfang wäre es ja bereits, bestehendes Recht durchzusetzen und Finanzkriminalität effektiv zu bekämpfen.“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 03.03.2023

Wir möchten Sie auf unsere Veranstaltung aufmerksam machen:

„Familie und Familienpolitik in Zeiten des Umbruchs! Wie muss eine zukunftsfähige Familienpolitik aufgestellt sein?“

Termin: 23. Mai 2023

Ort: Centre Monbijou, Oranienburger Straße 13-14, 10178 Berlin

– Eine Fachtagung des Zukunftsforum Familie e.V. –

Die andauernden Umbrüche haben unsere Gesellschaft und ihre Familien fest im Griff. Die Corona-Krise und damit einhergehende Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben Kinder, Jugendliche und ihre Familien herausgefordert: Angesichts (teil-)geschlossener Bildungs- und Betreuungseinrichtungen stieg die Belastung familiär zu erbringender Sorgearbeit und zeitgleich sank das Wohlbefinden von Familienmitgliedern. Aber auch Einrichtungen der sozialen Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Angebote ambulanter Pflegedienste oder Tageseinrichtungen kamen immer wieder an ihre organisatorischen und personellen Grenzen. Zusätzlich erleben wir eine Energie- und Wirtschaftskrise, – ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine – die viele Menschen, aber auch Einrichtungen der sozialen Infrastruktur um ihre Existenz bangen lässt. Damit geraten Familien weiterhin unter enormen Druck.

Ziel unserer Fachtagung ist es, ein umfassendes Bild der Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien der letzten Jahre zu zeichnen, Erkenntnisse zu sammeln, auf Veränderungen aufmerksam zu machen und Lösungsvorschläge, die auf die Zukunft und die Stärkung der Resilienz von Familien ausgerichtet sind, zu erarbeiten.

Gemeinsam mit u. a. Prof. Dr. Katharina Spieß (BiB) und Sabine Rennefanz (Journalistin und Autorin), wollen wir daher in unterschiedlichen Formaten der Frage nachgehen, wie eine zukunftsfähige Familienpolitik aufgestellt sein muss. Dabei werden wir auf wissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch auf den Erfahrungen unserer Mitgliedsorganisationen aus der täglichen Arbeit mit und für Familien aufbauen.

Wir bitten Sie, sich den Termin vorzumerken und freuen uns, wenn Sie diese Vorankündigung an Interessierte weiterleiten. Die weiteren Details und Informationen, insbesondere zum Programm und zur Anmeldung, werden Ihnen rechtzeitig vor der Veranstaltung zugehen.

Quelle: Zukunftsforum Familie e. V. vom 02.03.2023

Der familienpolitische Fachverband Zukunftsforum Familie e. V. (ZFF) sucht ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt eine*n neue*n:

Referent*in in Teilzeit

Für das ZFF ist Familie Vielfalt, und die Familienpolitik des ZFF soll diese Vielfalt unterstützen und stärken. Die Positionen des ZFF orientieren sich an demokratischen, solidarischen Werten und haben zum Ziel, allen Bevölkerungsgruppen und familialen Lebensformen gerecht zu werden. Das ZFF ist Mitglied in vielen Bündnissen und Netzwerken sowie kooperatives Mitglied im AWO Bundesverband.

Ihr Profil:

  • Sie haben ein abgeschlossenes Studium der Sozial-, Geistes- oder Rechtswissenschaft,
  • erste Erfahrungen in der politischen Verbandsarbeit und Kommunikation,
  • Kenntnisse in den Themenfeldern Familien- und Sozialpolitik, insbesondere in den Themenbereichen „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, „Vielfältige Familienformen“ und/oder „Familienrecht“.

Zu Ihren Aufgaben gehören:

  • die Aufbereitung aktueller Forschungsergebnisse und politischer Debatten für die Positionsbildung des ZFF, zu dem auch das Verfassen fachpolitischer Stellungnahmen sowie Positionspapieren gehört,
  • die Vertretung des Verbandes in Netzwerken und Arbeitsgruppen,
  • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit u.a. in den Sozialen Medien,
  • die inhaltliche Zuarbeit zum Vorstand und der Geschäftsführung,
  • die Konzeptionierung, Durchführung und Nachbearbeitung von Workshops und Fachveranstaltungen.

Darüber hinaus bringen Sie mit:

  • die Bereitschaft und Fähigkeit, sich schnell in neue Themenfelder einzuarbeiten,
  • die Fähigkeit, fachpolitische Sachverhalte schnell zu erfassen und diese mündlich sowie schriftlich präzise festzuhalten,
  • gute Kenntnisse relevanter Akteur*innen und Institutionen, bestenfalls Erfahrung im Bereich der Verbandsarbeit auf Bundesebene,
  • einen kreativen Kopf und Freude daran, Ideen einzubringen und zu konkreten Projekten konzeptionell auszuarbeiten,
  • hohe Empathie und Überzeugungsfähigkeit sowie ein sicheres und repräsentatives Auftreten,
  • Stressresistenz und die Gelassenheit, sich im manchmal hektischen Büroalltag nicht so schnell aus der Ruhe bringen zu lassen.

Unser Angebot:

  • Eine abwechslungsreiche, vielseitige und verantwortungsvolle Tätigkeit.
  • Die Vergütung erfolgt analog TV-AWO Bundesverband, Entgeltgruppe 11.
  • Der Stellenanteil von 19,5 h/Woche ist unbefristet, eine Aufstockung um weitere 10 h/Woche ist mindestens bis zum 29.02.2024 befristet möglich.
  • Familienfreundlichkeit und eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Möglichkeit mobil zu arbeiten.
  • Ein angenehmes und vertrauensvolles Arbeitsumfeld in einem kleinen Team.

Bewerber*innen mit Migrationshintergrund begrüßen wir ausdrücklich. Bewerber*innen mit Behinderungen werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt.

Wenn Sie das Zukunftsforum Familie mit Ihrer Tatkraft und Kompetenz unterstützen möchten, freuen wir uns auf Ihre aussagekräftige Bewerbung, inkl. Lebenslauf und Zeugnissen. Bitte reichen Sie Ihre Bewerbungsunterlagen bis zum Mo, 20.03.2023 per Mail in einem pdf-Dokument ein, an:

Zukunftsforum Familie e.V.

Frau Sophie Schwab – persönlich –

Michaelkirchstr. 17/18

10179 Berlin

personal@zukunftsforum-familie.de

Gespräche finden voraussichtlich am 30. und 31. März 2023 in Berlin statt.

Für Rückfragen stehen wir gerne unter der Telefonnummer 030 / 25 92 728 21 und per E-Mail zur Verfügung!

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Quelle: Zukunftsforum Familie e. V. vom 01.03.2023

SCHWERPUNKT I: Bildungsgipfel

Zum heutigen Bildungsgipfel erklären Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, und Kai Gehring, Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung:

Nina Stahr:

Der heutige Bildungsgipfel war ein Auftakt für einen dringend notwendigen Reformprozess. Angesichts der andauernden Krise des Bildungssystems brauchen wir grundlegende Reformen. Wir wollen weg vom Kooperationsverbot und hin zu einem neuen, kooperierenden Bildungsföderalismus.

Die Probleme sind allgegenwärtig: Lehrkräftemangel, zu wenige Kinder, die die Mindeststandards in der Grundschule erreichen und zu viele Jugendliche, die die Schule ohne Abschluss verlassen – und daneben noch die verschlafene Digitalisierung.

All diese Herausforderungen können wir nur mit mehr Kooperation aller Akteure bewältigen und nicht im Rahmen eines einmaligen Treffens. Deswegen ist die im Koalitionsvertrag vereinbarte gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kommunen, die nun eingesetzt wird, so entscheidend. Alle Akteur*innen müssen sich hier auf Augenhöhe begegnen und unter Einbeziehung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft lösungsorientiert die konkrete Umsetzung der auf dem Gipfel angestoßenen Diskussionen angehen.

Kai Gehring:

Aus der Bildungskrise darf kein Bildungsnotstand werden, der künftigen Wohlstand aufs Spiel setzt. Es ist höchste Zeit, eine breite Allianz für eine zukunftsgerechte Reform-Agenda für unser Bildungssystem zu schmieden.

Auf dem Bildungsgipfel war ein gemeinsames Bewusstsein zu spüren, dass Lernrückstände aufgeholt, der Lehrkräftemangel abgemildert, die Schulabbruchquote deutlich gesenkt und Chancengerechtigkeit gesteigert werden müssen. Dieses Momentum des Gipfels gilt es beherzt für eine gesamtstaatliche und -gesellschaftliche Kraftanstrengung für mehr Durchlässigkeit, Qualität und Leistungsfähigkeit zu nutzen.

Die neue Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kommunen muss schnellstmöglich ihre Arbeit aufnehmen und eng mit der Bildungsforschung und Stakeholdern der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Im Interesse der jungen Generation, ihrer Eltern, Lehrkräfte und den Tarifpartnern sind die Probleme im Bildungssystem mit einer „Bildungsagenda 2030“ anzugehen, die niemanden zurücklässt und mehr Chancen eröffnet. Wenn alle an einem Strang ziehen, können wir unser Bildungssystem mit diesen messbaren Zielen bis 2030 auf die Höhe der Zeit bringen.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 14.03.2023

„Wir erwarten vom Bildungsgipfel ein ganz klares Bekenntnis zu einer dauerhaft geregelten verbindlichen Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Dazu muss das Kooperationsverbot vollständig weg und eine Gemeinschaftsaufgabe Bildung ins Grundgesetz“, sagt Nicole Gohlke, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE und Sprecherin für Bildung und Wissenschaft, mit Blick auf den Bildungsgipfel der Bundesregierung. Gohlke weiter:

„Der Bund muss sich an der dauerhaften Bildungsfinanzierung, gerade auch bei der baulichen Sanierung und Modernisierung, angemessen beteiligen und gesetzlich festlegen, dass die Bildungsmittel nach Sozialindex verteilt werden. Statt ‚Auftakt‘ brauchen wir einen Aufbruch für umfassende Reformen. Was wir nicht brauchen, sind schicke Ziele, um deren Umsetzung wieder ein ewiges Gezeter zwischen Bund und Ländern ausbricht. Die Zeit hat das Bildungssystem nicht mehr, wenn wir das Ruder noch herumreißen wollen.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 13.03.2023

Gemeinsam mit weiteren 53 Organisationen unterstützt die AGF den von sechs Stiftungen initiierten Appell zur Einberufung eines Nationalen Bildungsgipfels. In dem von der Bertelsmann Stiftung, Deutsche Telekom Stiftung, Karg-Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Vodafone Stiftung Deutschland sowie der Wübben Stiftung initiierten Apell rufen die Stiftungen angesichts der großen Probleme im Bildungssystem zu dringendem politischem Handeln in gesamtstaatlicher Verantwortung auf und dazu, einen grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten.

„Es ist höchste Zeit, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschef:innen der Bundesländer einen echten Nationalen Bildungsgipfel einberufen. Dieser Gipfel sollte alle relevanten Akteur:innen in der Bildung an einen Tisch bringen und den Auftakt zu einem grundlegenden, gesamtgesellschaftlichen Reformprozess markieren, um einen Neustart in der Bildung einzuleiten“, appellieren die Unterstützer:innen.

Die Lösung der massiven Probleme im deutschen Bildungssystem duldet keinen weiteren Aufschub. Aus dieser Überzeugung heraus richtet ein breiter Kreis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften einen gemeinsamen Appell an alle Verantwortlichen in der Politik. Anlass ist der heutige Bildungsgipfel am Rand der Bildungsforschungstagung des
Bundesbildungsministeriums, der mit Blick auf Format, Vorbereitung, Agenda und Teilnehmende der Dimension der Herausforderung nach Ansicht der Unterstützer:innen des Appells nicht gerecht wird. „Es ist höchste Zeit, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschef:innen der Bundesländer einen echten Nationalen Bildungsgipfel einberufen. Dieser Gipfel sollte alle relevanten Akteur:innen in der Bildung an einen Tisch bringen und den Auftakt zu einem grundlegenden, gesamtgesellschaftlichen Reformprozess markieren, um einen Neustart in der Bildung einzuleiten“, appellieren die Unterstützer:innen.

Die Alarmsignale sind längst unverkennbar und zeigen sich  bereits in der frühen Bildungsphase: Bundesweit fehlen Hunderttausende Kita-Plätze, zudem können viele Kitas aufgrund einer nicht kindgerechten Personalausstattung ihren  Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen. An den Grundschulen wiederum gehen die Leistungen seit Jahren zurück, vor allem  in den Basiskompetenzen Lesen, Schreiben, Zuhören und Rechnen. Auch an den weiterführenden Schulen sinkt das  Leistungsniveau auf allen Ebenen dramatisch. Der Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss bleibt hoch. Zugleich wächst die Zahl junger Menschen, die im Berufsleben den Anschluss verlieren: Mehr als eine halbe Million junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren gehen weder einer Arbeit noch einer schulischen oder beruflichen Ausbildung
nach. Neben individuellen Risiken erwachsen daraus auch soziale und wirtschaftliche Belastungen für die Gesellschaft. Ein Kernproblem deutscher Bildungspolitik bleibt über alle Bildungsstufen hinweg ungelöst: Bildungserfolge hängen hierzulande noch immer zu stark von der sozialen Herkunft ab. Auf diese Weise werden die Chancen und Rechte von Kindern und Jugendlichen beschnitten und Begabungen vergeudet.

Strukturelle Probleme angehen: Fachkräftemangel, Finanzierung, Steuerung

Obwohl sich alle Beteiligten viel Mühe geben: Dem Bildungssystem gelingt es immer weniger, die Fehlentwicklungen zu korrigieren. Das liegt zum einen am massiven Mangel an Lehrer:innen und pädagogischen Fachkräften, der sich in den kommenden Jahren noch zu verschärfen droht. Darunter leiden nicht nur die Verfügbarkeit und Qualität der Bildungsangebote an Schulen und Kitas, sondern auch das vorhandene Personal. Die steigende Arbeitsbelastung, insbesondere durch nicht-pädagogische Aufgaben, mindert die Attraktivität der Berufsbilder und schreckt künftige Nachwuchskräfte ab. Die Engpässe haben auch Folgen für die Wirtschaft: Fehlende Plätze in Kitas und der Ganztagsförderung von Grundschüler:innen erschweren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, während häufiger Unterrichtsausfall die Vermittlung grundlegender Kompetenzen für die Fachkräfte von morgen behindert.

Ein weiteres Problem stellt die Finanzierung des Bildungssystems dar. Sie ist häufig weder auskömmlich noch sozial gerecht. Gerade im Bereich der außerschulischen Angebote ist das Geld zu knapp und nicht langfristig zugesichert. Zudem werden Gelder noch immer zu oft nach dem Gießkannenprinzip verteilt, anstatt sie gezielt dort einzusetzen, wo sie am meisten bewirken können.

Schließlich behindert die Struktur des Bildungssystems selbst Anpassungen und Reformen. 
Die unsystematische Verflechtung der politischen Ebenen erfordert komplexe Abstimmungen, sowohl zwischen Bund, Ländern, Kommunen und den jeweils beteiligten Ressorts, als auch mit den Trägern. Wohin das führt, zeigen zum Beispiel die zähe Umsetzung des Digitalpakts, der schleppende Ausbau des Ganztagsangebots für Grundschulkinder, die stagnierende Inklusion oder das Fehlen bundesweiter Qualitätsstandards in vielen Bereichen. Gefragt ist eine neue Kultur der Bildungszusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen, wie sie der Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt hat.

Es braucht eine Initialzündung auf den höchsten politischen Ebenen

Allerdings lässt es die Dringlichkeit der Probleme nicht zu, auf eine Neuordnung der kommunalen und föderalen Zuständigkeiten zu warten. Die Missstände im Bildungswesen reichen weit über Kitas und Schulen hinaus. Sie gefährden sowohl die Chancen und Rechte jedes einzelnen jungen Menschen als auch die Zukunft unserer Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie. Bildung soll den jungen Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung helfen und Orientierung bieten. Sie soll es ihnen ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, an der Gesellschaft teilzuhaben und diese mitzugestalten. Sie soll ihnen die Kompetenzen vermitteln, um in der immer komplexeren Arbeitswelt ihren Platz zu finden. Bildung ist die Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand, Innovationskraft und die Zukunftsfähigkeit unserer demokratischen Gesellschaft. Daher ist es erforderlich, jetzt die Weichen für ein leistungsfähigeres, begabungs- und chancengerechteres Bildungssystem zu stellen.

Um den dringend benötigten Reformprozess herbeizuführen, braucht es eine Initialzündung auf den höchsten politischen Ebenen. Ein Nationaler Bildungsgipfel wäre das starke Signal, die Bildung endlich zur gemeinsamen Chef:innensache zu erklären. Der Bundeskanzler und die Regierungschef:innen der Länder haben das nötige Gewicht, um gemeinsam mit den Bildungs-, Wissenschafts- und Jugendminister:innen von Bund und Ländern, Vertreter:innen aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, aus Wirtschaft, Wissenschaft, Bildungspraxis, Zivilgesellschaft sowie von Eltern und Schüler:innen zusammenzubringen. Der Nationale Bildungsgipfel sollte den Auftakt zu einem kontinuierlichen Dialog- und Reformprozess mit gemeinsamen Arbeitsstrukturen markieren. Dabei müssen sich alle relevanten Akteur:innen auf gemeinsame Ziele sowie geeignete Maßnahmen verbindlich einigen und darauf hinwirken, diese in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung pragmatisch, lösungsorientiert und entschlossen umzusetzen. Denn nur mit vereinten Kräften kann der Neustart in der Bildung als elementare Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands gelingen.

Den vollständigen Appell finden Sie hier: https://ag-familie.de/files/230314_Appell_Nationaler_Bildungsgipfel.pdf

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V. vom 14.03.2023

Vor dem morgigen Bildungsgipfel der Bundesregierung fordern der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände deutlich höhere Investitionen im Bildungsbereich. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern sie zudem eine gemeinsame Strategie entlang der gesamten Bildungskette unter Einbindung der Sozialpartner.

Die Stellungnahme im Wortlaut:

Gemeinsame Stellungnahme zum “Bildungsgipfel” der Bundesregierung am 14. März 2023

Wir rufen Bund, Länder und Kommunen anlässlich des Bildungsgipfels 2023 auf, sich gemeinsam mehr Chancengleichheit und bessere Bildungsqualität als Ziele zu setzen und diese mit konkreten und verbindlichen Maßnahmen und Meilensteinen zu unterlegen. Dafür ist es notwendig, die Investitionen für Bildung insgesamt deutlich zu erhöhen. Es braucht eine gemeinsame Strategie entlang der gesamten Bildungskette unter Einbindung der Sozialpartner.

Es darf uns alle nicht ruhen lassen, dass noch immer zu viele junge Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen und über 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht  die notwendige Grundbildung erhalten, um in ein beruflich erfüllendes und selbstbestimmtes Leben mit gesellschaftlicher Teilhabe zu starten. Der Handlungsbedarf ist enorm: Empirische Studien belegen für Deutschland durchweg einen Mangel an Bildungsgerechtigkeit und Bildungsqualität, der durch den massiven Lehr- und Fachkräftemangel noch zunehmen wird.

Das Auseinanderklaffen zwischen den Chancen von begünstigten und benachteiligten Kindern und Jugendlichen hat sich weiter verfestigt. Von der „Bildungsrepublik Deutschland“, die bereits 2008 von der Bundeskanzlerin und den Ländern ausgerufen worden ist, sind wir 15 Jahre später immer noch meilenweit entfernt.

Wir fordern:

  1. Bund, Länder und Kommunen müssen den Handlungsbedarf ernst nehmen und sich gemeinsam auf eine wirksame Strategie verständigen. Ziel muss sein, die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die unter den schulischen Mindeststandards bleiben, erheblich zu reduzieren. Gleiches gilt für die Zahl junger Menschen ohne Schulabschluss. Wir erwarten ein deutliches Commitment aller Ebenen mit Blick auf dieses Ziel.
  2. Die Bedeutung der frühkindlichen Bildung ist unbestritten. Umso wichtiger ist es, dass sich Bund und Länder spätestens in einem „Qualitätsentwicklungsgesetz“ ab 2025 auf bundesweit verbindliche Standards zur Qualitätssicherung verständigen und den Ausbau der Betreuungsplätze weiter voranbringen. Flankiernd muss die „Gesamtstrategie Fachkräfte in Erziehungsberufen“ des Bundes konkrete Maßnahmen zur Gewinnung, Sicherung und Nachqualifizierung von Fachkräften enthalten.
  3. Der wachsende Mangel an pädagogischen Fachkräften fordert das Bildungssystem massiv heraus.  Der Ausbau der frühkindlichen Bildung, die Unterrichtsversorgung und die Qualität der formalen und nonformalen Bildungsangebote hängen wesentlich davon ab, ob es gelingt, diesen Fachkräftemangel zu bewältigen. Es braucht dringend eine gemeinsame Strategie von Bund und Ländern, wie dieser kurz,- mittel- und langfristig behoben werden soll. Ein Wettlauf zwischen den Bundesländern, Lehrkräfte und Personal in der frühkindlichen Bildung abzuwerben, führt nicht weiter.
  4. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ist ein wichtiger Schritt zur individuellen Förderung und für mehr Bildungs- und Entwicklungschancen. Damit der Ganztag für Eltern und Kinder attraktiv und fördernd ist, muss der Ausbau mit einer Qualitätsoffensive verbunden werden – es braucht verlässliche Qualitätsstandards sowie gute Rahmenbedingungen für die Fachkräfte im Ganztag.
  5. Das Startchancen-Programm der Bundesregierung für 4.000 Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler muss Teil der Strategie von Bund und Ländern sein. Die Mittel müssen genau da ankommen, wo sie gebraucht werden. Dies ist auch im wohl verstandenen Interesse aller Bundesländer. Die Auswahl und Finanzierung der Schulen sollte nach Sozialindizes vorgenommen werden. Eine wichtige Gelingensbedingung ist, dass das Programm insgesamt mit ausreichend finanziellen Ressourcen hinterlegt ist, damit vor Ort positive Effekte erwirkt werden können.
  6. Beim Digitalpakt 2.0 dürfen die Fehler des aktuellen DigitalPakt Schule nicht wiederholt werden: Die Mittel müssen unbürokratisch und schnell zu den Schulen kommen, um das Lehren und Lernen wirksam zu unterstützen.
  7. Wer die Schule ohne Abschluss verlässt, holt den Schulabschluss oft an der Berufsschule nach. Der Lehrkräftemangel ist auch im Berufsschulbereich eklatant. Die Bedeutung der beruflichen Bildung wird oft verkannt. In diesem Kontext, aber auch als Partner der Betriebe in der dualen Ausbildung brauchen die Beruflichen Schulen eine gute Ausstattung mit sächlichen Ressourcen (z. B. in der Digitalisierung) sowie im Personalbereich. Bund und Länder müssen dringend den Pakt für Berufliche Schulen starten und in Ausbildungskonzepte, Gebäude, Ausstattung und Lehrkräfte investieren.
  8. Bestehende und künftige gemeinsame Bildungsstandards müssen endlich Vergleichbarkeit und Mobilität zwischen den Bundesländern schaffen. Beschäftigte sollen mit ihrer Familie innerhalb Deutschlands ohne Probleme beim Schulwechsel mobil sein können.

Die Bildungspolitik muss auf allen Ebenen mit einer klaren Zielorientierung, mit Evidenzbasierung und begleitenden Evaluationen von Maßnahmen ansetzen und vorgehen. Strategien müssen über Legislaturperioden hinweg konzipiert sein und umgesetzt werden. Jedes von der Politik festgelegte Ziel muss verbindlich mit den benötigten Ressourcen hinterlegt werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Gewerkschaftsbund und Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände vom 13.03.2023

Anstelle einer Kostendiskussion brauchen wir eine Investitionsentscheidung!

Wie? Mit einem Sondervermögen für Betreuung und Bildung!

Warum? Für unsere Kinder und für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft!

Für den 14.03. und 15.03.2023 hat Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Vertreter:innen von Bund, Ländern, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zum Bildungsgipfel eingeladen, um gemeinsam über die Herausforderungen im Bildungssystem zu diskutieren. Der Bildungsgipfel 2023 soll als Auftakt für die Erneuerung des Aufstiegsversprechens verstanden werden, mit Bildung als Chance für alle – unabhängig der sozialen Herkunft, allerdings bleiben 14 Länderchef:innen dem Gipfel fern. Parallel zum Bildungsgipfel findet die Bildungsforschungskonferenz statt. Der aktuelle Bildungsgipfel selbst ist stark umstritten und erntet viel Kritik.

Der Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) unterstützt den Appell und Statement eines breiten Bündnisses an Bundeskanzler und Länderchef:innen mit der Forderung nach einem Nationalen Bildungsgipfel und nach einem grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen: „Leistungsdefizite, Chancenungleichheit, Pädagog:innenmangel: Die massiven Probleme im deutschen Bildungssystem verletzen die Rechte jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen auf bestmögliche Bildung und haben Folgeschäden für die gesamte Gesellschaft. Deshalb erfordern sie politisches Handeln in gesamtstaatlicher Verantwortung. Ein breiter Kreis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften appelliert an den Bundeskanzler und die Regierungschef:innen der Länder, mit einem Nationalen Bildungsgipfel einen grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten.“

„Der Bildungsgipfel ist ein Zeugnis des Versagens der Bildungspolitik seit Jahrzehnten auf ganzer Linie und aller Ebenen – setzen: sechs!“ kommentiert Cornelia Spachtholz, Vorsitzende des Verbandes berufstätiger Mütter e.V. (VBM) und Initiatorin des Equal Pension Day, den Bildungsgipfel und führt weiter aus:

„Warum? Bildungsministerin Stark-Watzinger muss ausbaden, was Jahrzehnte versäumt wurde und mit der Pandemie und der weiteren Zuflucht von Menschen aus Kriegsgebieten, bei gleichzeitigem Investitionsstau und weiterem Fachkräftemangel mehr als deutlich wird:

  • Fehlende Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen
  • Schlechte Ausstattung der Schulgebäude und Schulanlagen
  • Schlechte sanitäre Anlagen
  • schlechte Sportstätten
  • Versäumnisse in Digitalisierung – von technischer Ausstattung bis IT-Lehrinhalte und IT-Kompetenzen bzw. Mediennutzung der Lehrkräfte
  • Überladene Bürokratie, so dass weder Mittel aus dem Digitalisierungspakt noch aus dem Bildungs- und Teilhabepaket umfassend abgerufen werden
  • Versäumnisse in Überarbeitung der Lehrpläne: von Alltagskompetenzen bis Ökonomische Bildung
  • Fehlen multiprofessioneller Teams, von Sozialarbeiter:innen, Sozialpädagog:innen über Psycholog:innen und Traumapsychotherapeut:innen
  • Fachkräftemangel
  • Überfüllte Klassen
  • Unterrichtsausfall
  • Fehlende individuelle Lern- und Entwicklungsförderung
  • Fehlende Ganztagsschulen
  • Fehlende Rhythmisierte Ganztagsschulen
  • Fehlen konsequenter Rechtsansprüche und deren Durchsetzung auch im Schließungsfalle, durch z.B. Pandemie oder Streik, für Ganztagsbetreuung für 14+ Jahren
  • Fehlende Verzahnung und Integration außerschulischer Sport- und Kulturangebote in den Schulalltag
  • Schlechtes Übergangsmanagement von U3 zu Ü3 sowie Grundschulen und weiterführenden Schulen
  • Mangelnde Einbindung von Eltern im Sinne von Erziehungspartner:innenschaften
  • Bildungserfolg hängt massiv von der Herkunft des Elternhauses ab
  • Bildungslandschaft und -erfolg hängt auch vom jeweiligen Bundesland ab
  • Hohe Schulabbrecher:innenquote
  • Akademisierung anstelle Transparenz über Karrierewege im dualen System der Ausbildung
  • Fehlen von gendersensibler Unterrichtsgestaltung, auch in der Berufsorientierung
  • Elternwunsch und -notwendigkeiten im Kontext individueller Förderung der Kinder als auch besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie werden konsequent ignoriert
  • Schule ist aktuell kein Lern- und Lebensort

„Wir brauchen tiefgreifende Reformen im Bildungs- und Schulsystem. Das geht nur gemeinsam, an einem Strang, in der Verzahnung von Bottom-Up- und Top-Down-Prozessen mit Change Management und auch dem Ansatz „Betroffene zu Beteiligten zu machen“, d.h. z.B. auch mit Einbindung der Schüler:innenvertretungen, Studierendenvertretungen und der Elternvertretungen! Wir können uns nicht erlauben, dass der jeweilige Bildungserfolg unserer Kinder und in der Folge ihrer Erwerbsbiografie und Karrierewege dem Prinzip der „Spermalotterie“ folgen und in Abhängigkeit des Elternhauses, der Herkunft oder des Wohnsitzes im jeweiligen Bundesland sind!“ so Cornelia Spachtholz, Vorsitzende des Verbandes berufstätiger Mütter e.V. (VBM) und Initiatorin des Equal Pension Day.

„Jedes Kind hat ein Anrecht auf ein armutsfreies und gesundes Aufwachsen sowie gleichberechtigte Teilhabe im Lebensverlauf, dazu gehört auch unbedingt die chancengleiche Teilhabe von Bildung von Anfang an.

Kinder zu erziehen, zu bilden und zu betreuen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zum einen da wir unsere Innovationskraft und Produktivität vor allem auf Human Resources stützen und zum anderen, da wir gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit guten Betreuungs- und Bildungsinfrastrukturen brauchen, auch als Chance dem Fachkräftemangel zu begegnen.

D.h. wir müssen an die Bildungsstrukturen ran, an die Bildungsinhalte, an die jeweilige Ausstattung mit Schule als Lern- und Lebensort und natürlich auch mit einer passgenauen Fachkräfteoffensive.

Hierbei müssen wir die Kostendiskussion ablösen hin zu einer Investitionsentscheidung ins Betreuungs- und Bildungssystem. Es ist an der Zeit für Change!“

positioniert sich die Vorsitzende auch anlässlich des Bildungsgipfel 2023 und unterstützt mit dem Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) den Appell des breiten Bündnisses mit der Forderung nach einem Nationalen Bildungsgipfel als auch grundlegenden Reformen im Bildungssektor und verweist auch auf das Positionspapier des VBM zum gebundenen rhythmisierten Ganztag aus 2009 mit breiter Unterstützer:innenschaft aus 2012.

Gemeinsamer Appell Nationaler Bildungsgipfel

VBM Positionspapier Ganztagsschule aus 2009

Quelle: Pressemitteilung Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) vom 15.03.2023

SCHWERPUNKT II: Equal Pay Day

Der Equal Pay Day markiert die Lohnlücke zwischen Frauen und Männer. Diese liegt durchschnittlich bei 18 Prozent. Für die SPD-Bundestagsfraktion ist klar: echte Gleichstellung haben wir erst, wenn der Gender Pay Gap geschlossen ist – auch im Kulturbereich.

Leni Breymaier, frauenpolitische Sprecherin:
„Der Gender Pay Gap ist das Ergebnis gesetzlicher, tariflicher und betrieblicher Rahmenbedingungen, die auf einem veralteten Frauenbild aufbauen. Dieses Frauenbild feiert in rechten Kreisen fröhliche Urstände. Dagegen muss angegangen und die Bremsklötze überwunden werden.

Voraussetzung für die Schließung des Gender Pay Gaps ist auch die partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit. Diese werden wir weiter fördern: unter anderem durch die Einführung einer zweiwöchigen vergüteten Partnerfreistellung nach der Geburt eines Kindes und verbesserter Elterngeldregelungen. Zudem werden wir die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege verbessern – indem wir die Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetze weiterentwickeln, pflegenden Angehörigen mehr Zeitsouveränität ermöglichen und eine Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten schaffen.

Mit dem Entgelttransparenzgesetz haben wir das Entgelt für Beschäftige transparent gemacht. Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede können so aufgedeckt werden. Wir werden das Gesetz um eine Prozessstandschaft erweitern, damit Beschäftigte ihr Recht auf Lohngleichheit nicht mehr alleine geltend machen müssen, sondern sich auf Verbände stützen können.“

Helge Lindh, kultur- und medienpolitischer Sprecher:
„Der diesjährige Equal Pay Day unter dem Motto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“ verweist auf den hohen Gender Pay Gap im Kulturbereich. Dieser lag im Jahr 2021 bei 30 Prozent und 2022 bei 20 Prozent. Besondere Aufmerksamkeit verdient auch die Lage von Frauen, die Mehrfachdiskriminierung erfahren, also zum Beispiel geschlechterspezifischer und rassistischer Benachteiligung ausgesetzt sind.

Um diese massive strukturelle Ungleichheit zu beseitigen, müssen Honoraruntergrenzen und Mindestlöhne zur Voraussetzung einer öffentlichen Förderung werden. Dort, wo öffentliche Gelder in die Kultur fließen, müssen Gremien und Jurys zur Vergabe von Preisen und Auszeichnungen geschlechtergerecht besetzt werden. Wir brauchen ein Gender-Monitoring zur Entwicklung von Instrumenten zur Erreichung von mehr Geschlechtergerechtigkeit. Lösungen für mehr Lohngerechtigkeit im Bereich Kunst und Kultur, wo ohnehin prekäre Beschäftigung herrscht, können Vorbildfunktion für die gesamte Arbeitswelt sein.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 06.03.2023

Zum morgigen Equal Pay Day erklärt die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Nicole Bauer:

„Auch im Jahr 2022 haben Frauen in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit hat sich der Wert im Vergleich zum Vorjahr nicht verbessert. Frauen erwarten zu Recht gleiches Geld für gleiche Leistung. Gerade angesichts des Fachkräftemangels kann Deutschland nicht weiter auf das unausgeschöpfte Potenzial der weiblichen Fachkräfte verzichten. Noch dramatischer ist der Gender Pension Gap: In Deutschland erhalten Frauen durchschnittlich 31,8 Prozent weniger Rente als Männer. Grund dafür sind die ungleiche Bezahlung von Frauen in gleicher Position, die höhere Teilzeitquote und strukturelle Unterschiede in der Berufswahl. Gleichzeitig verwenden Frauen täglich im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit in der Familie als Männer. In einem Land, in dem Frauen 80 Prozent der familiären Care-Arbeit übernehmen, müssen wir dafür sorgen, dass Frauen Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren können. Wir brauchen deshalb flexiblere Arbeitszeitmodelle, höhere Qualität in der Kinderbetreuung und bessere Ganztagsbetreuung, um Frauen in der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit zu stärken und Altersarmut vorzubeugen. Beim Vorankommen durch eigene Leistung darf das Geschlecht keine Rolle spielen.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 06.03.2023

Die Einkommen von Frauen im Kultursektor sind im Vergleich zu anderen Branchen überdurchschnittlich niedriger. Dies war der einhellige Befund von Vertreterinnen der Kulturbranche in einem öffentlichen Fachgespräch des Kulturausschusses am Mittwoch. So liege der Gender Pay Gap im Kultursektor je nach Bereich bei bis zu über 30 Prozent gegenüber durchschnittlich 18 Prozent in allen Berufen.

Yvonne de Andrés vom Berufsnetzwerk Bücherfrauen wies darauf hin, dass die Buchbranche zwar einerseits hauptsächlich weiblich geprägt sei, die Führungsstrukturen hingegen jedoch immer noch männlich. Besonders dramatisch habe sich die Corona-Pandemie ausgewirkt, da viele Frauen ihren Versicherungsstatus in der Künstlersozialkasse verloren, da sie Tätigkeiten aufnehmen mussten, die nicht als künstlerisch gelten. Yvonne de Andrés fordert eine paritätische Besetzung von Jurys bei der Vergabe von Literaturpreisen und eine paritätische Vergabe von Fördergeldern des Bundes.

Dieser Forderung schloss sich die Schauspielerin Paula Essam vom Verein Pro Quote Film an. In der Filmbranche liege der Gender Pay Gap bei bis zu über 30 Prozent. Dies liege auch an der ungleichen Besetzung von weiblichen und männlichen Rollen in Film- und Serienproduktionen. Der Anteil von Frauenrollen liege bei etwa 30 Prozent. Zudem litten Frauen darunter, dass sie ab dem 34 Lebensjahr immer weniger Filmrollen angeboten bekommen. Essam forderte ebenso wie Barbara Rohm vom „culture change hub“, die anstehende Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) für eine paritätische Vergabe von Fördergeldern zu beschließen. Essam sprach sich zudem für eine Diversitäts-Quote von 30 Prozent aus, um nicht-weiße Minderheiten zu fördern.

Teresa Monfared vom Verein Bühnenmütter verwies darauf, dass Schauspielerinnen nicht nur unter dem Gender Pay Gap litten, sondern auch unter einem Gender Care Gap. So leisteten Frauen gut doppelt so viel Sorgearbeit wie Männer. Dies habe negative Auswirkungen auf die Karriere. Monfared führte aus, dass die zehn erfolgreichsten Bühnenschauspielerinnen in Deutschland nur drei Kinder hätten, die erfolgreichsten Schauspieler hingegen 32 Kinder. Dies zeige schon, dass Mütter mit unterschiedlichsten Benachteiligungen zu kämpfen hätten und Schauspielerinnen sich deshalb oftmals gegen Kinder entscheiden würden.

Gabriele Schulz vom Deutschen Kulturrat betonte, dass nur eine deutliche Steigerung der künstlerischen Präsens von Frauen die großen Einkommensunterschiede zu den Männern überwinden können. Die Werke von Frauen müssten „gezeigt und gespielt“ werden. Die Kulturförderung des Bundes müsse dies in allen Kultursparten unterstützen.

Die Aufzeichnung des öffentlichen Fachgespräches im Kulturausschuss ist ab Donnerstag, 2. März 2023, ab 13 Uhr auf bundestag.de verfügbar: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw09-pa-kultur-28-sitzung-935356

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 154 vom 01.03.2023

Frauen sind am Arbeitsmarkt weiterhin in vielerlei Hinsicht benachteiligt, insbesondere mit Blick auf Arbeitszeit und Einkommen. Das geht aus einer neuen Untersuchung hervor, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zu Equal-Pay-Day und Internationalem Frauentag vorlegt*. WSI-Expertin Dr. Yvonne Lott hat dafür gemeinsam mit einem Team von SowiTra in Berlin die neuesten verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet, die die Jahre 2021 und 2022 beschreiben. Der Überblick liefert detaillierte Informationen zu geschlechtsspezifischen Arbeitsbedingungen in zahlreichen Branchen, etwa erstmals zu branchenspezifischen Gender Pay Gaps 2022. Die Ergebnisse zeigen, dass Geschlechterungleichheit über fast alle Wirtschaftszweige hinweg besteht, allerdings teilweise unterschiedlich ausgeprägt.

Die Frauen-Erwerbsquote ist zwar in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen. Viele Bereiche in der Wirtschaft sind aber nach wie vor Männerdomänen – vor allem in der Industrie. Dort beträgt der Frauenanteil in der Hälfte der für die Studie untersuchten Branchen weniger als 30 Prozent. Ganz hinten liegen der Maschinenbau, der Hoch- und Tiefbau sowie Bauinstallation und Ausbaugewerbe mit jeweils 17 Prozent, auf dem ersten Platz landet die Textilindustrie mit 56 Prozent. In den Dienstleistungen ist der Anteil der Arbeitnehmerinnen generell höher. Drei Branchen sind sogar klar frauendominiert: Im Gesundheitswesen sind 80 Prozent der Beschäftigten weiblich, im Sozialwesen 76 Prozent, in Erziehung und Unterricht 72 Prozent. Am geringsten ist hier die Quote im Personen- und Güterverkehr mit 21 Prozent und in Kfz-Handel und Reparatur mit 22 Prozent.

Bei der Arbeitszeit ergibt sich über alle Branchen hinweg ein identisches Muster: Männer arbeiten deutlich häufiger in Vollzeit. Der entsprechende Anteil reicht bei ihnen von 53 Prozent in der Gastronomie bis zu 87 Prozent unter anderem in der Energieversorgung und der Metallerzeugung. Bei den Frauen reicht das Spektrum von 21 Prozent im Bereich Gebäudebetreuung, Garten- und Landschaftsbau bis zu 67 Prozent in der Automobilindustrie. Die Differenz zwischen den Vollzeit-Quoten von Männern und Frauen schwankt zwischen 15 und 46 Prozentpunkten.

In 45 von 46 Branchen liegen Frauen bei der Bezahlung hinten

Auch der Vergleich der Bruttostundenlöhne fällt meist zuungunsten der Frauen aus. In der Gesamtwirtschaft beträgt der Gender Pay Gap, Stand 2022, 18 Prozent – Männer verdienen branchenübergreifend im Durchschnitt 24,36 brutto pro Stunde, Frauen 20,05 Euro. In 45 der 46 Branchen, für die die WSI-Auswertung erstmals Daten aus dem Jahr 2022 liefern kann, verdienen Frauen weniger als Männer (siehe auch die Abbildungen in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Der Gender Pay Gap reicht dabei von 4 Prozent im Personen- und Güterverkehr (Männer: 17,15 Euro, Frauen: 16,49 Euro) über beispielsweise 5 Prozent im Sozialwesen (19,78 vs. 18,70 Euro), 7 Prozent in der Metallerzeugung (27,06 vs. 25,23 Euro), 19 Prozent in der Papierindustrie (23,87 vs. 19,37 Euro) bis zu 30 Prozent im Gesundheitswesen (31,29 vs. 22,05 Euro) und sogar 32 Prozent in der Rechts- und Steuerberatung (31,06 vs. 21,26 Euro). Einzige Ausnahme sind die Postdienste: Der Brutto-Stundenlohn der Frauen ist hier mit 16,26 Euro pro Stunde zwei Prozent höher als der von Männern mit 15,93 Euro – allerdings auf einem im Vergleich der Branchen insgesamt recht niedrigen Verdienstniveau.

Minijobs sind überwiegend Frauensache: In 26 von 35 Branchen, für die Daten ausgewertet wurden, sind Frauen häufiger ausschließlich geringfügig beschäftigt als Männer. Nur in zwei Branchen ist es umgekehrt, in den übrigen Bereichen fällt die Differenz nicht ins Gewicht. Besonders groß ist sie im Bereich Bauinstallation und Ausbaugewerbe, wo 23 Prozent der Frauen und 7 Prozent der Männer betroffen sind, sowie in der Land- und Forstwirtschaft, wo es 39 gegenüber 23 Prozent sind. Leichte Vorteile haben Frauen in verschiedenen Branchen bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen, die bei weiblichen Beschäftigten etwas seltener sind. Branchenübergreifend unterscheiden sich die Quoten bei Frauen und Männern allerdings nicht.

Chefs gibt es dagegen nach wie vor häufiger als Chefinnen. In 26 von 34 Branchen, für die dazu Daten vorliegen, arbeiten Frauen seltener in leitender Stellung als Männer. Besonders ausgeprägt ist die Ungleichheit in dieser Hinsicht im Bereich Erziehung und Unterricht, wo 50 Prozent der Männer, aber nur 28 Prozent der Frauen eine Leitungsposition inne haben. In sieben Branchen gibt es keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Der einzige Bereich, in dem Frauen die Nase vorn haben, ist der Personen- und Güterverkehr.

Die Forschenden stellen fest, dass noch viel zu tun ist, um die Geschlechtergleichheit durchzusetzen. Dazu beitragen könnte ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, das Unternehmen verpflichtet, Gleichstellungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Darüber hinaus empfehlenswert wären ein angemessener Mindestlohn – von dem Frauen besonders profitieren – sowie eine Stärkung der Mitbestimmung.

Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland in ausgewählten Branchen. WSI Report Nr. 80, Februar 2023

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung 03.03.2023

In Westdeutschland lag der Gender Pay Gap, der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen, 2021 mit 20,6 Prozent mehr als dreimal so hoch wie in Ostdeutschland mit 6,3 Prozent. Im bundesweiten Durchschnitt erhielten 2021 vollzeitbeschäftigte Männer 18,9 Prozent mehr Lohn oder Gehalt. Das geht aus einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom Montag hervor. Fünf Jahre zuvor lag der Gender Pay Gap noch 2,5 Prozentpunkte höher.

„Es hängt sehr stark von der konkreten Beschäftigungsstruktur vor Ort ab, ob und wie viel Frauen weniger verdienen als Männer“, berichtet Michaela Fuchs vom Regionalen Forschungsnetz des IAB. Im Bodenseekreis liegt der Gender Pay Gap bei 40 Prozent, und auch in Ingolstadt ist er mit 37 Prozent sehr hoch. Dagegen verdienen Frauen in vier Kreisen Ostdeutschlands sogar mehr als Männer. In Dessau-Roßlau liegt das Gehalt vollzeitbeschäftigter Frauen rund 2 Prozent über dem vollzeitbeschäftigter Männer. Auch in Frankfurt/Oder, Cottbus und im Landkreis Stendal liegen vollzeitbeschäftigte Frauen in puncto Gehalt im Schnitt vor den Männern.

Insbesondere Unterschiede in der Berufswahl spielen eine wesentliche Rolle für die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern: Frauen arbeiten häufiger in Dienstleistungs-, Gesundheits- und Sozialberufen. „Tätigkeiten in diesen Bereichen sind meistens mit einem geringeren Verdienst verbunden als in von Männern häufig ausgeübten Tätigkeiten“, erklärt Anja Rossen vom Regionalen Forschungsnetz des IAB. Außerdem sind Frauen häufiger in kleinen Betrieben tätig. „Damit profitieren sie nicht im gleichen Ausmaß wie Männer von den im Durchschnitt höheren Löhnen in Großbetrieben“, so Antje Weyh vom Regionalen Forschungsnetz des IAB. 

Diese Faktoren sind je nach Region unterschiedlich stark ausgeprägt. So ist beispielsweise der Bodenseekreis stark vom Maschinenbau geprägt und dort arbeitet der Großteil der Männer in gut dotierten Berufen der Maschinenbau- und Betriebstechnik. In Dessau-Roßlau sind Männer dagegen überdurchschnittlich häufig in Berufen der Lagerwirtschaft, Post und Zustellung mit niedrigen Verdiensten tätig, Frauen arbeiten demgegenüber häufiger in Verwaltungs- und Büroberufen mit mittlerem Verdienstniveau. Im Bodenseekreis sind deutlich mehr Beschäftigte in Großbetrieben tätig als in Dessau-Roßlau: knapp 47 Prozent der Beschäftigten arbeiten in Betrieben mit mehr als 250 Mitarbeitern, in Dessau-Roßlau liegt dieser Anteil nur bei rund 28 Prozent.

Werden, soweit statistisch verfügbar, die Unterschiede zum Beispiel hinsichtlich Qualifikation, Beruf und Arbeitserfahrung berücksichtigt, beträgt der bereinigte Gender Pay Gap in Ostdeutschland 10,8 Prozent und in Westdeutschland 15,3 Prozent.

Die IAB-Studie ist online abrufbar unter https://iab.de/daten/regionale-unterschiede-im-gender-pay-gap-in-deutschland-2021/.

Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 06.03.2023

Am diesjährigen Equal Pay Day, dem 7. März, macht der Deutsche Gewerkschaftsbund auf die 18-prozentige Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen aufmerksam. Die Preissteigerungen der letzten Monate verschärften die Situation für viele Frauen zusätzlich. Vor allem sie arbeiten oft in Minijobs, in Teilzeit oder in befristeten Beschäftigungsverhältnissen und haben deswegen weniger Geld in der Tasche.

Bei einer Gewerkschaftsaktion vor dem Brandenburger Tor forderte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi mehr Tempo für gleiche Bezahlung:

„Seit der Gender Pay Gap für Deutschland erstmals im Jahr 2006 berechnet wurde, ist die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen um magere 5 Prozent geschmolzen. Wenn es in dem Tempo weitergeht, dauert es noch 61 Jahre bis zur gleichen Bezahlung. So lange können und dürfen wir nicht warten. Gerade in der Debatte um Fachkräftesicherung geht zu oft unter, dass Entgeltgleichheit ein wichtiger Faktor ist, um die Frauenerwerbstätigkeit zu steigern. Die hohe Entgeltlücke in Deutschland ist ein echter Wettbewerbsnachteil, im europäischen Vergleich gehören wir zu den Schlusslichtern.

Es sind vor allem strukturelle Hürden, die die Politik beseitigen muss – etwa durch den flächendeckenden und bedarfsgerechten Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten oder durch die Aufwertung personennaher Dienstleistungsberufe. Frauendominierte Berufe, gerade im Gesundheits-, im Erziehungs- und im Bildungsbereich müssen deutlich besser bezahlt werden. Darum geht es auch in der aktuellen Tarifrunde des öffentlichen Dienstes. Hier haben die Arbeitgeber jetzt die Gelegenheit, ein Signal zu setzen: Ein fairer Abschluss würde dazu beitragen, die Entgeltlücke zu überwinden und diese systemrelevanten Berufe somit attraktiver zu machen. Zudem muss die Bundesregierung endlich die im Koalitionsvertrag versprochene Stärkung der Tarifbindung auf den Weg bringen. Denn mit Tarifverträgen verdienen Frauen und Männer rund ein Viertel mehr als ohne Bezahlung nach Tarif.

Am Equal Pay Day geht es aber nicht nur um faire Löhne, sondern auch um die faire Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern. Frauen und Männer brauchen Arbeitszeiten, die zum Leben passen. Sie brauchen dafür mehr Mitspracherechte, um ihre Arbeitszeiten entsprechend ihren Bedürfnissen anzupassen. Nur so wird es möglich, Erwerbstätigkeit und Sorgeaufgaben für die Familie partnerschaftlich aufzuteilen. Neun Millionen Frauen stecken in Teilzeitjobs fest. Viele von ihnen würden gern mehr arbeiten, doch die Rahmenbedingungen stimmen nicht: Die 2019 eingeführte Brückenteilzeit mit ihrem Anspruch in Vollzeit zurückzukehren, gilt nur für größere Betriebe mit mehr als 45 Beschäftigten. Bis heute fehlt ein echtes Rückkehrrecht in die Vollzeit. Auch beim Thema steuerliche Fehlanreize, Stichwort Ehegattensplitting, wird seit Jahren diskutiert, aber es tut sich nichts.“

Hintergrund:
Der Equal Pay Day markiert das Datum, bis zu dem Frauen Arbeit müssen, um das Gehalt zu bekommen, das Männer bereits am 31. Dezember auf ihrem Konto hatten. In Deutschland liegt der Gehaltsunterschied bei 18 Prozent – ein Wert, der jedes Jahr vom Statistischen Bundesamt neu berechnet wird.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand vom 07.03.2023

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) kritisiert den Unwillen, gegen die bestehenden Verdienstunterschiede zwischen den Geschlechtern konsequent anzugehen.

Am Equal Pay Day 2023 wird dasselbe geschehen wie all die Jahre davor: Der Entgeltunterschied zwischen Männern und Frauen von 18 % wird angeklagt. Es wird einige Aktionen geben, damit die Medien dem Problem etwas mehr Raum geben. Und dann? Nichts. Nichts bis zum Equal Pay Day 2024.

Das mag auch daran liegen, dass der angeklagte Missstand seinen bedrohlichen Umfang zu verlieren scheint, wenn die Verdienstlücke fein sortiert wird in „bereinigt“ und „unbereinigt“. Bereinigt blieben nur 7 %, die Frauen bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie pro Stunde weniger verdienten. An dem größeren Teil des Verdienstunterschieds hingegen seien Frauen selbst schuld. Denn sie wählten Berufe und Branchen, in denen schlechter bezahlt wird, setzten aus, gingen in Teilzeit und in Minijobs mit geringeren Verdiensten und machten seltener Karriere. Regelmäßig fehlt dann die Analyse, dass diese Tatsachen gleichfalls auf Diskriminierungsstrukturen und fatalen politischen Entscheidungen beruhen. Frauen wird der größte Teil der Sorgearbeit überbürdet. Das Ehegattensplitting sorgt für ein verlässliches Interesse von Frauen an Minijobs, was sie spätestens bei Scheidung und Alter in die Armut treibt. Frauen arbeiten nicht in Branchen und Berufen, in denen schlechter bezahlt wird, sondern in diesen wird schlechter bezahlt, weil Frauen dort arbeiten. Das Gesetz verbietet ungleiche Bezahlung für Teilzeitbeschäftigte, durchgesetzt wird das Verbot nicht. Die Benachteiligung von Frauen bei Personalentscheidungen, die mangelnde Anpassung von Arbeitsbedingungen an deren Bedürfnisse und Verpflichtungen werden hingenommen. Wenigstens greift die Rechtsprechung korrigierend ein, wie jüngst das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das die Rechtfertigung geringerer Bezahlung mit mangelndem Verhandlungsgeschick von Frauen klar zurückweist. Aber es sind immer nur Einzelfälle, die vor die Gerichte kommen.

„Entgeltungleichheit beruht auf diskriminierenden Strukturen. Die sind nicht einmal im Jahr zu beklagen, sondern können und müssen verändert werden. Dem Gesetzgeber stehen dafür durchaus legislative Instrumente zur Verfügung. Die auf Effektivität zielende Entgelttransparenz-Richtlinie der EU, die noch in diesem Jahr verabschiedet werden wird, weist die Richtung.“, so djb-Präsidentin Prof. Dr. Maria Wersig. Der djb hat 2021 ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft vorgelegt, in dem ein aktivierender Staat Unternehmen verpflichtet, in selbstverantwortlichem Vorgehen diskriminierende Strukturen zu beseitigen – und zwar in einer Weise, die die Unternehmen nicht überfordert. Dabei können alle Ursachen in den Blick genommen und in absehbarer Zeit auch der Entgeltunterschied beseitigt werden, der bereinigte wie der unbereinigte. Der Equal Pay Day ist dann endlich ein Feiertag.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb) vom 06.03.2023

SCHWERPUNKT III: Kindergrundsicherung

Das Saarland setzt sich für ein rasches Gesetzgebungsverfahren zur so genannten Kindergrundsicherung ein. Am 3. März 2023 stellte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger einen entsprechenden Entschließungsantrag ihres Landes im Bundesrat vor – er wurde im Anschluss zur weiteren Beratung in die Fachausschüsse überwiesen.

Sorge um Kinderarmut

In der Entschließung soll der Bundesrat seine Sorge darüber ausdrücken, dass mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut aufwächst. Dabei drücke sich Kinderarmut nicht nur durch einen Mangel an finanziellen Mitteln, sondern auch durch Benachteiligungen im Bildungs- und Gesundheitssystem, bei der Wohnsituation oder bei der gesellschaftlichen Teilhabe aus, heißt es im Landesantrag. Auch die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie und der deutliche Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise verschärften die Situation zusätzlich.

Aufforderung an die Bundesregierung

Der Bundesrat solle daher das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Vorhaben der Bundesregierung begrüßen, eine Kindergrundsicherung einzuführen, um Familien zu stärken, Kinderarmut zu bekämpfen und Chancengleichheit für alle Kinder zu gewährleisten.

Der Bundesrat möge die Bundesregierung auffordern, die vorliegenden Eckpunkte zur Ausgestaltung der Kindergrundsicherung schnellstmöglich zu einem Referentenentwurf zu konkretisieren und mit dem Gesetzgebungsverfahren dann umgehend zu beginnen.

Nächste Schritte

Die Fachausschüsse befassen sich Mitte April mit dem Entschließungsantrag. Sobald sie ihre Beratungen abgeschlossen haben, kommt die Vorlage wieder auf die Tagesordnung des Bundesrates, damit das Plenum über die Frage abstimmen kann, ob es die Entschließung fassen und der Bundesregierung zuleiten will

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 03.03.2023

Die in der AGF zusammengeschlossenen Familienverbände fordern die Bundesregierung auf, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kindergrundsicherung finanziell so auszustatten, dass sie einen dauerhaften Schutz der Kinder vor Armut sicherstellt. Die Bündelung von familienpolitischen Leistungen und der Abbau von Barrieren bei deren Inanspruchnahme sind wichtige Bestandteile der Kindergrundsicherung, aber bei weitem nicht ausreichend.

„Den Namen Kindergrundsicherung verdient nur eine Reform, die auch wirklich zu einer Verbesserung der Situation von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien führt. Versuche, die als Minimum bereits in der Diskussion stehenden Haushaltsmittel noch weiter zu reduzieren und sich auf eine Umetikettierung bereits existierender Leistungen zu beschränken, werden das Problem der Kinderarmut nicht ansatzweise lösen“ stellt Dr. Klaus Zeh, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) fest.

Zur Kindergrundsicherung gehört für die Familienverbände eine Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums, die auch den Bedarf für Bildung und Teilhabe einschließt und eine ausreichende gesellschaftliche Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen ermöglicht. Diese Neuberechnung müsse transparenter werden, einer empirisch fundierten und in sich schlüssigen Logik folgen und einen Dynamisierungsautomatismus beinhalten. Die bisherige unsystematische Kombination von statistischem Modell und Warenkorblogik mit den damit verbundenen und zum Teil willkürlichen Streichungen von als „nicht regelsatzrelevant“ eingestuften Kosten dürfe nicht in die Kindergrundsicherung übertragen werden. „Außerdem muss die Höhe des Garantiebetrags der Kindergrundsicherung der maximalen Wirkung des steuerlichen Kinderfreibetrages entsprechen“, so Dr. Zeh.

Die Verbände betonen, dass der Erfolg der Kindergrundsicherung sich an den durch das Familienministerium selbst aufgestellten Kriterien messen lassen muss. Dazu zählt neben der Neuberechnung des Kinderexistenzminimums, dass ein großer Teil der kinderbezogenen Familienleistungen zusammengeführt wird, dass die Familien mit Unterstützungsbedarf auch wirklich erreicht werden – und zwar sowohl unbürokratisch als auch verlässlich – und dass die Schnittstellen zum Sozial-, Steuer und Unterhaltsrecht gut ineinandergreifen, ohne dass Schlechterstellungen beispielsweise für Kinder von Alleinerziehenden eintreten.

Die Familienorganisationen betonen, dass eine den Notwendigkeiten entsprechend finanziell sehr gut ausgestaltete Kindergrundsicherung ein zentraler Baustein zur Bekämpfung von Familienarmut sein kann. Zusätzlich bedarf es aber einer familienpolitischen Gesamtstrategie um die Teilhabe von Kindern zu ermöglichen und Armutsspiralen zu durchbrechen. Dazu gehören unter anderem eine familiengerechte Infrastruktur und gleichberechtige Zugänge zu Bildung, Betreuung und Gesundheit.

„Die Bereitstellung der notwendigen Mittel dazu bedeutet eine Investition in die Zukunft unserer Kinder und unseres Landes. Deutschland ist reich genug, um mit einer starken Kindergrundsicherung – als Teil einer umfassenden Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Familienarmut – Kindern die Auswirkungen von früher Armut und Ausgrenzung zu ersparen“, erklärte Dr. Zeh.

Quelle: Pressemitteilung Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V. vom 23.02.2023

Laut Medienberichten verzögert das Bundesfinanzministerium mit Zweifeln an der Finanzierbarkeit schon jetzt die Einführung der Kindergrundsicherung. Als Gründungsmitglied des Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG setzt sich die AWO seit fast 15 Jahren für die Einführung einer echten Kindergrundsicherung ein, die alle Kinder und Jugendlichen erreicht und ein Aufwachsen ohne Armut ermöglicht. Zu der Blockadehaltung erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt:

„Wir möchten die beteiligten politischen Akteur*innen daran erinnern, dass sich die gesamte Ampel-Koalition für die Einführung der Kindergrundsicherung ausgesprochen und im Koalitionsvertrag eine Neuermittlung des Existenzminimums vereinbart hat und nicht bloß die Zusammenführung bereits bestehender Leistungen. Wenn die Zusammenführung der Leistungen und die dringend notwendige Neuermittlung des kindlichen Existenzminimums für Kinder zusätzliche Mittel erfordert, dann müssen diese Gelder bereitgestellt werden. Wenn dieses Geld im Bundeshaushalt fehlt, ist es ganz klar die Aufgabe des Finanzministeriums kluge Finanzierungskonzepte zu entwickeln, mit dem sich die neue Leistung in den Haushalt einpreisen lässt. Denkbar sind zum Beispiel höhere Steuern für Spitzenverdienende, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder aber die Abschaffung des Ehegattensplittings.“

Bei der Rechnung des Finanzministeriums unberücksichtigt blieben zudem die hohen Folgekosten, die entstehen, um die Folgen eines Aufwachsens in Armut im späteren Lebenslauf zu korrigieren. „Früh in die Zukunft unserer Kinder zu investieren, erspart uns nicht nur massive Kosten zur kurativen Behandlung von Armutsfolgen“, so Groß weiter, „sondern ist in Zeiten des demographischen Wandels und sich verschärfenden Fachkräftemangels ein Garant für unsere wirtschaftliche Stabilität und unseren Wohlstand. Das sollte gerade der FDP und Bundesfinanzminister Lindner ein Anliegen sein.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 17.02.2023

Die Diakonie Deutschland appelliert an die Bundesregierung, die Kindergrundsicherung zügig auf den Weg zu bringen und interne Koalitionsstreitigkeiten nicht auf dem Rücken von Armut betroffener Kinder auszutragen. Nach drei Jahren Pandemie und angesichts steigender Preise und Inflation nach einem Jahr Ukraine-Krieg sei es nun von immenser Bedeutung, Kinder und Familien zielsicher und wirksam zu entlasten.

 

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

„Die Kindergrundsicherung ist das entscheidende Instrument, um Kinderarmut zu bekämpfen. Der Kinderzuschlag läuft bisher an zwei Dritteln der Anspruchsberechtigten vorbei. Kindergrundsicherung muss heißen: die kindbezogenen Leistungen zur Existenzsicherung werden gebündelt. Haushalte, bei denen durch Steuerdaten oder bisherigen Leistungsbezug Anhaltspunkte für einen Anspruch auf Zusatzleistungen bestehen, müssen direkt informiert und zur Antragstellung aufgefordert werden. Das Existenzminimum muss auf aktueller Datenbasis und ohne Abzüge ermittelt werden. Die Kindergrundsicherung hilft, Pseudodebatten über Armut und Lohnabstand zu überwinden. Gerade die Familien, in denen Eltern durch Erwerbsarbeit nicht genug für alle Familienmitglieder erwirtschaften können, profitieren davon, wenn alle Leistungen gebündelt werden. Ganz einfach: Wer zu wenig hat, bekommt problemlos und direkt, was nötig ist.“

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 23.02.2023

Zu den Äußerungen von Finanzminister Lindner gegenüber dem Nachrichtenportal t-online zur Frage eines fehlenden Konzepts der Kindergrundsicherung und anderen, erklärt Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes:

„Die Äußerungen von Finanzminister Lindner sind ein Ausweis völliger Ahnungslosigkeit. Seit 14 Jahren liegt ein ausgereiftes Konzept für die Kindergrundsicherung vor, das mehrfach begutachtet und modifiziert wurde und an dem ich persönlich mitgewirkt habe.“

„Die Kinderarmut in Deutschland ist ausdrücklich nicht durch Zuwanderung gestiegen. Die Ursache für die gestiegene Kinderarmut liegt in dem stark gewachsenen working-poor-Bereich begründet. Arme Kinder leben in der Mehrzahl bei Eltern, die erwerbstätig sind und deren Erwerbseinkommen nicht ausreicht, um eine Familie zu ernähren.“

„Die Einführung einer Kindergrundsicherung ist kein Wunsch an den Weihnachtsmann, sondern eine notwendige Maßnahme, um würdevolles Aufwachsen und Chancengerechtigkeit von Kindern zu sichern. Die stark steigende Kinderarmut gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland, denn arme Kinder haben im Bildungssystem kaum eine Chance. Das ist durch zahlreiche Studien belegt. Die Kinderarmut von gestern, ist der Fachkräftemangel von heute. Ich kann mir nicht erklären, wie ein Finanzminister der FDP vor diesen Tatsachen die Augen verschließen kann.“

Quelle: Pressemitteilung Der Kinderschutzbund Bundesverband e.V. vom 22.02.2023

Zur Medienberichterstattung über die Finanzierung der Kindergrundsicherung und zum Finanzstreit innerhalb der Ampel-Regierung erklärt Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes:

„Ich bin entsetzt über die Haltung des Bundesfinanzministers zur Finanzierung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Kindergrundsicherung. Es werden aktuell weitere zehn Milliarden Euro für die Bundeswehr und zehn Milliarden Euro für eine Aktienrente verplant. Aber für den Kampf gegen Kinderarmut sollen wieder nur die Krümel vom Kuchen übrigbleiben. Chancengerechtigkeit und würdevolles Aufwachsen von Kindern dürfen nicht der Schuldenbremse geopfert werden. Das wäre ein Tiefpunkt der Arbeit dieser Ampelkoalition. Die FDP und Bundesfinanzminister Lindner sind gut beraten, sich an den Koalitionsvertrag zu halten.“

Quelle: Pressemitteilung Der Kinderschutzbund Bundesverband e.V. vom 16.02.2023

Vor der Klausur des Bundeskabinetts am kommenden Wochenende rufen der Familienbischof, Erzbischof Heiner Koch, und ein breites Bündnis katholischer Verbände die Bundesregierung dazu auf, die geplante Reform der Familienleistungen nicht am Geld scheitern zu lassen.                                       

Am kommenden Wochenende wird die Bundesregierung in der Kabinettsklausur über die geplante Kindergrundsicherung beraten. Bisher gibt es in der Koalition keine Einigung auf ein Budget für das zentrale familienpolitische Vorhaben der Legislaturperiode. „Es geht jetzt darum, angemessene Mittel für eine erfolgreiche Reform zugunsten von Kindern und Familien zur Verfügung zu stellen“, äußert sich Erzbischof Dr. Heiner Koch, Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie der Deutschen Bischofskonferenz. Der Präsident des Familienbundes der Katholiken, Ulrich Hoffmann, erklärte, dass es sich bei der Bekämpfung von Kinderarmut und der Verbesserung der Chancen von Kindern und Jugendlichen um wichtige Zukunftsinvestitionen handele: „Wer bei den Kindern spart, zahlt später wesentlich höhere Folgekosten.“

Die katholischen Verbände betonen, dass sich die mit der Kindergrundsicherung verfolgten Ziele nicht ohne zusätzliche Finanzmittel erreichen lassen. Egal ob es um das mit der Leistungsbündelung verfolgte Ziel der verbesserten Inanspruchnahme von Familienleistungen oder um das Ziel der Armutsbekämpfung gehe: beides sei nicht zum Nulltarif zu haben.

Die Verbände verweisen darauf, dass es seit Jahren nicht gelinge, die Kinder- und Jugendarmut zu senken. Studien zeigten immer wieder: Jedes fünfte Kind in Deutschland ist armutsgefährdet. Insgesamt sind 2,9 Millionen Kinder betroffen. Die aktuellen Preissteigerungen infolge der sich überlagernden Krisen verschärfen die Situation der Familien und treffen arme Familien besonders. Nach den pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen haben viele Kinder und Jugendliche Bildungsrückstände, insbesondere solche aus einkommensschwächeren Familien. Noch immer hängen die Teilhabe- und Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland in hohem Maß von den Ressourcen der einzelnen Familien ab.

Vor diesem Hintergrund halten es die katholischen Verbände und Erzbischof Koch für dringend erforderlich, dass die geplante familienpolitische Reform zu höheren Leistungen für Kinder führt und insbesondere arme Familien und solche mit kleinen Einkommen besser unterstützt. „Dafür muss Geld in die Hand genommen werden“, erklärt Beate Schwittay, Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmerbewegung. „Die Kindergrundsicherung darf nicht durch Kürzungen an anderer Stelle gegenfinanziert und zum Nullsummenspiel für Familien werden.“ Für bedenklich hält Renate Jachmann-Willmer, Vorstand des Sozialdienstes katholischer Frauen Gesamtverein e.V., dass ausgerechnet bei den Alleinerziehenden auf der Grundlage der aktuellen Pläne Verschlechterungen drohen, wenn zum Beispiel der Unterhaltsvorschuss mit dem Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung voll verrechnet werden soll.

Dass die Regelbedarfe nach dem bekannt gewordenen Eckpunkte-Entwurf des Bundesfamilienministeriums zukünftig stärker an den Haushaltsausgaben der gesellschaftlichen Mitte orientiert werden sollen,  entspricht langjährigen Forderungen der katholischen Verbände. Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, bekräftigt: „Kindergrundsicherung ist Kinderchancensicherung. Eine Regierung, die sich soziale Gerechtigkeit und Aufbruch auf die Fahnen geschrieben hat, muss vorrangig dafür Sorge tragen, dass Kinder und Jugendliche unabhängig vom Einkommen der Eltern mit gleichen Lebenschancen aufwachsen.“

Unterstützende Personen und Verbände:

Dr. Heiner Koch, Erzbischof von Berlin

Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung e.V. (AKF)

Deutscher Caritasverband e. V. (DCV)

Familienbund der Katholiken (Bundesverband) e. V.

Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB Deutschlands e. V.)

Katholischer Deutscher Frauenbund e.V. (KDFB)

Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e. V. (SkF)

SKM Bundesverband e.V.

Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken – Bundesverband vom 03.03.2023

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Schwerpunktthema: Gleichstellung in der ökologischen Transformation

Bundesfrauenministerin Lisa Paus hat namhafte Expertinnen und Experten für den Vierten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung berufen. Die Sachverständigenkommission nimmt heute unter Leitung von Frau Prof. Dr. Silke Bothfeld von der Hochschule Bremen ihre Arbeit auf. Ihr Schwerpunktthema ist die Gleichstellung in der ökologischen Transformation.

Bundesministerin Lisa Paus: „Die ökologische Umstellung unseres Wirtschaftens und Handelns beeinflusst unsere Arbeitswelt, unsere Ernährung und Gesundheit ebenso wie unser Miteinander in der Gesellschaft. Viele Aspekte der Klimakrise treffen Frauen und Männer unterschiedlich und berühren deshalb Fragen der Gleichstellung. Ich freue mich, dass wir diese Sachverständigenkommission und Prof. Silke Bothfeld gewinnen konnten. Dank ihrer Expertise sollen Handlungsempfehlungen entstehen, mit denen wir die ökologische Transformation geschlechtergerecht gestalten können.“

Die Sachverständigenkommission erstellt bis 2025 ein Gutachten als Bestandteil des Vierten Gleichstellungsberichts. Sie arbeitet ehrenamtlich und unabhängig. Sie besteht aus elf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich in unterschiedlichen Fachbereichen (Wirtschaftswissenschaften, Jura, Sozialwissenschaften, Geografie, Ingenieurwesen) mit Aspekten der ökologischen Transformation befassen. Die Bundesstiftung Gleichstellung begleitet diese Arbeit.

Die Mitglieder der Vierten Gleichstellungsberichtskommission:

Prof. Dr. Silke Bothfeld, Hochschule Bremen

Dr. Peter Bleses, Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität und Arbeitnehmerkammer Bremen

Prof. Dr. Sigrid Boysen, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg

Prof. Dr. Gülay Çağlar, Freie Universität Berlin

Prof. Dr. Melanie Jaeger-Erben, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg

Prof. Dr. Jakob Kapeller, Universität Duisburg-Essen

Ulrike Röhr, Leitstelle Gender, Umwelt, Nachhaltigkeit

Dr. Immanuel Stieß, Institut für sozial-ökologische Forschung, Frankfurt/Main

Dr. Johanna Wenckebach, Hugo Sinzheimer Institut, Frankfurt/Main

Prof. Dr. Carsten Wippermann, Katholische Stiftungshochschule München, Campus Benediktbeuern

Prof. Dr. Brigitte Wotha, Fachhochschule Kiel

 

Die Bundesregierung legt seit 2011 einmal in jeder Legislaturperiode einen Gleichstellungsbericht vor. Sein Ziel sind konkrete Handlungsempfehlungen an die Politik.

Die Berichte dokumentieren den Stand der Gleichstellung in Deutschland und geben Empfehlungen, wie Gleichstellung erreicht werden kann. Diese Empfehlungen fließen in politische Prozesse ein. 

Weitere Informationen finden Sie hier: www.gleichstellungsbericht.de

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 13.03.2023

Innovationsfonds des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ fördert Projekte mit bis zu 100.000 Euro

Im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ sind Anfang März deutschlandweit 100 Projekte gestartet, die aus dem zweiten Innovationsfonds des Bundesprogramms gefördert werden. Dabei handelt es sich um Projekte, die auf aktuelle demokratiefeindliche Entwicklungen wie zum Beispiel Desinformation und Hass im Netz reagieren. Durch die Förderung bis Ende 2024 erhalten lokale Initiativen, Vereine und Verbände, wissenschaftliche Einrichtungen und Bildungsträger die Gelegenheit, ihre neuen Ansätze und Ideen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention zu erproben und in die Tat umzusetzen. Die 100 deutschlandweiten Projekte wurden aus fast 400 Interessenbekundungen ausgewählt. Die Höhe der Förderung beträgt maximal 100.000 Euro pro Projekt und Jahr.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „Mit großer Sorge beobachten wir neue Phänomene wie zunehmenden Hass und Verschwörungstheorien im Netz. Sie können unseren demokratischen Zusammenhalt gefährden. Im Zuge des Ukrainekriegs hat sich diese Entwicklung noch einmal verschärft. Wir reagieren auf diese und andere Entwicklungen mit dem Innovationsfonds im Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘ und fördern Initiativen und Projekte, die das Demokratievertrauen und die demokratische Diskussionskultur stärken.“

Förderung in vier Themenschwerpunkten

Der besondere Ansatz des Innovationsfonds ist es, dass neue Konzepte erprobt werden können. Dazu wurden Ideen zu folgenden Themenbereichen gesucht:

  • Aktive Auseinandersetzung mit Verschwörungsdenken /-narrative und Falschinformationen
  • Stärkung demokratischer Konfliktkompetenzen in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlich und politisch kontroversen Themen
  • Unterstützung neuer Ansätze in ausgewählten Phänomenen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
  • Entwicklung von pädagogischen Ansätzen zur Prävention von Rechtsextremismus und Ultranationalismus im Migrationskontext

In einem 2022 gestarteten bundesweiten öffentlichen Interessenbekundungsverfahren konnten sich zivilgesellschaftliche Akteure mit ihren Ideen und Konzepten bewerben.

Die 100 Projekte bilden den zweiten Innovationsfonds im Bundesprogramm „Demokratie leben!“, der in den Jahren 2023 und 2024 läuft. Bereits in den Jahren 2021 bis 2022 wurden 22 Projekte im ersten Innovationsfonds des Bundesprogramms gefördert.

Beispiele für geförderte Projekte

Gefördert werden im zweiten Innovationsfonds beispielsweise der Verein InterKultur e.V. und die Hochschule für angewandte Wissenschaften Landshut. Sie starten in einem Projekttandem gemeinsam ein digitales Schulungs- und Bildungsprogramm für Sozialarbeiter*innen, in dem es um Prävention von Rechtsextremismus und Ultranationalismus bei Jugendlichen mit Türkeibezug widmet. Die Historisch-Ökologische Bildungsstätte Emsland in Papenburg e.V. will mit dem Projekt „Streitet euch!“ neue Ansätze für die Stärkung demokratischer Konfliktkompetenzen unter bildungsbenachteiligten Jugendlichen im ländlichen Raum modellhaft erproben. CARE Deutschland entwickelt in den nächsten beiden Jahren das Planspiel „HURRA, die Welt geht unter!“, um jungen Menschen die Zusammenhänge von Klimakrise und Migration und den damit verbundenen sozialen und ökologischen Folgen noch besser zu vermitteln. Der Verein Helden e.V. entwickelt einen mobilen, App-gestützten Escape Room, der Jugendliche für das Thema Extremismus sensibilisieren und sie in ihrer Medienkompetenz stärken soll. Und im Projekt „Fake FACTory“ der Deutschen Gesellschaft e.V. entwickeln und dekonstruieren Jugendliche im Rahmen von Werkstätten Verschwörungserzählungen im peer-to-peer Verfahren.

Demokratie fördern, Vielfalt gestalten, Extremismus vorbeugen

Mit dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend seit 2015 zivilgesellschaftliches Engagement für ein vielfältiges und demokratisches Miteinander und die Arbeit gegen Radikalisierungen und Polarisierungen in der Gesellschaft. Mit den Säulen Lokale Partnerschaften für Demokratie, den landesweiten Demokratiezentren, den bundeszentralen Kompetenzzentren und Kompetenznetzwerken sowie aktuell 160 Modellprojekten entlang der drei Handlungsfelder Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention ist es das größte Förderprogramm dieser Art in Europa. Im Bundeshaushalt 2023 sind hierfür 182 Millionen Euro vorgesehen.

Weitere Informationen zum Bundesprogramm, dem Innovationsfonds und den einzelnen Projekten finden sich auf der Webseite www.demokratie-leben.de. Dort werden sukzessive weitere Informationen zu allen Projekten des Innovationsfonds eingestellt – z.B. zur Projektidee, der Laufzeit und dem Fördervolumen.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 03.03.2023

Jetzt von Lehrkräften an Förderschulen und Schulen des Gemeinsamen Lernens bestellbar

Die Beratungsangebote von „Nummer gegen Kummer“ bieten hilfesuchenden Kindern und Jugendlichen Unterstützung in allen Lebenslagen. Um die Angebote auch bei jungen Menschen mit Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel Blindheit oder Sehbehinderungen, bekannter zu machen und ihnen zu vermitteln, dass es gut ist, sich bei Sorgen und Problemen Hilfe zu suchen, hat Nummer gegen Kummer e.V. zusammen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen sowie Verbänden, Kompetenzzentren und Selbsthilfevereinigungen für blinde und sehbehinderte Menschen die Materialien der aktuellen Schulbox weiterentwickelt.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „Ich freue mich sehr, dass wir nun auch eine inklusive Schulbox mit Informationsmaterialien für junge Menschen mit Beeinträchtigungen anbieten können. Die ersten Schulboxen sind schon auf dem Weg in die Klassenzimmer. Ich bin überzeugt: Miteinander reden hilft! Diese Botschaft soll bei allen Kindern und Jugendlichen ankommen.“

Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen: „Kinder und Jugendliche mit Behinderungen haben ein Recht auf gleichberechtigten Zugang zu Hilfesystemen. Auch sie brauchen Unterstützung in Krisensituationen. Zuhören, wenn sie Sorgen haben, kann hier ein erster Schritt sein. Wichtig ist, dass es weitere Angebote für alle Kinder und Jugendlichen mit unterschiedlichen Bedarfen geben wird.“

Rainer Schütz, Geschäftsführer von Nummer gegen Kummer e.V.: „Uns ist es wichtig, dass alle Kinder und Jugendlichen unsere Beratungsangebote kennen und bei Bedarf nutzen können. Die inklusive Schulbox legt darauf noch einmal einen besonderen Fokus.“

Neben Infokarten und Flyern zu den Beratungsangeboten sind in jeder Box auch Stickerbögen und Armbänder mit Blindenschrift enthalten. Das beiliegende Kartenset mit Sorgenbeispielen ist Teil einer Unterrichtskonzeption zum Thema „Sorgen und Probleme“. Unter http://www.nummergegenkummer.de/materialien stehen die dazugehörige Handreichung mit zwei Unterrichtseinheiten sowie Arbeitsblätter für Lehrkräfte an Förderschulen und Schulen des Gemeinsamen Lernens zum kostenlosen Download zur Verfügung. Hier findet sich auch das Bestellformular für (Nach-)Bestellungen.

Die Schulbox wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Pressekontakt:

Anna Zacharias
Email: presse@nummergegenkummer.de
oder Telefon 0202 259 059 – 0

Die Nummer gegen Kummer:

Nummer gegen Kummer e.V. ist der Dachverband von derzeit 87 lokalen Trägern von Beratungstelefonen, zumeist örtlichen Verbänden des Deutschen Kinderschutzbundes und anderen Wohlfahrtsorganisationen. Das Netzwerk stellt das deutschlandweit größte kostenfreie, telefonische Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern dar. Speziell ausgebildete und hauptsächlich ehrenamtlich engagierte Berater und Beraterinnen unterstützen die Anrufenden und leisten Hilfe zur Selbsthilfe bei Alltagsproblemen und in schwierigen Lebenssituationen. Der Dachverband ist Mitglied von Child Helpline International.

Nummer gegen Kummer e.V. wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und von der Deutschen Telekom unterstützt. Seit 1991 stellt die Deutsche Telekom als Kooperationspartner der Nummer gegen Kummer e.V. die technische Infrastruktur für das bundesweite Beratungsangebot kostenfrei zur Verfügung. Außerdem übernimmt sie die Verbindungsgebühren für die Anrufe an die Beratungstelefone.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 03.03.2023

Bündnis fokussiert mittelständische Unternehmen und besonders schutzbedürftige Menschen

Sexismus im Alltag bedeutet für die Betroffenen Herabwürdigung, Grenzverletzungen und Machtmissbrauch. Viele Menschen, meistens Frauen, erfahren Tag für Tag wegen ihres Geschlechts Belästigung oder Zurücksetzung – auf der Straße, in der Freizeit, aber auch am Arbeitsplatz.

Bundesministerin Paus startet deshalb heute das Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“, gemeinsam mit Vertreter:innen des Mittelstands, von DaMigra – Dachverband der Migrantinnenorganisationen und von Weibernetz – politische Interes­sen­ver­tre­tung behinderter Frauen, und übernimmt die Schirmherrschaft.

Bundesfrauenministerin Lisa Paus: „Übergriffige Anmache auf der Straße, anzügliche Witze, klischeehafte oder sexistische Werbung, Kränkung und Zurücksetzung am Arbeitsplatz – all das gilt es zu verhindern und zu beenden. Wir sind als Gesellschaft gefordert, Sexismus und sexuelle Belästigung in jeder Form zu bekämpfen.

Intersektionalität ist dabei eine spezifische Herausforderung: Mehrfach diskriminierte Menschen – etwa wegen ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Identität oder einer Behinderung – sind Sexismus oft besonders stark und schutzlos ausgeliefert. Sie sollen besonderes Gewicht in unserem Bündnis haben.

Für Unternehmen lohnt sich das Engagement gegen Sexismus doppelt: Sie schützen ihre Beschäftigten und profitieren selbst. Denn ein gutes Arbeitsklima stärkt Mitarbeitende und Arbeitgeber gleichermaßen. Für alle Interessierten und Betroffenen starte ich heute unser Bündnis ‚‚Gemeinsam gegen Sexismus‘. Mit dem Bündnis informieren und unterstützen wir im Kampf gegen Sexismus. Rund 350 Unterzeichnende sind bereits aktiv. Ich rufe Unternehmen, Organisationen und Verbände auf: Schließen Sie sich dem Kampf gegen Sexismus an.“

Das Bündnis gegen Sexismus baut auf einem Netzwerk auf, das seit Oktober 2021 mit der Erklärung „Gemeinsam gegen Sexismus und sexuelle Belästigung“ entstanden ist. Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände und der Deutsche Städtetag gehörten zu den Initiatoren. Inzwischen haben sich Akteurinnen und Akteure aus Wirtschaft, Verwaltung, Kultur und Medien sowie der Zivilgesellschaft angeschlossen. Dazu gehören unter anderem die Bundesagentur für Arbeit, Unternehmen wie Microsoft, Siemens und Thyssen Krupp oder die Freie Hansestadt Bremen.

Das BMFSFJ baut das Bündnis gemeinsam mit der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin (EAF) auf. Bis Ende 2025 werden die Aktivitäten der Bündnisteilnehmenden mit Veranstaltungen, Materialien und Empfehlungen unterstützt. Ziel ist es, gegen Sexismus in Unternehmen, Organisationen und Öffentlichkeit vorzugehen und Betroffene zu unterstützen.

Das Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ hat einen intersektionalen Ansatz: Menschen, die etwa wegen ihrer Herkunft, sexuellen Orientierung oder einer Behinderung von Sexismus betroffen sind, werden aktiv einbezogen. Wenn Unternehmen Bedarf äußern, werden sie vom Bündnis bei der Bekämpfung und Vermeidung von Sexismus unterstützt. Ein Schwerpunkt soll der Mittelstand sein, da bislang vor allem große Unternehmen Compliance Regelungen oder Diversity-Maßnahmen gegen Sexismus etabliert haben.

Links:

Erklärung „Gemeinsam gegen Sexismus und sexuelle Belästigung“: https://www.gemeinsam-gegen-sexismus.de/gemeinsame-erklaerung/

Liste der Bündnispartnerinnen und -partner: https://www.gemeinsam-gegen-sexismus.de/gemeinsame-erklaerung/unterzeichnerinnen/

Handreichung „Gemeinsam gegen Sexismus“ https://www.gemeinsam-gegen-sexismus.de/materialien/

Projekt Make it Work! Für einen Arbeitsplatz ohne sexuelle Diskriminierung, Belästigung und Gewalt 

Die Bundesinitiative Klischeefrei – Nationale Kooperationen zur Berufs- und Studienwahl setzt sich für klischeefreie Berufs- und Studienwahl ein, frei von Rollenstereotypen.

Die Kampagne Schule gegen Sexismus von Pinkstinks Germany informiert niedrigschwellig und beantwortet Fragen zu den Themen Sexismus und Geschlechterstereotype.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 16.02.2023

Ampel sagt Nein zur Fristverlängerung beim Ganztagausbau

Die Ampel hat den Gesetzentwurf der Unionsfraktion zur Fristverlängerung beim Ganztagsausbau abgelehnt. Kommunen, die wegen Fachkräftemangel und Rohstoffknappheit ihre Schulmensen oder andere Bauten nicht fristgerecht fertigstellen konnten, müssen nun Fördermittel zurückzahlen. Dazu erklärt die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Silvia Breher:

„Die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP haben mit dem gestrigen Nein zum Gesetzentwurf der CDU/CSU- Bundestagsfraktion zur Fristverlängerung beim Ganztagsausbau auch Nein zum zügigen Infrastrukturausbau für Grundschulkinder gesagt.  

Einige Kommunen, die in den Ganztagsausbau investiert haben, stehen nunmehr vor einer finanziellen Katastrophe. Denn sie sollen laut Ampel die Gelder zuzüglich Zinsen zurückzahlen. Dies stellt nicht nur ein finanzielles Desaster für die klammen Kommunen dar, sondern vielmehr für den Ganztagsausbau für Grundschulkinder insgesamt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kommt so jedenfalls nicht voran.

Wir von der Union fordern die Ampel auf, noch einmal in sich zu gehen. Denn was wir jetzt brauchen, ist eine rechtsichere, transparente und bundeseinheitliche Lösung. Nur so senden wir auch das ehrliche Signal, dass wir in Krisen wie diesen an einem Strang ziehen und gemeinsam anpacken. Und nur so kann der Ganztagsausbau für Grundschulkinder mit der gebotenen Sorgfalt weiter vorangetrieben werden.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 03.03.2023

Ein umfassendes Netzwerk schaffen, Akteuren im Bereich der Gleichstellung Raum geben, Wissensknotenpunkt sein: Das möchte die neu geschaffene Bundesstiftung Gleichstellung, deren Aufbau, Arbeitsweise und aktuelle Projekte am Mittwochmittag Thema eines Fachgesprächs im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend war.

Als „wichtiges Instrument, um Gleichstellungsfragen wirksamer umzusetzen“, bezeichnete Lisi Maier, Direktorin der Bundesstiftung Gleichstellung, die neue Einrichtung, die im November 2021 ihre Arbeit aufgenommen hatte. Sie rief den im Einrichtungsgesetz festgeschriebenen Auftrag ihres Hauses in Erinnerung: „Stiftungszweck ist die Stärkung und Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland.“

Den vom Grundgesetz abgeleiteten Arbeitsauftrag erfülle man insbesondere, indem man Informationen zum Thema zusammentrage, Beiträge zum öffentlichen Diskurs liefere, Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft berate, innovative Maßnahmen zur Verwirklichung von Gleichstellung entwickele und erprobe, zur Vernetzung von Bund, Ländern, Kommunen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft beitrage sowie gleichstellungspolitische Initiativen unterstütze, erläuterte Arn Sauer, ebenfalls Direktor der Bundesstiftung Gleichstellung.

Als Schwerpunkte der Bundesstiftung hoben Maier und Sauer die Vernetzung von Akteuren, Experten und Fachwissen hervor, den Webauftritt mit beratendem Charakter für alle Interessierten und Betroffenen sowie das „Haus der Gleichstellung“ am Berliner Alexanderplatz, das neben den Büros für die Stiftungsarbeit auch Veranstaltungsräume für eigene und externe Veranstaltungen sowie Co-Working-Spaces umfasse.

Der zukünftigen inhaltlichen Ausrichtung der Stiftungsarbeit habe man sich in einem Mapping-Prozess angenähert, aus dem man die Bedarfe der unterschiedlichen Bereiche der Gleichstellungsarbeit ableiten werde, so Maier. Dabei sei es vor allem zunächst darum gegangen, sich Überblick zu verschaffen: Welche Organisationen arbeiten zu Gleichstellungsthemen? Was sind deren Themen? Was für Preise und Awards gibt es im Bereich Gleichstellung?

Zu den Aktivitäten, die sich die Stiftung für 2023 vorgenommen habe, gehörten die Weiterentwicklung der Webseite „als Wissensknotenpunkt zum Thema Gleichstellung“, eine Veranstaltungsreihe, in der „kontroverse Gleichstellungsthemen aus unterschiedlichen Perspektiven evidenzbasiert diskutiert“ werden sollen, die Entwicklung von Beratungskonzepten für kommunale Gleichstellungsbeauftragte, die „Erprobung innovativer Maßnahmen, die auf die Gleichstellungspraxis beispielsweise in Unternehmen übertragbar sind“, sowie die „Eröffnung des Hauses der Gleichstellung im zweiten Halbjahr 2023“, sagten Maier und Sauer.

Keinesfalls wolle die neue Bundeseinrichtung in Konkurrenz zu bestehenden Organisationen wie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes treten, sondern Mehrwert liefern und die Kooperation suchen, unterstrich Maier. Es gehe seinem Haus vor allem darum, die breite Öffentlichkeit zu erreichen und für das Thema Gleichstellung zu sensibilisieren, „nicht nur die bereits Überzeugten, sondern auch die Interessierten, die noch nicht wissen, wie man gleichstellungspolitisch mit welchen Instrumenten vorankommt“, so Sauer. Daher liege der Schwerpunkt der Stiftung darauf, Wissen zugänglich zu machen. Für weitere Aufmerksamkeit will die Stiftung mit dem Gleichstellungstag im Dezember sorgen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 194 vom 15.03.2023

Nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion soll das von der Bundesregierung angekündigte Startchancen-Programm bereits zum Schuljahr 2023/2024 und nicht erst im folgenden Jahr starten. Das fordert die Fraktion in einem Antrag (20/5985), der am Donnerstag erstmalig auf der Tagesordnung des Bundestages steht. Darin wird die Bundesregierung zudem aufgefordert, „zeitnah ein konkretes, bedarfsgerechtes und mit den Ländern abgestimmtes inhaltliches Konzept vorzulegen“.

Laut Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sollen mit dem Startchancen-Programm „mehr als 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler besonders“ gestärkt werden.

Die Unionsfraktion zitiert in ihrem Antrag ausführlich die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, die sich demnach dafür ausgesprochen hat, mit dem Programm zumindest auf Grundschulebene schon zum kommenden Schuljahr zu beginnen. Die Bundesregierung hingegen habe auf Anfrage der CDU/CSU angegeben, den Start des Programms zum Schuljahr 2024/2025 „als ambitioniertes Ziel“ zu verfolgen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 193 vom 15.03.2023

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat in seiner Sitzung am Mittwoch einstimmig den von der Bundesregierung vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und zur Änderung des Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetzes“ (20/5162) beschlossen. Die abschließende Beratung der Vorlage im Bundestag ist am Donnerstag vorgesehen.

Mit der Neufassung des Gesetzes will die Bundesregierung die Fristen verlängern, innerhalb derer die Länder Bundesmittel zum Ausbau der Kitainfrastruktur abrufen können. Aktuell würden Investitionen im Rahmen des laufenden 5. Investitionsprogrammes „Kinderbetreuungsfinanzierung“ in den quantitativen Kita-Ausbau der Länder gefördert, die bis zum 30. Juni 2022 bewilligt worden sind. Die Gesamtmittel seien nahezu vollständig gebunden. Für die Bauvorhaben seien bereits Mittel in Höhe von mehr als 382 Millionen Euro abgerufen worden (Stand Mitte August 2022). Das bedeute, dass fast 618 Millionen Euro noch nicht abgerufen worden seien, heißt es zur Erläuterung im Gesetzestext. Darin wird auch darauf verwiesen, dass die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Jugend- und Familienministerkonferenz deshalb die Bundesregierung gebeten haben, die Fristen für den Abschluss der Investitionen und für den Mittelabruf gemäß Paragrafen 29 und 30 des Gesetzes über die Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder im Wege einer Gesetzesänderung zu verlängern und die weiteren Fristen des Gesetzes anzupassen, um das Ziel des vollständigen Abrufs der Mittel zur Errichtung bedarfsgerechter Betreuungsplätze für Kinder zu erreichen.

Damit die Länder und Gemeinden die Aufgaben beim Ausbau der Kindertagesbetreuung weiter bewältigen können, wird das Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (KitaFinHG) so geändert, dass der Abschluss der geförderten Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2023 sowie der Abruf der Bundesmittel durch die Länder bis zum 30. Juni 2024 durchgeführt werden können. Außerdem werden darauf aufbauende Fristenregelungen insbesondere für Verwendungsnachweise und für Berichte entsprechend angepasst.

Keine Mehrheit fand im Ausschuss ein Änderungsantrag der Unionsfraktion. Sie hatte vorgeschlagen, die im Gesetzentwurf festgelegten Fristen jeweils um ein weiteres Jahr zu verlängern.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 190 vom 15.03.2023

Ab Mittwoch, 15. März 2023, können Studierende sowie Fachschülerinnen und Fachschüler die Energiepreispauschale beantragen. Dies antwortet die Bundesregierung (20/5856) auf eine Kleine Anfrage (20/5643) der CDU/CSU-Fraktion. Bereits in der neunten Kalenderwoche sei eine Pilotphase angelaufen, in der das Antragsverfahren mit ausgewählten Ausbildungsstätten getestet worden sei. Die 200-Euro-Einmalzahlung könne über eine eigens entwickelte Onlineplattform beantragt werden. Hierfür seien die von der Ausbildungsstätte versandten Zugangsdaten sowie ein BundID-Konto erforderlich.

Am 21. Dezember 2022 trat das „Studierenden-Energiepreispauschalengesetz“ in Kraft. Ziel sei es, Studierende sowie Fachschülerinnen und Fachschüler mit einer Einmalzahlung bei den gestiegenen Lebenshaltungskosten zu entlasten. Die rund 3,5 Millionen Berechtigten hätten nun 6,5 Monate Zeit, das Geld zu beantragen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 181 vom 14.03.2023

Sozialversicherungspflichtige Stellen statt Minijobs: Geht es nach der Fraktion die Linke, sollen die geltenden Minijob-Regelungen aufgehoben und die bereits existierenden Minijobs in sozialversicherungspflichtige Stellen überführt werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf soll die Bundesregierung vorlegen, fordert die Fraktion in einem Antrag (20/5876).

Besonders Frauen seien von der Minijobregelung und der Arbeit im Niedriglohnsektor betroffen, heißt es in dem Antrag. Knapp 80 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Deutschland könnten mit ihrem Einkommen langfristig nicht die Existenz für sich und ein Kind sichern. Bei 38 Prozente liege das Einkommen unter dem Existenzminimum, schreibt die Fraktion. Durch diesen „ökonomischen Missstand“ könnten Abhängigkeiten von „staatlichen Transferleistungen, Familienangehörigen“ und nicht zuletzt Partnerinnen beziehungsweise Partnern entstehen. Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen zu überführen, sei daher ein erster Schritt für „die ökonomische und gesellschaftliche Selbstständigkeit von Frauen“.

Aktuell sind Minijobs, bei denen die Beschäftigten unter 520 Euro monatlich verdienen, nicht sozialversicherungspflichtig und damit auch nicht automatisch kranken- und pflegeversichert. Außerdem zahlen Minijobber nicht in die Arbeitslosenversicherung ein und erhalten dadurch bei Jobverlust auch kein Arbeitslosengeld.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 179 vom 13.03.2023

Mit dem Demokratiefördergesetz will die Bundesregierung Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischer Bildung fördern und stärken. Dies geht aus dem Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung“ (20/5823) hervor. Kernstück des Entwurfes ist die Verankerung eines „gesetzlichen Auftrages es Bundes zur Förderung und Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des zivilgesellschaftlichen Engagements im gesamten Bundesgebiet im Bereich der Demokratieförderung“. Zur Begründung führt die Bundesregierung Beobachtungen, dass Verschwörungsideologien, Desinformation und Wissenschaftsleugnung ebenso wie die Radikalisierung einzelner Gruppen immer weiter zunehmen würden, an.

Durch das Gesetz sollen bundeseigene Projekte ebenso gefördert werden, wie Maßnahmen Dritter, sofern diese von überregionaler Bedeutung seien und mit den formulierten Zielen übereinstimmen. Als mögliche Beispiele nennt der Gesetzentwurf unter anderem das „Bereitstellen von Informationsangeboten und anderer Wissensformate, die Durchführung von Veranstaltungen sowie die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen“. Das Demokratiefördergesetz soll dazu unter anderem Regeln erhalte, wer unter welchen Voraussetzungen Bundesmittel erhalten soll.

In einer Stellungnahme vom 10. Februar 2023 beanstandet der Bundesrat, dass der Gesetzentwurf keinen Bezug auf die Rolle der Länder nehmen würde. Da laut Bundesrat jedoch die Länder an der Umsetzung solcher Präventionsmaßnahmen beteiligt sind und „um Doppelstrukturen zu vermeiden“, müssen sie bei der geplanten Umsetzung des Gesetzes ebenso wie bei der Planung der Förderrichtlinien beteiligt werden. Einen entsprechenden Passus will die Länderkammer in dem Gesetz aufnehmen lassen.

Die Bundesregierung lehnt die Forderung des Bundesrates, eine Beteiligung der Länder gesetzlich zu verankern, ab. Das Demokratiefördergesetz solle lediglich den Rahmen vorgeben, in dem konkrete Maßnahmen erfolgen können. Zwar solle die „konstruktive Zusammenarbeit“ zwischen Bund und Ländern fortgeführt werden, inwieweit diese sich bei der Umsetzung von konkreten Projekte jedoch koordinieren müssten, sei abstrakt nicht feststellbar.

In seiner Stellungnahme kritisierte der Nationale Normenkontrollrat, dass die Darstellung der Kostenfolgen nicht in jeder Hinsicht methodengerecht sei. Das Gremium beanstandet, „dass der Kostenaufwand des Bundes für eigene Maßnahmen auf dem Gebiet der Demokratieförderung nicht ermittelt und dargestellt ist“.

Die Bundesregierung erwidert in ihrer Stellungnahme zu der Stellungnahme, dass die Maßnahmen, die aufgrund des Gesetzes ergriffen werden sollen, von zukünftigen Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers abhängen würden. „Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe zusätzlicher Erfüllungsaufwand entsteht, lässt sich daher, ohne dieser Entscheidung vorzugreifen, nicht ermitteln“, heißt es weiter.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 167 vom 06.03.2023

Die Fraktion Die Linke fordert ein mit 100 Milliarden Euro ausgestattetes Sondervermögen für Bildung. In einem Antrag (20/5821), der am Donnerstag erstmalig im Bundestag beraten werden soll, argumentiert die Fraktion unter anderem mit dem „immensen Sanierungsstau in der Bildung“. Dieser habe seine Ursache in der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, nach der der Bund nicht in den Schul- und Hochschulbau investieren dürfe. Die Finanzierung der Bildung müsse daher endlich als Gemeinschaftsaufgabe verstanden und als solche im Grundgesetz verankert werden, fordern die Linken über die Einrichtung eines Sondervermögens hinaus. „Wer 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr aufgelegt hat, muss sich angesichts des Zustandes des Bildungssystems fragen lassen, warum nicht gleichermaßen 100 Milliarden Euro Sondervermögen für Bildung bereitgestellt werden“, heißt es weiter.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 161 vom 02.03.2023

Mit der Situation von Frauen in ländlichen Räumen hat sich der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner öffentlichen Sitzung am Mittwochmorgen befasst. Im Rahmen eines Fachgespräches plädierten Katrin Brüninghold und Alina Saak von der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Frauen.

„Gleichstellungspolitik ist ein Schlüssel zur regionalen Entwicklung“, betonte Saak. Ihre Organisation setze sich dafür ein, die Zahl der Gleichstellungsbeauftragten zu erhöhen, die finanzielle Ausstattung der Kommunen für diese Aufgabe zu verbessern sowie die Gender- und Frauenperspektive regelmäßig in Förderprogramme der regionalen Entwicklung einzubeziehen. Der Fokus auf die ländlichen Räume ergebe sich daraus, dass 91 Prozent der Fläche Deutschlands dazu zählten, wo 57 Prozent der Bevölkerung lebe. Von landesweit gleichwertigen Lebensverhältnissen, wie es die Bundesregierung als Ziel ausgegeben habe, sei man noch weit entfernt. Den Unterschied machten nicht nur Stadt und Land, sondern auch das Geschlecht. „Frauen haben zwar höhere Bildungsabschlüsse, verdienen aber weniger Geld.“

Deutlich werde die wirtschaftliche Benachteiligung von Frauen an deren viel größerem Anteil an der unbezahlten häuslichen Sorgearbeit. Dieser Anteil steige um so stärker, je dünner besiedelt eine Gegend sei, erläuterte Saak. „Auf dem Land ist das Gender Care Gap am größten.“ Dort kümmerten sich Männer durchschnittlich knapp über zwei Stunden, Frauen jedoch mehr als vier Stunden täglich um Haushalt, Kinder und alte Familienangehörige. Die meisten Familien funktionierten dort nach dem Modell, dass der Mann einer Erwerbstätigkeit in Vollzeit nachgehe, die Frau jedoch lediglich einer Teilzeitbeschäftigung.

Um diesen Hindernissen in der Lebensplanung von Frauen und auch deren Abwanderung aus ländlichen Gegenden entgegenzuwirken, gelte es die Gleichstellungspolitik dort als Instrument der regionalen Entwicklung zu stärken. Die Gleichstellung voranzutreiben sei Aufgabe des Staates und damit der kommunalen Verwaltungen. Sie müsse dort als Querschnittsaufgabe verankert, auf jeder Ebene mitgedacht und bereits während der Ausbildung vermittelt werden, führte die Sachverständige aus. Ab einer Bevölkerungszahl von 20.000 Einwohnern empfehle die Bundesarbeitsgemeinschaft eine Gleichstellungsbeauftragte im Umfang einer 50-Prozent-Stelle.

Brüninghold und Saak mahnten außerdem, dem Thema Gewalt gegen Frauen eine höhere Aufmerksamkeit zu schenken, die Finanzierung von Frauenhäusern als Zufluchtsort sicherzustellen, die Zahl der Plätze dort zu erhöhen und damit die Vereinbarungen der Istanbul Konvention umzusetzen. Lediglich Bremen und Sachsen-Anhalt erfüllten bislang die dort festgeschriebenen Mindestanforderungen.

Zu den Empfehlungen gehörte auch, dem Mangel an Geburtsstationen entgegenzuwirken, die Angebote der Ganztagskinderbetreuung auszubauen, flächendeckende Qualitätsstandards für Kita und Schule einzuführen sowie ein flächendeckendes Angebot an Ärzten, um es Frauen zu ermöglichen Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Um den Bedürfnissen von Frauen und Kindern gerecht zu werden müssten zudem deren Bedürfnisse bei der Verkehrsplanung berücksichtigt werden. Und schließlich müssten die Landkreise die Digitalisierung und die Versorgung mit Glasfaserkabel vorantreiben. Die seien für eine flexible Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit unabdingbar.

Die Aufzeichnung der öffentlichen Sitzung des Familienausschusses steht am Mittwoch ab 17.30 Uhr zum Abruf bereit: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw09-pa-familie-32-sitzung-935018

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 150 vom 01.03.2023

Aus Sicht der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände braucht es eine Verlängerung der Fristen des 5. Investitionsprogrammes „Kinderbetreuungsfinanzierung“ um zwölf Monate, wie von der CDU/CSU-Fraktion in einem Gesetzentwurf (20/5544) gefordert, statt einer Verlängerung von sechs Monaten wie von der Bundesregierung (20/5162) geplant. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montagnachmittag deutlich.

Nur bei einer Fristverlängerung um zwölf Monate könnten die Kommunen in die Lage versetzt werden, den unstreitig weiter erforderlichen Platzausbau bedarfsgerecht gemeinsam mit Trägern realisieren zu können, und ihnen hierfür die notwendigen Zeiträume unter anderem für den Abschluss der Investitionen und für den Mittelabruf zur Verfügung zu stellen, sagte Ursula Krickl vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Mit Blick auf das im Koalitionsvertrag angekündigte 6. „Investitionsprogramm Kinderbetreuungsfinanzierung“ forderte sie eine Finanzierung durch den Bund „mit originären Bundesmitteln“ statt mit Mitteln aus dem auf EU-Vorgaben aufsetzenden Deutschen Aufbau- und Resilienzplan (DARP).

Für eine solche Fristverlängerung plädierte auch Stefan Hahn, Beigeordneter beim Deutschen Städtetag. Diese erscheine auch mit den Vorgaben der Europäischen Union zum DARP vereinbar, befand er. Eine erneute Fristverlängerung dürfe jedoch nicht zu einer weiteren Verzögerung der Verwaltungsvereinbarung II zwischen Bund und Länder führen, fügte er hinzu. Ein zeitnaher Abschluss der Verwaltungsvereinbarung II und damit die Ausschüttung weiterer Investitionsmittel sei zwingend geboten.

Der Deutsche Landkreistag begrüßt nach Aussage von Bettina Dickes ausdrücklich das Vorhaben, die Fristen in den Förderprogrammen zum Ausbau der Infrastruktur zur Tagesbetreuung für Kinder sowie beim Infrastrukturausbau in der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder zu verlängern. Die ablehnende Gegenäußerung der Bundesregierung zu einer entsprechenden Bundesratsinitiative, wonach mit Blick auf die Finanzierung des 5. Kita-Investitionsprogramms aus dem DARP und den dort vorgesehenen Fristen eine derartige Verlängerung nicht möglich sei, „trägt unseres Erachtens nicht“, befand sie.

Der Bürgermeister der Samtgemeinde Hesel (Niedersachsen), Uwe Themann, zeigte einen konkreten Fall auf, bei dem die Rückzahlung gewährter Zuwendungen zuzüglich Zinsen drohe. Weil die Fertigstellung einer geplanten Mensa für die Ganztagsschule im vorgegebenen Zeitraum bis Ende 2022 nicht möglich gewesen sei, habe die Gemeinde eine Fristverlängerung beantragt, die vom zuständigen Landesamt unter Verweis auf entsprechende Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern abgelehnt worden sei. „Das ist für eine finanzschwache Kommune wie unsere ein KO-Schlag“, sagte der Bürgermeister.

Maria-Theresia Münch vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge plädierte dafür, die Möglichkeit des Abschlusses der geförderten Maßnahmen bis zum 30. Juni 2024 sowie den Abruf der Bundesmittel durch die Länder bis zum 31. Dezember 2024 zu verlängern. Die Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie, des Krieges in der Ukraine wie auch der wieder anwachsenden Fluchtbewegungen hätten im aktuell laufenden 5. Investitionsprogramm des Bundes zu erheblichen Verzögerungen geführt. Insbesondere gelte es dafür Sorge zu tragen, dass die betreffenden Kommunen nicht in die Lage kommen, bereits abgerufene Mittel verzinst wieder zurückzahlen zu müssen, betonte sie.

Professor Thomas Rauschenbach von der Technischen Universität Dortmund verwies darauf, dass die Mehrheit der Länder zwischen 80 und 100 Prozent der Mittel abgerufen hätten. Dass der Freistaat Bayern bei der Abrufquote stark abfalle, habe eher damit zu tun, „dass der politische Wille fehlt, dieses voranzutreiben“, befand er. Es sei also weniger von einem kommunalen Problem als vielmehr von einem Problem auf Landesebene zu sprechen. Rauschenbach forderte ebenfalls, Härtefälle zu regeln. Es müsse aber auch der Wettbewerb gelten, „damit die Dinge vorangetrieben werden, sonst werden wir bis 2026 keinen Rechtsanspruch auf die Ganztagsgrundschule erreichen“.

Doreen Siebernik von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte einen bundeseinheitlichen Qualitätsrahmen. „Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis darüber, was wir unter Ganztagsschule, unter Ganztagsbetreuung verstehen“, sagte sie. Gleichzeitig brauche es Klarheit darüber, wie man an Ganztagsschulen zu Arbeitsverhältnissen komme, „die tatsächlich erwerbssichernd und auskömmlich sind“. Siebernik sprach sich zudem dafür aus, auch die Kinder selber stärker an der Ausgestaltung der Ganztagsbetreuung zu beteiligen. „Kinder können sehr gut formulieren, wie sie sich eine gute Schule vorstellen“, sagte sie.

Eine europarechtliche Einordnung nahm Soultana Paschalidou, Senior Economic Advisor bei der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, vor. Werde ein mit der EU-Kommission vereinbarter Meilenstein oder ein Ziel, das bis Ende 2025 oder bis Anfang 2026 erreicht werden soll, nicht erreicht, „könnte es sich als schwierig erweisen, das Nicht-Erreichen innerhalb der Frist der Fazilität bis Ende 2026 zu korrigieren“, sagte sie. Paschalidou wies zugleich daraufhin, dass die EU-Kommission in ständigem Kontakt mit den deutschen Behörden stehe, um die erfolgreiche Umsetzung des DARP sicherzustellen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 132 vom 27.02.2023

Im Dezember 2022 hat es 308.420 Kinderzuschlagsberechtigte gegeben. Mit dem Kinderzuschlag wurden in demselben Monat 799.636 Kinder erreicht. Im Januar 2022 waren es 273.329 Kinderzuschlagsberechtigte beziehungsweise 696.320 damit erreichte Kinder. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung (20/5673) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (20/5210) hervor. Die Antwort enthält ferner unter anderem erfragte tabellarische Daten zum Aufkommen der Anträge nach Bundesländern in den vergangene Jahren, zu Ablehnungsgründen und zur durchschnittlichen Bearbeitungsdauer. Kinderzuschlag erhalten Menschen, deren Einkommen ausreicht, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, aber nicht oder nur knapp, um für den Bedarf der Familie aufzukommen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 126 vom 22.02.2023

Die Bundesregierung macht noch keine konkreten Angaben zu Eckwerten des angekündigten Startchancen-Programms. Mit dem Programm sollen laut Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien mehr als 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler besonders gestärkt werden. Wie die Bundesregierung in einer Antwort (20/5596) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/5374) schreibt, befinde sie sich aktuell im ständigen Austausch mit Ländern und Wissenschaft, um das Programm „evidenzbasiert und nachhaltig“ auszugestalten. „Sobald der fachliche Austausch einen hinreichenden Grad der Konkretisierung erreicht hat und die ressortübergreifenden Abstimmungen abgeschlossen sind, werden die konzeptionellen Überlegungen in geeigneter Weise kommuniziert“, heißt es weiter.

Auch zur finanziellen Ausstattung gibt die Bundesregierung keine Auskunft. Diese werde zunächst Gegenstand des anlaufenden Haushaltsaufstellungsverfahrens und der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung sein.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 125 vom 22.02.2023

Die Bundesregierung leistet nach eigener Aussage mit umfangreichen Entlastungspaketen und präventiven Leistungen wie dem Wohngeld Plus sowie dem Bürgergeld „einen aktiven Beitrag zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit“. Außerdem stelle der Bund den Ländern in den Jahren 2022 bis 2026 Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau in der Rekordhöhe von 14,5 Milliarden Euro zur Verfügung, heißt es in der Antwort der Regierung (20/5681) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (20/5204).

Die Länder könnten im Rahmen ihrer ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz auch einen zielgruppenspezifischen sozialen Wohnungsbau unter anderem für obdachlose Menschen betreiben, „soweit im Übrigen die Vorgaben zum Einsatz der Finanzhilfen erfüllt sind“, schreibt die Bundesregierung. Bereits jetzt bestehe darüber hinaus die Möglichkeit, barrierearme und niedrigschwellige Hilfe durch die Paragrafen 67ff des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu erhalten. Voraussetzungen der so genannten Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß Paragraf 67 SGB XII seien besondere Lebensverhältnisse sowie soziale Schwierigkeiten und die mangelnde Fähigkeit zur Bewältigung aus eigener Kraft.

Gerade im Bereich der Obdachlosigkeit könnten hier beispielsweise Hilfen in Form des ambulant betreuten Wohnens angewendet werden, heißt es in der Vorlage. Ziel sei, die besonderen Lebensverhältnisse und die damit verbundenen sozialen Schwierigkeiten so zu verändern, „dass die selbstständige Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft menschenwürdig möglich ist“. Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Wohnungslosigkeit, dessen Erarbeitung im Jahr 2023 erfolge, werde die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern und Kommunen sowie der Zivilgesellschaft prüfen, welche weiteren Maßnahmen realisiert werden sollten.

Zur Beantwortung der Nachfrage nach Bildungsangeboten, die auf den Abbau von Ressentiments und Vorurteilen gegenüber Obdachlosen zielen, verweist die Bundesregierung in der Antwort auf das im Europäischen Sozialfonds (ESF) angelegte EhAP Plus Programm. Im Rahmen dessen würden unter anderem Workshops zur Sensibilisierung und interkulturellen Schulung insbesondere von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern öffentlicher Verwaltungen, Einrichtungen des regulären Hilfesystems sowie Trägern der sozialen Arbeit vor Ort bezogen auf die Lebenslagen und den Abbau von Ressentiments und Vorurteilen gegenüber Obdachlosen gefördert. Die Bundesregierung werde gemeinsam mit ihren Partnern im Rahmen der Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans Wohnungslosigkeit prüfen, „ob und wie weitere Angebote in diesem Bereich geschaffen werden können“.

Zur Nachfrage der Linksfraktion, wie viele Platzverweise die Firma DB Sicherheit seit 2017 an Bahnhöfen gegen wohnungslose Menschen ausgesprochen hat, heißt es in der Antwort: Die Deutsche Bahn AG (DB AG) könne aus Rechtsgründen keine „Platzverweise“ aussprechen. Dies könne nur die Bundes- oder Länderpolizei.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 124 vom 21.02.2023

Gender Care Gap und Gender Pay Gap nach wie vor groß – Lücken entstehen vor allem in Phase der Familiengründung – Deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland – Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld sowie Reform von Ehegattensplitting und Minijobs können für mehr Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt sorgen

Frauen erhalten in Deutschland noch immer einen im Durchschnitt um 18 Prozent geringeren Stundenlohn als Männer. Der Gender Pay Gap, also die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern, variiert jedoch stark mit dem Alter und nimmt ab der Phase der Familiengründung enorm zu. Wie eine aktuelle Analyse der Forschungsgruppe Gender Economics des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt, gilt das auch mit Blick auf die Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei der unbezahlten Sorgearbeit. Dazu zählen die Kinderbetreuung, Hausarbeit und Pflege von Angehörigen. Auch der Gender Care Gap schnellt im typischen Alter der Familiengründung nach oben und ist noch weitaus größer als beim Lohn. „Die Familiengründung ist sowohl für die Zeitverwendung als auch für die Lohnentwicklung vieler Frauen ein einschneidendes Ereignis“, resümiert Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Clara Schäper und Annekatrin Schrenker hat Wrohlich anlässlich des heutigen Equal Care Days und des bevorstehenden Equal Pay Days Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 2010 bis 2020 ausgewertet.

Demnach ist der Gender Gap in der Sorgearbeit bei den 20- bis 24-jährigen Erwerbstätigen mit 25 Prozent zwar auch schon beträchtlich, aber im Vergleich zu später noch klein. Bei den 35- bis 39-Jährigen steigt er dann sprunghaft an: Frauen leisten in dieser Altersspanne mehr als doppelt so viel unbezahlte Sorgearbeit wie Männer, in erster Linie Kinderbetreuung. Das entspricht einem Gender Care Gap von 106 Prozent. Betrachtet man nicht nur Erwerbstätige, sondern alle Frauen und Männer, beträgt der Gender Care Gap in dieser Altersgruppe im Durchschnitt sogar 170 Prozent. Das entspricht fast neun Stunden Sorgearbeit pro Tag bei Frauen im Vergleich zu etwa drei Stunden bei Männern.

„Die Familiengründung ist sowohl für die Zeitverwendung als auch für die Lohnentwicklung vieler Frauen ein einschneidendes Ereignis.“ Katharina Wrohlich

Ab dem Alter von 40 Jahren nimmt der Gender Care Gap dann sukzessive wieder ab – im Gegensatz zu den Verdienstunterschieden, die konstant hoch bleiben. „Dafür, dass Frauen im Beruf für die Familie zurückstecken, zahlen sie mit Blick auf ihr Gehalt also auch dann noch, wenn die Kinder längst aus dem Haus sind“, sagt Co-Autorin Clara Schäper. In der Analyse zeigen sich zudem deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland: Die grundsätzlichen Tendenzen über den Lebensverlauf sind zwar in beiden Landesteilen ähnlich, doch insbesondere bei der Sorgearbeit im Alter der Familiengründung sind die Unterschiede beträchtlich: Während der Gender Care Cap in Ostdeutschland in dieser Altersspanne etwa 60 Prozent nicht übersteigt, liegt er in Westdeutschland mit fast 120 Prozent ungefähr doppelt so hoch. „Frauen kehren in Ostdeutschland oft früher in den Beruf zurück und arbeiten zudem häufiger in Vollzeit“, erklärt Schäper.

Politik sollte mehr Anreize für gleichmäßige Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit setzen

Wenn die Politik das Ziel der Chancengleichheit für Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt ernsthaft verfolgen wolle, müsse sie den Studienautorinnen zufolge vor allem mehr Anreize für eine gleichmäßigere Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit in Partnerschaften setzen. Eine Möglichkeit wäre, die Zahl der Partnermonate beim Elterngeld zu erhöhen. Bisher müssen Väter nur zwei Monate Elternzeit nehmen, damit Eltern das Maximum von 14 Monaten Elterngeld in Anspruch nehmen können. Die Zahl der Partnermonate könne schrittweise auf bis zu sieben Monate angehoben werden. Alternativ könne man die Lohnersatzrate so ausgestalten, dass der finanzielle Vorteil bei einer gleichmäßigen Aufteilung am größten ist. Auf die Agenda gehöre aber auch eine Reform des Ehegattensplittings und der Minijobs, so Wrohlich: „Beides sorgt bisher dafür, dass es sich für viele Frauen nicht lohnt, in größerem Umfang erwerbstätig zu sein. Entsprechende Reformen hätten nicht nur wichtige gleichstellungspolitische Wirkungen, sondern könnten auch den Arbeitskräftemangel lindern.“

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. 01.03.2023

KiBS-Studie des DJI beschreibt hohen Betreuungsbedarf sowie Differenz zwischen elterlichem Bedarf und tatsächlicher Nutzung eines Betreuungsplatzes

 

Wie viele Eltern haben Bedarf an Kinderbetreuung und welche Betreuungsform wünschen sie sich? Wie hat sich der Bedarf in den vergangenen Jahren entwickelt? Diese und weitere Fragen müssen geklärt werden, um den Status Quo und den Bedarf des quantitativen Ausbaus der Kindertagesbetreuung in Deutschland zu ermitteln und zu steuern.

Im Rahmen der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) des Deutschen Jugendinstituts (DJI) analysieren die Forschenden daher mittels einer jährlichen, länderrepräsentativen Elternbefragung Betreuungsbedarf und Betreuungssituation von Kindern ab der Geburt bis zum Ende der Grundschulzeit. Die Studie ermittelt seit mittlerweile elf Jahren auch Diskrepanzen zwischen dem Bedarf und der Verfügbarkeit von Kindertagesbetreuung.

Die jetzt vorliegende Studie 1 des DJI-Kinderbetreuungsreports 2022 befasst sich mit dem elterlichen Betreuungsbedarf bei unter dreijährigen Kindern (U3-Kinder) und Kindern zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt (U6-Kinder). Die zweite und dritte Welle der Corona-Pandemie, die in den Zeitraum der Erhebung fielen, sorgten immer wieder für Kita-Schließungen und unsichere Betreuungssituationen.

Laut dem jährlich erscheinenden Bericht „Kindertagesbetreuung Kompakt – Ausbaustand und Bedarf 2021“ des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ), in welchen auch die KiBS-Daten miteinfließen, betrug die Betreuungsquote im Jahr 2021 trotz des unsteten und unsicheren Betreuungsalltags bei unter Dreijährigen 34,4 Prozent. Stellt man die Quote den elterlichen Bedarfen gegenüber, lag die Differenz zwischen Betreuungsquote und Bedarf bei Eltern von U3-Kindern dennoch bei 12,4 Prozent (siehe Kindertagesbetreuung Kompakt 2022). „Diese Differenz ist gerade bei Kindern unter drei Jahren groß. Jährlich melden uns deutlich mehr Eltern einen Betreuungsbedarf als tatsächlich einen Platz zur Verfügung hatten. Um dem elterlichen Bedarf gerecht werden zu können, müsste das Angebot an Kindertagesbetreuung weiter ausgebaut werden und auch die zeitliche Passgenauigkeit müsste sich stärker an den Bedürfnissen der Eltern orientieren“, empfiehlt die DJI-Wissenschaftlerin Theresia Kayed.

Fast die Hälfte der Eltern mit einem U3-Kind hat einen Betreuungsbedarf

Fast die Hälfte der Eltern mit einem Kind unter drei Jahren wünschte sich einen Betreuungsplatz. Die Forschenden beobachteten mit zunehmendem Alter des Kindes steigende Bedarfe. Dabei haben Eltern in Westdeutschland einen etwas geringeren Bedarf als Eltern in Ostdeutschland.

Ein Großteil der Eltern von U3-Kindern in Westdeutschland bevorzugte Betreuungszeiten im Umfang von bis zu 35 Stunden wöchentlich. Eltern in Ostdeutschland wollten mehrheitlich eine Betreuung mit mehr als 35 Stunden wöchentlich. Ganztagsplätze mit mehr als 45 Stunden wöchentlich werden immer seltener gewünscht. Auch wenn ein Betreuungsplatz vorhanden war, war bei Eltern mit ein- oder zweijährigen Kindern eine Abdeckung der gewünschten Betreuungszeiten nicht immer möglich, in Westdeutschland dabei seltener als in Ostdeutschland.

In den Jahren 2020 und 2021 wünschten Eltern mit einem Kind unter drei Jahren etwas seltener eine Betreuung als noch vor der Corona-Pandemie. Dies ist vor allem bei Eltern von einjährigen Kindern der Fall. Wegen der nach wie vor bestehenden Lücke zwischen Betreuungsbedarf und -verfügbarkeit sollten die Plätze in der Kindertagesbetreuung trotzdem aufgestockt werden, empfehlen die Autorinnen und Autoren der Studie.

Fast alle Eltern eines Kindes zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt wünschten sich im Jahr 2021 eine Betreuung für ihr Kind. Die Nachfrage nach kürzeren Betreuungsumfängen war bei Eltern in Westdeutschland größer als bei Eltern in Ostdeutschland. Bei einem Großteil der Eltern von U6-Kindern ist der Bedarf zeitlich gedeckt. Trotzdem nutzten 8 Prozent der Eltern einen Betreuungsplatz in einem geringeren Umfang als eigentlich gewünscht.

DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS)

Seit sechs Jahren erarbeitet das KiBS-Team jährlich eine Reihe von vertieften Analysen, die im Format des DJI-Kinderbetreuungsreports als Serie thematisch fokussierter Studien verfügbar sind. Die Auswertungen beschäftigen sich etwa mit den Kosten der Kindertagesbetreuung, den Gründen für eine Nichtinanspruchnahme von Kindertagesbetreuung oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Report 2022 werden die zentralen Indikatoren der Erhebung aus dem Jahr 2021 vorgestellt.

Seit dem Jahr 2016 werden auch die elterlichen Bedarfe für Grundschulkinder erhoben und ausgewertet. Detaillierte Ergebnisse zu den Betreuungsbedarfen der Kinder im Grundschulalter sind in Studie 2 des Reports 2022 zu finden. Vor dem Hintergrund eines ab dem Jahr 2026 geltenden Rechtsanspruchs auf ganztägige Betreuung für Grundschulkinder gibt sie Einblicke in die Betreuungssituation.

KiBS wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Die Forschungsergebnisse werden unter anderem in der Broschüre „Kindertagesbetreuung Kompakt“ des BMFSFJ publiziert, dort vor allem zu den Themen des Betreuungsbedarfs sowie zu Häufigkeit und Umfang der tatsächlichen Nutzung der Kindertagesbetreuung.

 

Pressemitteilung
https://www.dji.de/veroeffentlichungen/aktuelles/news/article/angebote-der-kindertagesbetreuung-weiter-ausbauen.html

Der Betreuungsbedarf bei U3- und U6-Kindern, DJI-Kinderbetreuungsreport 2022, Studie 1 von 6, Theresia Kayed, Johannes Wieschke, Susanne Kuger, 49 Seiten, ISBN: 978-3-86379-454-5 (PDF)
https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/KiBS/Kinderbetreuungsreport_2022_Studie1_Bedarfe_U3U6.pdf

Allgemeine Informationen zur DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS)
https://www.dji.de/KiBS

„Kindertagesbetreuung Kompakt – Ausbaustand und Bedarf 2021“ des BMFSFJ
https://www.fruehe-chancen.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Kindertagesbetreuung-Kompakt-ausbaustand-und-bedarf-2021.pdf

Themenseite Kinderbetreuung
https://www.dji.de/themen/kinderbetreuung.html

Quelle: Pressemitteilung DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) 02.03.2023

Die Inflationsrate in Deutschland ist mit 8,7 Prozent im Februar weiterhin sehr hoch und gegenüber Januar unverändert geblieben. Familien sowie Alleinlebende mit jeweils niedrigen Einkommen hatten im Februar mit je 9,9 Prozent die höchste Inflationsbelastung zu tragen, Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 7,4 Prozent die mit Abstand niedrigste. Die soziale Schere bei der haushaltsspezifischen Belastung durch die Teuerung ist somit bei einem Abstand von 2,5 Prozentpunkten weiter weit geöffnet, trotz eines minimalen Rückgangs gegenüber Januar, als es 2,6 Prozentpunkte waren. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen berechnet.*

Ebenfalls etwas überdurchschnittliche Inflationsbelastungen trugen im Februar Alleinerziehende (9,2 Prozent) sowie Familien (9,0 Prozent) mit jeweils mittleren Einkommen. Alleinlebende sowie kinderlose Paarhaushalte mit jeweils mittleren Einkommen lagen mit Inflationsraten von 8,8 bzw. 8,7 Prozent nahe am oder im Durchschnitt aller Haushalte. Alleinlebende und Familien mit jeweils höheren Einkommen wiesen leicht unterdurchschnittliche Raten von 8,5 bzw. 8,4 Prozent auf (siehe auch die Informationen zur Methode unten und die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten).

Die leichte Verschiebung bei den größten Preistreibern – Energie hat im Februar etwas an Einfluss auf die Inflation verloren, höhere Kosten für Nahrungsmittel legten an Gewicht zu – habe am Muster bei den haushaltsspezifischen Teuerungsraten kaum etwas geändert, erklärt IMK-Inflationsexpertin Dr. Silke Tober: „Die stark gestiegenen Preise für Nahrungsmittel und Haushaltsenergie stellen insbesondere für einkommensschwächere Haushalte eine Belastung dar, weil dort der Anteil dieser Güter des Grundbedarfs an den Konsumausgaben überdurchschnittlich hoch ist.“ So machten diese beiden Komponenten bei ärmeren Alleinstehenden 7,1 Prozentpunkte von 9,9 Prozent haushaltsspezifischer Inflationsrate im Februar aus, bei Familien mit niedrigeren Einkommen summierten sie sich auf 6,6 Prozentpunkte. Bei Alleinlebenden mit hohen Einkommen trugen Nahrungsmittel und Haushaltsenergie hingegen lediglich 2,8 Prozentpunkte zur Inflationsrate von 7,4 Prozent bei.

Das Problem, dass Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen auch höhere Inflationsbelastungen tragen, wird dadurch verschärft, dass viele nur geringe finanzielle Rücklagen haben und vor allem Ärmere grundsätzlich besonders unter starker Teuerung leiden. Denn die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, sind kaum zu ersetzen.

Gewinnsteigerungen haben die Inflation zunehmend angetrieben

Aktuell habe die soziale Schieflage bei der Inflationsbelastung noch eine zweite Komponente, analysiert der wissenschaftliche Direktor des IMK, Prof. Dr. Sebastian Dullien: In den Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zeige sich, dass die Gewinne von Unternehmen zuletzt in vielen Wirtschaftsbereichen stärker gestiegen sind als die gesamtwirtschaftliche Teuerung. „Damit sind Gewinnsteigerungen zunehmend zum Inflationstreiber geworden. Auffällig ist das etwa in den Bereichen Transport, Handel und Gastgewerbe, Bau und Landwirtschaft“, sagt Dullien. Und betont gleichzeitig: „Ein steigender Inflationsdruck durch überhöhte Lohnabschlüsse ist bisher weder in Deutschland noch in den anderen großen Euro-Ländern zu beobachten.“

Mit Blick auf die kommenden Monate erwarten die Fachleute des IMK eine Abschwächung bei den Gewinnmargen und eine Entspannung bei der allgemeinen Preisentwicklung. Ab März dürfte die Inflationsrate allein schon aufgrund von so genannten Basiseffekten niedriger ausfallen. Das liegt daran, dass insbesondere die Energiepreise 2022 im Vergleichszeitraum, kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, geradezu explodiert waren. Hinzu komme die Deckelung der Preise für Gas, Strom und Fernwärme sowie bereits seit Oktober 2022 sinkende Marktpreise für Heizöl, analysiert Silke Tober.

Mit einer gewissen Sorge blickt die Inflationsexpertin allerdings auf den fortgesetzten Anstieg der Nahrungsmittelpreise – obwohl auf den internationalen Rohstoffmärkten der Trend seit Längerem nach unten geht. Es müsse sich erst noch zeigen, ob im Februar zu beobachtende Preissenkungen bei einzelnen Produkten wie Butter, Milch, Speiseöl oder Kaffee Vorboten sinkender Preise auf breiterer Front sind, oder nicht.   

Informationen zum Inflationsmonitor

Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung 15.03.2023

Weibliche Beschäftigte sind mit Blick auf die digitale Zukunft bei ihrer beruflichen Tätigkeit gegenüber männlichen spürbar im Nachteil. Frauen und Männer arbeiten heute zwar ähnlich häufig am Computer: Bei der Verwendung von fortgeschrittener und spezialisierter Software sowie bei der Nutzung vernetzter digitaler Technologien wie Cloud-Diensten zeigen sich aber erhebliche Unterschiede. Besonders groß ist der Rückstand bei Frauen, die Teilzeitstellen haben. Dementsprechend schätzen weibliche Beschäftigte im Durchschnitt ihre Berufschancen auf einem zunehmend digitalisierten Arbeitsmarkt als schlechter ein: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich berufstätige Frauen gut auf den Umgang mit vernetzten digitalen Technologien vorbereitet fühlen, liegt bei 34 Prozent. Dagegen sind es unter männlichen Beschäftigten immerhin 49 Prozent. Frauen erwarten nur mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 10 Prozent, dass sich durch Digitalisierung ihre Arbeitsmarktaussichten verbessern, gegenüber 18 Prozent bei Männern. Das ergibt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung im Vorfeld des Internationalen Frauentags am 8. März.*

Die Untersuchung basiert auf Befragungsdaten des repräsentativen Nationalen Bildungspanels (NEPS) unter rund 4000 Beschäftigten. Mögliche Unterschiede in höchstem Bildungsabschluss, Alter oder Migrationshintergrund wurden statistisch berücksichtigt, sie spielen also bei den geschlechtsspezifischen Differenzen keine Rolle. Wenn zusätzlich Faktoren wie der berufliche Status oder die Tätigkeit von weiblichen und männlichen Beschäftigten berücksichtigt werden, wird der Nachteil der Frauen zwar kleiner, er bleibt aber meist statistisch signifikant. Die Ausweisung der Ergebnisse als Wahrscheinlichkeiten statt als relative Häufigkeiten ergibt sich aus den dabei verwendeten statistischen Regressionsmodellen.

„Die digitale Transformation kann die Geschlechterungleichheit auf dem Arbeitsmarkt verstärken – und zwar aufgrund des bestehenden Gender Digital Gap“, analysiert WSI-Forscherin und Studienautorin Dr. Yvonne Lott die neuen Befunde. Zwar üben aktuell deutlich mehr Männer (7,1 Millionen) als Frauen (4,2 Millionen) Berufe aus, bei denen viele Tätigkeitsanteile auch von Computern übernommen werden können. Der Abstand beim so genannten „Substituierbarkeitspotenzial“ ist zwischen 2013 und 2019 aber spürbar kleiner geworden: Gemessen an allen Männern bzw. Frauen, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, von 19 auf 13 Prozentpunkte, zeigt eine ergänzende Analyse von Forscherinnen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Zudem ist die Spannbreite bei Berufen, die häufig von Frauen ausgeübt werden, besonders ausgeprägt: Während etwa bei Sozialberufen vergleichsweise wenig technisch substituiert werden kann, ist das Potenzial zum Beispiel bei Bürokauffrauen besonders groß. Und schließlich würden in frauendominierten Berufen solche Rationalisierungspotenziale häufiger auch tatsächlich umgesetzt als bei Berufen, in denen viele Männer arbeiten, schreiben die IAB-Expertinnen Dr. Carola Burkert, Dr. Katharina Dengler und Dr. Britta Matthes. Es gingen also bislang in Berufen mit vielen weiblichen Beschäftigten besonders häufig Jobs durch Automatisierung verloren.

Vor diesem Hintergrund nennt Studienautorin Lott zwei zentrale Punkte, an denen sich dringend etwas ändern muss:

– Erstens sei intensive und kontinuierliche Weiterbildung in digitalen Technologien angesichts der laufenden Transformation der Arbeitswelt natürlich für alle Beschäftigten notwendig, unabhängig vom Geschlecht. Allerdings dokumentiere die Forschung bei der Qualifizierung seit langem eine geschlechtsspezifische Schlagseite: Frauen erhalten seltener und kürzere Weiterbildungen als Männer, und diese erhöhten auch seltener die Chance auf Beförderung oder Lohnerhöhungen. Daher sei es zentral, dass der Staat, etwa bei der Förderung von Qualifizierungen, gleiche Chancen für weibliche Beschäftigte in den Vordergrund stelle. Zudem empfiehlt Lott, dass Digital-Kompetenzen verstärkt bereits in der frühkindlichen Bildung und an Schulen vermittelt werden müssten, bevor sich geschlechtsspezifische Segmentierungen und Diskriminierungen einstellten. Das mache auch Ausbildungen oder ein Studium im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) für Frauen attraktiver. Eine gendersensible Qualifizierungsstrategie gerade bei digitalen Techniken helfe dabei nicht nur den betroffenen Frauen, sondern sei angesichts des demografischen Wandels auch gesamtwirtschaftlich extrem sinnvoll.   

– Zweitens plädiert die WSI-Forscherin für eine neue Arbeitskultur weg von sehr langen Arbeitstagen, zeitlicher Entgrenzung und Stigmatisierung von Teilzeitarbeit, wie sie gerade in der IKT-Branche verbreitet sei. Solche Prägungen trügen dazu bei, dass selbst in Digital-Unternehmen beschäftigte qualifizierte Frauen eher am Rande blieben, zitiert Lott aus der Forschung. „Die Norm der idealen Arbeitskraft, die im Leben keine anderen Verpflichtungen außer der Erwerbsarbeit hat, muss durch eine neue Arbeitszeitnorm ersetzt werden, die den tatsächlichen diversen Lebensrealitäten der Beschäftigten Rechnung trägt“, erklärt Lott. Auch hier sei ein Fortschritt für weibliche Beschäftigte zwar besonders wichtig, weil sie durch solche Strukturen häufig ausgebremst würden, sobald sie Kinder haben. Die positive Wirkung beschränke sich aber keineswegs auf Frauen, betont, die Wissenschaftlerin. Denn andernfalls drohe generell, dass sich die Arbeitszeitanforderungen „ins Digitale verlagern und dort in einem digitalen Präsenzverhalten kulminieren, das keine räumlichen und zeitlichen Grenzen der Erwerbsarbeit mehr kennt.“ Wie real dieses Risiko ist, hat für Lott die Erfahrung vieler Beschäftigter im Corona-Homeoffice gezeigt, dass Arbeit und Freizeit zunehmend verschwimmen.        

Ergebnisse der Untersuchung im Detail (siehe auch die Grafiken in der pdf-Version dieser PM; Link unten):

Komplexere Technologie, größere Differenz. Lotts Auswertung des NEPS zeigt: Frauen und Männer nutzen Computer und Standardsoftware im Job annähernd gleich häufig: So liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen bzw. Männer mit Standardsoftware arbeiten bei 94 bzw. 95 Prozent. Doch darüber hinaus gilt: Je anspruchsvoller eine Softwareanwendung ist, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass Frauen sie nutzen (siehe Abbildung 1 in der pdf-Version). Das zeigt sich schon bei der fortgeschrittenen Anwendung von Standardsoftware wie zum Beispiel dem Schreiben von Makros oder anderen Skripten. Diese verwenden Männer mit knapp 36 Prozent Wahrscheinlichkeit, Frauen nur mit 25 Prozent. Noch größer ist der Unterschied bei speziellerer Software wie CAD-Programmen, Programmen für Desktop-Publishing oder für statistische Analysen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Männer mit solchen speziellen Programmen arbeiten, liegt bei 50 Prozent, unter Frauen hingegen bei nur 34 Prozent.

Geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen auch bei der Verwendung vernetzter digitaler Technologien wie Online-Plattformen, E-Mails, Tablets, Cloud-Diensten und sich selbst steuernden oder selbst-lernenden Computersystemen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeit stark durch vernetzte digitale Technologien geprägt ist, liegt unter Männern bei 54 Prozent und bei Frauen bei 44 Prozent. Mit Programmiersprachen arbeitet insgesamt nur ein kleiner Teil der Beschäftigten. Zugleich ist der geschlechtsspezifische Unterschied aber besonders drastisch: Die Wahrscheinlichkeit der Nutzung beträgt für Männer fast 10 Prozent, für Frauen nur 2 Prozent.

Teilzeitbeschäftigte Frauen besonders weit zurück. Besonders ausgeprägt ist der digitale Rückstand unter berufstätigen Frauen in Teilzeitbeschäftigung. Er besteht gegenüber weiblichen Beschäftigten mit Vollzeitjob und noch stärker gegenüber Männern, und zwar auf allen vom NEPS abgefragten Feldern (Abbildung 2 in der pdf-Version). Beispielsweise wenden Frauen in Teilzeit fortgeschrittene Standardsoftware nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent an gegenüber knapp 33 Prozent bei weiblichen Vollzeitbeschäftigten. Zwischen männlichen Voll- und Teilzeitbeschäftigten sind die Unterschiede hingegen meist deutlich kleiner. WSI-Forscherin Lott spricht von einem „Gender Part-Time Digital Gap“, einer besonders ausgeprägten Lücke, wenn Geschlecht und kürzere Arbeitszeit zusammenkommen. Damit ist das Problem insbesondere für Mütter groß, die sehr häufig in Teilzeit arbeiten, um Erwerbs- und Familienarbeit unter einen Hut zu bekommen.

Weibliche Beschäftigte sehen seltener Arbeitsmarktchancen. Insgesamt sind viele Beschäftigte in Deutschland eher skeptisch, was ihre beruflichen Aussichten auf einem digitalisierten Arbeitsmarkt angeht. So glauben etwa weniger als die Hälfte, aktuell gut auf den Umgang mit digitalen vernetzten Technologien vorbereitet zu sein. Zusätzlich zeigen sich auch an diesem Punkt signifikante Unterschiede nach Geschlecht und Arbeitsumfang (Abbildungen 3 und 4): Männer fühlen sich etwa mit 49 Prozent Wahrscheinlichkeit gut auf die digitalen vernetzen Technologien vorbereitet. Bei Frauen beträgt die Wahrscheinlichkeit nur 34 Prozent. Besonders gering ist der Anteil bei weiblichen Teilzeitkräften (32 Prozent), bei Frauen mit Vollzeitjob sind es 38 Prozent.

Noch unwahrscheinlicher ist es, dass Beschäftigte im Allgemeinen für sich gute Jobchancen in einem Arbeitsmarkt sehen, der durch die Digitalisierung verändert wird. Jedoch trifft dies eher auf Männer als Frauen zu (18 Prozent gegenüber
10 Prozent).

Die beobachteten Nachteile von weiblichen Beschäftigten werden zwar kleiner, wenn Faktoren wie der berufliche Status oder die Tätigkeit von weiblichen und männlichen Beschäftigten berücksichtigt werden, sie blieben aber zum größten Teil statistisch signifikant, betont die Soziologin Lott. „Diese geschlechterbezogenen Unterschiede – auch in Hinblick auf den Arbeitszeitumfang – scheinen also unabhängig von der Tatsache zu bestehen, dass Frauen und Männer in unterschiedlichen betrieblichen Positionen und Branchen arbeiten und unterschiedliche Tätigkeiten ausüben“, schreibt die Forscherin.

Der Gender Digital Gap in Transformation? WSI Report Nr. 81, Februar 2023

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung 28.02.2023

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Der Deutsche Kinder- und Jugendhilfepreis – Hermine-Albers-Preis – startet in eine neue Runde. Gesucht werden ab sofort beim Praxispreis innovative Praxisangebote zum Thema „Ökologische Nachhaltigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe“, die zeigen, wie sich die Einrichtungen selbst ökologisch nachhaltig ausrichten (z. B. beim Energiesparen oder verändertem Konsumverhalten) und/oder welche pädagogischen Angebote sie zum Thema haben. Der Medienpreis und der Theorie- und Wissenschaftspreis sind nicht themengebunden. Auch hier werden richtungsweisende und impulsgebende wissenschaftliche Arbeiten und journalistische Beiträge gesucht.
Aufgefordert sind alle Akteur*innen der Kinder- und Jugendhilfe, Journalist*innen und Wissenschaftler*innen, sich für den Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreis 2024 zu bewerben. Der Preis ist insgesamt mit 15.000 Euro dotiert. Pro Kategorie können ein Preisgeld in Höhe von 4.000 Euro sowie ein Anerkennungsbetrag von 1.000 Euro vergeben werden. Stifter des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises sind die Obersten Jugend- und Familienbehörden der Länder.
Bewerbungen sind ab sofort online unter www.agj.de/djhp/bewerbungsformular.html bis zum 10. Oktober 2023 möglich.

„Der Hermine-Albers-Preis ist ein Ausdruck der Anerkennung und Wertschätzung für Menschen, die sich mit ihrem Engagement dafür einsetzen, dass sich die Kinder- und Jugendhilfe weiterentwickeln kann. Dafür stehen die Arbeiten der Preis- und Anerkennungsträger*innen in den Kategorien Praxispreis, Medienpreis sowie Theorie und Wissenschaftspreis der vergangenen Jahre“, sagte AGJ-Geschäftsführerin Franziska Porst zum Bewerbungsstart des Preises. Ihre Stellvertreterin Angela Smessaert ergänzte: „Mit der Themensetzung des Praxispreis 2024 greifen wir bewusst eine politische Forderung der jungen Generation auf: „Change the System! – Not the Climate! – Start right now!“

Quelle: Pressemitteilung Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ vom 09.03.2023

Der Bundestag berät am heutigen Donnerstag erstmals über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts. Die Arbeiterwohlfahrt sieht Nachbesserungsbedarf.

 „Mehr Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung im Arbeitsmarkt zu beschäftigen, ist eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Um hier jedoch spürbar voranzukommen, bedarf es mehr als den nun im Bundestag vorgelegten Gesetzentwurf der Regierung“, so AWO Präsidentin Kathrin Sonnenholzner.

Zwar würden einige bestehende Regelungen nachjustiert. Das sei auch durchaus sinnvoll: „Die Ausgleichsabgabe, die private und öffentliche Arbeitgeber*innen zahlen müssen, wenn sie weniger als 5 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Beschäftigten besetzt haben, soll nun voll und ganz zur Unterstützung von behinderten Menschen im Arbeitsmarkt eingesetzt werden und nicht mehr auch zur Unterstützung von Werkstätten für behinderte Menschen dienen. Das ist genauso sachgerecht wie die vorgesehene Erhöhung der Ausgleichsabgabenzahlung für Arbeitgeber*innen, die bisher überhaupt niemanden mit Schwerbehinderung beschäftigen“, so Sonnenholzner. Sie erläutert weiter:

„Seit einigen Jahren gibt es das Budget für Arbeit für Beschäftigte in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen. Mithilfe dieses Budgets kann die Unterstützungsleistung der Werkstatt mitgenommen werden auf einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz in einem Betrieb. Zum Ausgleich eventueller Minderleistungen kann im Rahmen des Budgets für Arbeit außerdem ein Lohnkostenzuschuss gezahlt werden. Die Deckelung dieses Zuschusses nun aufzuheben, um auch bei der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro den vollen Lohnkostenzuschuss zahlen zu können, ist ein richtiger Schritt genauso wie die Schaffung von mehr Rechtssicherheit für schwerbehinderte Beschäftigte mit hohem Unterstützungsbedarf, die auf Arbeitsassistenz angewiesen sind.“

Aber all diese Maßnahmen führten in ihrer Gesamtheit nur zu kleineren Verbesserungen bei der Beschäftigung von Menschen mit einer Schwerbehinderung im Arbeitsmarkt. Sonnenholzner fährt fort: „Die Arbeiterwohlfahrt fordert zwei Dinge, um den Arbeitsmarkt wirklich inklusiv auszugestalten. Zum einen müssen Mittel bereitgestellt werden, um Arbeitsstätten grundlegend barrierefrei gestalten zu können. Bisher ist es erst nach Einstellung eines Menschen mit Schwerbehinderung möglich, finanzielle Leistungen zu beantragen, um die bauliche und technische Anpassung eines konkreten Arbeitsplatzes zu finanzieren. So bleibt die barrierefreie Gestaltung der Arbeitswelt zwangsweise ein nicht hinnehmbares Stückwerk. Und zum anderen braucht es sowohl für Arbeitgeber*innen als auch für schwerbehinderte Menschen, die Arbeit suchen, genau eine Stelle, um Unterstützungsleistungen aus einer Hand beantragen zu können und gewährt zu bekommen.“

Durch das stark gegliederte System der beruflichen Rehabilitation könnten heutzutage ganz unterschiedliche Stellen als Leistungsträger in Frage kommen: „Inklusionsamt, Bundesagentur für Arbeit, Jobcenter, Rentenversicherungsträger, Berufsgenossenschaft – all diese Stellen können je nach ‚Fallkonstellation‘ für die Finanzierung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig sein. Um hier wenigstens für Arbeitgeber*innen Orientierung zu ermöglichen, wurden in der letzten Legislaturperiode sogenannte Einheitliche Ansprechstellen geschaffen, um zu den jeweiligen Unterstützungsangeboten hinzulotsen und bei der Beantragung von Leistungen zu unterstützen. Diese Ansprechstellen müssen nun wie im Koalitionsvertrag verabredet weiterentwickelt werden, um Leistungsbeantragung und -gewährung aus einer Hand zu ermöglichen. Außerdem müssen die Einheitlichen Ansprechstellen auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer*innen tätig werden dürfen,“ fordert Sonnenholzner abschließend.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 02.03.2023

Anlässlich des heutigen Equal-Care-Day fordert der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt eine Anpassung der Rahmenbedingungen von Erwerbsarbeit an die Bedarfe privater und professioneller Sorgearbeit. Anderenfalls drohe eine Versorgungslücke mit Auswirkungen für die gesamte Gesellschaft. Der Verband kritisiert damit auch die jüngsten Äußerungen von Arbeitgeber-Präsident Steffen Kampeter. Dazu erklärt Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes:

 

„Work-Life-Balance mit einer 39-Stunden-Woche kann man nur dann problemlos organisieren, wenn man die nötige Sorgearbeit an andere delegiert – entweder an professionelle Dienstleister*innen oder ungenannte Familienmitglieder. Wer das nicht kann, muss unweigerlich und fast immer auf Kosten der eigenen Gesundheit mit zu vielen Verantwortungen jonglieren – Frauen in vielen Familien können ein Lied davon singen.

 

Große Teile von Politik und Wirtschaft scheinen diese Verpflichtungen als private Luxus-Themen anzusehen, die jede*r allein zu organisieren hat. Wir haben aber in den letzten drei Jahren überdeutlich gesehen, was passiert, wenn Sorgearbeit nicht mehr ausreichend geleistet werden kann: Die gesamte Gesellschaft und mit ihr die Wirtschaft geraten ins Stocken. Denn unsere Gesellschaft ist gar nicht überlebensfähig ohne Care-Arbeit: Früher oder später im Leben ist jeder Mensch auf die Fürsorge anderer existenziell angewiesen. Trotzdem wird die überwiegend von Frauen geleistete Fürsorgearbeit in Familien, Anlaufstellen und Einrichtungen gleichermaßen in unserer Gesellschaft skandalös missachtet.

 

Äußerungen wie die von Steffen Kampeter können vor diesem Hintergrund nur irritieren: Wir brauchen nicht „mehr Bock auf Arbeit“ von Einzelnen, wir brauchen, um in der Sprache des Arbeitgeberpräsidenten zu bleiben, mehr „Bock auf Fürsorge“ von den Entscheider*innen in Politik und Wirtschaft. Sie müssen die Rahmenbedingungen schaffen, damit Sorgearbeit anerkannt wird und nicht mehr nur überwiegend von Frauen abhängt.

 

Dazu bedarf es laut der AWO neben dem Ausbau guter Kindertagesbetreuung und der Aufwertung sozialer Arbeit vor allem eines gesellschaftlichen Bewusstseinswandels. „Fürsorgearbeit muss ein selbstverständlicher Teil des Lebens und der Erwerbsbiografie aller Geschlechter sein können!“, so Naidu. „Dazu gehören sozial abgesicherte Teilzeitoptionen, die partnerschaftliche Aufteilung von Elternzeit, bessere Absicherung für die Pflege von Angehörigen, Familienarbeitszeit, gute Vereinbarkeitsmöglichkeiten für Alleinerziehende und Optionszeiten, die Menschen über ihren gesamten Lebensverlauf hinweg einen kurzzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben ermöglichen. Klar ist aber auch: Die familiengerechte Gesellschaft ist, v.a. aus Sicht von Frauen, nur erreichbar, wenn sich neben dem Arbeitsmarkt auch das Steuersystem ändert und wir uns endlich vom Ehegattensplitting verabschieden!“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 01.03.2023

Im Koalitionsvertrag hatte die Ampelkoalition vereinbart, eine außerstrafrechtliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen sowie Möglichkeiten zur Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft zu prüfen. Nun verkündete das Bundesgesundheitsministerium den Arbeitsbeginn der dazu eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin.

„Wir sind froh, dass die Kommission nun endlich ihre Arbeit aufnimmt, und begrüßen das Vorhaben der Ampel sehr. Die sich immer weiter verschlechternde Versorgungslage mit Abbrüchen hierzulande, die internationalen Negativbeispiele Polen und USA sollten dazu führen, dass sich Deutschland mit einer menschenrechtskonformen und evidenzbasierten Regulierung in die Riege der Länder einreiht, die sexuelle und reproduktive Rechte als Kern einer geschlechtergerechten Gesellschaft ansehen und absichern“, erklärt dazu AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner.

Der Kampf um die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen hatte in Deutschland durch die Auseinandersetzung um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche – den Paragrafen 219a StGB – in den letzten fünf Jahren deutlich an Intensität gewonnen und ein Licht auf die völlig unzureichende Versorgungslage mit Abbrüchen in Deutschland geworfen.

„Wir erleben in unseren Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen tagtäglich, wie ungewollt Schwangere durch zahlreiche Hürden und die Kriminalisierung von Abtreibung durch den §218 StGB im Zugang zu medizinscher Versorgung behindert werden. Besonders beeinträchtigt sind durch diese Regelungen Menschen, die Mehrfachdiskriminierung erleben und über wenige bis keine Privilegien und Ressourcen verfügen. Daher begrüßen wir es sehr, dass in der Kommission auch Expert*innen für Schwangerschaftsberatung arbeiten werden. Diese Praxis-Perspektive ist für eine Neuregelung unverzichtbar“, ergänzt Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes.

Die Arbeiterwohlfahrt setzt sich seit ihrer Gründung 1919 für die Verwirklichung der sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen ein. Aus Sicht des Verbandes zählt zur körperlichen Selbstbestimmung auch selbstbestimmte Familienplanung, also die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und wie viele Kinder ein Mensch im Laufe des Lebens bekommen möchte.

„Ungewollt Schwangere haben ein Recht auf psychosoziale Beratung und Unterstützung, wenn sie sie brauchen und wollen. Unverzichtbar ist eine evidenzbasierte, qualitativ hochwertige und niedrigschwellig zugängliche medizinische Versorgung mit Abbrüchen bundesweit. Dies ist bislang nicht gegeben. Wir erwarten von der Kommission, zügig die schon vorhandenen Ideen für eine außerstrafrechtliche Regelung zu prüfen und einen eigenen Vorschlag zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu machen“, so Sonnenholzner. „Um reproduktive Rechte vollumfänglich umzusetzen, sind aus unserer Sicht außerdem gute Angebote der sexuellen Bildung, eine Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für einkommensarme Menschen und eine auskömmliche Absicherung der bundesweit vorhandenen Infrastruktur von Schwangerschaftsberatungsstellen nötig“, schließt Naidu.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 01.03.2023

Die Arbeiterwohlfahrt warnt vor einem Kollaps der Pflegefinanzierung in Deutschland. Die Situation sei so dramatisch wie nie zuvor. Der Verband fordert von der Bundesregierung nun umgehend eine grundlegende Finanzreform der Pflegeversicherung. 

„Man muss es ganz deutlich sagen: Das System ist am Ende“, erklärt dazu AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner. „Die letzte Regierung hat nach vielen einzelnen Reformen der Pflegeversicherung den großen Wurf versäumt und die Finanzierung der Pflege nicht sichern können. Die Ampelkoalition muss jetzt dringend handeln und die Pflegeversicherung von Grund auf reformieren. Tut sie es nicht, wird das Pflegesystem in Deutschland kollabieren.“

In Deutschland gibt es rund fünf Millionen pflegebedürftige Menschen und 780.000 Beschäftigte in der Altenpflege. Im Pflegeheim liegt der durchschnittlich zu leistende Eigenanteil für Pflegebedürftige inzwischen bei fast 2.500 Euro, die Sozialhilfequote liegt bei einem Drittel. Für 2022 beträgt das Defizit der sozialen Pflegeversicherung 2,25 Mrd. Euro, für 2023 wird ein Defizit in Höhe von 3 Mrd. Euro erwartet. Der Finanzierungsbedarf allein für die kurzfristige Stabilisierung in 2023 beträgt mindestens 4,5 Mrd. Euro.

Dazu Kathrin Sonnenholzner: „Immer weniger Menschen können sich ihre Pflege leisten oder finden überhaupt noch professionelle Unterstützung. Die Stimmung bei den Pflegekräften ist auf einem Tiefpunkt angelangt, das Vertrauen in die Politik tendiert inzwischen gegen Null, die Pflegekassen stehen vor der Zahlungsunfähigkeit.“

Die Arbeiterwohlfahrt hat deshalb in ihrem Bundesausschuss die Resolution „Rettet die Pflege!“ verabschiedet. Gefordert wird darin unter anderem eine Deckelung der Eigenanteile für Pflegebedürftige, eine solidarische und paritätische Finanzierung der Pflegeversicherung sowie Steuerzuschüsse für versicherungsfremde Leistungen.

Die vollständige Resolution gibt es hier zum Download.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 25.02.2023

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Paritätische Wohlfahrtsverband fordern gemeinsam in einem offenen Brief die Abgeordneten der Ampel-Koalition auf, eine laute Stimme dafür zu sein, endlich die Grundlagen für wichtige sozial-ökologische Zukunftsausgaben zu schaffen. Statt Milliardenentlastungen für Unternehmen einzuführen, wie vom Finanzminister angekündigt, muss jetzt in die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und eine ökologische Zukunft investiert werden. Beide Verbände fordern die Einführung einer Vermögenssteuer und den Abbau klimaschädlicher Subventionen, um wichtige Vorhaben wie die Kindergrundsicherung, die Energiewende und die Ökologisierung der Landwirtschaft sowie soziale Infrastruktur abzusichern. Das wäre ein dreifacher Gewinn: Es schafft Einnahmen für die öffentliche Hand, führt gleichzeitig zu mehr Klimaschutz und zu mehr sozialer Gerechtigkeit

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer Paritätischer Gesamtverband: “Mehr als 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland leben in Armut. Es ist ein Skandal, dass Bundesminister Lindner versucht, ausgerechnet die Kindergrundsicherung ausbremsen. Die Kindergrundsicherung ist im Koalitionsvertrag verankert, nachdem die Sozialverbände seit Jahren Druck gemacht haben.Es darf nicht sein, dass dieses wichtige Vorhaben, von dem Millionen junge Menschen in Deutschland konkret profitieren würden, nun im Zank der Ampel-Koalition geopfert werden soll.”

Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender: “Jeder weitere Tag, an dem klimaschädliches Verhalten belohnt wird, ist ein Tag zu viel. Wir verschwenden jedes Jahr mehr als 65 Milliarden Euro für klima- und umweltschädliche Subventionen. Das muss dringend beendet werden. Die Vergünstigungen im Verkehr, beispielsweise für Dienstwagen und Dieselkraftstoff, müssen endlich abgeschafft werden. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag angekündigt, klimaschädliche Subventionen abzubauen. Bei der Umsetzung duckt sie sich jedoch weg. Während die Regierung über die Eckwerte für den Bundeshaushalt debattiert, müssen die Abgeordneten der Ampel-Regierung jetzt laut werden und damit für eine schnelle Umsetzung sorgen.”

Dokument zum Download

Offener Brief von Paritätischem und BUND: Klimaschädliche Subventionen abbauen und Reichtum stärker besteuern (141 KB)

Quelle: Pressemitteilung BUND e. V und Der Paritätische Gesamtverband vom 22.02.2023

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) mahnt eine weiterhin paritätische Besetzung im Bundesverfassungsgericht an. Im Juni 2020 ist das höchste deutsche Gericht mit der Ernennung von Prof. Dr. Astrid Wallrabenstein als Nachfolgerin von Prof. Dr. Andreas Voßkuhle erstmals paritätisch besetzt worden. Als im Juli 2020 Prof. Dr. Ines Härtel die Nachfolge von Prof. Dr. Johannes Masing antrat, gab es ein weiteres erstes Mal: eine weibliche Mehrheit am Bundesverfassungsgericht! Nachdem Prof. Dr. Martin Eifert am 20. Februar 2023 die Nachfolge von Prof. Dr. Susanne Baer angetreten hat, ist nun die Parität – dieses Mal zu Gunsten der Männer – nach zweieinhalb Jahren wiederhergestellt.

„Es muss bei einer paritätischen Besetzung des Bundesverfassungsgerichts bleiben!“, mahnt Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des djb. Sie fordert deshalb den Bundesrat auf, sich bei der noch offenen Nachfolge für Prof. Dr. Gabriele Britz im Ersten Senat für eine Frau zu entscheiden.  Dem Ersten Senat gehören neben ihr und den beiden verbleibenden Richterinnen Prof. Dr. Ines Härtel und Dr. Yvonne Ott weitere fünf Richter an, während im Zweiten Senat neben den Richterinnen Dr. Rhona Fetzer, Dr. Sibylle Kessal-Wulf, Prof. Dr. Doris König, Prof. Dr. Christine Langenfeld und Prof. Dr. Astrid Wallrabenstein drei Richterkollegen tätig sind. Die Nachbesetzung der Stelle von Richterin Prof. Dr. Gabriele Britz ist also die Gelegenheit, die bisherige Sitzverteilung in den Senaten aufrecht zu erhalten und den Ersten Senat erneut mit einer dritten Richterin zu besetzen.

„Sonst wäre die Zeit der Parität schon nach weniger als drei Jahren wieder vorbei.“, erklärte Wersig. „Das wäre im Jahr 2023 ein fatales Zeichen für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in juristischen Spitzenpositionen!“, so Wersig.

Der djb engagiert sich seit Jahren im Rahmen der Initiative ‚Frauen in die Roten Roben‘ für mehr Richterinnen an den obersten Bundesgerichten.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb) vom 28.02.2023

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat eine Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Konsultation zur Transformation des Vergaberechts („Vergabetransformationspaket“) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) veröffentlicht.

„Die Transformation des Vergaberechts sollte Geschlechtergerechtigkeit mitdenken“, so die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig.

Der djb unterstützt das Ziel, die öffentlichen Vergabeverfahren zu reformieren und weist darauf hin, dass es nicht nur auf die im Koalitionsvertrag genannten Ziele der „Vereinfachung, Professionalisierung, Digitalisierung und Beschleunigung“ ankommen darf. Vielmehr ist bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch in den Blick zu nehmen, dass der Staat bei Marktteilnahme seiner Verantwortung zur Förderung eines gemeinwohlorientierten Wirtschaftens nachkommt. Dass das BMWK die Aspekte „sozial“ und „ökologisch“ schon explizit und ergänzend zum Koalitionsvertrag als reformbegründend nennt, ist vor diesem Hintergrund zu begrüßen.

Zur Transformation des Vergaberechts muss aber auch die lang überfällige und verfassungsrechtlich zwingende Förderung einer geschlechtergerechten Unternehmenskultur gehören. Dies entspricht auch dem im aktuellen Koalitionsvertrag ebenfalls gesetzten Ziel, sich für die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern einzusetzen und für Geschlechtergerechtigkeit einzutreten. Der djb fordert daher, bei der Vergaberechtsreform umfassend den Aspekt Geschlechtergerechtigkeit mitzudenken und die entsprechende Genderkompetenz sicherzustellen. Er regt an, dass ein eigenes Aktionsfeld dafür geschaffen wird.

In seiner Stellungnahme setzt sich der djb mit verschiedenen Aktionsfeldern auseinander und macht konkrete Vorschläge zu geschlechtergerechten Verbesserungen, die sich unter anderem auf die Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung stützen.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb) vom 17.02.2023

Das Deutsche Kinderhilfswerk mahnt zum heutigen Welttag der sozialen Gerechtigkeit mehr Teilhabechancen für von Armut betroffene Kinder und Jugendliche in Deutschland an. Dafür ist es aus Sicht der Kinderrechtsorganisation wichtig, in allen Bereichen von Politik, Verwaltung, Rechtsprechung und Gesellschaft das Thema Armutssensibilität stärker als bisher in den Blick zu nehmen. Die Auswirkungen von Armut insbesondere auf Kinder und Jugendliche sollten in ihrer gesamten Komplexität thematisiert werden, um darauf aufbauend Strategien für Bildungs-, Beteiligungs- und Hilfeprozesse sowie Arbeits- und Aktionsbündnisse zu initiieren und zu gestalten. Diese müssen sich an den Bedarfen der Kinder und Jugendlichen orientieren und dazu beitragen, den Kreislauf der Armut zu durchbrechen. Dazu gehört es auch, die stetige Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer sozialen und ökonomischen Lage sichtbar zu machen und diese strukturelle Diskriminierung anzuerkennen.

 

„Der Alltag von Kindern, die in Armut leben, ist von Verzicht und vielfach von Scham geprägt. Meistens ist kein Geld da, um mal ins Kino oder Schwimmbad gehen zu können, die Kinder werden in der Schule gemobbt, weil sie abgetragene Kleidung anhaben, sie gehen nicht auf Kindergeburtstage, weil kein Geld für ein Geschenk da ist. Armut wirkt sich auch negativ im Bildungsbereich und auf die Gesundheit der Kinder aus. Arme Kinder haben vermehrt Karies, Infektionen, Asthma, Kopf- und Rückenschmerzen und eine höhere Anfälligkeit für chronische Erkrankungen, sie leiden aber auch häufiger unter Stress und geringem Selbstbewusstsein. Deshalb brauchen wir armutssensible und klassismuskritische Fachkräfte nicht nur in der Kinder- und Jugendhilfe, sondern darüber hinaus auch in allen Bereichen von Politik, Verwaltung, Rechtsprechung und Gesellschaft. Notwendig ist auch eine armutssensible Arbeitsweise aller Institutionen und Einrichtungen, die Teil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen sind oder Entscheidungen für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen treffen. Gerade das frühkindliche und auch das schulische Bildungssystem muss in die Lage versetzt werden, seine tragende Rolle bei der Durchbrechung des Kreislaufes von Armut zu erfüllen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

 

„Armut ist ein strukturelles Problem, und in der Regel kein persönliches Versagen Einzelner. Wir müssen mehr als bisher die Herausforderungen anerkennen, die mit der Armut einhergehen, und Armut in Deutschland entstigmatisieren. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, vor allem von Armut betroffenen jungen Menschen Selbstwirksamkeitserfahrungen zu ermöglichen. Der Schlüssel zur Selbstwirksamkeit und Persönlichkeitsstärkung ist die Beteiligung durch Mitwirkung und Mitbestimmung am gesellschaftlichen Leben. Der Kinderreport des Deutschen Kinderhilfswerkes hat schon vor vielen Jahren dargelegt, dass die frühe Beteiligung von Kindern den Kreislauf der Vererbung von Armut durchbricht. Durch Mitbestimmung entwickeln Kinder schon in jungem Alter soziale Kompetenzen, die sie stark machen. Dadurch können die Kinder erfolgreich mit aversiven Reizen umgehen und die Folgen von sozialer Benachteiligung besser kompensieren“, so Hofmann weiter.

 

Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes braucht es zur nachhaltigen Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland eine Gesamtstrategie, deren Grundbestandteil eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung sein muss. Eine solche Gesamtstrategie muss neben monetären Leistungen auch ein starkes Augenmerk auf infrastrukturelle Bedingungen zur Unterstützung von Familien und ihren Kindern legen. Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sind ebenso zu berücksichtigen, wie Familien- und Bildungspolitik, Gesundheits- und Sozialpolitik sowie Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaupolitik. So wie die Ursachen und Folgen von Kinderarmut mehrdimensional sind, müssen dabei alle politischen, staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteure armutssensibel bei der umfassenden Bekämpfung von Kinderarmut und sozialer Exklusion, beim Aufbrechen von klassistischen Strukturen zusammenarbeiten.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 20.02.2023

Der diesjährige Weltkindertag am 20. September steht unter dem Motto „Jedes Kind braucht eine Zukunft!“. UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk fordern mit diesem Motto ein stärkeres politisches Engagement für eine gerechte und lebenswerte Zukunft junger Menschen. Zur Halbzeit bei der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung appellieren die beiden Organisationen, das globale Versprechen einzuhalten, kein Kind zurückzulassen.

 

Das Erreichen der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele („Sustainable Development Goals“, SDGs) ist in Gefahr – und damit auch die Verwirklichung der Kinderrechte, denn jedes der in der Agenda 2030 verankerten Ziele hat eine zentrale Bedeutung für Kinder und ihr Wohl. Bereits vor der COVID-19-Pandemie zeichnete sich ab, dass die bisherigen Fortschritte nicht ausreichen, um die Agenda 2030 zu verwirklichen. Die Folgen von Konflikten – insbesondere die gravierenden Auswirkungen des Ukraine-Krieges –, von Klimawandel, Pandemie sowie der Wirtschafts- und Energiekrise gefährden das Erreichen der SDGs nun zusätzlich und bedrohen die Entwicklungschancen zahlreicher Kinder und Jugendlicher weltweit und in Deutschland.

 

„Wie weit die Welt bei der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele bisher gekommen ist, lässt sich daran ablesen, wie es Kindern heute geht. Mehr Kinder als je zuvor leiden an Hunger oder wachsen in Armut auf. Gleichzeitig haben weniger junge Menschen Zugang zu guter Bildung oder medizinischer Versorgung. Die Zeit drängt. Wir müssen jetzt deutlich mehr Anstrengungen und Investitionen in ihre Bildung, Entwicklung und ihren Schutz geben – in Deutschland und jeder Region der Erde“, sagt Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland.

 

„Als Kinderrechtsorganisation müssen wir insbesondere in der politischen Debatte in Deutschland eine geradezu sträfliche Vernachlässigung der Belange junger Menschen wahrnehmen. Kinderinteressen werden systematisch ausgeblendet, obwohl sie als ein vorrangiger Gesichtspunkt ins Zentrum politischen Handelns gehören. Dafür braucht es dringend die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, eine aktive Politik zur Überwindung der Kinderarmut in Deutschland sowie eine deutliche Stärkung der demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen“, sagt Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

 

Zum Weltkindertag am 20. September 2023 werden bundesweit zahlreiche Initiativen mit lokalen Demonstrationen, Festen und anderen Veranstaltungen auf die Situation der Kinder und ihre Zukunft aufmerksam machen. Parallel zum Weltkindertag ziehen die Vereinten Nationen am 19. und 20. September 2023 beim zweiten SDG-Gipfel in New York eine Halbzeitbilanz der bisherigen Umsetzung der Agenda 2030. Dabei wird es auch darum gehen, wie die Umsetzung der SDGs in der zweiten Halbzeit beschleunigt werden kann.

 

UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk ermutigen die Bundesregierung, sich weiter für die Umsetzung der SDGs stark zu machen. Aus Sicht der Organisationen muss die Politik Kinder sowie ihre Rechte dabei mehr als bisher in den Mittelpunkt stellen und vor allem Mädchen und Jungen stärken, die strukturell benachteiligt sind, wie Kinder in ärmeren Haushalten, geflüchtete und migrierte Kinder oder auch Kinder mit Behinderung. Einen wichtigen Beitrag dazu können unter anderem die Einführung der geplanten Kindergrundsicherung, der Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ und die Umsetzung der feministischen Entwicklungs- und Außenpolitik leisten. Um langfristig stabile und zukunftsfähige Gesellschaften zu entwickeln, sollten zudem alle Kinder von klein auf beteiligt und darin bestärkt werden, ihre Meinung zu Gehör zu bringen.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. und UNICEF Deutschland vom 21.02.2023

Der Berliner Beirat für Familienfragen bekräftigt seine Empfehlungen an den neuen Senat vom 15.09.2021 zum Beginn der Wahlperiode und sieht verstärkt Handlungsbedarf bei der Unterstützung von Familien.

Kazım Erdoğan, Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen:

„Wir müssen feststellen, dass die Herausforderungen für Familien in Berlin weiterhin sehr groß sind. Die Situation bei der Suche nach einer passenden Wohnung oder einem Kitaplatz hat sich in der Stadt verschlechtert. Viele Familien konnten sich noch nicht von der Pandemiezeit, wo sie Mehrfachbelastungen ausgesetzt waren, erholen. Der neue Senat muss in seinem Koalitionsvertrag Maßnahmen festschreiben, die das Familienleben in Berlin erleichtern.“

Der Berliner Beirat für Familienfragen stellt daher seine Empfehlungen vom 15.09.2021 erneut an die Koalitionspartner des neuen Senats. 

Empfehlungen des Berliner Beirats für Familienfragen an den neuen Senat finden Sie hier.             

Quelle: Pressemitteilung Berliner Beirat für Familienfragen vom 02.03.2023

LSVD fordert Ernennung einer/s Sonderbotschafters/in für LSBTIQ*-Menschenrechte

Heute haben das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Leitlinien zu feministischer Außenpolitik bzw. Entwicklungspolitik vorgestellt. Dazu erklärt Alva Träbert aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Deutschland hat zusammen mit Mexiko aktuell den Co-Vorsitz der Equal Rights Coalition (ERC) für den Zeitraum 2022-24 inne. Als LSVD freuen wir uns sehr, die zivilgesellschaftliche Seite in Deutschland in diesem internationalen und multilateralen Gremium vertreten zu können. Die ERC arbeitet daran, die Rechte von LSBTIQ* durch internationale Beziehungen, Förderung, Diplomatie und Austausch zu verbessern. Auswärtiges Amt und BMZ müssen sich jetzt im Rahmen der feministischen Außenpolitik klar zur Stärkung von LSBTIQ* und ihren Menschenrechten in aller Welt bekennen. Das Thema ERC-Vorsitz darf nicht nur Anhang oder Fußnote der feministischen Außenpolitik und Entwicklungspolitik sein, sondern muss ein integrierter Bestandteil dieser Politik werden.

Dem kommt das Auswärtige Amt in seinen Leitlinien mit der Förderung queerer Kulturveranstaltungen und der Förderung des Vorsitzes nach. Der LSVD begrüßt, dass das Auswärtige Amt und das BMZ Menschenrechte und Mehrfachdiskriminierungen in ihrer Arbeit noch mehr in den Fokus rücken wollen. Dies ist ein wichtiger Schritt nach Anerkennung der Yogyakarta-Prinzipien plus zehn und den Selbstverpflichtungen im „LSBTI-Inklusionskonzept der Bundesregierung für die Auswärtige Politik und die Entwicklungszusammenarbeit”. Denn Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Menschen (LSBTIQ*) sind in vielen Ländern, nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in EU-Mitgliedsstaaten wie Ungarn und Polen staatlicher Verfolgung, Gewalt und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt.

Wir fordern die Bundesregierung auf, dem Beispiel anderer europäischer Staaten, Kanadas und der USA zu folgen und die Position einer/s Sonderbotschafters/in für LSBTIQ*-Menschenrechte zu schaffen. Im engen Austausch mit den Kolleg*innen der anderen ERC-Mitgliedsstaaten, mit dem Europäischen Rat und der Europäischen Kommission muss der Einsatz der Bundesregierung für die Menschenrechte von LSBTIQ* gezielt gesteuert und abgestimmt werden. Eine solche auf die Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit fokussierte Position und Arbeit wäre eine notwendige Ergänzung zum Engagement des Queerbeauftragten, welcher die nationale LSBTIQ*-Politik begleitet.

Mehr zum Thema:
Die Equal Rights Coalition – eine multinationale Plattform für LSBTI-Rechte
Equal Rights Coalition: Deutschland und Mexiko übernehmen erstmals den Vorsitz
Website der Equal Rights Coalition
LSBTI-Inklusionskonzept der Bundesregierung für die Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit veröffentlicht

Quelle: Pressemitteilung Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) vom 01.03.2023

Nicht 16,6 Prozent, sondern 16,9 Prozent betrug die Armutsquote in Deutschland im Jahr 2021. Der Paritätische korrigiert damit seinen im letzten Juni veröffentlichten Armutsbericht. Von Armut betroffen waren damit nicht 13,8 Millionen Menschen, sondern 14,1 Millionen Menschen.

Unter Rückgriff auf Daten des Statistischen Bundesamtes legte der Paritätische Wohlfahrtsverband heute eine aktualisierte Neuauflage seines Armutsberichts 2022 (Berichtsjahr 2021) vor. Notwendig geworden war die Überarbeitung, da das Bundesamt nach bereits im letzten Jahr veröffentlichten Erstergebnissen zu den Armutsquoten jetzt Endergebnisse für das Berichtsjahr 2021 mit zum Teil gravierenden Abweichungen vorlegte. So betrug die Kinderarmut nicht, wie zuerst berechnet, 20,8 Prozent, sondern sogar 21,3 Prozent. Die Armutsquote von Alleinerziehenden stieg auf 42,3 statt auf 41,6 Prozent.

Deutliche Sprünge zeigen sich in den Endberechnungen auch bei den Armutsquoten für Berlin und Nordrhein-Westfalen, die beide um 0,5 Prozentpunkte höher als gedacht liegen und tatsächlich Quoten von 20,1 und 19,2 Prozent aufweisen.

“Die Armutsquoten waren bereits nach den vom Statistischen Bundesamt in 2022 vorgestellten Daten auf einem traurigen Rekordhoch”, kommentiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, den neuen Armutsbericht, “in unseren schlechtesten Träumen hätten wir nicht daran gedacht, dass es nun noch einmal nach oben geht. Unser aktualisierter Armutsbericht 2022 ist ein bitteres Armutszeugnis für die Politik der Großen Koalition. Sie hat die Armut einfach billigend in Kauf genommen.”

Der Verband fordert die Ampel-Koalition zu rigiden und wirkungsvollen Maßnahmen gegen die rapide steigende Armut in Deutschland auf. Schneider: “Angesichts der Entwicklungen des vergangenen Jahres ist erst recht keine Zeit zu verlieren, um die wachsende Not zu lindern. Die Armut wird nicht nur immer größer, sondern mit den explodierenden Preisen auch immer tiefer. Von zentraler Bedeutung sind eine spürbare Anhebung der Regelsätze in Hartz IV und Altersgrundsicherung von jetzt 502 auf 725 Euro, eine existenzsichernde Anhebung des BAföG  und die zügige Einführung der Kindergrundsicherung.”

Den Armutsbericht können Sie auf www.der-paritaetische.de/armutsbericht kostenlos herunterladen.

Terminhinweis: Der Paritätische Gesamtverband lädt am 4. und 5. Mai zum Aktionskongress gegen Armut. Informationen zu Programm und Anmeldung auf www.aktionskongress.de

Dokumente zum Download

Der Paritätische Armutsbericht (1 MB)

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 10.03.2023

Alle pflegerischen Leistungen müssten künftig bedarfsgerecht übernommen werden.

Angesichts explodierender Eigenanteile ist inzwischen fast ein Drittel aller Pflegebedürftigen in Heimen auf Sozialhilfe angewiesen, weil sie die Kosten nicht alleine bewältigen können. Experten warnen vor einem weiteren Anstieg. Der Paritätische Wohlfahrtsverband mahnt umgehende Reformen an und fordert einen Ausbau der Pflegeversicherung zu einer Pflegevollversicherung. Diese soll nach den Vorstellungen des Verbands künftig für alle pflegebedingten Kosten aufkommen, Pflegebedürftigen dürften ausschließlich Unterkunft und Verpflegung in Rechnung gestellt werden.

“Wir sind an einem Punkt angekommen, wo gilt: Wer pflegebedürftig wird, muss Armut fürchten. Wo jeder dritte in Armut und Sozialhilfe fällt, sobald er oder sie auf Pflege angewiesen ist, hat die Pflegeversicherung in ihrer jetzigen Form ihre Legitimation verloren”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Der Verband, unter dessen Dach 1800 Pflegeeinrichtungen sind, spricht sich für eine Pflegevollversicherung aus. “Wir müssen die Absicherung des individuellen Pflegerisikos neu denken, wir brauchen eine Pflegevollversicherung, die bedarfsgerecht alle pflegerischen Leistungen abdeckt”, so Schneider. Pflegebedürftige sollen demnach künftig nur noch für Unterkunft und Verpflegung aufkommen, Kosten für Pflege und Betreuung, Ausbildung oder Investitionen jedoch dürften ihnen nicht in Rechnung gestellt werden. Eine solche Pflegevollversicherung müsse dabei auch den ambulanten Bereich umfassen, fordert der Verband. Sämtliche durch einen unabhängigen medizinischen pflegerischen Dienst als bedarfsgerecht erachteten pflegerischen Leistungen müssten durch die Pflegeversicherung übernommen werden.

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 21.02.2023

Wir fordern anstelle Kostendebatte eine Investitionsentscheidung mit einem Sondervermögen für die Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur!

„Das Streikrecht ist eine wesentliche Errungenschaft und Säule unserer Demokratie! Unser Betreuungs- und Bildungssystem kollabiert mit zunehmendem Fachkräftemangel, schlechten Arbeitsbedingungen in struktureller und personeller Ausstattung und ungenügender Bezahlung mit Kindern, die auch vor dem Hintergrund der Pandemie als auch dem Zuwachs an aus Kriegsgebieten geflüchteten Kindern, nochmals mehr individuelle Zuwendung und Unterstützung der Fachkräfte multipler Professionen brauchen! Es geht um das Wohl unserer Kinder, die ein Recht auf gute Betreuung, gute Bildung und gesundes Aufwachsen haben! Hierfür brauchen Beschäftigte dringend bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Bezahlung, weil sie es a) verdient haben und b) wir uns nicht leisten können, Beschäftigte in diesem systemrelevanten für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft so wichtigem Arbeitsfeld aufzugeben und an andere Berufszweige zu verlieren. Deshalb werbe ich auch unter den vom Streik betroffenen Eltern, insbesondere den berufstätigen, um Verständnis für die Streikenden als auch um die Solidarität mit ihnen. Darüber hinaus müssen wir das Berufsfeld „Erzieher:in“ attraktiv machen, um eine dringend erforderliche Fachkräfteoffensive in diesem Sektor erfolgreich zu gestalten! D.h. wir brauchen ein Sondervermögen für den Betreuungs- und Bildungssektor!“ positioniert sich Cornelia Spachtholz, Vorsitzende des Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) anlässlich des aktuellen Streiks der Beschäftigten in Kita & Co.

„Das Problem berufstätiger Eltern, insbesondere berufstätiger Mütter ist, dass es grundsätzlich zwar den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz gibt, er sich aber de facto in solch akuten Situationen nicht direkt durchsetzen lässt, maximal im Nachgang mit dem Klageweg, was in der akuten Situation von geschlossener Kita nicht hilfreich ist und berufstätige Eltern in der Regel keinerlei Ressourcen für so etwas on top des herausfordernden Vereinbarkeitsalltags haben. Für berufstätige Mütter und Väter verschärft sich das Vereinbarkeitsdilemma, wenn Kita & Co wegen Läusen, Pandemie oder Streik geschlossen sind. Wieder wird eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe trotz Rechtsansprüchen zum Privatproblem! Aber das ist nicht mehr hinnehmbar, das Private ist Politisch! Deshalb müssen wir uns von der Kostendiskussion lösen hin zur Investitionsentscheidung im Betreuungs- und Bildungssektor mit dem Ausbau an Qualität und Quantität sowie einer Fachkräfteoffensive!“ verfechtet Cornelia Spachtholz die Bedürfnisse berufstätiger Eltern, insbesondere berufstätiger Mütter und der Kinder.

Was aber tun in konkreter Streiksituation mit geschlossener Kita? Hier ein Auszug an Tipps:

  • Arbeitgeber:in melden, dass Betroffenheit vom Streik vorliegt und nicht ohne Meldung vom Arbeitsplatz fernbleiben.
  • Mit Arbeitgeber:in und im Arbeitsvertrag klären, ob Urlaub eingereicht werden muss oder eine Klausel zur bezahlten Freistellung oder der Möglichkeit einer Arbeitsverweigerung besteht.
  • In Abhängigkeit der Branche, des Unternehmens, der Tätigkeit und des Arbeitsvertrags prüfen, ob die Arbeitszeit flexibilisiert werden kann durch Verlegung der Arbeitszeit, oder/und ob der Arbeitsort z.B. mit Mobilem Arbeiten flexibilisiert werden kann.
  • In Abhängigkeit der Branche, des Unternehmens, der Tätigkeit und des Arbeitsvertrags und der Bedürfnisse des Kindes prüfen, ob das Kind zur Arbeit mitgenommen werden kann, z.B. bei Vorhandensein eines Eltern-Kind-Zimmers.
  • Bündnis mit den anderen vom Streik betroffenen Eltern suchen, da sich die Kinder und Eltern in der Regel kennen und es jeweils unterschiedliche Arbeitsverpflichtungen oder Ressourcen gibt. Aus diesem Bündnis der Kitaeltern kann vielleicht jemand eine Vormittagsschicht und ein anderer eine Nachmittagsschicht der Betreuung übernehmen.
  • Grundsätzlich sind beide Eltern verantwortlich. Daher ist es nicht nur Angelegenheit der berufstätigen Mütter, sondern auch die des anderen Elternteils, z.B. des Vaters. Daher nicht nur selbst die Möglichkeiten prüfen, sondern der Expartner bzw. Partner bzw. andere Elternteil sollte die gleiche Prüfung vornehmen – für seine Arbeitszusammenhänge.
  • Ist Betreuung kurzfristig innerhalb des Familien- und Freundesnetzwerk leistbar?
  • Ist eine Notfallbetreuung durch Babysitter:in, Tagesmutter, Tagesvater oder über die Kommune möglich?

„Familien sind in der Krise. Berufstätige Eltern und insbesondere berufstätige Mütter sind am Limit ebenso, wie die Fachkräfte die in Kita & Co sich um unsere Kinder kümmern! Nur wenn unsere Kinder bestmöglich betreut und versorgt sind, haben wir den Kopf frei für Erwerbstätigkeit und eine Grundvoraussetzung für eine gute work-life-balance geschaffen! Grundsätzlich sollten sich Eltern immer ein back-up-System für ihre Kinderbetreuungsbedarfe sichern, um in akuten Betreuungsausfällen vorbereitet zu sein!“ konstatiert Spachtholz und fordert: „Hier sind aber vor allem auch die politischen Entscheidungsträger:innen gefordert, endlich konsequent zu handeln mit einer konsistenten, gleichstellungsorientierten und zeitgemäßen Familienpolitik, die im Betreuungs- und Bildungssektor mit der notwendigen finanziellen Ausstattung ankommt!“

Die Vorsitzende des Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM), Cornelia Spachtholz, wurde hierzu auch am 26.02.2023 vom WDR interviewt, was in Auszügen des Vorgesprächs und des Interviews im Beitrag der Aktuellen Stunde am 26.02.2023 und im MoMa am 27.02.2023 ausgestrahlt wurde, Link hier.

Quelle: Pressemitteilung Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) vom 27.02.2023

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 15. Mai 2023

Veranstalter: DJI Deutsches Jungendinstitut

Ort: Berlin

Die aktuell steigenden Kosten für Wohnen und Energie belasten Familien, trotz einer Reihe von entlastenden Maßnahmen, bis in die Mittelschicht hinein in einem außergewöhnlich hohem Maß. Dies liegt unter anderem daran, dass die akute Krise bereits länger existierende Probleme des Wohnungs- und Energiemarktes verstärkt. Die Bezahlbarkeit, die Verfügbarkeit und der diskriminierungsfreie Zugang zu Wohnraum für alle Familienformen ist bereits seit längerer Zeit nicht mehr selbstverständlich gegeben. Auch Energiearmut ist ein Thema, das bereits vor dem Anstieg der Energiepreise im letzten Jahr für viele Familien ein Problem darstellte.

Die AGF-Veranstaltung soll eine Bestandsaufnahme der Belastungen von Familien durch die steigenden Wohn- und Energiekosten vornehmen sowie kurz- und langfristige Handlungsoptionen für die Politik diskutieren.

Das Programm finden Sie im hier.

Sie können sich online für die Veranstaltung anmelden unter https://ag-familie.de/de/150523-veranstaltung-wohnen/.

 

WEITERE INFORMATIONEN

Das Fachkräfteportal www.sicher-aufwachsen.de ist ein Projekt von Frauenhauskoordinierung e.V. und bietet Impulse, Praxisbeispiele und Methoden, um Fachkräfte zu unterstützen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, die von Partnerschaftsgewalt mitbetroffen sind.

Wer an Familienfreundlichkeit denkt, hat zuerst Erfahrungen aus dem Alltag vor Augen: ein Kellner im Restaurant, der ungefragt den Kinderhochstuhl bringt, die Unterstützung mit dem Kinderwagen an der Rolltreppe oder Verständnis für Kinder, die laut und fröhlich spielen oder laut und eindringlich jammern. Dies sind sehr situative Erfahrungen. Die vorliegende Studie zeigt darüber hinaus auf, dass die Menschen mit Familienfreundlichkeit konkrete Erwartungen an die Politik verbinden.

Mit der vorliegenden Studie des SINUS-Instituts wurde erstmals erhoben, was die Bevölkerung unter Familienfreundlichkeit versteht und was nötig ist, um Deutschland zu einem familienfreundlicheren Land zu machen. Die Ergebnisse zeigen: Familien wünschen sich Respekt und Anerkennung – und zwar im gesellschaftlichen Miteinander ebenso wie in der politischen Gestaltung. Unsere Aufgabe als Bundesregierung ist es, die Bedürfnisse der Bevölkerung ernst zu nehmen, unseren Beitrag zu mehr Familienfreundlichkeit zu leisten und entsprechende Voraussetzungen zu schaffen.

Die Studie bestätigt bisherige Erfolge der Familienpolitik: Mit der Einführung und Weiterentwicklung familienpolitischer Leistungen wie des Elterngelds, dem Ausbau der Kinderbetreuung, einer familienfreundlicheren Arbeitswelt oder dem sozialen Sicherheitsnetz zum Beispiel mit dem Kinderzuschlag ist Deutschland in den vergangenen Jahren zu einem familienfreundlicheren Land geworden. Die Menschen erwarten aber auch, dass die Belange von Familien ernst genommen werden – und in Krisenzeiten nicht beiseitegefegt werden.

Für die Bevölkerung sind die drei dringendsten Themen, die wir als Bundesregierung und Gesellschaft angehen müssen: (1) familienfreundliches Wohnen, (2) soziale Sicherung und (3) Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier gilt es, Familien stärker zu unterstützen und Nachteile noch besser aufzufangen.

Denn jedes Kind soll unabhängig von der finanziellen Situation seiner Eltern mit guten Chancen ins Leben starten. Eine der dringendsten Aufgaben für uns ist es daher, Armutsrisiken zu verringern und mehr Entwicklungs- und Teilhabechancen für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Wir arbeiten daher an der Kindergrundsicherung – um so ein wirksames Sicherheitsnetz für alle Kinder und ihre Familien zu knüpfen.

Trotz Verbesserungen ist die Balance zwischen Familie und Beruf einer der größten Stressfaktoren für Eltern und Kinder in Deutschland. Hier unterstützen wir Familien mit dem quantitativen und qualitativen Ausbau der Kinderbetreuung, mit der Fortführung des Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“ für eine familienfreundliche Arbeitswelt und mit guten Rahmenbedingungen für eine partnerschaftliche Aufgabenteilung.

Von Familien in allen Einkommens- und Bildungsschichten wird die Frage nach ausreichend Wohnraum als dringlichster und wichtigster Bedarf benannt. Das macht deutlich: Familienfreundlichkeit ist ein Thema, das das Familienministerium nicht allein gestaltet, sondern von allen politischen Akteurinnen und Akteuren stärker mitgedacht werden muss. Die hier vorgelegte Studie macht deutlich: Familienfreundlichkeit ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, an der wir alle arbeiten müssen.

Was heißt hier familienfreundlich? Vorstellungen und Erwartungen von (potenziellen) Eltern

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Archiv ZFF-Info

ZFF-Info 02/2023

AUS DEM ZFF

Anlässlich der heute veröffentlichten aktuellen Zahlen zur Kinderarmut der Bertelsmann Stiftung mahnt das ZFF zum wiederholten Male an, die Kindergrundsicherung zügig umzusetzen und die Infrastruktur für Kinder und Jugendliche umfangreich auszubauen.

Fast drei Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Armut auf oder sind armutsgefährdet. Wie Armut junge Menschen begrenzt, sie beschämt und ihr weiteres Leben bestimmt, listet das Factsheet Kinderarmut der Bertelsmann Stiftung auf. Damit verbunden ist ein deutlicher Appell an die Regierungskoalition, die Kindergrundsicherung zeitnah auf den Weg zu bringen.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Armut macht krank, Armut grenzt aus und sie beeinträchtigt die Bildungschancen von Millionen Kindern und Jugendlichen. Die Auswirkungen von Armut müssen endlich ernst genommen werden! Die vorgelegten Zahlen, Daten und Fakten der Bertelsmann Stiftung zeigen erneut den dringenden Handlungsbedarf auf. Immer mehr Familien müssen um ihre Existenz bangen. Die aktuelle Situation verschärft ihre Lage dramatisch. Die Leidtragenden sind vor allem Kinder und Jugendliche.“

Britta Altenkamp fährt fort: „Wir brauchen die Kindergrundsicherung jetzt und sie muss existenzsichernd ausgestaltet sein. Dafür fordern wir eine Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums, die die Bedarfe von Kindern und Jugendlichen für ein gutes und gesundes Aufwachsen abbildet sowie sich an der gesellschaftlichen Mitte orientiert. Um alle Kinder aus der Armut zu holen, muss ebenso dringend die Infrastruktur vor Ort gestärkt werden. Nur mit einem starken Zweiklang – auskömmliche Kindergrundsicherung und gute Infrastruktur – kann allen Kindern soziale Teilhabe ermöglicht und echte Chancengleichheit hergestellt werden.“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 26.01.2023

Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) ist mit Veränderungen in das neue Jahr gestartet: In den Jahren 2023 und 2024 übernimmt der Deutsche Familienverband (DFV) turnusmäßig die Federführung vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf. Neuer Vorsitzender ist Dr. Klaus Zeh, Präsident des DFV. Die bisherige Vorsitzende, Sidonie Fernau, wird seine Stellvertreterin.

Zudem erweitert sich die AGF um einen Verband: Das Zukunftsforum Familie wird Mitglied der AGF.

„Wir freuen uns sehr über das Zukunftsforum Familie als neues Mitglied in der AGF“, betont der neue Vorsitzende, Dr. Klaus Zeh. „Insbesondere vor dem Hintergrund der Belastungen, die in den letzten Jahren auf den Familien lagen, braucht es die Zusammenarbeit der Organisationen, die sich für die Familien einsetzen. Bereits seit vielen Jahren hat sich das Zukunftsforum mit hervorragender Arbeit und Expertise für Familien etabliert. Mit der Mitgliedschaft setzen wir den Kurs der intensiven Zusammenarbeit mit dem Zukunftsforum Familie weiter fort, sodass die Aufnahme in die AGF nunmehr folgerichtig ist.“

Dass die Zusammenarbeit insbesondere vor dem Hintergrund der Belastungen in den letzten Jahren wichtig ist, betont auch die Vorsitzende des Zukunftsforums Familie, Britta Altenkamp: „Die Herausforderungen für die Familien sind derzeit enorm: Die Folgen der Corona-Krise sind noch nicht überwunden, eine hohe Inflation, weiterhin eine viel zu starke, eher sogar noch steigende Armut von Kindern und Familien sind nur einige davon. Wir freuen uns, nun auch als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen, die Familien noch stärker gemeinsam in den Mittelpunkt der Politik zu rücken.“

Durch die Aufnahme des Zukunftsforums Familie wächst die AGF auf nunmehr sechs Mitglieder:

  • Deutscher Familienverband (DFV) – aktuelle Federführung, Vorsitz: Dr. Klaus Zeh
  • evangelische arbeitsgemeinschaft familie (eaf)
  • Familienbund der Katholiken (FDK)
  • Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV)
  • Verband binationaler Familien und Partnerschaften (iaf) – zweite Vorsitzende: Sidonie Fernau
  • Zukunftsforum Familie (ZFF).

Ebenfalls zu Beginn des neuen Jahres hat die AGF ihren Webauftritt aktualisiert. Mit einem frischen Design und leichterem Auffinden der Inhalte und Themen präsentiert sich die AGF weiterhin unter https://ag-familie.de.

Quelle: Pressemitteilung Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V. vom 24.01.2023

Heute wurden die ersten Eckpunkte des BMFSFJ zur Ausgestaltung der Kindergrundsicherung bekannt. Das ZFF begrüßt das Vorhaben des Ministeriums, wird jedoch weiterhin genau auf die Details der Ausgestaltung achten.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Bei der Kindergrundsicherung steht das ZFF im Schulterschluss mit dem BMFSFJ. Diese neue Leistung eröffnet die Chance, den Dschungel der bisherigen Familienleistungen zu lichten, Kinderarmut zu reduzieren und endlich alle Familien unbürokratisch zu erreichen. Wir appellieren an die Bundesregierung, den Entwurf des BMFSFJ vollumfänglich zu unterstützen und dieses wichtige Vorhaben schnell umzusetzen. 

Die Kindergrundsicherung muss der zentrale Baustein beim Kampf gegen Armut von Kindern und Jugendlichen sein. Dieses Ziel kann nur mit einer ausreichenden Höhe der Kindergrundsicherung erreicht werden. Hierzu muss als Grundlage eine Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums herangezogen werden. Erfolgreich ist die Kindergrundsicherung auch erst, wenn sie Stigmatisierung und verdeckte Armut abbaut durch eine weitgehend automatische Auszahlung. Bei diesem Projekt steckt der Teufel im Detail, weshalb es für uns unabdingbar ist, bei der weiteren Ausgestaltung auf die Feinheiten zu achten!“  

Das ZFF beruft sich auf Informationen zum Eckpunktepapier des BMFSJ aus dem Artikel der Wirtschaftswoche „Staatliche Hilfen für Kinder sollen steigen und mehr Familien erreichen“ vom 19.01.2023. Demnach soll die Kindergrundsicherung als Anspruch des Kindes ausgestaltet werden und wie im Koalitionsvertrag angekündigt aus zwei Komponenten bestehen: einem Garantiebetrag für alle Kinder mindestens in Höhe des derzeitigen Kindergeldes und einem einkommensabhängigen Zusatzbeitrag. Die Kindergrundsicherung soll unbürokratisch sein und weitgehend digital ausbezahlt werden sowie viele der heutigen Leistungen, wie etwa das Kindergeld, Kinderzuschlag, die steuerlichen Kinderfreibeträge, SGB II- und die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes für Kinder zusammenfassen.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 19.01.2023

SCHWERPUNKT: Factsheet Kinderarmut Bertelsmann Stiftung

Mehr als jedes fünfte Kind und jede:r vierte junge Erwachsene gelten in Deutschland als armutsgefährdet. Alleinerziehende sowie Familien mit drei und mehr Kindern sind besonders betroffen. Die Daten zeigen, dass sich die Lage nicht gebessert hat. Damit sich an dem strukturellen Problem der Kinder- und Jugendarmut endlich etwas ändert, sollte die Bundesregierung die angekündigte Kindergrundsicherung jetzt schnell und entschlossen auf den Weg bringen.

Kinder- und Jugendarmut bleibt ein ungelöstes Problem in Deutschland. Mehr als jedes fünfte Kind und jede:r vierte junge Erwachsene ist von Armut bedroht. In absoluten Zahlen bedeutet das: Knapp 2,9 Millionen Kinder und Jugendliche sowie 1,55 Millionen junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren galten 2021 als armutsgefährdet. Das geht aus unserem neuen Factsheet „Kinder- und Jugendarmut in Deutschland“ hervor.

„Wer als junger Mensch in Armut aufwächst, leidet täglich unter Mangel, Verzicht und Scham und hat zugleich deutlich schlechtere Zukunftsaussichten. Das ist sowohl für die Betroffenen selbst als auch für die Gesellschaft als Ganzes untragbar“, sagt Anette Stein. 

Vertiefende Erkenntnisse zur Armutsgefährdung liefern die amtlichen Daten zu Kindern und Jugendlichen, die Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II erhalten. Demnach lebten im Sommer 2022 rund 1,9 Millionen junge Menschen unter 18 Jahren in Haushalten, die Sozialleistungen beziehen. Die Quote von Kindern und Jugendlichen im SGB II-Bezug betrug in Westdeutschland 13,4 Prozent und in Ostdeutschland 16 Prozent. Ein Blick auf die kommunale Ebene zeigt gravierende Unterschiede: Die Spannbreite lag zwischen 3 Prozent im bayerischen Roth und 42 Prozent in Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen. Sowohl die Anzahl als auch der Anteil von Kindern in SGB II-Haushalten sind erstmals seit fünf Jahren deutlich gestiegen. Die Zunahme ist vor allem auf die aus der Ukraine geflüchteten Kinder und Jugendlichen zurückzuführen. Diese haben gemäß der UN-Kinderrechtskonvention allerdings einen ebenso großen Anspruch auf gutes Aufwachsen und Teilhabe an der Gesellschaft. Überdurchschnittlich von Armut betroffen sind junge Menschen in alleinerziehenden Familien sowie in Familien mit drei und mehr Kindern. Die in diesen Fällen sehr aufwändige Sorge- und Betreuungsverantwortung macht es den Eltern oftmals unmöglich, einer umfänglichen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zudem wirken sich hier fehlende Angebote zur Kinderbetreuung besonders negativ aus. Das größte Armutsrisiko haben Kinder in Mehrkindfamilien mit einem alleinerziehenden Elternteil (86 Prozent). 

Junge Erwachsene weisen höchstes Armutsrisiko aller Altersgruppen auf

Auch viele junge Erwachsene sind mit Armut konfrontiert. Laut Factsheet weisen 18- bis 25-Jährige mit 25,5 Prozent sogar das höchste Armutsrisiko aller Altersgruppen auf. Frauen sind dabei stärker betroffen als Männer, junge Menschen in Ostdeutschland häufiger als die in Westdeutschland. SGB II-Leistungen beziehen allerdings nur 7 Prozent dieser Altersgruppe, was auf den ersten Blick überrascht. Das liegt hauptsächlich daran, dass junge Erwachsene für gewöhnlich eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren und viele zum ersten Mal in eine eigene Wohnung ziehen. Hier greifen andere sozialstaatliche Maßnahmen, wie BAföG oder Wohngeld. „Die hohe Armutsbetroffenheit junger Erwachsener weist jedoch darauf hin, dass die verschiedenen Systeme nicht gut zusammenwirken. Ohne Unterstützung durch ihre Eltern wäre es vielen nicht möglich, ihre Existenz zu sichern. Damit hängen die Chancen junger Menschen weiterhin zu stark vom Elternhaus ab“, mahnt Stein. 

Kindergrundsicherung wirksam gestalten

Aus unserer Sicht unterstreichen die Daten die Notwendigkeit, die Bekämpfung der Kinder- und Jugendarmut zur politischen Priorität zu machen. Die angekündigte Kindergrundsicherung wäre dafür ein zentrales Instrument. Doch diese müsse laut Stein so gestaltet sein, dass sie Armut wirksam vermeidet und sich an den tatsächlichen Bedarfen junger Menschen für gutes Aufwachsen, Bildung und Teilhabe orientiert. Die Kindergrundsicherung sollte ihnen eine weitgehend normale Kindheit und Jugend ermöglichen. Dazu ist es erforderlich, junge Menschen zu beteiligen und sie regelmäßig zu ihren Bedarfen zu befragen. 

An der Stellschraube Kindergeld zu drehen, helfe laut Stein hingegen nicht weiter, im Gegenteil: „Eine Erhöhung des Kindergeldes ist teuer, vermeidet aber keine Armut, denn es kommt bei Familien im SGBII-Bezug nicht an. Die Kindergrundsicherung muss die Verteilung mit der Gießkanne beenden und gezielt denjenigen helfen, die besonders darauf angewiesen sind.“ Um die Lage speziell der jungen Erwachsenen zu verbessern, sind eine – auch von uns empfohlene – Ausbildungsgarantie sowie eine BAföG-Reform unerlässlich. Beide Vorhaben sind ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigt. Zudem ist es wichtig, diese ergänzenden Instrumente mit der Kindergrundsicherung zu einem Leistungspaket zu verzahnen, das Kinder- und Jugendarmut wirksam bekämpft.

FACTSHEET UND POLICY BRIEF

Factsheet Kinder- und Jugendarmut in Deutschland

Policy Brief Existenzsicherung für Kinder neu bestimmen

Quelle: Pressemitteilung Bertelsmann Stiftung vom 26.01.2023

„Dass inzwischen mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut bedroht ist und deutlich mehr Kinder Hartz IV bekommen, ist einfach nicht hinnehmbar. Die Bundesregierung muss endlich umsteuern“, kommentiert Heidi Reichinnek, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, die heute veröffentlichten Daten der Bertelsmann-Stiftung zu Kinder- und Jugendarmut. Reichinnek weiter:

„2021 war mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland arm bzw. armutsgefährdet, bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren war sogar jede vierte Person betroffen. Und 2022 war ein deutlicher Anstieg der sogenannten Hartz-IV-Bezugsquoten zu verzeichnen. Diese Entwicklung ist äußerst bedenklich und die Armut verteilt sich ungleich. Besonders häufig leiden Kinder von Alleinerziehenden und aus großen Familien sowie junge Frauen unter Armut, und das deutlich häufiger im Osten und in den großen Ballungsgebieten.

Wir reden hier nicht nur über Zahlen, wir reden über Menschen, die ausgegrenzt werden und Tag für Tag ums Überleben kämpfen. Denn Armut heißt gerade in Kombination mit der aktuellen Inflation, am Ende des Monats kein Essen mehr zu haben, die Heizung nicht anstellen zu können und von sozialer Teilhabe wie z.B. Freizeitaktivitäten ausgeschlossen zu sein. Die physische Gesundheit leidet, die medizinische Versorgung ist schlechter und die Zukunftsaussichten sind trist. In wenigen anderen Ländern sind Aufstiegschancen so stark von der sozioökonomischen Lage im Elternhaus abhängig wie in Deutschland.

Es ist gut, dass die Bundesregierung endlich über die Einführung einer Kindergrundsicherung diskutiert. Entscheidend ist hierbei die Höhe, um Kinderarmut nicht nur zu reduzieren, sondern zu verhindern. Aber das alleine reicht nicht, denn Kinderarmut ist immer Armut der Eltern. Wir brauchen daher gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und die Bundesregierung muss endlich die Lebensbedingungen junger Erwachsener in den Blick nehmen und verbessern.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 26.01.2023

Die Bertelsmann-Stiftung hat heute neue Zahlen zur Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen veröffentlicht. Demnach sind fast 3 Millionen Kinder unter 18 Jahren und zusätzlich mehr als 1,5 Millionen junge Erwachsene im Alter von unter 25 Jahren armutsgefährdet. Junge Menschen sind damit die am stärksten von Armut bedrohte Altersgruppe in Deutschland. Als Gründungsmitglied des Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG setzt sich die AWO schon seit Jahren für eine Verbesserung der materiellen Ausgangsbedingungen für Kinder und für mehr Verteilungsgerechtigkeit ein. Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt, kommentiert:

„Die heute veröffentlichten Zahlen zeigen erneut den dringenden Handlungsbedarf in der sozialstaatlichen Absicherung von jungen Menschen. Kinder, die in Armutslagen aufwachsen, schaffen selten den Aufstieg aus der Armut, das ist empirisch gut belegt. Die Gründe hierfür sind vielfältig, besonders bedeutend ist aber der Mangel an finanziellen Mitteln. Wenn zum Beispiel das nötige Geld für den Schwimmkurs, die Musikschule oder den Mitgliedsbeitrag im Sportverein fehlt, dann fühlen Kinder sich ausgegrenzt und werden davon abgehalten, ihre Potenziale zu entfalten. Das können wir als Gesellschaft nicht länger hinnehmen. Daher begrüßen wir es sehr, dass die Einführung einer armutsvermeidenden Kindergrundsicherung noch in dieser Legislatur umgesetzt werden soll.“

Allerdings muss aus Sicht der AWO mit der Ausgestaltung der neuen Leistung auch mehr Verteilungsgerechtigkeit hergestellt werden. Aktuell profitieren Familien mit hohen Einkommen viel stärker beim sogenannten Familienlastenausgleich, da bei der steuerlichen Freistellung des kindlichen Existenzminimums die Entlastung durch die Kinderfreibeträge mit steigenden Einkommen zunimmt. „Damit endlich Schluss mit der ungleichen Förderung armer und reicher Kinder ist, fordern wir, dass die Kinderfreibeträge vollständig in die Kindergrundsicherung überführt werden – und zwar nicht nur perspektivisch, sondern von Anfang an“, so Groß abschließend.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 26.01.2023

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert Bund, Länder und Kommunen auf, bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland weitere Maßnahmen zur Förderung armer Kinder und ihrer Familien auf den Weg zu bringen. „Die heute von der Bertelsmann Stiftung vorgelegten Zahlen zur Kinder- und Jugendarmut in Deutschland zeigen den weiterhin hohen Bedarf an armutsbeseitigenden Maßnahmen und unterstreichen die Notwendigkeit einer Kindergrundsicherung. Diese muss so ausgestaltet sein, dass sie die Armutszahlen spürbar senkt und sich damit an den tatsächlichen Bedarfen der Kinder und Jugendlichen orientiert. Dazu gehört einerseits die materielle Absicherung von Kindern und ihren Familien in den Blick zu nehmen, andererseits aber auch ihre Versorgung in den Bereichen Gesundheit, Mobilität, Freizeit und soziale Teilhabe. Das ist nicht zum Nulltarif zu haben, die notwendigen finanziellen Mittel müssen schon jetzt in den Finanzplanungen des Bundes berücksichtigt werden“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes anlässlich der Veröffentlichung des Factsheets „Kinder- und Jugendarmut in Deutschland“ der Bertelsmann Stiftung.

Bis zum Inkrafttreten der Kindergrundsicherung fordert das Deutsche Kinderhilfswerk deutliche Nachbesserungen bei den seit Januar geltenden Bürgergeld-Regelsätzen für Kinder und Jugendliche. „Mehr als jedes fünfte Kind lebt in Armut, das sind fast drei Millionen Kinder, denen gleichwertige Entwicklungschancen vorenthalten werden. Bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland können wir deshalb nicht auf die Kindergrundsicherung, die im Jahr 2025 kommen soll, warten. Wir brauchen jetzt eine signifikante Erhöhung der Transferleistungen, ohne die es bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland weitere Rückschläge geben wird. Trotz der seit Januar geltenden Verbesserungen bei den Regelsätzen reicht das Geld in vielen Familien vorne und hinten nicht. An dieser Stelle sollten mehr finanzielle Mittel in die Hand genommen werden, um allen Kindern und Jugendlichen ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen. Dabei müssen soziale Infrastruktur und monetäre Leistungen ineinandergreifen. Nur so kann das strukturelle Problem der Kinderarmut in Deutschland umfassend beseitigt werden. Notwendig ist jetzt ein Schulterschluss zwischen Bund, den Ländern und Kommunen“, so Hofmann weiter.

Wichtig ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes daher die Erstellung einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland, die mit einer umfassenden Kinder- und Jugendbeteiligung an diesem Prozess einhergehen muss und einen ressortübergreifenden Ansatz braucht. Dieser muss neben monetären Leistungen auch ein starkes Augenmerk auf infrastrukturelle Bedingungen zur Unterstützung von Familien und ihren Kindern legen. Die Kinderarmut in Deutschland kann aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes nur dann effizient und nachhaltig bekämpft werden, wenn alle Maßnahmen zu diesem Zweck in einem Gesamtkonzept verknüpft und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Die Erarbeitung des Nationales Aktionsplans im Rahmen der von Deutschland mitbeschlossenen EU-Kindergarantie kann hierfür einen guten Ansatz bieten.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 26.01.2023

Die weiterhin hohen Zahlen der Kinder- und Jugendarmut, sowie unter jungen Erwachsenen sind in Anbetracht der multiplen Krisen nicht verwunderlich, erhöhen aber die Dringlichkeit für ein zeitnahes politisches Handeln auf vielen Ebenen.

„Finanzielle Armut ist nicht nur ein materielles Problem, sie bedeutet für Familien und Kinder großen Stress. Der finanzielle Druck der Eltern kann sich auch auf die Kinder übertragen. Schlechtere Teilhabe, Ausgrenzung und möglicherweise sogar Diskriminierung gehen nicht spurlos vorbei und hinterlassen lebenslange Spuren“ erklärte Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbundes der Katholiken.

Das Factsheet „Kinder- und Jugendarmut in Deutschland“ der Bertelsmann Stiftung legt aktuelle Zahlen dar und betont die Dringlichkeit des Themas. Die Zahlen verdeutlichen, so Hoffmann: „Jedes fünfte Kind bzw. jeder vierte junge Erwachsene ist mindestens zeitweise in seinem Leben vom Erhalt von Sozialleistungen abhängig. Leider hat sich diese Datenlage seit vielen Jahren kaum verändert.“

Aus Sicht des Familienbundes sind die mit der geplanten Kindergrundsicherung verfolgten Ziele der Bündelung und Erhöhung von Leistungen, der vereinfachten, digitalen Beantragung und der Entbürokratisierung richtig. Jetzt kommt es laut Ulrich Hoffmann auf die konkrete Ausgestaltung an: „Eine gut gemachte Kindergrundsicherung, die Eltern bei der Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht hilft, ist ein wichtiges Instrument auf dem Weg, armutsbetroffene Kinder- und Jugendliche besser zu unterstützen. Dabei ist die Höhe der Kindergrundsicherung so zu bestimmen, dass es jeder Familie möglich ist, ihre Existenz zu sichern und den Kindern hinreichende soziale Teilhabe zu ermöglichen. Es richtig, dass die kürzlich bekannt gewordenen Eckpunkte zur Kindergrundsicherung vorsehen, die Regelbedarfe für Kinder zukünftig stärker als bisher an den Haushaltsausgaben der gesellschaftlichen Mitte auszurichten. Zugleich muss sichergestellt sein, dass sich Arbeit für Familien lohnt.“

Ulrich Hoffmann betont, dass die verfassungsrechtlich garantierten Kinderfreibeträge auch mit Einführung einer Kindergrundsicherung in vollem Umfang erhalten bleiben müssen: „Es geht bei den Freibeträgen um Steuergerechtigkeit. Zudem ist es für die Selbstwirksamkeit, Unabhängigkeit und freie Lebensgestaltung der Familien ein großer Unterschied, ob sie ihre Existenz durch eigenes Einkommen sichern können oder staatliche Leistungen beantragen müssen.“

Das größte Armutsrisiko haben weiterhin Alleinerziehende und Mehrkindfamilien. „Gerade die hohe Armutsquote unter Alleinerziehenden und Familien mit drei oder mehr Kindern ist erschreckend. Wenn die Unterstützung nicht ausreicht, schwindet auch das Vertrauen und diese langfristigen Folgen spüren wir dann auch in einem Vertrauensverlust in unsere Demokratie“ führt Hoffmann aus.

Für mehr soziale und kulturelle Teilhabe, für eine nachhaltig wirksame Armutsbekämpfung braucht es eine Vielzahl an Unterstützungen. Der Familienbund fordert, den sozialen Wohnungsbau auszubauen, die Bildungsmöglichkeiten für Kinder zu stärken und eine Reform des BAföG. Daneben können niedrigschwellige Möglichkeiten der Beratung durch multiprofessionelle Teams direkt in Kindertageseinrichtungen und Schulen helfen, damit aus Unterstützung Perspektiven und Chancen entstehen.

Ulrich Hoffmann setzt fort: „Unsere gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe ist es auch, stigmatisierende Bilder von Armut zu überwinden, denn die ganz überwiegende Anzahl von Eltern unterstützt und fördert ihre Kinder bestmöglich und spart lieber bei eigenen Ausgaben.“

Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken – Bundesverband vom 26.01.2023

Nach aktuelle Zahlen der Bertelsmann-Stiftung lebt mehr als jedes fünfte Kind ud jede*r vierte junge Erwachsene in Deutschland in Armut.

In Reaktion auf die heute von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichten Zahlen zur Kinder- und Jugendarmut in Deutschland bekräftigt der Paritätische Wohlfahrtsverband seine Forderung nach einer sofortigen Anhebung der Grundsicherungsleistungen um mindestens 200 Euro im Monat. Es sei ein Skandal, dass in einem Land mit der weltweit viertstärksten Wirtschaftskraft mehr als jedes fünfte Kind in Armut lebe, kritisiert der Verband.

“Kinderarmut ist kein Schicksal, sondern Resultat jahrzehntelanger politischer Unterlassungen”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. “Durch armutspolitische Ignoranz und Tatenlosigkeit werden Millionen Kinder einer unbeschwerten Kindheit beraubt und die Zukunft  dieser Gesellschaft als guter Wirtschafts- und Lebensstandort gefährdet.” Die fast drei Millionen Kinder und jungen Erwachsenen, die heute in Armut leben, hätten keine Zeit, auf politische Taten der Zukunft zu warten. Die von der Koalition aktuell vorangetriebene Kindergrundsicherung sei zur Bekämpfung der Kinderarmut von herausragender Bedeutung. Auch seien erhebliche Investitionen in Bildung und Jugendhilfe auf den Weg zu bringen. Doch bräuchte es davon unabhängig  bereits heute wirksame Hilfen und die Möglichkeit aller Kinder und Jugendlichen an all dem teilzuhaben, was für ihre Mitschüler*innen und Freund*innen aus wohlhabenderen Familien eine Selbstverständlichkeit ist.

Der Paritätische bekräftigt vor diesem Hintergrund seine Forderung nach einer sofortigen Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung (neu: “Bürgergeld”) um mindestens 200 Euro pro Person und Monat. “Man kann es drehen und wenden wie man will: Es gibt keine armen Kinder, es gibt nur arme Familien und gegen Armut hilft vor allem Geld”, so Schneider.

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 26.01.2023

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) lädt zur Teilnahme am Fotowettbewerb „VielfALT“ ein. Gesucht werden Fotografien, die die Vielfalt und Potenziale älterer Menschen in der heutigen Gesellschaft dokumentieren und stereotype Altersbilder hinterfragen.

Der Fotowettbewerb findet im Rahmen des „Programms Altersbilder“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) statt und begleitet zugleich die Erarbeitung des Neunten Altersberichts zum Thema „Alt werden in Deutschland – Potenziale und Teilhabechancen“.

Der Fotowettbewerb wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

Fotos können in den folgenden vier Kategorien eingereicht werden: 
•    Das bin ich. Individuell im Alter.
•    Mittendrin. Aktiv und engagiert bis ins hohe Alter.
•    Licht und Schatten. Herausforderungen im Alter.
•    Gemeinsam geht was. Jung und Alt im Austausch.

Teilnahmeschluss ist der 21. Mai 2023. 

Eine unabhängige Jury u. a. aus Mitgliedern der Neunten Altersberichtskommission, des Deutschen Zentrums für Integration und Migration, der Zeitschrift PHOTONEWS, des Berufsverbands FREELENS, des Deutschen Verbands für Fotografie e. V. sowie der BAGSO und des BMFSFJ vergibt Preise in den oben genannten Kategorien im Wert von insgesamt 19.000 Euro. 
Die Erstplatzierten der Kategorien erhalten jeweils 2.000 Euro, die Zweitplatzierten jeweils 1.500 Euro und die Drittplatzierten jeweils 1.000 Euro. Hinzu kommt ein Publikumspreis in Höhe von 1.000 Euro. Er wird im Zuge einer Online-Abstimmung im Anschluss an die Einreichungsphase vergeben. 

Die Preisverleihung findet am 12. September 2023 in Berlin statt. Bundesseniorenministerin Lisa Paus wird die Preisträgerinnen und Preisträger persönlich auszeichnen. Die prämierten und alle weiteren 

eingereichten Fotos werden auf der Wettbewerbsseite und der Webseite zum „Programm Altersbilder“ sichtbar gemacht. Die prämierten Fotos werden zudem im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit zum Programm Altersbilder und zum Neunten Altersbericht eingesetzt.

Alle Informationen und Materialien zum Wettbewerb unter:
www.bagso.de/fotowettbewerb 

Weitere Informationen:
https://www.programm-altersbilder.de/ 
https://www.neunter-altersbericht.de/

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 23.01.2023

Die CDU/CSU-Fraktion hat eine Kleine Anfrage (20/5206) zum „Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit“ der Bundesregierung gestellt. Dieses Paket ist als Anschlussprogramm für die sogenannten Corona-Aufholpakete gedacht, mit denen Kinder und Jugendliche durch verschiedene Unterstützungsangebote besonders gefördert werden sollen. Die Unionsfraktion fragt die Bundesregierung unter anderem nach Förderschwerpunkten, Fördermitteln und Auswahl der Projekte.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 45 vom 23.01.2023

Der Frauenanteil in Führungsebenen der Privatwirtschaft, im öffentlichen Dienst und in den Gremien des Bundes ist seit Inkrafttreten des FüPoG (Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst) zwar gestiegen. Er ist aber insgesamt noch immer sehr niedrig. Das geht aus der „Sechsten Jährlichen Information der Bundesregierung über die Entwicklung des Frauenanteils an Führungsebenen und in Gremien der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes“ hervor, der nun als Unterrichtung (20/5340) durch die Bundesregierung vorliegt.

Demnach ist im Bereich der Privatwirtschaft bei den Aufsichtsräten aller in diesem Bericht betrachteten Unternehmen eine kontinuierliche Steigerung seit 2015 bis 2019 um fünf Prozentpunkte auf 23,6 Prozent zu beobachten. Der Frauenanteil in den Vorständen der Unternehmen stieg kontinuierlich um insgesamt 2,6 Prozentpunkte auf insgesamt niedrigem Niveau und lag 2019 bei 8,7 Prozent.

„Im Bereich des öffentlichen Dienstes des Bundes bestand vier Jahre nach Inkrafttreten des FüPoG noch deutlicher Verbesserungsbedarf. Frauen waren in den meisten Dienststellen nach wie vor in Führungspositionen unterrepräsentiert“, schreibt die Regierung. Der Anteil von Frauen an allen Leitungsfunktionen in der gesamten Bundesverwaltung lag demnach 2015 bei 33 Prozent und stieg nach Inkrafttreten des FüPoG 2015 bis 2019 auf 36 Prozent. „Gemessen daran, dass 52 Prozent aller Beschäftigten in der Bundesverwaltung Frauen waren, war diese Entwicklung nicht zufriedenstellend“, urteilt die Regierung weiter. Für die Bundesverwaltung sei daher im FüPoG II das Ziel vereinbart worden, bis zum Ende des Jahres 2025 die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen zu erreichen. In jeder Dienststelle, auf jeder Führungsebene und in jeder Besoldungs- und Entgeltgruppe sollen Frauen dann nicht mehr unterrepräsentiert sein.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 55 vom 25.01.2023

Nach der Inanspruchnahme des Kinderzuschlags fragt die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (20/5210). Die Bundesregierung soll unter anderem beantworten, wie viele Anträge in den vergangenen Jahren gestellt wurden, wie viele Anspruchsberechtigte es gibt und ob es eine Ausweitung der Beratungstätigkeit geben soll.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 45 vom 23.01.2023

Die Bundesregierung bekräftigt ihr Ziel, die zweiwöchige Partnerfreistellung nach der Geburt eines Kindes zügig umsetzen zu wollen. In einer Antwort (20/5036) auf eine Kleine Anfrage (20/4777) der Unionsfraktion schreibt sie, es sei ihr ein Anliegen, sowohl die Bezugsdauer als auch die Väterbeteiligung an der Elternzeit und am Elterngeld zu steigern. Gerade die frühe Familienphase könne eine weichenstellende Wirkung entfalten und die zweiwöchige Partnerfreistellung einen neuen Anreiz dafür schaffen, dass sich Väter gleich zu Beginn Zeit für die Familie nehmen können und damit Familien in ihrem Wunsch nach einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung unterstützen. „Für die weitere Nutzung von Elternzeit und Elterngeld durch Väter ist auch die Unterstützung auf betrieblicher Ebene eine notwendige Voraussetzung. Daher arbeitet die Bundesregierung mit dem Unternehmensprogramm ‚Erfolgsfaktor Familie‘ gemeinsam mit Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft an einer familienfreundlichen Arbeitswelt und einer Steigerung der Akzeptanz von Elternzeit und Elterngeld“, heißt es in der Antwort.

Die Bundesregierung bekräftigt ferner, auch an der Höhe des Elterngeldes zu arbeiten. Unter Verweis auf den Koalitionsvertrag schreibt sie, die Dynamisierung von Mindest- und Höchstbetrag werde derzeit beraten.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 44 vom 23.01.2023

Die Bundesregierung will die Fristen verlängern, innerhalb derer die Länder Bundesmittel zum Ausbau der Kitainfrastruktur abrufen können. Das sieht der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und zur Änderung des Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetzes (20/5162) vor.

Aktuell würden Investitionen im Rahmen des laufenden 5. Investitionsprogrammes „Kinderbetreuungsfinanzierung“ in den quantitativen Kita-Ausbau der Länder gefördert, die bis zum 30. Juni 2022 bewilligt worden sind. Die Gesamtmittel seien nahezu vollständig gebunden. Für die Bauvorhaben seien bereits Mittel in Höhe von mehr als 382 Millionen Euro abgerufen worden (Stand Mitte August 2022). Das bedeute, dass fast 618 Millionen Euro noch nicht abgerufen worden seien, heißt es zur Erläuterung im Gesetzestext. Darin wird auch darauf verwiesen, dass die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Jugend- und Familienministerkonferenz deshalb die Bundesregierung gebeten haben, die Fristen für den Abschluss der Investitionen und für den Mittelabruf gemäß Paragrafen 29 und 30 des Gesetzes über die Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder im Wege einer Gesetzesänderung zu verlängern und die weiteren Fristen des Gesetzes anzupassen, um das Ziel des vollständigen Abrufs der Mittel zur Errichtung bedarfsgerechter Betreuungsplätze für Kinder zu erreichen.

Damit die Länder und Gemeinden die Aufgaben beim Ausbau der Kindertagesbetreuung weiter bewältigen können, wird das Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (KitaFinHG) so geändert, dass der Abschluss der geförderten Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2023 sowie der Abruf der Bundesmittel durch die Länder bis zum 30. Juni 2024 durchgeführt werden können. Außerdem werden darauf aufbauende Fristenregelungen insbesondere für Verwendungsnachweise und für Berichte entsprechend angepasst.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 27 vom 17.01.2023

Erst die Pandemie, dann die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs – zahlreiche Menschen haben das Gefühl, in einer Dauerkrise zu stecken. Das gilt besonders für Mütter. Sie fühlen sich gerade finanziell deutlich stärker belastet als andere Bevölkerungsgruppen, gleichzeitig ist ihr Vertrauen in den Staat auf einen Tiefpunkt gesunken. Das ist ein Ergebnis der aktuellen Welle der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung – und ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Situation von Familien und insbesondere von Müttern dringend einen höheren Stellenwert in der Politik braucht. Die von der Bundesregierung angekündigte Kindergrundsicherung ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, analysiert Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

„Die befragten erwerbstätigen oder arbeitsuchenden Mütter sind deutlich unzufriedener mit dem Krisenmanagement als der Rest der Bevölkerung“, sagt Kohlrausch. Die Politik habe lange ignoriert, dass in der Gesellschaft nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Sorgearbeit geleistet werden muss – und die bleibe hauptsächlich Sache der Frauen. Für die neue Welle der Befragung, die Kohlrausch zusammen mit den WSI-Forschern Dr. Andreas Hövermann und Dr. Helge Emmler auswertet, wurden im vergangenen November rund 5100 Erwerbstätige und Arbeitsuchende zu ihrer Lebenssituation befragt. Dieselben Personen waren seit Frühjahr 2020 mehrmals interviewt worden, wodurch Veränderungen im Zeitverlauf ersichtlich werden.

Zwar ist der Anteil der Mütter, die sich insgesamt stark belastet fühlen, im Vergleich zum Beginn der Coronakrise gesunken, als Lockdowns und die Schließung von Kitas und Schulen den Alltag prägten. Er lag im November 2022 aber immer noch bei knapp 30 Prozent – und damit höher als bei allen anderen Gruppen. Im Durchschnitt aller Befragten waren es zum gleichen Zeitpunkt rund 22 Prozent (siehe auch die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten).

Auch in den Bereichen Familie, Arbeit und Finanzen hatten Mütter zuletzt höhere Belastungen als andere Gruppen. Besonders auffällig: 40 Prozent der Mütter berichteten von starken finanziellen Belastungen, im Durchschnitt aller Befragten taten dies 27 Prozent. „Das ist ein Alarmzeichen, denn finanzielle Probleme und Armut insbesondere von Müttern sind ja besonders eng verbunden mit der Armut von Kindern und Jugendlichen“, sagt die Soziologin Kohlrausch. „Es würde zwei wichtige Verbesserungen darstellen, wenn die geplante Kindergrundsicherung erstens bessere Leistungen ermöglicht und zweitens Hürden abräumt, damit Ansprüche auch wirklich wahrgenommen werden können. Bislang scheitern allzu viele Eltern an der Bürokratie. Eine schnelle Umsetzung eines überzeugenden Konzepts könnte auch helfen, das zuletzt erodierte Vertrauen zurückzugewinnen.“

Denn im Laufe des letzten Jahres ist der Anteil der Mütter gestiegen, die der Regierungspolitik misstrauen, zeigt die Erwerbspersonenbefragung: Während im Oktober 2021 gut 16 Prozent von ihnen sagten, sie hätten „überhaupt kein Vertrauen“ in die Bundesregierung, waren es gut ein Jahr später 34 Prozent.

Die aktuellen Daten zeigen auch: Betreuungsausfälle zu kompensieren und die psychosozialen Folgen der Pandemie aufzufangen, bleibt bislang überwiegend eine Aufgabe der Mütter. Mehr Unterstützung durch die Männer erhalten sie offenbar nicht: Die Aufteilung der Sorgearbeit zwischen Müttern und Vätern hat sich in etwa wieder auf dem Niveau von vor der Corona-Pandemie eingependelt. 63 Prozent der Mütter gaben an, den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung zu leisten, während es bei den Vätern 6 Prozent waren. „Hier lässt sich also eine Verstetigung der schon vor der Krise sehr ungleichen Verteilung der Sorgearbeit feststellen. Damit wird deutlich, dass die von einigen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen vermutete Egalisierung der Geschlechterverhältnisse während der Pandemie nicht stattgefunden hat“, so Kohlrausch.

Der traditionelle Status Quo in vielen Familien behindere die Erwerbschancen von Frauen ganz erheblich, warnt die WSI-Direktorin. „Daran etwas zu ändern, ist nicht nur Sache der Väter und Mütter. Unternehmen und auch die Politik müssen bessere Voraussetzungen dafür schaffen, dass eine fairere Aufteilung der Sorgearbeit gelingt“, sagt Kohlrausch. „Hierzu gehört auch, in den Betrieben Maßnahmen für mehr Arbeitszeitsouveränität und Arbeitszeitverkürzung durchzusetzen und einer zunehmenden Verdichtung von Arbeit entgegenzuwirken. Wir müssen bei der Organisation der Erwerbsarbeit die Sorgearbeit mitdenken und nicht umgekehrt.“

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 25.01.2023

Ärmere Familien hatten im Dezember mit weiterhin fast 10 Prozent die höchste Inflationsbelastung zu tragen, einkommensreiche Singles die niedrigste. Das gleiche Muster zeigt sich auch für das gesamte Jahr 2022, für das nun ebenfalls vollständige Daten vorliegen. Mit dem Rückgang der Inflation für den Durchschnitt aller Haushalte von 10 Prozent im November auf 8,6 Prozent im Dezember hat sich immerhin die soziale Schere, also der Abstand zwischen den höchsten und den niedrigsten haushaltsspezifischen Inflationsraten, wieder etwas verkleinert. Gemessen an den für sie jeweils repräsentativen Warenkörben lag die Teuerungsrate bei Familien mit niedrigen Einkommen im Dezember bei 9,8 Prozent gegenüber 7,1 Prozent bei Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen. Die Differenz betrug damit 2,7 Prozentpunkte, nach 3,5 Prozentpunkten im November. Am Rückgang der Spreizung hatte die staatliche Übernahme der Abschlagszahlung für Erdgas und Fernwärme einen erheblichen Anteil. Zudem wirkten sich sinkende Rohölpreise und eine etwas abgeschwächte Teuerung bei den Kosten für Lebensmitteln aus. Denn Haushaltsenergie und Nahrungsmittel als Güter des Grundbedarfs machen bei den Einkäufen von Haushalten mit niedrigen bis mittleren Einkommen einen größeren Anteil aus als bei wohlhabenden, die Preisentwicklung dort trieb auch im Dezember die Teuerungsraten je nach Einkommen auseinander, aber weniger stark als zuvor. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen liefert.*

Die zweithöchste Inflationsbelastung trugen im Dezember mit 9,5 Prozent wie in den Vormonaten Alleinlebende mit niedrigen Einkommen. Auch Alleinerziehende und Familien mit jeweils mittleren Einkommen hatten mit 9,1 Prozent bzw. 9,0 Prozent überdurchschnittliche Teuerungsraten zu verkraften, während Paarhaushalte ohne Kinder sowie Alleinlebende mit jeweils mittleren Einkommen mit 8,7 bzw. 8,6 Prozent nahe am bzw. im allgemeinen Durchschnitt lagen. Alleinlebende und Familien mit jeweils höheren Einkommen wiesen eine leicht unterdurchschnittliche Rate von 8,4 bzw. 8,5 Prozent auf (siehe auch die Informationen zur Methode unten und Abbildung 1 in der pdf-Version dieser PM; Link unten).

„Die Entwicklung im Dezember zeigt, dass die von der Bundesregierung umgesetzten Preisbremsen wirksam sind und bislang auch sozial positive Effekte zeigen. Allerdings haben sie die soziale Schere bei der Teuerung nur etwas verkleinern können, beileibe nicht schließen“, analysieren Dr. Silke Tober und Prof. Dr. Sebastian Dullien, Autorin und Autor des Inflationsmonitors. Das zeige sich auch beim Blick auf die Teuerungsraten im Gesamtjahr: Die preislichen Entlastungsmaßnahmen verringerten die Inflation 2022 durchschnittlich durchaus spürbar um 1,0 Prozentpunkte. Dabei fiel die Entlastung für einkommensstarke Alleinlebende und einkommensstarke Familien mit 0,6 Prozentpunkten geringer aus als für einkommensschwache Familien (1,0 Prozentpunkte) und einkommensschwache Singles (1,1 Prozentpunkte). Trotzdem hatten wohlhabende Haushalte auch im Gesamtjahr eine merklich geringere Teuerungsrate zu verzeichnen als ärmere.

So waren es mit Blick auf 2022 insgesamt wiederum Familien mit geringem Einkommen, die mit 8,8 Prozent die höchste Teuerungsrate verzeichneten – ein knapper Prozentpunkt mehr als die allgemeine Inflation von 7,9 Prozent. Dagegen war die Inflation für einkommensstarke Alleinlebende mit 6,6 Prozent unter allen Haushalten am geringsten. Überdurchschnittlich fiel 2022 auch die Inflationsrate für Alleinerziehende mit mittlerem Einkommen aus (8,2 Prozent) sowie für Familien mit mittleren und für Alleinlebende mit niedrigen Einkommen (jeweils 8,1 Prozent) aus und geringfügig auch für kinderlose Paarhaushalte und mittleren Einkommen (8,0 Prozent; siehe auch Abbildung 2 in der pdf-Version).

Das Problem, dass Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen aktuell auch besonders hohe Inflationsbelastungen tragen, wird dadurch verschärft, dass vor allem Ärmere grundsätzlich besonders unter starker Teuerung leiden, unterstreichen Dullien und Tober: Die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, sind kaum zu ersetzen. Zudem besitzen diese Haushalte kaum Spielräume, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten.

Informationen zum Inflationsmonitor

Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.

IMK Inflationsmonitor – Deutliche Inflationsunterschiede zwischen Arm und Reich im Jahr 2022. IMK Policy Brief Nr. 144, Januar 2023.

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 19.01.2023

Von der Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro dürften über sechs Millionen Beschäftigte profitiert haben. Beim Großteil von ihnen hat sich dadurch nicht nur der Stundenlohn verbessert, auch ihre monatlichen Gehälter sind im Schnitt deutlich gestiegen, zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Arbeitgeber haben also überwiegend auf die Erhöhung nicht etwa mit Arbeitszeitreduzierungen reagiert, wovor im Vorfeld manche Gegner gewarnt hatten. „Es ist daher damit zu rechnen, dass Millionen Beschäftigte durch die Mindestlohnerhöhung mehr Geld zur Verfügung haben“, schreibt Studienautor Dr. Toralf Pusch. Das stelle für die Betroffenen gerade in Zeiten hoher Inflation eine wichtige Hilfe dar und dürfte auch zur Stabilisierung des gesamtwirtschaftlichen Konsums in der Krise beitragen. Die Untersuchung erscheint heute in der Fachzeitschrift „Wirtschaftsdienst“.*

Der Mindestlohn wurde zum 1. Oktober auf zwölf Euro erhöht. Laut Pusch hat sich das direkt auf – je nach Datenbasis – 6,2 bis 6,6 Millionen Beschäftigte ausgewirkt. Den mitunter geäußerten Einwand, die positiven Auswirkungen auf die Stundenlöhne würden durch Arbeitszeitverkürzungen konterkariert, hält der WSI-Arbeitsmarktexperte auf Basis neuer Befragungsdaten für unbegründet. Sie zeigen, dass der höhere Mindestlohn den betroffenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ein Plus von durchschnittlich über 100 Euro pro Monat beschert hat. Bei Minijobbenden mit vergleichsweise geringer Stundenzahl war der Zuwachs niedriger.

Pusch hat für seine Untersuchung Daten der jüngsten Welle der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet, an der im November 2022 über 5100 Personen teilgenommen haben. Die Befragten bilden die Erwerbstätigen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab.

Diejenigen Befragten, deren Stundenlohn infolge der neuen gesetzlichen Untergrenze gestiegen ist, sollten angeben, ob das auch auf ihr Monatsgehalt zutrifft. Bei rund vier Fünfteln war das der Fall. Diese gut 300 Personen wurden zusätzlich nach der Spanne der monatlichen Gehaltserhöhung gefragt. Das Ergebnis: Bei 19 Prozent von ihnen waren es mehr als 200 Euro, bei 21 Prozent zwischen 100 und 200 Euro, bei 38 Prozent zwischen 50 und 100 Euro und bei 22 Prozent weniger als 50 Euro (siehe auch Abbildung 1 in der pdf-Version dieser PM; Link unten).

Aus diesen und weiteren Angaben hat der WSI-Forscher näherungsweise die durchschnittlichen Gehaltssteigerungen für verschiedene Beschäftigungsformen berechnet. Demnach haben sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte infolge der Mindestlohnerhöhung im Schnitt monatlich 155 Euro mehr verdient, sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigte 104 Euro und geringfügig Beschäftigte immerhin noch 59 Euro (Abbildung 2 in der pdf-Version).

Die Teilnehmenden der Erwerbspersonenbefragung wurden auch gefragt, ob ihnen im persönlichen Umfeld Fälle bekannt sind, in denen der Mindestlohn nicht gezahlt wird, was immerhin acht Prozent bejahten. „Mindestlohnumgehungen sind also offensichtlich weiterhin ein Problem, dem die Behörden durch bessere Kontrollen nachgehen müssen“, sagt Pusch. Die Größenordnung der Verstöße lasse sich daraus aber nicht abschätzen, so der Ökonom. Als Annäherung an die Frage nach dem Umfang der Umgehungen hat der Experte die Entwicklung der Monatsgehälter im Mindestlohnbereich zwischen 2013 und 2018 rekonstruiert, da für diesen Zeitraum Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorliegen. Den Berechnungen zufolge sind diese Gehälter in nur fünf Jahren preisbereinigt um durchschnittlich 18,7 Prozent gestiegen – ein weiteres Indiz dafür, dass der Mindestlohn bei den meisten betroffenen Beschäftigten ankommt. Mit weit verbreiteten Arbeitszeitverkürzungen und umfangreichen Umgehungen sei dieses deutliche Plus jedenfalls nicht vereinbar, erklärt der WSI-Wissenschaftler.

Puschs Fazit: Alles in allem sei davon auszugehen, dass Millionen Geringverdienende dank der Mindestlohnanhebung mehr Geld zur Verfügung haben. „Der Mindestlohn kann daher neben den positiven Einkommenseffekten auch einen Beitrag zur Stabilisierung des Konsums in einer wirtschaftlich fragilen Zeit leisten.“

12 Euro Mindestlohn: Millionen Beschäftigte bekommen mehr Geld. Wirtschaftsdienst, Ausgabe 1, Januar 2023.

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 18.01.2023

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Der AWO Bundesverband hat zum Jahresbeginn den Vorsitz in der Frauenhauskoordinierung für die Jahre 2023 und 2024 übernommen und verstärkt damit seine Aktivitäten zum Schutz von Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt und im häuslichen Umfeld. Mit besonderem Nachdruck setzt sich die AWO für das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder ein. Eine gut erreichbare, zugängliche und bedarfsgerechte Infrastruktur mit Fachberatungsstellen bei geschlechtsspezifischer Gewalt, Frauenhäusern, Notrufen und Interventionsstellen ist dafür eine grundsätzliche Voraussetzung.

Dazu erklärt Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes: „Der Gewaltschutz für Frauen darf auch in Krisenzeiten nicht von der politischen Agenda verschwinden und es gibt einige Baustellen. Ob eine Betroffene im Ernstfall Schutz und Unterbringung bekommen kann, hängt nach wie vor davon ab, wo in Deutschland sie sich befindet – die Infrastruktur als löchrig zu bezeichnen, ist noch wohlwollend ausgedrückt. Dabei ist die so genannte Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen und Kindern in Deutschland seit fünf Jahren geltendes Recht. Hier werden wir gemeinsam mit den Partner-Verbänden die Politik weiter in die Pflicht nehmen.“

In 2021 wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik 143.016 Fälle von Partnerschaftsgewalt erfasst. Die Opfer sind zu fast 80% weiblich. Die Gewalttaten werden von Partnern, Ehepartnern oder Ex-Partnern verübt. Für viele Frauen ist das eigene Zuhause weiterhin der gefährlichste Ort und insbesondere Schwangerschaft und Geburt eines Kindes oder die Trennung vom Partner können Bedrohungen, Stalking, Körperverletzung bis zum Mord verstärken. 2021 wurden 113 Femizide nachweislich durch (Ex-)Partner begangen.

Die Frauenhauskoordinierung setzt sich für den Abbau von Gewalt gegen Frauen und für die Verbesserung der Hilfen für misshandelte Frauen und deren Kinder ein. Die Information und Aufklärung der Öffentlichkeit über geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und die besonderen Gewaltdynamiken in (Ex-)Partnerschaften ist dabei ein wichtiger Auftrag. Die AWO hat ihre Forderungen an die Politik zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen konkretisiert, um sich in die Debatte einzubringen.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 25.01.2023

Die weltweit größte Nothilfe- und Entwicklungshilfeorganisation Oxfam testiert in ihrem Ungleichheits-Bericht die zunehmenden globalen Verwerfungen und ungerechten Entwicklungen zwischen arm und reich: Reichtum und Einkommen sind in Deutschland und weltweit immer ungleicher verteilt. Die AWO sieht sich angesichts der anhaltenden Polarisierung unserer Gesellschaft in ihrer Forderung bestätigt, Umverteilung zu organisieren und dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerecht zu werden. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt:

„Corona-Pandemie und Energiepreiskrise haben gezeigt, dass viele Unternehmen in sehr starkem Maße von plötzlich auftretenden Krisen profitieren. Wenn ganze Gesellschaften durch solche Krisen vor Zerreißproben gestellt werden, aber Unternehmen durch sie ohne eigene Leistung Milliardengewinne einfahren, dann ist es nur gerecht, dass auch alle von diesen Zufallsgewinnen profitieren: Unsere Solidargemeinschaft muss in angemessener Weise an diesen Gewinnen beteiligt werden. So könnten zum Beispiel notwendige Investitionen in die soziale Infrastruktur finanziert werden, ohne dass zusätzliche Schulden aufgenommen werden müssen, deren Last zukünftige Generationen tragen.“

Zudem fordert die AWO, dass endlich eine gesellschaftliche Debatte über die Weitergabe von Privilegien geführt werden müsse, bei der auch die Themen Vermögensteuer und Erbschaften keine Tabus mehr sein dürfen. „Denn“, so Michael Groß abschließend, „nur wenn wir endlich die Ausnahmen vom Leistungsprinzip in unserer Gesellschaft erkennen und systematisch abbauen, können wir das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft vom Wohlstand für alle einlösen.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 16.01.2023

Beim gestrigen AWO-Neujahrsempfang nahm die Arbeiterwohlfahrt nicht nur das kommende Jahr in den Blick, sondern warf mit der Verleihung des Lotte-Lemke-Engagementpreises 2023 auch ein Scheinwerferlicht auf die Bedeutung der Engagementlandschaft insbesondere in Krisenzeiten. Gleich drei Projekte wurden in diesem Jahr mit dem Ehrenamtspreis der AWO geehrt.

„Es ist heute wieder wichtiger denn je, sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einzusetzen“, kommentiert AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner. „Die Gewinner*innen des Lotte-Lemke-Engagementpreis stellen eindrücklich unter Beweis, dass genau das auf unterschiedlichste Art und Weise möglich ist.“ „Unser Dank gilt ausdrücklich allen Menschen, die sich tagtäglich für andere engagieren – egal ob weltweit, im ganzen Land, regional oder direkt vor Ort“, ergänzt AWO-Präsident Michael Groß.

In der Kategorie „Engagement unterstützt Wirksamkeit“ gewann das „Café Courage“ der AWO Saarland, das an zwei Standorten in Wandern und Dillingen Menschen mit Beeinträchtigungen beim Übergang ins selbstbestimmte Wohnen begleitet. In der Kategorie „Engagement fördert Innovation“ wurden die „Mo.Ki-Patenschaften“ der AWO Niederrhein ausgezeichnet. Das Projekt wurde nominiert für sein innovatives Konzept zur frühkindlichen Betreuung von Familien mit Unterstützungsbedarf. Die Kategorie „Engagement stärkt Demokratie“ konnte schließlich der Bürgerpark Kopernikus in Rudolstadt für sich entscheiden. Rund 20 Ehrenamtliche schaffen hier gemeinschaftlich einen öffentlichen Raum, an dem alle willkommen sind und der das soziale Miteinander stärkt.

Alle Gewinner*innen erhalten ein Preisgeld von je 2.000€ zur Weiterentwicklung ihres Projekts. Weitere Informationen zu den Gewinner*innen und Bildmaterial finden Sie ab sofort unter https://awo.org/lotte-lemke-engagementpreis-2023.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 13.01.2023

Der Deutsche Familienverband (DFV) bewertet das von Bundesbauministerin Geywitz angekündigte Vorhaben kritisch und fordert ein Baukindergeld II.

Die im Raum stehende Nachfolgeregelung für das Baukindergeld ist nach Auffassung des Deutschen Familienverbandes wenig förderlich. „Zinsgünstige Kredite sind eine annehmbare Hilfe, doch im Vergleich zum Baukindergeld-Programm der Vorgängerregierung ist die neue Wohneigentumsförderung nur spärlich ausgestaltet“, sagt Verbandspräsident Klaus Zeh.

Mit einem Fördervolumen von 350 Millionen Euro pro Jahr liegt die geplante Bauförderung weit unter den rund 10 Milliarden Euro des Baukindergeldes. Unterstützt werden soll außerdem nur der Neubau, nicht der Erwerb von Bestandsimmobilien. Von der neuen Wohneigentumsförderung würden vergleichsweise wenige Familien profitieren.

„Eigener Wohnraum sollte für so viele Familien wie möglich realisierbar sein. Die eigenen vier Wände sind oft die einzige Möglichkeit, familiengerecht zu wohnen und gleichzeitig für das Alter vorzusorgen“, so Klaus Zeh. „Da mit der Familiengröße der ‚Platzverbrauch’ pro Kopf sinkt, sind Häuser zudem vergleichsweise effizient genutzte Wohnfläche.“

Erfolgsgeschichte Baukindergeld

Laut Evaluierung des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hat das Baukindergeld allein in den ersten zwei Jahren rund 175.000 Familien unterstützt. Etwa 3,7 Milliarden Euro Fördergelder gingen damit einher. Der Anteil an Familien mit einem Haushaltseinkommen bis zu 60.000 Euro betrug 75 Prozent. Das Baukindergeld wirkte außerdem positiv über den eigentlichen Eigentumserwerb hinaus wie z.B. durch die Aufwertung von Immobilien auf dem Land oder das Freimachen von günstigerem Mietwohnraum.

„Bei einer neuen Bauförderung muss die Bundesregierung an die Erfolgsgeschichte des Baukindergeldes anknüpfen. Der Deutsche Familienverband plädiert für ein Baukindergeld II mit Direktzahlungen gestaffelt pro Kind und zinsvergünstigten Krediten“, sagt der Verbandspräsident. Zu einer echten Wohneigentumsförderung gehöre außerdem die Senkung der Grunderwerbsteuer, die den Erwerb von Wohneigentum unnötig verteuert.

Eine Reform der Grunderwerbsteuer wurde bereits in der letzten Legislaturperiode versprochen, aber nie umgesetzt.

Weitere Informationen

Für einen Familien-Freibetrag in der Grunderwerbsteuer

Familienwohnen: Eine drängende soziale Herausforderung

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 20.01.2023

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) unterstützt die Forderung des Deutschen Anwaltvereins (DAV) nach der Regelung eines Wiederaufnahmeverfahrens zum Ausgleich von unberücksichtigten Rentenanrechten nach Scheidung.

Frauen leiden besonders oft unter Altersarmut. Der gender pension gap – die geschlechtsspezifische Rentenlücke bei den eigenen Alterssicherungseinkommen zwischen Frauen und Männern – beträgt in Deutschland schätzungsweise rund 40 Prozent und betrifft auch geschiedene Frauen. Eigentlich soll der Versorgungsausgleich Frauen, die während der Ehe nicht oder nur teilerwerbstätig waren, vor Altersarmut im Fall einer Scheidung schützen. Denn beim Versorgungsausgleich werden die Renten- und Versorgungsansprüche aus der Ehezeit zwischen beiden Partner*innen gleichmäßig aufgeteilt. Soweit die Theorie – die Praxis sieht dann anders aus, wenn die Anrechte des erwerbstätigen Partners versehentlich oder absichtlich im Versorgungsausgleichsverfahren nicht ausgeglichen werden. Ein nachträglicher Ausgleich ist nicht möglich. Die seit Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes im Jahr 2009 fehlende Möglichkeit, vergessene Anrechte nachträglich zum Ausgleich zu bringen, trifft vor allem Frauen, denn sie sind infolge einer herkömmlichen Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit während der Ehe ganz überwiegend die Empfängerinnen von Versorgungsanrechten im Versorgungsausgleich.

Der djb unterstützt daher die Initiative des DAV zur gesetzlichen Regelung eines besonderen Wiederaufnahmeverfahrens bei vergessenen Anrechten. „Wer die gerechte Aufteilung der – letztlich durch gemeinsame, aber eben arbeitsteilige Anstrengungen – während der Ehe erworbenen Rentenanrechte ernst nimmt, kann nicht damit einverstanden sein, dass ein fehlendes Restitutionsrecht sich derart zu Lasten geschiedener Frauen auswirkt“, so Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des djb. Der Gesetzgeber hat sich aus fiskalischen Gründen dafür entschieden, dass im Verfahren über den Versorgungsausgleich nicht zwingend Rechtsanwält*innen eingeschaltet werden müssen, die auf die sorgfältige Klärung der Anrechte achten könnten. Er sollte deshalb jetzt zur Fehlerbeseitigung ein gut funktionierendes Instrumentarium zur Verfügung stellen. Das kann dazu beitragen, dass geschiedene Ehefrauen zur Sicherung ihrer Existenz nicht auf steuerfinanzierte Transferleistungen angewiesen sind, während der nicht bedürftige Ex-Partner, der von der einstigen Arbeitsteilung auch mit Blick auf die erworbenen Anrechte profitiert, diese dauerhaft zu Unrecht für sich behalten kann.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 18.01.2023

Das Deutsche Kinderhilfswerk begrüßt anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte über die „EU-Verordnung zur Festlegung von Vorschriften für die Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“ die geplanten Maßnahmen als wichtigen Schritt für mehr Kinderschutz im Internet. Aus Sicht der Kinderrechtsorganisation müssen Anbietende digitaler Dienste stärker in die Verantwortung genommen werden, um für Kinder sichere digitale Umgebungen zu schaffen. Die allermeisten Meldungen über sexuelle Gewalt gegen Kinder im Internet stammen von einigen wenigen Anbietenden, während etliche Anbietende gar keine Maßnahmen ergreifen. Dieser Befund und das gleichzeitig exponentiell wachsende Ausmaß der sexuellen Ausbeutung und der sexuellen Gewalt gegen Kinder im Internet zeigen, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen und es deshalb einen soliden Rechtsrahmen braucht.

„Alle Plattformbetreibenden und Anbietenden von Apps stehen in der Verantwortung, ihre Strategien, Produkte und Voreinstellungen auch im Sinne eines effektiven Kinderschutzes auszurichten und so einen Beitrag für sichere digitale Umgebungen für Kinder zu befördern. Sexueller Gewalt und ihre Anbahnung gegenüber Kindern muss umfassend Einhalt geboten werden. Alle Anbietenden sollten ausnahmslos ihren Beitrag dazu leisten, dass sexuelle Gewalt nicht in ihren Angeboten befördert wird. Neben einer umfassenden Vorsorge kann dazu auch gehören, dabei mitzuwirken, dass Missbrauchsmaterial aufgedeckt und gemeldet sowie der Zugang dazu unterbunden wird. Damit diese wichtige und auch sehr sensible Arbeit nachvollziehbar und mit möglichst geringen Eingriffen in Grund- und Menschenrechte stattfinden kann, bedarf es einer rechtlichen Grundlage der Europäischen Union. Wir müssen endlich aufhören, Freiheit im Netz und Schutz von Kindern gegeneinander auszuspielen – gute Netzpolitik muss beides gleichermaßen absichern, will sie nicht hinter Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention zurückfallen, die selbstverständlich auch im digitalen Raum Gültigkeit hat“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Die virale Verbreitung von Material über sexuelle Gewalt gegen Kinder hat sich enorm weiterentwickelt. So wurden bereits im Jahr 2019 in Europa etwa drei Millionen Bilder und Videos von sexueller Gewalt an Kindern gemeldet. Der Missbrauch und dessen Fortsetzung durch die Existenz der Bild- und Videomaterialien erschwert es diesen Kindern, die Taten zu verarbeiten sowie möglichst unbeschwert und so gesund wie möglich weiter aufzuwachsen.

Bereits im November letzten Jahres hatte ein breites Bündnis von 77 nationalen und internationalen Verbänden und Organisationen die Europäische Union dazu aufgerufen, ihr Versprechen einzuhalten, das Internet zu einem sicheren Ort für Kinder zu machen. Der Offene Brief „Civil Society and Child Rights Organisations Call to Action: We must make the Internet a Safe Place for Children“ mit allen unterzeichnenden Verbänden und Organisationen kann unter www.dkhw.de/OffenerBriefEU-EN in der englischen und unter www.dkhw.de/OffenerBriefEU-DE in der deutschen Version heruntergeladen werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 19.01.2023

„Schluss mit der Einfalt – es lebe die Vielfalt!” ist das Motto des Deutschen Kinderhilfswerkes für den Weltspieltag am 28. Mai 2023. Damit will das Deutsche Kinderhilfswerk gemeinsam mit seinen Partnern im „Bündnis Recht auf Spiel“ auf die besondere Bedeutung des Themas „Spiel und Inklusion“ aufmerksam machen. Dabei wird Inklusion als das Recht auf Teilhabe aller Menschen und insbesondere aller Kinder unabhängig von körperlichen und geistigen Fähigkeiten sowie kulturellen oder sozioökonomischen Hintergründen angesehen. Kommunen, Vereine, Initiativen und Bildungseinrichtungen sind aufgerufen, mit einer Aktion am Weltspieltag 2023 teilzunehmen und darüber hinaus für eine grundsätzliche Verbesserung der Rahmenbedingungen insbesondere für die gesellschaftliche Inklusion von Kindern einzutreten. 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention ist dies aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes mehr als überfällig.

 

„Für Kinder ist gemeinsames Spielen die natürlichste Sache der Welt – und sie haben nach den Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention auch ein Recht darauf. Inklusion zu gestalten, bedeutet für uns, Räume und Spielgelegenheiten zu schaffen, in denen die Teilhabe aller Kinder unabhängig von sozioökonomischen Hintergründen, Nationalität, Kultur, Alter, Geschlecht und persönlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten stattfindet. Wir müssen also auch beim Spielen die Voraussetzungen dafür schaffen, jedem Kind gerecht zu werden. Barrieren können räumlicher, sprachlicher, informativer und finanzieller Natur sein. Um inklusives Spiel zu ermöglichen, sollten Spielräume so gestaltet sein, dass sie auf vielfältige Art und Weise von möglichst allen Kindern entsprechend ihrer Fähigkeiten und Bedürfnisse erreicht und genutzt werden können. Insbesondere für Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen sind klassische Spielplätze häufig nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzbar – hier bedarf es eines generellen Umdenkens in der Planung und deutlich mehr Investitionen als bisher, sowohl bei Neubau als auch im Bestand“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

 

„Darüber hinaus dürfen ältere Kinder und Jugendliche bei der Planung von Spielräumen nicht länger ausgegrenzt werden – Kommunen müssen sich mehr Gedanken um jugendgerechte Aufenthaltsorte machen. Und auch die Konzentration vieler ärmerer Kinder in einem Stadtteil ist für die Kommunen eine Herausforderung und muss beachtet werden. Wichtig ist zudem, dass Kinder Aspekte ihrer Identität und die Vielfalt der Menschen im Spielzeug wiederfinden, wie zum Beispiel bei verschiedenen Hautfarbentönen zum Malen, Puppen mit Hilfsmitteln wie Brillen, Hör- und Gehhilfen oder der Darstellung von Personen, die nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuzuordnen sind“, so Hofmann weiter.

 

Der Weltspieltag 2023 wird deutschlandweit zum 16. Mal ausgerichtet. Zum Weltspieltag sind Schulen und Kindergärten, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Nachbarschaftsinitiativen aufgerufen, in ihrer Stadt oder Gemeinde eine beispielgebende oder öffentlichkeitswirksame Aktion durchzuführen – egal ob Spiel-, Beteiligungs- oder Protestaktion. Denn der Aktionstag dient ebenso der Lobbyarbeit für das Recht auf Spiel gemäß UN-Kinderrechtskonvention. Die Partner sind vor Ort für die Durchführung ihrer Aktion selbst verantwortlich. Das Deutsche Kinderhilfswerk stellt umfangreiche Aktionsmaterialien zum Bewerben des Weltspieltages zur Verfügung. Weitere Informationen unter www.weltspieltag.de.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 17.01.2023

Nach fast drei Jahren Pandemie sieht der Berliner Beirat für Familienfragen noch Handlungsbedarf bei der Unterstützung von Familien und hat auf seiner letzten Sitzung eine Stellungnahme mit Anregungen für Politik und Verwaltung beschlossen.

Kazım Erdoğan, Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen:

„Wir müssen feststellen, dass wir weiterhin in krisenhaften Zeiten leben und sich die Gesellschaft besser darauf einstellen muss. Viele Familien konnten sich noch nicht von der Pandemiezeit, wo sie Mehrfachbelastungen ausgesetzt waren, erholen. Unterstützung muss zum Beispiel gezielter bei den Familien ankommen, Familienangebote müssen in den Wohngebieten gestärkt und der Austausch untereinander verbessert werden.

Der Familienbeirat hat nun eine Stellungnahme beschlossen: Er will Familien stärken und in Krisenzeiten besser absichern.“

Stellungnahme des Berliner Beirats für Familienfragen

Lehren aus der Corona-Pandemie ziehen: Familien stärken und in Krisenzeiten gut absichern

Die Pandemie hat besonders Familien viel abverlangt. Sie wurden in der Pandemie größtenteils allein gelassen. Durch die Schließungen bzw. Einschränkungen der Kindertagesbetreuungen, Schulen, Freizeiteinrichtungen sowie der Angebote der Kinder- und Jugendhilfe und ambulanter Pflegedienste, usw. waren sie großen Mehrfachbelastungen ausgesetzt. Homeoffice mit zeitgleicher Kinderbetreuung und Homeschooling, finanzielle Sorgen aufgrund von Verdienstausfall, weitreichender Verzicht auf soziale Kontakte (kein Besuch der Großeltern sowie der Freundinnen und Freunde, keine Geburtstagsfeiern, kein Training in Sportvereinen usw.) und Sorgen vor Ansteckungen überforderte die Familien, Kinder und Jugendlichen.

Viele Probleme zeigten sich verstärkt wie unter einem Brennglas: beengte Wohnverhältnisse, knapp bemessene Personaldecken in Kitas und Schulen, ungleiche Bildungschancen in Abhängigkeit vom Elternhaus, fehlende Digitalisierung vor allem in den Schulen, wenig Flexibilität der Verwaltung, Schutz des Kindeswohls vor körperlicher und psychischer Gewalt, mangelnde Unterstützung pflegender Angehöriger sowie von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen usw.

Die Pandemie hinterlässt bis heute weitreichende Spuren. Sie hat strukturelle Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft verschärft. Die Wirkungen der staatlichen Rettungsschirme sind ungleich verteilt, die Hilfesysteme erreichen die Betroffenen oft nicht und Unterstützungsprogramme laufen aus. Bis heute fehlen valide Daten für Deutschland wie groß die Belastungen für Kinder, Jugendliche und Familien tatsächlich waren bzw. wie sich ihre Auswirkungen nun zeigen. Es gilt, aus dieser Zeit Lehren zu ziehen, Verbesserungen anzustreben und umzusetzen.

Nach fast drei Jahren Pandemie sieht der Berliner Beirat für Familienfragen vor allem in folgenden Bereichen Handlungsbedarf:

  • Datenlage verbessern: Für Deutschland gibt es keine Kompetenzmessungen bei Schülerinnen und Schülern, die herangezogen werden hätten können, um die Auswirkungen der Schulschließungen auf Bildungschancen abzuschätzen. Hier musste die Wissenschaft überwiegend auf Daten aus dem Ausland zurückgreifen. Es müssen auch in Deutschland verlässliche und aussagekräftige Daten erfasst werden. Nur so können Ausgleichsprogramme und -maßnahmen zielgerichtet und effektiv ausgestaltet werden.
  • Zielgerichtete, niedrigschwellige Unterstützung: Unterstützungsmaßnahmen waren und sind nicht immer zielgerichtet. Oft sind sie zudem mit einem zu hohen bürokratischen Aufwand verbunden. Die komplizierten Regelungen und Antragsverfahren belasten die Betroffenen und die Verwaltung zusätzlich. Die Unterstützungen kommen daher oft nicht bei denen an, die sie am dringendsten benötigen. Maßnahmen müssen zielgerichtet, niedrigschwellig, kurzfristig umsetzbar und ohne langwierige Beantragung und Bürokratie gestaltet sein. Die Angebote des Programms „Stark trotz Corona“ sind weiterhin notwendig. Grundsätzlich sollte jede Maßnahme evaluiert werden, um ihre Wirkung anpassen und erhöhen zu können. Familien brauchen längerfristige Unterstützung. Die Beseitigung der Familienarmut bleibt drängendes Thema.
  • Verwaltung krisenfest machen: Die Verwaltung muss krisenfest organisiert und entsprechend strukturell verändert werden. Sie muss in die Lage versetzt werden kurzfristig reagieren zu können und Hilfeleistungen auch in Krisenzeiten zeitnah und kontinuierlich zu gewähren. Ämter müssen vor allem in Krisenzeiten leicht erreichbar sein und dürfen nicht geschlossen werden.
  • keine Schließungen und Personaldecken aufstocken: Kitas und Schulen, Sport-, Jugendfreizeit- und Familieneinrichtungen dürfen nicht wieder geschlossen werden. Auch dafür braucht es strukturelle Änderungen. Schon jenseits des Krisenmodus zeigt sich, dass die personelle Ausstattung oftmals keine verlässliche Betreuung ermöglicht. Notbetreuung und Gruppenschließungen, z. B. aufgrund von Erkrankungen der Erziehungskräfte, stellen Eltern, Kinder und das Personal in Kitas und Betreuungseinrichtungen vor erhebliche Herausforderungen.
  • Familienangebote weiterentwickeln: Niedrigschwellige Angebote zur Beratung und Begleitung von Familien sollten ausgebaut, gestärkt, dauerhaft gesichert und besser bekannt gemacht werden. Familien benötigen mehr Vertrauens- und Ansprechpersonen. Es fehlen z. B. Anlaufstellen für Familien mit Migrationshintergrund. Soziale Kontakte im Sozialraum, insbesondere für Familien in prekären Lebenslagen, sollten gefördert werden. Dies muss bei der Erarbeitung der Qualitätsanforderungen für die Angebote der Berliner Familienförderung im Rahmen des Berliner Familienfördergesetzes bedacht werden.
  • Familien besser erreichen: Der Kontakt zu Familien muss verbessert werden, um zielgerichtet unterstützen zu können. Die Jugend- und Gesundheitsdienste sollten daher nicht nur Erstbesuche, sondern Regelbesuche durchführen. Diese Ämter müssen dafür besser ausgestattet werden.
  • Kinder- und Jugendhilfe stärken: Die Kinder- und Jugendhilfe, die Erziehungs- und Familienberatungen sowie psychosoziale Angebote bieten wichtige Unterstützung. Sie sollten daher gestärkt und ihre Angebote ausgebaut werden. Bei den Regionalen Sozialen Diensten (RSD) und den Erziehungs- und Familienberatungen sollte die Coronasituation bei den anamnestischen Erhebungen regelhaft erfragt werden.
  • Kinder- und jugendpsychiatrische Angebote ausbauen: Die Versorgungslücken und Wartezeiten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind noch größer bzw. länger geworden. Dieses Defizit muss dringend behoben werden. Der gewachsene Bedarf an therapeutischen Einrichtungen und Fachkräften muss berücksichtigt werden.
  • Schulen digitalisieren: Die Digitalisierung der Schulen muss zügig umgesetzt werden. Alle Schulen müssen mit WLAN und die Lehrkräfte entsprechend mit PCs, Laptops oder Tablets ausgestattet und geschult werden. Alle Schulkinder müssen auch von zu Hause Zugang zum Internet sowie einen PC, Laptop oder Tablet für eine gleiche Bildungsteilhabe nutzen können.
  • Aufholen nach Corona: Es sind weitere gezielte Angebote vor allem für Kinder und Jugendliche nötig, um die negativen Folgen und Verluste aus der Lockdown-Zeit auszugleichen und aufzuholen. Dies betrifft vor allem den Ausfall von Schul- und Schwimmunterricht, Schuleingangsuntersuchungen, Praktika und Ausbildungen, Lernangebote für benachteiligte Kinder, Angebote in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der vorhandene Bewegungsmangel. Den Kindern und Jugendlichen muss mehr Zeit gegeben werden, um die Lernrückstände nachzuholen. Die Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen sollten für die gezielte Unterstützung der Kinder aufbereitet werden.

Der Austausch mit den Familien muss gefördert werden. Der Berliner Beirat für Familienfragen führt daher Familienforen durch. Er kommt dadurch niedrigschwellig mit Familien zu unterschiedlichen Themen ins Gespräch, bereitet die Ergebnisse auf, veröffentlicht sie und gibt sie an Politik und Verwaltung weiter.

Informationen zu den im letzten Jahr durchgeführten Familienforen des Berliner Beirats für Familienfragen sind auf der Webseite eingestellt.

Quelle: Pressemitteilung Berliner Beirat für Familienfragen vom 20.01.2023

Der Vorsitzende des Familienbeirats, Kazım Erdoğan, findet die Stigmatisierung bestimmter Gruppen im Rahmen der  Diskussion zu den Randalen einiger Jugendlicher in der  Silvesternacht in Berlin-Neukölln nicht angebracht und will  das Wir-Gefühl stärken.

Kazım Erdoğan, Vorsitzender des Berliner Beirats für  Familienfragen:

„Wir müssen bei der Auswertung der Krawalle nach vorne schauen und dürfen dabei nicht bestimmte Gruppen  stigmatisieren. Fast alle der beteiligten jungen Menschen sind schließlich in Berlin geboren, haben hier die Schule besucht  und sind in dieser Stadt sozialisiert. Der Beirat unterstützt die  Einleitung präventiver Maßnahmen gegen Jugendgewalt. Konkret schlage ich Folgendes vor:

  • Ausbau von Beratungsangeboten für Familien, insbesondere für Familien, die sich in prekären sozialen  Situationen befinden (bei Bedarf mehrsprachig und auch speziell für Männer)
  • Ausweitung von Beratungsangeboten an Orten, wo sich Familien aufhalten: z. B. aufsuchende Arbeit in den Wohngebieten, in den Familienzentren und Unterkünften für Geflüchtete
  • mehr Väterarbeit in den Berliner Familienzentren
  • mehr Angebote für Jugendliche
  • Ausbau und Unterstützung von gemeinschaftsbildenden und identitätsstiftenden Maßnahmen innerhalb verschiedener Communitys, die der Verbesserung der Kommunikation und dem  Verständnis füreinander sowie der Hilfe zur Selbsthilfe dienen.

Der Familienbeirat ist bereit an dem Prozess mitzuwirken. Wir wollen dabei mit den Eltern mehr ins Gespräch kommen.“

Der Berliner Beirat für Familienfragen hat im letzten Jahr seine Reihe der Familienforen wieder aufgenommen und führt Gesprächsrunden mit Familien durch. Er möchte von den Familien in Berlin wissen: Wo drückt der Schuh? Welche  Unterstützung benötigen Familien? Was hilft ihnen? Was  wünschen sich Berliner Familien? Und was erwarten sie von  der Berliner Politik?

Informationen zu den im letzten Jahr durchgeführten  Familienforen des Berliner Beirats für Familienfragen sind auf  der Webseite eingestellt. 

Quelle: Pressemitteilung Berliner Beirat für Familienfragen vom 13.01.2023

Die Verbände kritisieren das derzeitige Ernährungssystem als ungesund, unsozial und umweltschädlich.

Um eine gesunde und ökologische Ernährung für alle Menschen sicherzustellen, fordern der Paritätische Gesamtverband und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) weniger Pestizideinsätze bei der Lebensmittelproduktion, mehr Geld für arme Menschen für eine gesunde Ernährung und den Umbau der Tierhaltung. Anlässlich der Internationalen Grünen Woche betonen beide Verbände, dass das derzeitige Ernährungssystem ungesund, unsozial und umweltschädlich sei. “Es braucht eine Ernährungswende, die sich an der Gesundheit, sozialer Gerechtigkeit und dem Schutz der Umwelt orientiert”, so die Verbände.

Konkret fordern die Organisationen die Bundesregierung auf, den Pestizideinsatz zu halbieren und die Sozialleistung wie das Bürgergeld deutlich zu erhöhen. Zusätzlich muss die Regierung durch eine angemessene Finanzierung sicherstellen, dass Bäuer*innen ihre Tierbestände reduzieren können. In Gemeinschaftseinrichtungen, wie in Kitas, Schulen und Pflegeheimen muss eine gesundheitsfördernde und nachhaltige Ernährung zum Standard werden und durch Sozialkassen und Steuermittel refinanziert werden.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands: “Während Lebensmittelkonzerne unverschämt hohe Gewinne einstreichen, haben Millionen Menschen in Deutschland nicht die Möglichkeit, sich gesund und umweltfreundlich zu ernähren. Eine gesunde und nachhaltige Ernährung darf jedoch nicht vom Geldbeutel abhängen. Gerade in der aktuellen Krise brauchen arme Menschen deshalb dringend mehr Unterstützung. Das Bürgergeld muss auf einen armutsfesten Regelsatz von 725 Euro angehoben und die Stromkosten müssen vollständig übernommen werden.”

Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND: “Eine umwelt- und klimagerechte Landwirtschaft und die derzeitige Überproduktion von tierischen Lebensmitteln sind unvereinbar. So kann es nicht weitergehen. Langfristig muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass insbesondere die Schweine- und Geflügelmast in Deutschland halbiert wird und eine Flächenbindung gilt. Um den Umbau der Landwirtschaft stemmen zu können, brauchen Bäuer*innen Unterstützung und Honorierung. Für die Umwelt und unsere Gesundheit müssen die Menge und die giftige Wirkung der eingesetzten Pestizide halbiert und der Einsatz besonders giftiger Stoffe schnell beendet werden.”

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 19.01.2023

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Archiv ZFF-Info

ZFF-Info 01/2023

AUS DEM ZFF

Zum 1. Januar 2023 übernimmt Sophie Schwab den Staffelstab im ZFF und startet als neue Geschäftsführerin.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Wir freuen uns sehr, mit Sophie Schwab eine kompetente neue Geschäftsführerin für das ZFF gefunden zu haben und sagen „Herzlich Willkommen“! Gleichzeitig danken wir unserem langjährigen Geschäftsführer Alexander Nöhring für sein Engagement und seine Arbeit und wünschen ihm alles Gute für seine neuen beruflichen Aufgaben beim AWO Bundesverband e.V.

Als studierte Sozialarbeiterin und Sozialwissenschaftlerin ist Sophie Schwab mit den Themen des ZFF sehr vertraut: Nach ihrem Job in der offenen Jugendarbeit, wurde sie stellv. Frauenbeauftragte der ASH Berlin. Danach ging sie als Referentin für Sozialpolitik zum AWO Bundesverband. Ins ZFF wechselt sie nun nach einigen Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team von Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, MdB (Bündnis 90/ Die Grünen).

Wir freuen uns auf die gemeinsame Zeit mit Sophie Schwab und wünschen Ihr einen guten Start!“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 10.01.2023

Erwerbsarbeit ist für Familien enorm wichtig: sie ist zentral für die ökonomische Absicherung und sie ist wichtiger Taktgeber für die zeitliche Gestaltung des Familienalltags. Vor diesem Hintergrund wurde bei der ZFF-Fachtagung diskutiert, wie eine familienfreundliche Arbeitswelt aussieht, so dass die Übernahme von Sorgearbeit selbstverständlich in Erwerbsverläufe integriert werden kann.

Die Dokumentation der Fachtagung steht nun auf der Hompage des ZFF zum download bereit. 

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Das ungeborene Kind völlig auszublenden ist ethisch unvertretbar

Familienministerin Lisa Paus hat die komplette Abschaffung des Abtreibungs-Paragrafen 218 vorgeschlagen. Dazu können Sie die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, wie folgt zitieren:

„Der Vorstoß von Frau Paus ist ein Dammbruch im Verständnis vom menschlichen Leben. Eine Familienministerin, die gegen Kinder ist, ist wie ein Umweltminister, der den Fluss vergiftet. Es ist eine Politik ohne Zukunft. Denn es geht eben nicht nur einseitig um die reproduktive Selbstbestimmung und das Recht der Frauen auf Abtreibung, das wir als Union übrigens nicht in Frage stellen. Auch das ungeborene Kind hat ein grundrechtlich geschütztes Lebensrecht. Diese Kinder und damit auch unser Grundgesetz scheinen aber für die Familienministerin keine Rolle zu spielen. Damit stellt sie auch das Bundesverfassungsgericht in Frage.

Der Abbruch einer Schwangerschaft beendet Leben. Aufgrund dieses Unrechtscharakters hat ihn der Gesetzgeber grundsätzlich unter Strafe gestellt. Einen gesellschaftlich jahrzehntelang austarierten Kompromiss in der Abwägung der Grundrechtspositionen der Frau und des ungeborenen Kindes gibt es längst, die Regelungen des § 218 StGB sind gängige Praxis und funktionieren. Das Kind nun völlig auszublenden ist ethisch unvertretbar. Es bestätigt sich leider, was wir bereits mit der Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche durch die Ampel haben kommen sehen. Das Gespür für das Lebensrecht des Ungeborenen im allgemeinen Bewusstsein soll weg. Das ist Unrecht!“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 05.01.2023

Der Zusammenhang zwischen Armut und dem Risiko einer Covid-19 Infektion ist Thema einer Kleinen Anfrage (20/5083) der Linksfraktion. Die Abgeordneten wollen wissen, wie die Bundesregierung das Ergebnis einer Studie über soziale Unterschiede in der Pandemie bewertet, wonach Kinder von Langzeitarbeitslosen ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben und welche Konsequenzen sie daraus zieht.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 1 vom 02.01.2023

Mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder befasst sich die CDU/CSU-Fraktion in einer Kleinen Anfrage (20/5018). Mit dem Ganztagsförderungsgesetz vom 2. Oktober 2021 werde ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für alle Kinder im Grundschulalter ab dem 1. August 2026 stufenweise eingeführt und der hierfür erforderliche Infrastrukturausbau unterstützt, heißt es in der Anfrage. Die Abgeordneten wollen von der Bundesregierung wissen, in welcher Höhe bereits Mittel aus dem Investitionsprogramm zum beschleunigten Infrastrukturausbau abgerufen und verausgabt wurden.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 776 vom 28.12.2022

Die Fraktion Die Linke thematisiert in einer Kleinen Anfrage (20/5019) die zum 1. Januar 2023 in Kraft tretende Wohngeld-Reform „im Kontext der Grundsicherung für Arbeitssuchende“. Von der Bundesregierung will die Fraktion unter anderem erfahren, mit wie vielen Wohngeldanträgen und mit welcher Bearbeitungsdauer sie rechnet. Mit Verweis auf die möglicherweise lange Bearbeitungsdauer neuer Anträge will die Fraktion wissen, mit wie vielen Anträgen auf Leistungen nach dem SGB II und mit wie vielen Anträgen auf Leistungen nach dem SGB XII sie rechnet.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 774 vom 28.12.2022

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) dringt in seinem aktuellen Bericht zur Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland auf mehr Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei der Schaffung eines inklusiven Schulsystems. Im Schwerpunktthema des nun als Unterrichtung vorliegenden Berichts (20/4984), der sich auf den Zeitraum Juli 2021 bis Juni 2022 bezieht, hat sich das Institut mit der Umsetzung des Rechts auf Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen befasst.

Dabei beschäftigte die Menschenrechtsexperten vor allem die Frage, wie Deutschland ein inklusives Schulsystem für alle schaffen kann – etwas, zu dem die UN-Behindertenrechtskonvention Deutschland verpflichtet.

Denn trotz der Unterzeichnung und Ratifizierung der Konvention bleibe noch immer vielen Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen der Zugang zu einem inklusiven Schulsystem „de facto verwehrt“. In der Folge seien selbstbestimmte Lebensgestaltung und zukünftige gesellschaftliche Teilhabe „wesentlich beeinträchtigt“.

Die Experten plädieren daher für eine stärkere Zusammenarbeit von Bund und Ländern: Deutschland brauche eine „Gesamtstrategie für inklusive Bildung, deren Kernelement eine stärkere Kooperation von Bund und Ländern im Bildungsföderalismus sein sollte“, heißt es im Bericht. Der Bund könne sich seiner „Gesamtverantwortung zur Umsetzung eines inklusiven Schulsystems nicht durch Verweis auf die Länderzuständigkeit im Bildungsbereich entziehen“, mahnen zudem die Menschenrechtsexperten.

Weitere Themen, denen sich das Institut als unabhängige Stelle in staatlichem Auftrag gewidmet hat, waren unter anderem die menschenrechtlichen Schutzpflichten im Rahmen der Klimapolitik, der Umgang mit Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen zu Belarus, fehlende Regelungen zum Schutz älterer Menschen, Belange von Menschen mit Behinderungen im Gesundheitswesen und in der Gesundheitspolitik sowie eine kindgerechte Justiz zur Gewährleistung von Kinderrechten.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 771 vom 22.12.2022

Der Bundesregierung liegen nach eigenem Bekunden keine Erkenntnisse vor, dass häusliche Gewalt in familiengerichtlichen Verfahren systematisch nicht angemessen berücksichtigt würde. Das schreibt sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (20/4836). Die Abgeordneten hatten unter anderem gefragt, welche Maßnahmen die Bundesregierung plant, „um die Missstände über die Verharmlosung häuslicher Gewalt in familiengerichtlichen Verfahren, die in engem Zusammenhang stehen mit der zunehmenden Verwendung des Konzepts der ‚elterlichen Entfremdung‘ […] aufzuklären und ggf. gegenzusteuern“.

In diesem Zusammenhang verweist die Bundesregierung auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, der zur Stärkung des Schutzes von Betroffenen häuslicher Gewalt folgenden Auftrag vorsehe: „Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.“ Wie genau dieser Auftrag gesetzlich umgesetzt werden kann, prüft die Regierung laut Antwort aktuell. „Konkrete Aussagen zur gesetzlichen Ausgestaltung und zum weiteren Gesetzgebungsverfahren sind derzeit noch nicht möglich“, heißt es weiter.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 766 vom 20.12.2022

Studie untersucht, welche Rolle geografische Verteilung von Privatschulen für Besuch selbiger spielt – Privatschulen im Osten Deutschlands breiter verteilt als im Westen – Bei Nähe zum Wohnort schicken privilegierte Haushalte ihre Kinder eher auf Privatschulen, einkommensschwache und bildungsferne Haushalte jedoch nicht

Immer mehr Schüler*innen in Deutschland gehen auf Privatschulen – aber längst nicht aus allen Familien: Vor allem Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen und bildungsfernen Haushalten und solchen mit Migrationshintergrund sind dort deutlich unterrepräsentiert. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) unter Beteiligung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) geht der Frage nach, welche Rolle die Entfernung vom Wohnort zur Privatschule für die Zusammensetzung der Schüler*innenschaft an dieser spielt. Das Ergebnis in Kürze: eine untergeordnete Rolle. Zwar sind einige Gruppen „entfernungssensibler“ als andere – so wählen beispielsweise Haushalte mit hohem Einkommen und einem Hochschulabschluss der Eltern insbesondere in Ostdeutschland deutlich eher eine private Schule für ihre Kinder, wenn sie in deren Nähe wohnen. Bei einkommensschwächeren Haushalten mit niedrigem Bildungsniveau ist das allerdings nicht der Fall. Wie die Analysen außerdem zeigen, liegt das zwar teilweise, aber nicht allein am Schulgeld für Privatschulen.

„Haushalte mit niedrigem Einkommen und ohne Hochschulbildung scheinen private Schulen oft gar nicht als Option wahrzunehmen, selbst wenn sie in direkter Nähe wohnen“, sagt Felix Weinhardt, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Bildung und Familie im DIW Berlin und Professor an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). „Womöglich liegt das auch an den pädagogischen Konzepten oder mangelnder Kenntnis von diesen. Da das Schulgeld allein jedenfalls keine Erklärung ist, braucht es unter anderem ein zugänglicheres Informationsangebot über Privatschulen, um diese für alle interessant zu machen.“

Öffentliche Schulen sollten sich verstärktem Wettbewerb mit Privatschulen stellen

Für die Studie hat Weinhardt gemeinsam mit Laura Schmitz aus der Abteilung Bildung und Familie des DIW Berlin und Marcel Helbig vom WZB Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und amtliche Schuldaten ausgewertet. Insgesamt umfasst der Datensatz mehr als 7.000 Schüler*innen in den Jahren 2002 bis 2019. Um die Bedeutung der Entfernung zwischen Wohnort und Privatschule untersuchen zu können, wurden die Informationen anonymisiert mit geografischen Daten bis hin zu den Koordinaten von Straßenblöcken verknüpft.

Die Analyse ergibt, dass Privatschulen im Osten Deutschlands breiter und zufälliger verteilt sind. „Es gibt sie also nicht nur dort, wo in erster Linie einkommensstarke und Akademiker*innenhaushalte wohnen“, erklärt Co-Autorin Laura Schmitz. In Westdeutschland hingegen siedeln sich Privatschulen vorwiegend in Großstädten an. Dort leben zwar auch einkommensschwächere Haushalte und solche mit Migrationshintergrund in der Nähe – dennoch bleiben sie an Privatschulen unterrepräsentiert.

„Politisch sollte Priorität haben, das öffentliche Bildungssystem für Akademiker*innenhaushalte wieder attraktiver zu machen, damit diese sich nicht zunehmend für Privatschulen entscheiden.“ Felix Weinhardt

Auch in den Bundesländern, in denen eine rechtliche (Rheinland-Pfalz) oder faktische Schulgeldfreiheit an Privatschulen (Nordrhein-Westfalen und Saarland) herrscht, gibt es soziale Ungleichheiten beim Privatschulbesuch. „Abgesehen davon, dass das Schulgeld laut Grundgesetz ohnehin niemanden an einem Privatschulbesuch hindern dürfte: Wenn sozial benachteiligte Haushalte Privatschulen gar nicht als Alternative zu staatlichen Schulen wahrnehmen, würden auch restriktivere Schulgeldmodelle die bestehenden Ungleichheiten kaum verändern“, so Marcel Helbig vom WZB.

Neben zugänglicheren Informationen über Privatschulen und deren Angebote könnte auch eine stärkere öffentliche Förderung ein Weg sein. „Letztlich sollte politisch aber Priorität haben, das öffentliche Bildungssystem für Akademiker*innenhaushalte wieder attraktiver zu machen, damit diese sich nicht zunehmend für Privatschulen entscheiden“, so Weinhardt. „Diesem Wettbewerb sollten sich die staatlichen Schulen stellen.“

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 21.12.2022

Deutschlandweite Befragung von fast 2.700 Jugendlichen mit Behinderung zeigt Vielfalt ihrer Lebenswelten

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Jugendliche mit geistiger Behinderung von der digitalen Transformation der Gesellschaft ausgeschlossen werden könnten. Und inklusiv beschulte Jugendliche häufiger Ausgrenzung oder Diskriminierung in der Schule erleben als diejenigen in Förderschulen. Dies sind zwei Ergebnisse der breit angelegten Studie „Aufwachsen und Alltags­erfahrungen von Jugendlichen mit Behinderung“, die das Deutsche Jugendinstitut (DJI) im Auftrag der Baden-Württemberg Stiftung durch­geführt hat. Fast 2.700 Jugendliche mit Behinderung der siebten bis zehnten Klasse wurden hierfür deutschlandweit zu den Themenbereichen Freizeit, Freundschaften und soziale Beziehungen sowie Autonomie und Verselbst­ständigung befragt.

Als Hinweis auf die Form der Beeinträchtigung wurde der sonderpäda­gogische Förderbedarf herangezogen. Dieser gliedert sich in die Kategorien Sehen, Hören, Sprache, Lernen, körperliche und motorische Entwicklung, emotionale und soziale sowie geistige Entwicklung. Etwa ein Drittel der Teilnehmenden hat zwei oder mehr Förderbedarfe.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Jugendliche mit Behinderung eine heterogene Gruppe darstellen, deren Lebenssituationen sehr vielfältig sind“, betont Dr. Shih-cheng Lien, die gemeinsam mit George Austin-Cliff und Johann Hartl die Studie am DJI leitete.  „Wir sehen schon an vielen Stellen einen Zusammenhang zwischen den Erfahrungen der jungen Menschen einerseits und der Form und dem Grad der Beeinträchtigung andererseits; aber auch andere Faktoren wie zum Beispiel die Wohn­situation können eine erhebliche Rolle spielen. Jugendliche, die in einem Wohnheim oder Internat wohnen, berichten häufiger als diejenigen, die mit ihrer Familie leben, dass sie zu viel Freizeit alleine verbringen; die gleiche Tendenz zeigt sich auch bei Jugendlichen mit emotionalen und sozialen Schwierigkeiten im Vergleich zu Jugendlichen mit anderen Formen von Beeinträchtigung.“ Um Barrieren zu erkennen und anschließend abzu­bauen, ist daher immer eine differenzierte Betrachtung der konkreten Lebenslagen erforderlich.

Die Baden-Württemberg Stiftung hatte die Studie in Auftrag gegeben, um Jugendliche mit Behinderung stärker in den Fokus zu rücken und erstmals eine überregionale Beschreibung von deren Lebenssituation zu erhalten. „Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse, um die Alltags-, Bildungs- und Freizeiterfahrungen junger Menschen mit Behinderung zu verbessern“, sagt Christoph Dahl, Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung. „Wir werden uns die Ergebnisse ganz genau anschauen und überlegen, wo wir programmatisch anknüpfen können.“

 

Jugendliche mit geistiger Behinderung sind häufig von digitaler Teilhabe ausgeschlossen

93 Prozent der Befragten sagen, dass sie ein eigenes Smartphone haben. Andere, allgemeine Jugendstudien kommen auf einen vergleichbar hohen Anteil, was nahelegt, dass dieses für soziale Teilhabe unverzichtbare Gerät genauso wie bei allen anderen auch zu einem Bestandteil des Alltags von Jugendlichen mit Behinderung geworden ist. Dennoch zeichnen sich Hürden bei der digitalen Teilhabe vor allem bei Jugendlichen mit geistiger Behinderung sowie bei Jugendlichen mit mehreren Formen von Beein­träch­tigung ab. Zum einen besitzen sie seltener als der Durchschnitt der Befragten ein eigenes Smartphone und sind im Internet weniger aktiv. Zum anderen wird ihr Internetverhalten häufiger von Erwachsenen überwacht. „Heutzutage setzt soziale Teilhabe digitale Teilhabe voraus, weswegen eine stärkere und differenzierte Förderung der Medienkompetenzen der Jugendlichen notwendig ist“, meint George Austin-Cliff. Um technische Benachteiligungen abzubauen, sollte zudem bei der Entwicklung neuer Hard- und Software Barrierefreiheit konsequenter mitgedacht werden, etwa durch alternative Darstellungs- und Steuermöglichkeiten.

 

Ausgrenzung oder Diskriminierung erfolgen häufig in der Schule

Wichtige soziale Orte Jugendlicher sind Schulen. Wenn Jugendliche mit Behinderung Ausgrenzung oder Diskriminierung erfahren, erleben sie diese meist dort. Davon sind Jugendliche in inklusiven Regelschulen häufiger betroffen als Jugendliche in Förderschulen. „Vor allem in den Regelschulen müssen Lehr- und Fachkräfte unterstützt werden, um Ausgrenzung frühzeitig zu erkennen und dem entgegenzuwirken. Auch braucht es tragfähige Schutzkonzepte, damit etwa Schülerinnen und Schüler, mit und ohne Behinderung, lernen, mit Vielfalt und Differenz umzugehen“, erklärt Johann Hartl. Zentral hierfür ist ebenfalls die Förderung einer allgemeinen Haltung, die gesellschaftliche Vielfalt wertschätzt und Menschen mit Behinderung in ihrer Gleichberechtigung anerkennt.

An Kolleginnen und Kollegen richten die DJI-Forschenden die Empfehlung, Inklusivität als Gütekriterium für das eigene Forschungshandeln anzuer­kennen und bisher nicht berücksichtigte Gruppen junger Menschen künftig systematisch einzubeziehen. Sozialwissenschaftliche Jugendforschung, die den Anspruch erhebt, soziale Wirklichkeit empirisch zu beschreiben, kann davon nur profitieren. Bisher galt es beispielsweise als schwer umsetzbar, Jugendliche mit unterschiedlichen Formen von Beeinträchtigungen in großer Zahl direkt zu befragen. Die Forschenden des DJI entwickelten des­halb einen Fragebogen, der in unterschiedlichen Modi angeboten und in Umfang und Komplexität angepasst werden konnte.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Jugendinstitut e.V. vom 15.12.2022

Neue Studie belegt hohe Wechselbereitschaft von Vätern für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Für Väter ist eine gelingende Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein sehr wichtiges Anliegen. Deutlich wird dies durch die Bereitschaft der Väter, ihre Arbeitsstelle zu wechseln. Das zeigt die Studie „Wie väterfreundlich ist die deutsche Wirtschaft?“ der Prognos AG im Auftrag des Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“: Rund 450.000 Väter in Deutschland haben schon einmal den Arbeitgeber zugunsten einer besseren Vereinbarkeit gewechselt. Und mehr als 1,7 Millionen Väter denken darüber häufig oder zumindest manchmal nach. Diese hohe Wechsel­bereitschaft ist gerade in den aktuellen Zeiten des Fachkräftemangels ein großes Unternehmensrisiko.

Bundesfamilienministerin Paus: „Wer sich nicht um die Wünsche der Väter kümmert, geht das Risiko ein, sie zu verlieren. Die Studie zeigt eindrücklich, dass Arbeitgeber*innen Väter im eigenen Interesse mehr unterstützen müssen, wenn sie sie im Betrieb halten wollen. Von einer väterfreundlichen Personalpolitik profitieren alle: die Mutter, die mit dem Kind entlastet wird, die Partnerschaft, weil Aufgaben zu Hause geteilt werden, die Kinder, die mehr Zeit mit ihren Vätern haben – und die Wirtschaft, denn Mütter können mehr arbeiten, wenn Väter mehr Verantwortung in der Familie übernehmen. Auch die Politik wird ihren Beitrag leisten: Wir planen im kommenden Jahr die Weichen dafür stellen, dass Partner*innen künftig nach der Geburt ihres Kindes eine zweiwöchige vergütete Partnerfreistellung bekommen können.“

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist die unterschiedliche Einschätzung der Väterfreundlichkeit von Unternehmen und berufstätigen Vätern: Väter bewerten ihre Unternehmen deutlich seltener als sehr väterfreundlich als dies die Unternehmensverantwortlichen tun (38% vs. 63%). Das entsprechende Angebot ist zwar gut aufgestellt, jedoch ist betriebliche Väterfreundlichkeit nur wirksam, wenn Personalmaßnahmen in eine väterbewusste Unternehmenskultur eingebettet werden und die Anliegen der Väter von Führungskräften thematisiert und ernst genommen werden.

Entsprechend lautet die Empfehlung an die Unternehmen in Deutschland, ihre Väterfreundlichkeit im eigenen Interesse zu stärken, um ihre Zukunftsfähigkeit mit Blick auf den gesellschaftlichen und demografi­schen Wandel zu sichern und um Wettbewerbsvorteile auf dem Arbeitsmarkt zu realisieren.

Die Studie basiert auf zwei repräsentativen Befragungen von 600 Personalverantwortlichen bzw. Geschäftsführungen sowie von 1.000 erwerbstätigen Vätern mit minderjährigen Kindern. Sie können die Studie hier herunterladen.

Mehr Info auf prognos.com

Einen Leitfaden für väterorientierte Personalpolitik sowie weitere Informationen und gute Beispiele väterfreundlicher Unternehmen finden Sie hier.

Mit dem Fortschrittsindex Vereinbarkeit können Sie die Familienfreundlichkeit Ihrer Unternehmenskultur messen. Den Fortschrittsindex finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Erfolgsfaktor Familie vom 19.12.2022

  • Rund 399 000 Personen bezogen Ende 2021 Asylbewerberregelleistungen
  • Ein Drittel der Leistungsempfängerinnen und -empfänger waren minderjährig
  • Häufigste Herkunftsländer der Leistungsberechtigten waren Afghanistan, Irak und Syrien

Rund 399 000 Personen in Deutschland haben am Jahresende 2021 Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bezogen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stieg die Zahl der Leistungsbezieherinnen und -bezieher damit gegenüber 2020 um 4,3 % oder 17 000 Personen. Das war der erste Anstieg der Zahl der Regelleistungsbezieherinnen und -bezieher seit dem Jahr 2015.

Leistungsberechtigt sind Ausländerinnen und Ausländer, die sich im Bundesgebiet aufhalten und eine der Voraussetzungen nach § 1 AsylbLG (Stand: 31.12.2021) erfüllen. Dabei wird unterschieden zwischen Regelleistungen und besonderen Leistungen. Zu den Regelleistungen zählen Grundleistungen zur Deckung des (persönlichen) notwendigen Bedarfs nach § 3 AsylbLG und Leistungen in besonderen Fällen nach § 2 AsylbLG. Leistungen in besonderen Fällen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und Teil II des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten Personen, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung in Deutschland aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, etwa durch die Angabe einer falschen Identität. 

61 % der Regelleistungsempfängerinnen und -empfänger am Jahresende 2021 waren männlich und 39 % weiblich. 34 % waren minderjährig, 65 % zwischen 18 und 64 Jahren alt und etwa 1 % waren 65 Jahre und älter. Die meisten Leistungsberechtigten stammten aus Asien (56 %), 20 % stammten jeweils aus Afrika und Europa. Die drei häufigsten Herkunftsländer waren Afghanistan und Irak mit jeweils 13 % und Syrien (12 %) aller Leistungsberechtigten. 

171 050 Empfängerinnen und Empfänger besonderer Asylbewerberleistungen

Neben den Regelleistungen können nach dem AsylbLG auch besondere Leistungen in speziellen Bedarfssituationen gewährt werden. Hierzu zählen Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 AsylbLG, Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten (§ 5 AsylbLG), sonstige Leistungen nach § 6 AsylbLG sowie nach § 2 AsylbLG Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel SGB XII und Teil II des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch. Ende 2021 erhielten 171 050 Personen besondere Leistungen. Darunter waren 2 985 Leistungsberechtigte, die ausschließlich Anspruch auf besondere Leistungen hatten. 

Weitere Informationen:

Weitere Ergebnisse zu den Empfängerinnen und Empfängern von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bieten die Tabellen auf der Themenseite „Asylbewerberleistungen“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes.

Detaillierte Informationen zu den Bruttoausgaben nach dem AsylbLG (Tabelle 22211), zu den besonderen Asylbewerberleistungen (22231) und Leistungen für Bildung und Teilhabe (22251) sind zudem in der Datenbank GENESIS-Online abrufbar. 

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 21.12.2022

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Caritas fordert praxisgerechtere Methode zur Berechnung der Grundsicherungsleistungen

Der 1. Januar 2023 ist der Tag, an dem verschiedene wichtige Gesetze in Kraft treten – namentlich das Bürgergeldgesetz. Damit hat die Bundesregierung allen Krisen und Streitigkeiten zum Trotz ein wichtiges Reformvorhaben im Zeitplan umgesetzt. „Gerade in der aktuellen Phase allgemeiner Unsicherheit und Krisenerfahrung ist es ein starkes Signal, dass der Vermittlungsvorrang wegfällt und die Zwangsverrentung ausgesetzt wird,“ betont Caritas-Präsidentin Eva M. Welskop-Deffaa.

Inflation frisst höhere Leistungen im Bürgergeld

Die seit Monaten ungewohnt hohen Inflationsraten führen allerdings dazu, dass die mit dem Bürgergeldgesetz beschlossenen Erhöhungen der Regelbedarfsleistungen von den Preissteigerungen sofort aufgefressen werden. „Faktisch haben die Menschen im SGB-II-Leistungsbezug jetzt nicht mehr, sondern weniger Kaufkraft zur Verfügung. Die politisch Verantwortlichen müssen genau hinschauen, wie sich die Teuerungsraten in den kommenden Wochen entwickeln und schnell nachbessern“, fordert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Die Verfassungskonformität der Grundsicherungsleistungen bemesse sich daran, dass sie nachvollziehbar so berechnet sind, dass das Existenzminimum tatsächlich abgesichert ist.

„Wir müssen endlich an die Methodik der Kalkulation ran. Das fordert der Deutsche Caritasverband seit langem. Und die Forderung ist durch die galoppierende Preisentwicklung nur umso dringlicher geworden“, so Welskop-Deffaa. Die zeitliche Verzögerung der Anpassung, aber auch die unzureichende Berücksichtigung der Stromkosten sind zwei Punkte, die dem Verband besonders am Herzen liegen.

Bessere Chancen im Arbeitsmarkt

Das neue Bürgergeld wird den Menschen helfen, Wege aus Hilfsjobs und Langzeitarbeitslosigkeit zu finden und eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt zu befördern, weil es bessere Beratung, weniger Bürokratie sowie mehr Aus- und Weiterbildung geben soll. „Das Weiterbildungsgeld und die Weiterbildungsprämie können ein entscheidender Anreiz für Menschen sein, sich auch nach einer längeren Phase der Erwerbslosigkeit neu für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren“, unterstreicht Welskop-Deffaa. „Wir hoffen sehr, dass die Jobcenter mit ausreichend Ressourcen ausgestattet werden, um die Reformen dem Geist des neuen Bürgergeldes entsprechend für die Menschen praktisch umzusetzen.“

Hintergrund
Das Bürgergeld kommt 2023 in zwei Stufen: Zum ersten Januar werden die Regelleistungen erhöht. Die Angemessenheit der Wohnung wird erst nach zwölf Monaten geprüft. Vermögen bleibt bis zu 40.000 Euro ebenfalls ein Jahr geschützt. Zum ersten Juli greift die zweite Stufe, in der die Eingliederungsvereinbarung durch den Kooperationsplan ersetzt und die Weiterbildungsförderung ausgebaut wird.

Stellungnahme zur Einführung eines Bürgergeldes (caritas.de)

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 30.12.2022

Die weiter gestiegene Zahl vermisster Flüchtlingskinder in Deutschland gibt nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes Anlass zu großer Beunruhigung. Nach aktuellen Angaben des Bundeskriminalamtes sind derzeit 2.009 Kinder und Jugendliche, die als unbegleitete Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, im Informationssystem der Polizei (INPOL) als vermisst eingetragen. Seit Beginn des letzten Jahres ist diese Zahl damit um 10 Prozent gestiegen und auf dem höchsten Stand seit drei Jahren. Deshalb müssen aus Sicht der Kinderrechtsorganisation die Aufklärungsmaßnahmen zum Schutz dieser Kinder verstärkt werden.

„Die gestiegenen Zahlen bei den vermissten Flüchtlingskindern zeigen, dass grenzübergreifende und nationale Kinderschutzsysteme sowie die damit verbundenen Erfassungssysteme verbessert werden müssen. Nur so können Kinder und Jugendliche, die nach Europa flüchten, von Anfang an besser unterstützt und geschützt werden. Bisher wissen wir zu wenig über die Situation der vermissten Kinder. Deshalb gilt es dringend, die Gründe besser zu erforschen, warum die Kinder vermisst werden und in welchen Lebenssituationen sie sich befinden. Nur wenn die Ursachen für das Verschwinden klarer sind, kann zielgerichtet in Präventionsmaßnahmen investiert werden. Zudem sind gut ausgestattete Kinder- und Jugendhilfesysteme, zeitnah gesicherte Aufenthaltsperspektiven und Möglichkeiten des Familiennachzugs von besonderer Bedeutung“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Gleichzeitig sehen wir, dass die Kinder- und Jugendhilfesysteme in vielen Kommunen nur unzureichend mit der gestiegenen Zahl unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter Schritt halten. Standards bei der Betreuung und Unterbringung sind teils außer Kraft gesetzt. Auch das ist kinderrechtlich höchst problematisch. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass Flüchtlingskinder zu Verwandten weitergereist sind oder es bei ihrer Umverteilung Fehler in der Datenerfassung gibt. Aber dazu gibt es nach unserem Kenntnisstand überhaupt keine belastbaren Zahlen, nicht einmal Näherungswerte, die es erlauben würden, auch nur annähernd einzuschätzen, wie viele Kinder und Jugendlichen betroffen sind. Außerdem müssen wir davon ausgehen, dass es auch Flüchtlingskinder gibt, die nach ihrer Einreise in Deutschland gar nicht erfasst worden sind. Insofern gibt es auch noch eine gewisse Dunkelziffer, aber auch hier gibt es keinerlei verlässliche Zahlen. Wir müssen also im Interesse der betroffenen Kinder die möglichen Risikolagen ernst nehmen. Schließlich weist das Bundeskriminalamt selbst darauf hin, dass bei vermissten Kindern grundsätzlich von einer Gefahr für Leib oder Leben ausgegangen werden muss, solange die Ermittlungen nichts anderes ergeben“, so Hofmann weiter.

In einigen europäischen Ländern erfolgt eine Einschätzung der Schutzbedürftigkeit, wenn unbegleitete Minderjährige vermisst werden. Dies sollte aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes auch in Deutschland Standard werden. Hier ist die Bundesregierung gefordert, entsprechend tätig zu werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 06.01.2023

Es wird ernst, jetzt läuft der Endspurt: Noch knapp zwei Wochen besteht die Möglichkeit, sich um den Deutschen Kinder- und Jugendpreis des Deutschen Kinderhilfswerkes zu bewerben. Mit der Auszeichnung werden Projekte gewürdigt, bei denen Kinder und Jugendliche beispielhaft an der Gestaltung ihrer Lebenswelt mitwirken. Der Deutsche Kinder- und Jugendpreis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und damit der höchstdotierte bundesweite Preis für Kinder- und Jugendbeteiligung in Deutschland. Langjähriger Partner ist der Europa-Park in Rust. Die Bewerbungsfrist endet am 15. Januar 2023. Die Preisverleihung findet am 03. Juli 2023 im Europa-Park statt. Neben der Bekanntgabe der Gewinnerprojekte erwartet die Teilnehmenden dort ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm mit Musik-Acts und Prominenten, die das Engagement der Kinder und Jugendlichen wertschätzen.

„Die Beteiligung von Kindern ist ein zentraler Wert einer demokratischen Gesellschaft. Mit dem Deutschen Kinder- und Jugendpreis zeichnen wir das Engagement von Kindern und Jugendlichen für ihre eigenen Rechte oder die Rechte anderer aus. Gleichzeitig weisen wir darauf hin, wie wichtig der Beitrag von Kindern und Jugendlichen für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft ist. Kinder und Jugendliche, die sich aktiv bei der Entwicklung und Umsetzung von Projekten einbringen, engagieren sich auch als Erwachsene eher an der Gestaltung des Gemeinwesens. Mit der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wird somit ein wesentlicher Grundpfeiler unserer Demokratie gestärkt. Wir sind dieses Jahr wieder auf die Einsendung von einfallsreichen Angeboten, die mit viel Kreativität der Kinder und Jugendlichen umgesetzt werden, sehr gespannt“, sagt Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Mit dem Deutschen Kinder- und Jugendpreis wirbt das Deutsche Kinderhilfswerk im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention für eine stärkere Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Fragen und Belangen. Um ihre aktive Teilnahme zu sichern, stellt das Deutsche Kinderhilfswerk Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses. Nur so fühlen sie sich wertgeschätzt und lernen Demokratie. Zudem werden die Projekte der Kinder und Jugendlichen im Rahmen der Preisverleihung in besonderer Weise öffentlich gewürdigt.

Vergeben wird der Preis in den Kategorien Solidarisches Miteinander, Politisches Engagement und Kinder- und Jugendkultur. Die Gewinner des 1. Platzes jeder Kategorie erhalten ein Preisgeld in Höhe von 6.000 Euro. Außerdem wird es in jeder Kategorie eine lobende Erwähnung geben, die mit 3.000 Euro dotiert ist. Zusätzlich wird ein Projekt mit dem Europa-Park JUNIOR CLUB Award ausgezeichnet, der mit einem Preisgeld von 3.000 Euro gewürdigt wird.

Die Bewerbung erfolgt online unter www.dkhw.de/dkjp. Dort sind weitere Informationen sowie Hinweise zum Ausfüllen der Bewerbung aufgeführt. Die Vorhaben sollen bereits begonnen haben oder im letzten halben Jahr abgeschlossen worden sein. Für die Endauswahl werden je Kategorie sechs Projekte durch eine Fachjury nominiert. Danach wird der Kinder- und Jugendbeirat des Deutschen Kinderhilfswerkes als Kinderjury die Preisträgerinnen und Preisträger ermitteln. Kinder und Jugendliche der Gewinnerprojekte für den Deutschen Kinder- und Jugendpreis werden zur Preisverleihung in den Europa-Park in Rust eingeladen und erhalten während der Veranstaltung die Möglichkeit, ihr Projekt direkt auf der Bühne vorzustellen. Zusätzlich wird von jedem Gewinnerprojekt sowie von den lobenden Erwähnungen ein Kurzfilm gedreht, der zur Vorstellung des Engagements dient.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 03.01.2023

Das Deutsche Kinderhilfswerk appelliert zum Jahresbeginn an Bund, Länder und Kommunen, in diesem Jahr die Kinderrechte endlich umfassend zu einer Leitlinie von Politik, Rechtsprechung und Verwaltungshandeln zu machen. „Derzeit brennt es an allen Ecken und Enden. In den Kitas, in den Schulen, bei der Versorgung von Kindern in Krankenhäusern und mit Medikamenten. Das alles ist das Ergebnis einer Politik, die Kinderinteressen über Jahre systematisch ausgeblendet hat und es vielfach noch immer tut. Deshalb gehören die Interessen und Rechte von Kindern und Jugendlichen endlich als ein vorrangiger Gesichtspunkt ins Zentrum politischen Handelns. Dafür braucht es zuvorderst eine Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, eine aktive Politik zur Überwindung der Kinderarmut in Deutschland sowie eine deutliche Stärkung der demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Wirksame Maßnahmen für ein kinderfreundliches Deutschland gehören auf der politischen Agenda ganz nach oben, nicht allein im besten Interesse der Kinder und Jugendlichen selbst, sondern letztlich für nichts weniger als die Sicherung der Zukunftsfähigkeit unserer gesamten Gesellschaft. Obwohl Kinderfreundlichkeit in Sonntagsreden immer wieder beschworen wird, kommt der Kinder- und Jugendpolitik nach wie vor nicht der Stellenwert zu, den dieses Zukunftsthema verdient“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

 

Der Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz kommt aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes besondere Bedeutung zu. „Deshalb brauchen wir zügig einen neuen Anlauf zur verfassungsmäßigen Verankerung der Kinderrechte, um eine nachhaltige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention sicherzustellen. Dabei müssen die Kinderrechte auf Förderung, Schutz und Beteiligung sowie der Kindeswohlvorrang Grundlage der Normierung sein. Es braucht im Grundgesetz einen eigenen Artikel für die Kinderrechte, die unabhängig von den Elternrechten und ohne mit ihnen in Konflikt zu geraten gegenüber dem Staat gelten. Kinderrechte im Grundgesetz könnten sich mit eindeutigen Formulierungen für Kinder und Jugendliche positiv bei der Planung und Gestaltung in allen Politikfeldern auswirken und auch zu einem Umdenken in der Verwaltung führen“, so Krüger weiter.

 

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert die Bundesregierung nachdrücklich dazu auf, neben der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz weitere wirksame Maßnahmen für ein kinderfreundliches Deutschland auf den Weg zu bringen. „Wir müssen endlich das strukturelle Problem der Kinderarmut nachhaltig beseitigen. Viele Familien trifft die Inflation und die Energiekrise mit beispielloser Wucht. Sie geraten über die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten, sind finanziell schlicht am Ende. Wir brauchen deshalb schnellstmöglich eine Kindergrundsicherung, die ihren Namen verdient. Gerade Familien mit wenig Einkommen kann die Kindergrundsicherung dazu verhelfen ihre Kinder zu versorgen, ohne auf weitergehende staatliche Unterstützung angewiesen zu sein. Bis zu ihrer Einführung muss es deutlichere Aufschläge auf die Transfersysteme geben als bisher geplant“, so Krüger weiter.

 

„Zudem sollte die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an sie betreffenden Entscheidungen endlich zu einer Selbstverständlichkeit werden. Verbindliche Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen müssen systematisch ausgebaut und strukturell verankert werden, zuvorderst im Grundgesetz. Kinder und Jugendliche werden durch frühe Beteiligungserfahrungen in ihren sozialen Kompetenzen gefördert, gleichzeitig leistet frühe Beteiligung von Kindern einen fundamentalen Beitrag zur langfristigen Stärkung unserer Demokratie. Hier kann das geplante Demokratiefördergesetz eine gute Grundlage bilden. Kinder dürfen nicht als eine Altersgruppe begriffen werden, die auf demokratische Mitwirkung im Erwachsenenalter vorbereitet wird, sondern die bereits als Kinder konstitutiver Teil der gesamtgesellschaftlichen demokratischen Praxis sind. Daher ist es im Feld der Demokratiearbeit unverzichtbar, demokratische Kompetenzen sowie ein Miteinander zu fördern, in dem Vielfalt wertgeschätzt wird sowie alle Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit erhalten, dieses aktiv mitzugestalten“, sagt Thomas Krüger.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 01.01.2023

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert deutliche Nachbesserungen bei den ab Januar geltenden Bürgergeld-Regelsätzen für Kinder und Jugendliche. „Bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland können wir nicht auf die Kindergrundsicherung, die im Jahr 2025 kommen soll, warten. Wir brauchen jetzt eine signifikante Erhöhung der Transferleistungen, ohne die es bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland einen drastischen Rückschlag geben wird. Trotz der ab Januar vorgesehenen Verbesserungen bei den Regelsätzen wird das Geld in vielen Familien vorne und hinten nicht reichen. An dieser Stelle sollten mehr finanzielle Mittel in die Hand genommen werden, um allen Kindern und Jugendlichen ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen. Dabei müssen soziale Infrastruktur und monetäre Leistungen ineinandergreifen. Nur so kann das strukturelle Problem der Kinderarmut in Deutschland umfassend beseitigt werden“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

 

„Das wichtigste Instrument dafür ist eine Kindergrundsicherung. Wir freuen uns, dass dieses Projekt ganz oben auf der Agenda von Bundesfamilienministerin Paus steht und sind gespannt auf die für nächsten Monat angekündigten Eckpunkte. Das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben muss Referenz der Eckpunkte sein. Wir sehen derzeit, dass viele Familien die Inflation und die Energiekrise mit unfassbarer Wucht treffen. Dadurch geraten Familien mit geringem Einkommen an oder sogar über die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten, viele sind finanziell am Ende. Deshalb braucht es eine gezielte Förderung armer Familien und ihrer Kinder sowie unbürokratische Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen“, so Hofmann weiter.

 

Wichtig ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes die Erstellung einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland, die mit einer umfassenden Kinder- und Jugendbeteiligung an diesem Prozess einhergehen muss und einen ressortübergreifenden Ansatz braucht. Dieser muss neben monetären Leistungen auch ein starkes Augenmerk auf infrastrukturelle Bedingungen zur Unterstützung von Familien und ihren Kindern legen. Die Kinderarmut in Deutschland kann aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes nur dann effizient und nachhaltig bekämpft werden, wenn alle Maßnahmen zu diesem Zweck in einem Gesamtkonzept verknüpft und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Die Erarbeitung des Nationales Aktionsplans im Rahmen der von Deutschland mitbeschlossenen EU-Kindergarantie kann hierfür einen guten Ansatz bieten.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 27.12.2022

In der Politik gibt es derzeit ein wachsendes Missverhältnis zwischen den Äußerungen zur Bedeutsamkeit von Kindern und Jugendlichen einerseits und dem praktischen Handeln andererseits. Während im politischen Betrieb immer häufiger von mehr Aufmerksamkeit und Gehör für die Belange von Kindern gesprochen wird, fehlt es zunehmend an grundlegenden Voraussetzungen für ihr gutes Aufwachsen und gerechte Zukunftschancen. Besonders augenfällig ist hier die Baustelle der Bildung und Betreuung und das nicht erst seit der Pandemie.

Öffentlichkeitswirksame Bündnisse für die junge Generation allein helfen hier nicht weiter. Den hehren Worten müssen endlich Taten folgen. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen ruft der Familienbund die politischen Entscheidungsträger:innen in Bund und Ländern zu einer aktiven Kinder-, Jugend- und Familienpolitik auf. 

 

Der Familienbund unterstützt die Absicht, Kindern und Jugendlichen mehr Aufmerksamkeit zu schenken sowie sie in gesellschaftlichen Fragen stärker zu berücksichtigen und zu beteiligen. Allerdings entsteht häufig der Eindruck, dass es sich bei entsprechenden Äußerungen eher um Sonntagsreden als um ernstgemeinte Programmatik handelt. Denn obwohl Kinder in der politischen Kommunikation durchaus an Bedeutung gewinnen, erleben viele Familien allen Bekundungen zum Trotz seit Jahren das genaue Gegenteil: ihre Interessen und die ihrer Kinder spielen kaum eine Rolle bei politischen Entscheidungen. An der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche wird trotz marodem Zustand stetig weiter gespart, die finanzielle Unterstützung bleibt oft auf das Nötigste beschränkt und erreicht viele Familien nicht, obwohl sie dringend darauf angewiesen sind. Gerade in der aktuellen Inflations- und Energiekrise. Auch beim Wohnen zeigt sich seit langem eine erschreckende Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen von Familien. Zusätzlich droht aktuell eine katastrophale Unterversorgung von Kindern und Jugendlichen im Gesundheitsbereich. Damit jedoch sind grundlegende Aufgaben der alltäglichen Daseinsvorsorge, der Entwicklungsförderung und der angemahnten Teilhabe von Kindern und Jugendlichen eben gerade nicht (mehr) erfüllt. Man kann es nicht anders sagen, als dass Staat und Politik gegenwärtig gegenüber den Kindern bei ihren Kernaufgaben versagen. Diese Lücke lässt sich allein mit Zuhören nicht schließen. 

Den vollständigen Wortlaut des Plädoyers finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken – Bundesverband vom 21.12.2022

LSVD begrüßt geplante Gesetzesänderung durch Gesundheitsminister Lauterbach

Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete, kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach an, das Transfusionsgesetz für die Blutspende ändern zu wollen. Mit der Änderung soll die Bundesärztekammer verpflichtet werden, die Blutspenderichtlinien anzupassen und die Diskriminierung von Männern, die Sex mit anderen Männern haben (MSM), bei der Blutspende zu beseitigen. Dazu erklärt Alfonso Pantisano, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD):Der LSVD begrüßt die geplante Änderung des Transfusionsgesetztes.

Die Abschaffung dieser Diskriminierung war ein langer Weg und ein harter Kampf – und es ist jetzt die langersehnte Einlösung des Versprechens an die queere Community: Es wird besser!

Die Gesetzesänderung und die Reformierung der Blutspenderichtlinie sind längst überfällig. Damit würde die Ampelkoalition ein weiteres Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen. Zukünftig soll nur noch das sogenannte Risikoverhalten darüber entscheiden, wer bei der Blutspende zugelassen wird. Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität sollen mit dem Änderungsantrag keine Ausschluss- oder Rückstellungskriterien mehr sein. Mit der Gesetzesänderung würde auch eine langjährige Forderung des LSVD umgesetzt werden.

Die bisherige Regelung, MSM und trans* Personen per se als Risikogruppe zu betrachten, baut auf Stigmatisierungen von MSM auf, verstärkt diese und reproduziert damit aktiv Diskriminierungen. Es ist falsch, Sexualkontakte zwischen Männern grundsätzlich als Risikoverhalten zu definieren: Die Zahlen der Ansteckung mit HIV zeigen, dass auch bei heterosexuellem Sex eine Übertragung stattfindet. Männer, die Sex mit Männern haben, dürfen nicht länger von der Blutspende ausgeschlossen werden, wenn sie nur geschützte Sexualkontakte mit anderen Männern hatten und HIV-negativ sind!

Dass das individuelle Risikoverhalten maßgeblich zur Auswahl von Spender*innen sein muss, hat der LSVD seit Jahren gefordert. Eine Sexualanamnese, die sich am individuellen Risiko der Spender*innen orientiert, ist sogar geeignet, eine höhere Sicherheit der Blutspenden zu gewährleisten als der bisherige pauschale Ausschluss bzw. Rückstellung bestimmter „Hochrisikogruppen“. Dabei ist es allerdings entscheidend, wie das Risikoverhalten in Zukunft genau definiert ist.

Die Änderung des Transfusionsgesetzes muss sicherstellen, dass Spender*innen auch nicht versteckt nach sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität unterschieden und damit ausgeschlossen werden. Nur so lässt sich Sicherheit von Blutkonserven auch ohne Diskriminierung gewährleisten.

Mehr erfahren:
Diskriminierendes Blutspendeverbot: Dürfen schwule und bisexuelle Männer Blut spenden?

Quelle: Pressemitteilung Lesben- und Schwulenverband (LSVD) vom 10.01.2023

Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linken zu „Forschung und Aufklärung – Studienergebnisse zu Ideologie statt Kindeswohlorientierung in der Praxis von Familiengerichten und Jugendämtern“ geht hervor, dass die Bundesregierung keine Erkenntnisse über solche problematischen Entwicklungen hat und auch keinen Anlass sieht, durch statistische Erhebungen oder Forschungsprojekte die Situation genauer in den Blick zu nehmen. Auch liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, inwiefern häusliche Gewalt in familiengerichtlichen Verfahren systematisch angemessen berücksichtigt wird.

„Dies ist höchstbedenklich, appelliert das Expertengremium des Europarats, GREVIO, in seinem aktuellen Bericht doch nachdrücklich an den deutschen Staat, genau hinzuschauen: die Auswirkungen von gerichtlichen Entscheidungen über das Sorge- und Umgangsrecht auf die Sicherheit von weiblichen Opfern häuslicher Gewalt und ihrer Kinder zu bewerten. Hierzu soll Deutschland die einschlägige Rechtsprechung analysieren und Daten erheben, wie Richter*innen das elterliche Sorge- oder Umgangsrecht im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt einschränken oder entziehen“, konstatiert Daniela Jaspers, Vorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV). „Damit bleibt die Bundesregierung nicht nur die Antwort auf die Kleine Anfrage schuldig, sondern auch die Umsetzung der Istanbul-Konvention“

Auch benennt GREVIO in dem Bericht seine Besorgnis über die in Deutschland weit verbreitete Verwendung des nachweislich unwissenschaftlichen Konzepts der „elterlichen Entfremdung“. Dies werde sogar in der Ausbildung von Jugendamtsmitarbeiter*innen verwendet. „Auch auf diesem Auge scheint die Bundesregierung blind zu sein“, mahnt Jaspers. „So bleiben die Fragen zu problematischen Inobhutnahmen im Zusammenhang mit der Anwendung des Konzepts der elterlichen Entfremdung offen. Die Bundesregierung muss die Verantwortung annehmen, hier genau hinsehen zu müssen. Die Erhebung statistischer Daten ist hier ebenso wenig geplant wie entsprechende Forschungen, aber dringend notwendig.“ GREVIO überwacht in Europa die Umsetzung der Istanbul-Konvention, das Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt.

Quelle: Pressemitteilung Verband alleinerziehender Mütter und Väter,
Bundesverband e.V. (VAMV) vom 11.01.2023

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 17. Januar 2023

Veranstalter: Einstein Stiftung Berlin, Förderfonds Wissenschaft in Berlin, Population Europe und  Stifter­verband

Ort. Berlin

Scheidungs- und Trennungsraten liegen in vielen Länder der westlichen Welt seit Jahrzehnten auf einem hohen Niveau. In den letzten Jahren hat sich jedoch ein grundlegender Wandel vollzogen. Die Scheidungsraten vor allem im späteren Erwerbsalter sind sprunghaft in die Höhe geschnellt. In den USA hat diese Entwicklung ein derartiges Niveau erreicht, dass dort mittlerweile von einer „Gray Divorce Revolution“ gesprochen wird. Inwiefern gilt dieser Befund auch für Deutschland? Welche Rückwirkungen hat eine Scheidung im höheren Alter auf die Gesundheit, auf die Erwerbstätigkeit oder das Risiko einer Frühverrentung? Und wie unterscheiden sich die Scheidungsfolgen für Frauen und Männer? Diese sozialpolitisch wichtigen Fragen werden anhand neuester Forschungen diskutiert.

Anmeldung: Unter https://survey.demogr.mpg.de/index.php/956831?lang=de können Sie sich zu diesem Termin anmelden. Sollten Sie persönlich verhindert sein, können Sie diese Einladung gern an eine interessierte Person in Ihrem Hause weitergeben.

Streaming: Da die Themen von großer gesellschaftlicher Relevanz sind, wird der Vortrag im ersten Teil der Veranstaltung live ins Internet übertragen. Im zweiten Teil haben Sie dann Gelegenheit, mit den Vortragenden in nicht-öffentlicher Runde zu diskutieren. Dabei wird ein Imbiss gereicht.

WEITERE INFORMATIONEN

Das Themenblatt Vielfalt – Individualitäten, Sichtbarkeiten und Abwehrmechanismen lädt ein, sich damit zu beschäftigen Vielfalt wahrzunehmen und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, welche Vielfaltsaspekte es gibt, welche mehr Beachtung erfahren, welche als Norm verstanden und privilegiert werden und welche Vielfaltsdimensionen wiederum unterrepräsentiert oder gar unsichtbar. Außerdem beschäftigt sich das Themenblatt mit verschiedenen Vielfaltdimensionen und Mehrfachzugehörigkeiten im Bereich der frühkindlichen Bildung und der Bedeutung der Vielfaltskompetenz von Fach- und Führungskräften. Die Publikation ist mit der Artikelnummer 12129 am Lager und kann über Verlag & Vertrieb (werbung@awo.org ) bestellt werden. Eine Onlineversion folgt.

Darüber hinaus sind auf der Projekthomepage des Projekts DEVI – „Demokratie stärken. Vielfalt gestalten.“ alle derzeitigen Publikationen & Podcastfolgen aus dem Projekt zusammengetragen und entsprechende Bestell- und Downloadmöglichkeiten verlinkt.

Im Februar haben wir Ihnen den Wegweiser AmkA.Info Online vorgestellt und viel positive Rückmeldung erhalten. Deshalb freuen wir uns sehr darüber, dass unser Online-Portal jetzt auch auf Bulgarisch, Englisch, Rumänisch sowie Ukrainisch verfügbar ist.

Im Wegweiser haben wir eine Vielzahl an Infos zusammengestellt – insbesondere für Menschen, die neu in Frankfurt sind und sich schnell und leicht orientieren möchten. Daher arbeiten wir aktuell an weiteren Übersetzungen. Als nächste Sprachen folgen: Arabisch, Dari, Farsi, Hindi, Italienisch, Koreanisch, Kroatisch, Polnisch, Russisch, Spanisch, Tigrinya und Türkisch.

Zu Themen wie Anmeldung und Aufenthalt, Arbeiten und Studieren in Frankfurt, Gesundheit oder rechtliche Beratung und vielem mehr bietet der Wegweiser eine umfangreiche Übersicht zu Angeboten, Beratungsstellen und Ansprechpersonen in Frankfurt am Main.

Das Portal steht natürlich auch allen Fachkräften von Beratungsstellen, Einrichtungen sowie sonstigen Vereinen und Institutionen zur Verfügung.

Wie Sie bereits wissen, haben wir Sie in unser Portal aufgenommen: In der Kategorie „Anmeldung und Aufenthalt“ und „Einbürgerung und Eheschließung“ sowie „Rechtliche Beratung“ finden Ratsuchende den Kontakt zu Ihrem Angebot.

https://amka.de/wegweiser/anmeldung-aufenthalt

https://amka.de/wegweiser/einbuergerung-eheschliessung 

https://amka.de/wegweiser/rechtliche-beratung 

Die finanzielle Situation pflegender Angehöriger in Deutschland ist zunehmend in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt, dabei wird insbesondere das erhöhte Armutsrisiko informell Pflegender kritisch diskutiert. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass die Bedeutung informeller Pflege weiter steigen wird. Der demographische Wandel erhöht die Nachfrage nach informeller Pflege, während durch eine höhere Frauenerwerbstätigkeit und Anhebungen des Renteneintrittsalters immer mehr Menschen Beruf und Pflegetätigkeit vereinen müssen. Oft ist diese Vereinbarkeit schwierig und geht mit einem reduzierten Erwerbseinkommen einher. Bislang gibt es noch keine geregelte monetäre Entschädigung informell Pflegender, Diskussionen über mögliche Lohnersatzleistungen stehen aber seit einigen Jahren auf der politischen Agenda. […]

Das Gutachten können Sie hier herunterladen: Verteilungswirkungen von finanziellen Unterstützungsmodellen für pflegende Angehörige (diw.de)

Mit dem „Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter“ (Ganztagsförderungsgesetz – GaFöG) wird ab dem 1. August 2026 stufenweise ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für alle Kinder im Grundschulalter eingeführt und der hierfür erforderliche Infrastrukturausbau unterstützt. Das GaFöG ist demnach Grundlage für den quantitativen wie auch qualitativen Ausbau von ganztägigen Bildungsangeboten.

Die AWO möchte vor dem Hintergrund des im Koalitionsvertrag benannten Ziels zur Entwicklung eines Qualitätsrahmens zur Diskussion um die Ausrichtung des gelingenden Ausbaus von Angeboten zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter beitragen, indem die Perspektive der Kinder als ein maßgebliches Kriterium für einen guten Ganztag fokussiert wird.

Im Anschluss an das ausdrückliche Ziel der Bundesregierung, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern und die Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention als Orientierungsrahmen zu verstehen, argumentiert die AWO für verbindliche Qualitätsdimensionen beim Ausbau von Angeboten der Ganztagsförderung für Grundschulkinder. Das Ziel des GaFöG, mehr Chancengerechtigkeit und eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wird nur erreicht, wenn alle Kinder in diesem Land gleichermaßen die Chance zur Teilhabe an qualitativ hochwertigen Angeboten ganztägiger Förderung erhalten.  

Die Forderung ist auf AWO.org erreich- und teilbar.

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ZFF-Info 16/2022

AUS DEM ZFF

In diesen Tagen wird der Koalitionsvertrag der Ampelparteien ein Jahr alt. Das Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) hat von Anfang an die familien- und gleichstellungspolitischen Pläne der Ampelparteien begrüßt. Nach einem Jahr ziehen wir aber eine ernüchternde Bilanz: Viele der angekündigten Vorhaben sind auf Grund von Finanzierungsvorbehalten steckengeblieben oder verschoben worden. Der erhoffte Aufbruch lässt daher noch auf sich warten.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Kinder, Jugendliche und ihre Familien brauchen gerade jetzt Unterstützung: Neben der andauernden Coronakrise hat sich – ausgehend vom Krieg Russlands gegen die Ukraine – eine Wirtschaftskrise entwickelt, die mit enorm hohen Energiekosten Familien zusätzlich belastet. Zwar wurde der Kinder-Sofortzuschlag eingeführt sowie eine Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags beschlossen. Diese Leistungen reichen aber bei Weitem nicht, denn sie gleichen noch nicht einmal die Inflation aus. Es ist daher an der Zeit, Familien, Kinder und Jugendliche mit ihren Sorgen und Ängsten ernst zu nehmen und die angekündigten Vorhaben umfassend und zügig umzusetzen.“

Altenkamp ergänzt: „Familien warten derzeit aber vergebens auf die Umsetzung vieler familien- und gleichstellungspolitischen Impulse der Ampelkoalition: Die Kindergrundsicherung, eigentlich für 2023 geplant, verzögert sich aus Gründen des Finanzierungsvorbehaltes und wird voraussichtlich nicht existenzsichernd ausgestaltet. Hier vermissen wir zusätzlich den politischen Willen, das kindliche Existenzminimum bedarfsgerecht auszugestalten. Ebenfalls werden gute und sinnvolle Maßnahmen wie das Startchancenprogramm zu langsam angegangen. Auch Vorhaben, die zu einer gerechten Absicherung der Sorgearbeit im Lebensverlauf beitragen – von der Freistellung des zweiten Elternteils nach der Geburt bis hin zu Instrumenten zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf –  lassen auf sich warten.

Das entspricht nicht den selbst gesteckten Zielen der Ampelkoalition, Familien  vermehrt aus der Armut zu holen, Partnerschaftlichkeit zu stärken und der Vielfalt der Familie mehr Zeit und Anerkennung zu ermöglichen. Wir fordern daher ein zügiges Umdenken und eine Prioritätensetzung hin zu mehr Umverteilung und sozialer Gerechtigkeit!“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 07.12.2022

Die Mitgliedsorganisationen des Bündnisses Sorgearbeit fair teilen fordern, die im Koalitionsvertrag verankerten Maßnahmen zur Verringerung der Sorgelücke zügig umzusetzen und die Finanzierung hierfür sicherzustellen. 

Das ZFF ist einer von 26 Mitgliedsverbänden des zivilgesellschaftlichen Bündnisses Sorgearbeit fair teilen. Das Bündnis setzt sich für die geschlechtergerechte Verteilung unbezahlter Sorgearbeit im Lebensverlauf ein. Seine Mitgliedsverbände haben sich zum Ziel gesetzt, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft für den Gender Care Gap und seine Auswirkungen zu sensibilisieren und sich für die Schließung der Sorgelücke einzusetzen.

Die Pressemitteilung des Bündnisses finden Sie hier.

Den Offenen Brief des Bündnisses finden Sie unter: https://www.sorgearbeit-fair-teilen.de/wp-content/uploads/2022/12/BSFT-Offener-Brief-Partnerschaftlichkeitspaket.pdf

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e.V. vom 06.12.2022

Der Monitor #Jugendarmut 2022 ist erschienen: Über 4 Millionen Kinder und Jugendliche sind derzeit von bedroht und erleben täglich, was es heißt, abgehängt zu sein vom Rest der Gesellschaft. Das Interview mit dem ZFF-Geschäftsführer Alexander Nöhring finden Sie hier: Interview Noehring – Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e.V.

SCHWERPUNKT I: Kompromiss Bürger*innengeld

Der Vermittlungsausschuss hat am Mittwochabend über den Beschlussvorschlag zum Bürgergeld entschieden. Der gefundene Kompromiss erhält den Kern der Reform. Denn Bürgergeld heißt: Respekt vor Lebensleistung und ein Umgang auf Augenhöhe.

„Dem Vermittlungsausschuss wurde am Mittwoch ein Kompromiss zur Bürgergeldreform vorgelegt, den die Ampel und Unionsparteien erarbeitet haben. Diese Einigung ebnet den Weg für die Zustimmung im Bundesrat. Das ist ein Erfolg, denn der Kern unseres Gesetzentwurfes bleibt dabei erhalten. Die Kompromisse bei Karenzzeit und Schonvermögen, die für die Einigung nötig waren, beschneiden nicht den grundlegenden Kulturwandel, den das Bürgergeld bedeutet.

Es bleibt dabei: Das Bürgergeld ist die größte Sozialreform seit Jahrzehnten. Diese wichtigen, zentralen Säulen des Bürgergelds werden ab dem 1. Januar zum Tragen kommen:

Mehr Fördern und Fordern: Wer von Beginn an mitwirkt, wird nicht mit Sanktionen bedroht. Gleichzeitig bauen wir die individuelle und passgenaue Unterstützung aus, zum Beispiel durch das Entfristen des sozialen Arbeitsmarkts, aufsuchende Beratungsangebote, Weiterbildungsgeld, Coaching und Bürgergeldbonus.

Mehr Nachhaltigkeit: Der Vermittlungsvorrang wird abgeschafft – für eine nachhaltige Vermittlung in passende Jobs, statt eine schnelle Vermittlung in irgendeinen Job.

Mehr Leistungsgerechtigkeit: Die Zuverdienstmöglichkeiten für junge Leute werden verbessert, sodass sie früh die Erfahrung machen können, dass sich Arbeit lohnt.

Mehr Geld: Der Regelsatz wird um 53 Euro im Monat erhöht.

Weniger Bürokratie: Wir entlasten die Jobcenter von Rückforderungen und Kontrollen, stattdessen gibt es mehr Kapazitäten für Vermittlung und Betreuung.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 24.11.2022

Das Bürgergeld-Gesetz (20/3873) der Bundesregierung, das der Bundestag am 10. November beschlossen hat, ist durch den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat in einigen Punkten geändert worden.

Die nun vorliegende Beschlussempfehlung (20/4600) des Vermittlungsausschusses sieht unter anderem folgende Änderungen beim Bürgergeld vor: Die sechsmonatige, weitgehend sanktionsfreie Vertrauenszeit zu Beginn des Bürgergeld-Bezugs fällt weg. Statt nur um zehn Prozent sollen die Regelleistungen von Beginn an in Stufen um bis zu 30 Prozent gekürzt werden können. Die bisherige Karenzzeit von zwei Jahren wird auf ein Jahr verkürzt. In dieser Zeit soll die Angemessenheit der Wohnung und des Vermögens nicht geprüft werden. Das Schonvermögen bleibt künftig nur noch bis zu 40.000 Euro (statt 60.000 Euro) vor Anrechnung geschützt. Alle weiteren Haushaltsmitglieder dürfen mit 15.000 Euro nur noch halb so viel behalten wie ursprünglich geplant.

Die Anrufung des Vermittlungsausschusses war nötig geworden, nachdem das zustimmungspflichtige Gesetz am Widerstand der unionsgeführten Bundesländer im Bundesrat gescheitert war.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 685 vom 24.11.2022

Die Nationale Armutskonferenz (nak) stellt fest, dass mit der Blockade des Bürgergeldes im Bundesrat und dem anschließenden Kompromiss zum Bürgergeld wieder Kontrolle von Armen statt Bekämpfung von Armut ins Zentrum der Sozialpolitik gerückt wurden.

„Im Bürgergeld-Entwurf gab es erste zarte Ansätze, Sanktionen deutlich abzumildern, Beratung menschenfreundlicher zu gestalten und umfassendere Hilfen zu verwirklichen“, fasst Carmen Mauerer vom Koordinierungskreis der Nationalen Armutskonferenz zusammen. „Diese Ansätze sind noch zarter geworden. Die harte Diskriminierung und Brandmarkung von sozial Ausgegrenzten, die besonders unter der gegenwärtigen Krise leiden, ist dagegen in den Vordergrund geraten“. Darüber hinaus lägen die Regelsätze weiterhin deutlich unter dem tatsächlichen Existenzminimum und die Erhöhung zum 1. Januar gleiche nicht einmal die Inflation voll aus.

Starke Kritik an dieser Entwicklung gibt es von den Teilnehmenden des „Treffens der Menschen mit Armutserfahrung“, das die nak regelmäßig ausrichtet: „Es entsetzt uns Menschen mit Armutserfahrung, wie mit einer menschenfeindlichen Desinformationskampagne der Opposition mögliche Fortschritte innerhalb des Bürgergeldes verhindert werden sollten. Stattdessen muss die personelle und fachliche Überlastung, sowie die schlechte Erreichbarkeit der Jobcenter endlich als gesellschaftliches Problem wahrgenommen und gelöst werden“, so Kay Raasch aus Freiburg.

Er betont: „Jetzt muss die Debatte darüber geführt werden, wie die Jobcenter die kommenden Aufgaben menschengerecht und lebensnah erfüllen sollen und die Menschen das Lebensnotwendige bekommen, statt auf die Warteschlangen vor den Tafeln verwiesen zu werden.“ Auch die Finanzierung hierfür müsse sichergestellt werden.

Antonie Krause aus Kiel kritisiert: „Die Konzentration auf Sanktionen soll einen substantiellen Wandel verhindern. Es droht ein Etikettenwechsel statt des angekündigten Kulturwandels. Dieses Anprangern von in Armut Lebenden statt von Armut ist respektlos. Wir vermissen einen kritischen Umgang der Medien mit diesen Kampagnen. Regelmäßig wurden und werden bewusst Falschinformationen über in bitterer Armut Lebende verbreitet, die mit der Realität von Menschen, welche um ihre Existenz kämpfen, nichts zu tun haben.“

Monja Ben Messaoud aus dem Bundesland Baden-Württemberg, fasst diese Entwicklung wie folgt zusammen: „Bevormundung und Paternalismus werden mit dem Bürgergeld nicht überwunden. Diese Haltung verhindert, dass Leistungsberechtigte eigenständig eine Perspektive für ein Heraustreten aus der Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung entwickeln können. Die Politik muss sich endlich ernsthaft mit der Überwindung von Armut auseinandersetzen, statt ideologische Debatten auf dem Rücken der Betroffenen zu führen.“

Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz (nak) vom 24.11.2022

SCHWERPUNKT II: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

Bundesministerinnen Lisa Paus und Nancy Faeser stellen Auswertung der Polizei-Statistik für 2021 vor

Während die Anzahl der Opfer von Gewalt in Partnerschaften von 2020 auf 2021 um drei Prozent gesunken ist, stieg sie in den vergangenen fünf Jahren insgesamt um 3,4 Prozent, von 138.893 in 2017 auf 143.604 im vergangenen Jahr. Ganz überwiegend trifft diese Gewalt Frauen, während die Täter meist Männer sind: 2021 waren 80,3 Prozent der Opfer weiblich, 78,8 Prozent der Tatverdächtigen waren männlich. Das zeigt die Kriminalistische Auswertung Partnerschaftsgewalt 2021, die Bundesfrauenministerin Lisa Paus und Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, heute in Berlin vorgestellt haben.

Bundesfrauenministerin Lisa Paus: „Jede Stunde erleiden durchschnittlich 13 Frauen Gewalt in der Partnerschaft. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Expartner eine Frau zu töten. Fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch ihren derzeitigen oder vorherigen Partner. Das ist die Realität. Realität ist auch, dass viele Gewaltopfer Angst haben, sich Hilfe zu holen. Deshalb brauchen wir ein flächendeckendes, niedrigschwelliges Unterstützungsangebot, in der Stadt genauso wie auf dem Land. Ich kämpfe dafür, die Lücken im Netz der Frauenhäuser und Beratungsstellen zu schließen. Wir werden eine einheitliche Rechtsgrundlage schaffen, um die Hilfeeinrichtungen verlässlich finanziell absichern zu können. Damit Frauen in Zukunft überall in Deutschland einen sicheren Zufluchtsort und kompetente Beratung und Hilfe finden.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Wir dürfen Gewalt gegen Frauen niemals akzeptieren. Sondern wir müssen ihr entschlossen entgegentreten! Für uns als offenes und demokratisches Land ist die Gleichstellung von Männern und Frauen ein unabdingbarer Teil unseres gesellschaftlichen Wertefundamentes. Wir müssen Gewalt gegen Frauen noch klarer als solche benennen und noch besser erfassen, um sie wirksam bekämpfen zu können. Es darf keinerlei Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen geben. Wenn Männer Frauen töten, weil sie Frauen sind, dann ist es angemessen und auch notwendig, von „Femizid“ zu sprechen. Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben, egal ob psychische oder physische, sind Straftäter. Straftäter, die wir mit aller Härte verfolgen. Denn was sie tun, ist abscheulich und steht unseren gesellschaftlichen Grundwerten fundamental entgegen.“

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch: „Der Begriff Partnerschaftsgewalt umfasst sowohl psychische als auch physische Gewalttaten – bis hin zu Tötungsdelikten. Auch wenn wir mit -2,5% der Fälle in 2021 einen leichten Rückgang verzeichnen, zeigt die Tendenz bei den registrierten Fallzahlen in diesem Kriminalitätsbereich in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach oben. Zudem werden viele dieser Taten, denen inmitten unserer Gesellschaft tagtäglich weit überwiegend Frauen zum Opfer fallen, nach wie vor nicht bei der Polizei gemeldet. Für das BKA ist es daher eine Kernaufgabe, das Dunkelfeld weiter auszuleuchten und mit entsprechender Forschung Informationen zur Verbreitung, Risikofaktoren, dem Anzeigeverhalten sowie der Nutzung von Hilfs- und Unterstützungsangeboten zu generieren. Denn nur auf Grundlage einer soliden Datenbasis lassen sich wirkungsvolle Bekämpfungs- und Präventionskonzepte erarbeiten. Darüber hinaus gilt: Hinsehen statt wegschauen! Sowohl die Beratungsstellen als auch die Polizei sind für Sie da. Jede Anzeige eines solchen Delikts – durch Betroffene selbst, aber auch durch Zeuginnen und Zeugen – trägt dazu bei, die Täter zur Verantwortung zu ziehen.“

Kernaussagen zur Partnerschaftsgewalt 2021:

(in Klammern die Angaben für 2020;)

  • 143.016 Fälle von Gewalt in Partnerschaften (146.655)
  • 143.604 Opfer (148.031), davon 80,3 % weiblich (115.342), 19,7 % männlich (28.262)

Art der Delikte:

  • 59,6 % vorsätzliche einfache Körperverletzung
  • 24,2 % Bedrohung, Stalking, Nötigung
  • 12,2 % gefährliche Körperverletzung
  • 2,5 % Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexuelle Übergriffe
  • 0,3 % Mord und Totschlag
  • 1,3 % andere Delikte

Die Polizeiliche Kriminalstatistik registriert die Straftaten nicht nach der Tatzeit, sondern zum Zeitpunkt der Abgabe an die Staatsanwaltschaft.

2021 wurden insgesamt 369 Personen als Opfer von versuchtem und vollendeten Mord und Totschlag (0,3 %) erfasst. Die Anzahl der Opfer bei vollendetem Mord und Totschlag lag bei 121, davon 109 weibliche und 12 männliche. Hinzu kommen vier Fälle von Körperverletzung mit Todesfolge durch Partnerschaftsgewalt bei Frauen und zwei Fälle bei Männern. Damit sind 113 Frauen und 14 Männer Opfer von Partnerschaftsgewalt mit tödlichem Ausgang geworden.

Trotz Pandemie und Corona-Schutzmaßnahmen ergab sich auch 2021 kein signifikanter Anstieg der Fälle von Partnerschaftsgewalt: Insgesamt wurden 139.327 Fälle von Partnerschaftsgewalt mit Tatzeit innerhalb des Jahres 2021 registriert. Das entspricht einem Anstieg von 0,6 % verglichen mit dem Vorjahr. Möglicherweise hat die Situation während der Pandemie das Anzeigeverhalten von Opfern und die Möglichkeiten zur Aufdeckung durch Dritte beeinflusst. Daher könnte sich das tatsächliche Ausmaß von Partnerschaftsgewalt vergrößert haben, ohne von der Polizei registriert zu werden. Darauf deuten die Auswertungen des bundesweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ hin. Diese zeigen, dass die Zahl der Beratungskontakte in den Corona-Lockdowns zugenommen hat: 2021 wurden mehr als 54.000 Beratungen dokumentiert, rund fünf Prozent mehr als im Vorjahr.

Um einen besseren Einblick in das sogenannte Dunkelfeld zu erhalten, führen das Bundesinnenministerium und das Bundesfrauenministerium gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt eine repräsentative Befragung zu Gewalterfahrungen durch, die nicht der Polizei gemeldet wurden. Die Studie soll helfen, Kenntnisse über das Dunkelfeld bei häuslicher Gewalt und sexualisierter Gewalt zu sammeln, um Hilfsangebote und Opferschutzangebote zielgenau ausbauen zu können.

Weitere Informationen unter: www.bka.de/lesubia  

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet Frauen unter der Nummer 08000 116 016 rund um die Uhr kostenlose und anonyme Beratung in 18 Sprachen an. Weitere Informationen unter www.hilfetelefon.de  

Die Kriminalistische Auswertung Partnerschaftsgewalt 2021 des Bundeskriminalamtes finden Sie hier: https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilder/Partnerschaftsgewalt/partnerschaftsgewalt_node.html

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 25.11.2022

Am 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Auch im 21. Jahrhundert gehört geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen zur bitteren Realität. Weltweit, auch in Deutschland. Die SPD-Bundestagsfraktion macht sich dafür stark, dass sich das ändert – für ein gewaltfreies Leben für Frauen.

Leni Breymaier, frauenpolitische Sprecherin:

„Seit Wochen gehen Frauen und Männer im Iran auf die Straße, um für Freiheit und Frauenrechte zu kämpfen. Das brutale Vorgehen des iranischen Regimes gegen Demonstrierende verurteilen wir aufs Schärfste und stehen solidarisch an der Seite derjenigen, die mit ihrem unfassbaren Mut für eine freie Gesellschaft kämpfen.

Für die SPD-Fraktion hat der Kampf gegen Gewalt an Frauen höchste Priorität. Wir setzen uns für eine ressortübergreifende Strategie gegen Gewalt ein. Dabei wollen wir besonders die Gewaltprävention und Rechte der Betroffenen in den Fokus nehmen. Als wichtigstes völkerrechtliches Instrument im Kampf gegen Gewalt an Frauen werden wir die Istanbul-Konvention mit einer staatlichen Koordinierungsstelle vollständig umsetzen. Gewalt gegen Frauen ist menschenverachtend. Daher werden wir das Strafrecht konkretisieren und geschlechtsspezifische Tatmotive ausdrücklich in die Liste menschenverachtender Tatmotive aufnehmen. Ist eine Straftat durch das Geschlecht des Opfers motiviert, soll dies zu einer Verschärfung der Strafe führen.“

Ariane Fäscher, zuständige Berichterstatterin:

„Gewaltbetroffene Frauen brauchen verlässlichen Schutz. Das Recht darauf werden wir für jede Frau und ihre Kinder absichern. Mit dem Bundesförderprogramm ‚Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen‘ fördern wir bereits erfolgreich den bundesweiten Ausbau von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen. Wir werden einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellen und das Hilfesystem bedarfsgerecht ausbauen. Künftig ist eine Bundesbeteiligung an der Regelfinanzierung vorgesehen.

Unser Koalitionsvertrag ist auch ein Vertrag für ein gewaltfreies Leben für Frauen. Die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt sowie der Schutz und die Unterstützung der Betroffenen müssen immer ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Dafür machen wir uns stark.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 24.11.2022

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik, und Denise Loop, Obfrau im Familienausschuss:

Gewalt gegen Frauen ist Alltag, auch in Deutschland. Als Ampelregierung gehen wir deshalb Gewalt gegen Frauen gezielt und vorrangig an: Wir setzen die Istanbul-Konvention vorbehaltlos um, richten dafür eine Koordinierungsstelle im Ministerium ein und stärken effektiv die Programme gegen Gewaltschutz. Damit endlich alle Frauen und Mädchen in Deutschland ein Leben frei von Gewalt führen können.

Das heißt konkret, dass wir als Ampelregierung die unabhängige Berichterstattungsstelle zu geschlechtsspezifischer Gewalt am Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) eingerichtet haben. Sie dient zur langfristigen Beobachtung, Datenerfassung und Bewertung des Umsetzungsstands der Istanbul-Konvention in Deutschland. Weiterhin wird die Koordinierungsstelle im Bundesfamilienministerium eingerichtet, um den Umsetzungsprozess der Istanbul-Konvention effektiv und ressortübergreifend zu koordinieren.

Dass geschlechtsspezifische Gewalt ein strukturelles Problem ist, zeigt auch die aktuelle Kriminalstatistik zu Partnerschaftsgewalt: Frauen erfahren Gewalt, weil sie Frauen sind. Geschlechtsspezifische Gewalt betrifft Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten und kann viele unterschiedliche Formen annehmen – es gibt digitale, psychische, sexualisierte und körperliche Gewalt, die separat oder gleichzeitig auftreten können.

Besonders gefährlich ist für Frauen das eigene Zuhause. Mehr als die Hälfte der gewaltbetroffenen Frauen lebt mit der gewaltausübenden Person, meist dem männlichen Partner, in einem Haushalt. Gewalterfahrungen werden häufig aus Scham verschwiegen, aber auch deswegen, weil Frauen von den Tätern finanziell oder anderweitig abhängig sind.

Die Vorgängerregierung hatte vor vier Jahren Vorbehalte gegen Artikel 44 und Artikel 59 der Istanbul-Konvention eingelegt, die u.a. die Situation von Frauen und Mädchen ohne eigenen Aufenthaltstitel betreffen. Diese Vorbehalte haben wir aufgehoben, damit gilt die Istanbul-Konvention ab Februar 2023 in Deutschland uneingeschränkt. Denn jede Frau und jedes Mädchen hat ein Recht auf ein Leben frei von Gewalt, unabhängig von Aufenthaltsstatus, Einkommen, sexueller Orientierung oder Religion.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im deutschen Bundestag vom 25.11.2022

Anlässlich der Vorstellung der Kriminalstatistischen Auswertung von Partnerschaftsgewalt im Jahr 2021 erklären Dr. Irene Mihalic, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin und Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik:

Dr. Irene Mihalic:
Fast ein Fünftel der in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik erfassten Opfer sind Opfer von Gewalt in Partnerschaften. Ganz überwiegend sind Frauen von dieser Gewalt betroffen. Erschreckend ist, dass 60 Prozent der festgestellten Gewalttaten in bestehenden Ehe- und Lebenspartnerschaften stattfindet. Das eigene Zuhause ist für die betroffenen Personen damit kein sicherer Ort.

Auch wenn sich auf Grundlage dieser Daten kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Pandemie und der Entwicklung der Fallzahlen feststellen lässt, ist zu vermuten, dass sich die Situation für viele Frauen und von Partnerschaftsgewalt betroffene Menschen weiter verschärft hat. Die Möglichkeiten für Betroffene, der Gewalt im eigenen Hause zu entgehen und sie zu melden, waren womöglich stark eingeschränkt. Dunkelfeldforschung spielt daher eine wichtige Rolle und muss noch weiter ausgebaut werden. Der im Koalitionsvertrag verankerte Periodische Sicherheitsbericht ist daher ein wichtiger Schritt, um das Dunkelfeld im Bereich der Partnerschaftsgewalt weiter aufzuhellen.“

Ulle Schauws:
„Gewalt gegen Frauen ist noch immer Alltagsrealität in Deutschland. Innerhalb einer Partnerschaft erfahren jede Stunde im Durchschnitt 13 Frauen Gewalt, alle drei Tage stirbt eine Frau durch die Hand ihres gewalttätigen, meist männlichen (Ex-)Partners. Laut der aktuellen Kriminalstatistik sind die Gewaltausübungen in über 39 Prozent der polizeilich registrierten Fälle ehemalige Partner oder Partnerinnen, gut ein Drittel erfährt Gewalt in bestehenden Eheverhältnissen. In sehr geringerem Maße findet in nichtehelichen Lebensgemeinschaften Gewalt statt.

Die aktuelle Kriminalstatistik bestätigt, dass dabei immer noch knapp 80 Prozent der Gewaltausübenden Männer sind. Das zeigt: Wir haben immer noch ein extremes und strukturelles Problem in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt, was endlich effektiv bekämpft werden muss. Gewaltprävention und Schutz vor Gewalt für alle Betroffenen muss umfangreich abgesichert werden. Im Koalitionsvertrag haben wir festgeschrieben, dass die Finanzierung von Frauenhäusern auch unter Beteiligung des Bundes sichergestellt werden soll. Das Recht auf Schutz vor Gewalt gilt für jede Betroffene und ihre Kinder.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 24.11.2022

Zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen erklärt die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Nicole Bauer:

 „Häusliche Gewalt und jegliche Form geschlechterspezifischer Gewalt haben in unserer Gesellschaft keinen Platz und dürfen niemals toleriert werden. Menschen, die Gewalt erleben, müssen sich unserer Unterstützung sicher sein. Wir fordern daher, die Istanbul-Konvention in Deutschland so schnell wie möglich umfassend umzusetzen. Dazu gehören eine bessere Finanzierung der Frauenhäuser, verstärkte Präventions- und Täterarbeit, die bessere Koordination der verschiedenen Akteure in Bund und Ländern und mehr Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 24.11.2022

Am morgigen Freitag ist der Internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen. Dazu können Sie die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, wie folgt zitieren:

Mehr Respekt für Frauen
Gewalt gegen Frauen passiert nicht nur in fernen Ländern. Sie passiert Frauen in Deutschland jeden Tag. Die neuesten Zahlen zu Partnerschaftsgewalt in Deutschland erschrecken. Die Bundesinnenministerin und die Bundesfamilienministerin konstatieren dazu aber leider nicht viel mehr als Selbstverständlichkeiten. Mehr Unterstützungsangebote, sichere Zufluchtsorte und Beratung sind nötig. Wo all dies fehlt, gerade in ländlichen Regionen, muss nachgesteuert werden. Absichtserklärungen reichen nicht, Frau Paus muss endlich handeln.

Hintergrund:
Die neuen BKA-Zahlen zu Partnerschaftsgewalt in Deutschland  finden Sie hier:
https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilder/Partnerschaftsgewalt/partnerschaftsgewalt_node.html

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 24.11.2022

„Viel zu lange hat die Regierung beim Gewaltschutz von Frauen und Mädchen einfach nur weggeschaut. Und noch immer gibt es keine ausreichenden Daten und auch keine umfassende Gewaltschutzstrategie, die alle Formen von Gewalt und die unterschiedlichen Lebensbedingungen von Frauen umfasst, wie z. B.  von Frauen mit Behinderungen“, erklärt Heidi Reichinnek, frauenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE, anlässlich des Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November. Reichinnek weiter:

„Frauen mit Behinderungen erfahren zwei- bis dreimal häufiger Gewalt, doppelt so häufig psychische und körperliche Gewalt und bis zu dreimal häufiger sexualisierte Gewalt. Und was unternimmt die Bundesregierung? Anstatt das Gewaltschutzsystem barrierefrei auszubauen, kürzt sie die Mittel zum Aus- und Umbau barrierefreier Frauenhäuser radikal um über 30 Prozent. Gewaltschutz sieht anders aus!

Ein Bericht von GREVIO, einer Expertinnen-Kommission des Europarates zur Umsetzung der Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt) hat kürzlich einmal mehr deutlich gemacht: Die Gewaltbetroffenheit von Frauen in Deutschland ist verheerend und das Fehlen einer Gesamtstrategie, um Gewalt gegen Frauen wirksam zu bekämpfen, katastrophal.

Auch deshalb haben wir diese Woche den Antrag „Istanbul-Konvention vorbehaltlos umsetzen“ in den Bundestag eingebracht, in dem wir fordern, dass die Bundesregierung unverzüglich einen Gesetzentwurf vorlegt, der entsprechend der Istanbul-Konvention die Anzahl der Beratungsstellen und Frauenhausplätze erhöht und deren bundesweit einheitlich Finanzierung garantiert.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 24.11.2022

Den heutigen internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen nimmt der AWO Bundesverband zum Anlass, um Leerstellen bei Schutz und Hilfe in Deutschland anzuprangern und Lösungen einzufordern. Dazu erklärt Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes: „Es gibt nach wie vor keine bundesweite Gesamtstrategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention mit beispielsweise zentralen Definitionen von Gewalt gegen Frauen, häuslicher Gewalt und Zielen z .B. von Prävention, es gibt keine systematische und geschlechtersensible Risikobewertung plus standardisiertem Sicherheitsmanagement, es fehlen auch Datenerfassungen und Statistiken zum Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt und Vieles mehr. Die Bundesrepublik hat sich dazu aber mit Ratifizierung der Istanbul-Konvention verpflichtet. Es ist ein Skandal, dass die Umsetzung derart stagniert.“

Im kürzlich veröffentlichten Bericht des unabhängigen Menschenrechtsüberwachungsgremiums GREVIO, dass die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (die sogenannte Istanbul-Konvention) überwacht, werden weitere gravierende Lücken im Gewaltschutz identifiziert und deren Beseitigung angemahnt. So wird gefordert, die Zahl verfügbarer, erreichbarer und barrierefreier spezialisierter Schutzräume für Frauen und Kinder zu erhöhen.

„Für Frauen mit vielen Kindern oder älteren jugendlichen Söhnen, für Frauen mit Behinderungen oder Frauen mit unsicherem Aufenthaltsstatus gibt es nach wie vor große Zugangsbarrieren. Komplexe Finanzierungsanforderungen für den Aufenthalt in einem Frauenhaus oder Wohnsitzauflagen sind weitere Hürden, die den Zugang zu Schutz und Hilfe erschweren und teils ganz versperren“, so Selvi Naidu, „Für gewaltbetroffene Frauen bedeutet dies oft, entweder beim gewaltausübenden Partner zu bleiben, in provisorischen Unterkünften unterzukommen oder obdachlos zu werden. Jeder Tag, an dem die Politik tatenlos bleibt, bringt Frauen und Kinder in Lebensgefahr. Der GREVIO-Bericht befeuert hoffentlich die Umsetzungsanstrengungen zur Istanbul-Konvention auf Bundesebene.“

Der AWO als Trägerin von Frauenhäusern, Fachberatungsstellen gegen häusliche Gewalt und Interventionsstellen ist die bundesweite finanzielle Absicherung der Hilfeinfrastruktur ein prioritäres Anliegen, damit gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder genau den Schutz und die Hilfe und Beratung erhalten, die sie brauchen. Naidu: „Wenn der Runde Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ von Bund, Ländern und Kommunen am 29.11.2022 zusammenkommt, dann erwarten wir, dass sehr zügig ein Entwurf für einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für die verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsangeboten für gewaltbetroffene Frauen vorgelegt wird. Es dürfen hier keine weiteren Jahre ungenutzt verstreichen.“

Die AWO als Teil des bundesweiten Gewaltschutznetzes für Frauen und deren mitbetroffene Kinder bietet in mehr als 40 Frauenhäusern und Schutzwohnungen sowie in Fachberatungs- und Interventionsstellen Beratung, Notfallhilfe und Schutz an.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 25.11.2022

Orangefarbene Bank und schwarze Kleidung: Brot für die Welt und Diakonie Deutschland demonstrieren gegen geschlechtsspezifische Gewalt

An einem „Thursday in Black“ greifen Brot für die Welt und Diakonie Deutschland heute das Thema geschlechterspezifischer Gewalt auf. Anlässlich des morgigen Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, der europaweit seit 1991 mit dem Anstrahlen zentraler Gebäude in der Farbe orange begangen wird, setzen Dagmar Pruin, Präsidentin Brot für die Welt, und Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik Diakonie Deutschland, in schwarz gekleidet auf einer orangefarbenen Bank ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen. Dabei blicken beide in diesem Jahr besonders in Richtung Iran: „Mit unserer Arbeit leisten wir einen wichtigen Beitrag beim Kampf gegen Gewalt gegen Frauen. Mit der orangen Bank setzen wir auch optisch ein Zeichen, Gewalt gegen Frauen nicht zu tolerieren,“ erklären Pruin und Loheide.

In diesen drei Bereichen tritt Gewalt gegen Frauen besonders stark auf: sexualisierte Gewalt in Kriegssituationen, sexualisierte Gewalt im Netz und Gewalt in den eigenen vier Wänden. „Gewalt gegen Frauen ist leider nach wie vor ein großes Thema. Vor allem in autoritären Regimen, aber auch im Nahen und Mittleren Osten oder in Nordafrika gibt es kaum Rechtsnormen, die Frauen vor Gewalt schützen“, sagt Brot für die Welt-Präsidentin Pruin. Die Hilfsorganisation unterstützt Frauen weltweit in ihrem Kampf und fördert Projekte, die mit Aufklärung gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen vorbeugen. „Die Rechte von Frauen und Mädchen dürfen nicht durch so ein brutales Vorgehen gegen die eigene Bevölkerung wie in Iran beschnitten werden. Aber auch der alltäglichen Unterdrückung von Frauen durch Kleidervorschriften sowie die Ahndung von Verstößen schauen wir nicht tatenlos zu. Wir unterstützen beispielsweise im Stipendienprogramm für geflüchtete Frauen derzeit zwei Stipendiatinnen, die schon vor einger Zeit aus dem Iran geflohen sind, weil sie sich für mehr Frauenrechte eingesetzt haben“, erklärt Pruin. Sie fordert die Bundesregierung auf, weltweit – und derzeit besonders in Iran – die politischen und gesellschaftlichen Anstrengungen zur Gleichberechtigung zu fördern. Denn Gewalt gegen Frauen sei Ausdruck historisch verwurzelter patriarchalischer Geschlechter- und Machtverhältnisse, untergrabe die Autonomie von Frauen und verhindere ihre gesellschaftliche Teilhabe.

Auslöser für die Massenproteste in Iran war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im September. Die Proteste halten an und das Mullah-Regime bringt nach wie vor Demonstrant:innen vor Gericht.

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in allen Kulturen und Gesellschaftsschichten präsent. Auch hierzulande gehört Gewalt für viele Frauen zum Alltag. Allein 2021 waren laut der heute vorgestellten Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes über 80 Prozent der Opfer von häuslicher Gewalt in Deutschland Frauen. In den Deliktsbereichen Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, bei der Freiheitsberaubung oder im Bereich Bedrohung, Stalking, Nötigung ist der prozentuale Anteil weiblicher Opfer an allen Opfern von Partnerschaftsgewalt besonders hoch. „Wir wollen mit der Bank Frauen ermutigen, Gewalt nicht hinzunehmen und zu tolerieren, sich ihr zu widersetzen und die zahlreichen Hilfsangebote wie Frauenhäuser oder Hilfetelefone zu nutzen“, erklärt Diakonie-Vorständin Maria Loheide. „Wir wünschen uns, dass viele – Frauen wie Männer, Organisationen und Initiativen – es uns gleichtun und ein deutliches, öffentliches Statement gegen Gewalt gegen Frauen setzen“, sagt Loheide und ruft dazu auf, ein Foto auf der orangen Bank gegen Gewalt an Frauen in den sozialen Medien zu posten, Brot für die Welt und Diakonie Deutschland zu markieren sowie die Hashtags #Stopp Gewalt und #OrangeTheWorld zu nutzen.

Die orange Bank steht ab dem 25.11.2022 in der Caroline-Michaelis-Straße 1.

Kostenfreies Pressefoto zum Download: Dagmar Pruin (links) und Maria Loheide https://diakonie.canto.global/b/J9PLV

Hintergrund:

Der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen ist ein jährlich am 25. November stattfindender Gedenk- und Aktionstag zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen. Er wird am Todestag der drei Schwestern Mirabal begangen, die sich in der Dominikanischen Republik gegen die Diktatur unter Rafael Trujillo wehrten und deshalb am 25. November 1960 brutal ermordet wurden.

Die Kampagne „Orange the World“ wurde von UN Women 1991 ins Leben gerufen. Seitdem werden europaweit am 25. November Gebäude in orange angestrahlt oder es finden Aktionen unter diesem Motto statt, bei denen die Farbe orange im Fokus steht. Denn: Gewalt gegen Frauen ist eine der am weitesten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen. In diesem Jahr wird aufgrund der steigenden Energiekosten vom Anstrahlen der Gebäude Abstand genommen. Alternative Ideen, wie die orangene Bank vor unserem Haus, stehen im Fokus.

Die globale ökumenische Kampagne „Thursdays in Black“ des Weltkirchenrates, die gegen Vergewaltigung und Gewalt mobilisieren will, entstand aus der Dekade der Kirchen in Solidarität mit den Frauen (1988-1998). Bis heute tragen Leute donnerstags weltweit schwarze Kleidung, um regelmäßig auf geschlechtsspezifische Gewalt aufmerksam zu machen. Das Tragen von Schwarz soll symbolisieren, das Thema aus der Dunkelheit ans Licht zu bringen.

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 24.11.2022

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) pocht anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt an Frauen am 25.11.2022 auf Verbesserung des Gewaltschutzes. Gewalt an Frauen kommt in unserer Gesellschaft in verschiedenen Situationen und Formen zum Ausdruck: Ob in der Arbeitswelt, in Paarbeziehungen oder im digitalen Raum. Nährboden hierfür ist ein misogynes Rollenverständnis mit einem Machtgefälle zuungunsten der Frauen. Zuletzt hat der GREVIO-Bericht für Deutschland einmal mehr deutlich gemacht, dass der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt nicht ausreichend ist. An einer gänzlichen Umsetzung der Istanbul-Konvention, die zur Beseitigung von Gewalt an Frauen wesentlich ist, fehlt es noch immer.  Dabei steht für die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes (djb) e.V., Prof. Dr. Maria Wersig, fest: „Wir dürfen uns nicht auf dem ausruhen, was wir bisher erreicht haben, sondern müssen weiterhin die Bedürfnisse aller Frauen beim Schutz vor Gewalt im Blick behalten und dabei insbesondere auch marginalisierte Personengruppen in den Blick nehmen.“

Wesentliche Forderungen des djb in diesem Bereich sind präventive Maßnahmen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie entsprechende Fortbildungen der Strafverfolgungsbehörden. Ein zentraler Bestandteil einer Strategie zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ist zudem mehr Forschung zu diesem Thema. Denn nur auf Grundlage gesicherter empirischer und rechtswissenschaftlicher Erkenntnisse lassen sich die vielfältigen Ausdrucksformen von geschlechtsspezifischer Gewalt vollständig erfassen und effektiv bekämpfen. Der djb veranstaltet daher heute und morgen gemeinsam mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen die Tagung „Gender and Crime – sexuelle Selbstbestimmung und geschlechtsspezifische Gewalt“ um Forschung zum Thema geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt in Deutschland und international sichtbar zu machen und einen Austausch zwischen Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen auch unter Einbeziehung einer interessierten Öffentlichkeit zu ermöglichen. Eine Anmeldung ist weiterhin möglich und die kostenfreie Teilnahme steht allen Interessierten offen.

Wie die Vorsitzende der Strafrechtskommission, Dr. Leonie Steinl, in ihrer Eröffnungsrede zu der Gender and Crime-Tagung heute Morgen festhielt: „Wir müssen die gesellschaftlichen Strukturen, die geschlechtsspezifische Gewalt begünstigen, genau erfassen können, um sie abbauen zu können.“ Für den Abbau dieser Strukturen setzt sich der djb am 25.11 und an jedem anderen Tag des Jahres ein.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb) vom 24.11.2022

eaf weist zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen auf Defizite bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention hin

Die evangelische arbeitsgemeinschaft familie (eaf) macht sich stark für den Schutz und die Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern. „Deshalb haben wir aktiv an den Handlungsempfehlungen des Deutschen Vereins zu diesem Themenfeld mitgearbeitet. Diese verstehen wir als Aufforderung an den Gesetzgeber“, betont Svenja Kraus, Bundesgeschäfts­führerin der eaf und erläutert: „Der Umgang mit beiden Eltern dient in der Regel dem Wohl des Kindes, das ist richtig und steht so im Gesetz. Das Miterleben häuslicher Gewalt aber hat erhebliche negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und ist ein gewichtiger Anhaltspunkt für Kindeswohlgefährdung. Wir wollen Richter:innen darin stärken, sehr kritisch zu prüfen, ob Kinder nach einer Trennung mit einem Vater Umgang haben sollten, der gegenüber der Mutter des Kindes Gewalt ausgeübt hat.“ Kraus‘ Forderung ist deutlich: „Der Schutz des Kindes muss im Vordergrund stehen und nicht die Rechte des Täters. Das wird in der Praxis viel zu oft übersehen.“

Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention (IK) hat Deutschland sich verpflichtet, Vorfälle häuslicher Gewalt bei sorge- und umgangsrechtlichen Entscheidungen zu berücksichtigen. Die Ausübung des Sorge- und Umgangsrechts darf Rechte und Sicherheit des Opfers oder des Kindes laut Artikel 31 der Konvention nicht gefährden. Das ist aus Sicht von GREVIO, einem Exper­tengremium des Europarates, in der deutschen Praxis allerdings nicht ausreichend der Fall.

„Die Antwort der Bundesregierung auf den GREVIO-Report geht auf die angemahnten Defizite bei der Umsetzung von Artikel 31 Istanbul-Konvention aber gar nicht ein“, bemängelt Kraus. „Die in dieser Legislaturperiode anstehende Reform des Kindschaftsrechts muss dringend zur Stärkung des Gewaltschutzes nach Trennung und Scheidung genutzt werden!“

Quelle Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 24.11.2022

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

130 Erstunterzeichnende setzen mit persönlichen Projekten Zeichen der Solidarität mit jungen Menschen in Krisenzeiten

Die rund 22 Millionen Kinder, Jugendlichen und jungen Menschen in Deutschland wachsen in einer von Krisen geprägten Zeit auf. Viele fühlen sich durch die Inflation, den Krieg in der Ukraine, die Folgen der Pandemie und den Klimawandel verunsichert. Zusätzlich verstärkt sich bei jungen Menschen der Eindruck, ihre Bedürfnisse und Anliegen würden von Politik und Gesellschaft nicht ausreichend wahrgenommen.

Bundesjugendministerin Lisa Paus hat deshalb zu einem breiten gesellschaftlichen „Bündnis für die junge Generation“ aufgerufen. Ziel ist es, die Anliegen junger Menschen stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Mehr als 130 Persönlichkeiten aus Medien, Kultur, Wissenschaft und Politik sind der Einladung bereits gefolgt und haben die Gemeinsame Erklärung des Bündnisses unterzeichnet. Heute stellt Lisa Paus gemeinsam mit acht Bündnispartner*innen das Bündnis auf einer Auftaktveranstaltung in Berlin vor.

Bundesministerin Lisa Paus: „Kinder und Jugendliche haben in den vergangenen Jahren zurückgesteckt und große Solidarität mit den Älteren gezeigt. Jetzt ist es an der Zeit, mit den jungen Menschen solidarisch zu sein. Mit dem Bündnis für die junge Generation verschaffen wir Kindern und Jugendlichen Stimme und Gehör. Diese Stimme wird in den kommenden Jahren weiter hörbar sein, damit junge Menschen endlich die Aufmerksamkeit bekommen, die ihnen zusteht. Unsere Gesellschaft braucht die Jugend – ihre Ideen, ihr Engagement und ihre Potenziale. Es ist Zeit, das den jungen Menschen zu zeigen.“

Durch die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung verpflichten sich die Bündnispartner*innen, mit eigenen Projekten dazu beizutragen, das Lebensgefühl und die Situation junger Menschen zu verbessern. Acht der Erstunterzeichnenden sind heute bei der Pressekonferenz dabei: Fiete Aleksander vom Instagram-Kanal „jung genug“, die Musikerin Balbina, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin, Marcel Fratzscher, der Arzt Mazda Adli (Fliedner Klinik Berlin; Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin), Baro Vicenta Ra Gabbert von Climate Clinic e. V., Emilia Fester (Mitglied des Deutschen Bundestages), die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Jutta Allmendinger, sowie die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, Antje Boetius.

Wie alle Bündnispartner*innen hat auch Bundesjugendministerin Lisa Paus eine Selbstverpflichtung formuliert: „Junge Menschen brauchen Zuversicht. Als ihre Anwältin in der Bundespolitik fechte ich ihre Rechte durch. Der Kinderarmut sage ich den Kampf an. Ich lasse die junge Generation mitreden – bei allen Entscheidungen, die sie betreffen.“

Das Bündnis – mehr als eine Kampagne

Nach dem Auftakt werden Gespräche und Veranstaltungen des Bündnisses folgen, die sich über die gesamte Legislaturperiode erstrecken. Dabei wird es um Themen wie Jugend und Medien, Jugend und Wirtschaft sowie Jugend und Gesundheit gehen.

So wird der Abschlussbericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMA) Kindergesundheit im Februar 2023 dem Bundeskabinett vorgelegt. Die IMA beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Pandemie auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Bündnispartner*innen werden noch am gleichen Tag besprechen, wie sie die Umsetzung der Empfehlungen unterstützen können.

Auch an bereits bestehende Formate wie die JugendPolitikTage beim Bundestreffen der Kinder- und Jugendparlamente im Mai 2023 in Berlin will das Bündnis anknüpfen. Dort werden rund tausend junge Menschen Maßnahmen und Ideen für eine jugendgerechte Politik entwickeln und mit Bündnispartner*innen diskutieren.

Auf einer gemeinsamen Konferenz des Bündnisses soll nach einem Jahr eine Zwischenbilanz gezogen werden.

Die Erstunterzeichnenden der gemeinsamen Erklärung, ihre Statements und weitere Informationen finden Sie auf www.buendnis-junge-generation.de.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 08.12.2022

Die Homeoffice-Pauschale wird erhöht und mit dem Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zusammengeführt. Es entfällt außerdem die Voraussetzung des abgeschlossenen Arbeitszimmers.

„Das Jahressteuergesetz sieht wesentliche Erleichterungen für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor, indem insbesondere die Homeoffice-Pauschale erhöht, entfristet und mit dem Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer zu einer Tagespauschale zusammengeführt wird. Das erleichtert den Zugang, vereinfacht das Steuerrecht und baut bürokratische Hürden ab.

Der Finanzausschuss hat heute mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen dem Jahressteuergesetz 2022 zugestimmt, der Bundestag wird es zum Ende der Woche abschließend beraten. Das Gesetz hält dabei wichtige Entlastungen durch gezielte Anpassungsmaßnahmen an die Arbeits- und Lebensrealitäten vieler Arbeitnehmenden bereit.

Vor allem beim Thema ‚Arbeiten von zu Hause‘ werden steuerliche Verbesserungen ausgebaut: Neben der Entfristung der Homeoffice-Pauschale wird der steuerlich absetzbare Maximalbetrag auf insgesamt 1.260 Euro (im Regierungsentwurf 1.000 Euro) – das heißt auf sechs Euro bei maximal 210 Tagen – angehoben. Dazu wird eine wesentliche Vereinfachung durch die Zusammenlegung mit dem Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer erreicht. Von nun an muss kein abgeschlossenes Arbeitszimmer mehr vorgehalten werden, wenn dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen kommt direkt die Tagespauschale (Homeoffice-Pauschale) zum Tragen. Bei Mittelpunktfällen werden die Aufwendungen – wie bisher – weiterhin in voller Höhe abziehbar bleiben.

Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag wird außerdem auf 1.230 Euro angehoben.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 30.11.2022

Zum Gutachten „Basale Kompetenzen vermitteln – Bildungschancen sichern. Perspektiven für die Grundschule“ der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung:

Das SWK-Gutachten zeigt den immensen Handlungsbedarf in der Bildungspolitik. Alle Ebenen – vom Bund über die Länder bis hin zu den Schulverwaltungen – müssen gemeinsam die Voraussetzungen schaffen, dass grundlegende Kompetenzen erfolgreich vermittelt werden und Chancengerechtigkeit gewährleistet wird.

Die Empfehlung einer Konzentration auf den Erwerb basaler sprachlicher und mathematischer Kompetenzen und einer verstärkten Implementierung evidenzbasierter Konzepte sind richtige Schritte, dürfen jedoch nicht langfristig dazu führen, dass vermeintlich unwichtigere Schulfächer hinten runter fallen – denn beispielsweise der Sportunterricht ist für viele Kinder die einzige Möglichkeit zur Bewegung und damit wichtig für ihre Gesundheit.

Seitens des Bundes werden wir mit dem Startchancenprogramm Schulen in benachteiligten Quartieren und Regionen gezielt unterstützen, unter anderem auch mit zusätzlichen Stellen für Schulsozialarbeit. Eine Einigung auf konkrete Ausgestaltung und Finanzierung muss hier zeitnah erfolgen. Insbesondere ist sicherzustellen, dass die zusätzlichen Mittel dort ankommen, wo sie benötigt werden. Das SWK-Gutachten zeigt erneut den großen Handlungsbedarf.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 09.12.2022

Zur Vorstellung des ersten Wohnungslosenberichts erklären Wolfgang Strengmann-Kuhn, Obmann im Ausschuss für Arbeit und Soziales, und Hanna Steinmüller, Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen:

Wir begrüßen, dass mit der Vorlage des ersten Wohnungslosenberichts der Bundesregierung erstmals belastbare Daten über Menschen in verdeckter Wohnungslosigkeit vorliegen. Nun müssen den Worten Taten folgen und der im Koalitionsvertrag vereinbarte nationale Aktionsplan zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 schnell umgesetzt werden. Die Zeit drängt. Dabei müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam an einem Strang ziehen.

Der größte Anteil der Wohnungslosen ohne deutsche Staatsangehörigkeit stammt laut Bericht aus EU-Ländern (56 Prozent). Deswegen muss ein eigener Fokus auf die Bekämpfung der zunehmenden Obdachlosigkeit von EU-Bürger*innen gelegt werden. Auch hier gibt es die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, diese Problematik gemeinsam mit den Ländern, Kommunen, Sozialverbänden und mit Beteiligung Betroffener stärker in den Blick zu nehmen.

Zentral ist auch, dass Bund und Länder gemeinsam einen Fokus auf die Prävention von Wohnungslosigkeit legen. Wir arbeiten deshalb an einem besseren Mieter*innenschutz – beispielsweise über die Regelung der Schonfristzahlungen. Außerdem müssen wir gerade in den angespannten Wohnungsmärkten für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen. Wir haben dazu die Mittel für den sozialen Wohnungsbau für 2023 erhöht und werden die „Neue Wohngemeinnützigkeit“ einführen.

Ein wichtiges Mittel zur Überwindung von Obdachlosigkeit ist der flächendeckende Ausbau von Housing First als Ergänzung zum bestehenden Hilfesystem. Unter anderem das Modellprojekt Housing First Berlin hat verdeutlicht, dass obdachlosen Menschen mit diesem Ansatz wirksam geholfen werden kann. Wohnungslosigkeit hat viele Gesichter und bedarf verschiedener wirkungsvoller Maßnahmen, um den Betroffenen zu helfen und ihnen eine Perspektive zu geben. Extreme Armut geht uns alle an.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 08.12.2022

Ampel sorgt für Rückwärtsgang bei frühkindlicher Bildung

Am heutigen Freitag wird im Deutschen Bundestag das sogenannte „KiTa-Qualitätsgesetz“ in 2./3. Lesung debattiert. Dazu erklären die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, und die familienpolitische Sprecherin Silvia Breher:

Dorothee Bär:
„Einmal mehr beweist diese Bundesregierung, welchen geringen Stellenwert unsere Kinder für sie haben. Wenn es der Familienministerin wirklich um die besten Chancen für unsere Jüngsten ginge, dann würde sie kein Gesetz vorlegen, in dem es vor allem um Beitragsfreiheit geht. Das schafft keine bessere Qualität in unseren Kitas. Für uns als Union ist das unehrlich und eine Politik mit falschem Schwerpunkt. Eine weitere Mogelpackung eben, die die Ampel als vermeintlichen Erfolg vermarktet.“

Silvia Breher:
„Statt mit einem echten KiTa-Qualitätsgesetz zu glänzen, legt die Ampel ein „Verpasste-Chancen-Gesetz“ vor. Qualität steht drauf, steckt aber nicht drin. Sämtliche erfolgreichen Bundesprogramme für die frühkindliche Bildung wie beispielsweise das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ oder die Fachkräfteoffensive Erzieherinnen und Erzieher haben die Koalitionsfraktionen gestoppt. Es bleibt dagegen weiterhin möglich, Bundesmittel für bereits vereinbarte Beitragsreduzierungen fortzuführen. Davon ausgeschlossen sind aber die Bundesländer, die bislang die Bundesmittel ausschließlich für Qualitätsmaßnahmen eingesetzt haben. Schon allein dieser Widerspruch zeigt, mit welcher heißen Nadel dieses Gesetz gestrickt ist.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 02.12.2022

„Insbesondere arme Menschen in Deutschland verlieren das Vertrauen in die Politik und demokratische Institutionen. Dieser Befund ist nicht neu, aber er ist gerade jetzt umso alarmierender. Denn die Realitätsverweigerung seitens der Ampel-Parteien ist aktuell auf einem Höchststand angekommen. Das Bürgergeld ist eben gerade kein Erfolg, sondern die Fortsetzung des Hartz IV-Regimes mit milderen Mitteln. Das Gegenteil zu behaupten, leistet der Entfremdung weiter Bevölkerungsteile von der Politik Vorschub und gefährdet die Demokratie“, erklärt Susanne Ferschl. Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, zum heute veröffentlichten Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung. Ferschl weiter:

„Nichts ist gut, solange so viele Menschen vom gesellschaftlichen Reichtum abgeschnitten sind. Beherztes Handeln ist jetzt notwendig, um zu verhindern, dass sich die Schere zwischen arm und reich noch weiter öffnet. Eine echte Abkehr vom Hartz IV-System bedeutet auch, den Arbeitsmarkt zu regulieren, denn Minijobs, Leiharbeit und sachgrundlose Beschäftigung bieten Beschäftigten kaum soziale Sicherheit oder ein planbares, abgesichertes Leben. Die Koalition geht leider keine Schritte in diese Richtung, sondern weitet prekäre Beschäftigungsformen wie Mini- und Midijobs sogar aus. Statt, wie in den vergangenen Wochen geschehen, Niedriglohnempfänger und Sozialleistungsbeziehende gegeneinander auszuspielen, müssen endlich die Superreichen und Vermögenden in die Pflicht genommen werden. DIE LINKE fordert, Dividendenauszahlungen zu verbieten, wenn staatliche Hilfen in Anspruch genommen wurden. Auch eine Vermögenssteuer ist überfällig. Es muss endlich das klare Zeichen gesetzt werden, dass Politik für die Menschen gemacht wird und nicht diejenigen mit dem dicksten Geldbeutel die Politik dirigieren.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 24.11.2022

Öffentliche Leistungen sollen in Zukunft unbürokratisch und schnell direkt an die Bürger unbar ausgezahlt werden können. Für Kinder unter 18 Jahren soll die Familienkasse dem Bundeszentralamt für Steuern die IBAN (International Bank Account Number) übermitteln, auf die das Kindergeld zuletzt ausgezahlt worden sei, heißt es in der Antwort der Regierung (20/4753) auf eine Kleine Anfrage CDU/CSU-Fraktion (20/4459). Erwachsene könnten verschiedene Konten unterhalten. Sie sollten daher selbst entscheiden, auf welches Konto eine künftige öffentliche Leistung überwiesen werden soll. Man setze darauf, dass diejenigen, die öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen wollen, eigenverantwortlich ihre Kontoverbindungen an das Bundeszentralamt für Steuern übermitteln lassen würden. Die Banken sollen dafür geeignete Meldewege bereitstellen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 728 vom 08.12.2022

Das im Koalitionsvertrag verankerte Startchancen-Programm befindet sich in der Konzeptionsphase. Diese beinhalte Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung sowie den fachlichen Austausch mit den Ländern und solle bis voraussichtlich 2023 andauern, heißt es in der Antwort (20/4598) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/4279) der Fraktion Die Linke.

Im Zuge des Startchancen-Programms sollen 4.000 Schulen in Deutschland speziell gefördert werden. Laut der Antwort besteht das Programm aus drei Säulen: So sei ein „Investitionsprogramm für moderne, klimagerechte, barrierefreie Schulen mit einer zeitgemäßen Lernumgebung und Kreativlaboren“ geplant. Außerdem beinhalte es ein Chancenbudget für geförderte Schulen und die Stärkung der schulischen Sozialarbeit.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 722 vom 05.12.2022

Um Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung einen bundesweiten Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt verabschiedet, der nun als Unterrichtung (20/4573) durch die Bundesregierung vorliegt. Das 16-seitige Dokument enthält Empfehlungen für Maßnahmen in sechs Handlungsfeldern (Rechtliche Anerkennung, Teilhabe, Sicherheit, Gesundheit, Stärkung von Beratungs- und Communitystrukturen, Internationales).

Die Regierung betont darin: „Alle Menschen sollen gleichberechtigt, frei, sicher und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben. Damit dies auch für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie andere queere Menschen (LSBTIQ*) möglich ist, sieht sich die Bundesregierung in der Verantwortung für eine aktive Politik gegen Diskriminierung und für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.“

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 706 vom 30.11.2022

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat am Mittwochmittag dem Gesetzentwurf (20/3880) der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (KiTa-Qualitätsgesetz) in geänderter Fassung zugestimmt. Damit stellt der Bund in den kommenden zwei Jahren jeweils zwei Milliarden Euro für den Ausbau der Qualität der frühkindlichen Bildung zur Verfügung. Für den Entwurf stimmten die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP und die AfD-Fraktion. Die CDU/CSU-Fraktion stimmte dagegen und Die Linke enthielt sich.

Die Regierung verweist in dem Entwurf auf den Evaluationsbericht zum 2018 beschlossenen KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz („Gute-KiTa-Gesetz“). Dieser habe im Herbst 2021 gezeigt, dass an unterschiedlichen Stellen des Gesetzes sowie in Bezug auf die Pflicht zur Staffelung der Kostenbeiträge nach dem SGB VIII (Achtes Sozialgesetzbuch) Reformbedarf bestehe, um die Ziele dieses Gesetzes zu erreichen. Mit dem vorliegenden Entwurf soll das „Gute-KiTa-Gesetz“ auf Grundlage der Empfehlungen der Evaluation weiterentwickelt werden. Demnach sollen bereits begonnene Maßnahmen der Länder zur Qualitätsentwicklung und zur Entlastung der Eltern bei den Beiträgen zwar fortgeführt werden können. Neue Maßnahmen ab dem 1. Januar 2023 sollen aber ausschließlich zur Weiterentwicklung der qualitativen „Handlungsfelder von vorrangiger Bedeutung“ dienen. Künftig sollen also keine neuen länderspezifischen Maßnahmen zur Beitragsentlastung mehr umgesetzt werden können. Zusätzlich sollen die „Handlungsfelder von vorrangiger Bedeutung“ um das Handlungsfeld 6 (Förderung der kindlichen Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung), das Handlungsfeld 7 (Förderung der sprachlichen Bildung) und das Handlungsfeld 8 (Stärkung der Kindertagespflege) ergänzt und stärker priorisiert werden. Durch die Änderung werden die Länder verpflichtet, Maßnahmen überwiegend in den Handlungsfeldern von vorrangiger Bedeutung zu ergreifen. Um die beabsichtigte Wirkung der im SGB VIII geregelten Pflicht zur Staffelung der Kostenbeiträge für die Kindertagesbetreuung zu stärken, sollte es ursprünglich eine verbindliche Vorgabe sozialer Staffelungskriterien geben, mit einer stärkeren Ausrichtung der Beiträge an der finanziellen Situation der Familien. Dies hatten die Bundesländer allerdings abgelehnt und konnten dies durchsetzen, weil der Bundesrat dem Gesetz zustimmen muss. Durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ebenfalls geändert wurde die Dauer des Bundesprogramms für die Sprach-Kitas, das eigentlich Ende dieses Jahres auslaufen sollte. Nun wird es um sechs Monate verlängert und damit den Ländern mehr Zeit gegeben, eine Anschlusslösung zu finden.

Die Koalitionsfraktionen betonten, dass das Gesetz, anders als das Gute-KiTa-Gesetz, endlich einen Schwerpunkt auf die Qualität der Kinderbetreuung setze. Wenn die Länder die Beitragsfreiheit wollten, hindere sie niemand, diese auch umzusetzen. Aber der Bund wolle vor allem mehr Qualität, hieß es. SPD, Grüne und FDP lobten auch den Kompromiss zu den Sprach-Kitas, man sei auf die Länder zugegangen, nun seien diese in der Pflicht.

Die CDU/CSU-Fraktion hielt an ihrer Kritik bezogen auf die Sprach-Kitas fest. Es wäre gut gewesen, die Bundesförderung bis Ende 2023 weiterlaufen zu lassen. Die AfD-Fraktion verwies auf die negativen Folgen der Corona-Maßnahmen auf die frühkindliche Entwicklung, deshalb sei das Gesetz der richtige Ansatz. Es kuriere aber nur die Fehlentwicklungen der vergangenen zwei Jahre. Die Linke betonte, das Gesetz habe seinen Namen nicht verdient, sondern sei ein typisches Besser-als-nichts-Gesetz der Ampel. Tatsächlich würden die Mittel von zwei Milliarden Euro gekürzt, weil die Ausgaben nicht an die Inflation angepasst worden seien. Wer wirklich mehr Qualität wolle, müsse deutlich mehr Geld in die Hand nehmen, so Die Linke.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 703 vom 30.11.2022

Gute Noten für das geplante Chancen-Aufenthaltsrecht und klare Ablehnung des Vorhabens haben sich bei einer Sachverständigen-Anhörung heute im Ausschuss für Inneres und Heimat unter der Leitung von Prof. Lars Castellucci (SPD) gegenüber gestanden. Bewertet wurde der von der Bundesregierung dazu eingebrachte Gesetzentwurf (20/3717). Danach sollen unter anderem Ausländer, deren Aufenthalt in Deutschland am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren geduldet wurde, ein einjähriges Chancen-Aufenthaltsrecht erwerben können. Zudem ging es um zwei Gesetzentwürfe und einen Antrag der Fraktion Die Linke zum Familiennachzug und zum Bleiberecht. (20/1850, 20/1851, 20/3973).

Kerstin Becker, Der Paritätische Gesamtverband, begrüßte die Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrecht als Brücke in eine der bereits bestehenden Bleiberechtsregelungen. Es bedürfe jedoch noch wesentlicher Korrekturen, damit nicht das Ziel verfehlt werde, Kettenduldungen zu beenden sowie die Integrationen der betroffenen Menschen zu fördern. So müsse der Stichtag 1. Januar 2022 gestrichen werden, damit auch in Zukunft Menschen, die sich länger als fünf Jahre in Deutschland aufhalten, die Regelungen in Anspruch nehmen können.

Anne Courbois vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wies auf das Risiko für Unternehmen hin, geduldete Ausländer einzustellen. Es bestehe das Risiko, dass sie von einem Tag auf den anderen abgeschoben würden. Auch weil hier das Gesetzesvorhaben Verbesserungen verspreche, sei es grundsätzlich zu begrüßen. Mit Blick auf die Praxis gebe es Verbesserungsbedarf.

Prof. Andreas Dietz, Verwaltungsgericht Augsburg, Vorsitzender Richter der 6. Kammer, machte migrationsrechtliche Einwände gegen den Gesetzentwurf geltend, da er die von einer Chancen-Aufenthaltserlaubnis Begünstigten gegenüber vergleichbaren Gruppen von Ausländern zu Unrecht deutlich bevorzuge. Die Begünstigten beschrieb er als Gruppe unerlaubt im Bundesgebiet Aufhältiger, die die Kernvoraussetzungen jedes Aufenthaltstitels – Identitätsklärung, Passbesitz – nicht erfüllten. Sie würden bevorzugt gegenüber jenen Ausländern, die ordnungsgemäß einreisen und sich erlaubt in Deutschland aufhalten.

Sophia Eckert, terre des hommes Deutschland, befand bei grundsätzlicher Zustimmung zum Gesetzentwurf, dass insbesondere beim Chancen-Aufenthaltsrecht Anpassungen notwendig seien. So sei ein Flickenteppich in der bundesdeutschen Erteilungspraxis zu befürchten, da Ausländerbehörden weiterhin teils große Entscheidungsspielräume hätten.

Kristian Garthus-Niegel vom Sächsischen Flüchtlingsrat empfahl, dem Antrag der Fraktion Die Linke stattzugeben. Danach sollten Kettenduldungen wirksam beendet werden durch die Einführung einer stichtagsunabhängigen Regelung, durch Erleichterungen beim Übergang in ein dauerhaftes Bleiberecht und durch Abmilderung der im aktuellen Gesetz bestehenden sowie im Regierungsentwurf vorgesehenen Ausschlussgründe der Bleiberechtsregelungen.

Holger Kolb, Sachverständigenrat für Integration und Migration, strich heraus, dass zum einen der Tatsache Rechnung getragen werde, dass eine Vielzahl von Flüchtlingen, die im Rahmen der Flüchtlingskrise 2015/2016 eingereist waren, längerfristig in Deutschland aufhältig bleiben werde und für sie ein aufenthaltsrechtlicher Umgang gefunden werden müsse. Durch das vorgesehene Ablaufdatum am 1. Februar 2026 werde deutlich, dass keine dauerhafte Relativierung des Ergebnisses eines Asylverfahrens erfolgen werde.

Klaus Ritgen meinte, der Deutsche Landkreistag lehne die Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts in der vorgeschlagenen Ausgestaltung ab. Es gebe keinen Bedarf für weitere Bleiberechtsregelungen. Darüber hinaus würden Ausländer ermutigt, illegal und ohne Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht nach Deutschland einzureisen oder ihrer Ausreisepflicht nicht nachzukommen. Die vorgeschlagenen Regelungen würden auch nicht zu einer Entlastung der Ausländerbehörden führen. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall.

Für den Deutschen Städtetag erklärte Daniela Schneckenburger, die kommunalen Ausländerbehörden müssten dringend in den Blick genommen werden. Sie arbeiteten seit Jahren im Krisenmodus und seien zusätzlich durch die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in einer Art und Weise belastet wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie regte an, das Gesetz nicht unmittelbar in Kraft treten zu lassen, damit sich die Behörden darauf vorbereiten können.

Axel Ströhlein, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen, strich heraus, das angepeilte Chancen-Aufenthaltsrecht beziehe sich auf einen Personenkreis, bei dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Gerichte zu dem Ergebnis gekommen seien, dass diesen weder Asyl noch Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder Abschiebungsschutz zustehe. Mit der geplanten Neuregelung werde der Sinn und Zweck des Asylrechts ausgehöhlt. Es könne das Signal gesendet werden, dass sich eine fehlende Mitwirkung bei der Identitätsregelung lohne und zu einem Aufenthaltstitel führe.

Prof. Daniel Thym von der Universität Konstanz lenkte den Blick darauf, dass beim Umgang mit ausreisepflichtigen Personen der Gesetzgeber mit einem Zielkonflikt zwischen Integrationsförderung und Migrationssteuerung konfrontiert sei. Dieser Zielkonflikt werde durch eine vergangenheitsbezogene Stichtagsregelung nach dem Modell des Chancen-Aufenthaltsrechts besser austariert als durch dauerhafte Legalisierungsmöglichkeiten.

Barbara Weiser, Caritasverband für die Diözese Osnabrück, begrüßte die vorgeschlagene Schaffung eines Chancen-Aufenthaltsrecht, die Erleichterungen beim Übergang von einer Duldung in eine Aufenthaltserlaubnis sowie die Eröffnung des Zugangs zu Integrations- und Berufssprachkursen für alle Asylsuchenden mit einer Aufenthaltsgestattung. Um die Praxis der Kettenduldungen in einem relevanten Umfang zu beenden und den Betroffenen eine realistische Chance auf einen dauerhaften Aufenthalt zu geben, seien verschiedene Änderungen nötig. Zentral sei dabei die Schaffung einer stichtagsfreien Regelung.

Philipp Wittmann, Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, meinte, der Gesetzgeber gehe mit dem Thema der Kettenduldung und der Beschleunigung von Asylverfahren zwei Großthemen an. Er äußerte Bedenken, ob durch die Änderung von Rahmenbedingungen deutliche Verbesserungen zu erreichen seien.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 690 vom 28.11.2022

Die Fraktion Die Linke fordert in einem Antrag (20/4589), die Istanbul-Konvention vorbehaltlos umzusetzen. „Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention hat Deutschland anerkannt, dass Gewalt an Frauen und Mädchen auch in der Bundesrepublik ein tiefgreifendes Problem ist, dem mit umfassenden Maßnahmen im Bereich Prävention, Intervention, dem Schutz von Frauen und Mädchen und rechtlichen Sanktionen begegnet werden muss“, schreiben die Abgeordneten. Sie kritisieren, dass bisher weder ein politisches Dokument noch eine nationale Strategie erarbeitet wurde, die die Rechte der Opfer in den Mittelpunkt stellten. Auch verweisen sie auf die je nach Bundesland sehr unterschiedlich ausgestalteten Hilfesysteme.

Die Linke verlangt von der Bundesregierung deshalb unter anderem, einen wirksamen nationalen Aktionsplan zu erarbeiten, der eine allgemein gültige Definition von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt enthält und bundesweite Ziele zur Umsetzung der Konvention setzt, die die Rechte der Opfer in den Mittelpunkt stellen und alle Formen von Gewalt gegen Frauen beachtet. Ferner soll eine nationale Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention mit angemessenen finanziellen und personellen Ressourcen etabliert werden, die die Anstrengungen der einzelnen Ministerien und die der Länder koordiniert. Auch müsse unverzüglich ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, der entsprechend der Istanbul-Konvention die Anzahl der Beratungsstellen und Frauenhausplätze erhöht und eine bundesweit einheitliche Finanzierung der Frauenhäuser garantiert.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 688 vom 25.11.2022

Studie untersucht Effekte des Ausbaus von Ganztagsangeboten in Westdeutschland seit 2003 – Freiwillige Inanspruchnahme verbessert Sozialverhalten und mentale Gesundheit, Effekt auf Schulnoten aber nicht feststellbar – Weitere Investitionen in höhere Qualitätsstandards nötig

Kinder, die im Grundschulalter eine Ganztagsschule besuchen, haben bessere soziale Fähigkeiten und sind mental gesünder als andere Kinder – zumindest, wenn der Besuch freiwillig ist. Mit Blick auf die Schulnoten hingegen sind bisher überwiegend keine statistisch signifikanten Effekte eines Ganztagsschulbesuchs feststellbar. Lediglich Kinder mit alleinerziehenden Elternteilen profitieren auch in Form einer besseren Deutschnote vom Besuch einer Ganztagsschule. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie von Laura Schmitz aus der Abteilung Bildung und Familie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Demnach nutzen insbesondere Kinder von Alleinerziehenden, Kinder mit Migrationshintergrund und sozioökonomisch benachteiligte Kinder, die beispielsweise in einem Haushalt mit geringem Einkommen aufwachsen oder Eltern mit niedrigem Bildungsstand haben, besonders häufig Ganztagsangebote. Und: Sie profitieren tendenziell auch eher von diesen Angeboten. „Ganztagsschulen helfen dabei, Ungleichheiten im Bildungssystem abzubauen“, so Schmitz. „Das zeigt, dass der Ausbau hin zu einem flächendeckenden Ganztagsangebot für Grundschüler*innen seit dem Jahr 2003 offenbar der richtige Weg ist.“

Für die Studie hat Schmitz Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 2002 bis 2018 ausgewertet. Insgesamt nahm sie mehr als 4 000 Schüler*innen aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern unter die Lupe. Damit sind die Ergebnisse repräsentativ für große Teile Westdeutschlands. Ostdeutschland wurde in der Analyse ausgespart, da der Anteil von Kindern in Ganztagsschulen dort bereits vor Beginn des Untersuchungszeitraums sehr hoch war. Die Ergebnisse sind insbesondere vor dem Hintergrund des im vergangenen Jahr beschlossenen Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz im Grundschulalter relevant. Dieser soll ab dem Jahr 2026 gelten. Im Schuljahr 2020/2021 boten in Westdeutschland knapp drei Viertel aller Grundschulen Ganztagsangebote an.

Kinder aus benachteiligten Familien sollten in Ganztagsangeboten nicht unter sich bleiben

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Ganztagsangeboten ist der Studie zufolge, ob Kinder freiwillig oder unfreiwillig Ganztagsangebote wahrnehmen. Möchten sie die Nachmittage eigentlich nicht in der Schule verbringen, profitieren sie in der Regel auch nicht davon. Im Jahr 2020 waren 74 Prozent aller Ganztagsschulen in Westdeutschland offen organisiert, die Teilnahme also freiwillig. Gebundene und teilgebundene Ganztagsschulen, an denen das Nachmittagsprogramm zumindest teilweise verpflichtend ist, sind klar in der Minderheit. Angesichts der Studienergebnisse sollte dies auch so bleiben, so Schmitz.

„Für die Entwicklung sozialer Kompetenzen mag der bloße Kontakt mit Gleichaltrigen und Betreuungspersonal in der Nachmittagsbetreuung ausreichend sein – für die Entwicklung schulischer Kompetenzen ist er es jedoch nicht.“ Laura Schmitz

Vor dem Hintergrund der bisher ausbleibenden Effekte auf die Schulleistungen müsste Schmitz zufolge die pädagogische Qualität der Hausaufgabenbetreuung an Ganztagsschulen noch deutlich verbessert werden. „Für die Entwicklung sozialer Kompetenzen mag der bloße Kontakt mit Gleichaltrigen und Betreuungspersonal in der Nachmittagsbetreuung ausreichend sein – für die Entwicklung schulischer Kompetenzen ist er es jedoch nicht“, sagt Schmitz. Deshalb brauche es bessere und einheitlichere Qualitätsstandards. „Angesicht des ohnehin schon bestehenden Mangels an pädagogischem Personal ist das natürlich eine große Herausforderung und nicht von heute auf morgen umsetzbar, aber langfristig steht und fällt der Erfolg von Ganztagsschulen vor allem auch damit“, so Schmitz. Wichtig sei zudem, dass Ganztagsangebote für alle Kinder interessant seien, also auch für solche aus besser gestellten Familien. „Wenn am Ende in der Ganztagsbetreuung Kinder aus benachteiligten Familien unter sich blieben, wäre das keine gute Entwicklung“, sagt Schmitz.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 30.11.2022

Die Armut in Deutschland ist über die vergangene Dekade deutlich angestiegen – eine denkbar schlechte Ausgangsposition für die fortgesetzten sozialen Stresstests durch Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Rekordinflation. Der finanzielle Rückstand von Haushalten unter der Armutsgrenze gegenüber dem Einkommensmedian ist schon vor Beginn der Corona-Krise um ein Drittel gegenüber dem Jahr 2010 gewachsen. Auch die Ungleichheit der Einkommen insgesamt in Deutschland hatte, gemessen am Gini-Koeffizienten, 2019 einen neuen Höchststand erreicht. Zu diesen Ergebnissen kommt der neue Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.* Die Studie zeigt zudem, wie stark dauerhafte Armut in Deutschland die gesellschaftliche Teilhabe schon in wirtschaftlich stabilen Zeiten einschränkt: Arme müssen etwa deutlich häufiger auf Güter des alltäglichen Lebens wie eine Grundausstattung mit Kleidung oder Schuhen verzichten, sie können seltener angemessen heizen, leben auf kleinerem Wohnraum. Sie haben einen schlechteren Gesundheitszustand, geringere Bildungschancen und sind mit ihrem Leben unzufriedener. Das führt bei vielen Betroffenen zu einer erhöhten Distanz gegenüber dem politischen System: Lediglich 68 Prozent der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, halten die Demokratie für die beste Staatsform, nur 59 Prozent finden, die Demokratie in Deutschland funktioniere gut. „Armut und soziale Polarisierung können die Grundfesten unseres demokratischen Miteinanders ins Wanken bringen, vor allem dann, wenn sie sich verfestigen“, sagt WSI-Direktorin Prof. Dr. Bettina Kohlrausch. „Mehr und wirksameres politisches Engagement gegen Armut ist also nicht nur notwendig, um den direkt Betroffenen zu helfen, sondern auch, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. Das gilt umso mehr, da in Zeiten von hoher Inflation sozialer Abstieg auch Menschen droht, die sich während des vergangenen Jahrzehnts darum wenig Sorgen machen mussten. Es ist deshalb gut, dass das Bürgergeld jetzt schnell kommt. Es ist allerdings bedauerlich, dass sich der Vorschlag einer Vertrauenszeit, die das Vertrauen in staatliche Institutionen vermutlich gestärkt hätte, nicht durchsetzen konnte.“

Im neuen Verteilungsbericht werten die WSI-Expertinnen Dr. Dorothee Spannagel und Dr. Aline Zucco die aktuellsten vorliegenden Daten aus zwei repräsentativen Befragungen aus: Erstens aus dem sozio-oekonomischen-Panel (SOEP), für das rund 16000 Haushalte jedes Jahr interviewt werden, und das aktuell bis 2019 reicht. Zweitens der Lebenslagenuntersuchung der Hans-Böckler-Stiftung, für die 2020 und 2021 gut 4000 Menschen befragt wurden. Hinzu kommen Daten aus einer Repräsentativbefragung, die das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Stiftung im August 2022 zur Inflationsbelastung durchgeführt hat. Als arm definieren die Forscherinnen gemäß der üblichen wissenschaftlichen Definition Menschen, deren bedarfsgewichtetes Nettoeinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland beträgt.

Die Kernergebnisse:

Armut schon vor Beginn der Corona-Krise deutlich gewachsen: „Armut ist in der letzten Dekade deutlich angestiegen. Im Jahr 2019 waren so viele Menschen in Deutschland von Armut betroffen wie nie zuvor“, konstatieren Spannagel und Zucco zur Entwicklung während der 2010er Jahre – einem Zeitraum mit generell guter Wirtschaftsentwicklung und sinkender Arbeitslosigkeit, in dem auch die mittleren Einkommen spürbar zunahmen. Mit einigen zwischenzeitlichen Schwankungen stieg die Armutsquote laut SOEP zwischen 2010 und 2019 von 14,3 Prozent auf 16,8 Prozent – eine relative Zunahme um 17,5 Prozent. Die Quote der sehr armen Menschen, die weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hatten, ging im gleichen Zeitraum sogar um gut 40 Prozent in die Höhe: Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wuchs von 7,9 auf 11,1 Prozent. Deutlich größer wurde auch die Armutslücke – sie bezeichnet den Betrag, der einem durchschnittlichen armen Haushalt fehlt, um rechnerisch über die Armutsgrenze von 60 Prozent zu kommen. Im Jahr 2010 betrug der Rückstand 2968 Euro und sank bis 2013 leicht, um dann sehr schnell auf 3912 Euro im Jahr 2019 anzuwachsen, dem letzten vor dem wirtschaftlichen Einbruch durch die Corona-Pandemie. „Hier zeigt sich, dass die armen Haushalte von diesem Aufschwung nicht profitieren konnten, sondern den Anschluss daran verlieren“, schreiben Spannagel und Zucco (siehe auch die Abbildungen 1 und 2 in der pdf-Version dieser PM; Link unten).

Ungleichheit der Einkommen ebenfalls auf Höchststand: Das spiegelt sich auch im so genannten Gini-Koeffizienten wider, der ausweist, wie gleich oder ungleich die Einkommen verteilt sind. Auch die Gini-Kurve zeigte im Laufe der 2010er Jahre einige Schwankungen. Sie ging in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts moderat nach unten, um 2019 mit 0,296 einen neuen Höchststand zu erreichen. 2010 hatte der Wert noch bei 0,283 gelegen. Der vermeintlich kleine Anstieg ist durchaus signifikant. Und „selbst in den Jahren der Massenarbeitslosigkeit Anfang der 2000er Jahre“ war der Gini nicht höher, betonen die Wissenschaftlerinnen (Abbildung 3).

Schon vor der Energiepreisexplosion konnten fünf Prozent der Armen nicht richtig heizen. Die SOEP-Daten für 2019, die Spannagel und Zucco analysieren, machen deutlich, dass Armut selbst in einem reichen Land wie der Bundesrepublik und in wirtschaftlich recht stabilen Zeiten nicht selten mit alltäglichen Entbehrungen verbunden ist: Schon vor Corona-Krise und Rekordinflation konnten es sich gut 14 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze nicht leisten, neue Kleidung zu kaufen. Immerhin fünf Prozent fehlten die Mittel, um ihre Wohnung angemessen zu heizen, gut drei Prozent verfügten nicht einmal über zwei Paar Straßenschuhe (Abbildung 4).

Messbar sind auch andere Folgen von Armut: Lebenszufriedenheit, Qualität der Gesundheit, Bildung und Qualifikationen sind niedriger als im Bevölkerungsdurchschnitt, ebenso das Vertrauen in staatliche Institutionen von der Bundesregierung bis zu Polizei und Gerichten. In der Böckler-Lebenslagenbefragung stimmten lediglich 59 Prozent der Armen der Einschätzung zu, dass die Demokratie in Deutschland im Großen und Ganzen gut funktioniere, lediglich 68 Prozent hielten sie für die beste Staatsform – elf bzw.14 Prozentpunkte weniger als in der Gesamtbevölkerung.

Aktuelle Zahlen: Spardruck für Ärmere hoch – zunehmend auch mittlere Einkommen betroffen: Mit SOEP-Daten lässt sich aktuell die Frage nicht beantworten, ob Armut und Ungleichheit nach 2019 weiter zugenommen haben, oder nicht. Bei der Armut kommen einzelne Studien auf Basis anderer Datenquellen zu unterschiedlichen Trendaussagen für die beiden von der Corona-Pandemie geprägten Jahre bis 2021. So zeigen vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Daten einen leichten Rückgang der Armutsquote zwischen 2020 und 2021 an. Dagegen weist der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands für 2021 einen neuen Höchststand aus.

Aktuell ist angesichts von enormen Preissteigerungen bei den Basisgütern Energie und Nahrungsmitteln, die Haushalte mit niedrigeren Einkommen stärker treffen als Haushalte mit hohen Einkommen, eine weitere wirtschaftliche Polarisierung sehr plausibel, analysieren die WSI-Expertinnen. Das legen auch aktuelle Befunde aus der Erwerbspersonen- und der IMK-Inflationsumfrage nahe. Im August gaben beispielsweise mehr als zwei Drittel der Befragten mit niedrigeren Haushaltseinkommen unter 2000 Euro netto im Monat an, sich bei Ausgaben für Bekleidung oder Schuhe etwas oder bedeutend einschränken zu wollen – wohlgemerkt gegenüber einem schon vorher relativ geringen Niveau. Knapp 35 Prozent wollten sogar beim Kauf von Lebensmitteln kürzertreten. In der nächsthöheren Einkommensgruppe bis 3500 Euro Haushaltsnettoeinkommen lagen die Anteile mit gut 61 bzw. knapp 32 Prozent auch nicht viel niedriger und auch darüber war die Neigung zu Einschränkungen erheblich. Der Spardruck reicht also deutlich in die Mittelschicht hinein.

Politik zur Reduzierung von Armut senkt auch soziale Kosten und Risiken. Die Befunde unterstrichen, dass Armut nicht nur die direkt Betroffenen schwer belaste, sondern auch die Gesellschaft insgesamt, so Spannagel und Zucco – sei es durch erhöhte Gesundheitskosten, mit Blick auf Fachkräftemangel oder schwindenden Rückhalt für die Demokratie. Um Armut nachhaltig zu bekämpfen, heben sie – jenseits von wirksamen und sozial gerechten Entlastungsmaßnahmen in der akuten Krise – fünf Maßnahmen hervor:

  1. Höhere Löhne für Geringverdienende durch Stärkung der Tarifbindung und Rückbau des Niedriglohnsektors: In tarifgebundenen Betrieben sind die Löhne höher, auch und gerade am unteren Ende der Einkommenshierarchie. Daher profitierten Geringverdienende direkt von einer Bezahlung nach Tarif, so die WSI-Forscherinnen. Um die seit Jahren fortschreitende Erosion der Tarifbindung umzukehren, sollten das Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung erleichtert und Tariftreuevorgaben bei öffentlichen Aufträgen gestärkt werden. Zudem sollte sich der Mindestlohn langfristig an relativen Größen orientieren, um immer Anschluss an die allgemeine Entwicklung zu halten. Die Europäische Kommission etwa empfiehlt, den Mindestlohn bei mindestens 60 Prozent des mittleren Lohns anzusetzen.
  2. Anhebung der Grundsicherung auf ein armutsfestes Niveau: Egal, ob sie ALG II heißt oder Bürgergeld: Die Regelsätze der sozialen Grundsicherung müssen nach Analyse der Verteilungsexpertinnen so weit angehoben werden, dass sie Einkommensarmut tatsächlich verhindern. Ebenso wichtig sei eine verlässliche öffentliche Daseinsvorsorge, also etwa ein gutes, bezahlbares Angebot bei öffentlichem Personennahverkehr und in der Energie- und Wasserversorgung, zudem flächendeckend gute Bildungseinrichtungen.
  3. Förderung von sozialem Wohnraum und gut durchdachtes Quartiersmanagement: Bereits im Jahr 2018 gaben über 10 Prozent der Haushalte, die in Deutschlands Großstädten zur Miete lebten, mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Warmmiete aus. Fast die Hälfte musste dafür mindestens 30 Prozent aufwenden – ein Wert, der in Sozialforschung und Immobilienwirtschaft oft als Belastungsgrenze genannt wird. Aktuell dürfte die Zahl noch deutlich höher liegen. Es bestehe daher ein großer Bedarf an der Förderung von bezahlbarem Wohnraum, so Spannagel und Zucco. Gleichzeitig sollten Wohnquartiere so gestaltet sein, dass sie gezielt eine heterogene Sozialstruktur fördern. „Auch das ist ein wichtiger Baustein, um einer weiteren sozialen Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken“, betonen die Expertinnen.
  4. Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Wenn Familie und Beruf besser miteinander vereinbar sind, profitieren zwei Bevölkerungsgruppen ganz besonders davon: Familien mit nur einem (Vollzeit-)Erwerbseinkommen sowie Alleinerziehende – beides Haushaltstypen, die überdurchschnittlich von Armut betroffen sind. Flexiblere Arbeitszeitmodelle sowie leichterer Zugang zu verlässlicher, idealerweise kostenfreier, Kinderbetreuung sind hierzu wichtige Schritte. Auch egalitäre Sorgemodelle wie der Ausbau der Partnermonate und mehr Teilzeitmöglichkeiten für Väter könnten den Weg hin zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebnen.

5. Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und Qualifizierung: Gerade Personen im unteren Einkommensbereich arbeiten oft in atypischer Beschäftigung, haben befristete Stellen oder lediglich Minijobs. Hier müsse gezielt der Übergang in sichere und angemessen bezahlte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefördert werden, fordern die WSI-Expertinnen. Eine passgenaue Weiterqualifizierung von Menschen an den Rändern des Arbeitsmarktes sei ein weiterer wichtiger Baustein. Auch in dieser Frage setze das Bürgergeld-System der Bundesregierung die richtigen Schwerpunkte. Bei der Qualifizierung müssten ganz besonders Migrantinnen und Migranten in den Fokus genommen werden. So können das Missmatch auf dem Arbeitsmarkt verbessert, Fachkräftemangel gemildert und Menschen ihren Qualifikationen entsprechend vermittelt werden.

WSI-Verteilungsbericht 2022. WSI Report Nr. 79, November 2022

PM mit Abbildungen

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 24.11.2022

Coaching ist ein wichtiger Bestandteil des Sozialen Arbeitsmarkts. Damit soll das geförderte Beschäftigungsverhältnis stabilisiert werden. Die Geförderten sind überwiegend mit dem Coaching zufrieden, sie wünschen sich aber zum Teil eine weitergehende Unterstützung. Dies könnte auf spezifische Verbesserungspotenziale hinweisen. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurde.

Durchschnittlich erhielten die Geförderten der beiden neuen Förderinstrumente des Teilhabechancengesetzes Coaching zu drei Betreuungsbereichen. Etwa die Hälfte der Geförderten wurde – laut Befragungsdaten – beim Umgang mit Behörden, bei der Bewältigung persönlicher Probleme oder bei Problemen im Betrieb, zum Beispiel mit Kolleginnen und Kollegen, von einer Coachin oder einem Coach unterstützt. Zwei Fünftel der Geförderten wurden bei Gesundheitsfragen oder der Organisation des Arbeitsalltags und der Anpassung von Arbeitsbedingungen gecoacht. Von den Geförderten mit Betreuungsaufgaben wurde etwa ein Viertel bei der Organisation der Pflege von Angehörigen beziehungsweise der Kinderbetreuung unterstützt. Zwei Fünftel der Geförderten wünschten sich Coaching in weiteren Bereichen.

Befragungsergebnissen zufolge hat die überwiegende Mehrheit der Geförderten bereits ein Coaching erhalten und es fanden im Schnitt fünf bis sechs Coaching-Gespräche pro Quartal statt. 43 Prozent der Geförderten wurden von Mitarbeitenden des Jobcenters und 57 Prozent durch externe Coaches betreut. Mit Blick auf mögliche Verbesserungen ihrer persönlichen Situation empfanden die Gecoachten eine Coachin oder einen Coach aus dem Jobcenter hilfreicher. Dies könnte, so die IAB-Forschenden, an der größeren Erfahrung im Umgang mit Behörden oder mit Problemlagen von Grundsicherungsbeziehenden bei der Integration in Erwerbsarbeit liegen. Konkrete Hilfen in diesen Bereichen könnten schon kurzfristig zu einer wahrgenommenen Verbesserung der persönlichen Situation führen. „Allerdings wünschten sich Befragte mit einer Coachin oder einem Coach aus dem Jobcenter öfter zusätzliche Beratungsinhalte und ein umfangreicheres Coaching als bei einer externen Coachin oder einem externen Coach“, fügt Mit-Autorin Zein Kasrin hinzu.

Mit der Bürgergeldreform plant die Bundesregierung, ein Coaching unabhängig von der Teilnahme an Fördermaßnahmen zu ermöglichen. Dadurch können erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit vielfältigen Problemlagen unterstützt werden. „Angesichts unserer Befunde sollte bei der Umsetzung darauf geachtet werden, dass die unterschiedlichen Bedarfe der Leistungsberechtigten breit abgedeckt werden können“, so IAB-Forschungsbereichsleiter Joachim Wolff.

Die Studie basiert auf der Panelbefragung „Lebensqualität und Teilhabe“, in deren ersten Welle insgesamt 5.444 Geförderte der beiden 2019 neu eingeführten Förderinstrumente „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ und „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ befragt wurden. Die Studie ist abrufbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2022/kb2022-23.pdf. Ein begleitendes Interview dazu finden Sie unter: https://www.iab-forum.de/die-gefoerderten-erteilen-dem-coaching-eine-gute-note.

Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 13.12.2022

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Anlässlich der Verhandlungen zur sog. „Instrumentalisierungsverordnung“ im europäischen Rat am 08.12.2022 stellen sich über 30 Organisationen aus dem Fluchtbereich gegen die Einführung des Konzepts der Instrumentalisierung und seine Kodifizierung im EU-Recht. Die AWO ist Mitglied des Bündnisses.

Derzeit steht ein Gesetzesvorschlag der EU-Kommission im europäischen Rat zur Verhandlung, der es Mitgliedstaaten erlauben soll, von geltendem EU-Asylrecht substanziell abzuweichen und die Rechte von Schutzsuchenden erheblich einzuschränken.

Die Instrumentalisierungsverordnung droht an den Außengrenzen den schon bestehenden Ausnahmezustand rechtlich zu zementieren. Das können und wollen wir nicht hinnehmen. Europäisches Recht muss wieder angewendet werden – die vorgelegte Verordnung verbiegt es aber und gibt so denen Recht, die es derzeit an den Außengrenzen brechen.

Sollte der Gesetzesvorschlag angenommen werden, würde das für Geflüchtete zukünftig bedeuten, dass es durch die Schließung von Grenzübergängen für sie nahezu unmöglich wird, an den Außengrenzen einen Asylantrag zu stellen. Wenn es doch jemand schafft, einen Asylantrag zu stellen, erlaubt es die Verordnung, die Menschen bis zu fünf Monate zu inhaftieren. Dies beträfe auch Traumatisierte, Menschen mit Behinderung, Familien und allein fliehende Kinder. An den Grenzen würde dies faktisch zu menschenunwürdigen Bedingungen führen, wie auf den griechischen Inseln und anderswo häufig genug gesehen.

Die Einschränkung der Grundrechte der von dem Vorschlag betroffenen Menschen ist so weitreichend, dass das Recht auf Asyl, ein faires Verfahren und angemessene, menschenwürdige Aufnahme insgesamt zur Disposition gestellt wird. „Wenn Regierungen von Drittstaaten oder nichtstaatliche Akteur*innen zu politischen Zwecken Schutzsuchende benutzen, darf die EU diese nicht „instrumentalisieren“. Ihre Rechte einzuschränken ist geradezu zynisch“, so Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes. „Die Absenkung der Asylstandards und die Erschwerung des Zugangs zu internationalem Schutz lehnen wir entschieden ab.“

Unter den zeichnenden Organisationen sind neben der AWO u.a. Diakonie, Pro Asyl, Amnesty International und Brot für die Welt.

Die gesamte Stellungnahme hier zum Download (PDF): https://awo.org/sites/default/files/2022-12/Gemeinsamens-Statement-gegen-die-Instrumentalisierungsverordnung_5.12.2022_0.pdf

Hintergrund:

Das Gesetzesvorhaben sieht unter gewissen Umständen erhebliche Verschlechterungen für Schutzsuchende vor: Es gälte in  Situationen, in denen ein Drittstaat oder ein nichtstaatlicher Akteur Reisen von Drittstaatsangehörigen “instrumentalisiert“, um die Union oder einen Mitgliedstaat zu destabilisieren, auch dann, wenn mit dieser Handlung ein solche Destabilisierung nur drohen könnte. Träte ein solcher Fall ein, hätte der Mitgliedsstaat vier Wochen Zeit, einen Asylantrag zu registrieren, alle Asylanträge im Grenzverfahren zu bearbeiten und materielle Leistungen laut Aufnahmebedingungen‐Richtlinie auszusetzen. Stattdessen würden nur noch die „Grundbedürfnisse“ der Schutzsuchenden gewährt. Anlass dafür sind die Geschehnisse an der Polnisch-Belarussischen Grenze, wo die belarussischen Grenzbehörden versuchten, rund 4.000 Schutzsuchende, v.a. aus dem Irak, Syrien und Afghanistan, gewaltsam  über die Grenze nach Polen zu ‚pushen‘.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 06.12.2022

30 Initiator*innen, überwiegend aus der Gesundheitsversorgung, haben ein Positionspapier veröffentlicht mit der Forderung der schnellen Umsetzung des Koalitionsvorhabens, Sprachmittlung in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen bzw. als Leistung des SGB V aufzunehmen. Auch die AWO hat das Positionspapier des Bündnisses Sprachmittlung mitunterzeichnet.

Die Aufnahme von Sprachmittlungsleistungen in den Katalog der Gesetzlichen Krankenkassen bzw. in das SGB V wurde bereits in den letzten Jahren von verschiedenen Fachverbänden und Gremien gefordert. Das jetzt veröffentlichte Positionspapier konkretisiert diese Forderung. Dazu erklärt Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes: „Die AWO begrüßt ausdrücklich, dass es zukünftig einen gesetzlichen Anspruch auf Übernahme von Dolmetscher*innen-Kosten im SGB V geben wird. Das ist ein wichtiges Signal und wird auch vielen psychisch kranken Menschen mit geringen deutschen Sprachkenntnissen den Weg zu einer Behandlung erleichtern, weil die Sprache nun einmal ein zentraler Bestandteil bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen ist.“

Empirisch sind die negativen Auswirkungen von Sprachbarrieren in der Gesundheitsversorgung sowie auch umgekehrt der positive Einfluss von Sprachmittlung längst belegt. Der jedoch fehlende rechtliche Anspruch auf Sprachmittlung im Gesundheitswesen und die aktuelle Kostenübernahme-Regelung verfestigen die strukturelle Benachteiligung von Menschen mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen und sind damit unter dem Gesichtspunkt des strukturellen Rassismus zu betrachten. Der Behebung des Problems der Sprachbarrieren widmen sich bundesweit bereits verschiedene Anbieter*innen und Sprachmittlungsnetzwerke, doch die fehlende Finanzierung führt nach wie vor dazu, dass in der Gesundheitsversorgung Kompromisslösungen gefunden werden, die weder für Mitarbeitende noch Patient*innen sinnvoll sind und zahlreiche negative Folgen mit sich bringen. Das Bündnis fordert daher in elf Punkten die umfangreiche Finanzierung von Sprachmittlung sowie u. a. konkrete Regelungen zur Umsetzung im medizinischen Alltag.

Zur Kurzversion des Positionspapiers:

https://awo.org/sites/default/files/2022-12/Positionspapier-Buendnis-Sprachmittlung_Kurzversion_finalisiert_30112022…_0.pdf

Zur Langversion des Positionspapiers:

https://awo.org/sites/default/files/2022-12/Positionspapier-Buendnis-Sprachmittlung_Langversion_finalisiert_30112022…_0.pdf

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 05.12.2022

Anlässlich der Sonder-Verkehrsminister*innenkonferenz (VMK) am 29.11. fordert das Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende ein bundesweit gültiges Sozialticket für maximal 29 Euro. Dieses soll das Deutschlandticket ergänzen und sich speziell an einkommensschwache Haushalte richten. „Ohne eine zusätzliche soziale Lösung verspielen Bund und Länder die Chance, mit dem Deutschlandticket einen echten Beitrag für nachhaltige Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe zu leisten“, so die Bündnisvertreter*innen einstimmig. „Die Verkehrs- und Sozialressorts der Länder sind in der Pflicht, für mehr soziale Gerechtigkeit durch Mobilität zu sorgen.“

Das Deutschlandticket ist grundsätzlich ein wichtiger Schritt für die dringend notwendige Mobilitätswende. Der geplante Standardpreis für 49 Euro liegt aber weit über dem, was für viele bezahlbar ist. „Gerade Menschen mit geringem Einkommen brauchen jedoch angesichts der beispiellosen Inflation gezielte finanzielle Entlastung“, so das Bündnis. Das 9-Euro-Ticket hat gezeigt, dass ein einfaches und günstiges ÖPNV-Ticket einen wichtigen Beitrag leistet, Mobilitätsarmut zu beseitigen – denn nachhaltige Mobilität darf keine Frage des Einkommens sein und nicht an Stadt-, Kreis- oder Ländergrenzen enden. Regionale Angebote, wie das Berliner Sozialticket für 9 Euro, werden als zusätzliche Entlastung begrüßt.

Um dem Anspruch der Barrierefreiheit gerecht zu werden und somit Teilhabe insbesondere für Senior*innen, Menschen mit Behinderungen und Armutsbetroffene zu ermöglichen, müssen die Tickets sowohl digital als auch analog am Automaten oder Schalter zu kaufen sein – und zwar jederzeit, monatlich und nicht nur im Abonnement.

Das Bündnis kritisiert, dass Bund und Länder noch nicht genug Geld für das Deutschlandticket bereitgestellt haben, damit keine Linien gestrichen, keine Ticketpreise erhöht und keine Löhne gekürzt werden. Abschließend erklärt das Bündnis: „Eine sozialverträgliche Mobilitätswende erfordert massive und dauerhafte Investitionen in Personal und Infrastruktur. Nur so kann das Deutschlandticket gleichermaßen zu einem Erfolgsprojekt in städtischen und bislang schlecht angebundenen ländlichen Gegenden werden.“

Das Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende bündelt die Expertise aus Gewerkschaften, Sozial-, Wohlfahrts- und Umweltverbänden sowie der Evangelischen Kirche, um zusammen die Transformation der Mobilität in Deutschland zu unterstützen. Gemeinsam vertritt das Bündnis viele Millionen Mitglieder und bietet eine Plattform für die Fragestellungen rund um eine soziale und ökologische Mobilitätswende. Das Bündnis wird gefördert und unterstützt durch die Stiftung Mercator

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 27.11.2022

Die digitale Transformation der Arbeitswelt bedeutet für viele Beschäftigte stärkere Belastungen. Das hat die repräsentative Beschäftigtenbefragung Index Gute Arbeit 2022 des Deutschen Gewerkschaftsbundes ergeben, die heute in Berlin vorgestellt wurde.

40 Prozent der Beschäftigten fühlen sich durch die Digitalisierung ihrer Tätigkeit stärker belastet. 46 Prozent gaben an, dass durch Multitasking Anforderungen gewachsen sind; mehr als ein Drittel (33 Prozent) sehen sich bei der Arbeit stärker überwacht. Zudem steigen für zwei Drittel der Beschäftigten die Anforderungen an ihre Qualifikation. Über bessere Arbeitsbedingungen durch Digitalisierung berichtet hingegen nur ein kleinerer Anteil der Beschäftigten. So hat sich zum Beispiel für knapp ein Viertel (23 Prozent) der Befragten durch digitale Arbeitsmittel der Entscheidungsspielraum bei der eigenen Tätigkeit vergrößert.

„Die Ergebnisse der Befragung sind ein Alarmsignal. Die Potenziale der Digitalisierung werden viel zu wenig genutzt“, schlussfolgerte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi. „Digitalisierung soll Unterstützung und Erleichterung sein, statt Beschäftigte zu belasten, Stress zu erzeugen und so das Risiko für psychische Erkrankungen zu erhöhen.“ Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels könne sich Deutschland das nicht leisten. Lösung für das Problem sei mehr Mitbestimmung: „Die starke Beteiligung von Arbeitnehmer*innen ist der Schlüssel, um die Arbeitswelt nachhaltig, gesund und transparent zu digitalisieren. Die Beschäftigten sind schließlich Expert*innen für ihre tägliche Arbeit und auch ihr Wohlbefinden,“ sagte Fahimi.

Die Digitalisierung ist laut der DGB-Umfrage inzwischen selbstverständlich im Arbeitsleben angekommen. 83 Prozent der Beschäftigten nutzen bei ihrer Arbeit digitale Arbeitsmittel – am häufigsten verbreitet ist die digitale Kommunikation (79 Prozent). Immerhin ein Fünftel (21 Prozent) arbeitet mit Künstlicher Intelligenz.

„Corona hatte einen regelrechten Digitalisierungsschub zur Folge“, erklärte Fahimi weitere Ergebnisse der Studie. Eng verbunden sei dies mit der Ausbreitung mobiler Arbeit: Die Mehrheit der Beschäftigten (56 Prozent) nutzen inzwischen regelmäßig Videokonferenzen. Dabei zeigt sich, dass die neuen Kommunikationsmöglichkeiten im Homeoffice oder bei mobiler Arbeit zwar effizient sind, aber für viele Beschäftigte mit Arbeitsverdichtung einhergehen: Wenn Videokonferenzen intensiv genutzt werden, berichten drei Viertel (74 Prozent) von einer wachsenden Zahl an Besprechungen, 26 Prozent sind (sehr) häufig mit mehreren pausenlos aufeinanderfolgenden Videokonferenzen konfrontiert.

Die Ergebnisse des DGB-Index Gute Arbeit zeigen auch den großen Stellenwert von Mitbestimmung und Beteiligung für bessere Arbeitsbedingungen. „Wo es einen Betriebsrat gibt, gibt es viel seltener Überwachung der Beschäftigten durch digitale Technik“, erläuterte Fahimi. Trotzdem sei die direkte Beteiligung der Arbeitnehmer*innen an der digitalen Transformation ihrer Arbeit gering ausgeprägt. Lediglich ein Viertel (26 Prozent) kann die Veränderungen am eigenen Arbeitsplatz nachhaltig beeinflussen. Sind Beteiligungsmöglichkeit vorhanden, wird Digitalisierung deutlich positiver bewertet: Beschäftigte mit Einfluss berichten über größere Entscheidungsspielräume, weniger digitale Überwachung und Kontrolle und über eine bessere Steuerung der Arbeitsbelastung.

Zum DGB-Index Gute Arbeit

Mit der repräsentativen Befragung „DGB-Index Gute Arbeit“ werden seit 2007 einmal im Jahr abhängig Beschäftigte telefonisch zur Qualität ihrer Arbeitsbedingungen interviewt. Die Ergebnisse spiegeln die Sicht der Beschäftigten auf ihre Arbeitsbedingungen wider. 2022 wurden bundesweit 6.689 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer*innen aller Branchen, Berufe, Einkommens- und Altersgruppen, Regionen und Betriebsgrößen befragt.

Die Befragung fand im Zeitraum von Januar bis Juni 2022 statt. Schwerpunktthema war die Digitale Transformation der Arbeitswelt.

Weitere Informationen: www.dgb-index-gute-arbeit.de

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand vom 01.12.2022

Zur aktuellen Debatte über die Erleichterung der Einbürgerung erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:

„Angesichts des dramatischen Arbeitskräftemangels sollten wir jetzt die Chance nutzen und die Einbürgerung endlich erleichtern. Rückwärtsgewandte Debatten führen nur zu Verunsicherung bei den Menschen, die wir als Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen möchten. Es geht aber um viel mehr als um potenzielle Arbeitskräfte: Menschen, die schon viele Jahre hier leben und zu wirtschaftlicher Prosperität und zur Finanzierung des Sozialstaats längst beitragen, haben die staatsbürgerschaftlichen Rechte verdient. Einbürgerung stärkt die Demokratie, ermöglicht bessere gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten und damit die Identifikation mit diesem Land. Nun muss es darum gehen, dass Deutschland ein modernes Einwanderungsland wird und Vielfalt als Chance nutzt. Wichtige Schritte sind dabei der Abbau bürokratischer Hürden bei der Einbürgerung wie bei der Arbeitserlaubnis und eine erheblich beschleunigte Bearbeitung von Anträgen. Deutschland ist im europäischen Vergleich bereits jetzt schon Nachzügler bei der Einbürgerung.“

Hintergrund

Rund fünf Millionen Menschen leben dauerhaft und schon viele Jahre ohne deutschen Pass in Deutschland und damit ohne volle Teilhabemöglichkeiten. Deutschlands Einbürgerungsquote ist im europäischen Vergleich niedrig. Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht gilt als modernisierungsbedürftig, der Wechsel vom Abstammungs- zum Geburtsortsprinzip ist bislang nur ansatzweise vollzogen. Viele Kinder werden in Deutschland als Ausländer:innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit geboren und wachsen mit eingeschränkten Rechten und Aufenthaltsunsicherheit auf.

Im Koalitionsvertrag von 2021 nimmt unter den migrationspolitischen Vorhaben die Einbürgerungspolitik eine prominente Stellung ein. Die Diakonie hat dieses Vorhaben begrüßt. Die Migrationsfachdienste der Diakonie sind in ihrer Praxis täglich mit Einbürgerungsfragen konfrontiert und kriegen die Enttäuschung vieler Einbürgerungswilliger über lange Wartezeiten sowie bürokratische Hemmnisse bei ihren Anträgen mit. Ohne deutschen Pass gibt es keine Aufenthaltssicherheit und damit ist keine vollständige soziale und politische Teilhabe möglich.

Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht war 2000 nach großem Streit und einer fragwürdigen Unterschriftenkampagne nur unzureichend reformiert worden.

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 28.11.2022

Inflation, wachsende Armut, die Versorgung von Geflüchteten – das deutsche Gesundheitssystem ist den aktuellen Herausforderungen nicht gewachsen. Davor warnt eine zivilgesellschaftliche Allianz anlässlich des heutigen Welttags der allgemeinen Gesundheitsversorgung.

Die Bundesregierung muss zügig Maßnahmen ergreifen, um Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Deutschland zu gewährleisten und diskriminierende Hürden abzubauen. Das fordern die NGO Ärzte der Welt, die Diakonie Deutschland und die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe gemeinsam mit der neu gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft Anonymer Krankenschein- und Clearingstellen (BACK).

„Deutschland stellt sich als Musterbeispiel dar, aber immer noch können Hunderttausende notwendige medizinische Leistungen nicht in Anspruch nehmen“, kritisiert Robert Limmer von der Clearingstelle München.

Mitarbeitende in Anlaufstellen für Menschen ohne Krankenversicherung erleben täglich die Auswirkungen der zahlreichen Barrieren: „Ich habe zum Beispiel schwangere Frauen beraten, die erst kurz vor der Geburt das erste Mal von einer Gynäkologin untersucht wurden. Diese Situation birgt eine große Gefahr für Mutter und Kind“, sagt Nele Wilk von der Clearingstelle Rheinland-Pfalz.

Häufig suchen Geflüchtete, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus sowie erwerbslose oder prekär beschäftigte Menschen aus andern EU-Ländern Unterstützung bei den Anlaufstellen. Aber auch zahlreiche deutsche Staatsbürger*innen, die sich vor allem die Beiträge der privaten Krankenversicherung nicht mehr leisten können, sind darunter.

Offizielle Daten, wer in Deutschland nicht krankenversichert ist, sind unzureichend. Zum besseren Verständnis des Problems will Ärzte der Welt mit seinem heute erscheinenden Gesundheitsreport beitragen. „60 Prozent der Patient*innen haben angegeben, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten darauf verzichtet haben, eine Arztpraxis oder Klinik aufzusuchen, obwohl sie krank waren. Bei obdachlosen Patient*innen waren das über 80 Prozent“, sagt Ärzte der Welt-Referentin Janina Gach.

Zahlreiche ehrenamtlich getragene medizinische Versorgungsprojekte sowie von Kommunen und Ländern eingerichtete Clearingstellen versuchen, die klaffende Lücke im deutschen Gesundheitssystem notdürftig zu schließen. Doch sie arbeiten am Rande ihrer Kapazitäten.

„Jeder Mensch muss sich darauf verlassen können, dass er Zugang zu medizinischer Versorgung bekommt. Gesundheit ist ein Menschenrecht und das muss in Deutschland für alle hier lebenden Menschen gelten – ohne Einschränkungen“, sagt Maike Grube, Referentin für gesundheitliche Versorgung der Diakonie Deutschland.

Angesichts der sich zuspitzenden Lage fordern die Organisationen und Verbände die Bundesregierung auf, endlich zu handeln, und folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung abschaffen, Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung für alle
  • Mindestbeitragssatz zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung für einkommensschwache Personengruppen senken
  • Übermittlungspflicht nach § 87 Aufenthaltsgesetz abschaffen
  • EU-Bürger*innen im Bezug von Sozialleistungen gleichbehandeln und Leistungsausschluss abschaffen
  • Umfassende, barrierearme Gesundheitsversorgung für Geflüchtete
  • Bürokratische Hürden beim Zugang zu gesundheitlicher Versorgung abschaffen, barrierearme Informationen bereitstellen
  • Recht auf professionelle Sprachmittlung im Gesundheitssystem und Finanzierung dieser
  • Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung im Gesundheitswesen und bei Behörden
  • Solange der diskriminierungsfreie Zugang nicht für alle gesichert ist:
  • Clearingstellen einrichten und finanzieren
  • Finanzierungsmöglichkeiten medizinischer Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz einrichten

Hintergrund:

Seit Jahrzehnten bemühen sich zivilgesellschaftliche Organisationen, Menschen ohne Krankenversicherung zu versorgen. Zum großen Teil wird diese Leistung durch ehrenamtlich tätiges medizinisches Personal erbracht. In den vergangenen Jahren haben zudem einige Länder und Kommunen Clearingstellen eingerichtet. Diese unterstützen Menschen dabei, in eine Krankenversicherung aufgenommen zu werden oder zu klären, wie die Kosten für eine Behandlung gedeckt werden können. Indem die Clearingstellen anonymisierte Behandlungsscheine ausstellen, können sie kurzfristig Zugang zum Gesundheitssystem ermöglichen. Clearingstellen sind bisher aber noch nicht flächendeckend eingerichtet worden und sind nicht für alle Ratsuchenden in erreichbarer Nähe. Zudem existieren weder einheitliche Standards noch eine ausreichende und langfristige Finanzierung.

Weiterführende Links:

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., Ärzte der Welt e. V., Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und Bundesarbeitsgemeinschaft Anonymer Krankenschein- und Clearingstellen (BACK) vom 12.12.2022

Mehr als eine Viertelmillion Menschen in Deutschland haben keinen Mietvertrag und kein eigenes Zuhause. Das geht aus dem heute vom Bundessozialministerium veröffentlichten ersten Wohnungslosenbericht hervor. Sie sind wohnungslos untergebracht, sie leben verdeckt wohnungslos bei Freundinnen und Bekannten oder ohne jede Unterkunft auf der Straße. Die Diakonie Deutschland und der Evangelische Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e.V. (EBET) fordern die Bundesregierung angesichts der großen Wohnungsnot auf, endlich wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention von Wohnungslosigkeit auf den Weg zu bringen.

„Wenn die Ampelkoalition jetzt nicht schnell handelt, wird sie an ihren eigenen Ansprüchen, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden, garantiert scheitern“, sagt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Der Wohnungslosenbericht liefere wichtige Erkenntnisse zu Umfang und Lebensumständen wohnungsloser Menschen. Allerdings sei die Dunkelziffer tatsächlich wohnungsloser Menschen noch um einiges höher. „Es werden nicht alle Wohnungslose aus den genannten Gruppen erfasst und andere werden nicht als wohnungslos gezählt, die es aber sind: Frauen in Frauenhäusern, Menschen in Haftanstalten oder geflüchtete Menschen mit anerkanntem Bleiberecht, die in Asylbewerberunterkünften wohnen müssen, weil sie keine eigene Wohnung finden“, so Loheide.

Die akute Wohnungsnot – insbesondere in Großstädten – sei bekannt. „Es fehlen vor allem kleine und günstige Wohnungen sowie bezahlbare Wohnungen für Familien bzw. Alleinstehende mit einem mehreren Kindern. Erst mit einer eigenen Wohnung können Menschen ein Zuhause finden. Der Staat muss diejenigen unterstützen, die auf dem freien Wohnungsmarkt kaum eine Chance haben“, so Dr. Jens Rannenberg, Vorsitzender des EBET. Der von der Bundesregierung angekündigte „Nationale Aktionsplan zur Überwindung der Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030″ müsse nun schnell entwickelt und umgesetzt werden. „Damit der Plan Wirkung zeigt, müssen alle wichtigen Akteurinnen und Akteure in die Entwicklung und Ausgestaltung einbezogen werden: Wohnungslose und ehemals wohnungslose Menschen als Expertinnen und Experten in eigener Sache wie auch Länder und Kommunen, die vor Ort verpflichtet sind, bezahlbaren und angemessenen Wohnraum zu schaffen und Wohnungsverluste zu verhindern. Um das Grundrecht auf Wohnen zu verwirklichen, ist ein Neustart für eine soziale Wohnungspolitik nötig“, betont Diakonie-Vorständin Loheide.

Hintergrund:

Mit dem Wohnungslosenbericht wird der Auftrag des Wohnungslosenberichterstattungsgesetzes (WoBerichtsG) umgesetzt, Informationen und Analysen über Umfang und Struktur von Wohnungslosigkeit vorzulegen. Im Mittelpunkt stehen drei Gruppen wohnungsloser Personen: Die untergebrachten wohnungslosen Menschen, über die das Statistische Bundesamt erstmals zum Stichtag des 31. Januar 2022 eine Statistik erhoben hat, sowie die Gruppen der verdeckt Wohnungslosen und die der Straßenobdachlosen, zu denen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Forschungsauftrag an das Konsortium GISS/Kantar vergeben hat, um mittels einer Stichprobe entsprechende Informationen zu gewinnen.

Laut GISS/Kantar leben in Deutschland etwa 37.400 Menschen ohne jede Unterkunft auf der Straße. 49.300 Menschen sind verdeckt wohnungslos, haben also vorübergehend Zuflucht bei Bekannten oder Familienangehörigen gesucht. 178.100 Menschen waren zum Stichtag 31.01.2022 institutionell untergebracht. Damit sind also etwa doppelt so viele wohnungslose Menschen institutionell untergebracht wie auf der Straße lebend oder verdeckt wohnungslos (rund 86.700). Die Gesamtzahl der 262.600 wohnungslosen Menschen ergibt sich aus der Summe der institutionell untergebrachten Menschen, der verdeckt wohnungslosen Menschen, der auf der Straße lebenden Menschen sowie rund 6.600 Kinder, die nicht selbst befragt wurden, aber mit ihren Eltern zusammen auf der Straße oder in verdeckter Wohnungslosigkeit leben. Hiervon müssen 8.800 Personen abgezogen werden, die sonst doppelt gezählt würden.

Wohnungslosenbericht 2022 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: https://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Meldungen/2022/bundesregierung-legt-ersten-wohnungslosenbericht-vor.html

Wissen Kompakt Obdachlosigkeit: https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/obdachlosigkeit

Themenschwerpunkt zu Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit: https://www.diakonie.de/wohnungslosigkeit 

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., Evangelischer Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e.V. vom 08.12.2022

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) setzt sich in seinem Policy Paper für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches (StGB) ein, das sich am reproduktiven Selbstbestimmungsrecht und der körperlichen Integrität schwangerer Personen orientiert.

Der djb kritisiert die defizitäre Versorgungslage ungewollt schwangerer Personen in Deutschland und veranschaulicht, wie restriktiv das deutsche Recht im europäischen Vergleich ausfällt. Anlass für das Policy Paper ist die derzeitige internationale Diskussion um die Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen, die durch das Urteil des US-Amerikanischen Supreme Courts Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization ausgelöst wurde. Auf nationaler Ebene zeigt sich zudem der Wille der Bundesregierung über eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs mit Blick auf eine Stärkung reproduktiver Rechte nachzudenken, wie der Ampel-Koalitionsvertrag zeigt. So ist die Einrichtung einer Kommission geplant, die sich mit einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches befassen soll.

Derzeit stellt das deutsche Recht den Schwangerschaftsabbruch in § 218 StGB grundsätzlich unter Strafe, bleibt jedoch unter bestimmten Bedingungen straffrei. Eine Regelung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs mit Mitteln des Strafrechts stößt aus heutiger Perspektive auf erhebliche Bedenken. Der djb setzt sich für eine Regelung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches ein und plädiert dafür, die §§ 218 ff. aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Stattdessen sieht er eine Fristenlösung im Schwangerschaftsabbruch (SchkG) vor, nach der selbstbestimme Schwangerschaftsabbrüche ausnahmslos bis zur Überlebensfähigkeit des Fötus erlaubt sein sollten. Der djb schlägt für Schwangerschaftsabbrüche, die gegen oder ohne den Willen der schwangeren Person vorgenommen werden, einen eigenen Tatbestand im StGB vor (etwa in § 226b StGB). Außerdem macht sich der djb für die Verbesserung der Versorgungslage ungewollt schwangerer Personen stark, darunter die Verankerung eines Rechts auf Beratung statt der momentanen Beratungspflicht und die Übernahme der Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch von der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Schwangerschaftsabbruch sollte zum verpflichtenden Programm der medizinischen Ausbildung im Studium sowie der Weiterbildung für die gynäkologische Facharztausbildung werden.

Eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs ist für den djb auch unter Berücksichtigung der neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung angezeigt. Die strafrechtliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs gegen oder ohne den Willen der schwangeren Person ist dagegen weiterhin geboten.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb) vom 08.12.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk appelliert an Bund, Länder und Kommunen, ihre Bemühungen zur Bekanntmachung der Kinderrechte in Deutschland voranzutreiben. Dafür braucht es aus Sicht der Kinderrechtsorganisation eine Bildungsoffensive in Sachen Kinderrechte, die Kinder und Erwachsene erreicht. Zentrale Rollen sollten dabei sowohl die Familien als auch die Schulen spielen.

Eine Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerkes unter Eltern von Grundschulkindern hat ergeben, dass nur 7 Prozent der Befragten durch die Schule ihres Kindes über Kinderrechte und deren Umsetzung im Schulalltag informiert werden. Gleichzeitig äußerten 83 Prozent den Wunsch, mehr über die Umsetzungsmöglichkeiten der Kinderrechte sowohl in der Schule als auch zu Hause zu erfahren. Nach möglichen Informationsmaterialien für Eltern zu Kinderrechten befragt, wünschen sich 59 Prozent der Eltern ein Kinderbuch zum gemeinsamen Lesen mit ihrem Kind und 53 Prozent kurze Informationsbroschüren mit Infos zu Kinderrechten. 30 Prozent sprechen sich für Schulveranstaltungen für Eltern, beispielsweise Elternabende zu Kinderrechten aus. Ebenfalls 30 Prozent wünschen sich kurze Videos zu Kinderrechten zum Beispiel auf YouTube, und 27 Prozent digitale Veranstaltungsangebote der Schulen für Eltern.

Die Eltern wurden auch gefragt, welche Angebote zu Kinderrechten sie sich für die Schule ihres Kindes wünschen. 73 Prozent plädieren hier für Projekttage oder Projektwochen zu Kinderrechten innerhalb des Unterrichts, 40 Prozent für Beteiligungsprojekte der Schülerinnen und Schüler. 87 Prozent der Eltern (46 Prozent ja, 41 Prozent vielleicht) könnten sich vorstellen, sich an solchen Angeboten auch aktiv zu beteiligen, beispielsweise durch ehrenamtliche Begleitung. Die Erhebung erfolgte als Pilotbefragung über Kooperationsschulen des Deutschen Kinderhilfswerkes und hatte zum Ziel, Bedarfe von Eltern hinsichtlich kinderrechtebezogener Bildungsarbeit aufzuzeigen. Auch wenn die Befragung unter Eltern nicht repräsentativ ist, zeigt sie doch ein Stimmungsbild, was sich Eltern von Grundschulkindern in Sachen Kinderrechte wünschen.

„Wir müssen das Wissen über Kinderrechte und ihre Bedeutung bei den Eltern und Erziehungspersonen deutlich erhöhen. Kinderrechte dürfen nicht nur dann ein Thema im Unterricht sein, wenn es um Kinderarbeit in Entwicklungsländern geht. Alle Kinder in Deutschland haben Rechte, die nicht umgesetzt werden, das gilt für den Bereich der Mitbestimmung genauso wie für soziale Sicherheit. Deshalb sollte die Kinderrechtevermittlung an Schulen deutlich ausgebaut werden. Nur, wer seine Rechte kennt, kann diese auch einfordern. Deshalb gilt es, Schulteams und Fachkräften konkrete Praxismaterialien und Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen. Zudem ist es wichtig, Eltern bei der Gestaltung eines kinderrechtlich orientierten Schulalltags auch im Sinne einer Verantwortungsübernahme mehr als bisher einzubeziehen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Erst vor wenigen Wochen hatte sich der UN-Kinderrechtsausschuss bei der Frage der Bekanntmachung der Kinderrechte in Deutschland besorgt darüber gezeigt, dass der Kenntnisstand der Kinder über die UN-Kinderrechtskonvention relativ gering ist. Deshalb hat der UN-Ausschuss der Bundesrepublik Deutschland empfohlen, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Rechte der Kinder fortzusetzen und die aktive Beteiligung von Kindern an öffentlichen Aktivitäten zu fördern.

Anregungen und Praxismaterialien für schulische Projekttage und Projektwochen zu Kinderrechten finden sich auf der Webseite www.schulsache.de des Deutschen Kinderhilfswerkes. Für Eltern und Erziehungspersonen, die sich individuell mit dem Thema Kinderrechte beschäftigen möchten, stellt das Deutsche Kinderhilfswerk Materialien auf www.dkhw.de bereit. Kindgerechte Informationen sind auf www.kindersache.de erhältlich.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 13.12.2022

Ein Bündnis von 12 Verbänden und Organisationen hat in einem Offenen Brief an Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder einen Schutz vor Energiesperren und vor Wohnungsverlust gefordert. In dem Brief begrüßen die Unterzeichnenden die Maßnahmen der Bundesregierung zur Abfederung sozialer Härten. Gleichzeitig schreiben sie: „Allerdings haben wir Sorge, dass die verschiedenen auf den Weg gebrachten Maßnahmen nicht ausreichen oder administrativ zu spät kommen können, um Mieter*innen vielerorts vor einer Überlastung durch die Energiekosten zu schützen und ihnen Sicherheit zu geben. Wir halten ein gesetzliches Kündigungsmoratorium für Mietverträge und ein Verbot von Energiesperren als Sofortmaßnahme für dringend erforderlich, um Sicherheit für die Menschen zu schaffen. Es geht sozusagen um ein letztes Auffangnetz für den Fall, dass vorgelagerte Maßnahmen nicht oder noch nicht greifen werden.“

„Viele Familien und ihre Kinder haben Angst vor der nächsten Heizkosten- und Stromrechnung. Die Ampelkoalition hat hier einiges auf den Weg gebracht hat, aber das reicht einfach nicht. Es muss klar sein, dass kein Kind wegen der Inflation obdachlos werden darf oder im Dunkeln sitzen muss. Viele Familien trifft jetzt die Inflation und die Energiekrise mit unfassbarer Wucht. Dadurch geraten Familien mit geringem Einkommen an oder sogar über die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten, viele sind finanziell schlicht am Ende. Die Förderung armer Familien und ihrer Kinder sowie unbürokratische Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen gehören auf der Prioritätenliste ganz nach oben“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Gerade in der kalten Jahreszeit, in der viele Menschen daheim bleiben, sind Energiesperren grausam“, gibt Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes zu bedenken. „Man stelle sich nur eine kalte Wohnung ohne Elektrizität vor, in der man sich nicht einmal einen Tee kochen kann. Das droht gerade mehr Bürgerinnen und Bürgern als jemals zuvor“, so Rosenbrock weiter. Noch schlimmer ist nur der Wohnungsverlust, meint Rosenbrock: „Seit Jahren steigen die Mieten und die Zahl der Wohnungslosen. Die sowieso schon angespannte Situation wird sich weiter verschlechtern. Der Verlust der Wohnung muss auf jeden Fall verhindert werden!“

Neben dem Paritätischen Gesamtverband haben das Deutsche Kinderhilfswerk, der Kinderschutzbund, die BAG Wohnungslosenhilfe, der Deutsche Mieterbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Volkssolidarität, die Verbraucherzentrale Bundesverband, Tafel Deutschland, Sanktionsfrei, der SoVD und der VdK den Offenen Brief unterzeichnet. Der Offene Brief zum Schutz vor Energiesperren und Wohnungskündigungen kann unter www.dkhw.de/Offener-Brief-Energiepreiskrise heruntergeladen werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 07.12.2022

Mit einem Appell für eine Kindergrundsicherung zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland und für die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz hat heute in Berlin die Online-Fachtagung „Kinderrechte für Alle?! Klassismuskritische Arbeit in Kita und Grundschule“ begonnen. Dabei wurde insbesondere betont, dass es neben einer besseren finanziellen Unterstützung von Armut betroffener Kinder und ihrer Familien auch darauf ankomme, die kulturelle Teilhabe dieser Kinder zu verbessern und ihnen mehr Chancengerechtigkeit im Zugang zu Bildungsangeboten zu garantieren. Denn Armut bedeute nicht nur, ökonomisch benachteiligt zu sein, sie führe damit einhergehend zu schlechteren Chancen auf Erfolg im Schulsystem und auf dem weiteren Bildungsweg von Kindern. Entsprechend müssen auch für das Bildungssystem längst überfällige Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine Benachteiligung von Armut betroffener Kinder und Jugendlicher abbaut. Ausgerichtet wird die Tagung vom Deutschen Kinderhilfswerk im Projekt „Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Kindesalter“, das im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert wird.

„Mein Herzensprojekt ist die Kindergrundsicherung, denn es ist schwer zu ertragen, dass in unserem Land ein Fünftel der Kinder in Armut lebt. Aber mit finanzieller Unterstützung allein lässt sich Ausgrenzung nicht beseitigen. Auch kulturelle Ausgrenzung ist ein wichtiger Faktor und vereitelt oft den sozialen Aufstieg. Deshalb ist diese Fachtagung so wichtig, die sich mit Klassismus und Ausschlussmechanismen gerade in Kitas und Grundschulen befasst. Wichtig ist zudem, dass Kinder ihre Rechte kennen und den Raum haben sie wahrzunehmen. Das ist auch in diesem Jahr, in dem wir 30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland feiern, nach wie vor nötig. Deshalb gehören die Kinderrechte ins Grundgesetz“, sagte Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einem Grußwort zu Beginn der Fachtagung.

„Die Corona-Krise hat zu einer weiteren Verschärfung der Kinderarmut in Deutschland beigetragen. Viele Unterstützungsangebote für arme Kinder und ihre Familien fielen weg, wodurch Bildungsungleichheiten umso offensichtlicher hervortraten. Aktuell treiben der Krieg in der Ukraine sowie eine steigende Inflationsrate die Preise für Energie und Lebensmittel in ungeahnte Höhen, wodurch sich die ohnehin schon prekäre Lage der Betroffenen noch einmal verschlechtert. Doch Armut bedeutet nicht nur, ökonomisch benachteiligt zu sein, sie erschwert auch den Zugang zum kulturellen Leben und zu digitalen Teilhabemöglichkeiten, und sie führt zu schlechteren Chancen auf Erfolg im Schulsystem und auf dem weiteren Bildungsweg von Kindern. Dies stellt einen deutlichen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der UN-Kinderrechtskonvention dar, das besagt, dass alle Kinder unabhängig ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder ihres sozialen Status die gleichen Rechte besitzen“, betonte Kai Hanke, stellvertretender Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Die Online-Fachtagung „Kinderrechte für Alle?! Klassismuskritische Arbeit in Kita und Grundschule“ widmet sich der Frage, welche Auswirkungen die oft fest verankerten klassistischen Strukturen sowie Diskriminierungen auf die kinderrechtebasierte Demokratiebildung in Kita, Hort und Ganztag haben und wie man dem in der pädagogischen Praxis begegnen kann: Auf welche Barrieren im Bildungssystem stoßen von sozioökonomischer Benachteiligung betroffene Kinder und ihre Familien? Wie können klassistische Diskriminierungen erkannt und Kinder gezielt geschützt werden? Welche staatlichen Hilfen gibt es und wie gerecht sind diese? Welche Rolle können digitale Medien dabei spielen? Wie können Angebote so gestaltet werden, dass sie alle Kinder erreichen? Im Rahmen der Veranstaltung werden aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse sowie Konzepte, Methoden und Erfahrungen aus der Praxis vorgestellt und vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und bildungspolitischer Entwicklungen gemeinsam mit den Teilnehmenden diskutiert.

Zur Unterstützung der Demokratiebildung in Kita, Hort und Ganztag betreibt das Deutsche Kinderhilfswerk die Website www.kompetenznetzwerk-deki.de. Auf dieser Seite präsentiert das im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ geförderte Kompetenznetzwerk „Demokratiebildung im Kindesalter“ sich und seine Arbeit und bietet vielfältige Informationsangebote für Fachkräfte der frühkindlichen Bildung und Erziehung. Auf der Website finden die Besucherinnen und Besucher umfangreiche Informationen, Empfehlungen und praxisbezogene Tipps rund um das Thema Demokratiebildung im frühkindlichen und Primarbildungsbereich. Verantwortlich für die Website sind das Deutsche Kinderhilfswerk und das Institut für den Situationsansatz (ISTA) als Träger des Kompetenznetzwerkes. Dieses wird unter dem offiziellen Fördertitel „Kompetenznetzwerk Frühkindliche Bildung und Bildung in der Primarstufe“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 24.11.2022

So lautete die Kernforderung zweier Familienforen mit queeren Familien, die der Familienbeirat im Herbst 2022 durchführte. Queere Eltern berichteten von ihren diskriminierenden Erfahrungen und forderten rechtliche Gleichstellung mit Hetero-Eltern – auch um ihre Kinder besser zu schützen.

Der Familienbeirat geht mit Berliner Familien in Austausch und möchte wissen: Wo drückt der Schuh? Welche Unterstützung benötigen Familien? Was hilft ihnen? Was wünschen sich Berliner Familien? Und was erwarten sie von der Berliner Politik?

Die beiden im September und Oktober dieses Jahres durchgeführten Familienforen fanden in Kooperation mit dem Regenbogenfamilienzentrum in Schöneberg und LesLeFam in Lichtenberg statt.

In beiden Gesprächsrunden waren vor allem soziale und strukturelle Benachteiligungen in Form von Unverständnis bis hin zu offener Diskriminierung ihrer Familienform bzw. ihres Geschlechts auf gesellschaftlicher Ebene, die Ungleichbehandlung beim Abstammungsrecht sowie demütigende Erfahrungen mit Ämtern und Behörden Thema. Nach Ansicht der anwesenden Familien kann allein die queere Community einen geschützten Raum zur freien Entfaltung von Eltern und Kindern bieten. Angebote speziell für Regenbogenfamilien sind daher in der Stadt stark nachgefragt.

Die queeren Familien wünschen sich, dass Berlin seinen Ruf als „offene Stadt“ mehr entsprechen und bei Bundesratsinitiativen zur Verbesserung der rechtlichen Situation von queeren Familien eine Vorreiter*innenrolle übernehmen sollte.

Kazım Erdoğan, Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen: „Der Familienbeirat möchte durch aufsuchende Arbeit in Erfahrung bringen, wie Familien besser geholfen werden kann. Wir gehen dafür an Orte, wo sich die Familien aufhalten: in Schulen, Kitas, Familienzentren, Elterncafés usw. Die Anregungen der Familien werden dokumentiert und an die Politik weitergegeben. Sie fließen auch in den nächsten Berliner Familienbericht ein, den der Beirat erstellt.

Auch wenn Berlin mit drei Regenbogenfamilienzentren im Bundesvergleich sehr gut ausgestattest ist, müssen viele queere Familien oft lange Fahrwege in Kauf nehmen, um ein Angebot für speziell queere Familien wahrnehmen zu können. Wir danken allen Teilnehmenden der Familienforen für den regen Austausch und den Regenbogenfamilienzentren für ihre wichtige Arbeit.“

Die einzelnen Ergebnisse der beiden Familienforen mit queeren Familien finden Sie auf der Webseite des Familienbeirats (www.familienbeirat-berlin.de):

Weitere Informationen zu den Familienforen des Berliner Beirats für Familienfragen sind auf der Webseite eingestellt.

Quelle: Pressemitteilung Berliner Beirat für Familienfragen vom 01.12.2022

Die ärztliche Versorgung ist eine grundlegende Daseinsvorsorge und muss flächendeckend auch für Kinder gewährleistet sein.

Angesichts der aktuellen Überlastung in den Kinderkliniken ruft der Familienbund der Katholiken die Politik zu schnellem Handeln auf. „Wenn Kinder wegen einer Krankheit mit unmittelbarem Handlungsbedarf nicht unmittelbar behandelt werden können, dann ist ein grundlegendes Recht nicht gewährleistet. Dass so etwas elementar zum Leben Gehörendes gerade nicht gesichert ist, erschüttert mich, und ich frage mich, warum ich keinen gesellschaftlichen und politischen Aufschrei höre“, erklärte heute Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbundes der Katholiken. „Als aufgrund von Coronainfektionen eine Überlastung der Erwachsenenstationen drohte, sah das ganz anders aus.“

 

Der Familienbund fordert neben Notfallmaßnahmen grundlegende Vorsorgemaßnahmen, um das Problem der Gesundheitsversorgung in und außerhalb der Krankenhäuser anzugehen. In den letzten 30 Jahren wurden über 30 % der Kinderintensivbetten in Deutschland und damit eine grundlegende Gesundheitsversorgung abgebaut. Zusätzlich stehen entsprechende Betten wegen Personalmangels nicht zur Verfügung. „Es ist eine gesellschaftliche Pflicht, hier hinreichende Behandlungskapazitäten vorzuhalten“, führte Hoffmann weiter aus. „Es ist ein Skandal, dass die Kindermedizin schon seit langer Zeit unterfinanziert ist.“

 

Schlechte Abrechnungssysteme mit zu niedrigen Fallpauschalen, fehlendes Personal nicht nur in der Pflege, fehlende niedergelassene Kinderärzte, fehlende Intensivbetten, der Notstand der gesundheitlichen Versorgung von Kindern und ihren Familien zeigt die Auswirkungen eines Gesundheitssystems, das nur nach wirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet ist. Das derzeitig akute Problem wirft die Frage auf, wie viel katastrophaler es in den weiteren Wintermonaten noch kommen mag.

 

„Wir haben hier ein Problem, das sowohl erwartbar als auch prophezeit war, und dennoch gab es keinerlei Vorkehrungen. Es lässt mich fragend zurück, wie wir mit unseren Kindern und unserer Zukunft umgehen“, ergänzte Hoffmann.

 

Der Familienbund fordert hier unverzügliches Handeln, denn es muss ein gemeinsames Anliegen aller sein, dass Gesundheitsvorsorge nicht nur für Erwachsene prioritär ist. Dazu gehört auch die finanzielle Aufwertung der Pflegeberufe und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Damit die Quantität und Intensität der Arbeitsbelastung abnehmen, fordert der Familienbund zudem bessere Personalschlüssel. „Die Politik muss verhindern, dass Pflegekräfte in der aktuellen Überlastungssituation den Beruf verlassen und sich die Situation weiter verschlimmert“, so Ulrich Hoffmann. Er appellierte auch an die Allgemeinheit: „Ich möchte auch zur Solidarität von uns allen aufrufen, damit Infektionsketten gebrochen werden“.

Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken – Bundesverband vom 13.12.2022

Wir warten seit einem Jahr auf die Einlösung der Versprechen aus dem Koalitionsvertrag!

Die Ampelregierung ist heute seit einem Jahr im Amt. Aber der angekündigte queerpolitische Aufbruch lässt noch auf sich warten. Dazu erklärt Henny Engels, Mitglied des Bundesvorstands des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Ein Viertel der Legislatur der Ampelregierung ist vergangen. Mit dem Koalitionsvertrag haben die Koalitionsparteien SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP einen queerpolitischen Aufbruch versprochen und zahlreiche Vorhaben zur Verbesserung der Situation queerer Menschen in Aussicht gestellt. Mit der Vorstellung des Eckpunktepapiers für ein neues Selbstbestimmungsgesetz und dem Kick-off zur Umsetzung des Aktionsplans „Queer leben“ der Bundesregierung sind die ersten Schritte getan. Außerdem hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Dienstanweisung Asyl aktualisiert und hiermit der Anwendung des sogenannten Diskretionsgebots konsequent einen Riegel vorgeschoben. Das ist erfreulich. Trotzdem ist bis heute kein einziges Gesetzesvorhaben aus dem queerpolitischen Aufbruch verabschiedet worden.

Noch immer durchlaufen trans* Menschen in Deutschland tagtäglich den pathologisierenden, diskriminierenden und teuren Prozess der Personenstandsänderung wegen des sogenannten Transsexuellengesetzes (TSG). In einer demokratischen Gesellschaft muss die Grundlage staatlichen Handelns der Schutz der persönlichen Freiheit sein und nicht eine ideologisch aufgeladene Ordnungsvorstellung über Geschlechtszugehörigkeit.

Regenbogenfamilien warten seit vielen Jahren auf eine rechtliche Gleichstellung. Fast fünf Jahre nach der #EheFürAlle und über zwei Jahre nach Einführung des dritten Geschlechtseintrags „divers“ fehlt es nun aber noch immer an den erforderlichen rechtlichen Reformen im Familien- und Abstammungsrecht. Die gesellschaftliche Anerkennung und rechtliche Absicherung der Vielfalt an gelebten Familienformen wie Zwei-Mütter-Familien, Zwei-Väter-Familien, Mehrelternfamilien oder Familien mit trans* und intergeschlechtlichen Eltern müssen angegangen werden.

Durch die aktuelle Gesetzeslage entgehen der medizinischen Infrastruktur immer noch Blutspenden von Männern, die Sex mit Männern haben! Außerdem stehen bis heute längst überfällige Reformen im Antidiskriminierungsrecht aus, wie beispielsweise der flächendeckende Ausbau und die nachhaltige Finanzierung eines Netzwerkes zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen gegen Diskriminierung.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Menschen (LSBTIQ*) warten seit einem Jahr darauf, dass die Bundesregierung ihre Versprechen umsetzt! Der Aktionsplan „Queer leben“ ist hier ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings wurden dort überwiegend Punkte erneut bekräftigt, die bereits im Koalitionsvertrag angekündigt waren. Damit der Aktionsplan auch wirklich Leben verändert, müssen die angekündigten Maßnahmen nun umgesetzt und das heißt natürlich auch finanziert werden. Dafür schlägt der LSVD die Einrichtung eines Sonderfonds vor. Denn die LSBTIQ* Community braucht nicht noch mehr Worte der Hoffnung, sondern Taten und Gesetze, die das Leben in Deutschland für alle freier und damit demokratischer gestalten.

Quelle: Pressemitteilung Lesben- und Schwulenverband (LSVD) vom 08.12.2022

pro familia fordert Bundesregierung zum Handeln auf und bietet Unterstützung an

Die Bundesregierung hat die Einsetzung einer Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin für diesen Herbst angekündigt. Nun ist das Jahr fast vorbei und die Kommission wurde noch nicht eingesetzt. pro familia fordert die Bundesregierung auf, die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung umgehend einzusetzen. Gleichzeitig weist der Verband auf die vorhandene nationale und internationale Expertise hin und bietet seine Unterstützung an.

„Die Arbeit der Regierungskommission zur reproduktiven Selbstbestimmung darf kein Selbstzweck sein“, erklärt Monika Börding, Vorsitzende des pro familia Bundesverbands. „Ihr Ziel muss sein, eine solide Grundlage für Gesetzesänderungen in dieser Wahlperiode zu erarbeiten. Wenn die Regierung Gesetzesänderungen zum Schwangerschaftsabbruch in dieser Wahlperiode erreichen will, darf sie keine Zeit verlieren, sondern muss die Kommission zügig einsetzen und ihre Arbeit umfassend unterstützen.“

Die Regierung kann dabei auf die Fachkenntnisse und Unterstützung von Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen zu den verschiedenen Aspekten der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs zählen. Institutionen der Zivilgesellschaft haben sich in den letzten Jahren intensiv mit den Problemstellungen und mit Lösungsansätzen auseinandergesetzt. Mit seinem heute veröffentlichten Policy-Paper zu einem neuen Regelungsmodell zum Schwangerschaftsabbruch leistet der Deutsche Juristinnenbund einen wichtigen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung. Aufbauend auf seine Empfehlungen von 2012 erarbeitet der pro familia Bundesverband ebenfalls eine umfassende Positionierung. Dem Beispiel anderer Regierungen folgend sollte die Bundesregierung die Weltgesundheitsorganisation bitten, den deutschen Gesetzesreformprozess durch ihre wissenschaftliche Expertise zu unterstützen.

Der §218 StGB steht aus guten Gründen auf dem Prüfstand. Die Versorgungslage zum Schwangerschaftsabbruch verschlechtert sich. Die Stigmatisierung und Kriminalisierung Schwangerer und derjenigen, die sie bei einem sicheren Schwangerschaftsabbruch unterstützen, ist nicht länger haltbar.

Es ist geplant, dass sich die Kommission auch mit der Fortpflanzungsmedizin befassen wird. Dies ist ein wichtiger Schritt, denn auf diesem Gebiet besteht erhebliche Rechtsunsicherheit und Bedarf nach einer gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung zu Regelungsoptionen.

Link zum pro familia Positionspapier zum Schwangerschaftsabbruch

Link zum pro familia Positionspapier zu Reproduktionsmedizin

Link zur Richtlinie der WHO „Abortion care guideline“ (2022)

Quelle: Pressemitteilung pro familia vom 08.12.2022

Der Bundestag hat heute beschlossen, dass der steuerliche Entlastungsbetrag für Alleinerziehende ab 2023 auf 4.260 Euro steigt. Der Finanzausschuss hatte diese Verbesse-rung für Alleinerziehende noch in das Jahressteuergesetz 2022 auf-genommen. „Ein gutes politisches Signal für Alleinerziehende, dass Politik auch ihre besondere Belastung in der Inflationskrise sieht und sie entlasten will“, betont Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV). „Auch wenn die Erhöhung besonders für Alleinziehende mit kleinen Ein-kommen eher ein Trostpflaster als ein Kühlschrankfüller ist.“
„Umso wichtiger ist, dass Familienministerin Lisa Paus heute zudem bei Twitter angekündigt hat, dass der nächste Schritt eine Umwand-lung in eine Steuergutschrift für Alleinerziehende sein soll“, unter-streicht Jaspers. „Eine Steuergutschrift wäre ein echter Fortschritt für Alleinerziehende! Denn ein Abzugsbetrag von der Steuerschuld bis hin zu einer Auszahlung würde auch Alleinerziehende mit kleinen und mittleren Einkommen gezielt unterstützen. Damit es zu keiner Schlechterstellung kommt, müsste diese an die maximale Wirkung des jetzigen Entlastungsbetrags anknüpfen und bei ca. 1.900 Euro liegen.“
„Familien mit kleinem Einkommen und somit viele Alleinerziehende und ihre Kinder treffen die steigenden Lebenshaltungspreise und Energiekosten besonders hart“, erläutert Jaspers. „Schnelle Abhilfe durch eine Steuergutschrift ist deshalb wichtig! Auch, weil das höhere Kindergeld ab 2023 im Zusammenspiel mit Unterhaltsvorschuss für viele Alleinerziehende verpufft.“

Quelle: Pressemitteilung Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) vom 02.12.2022

Kooperationsauftakt von der Familienkasse der BA und dem Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) zum Internationalen Tag der Menschenrechte

Familien stehen täglich vor den unterschiedlichsten komplexen Herausforderungen. Gerade in Zeiten finanzieller Unsicherheit durch Pandemie, Energiekrise und auch Inflation sind Familien von hohen sozialen und finanziellen Risiken betroffen – nicht nur im unteren Bereich der Einkommensverteilung. Sorgen und Nöte sind inzwischen bis weit in die Mittelschicht vorgedrungen und treffen nicht zuletzt insbesondere berufstätige Eltern und, in noch höherem Maße, allein- und getrennterziehende Berufstätige.

Mit der Kooperation zwischen der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) und dem Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) sollen alle Familien und Familienformen im Hinblick auf familienpolitische Leistungen sowie Teilhabe aktiv unterstützt und beraten werden. Ziel ist somit ein serviceorientierter, zielgruppengerechter, niederschwelliger Zugang zu den jeweiligen Leistungen durch enge Zusammenarbeit der beteiligten Akteurinnen und Akteuren und damit die Erhöhung der Inanspruchnahme der verschiedensten Familienleistungen.

Damit dies künftig gut gelingen kann, soll im Rahmen des Netzwerks an möglichst vielen Standorten und vor allem aber auch online das breite Spektrum an Hilfen für Familien und die jeweilige Expertise nach Bedarf kombiniert werden, um betroffene berufstätige Eltern zu unterstützen.

Information, zielgruppengerechte Beratung und Reduzierung von Hilfsbedürftigkeit ratsuchender Familien und Eltern unter besonderer Berücksichtigung der Belange berufstätiger Sorgeberechtigter – das ist also der Anspruch, dem sowohl die Familienkasse der BA als auch der Verband berufstätiger Mütter mit dieser Kooperation gerecht werden möchten. Die notwendige Expertise bringen beide im gegenseitigen Schulterschluss – auf Augenhöhe von Hauptamt und Ehrenamt – ein.

Um dem sozialen Bewusstsein aller Beteiligten Nachdruck zu verleihen, hat man sich für die Unterzeichnung am 09.12.2022 nicht irgendein Datum, sondern den Vortag des Internationalen Tags der Menschenrechte ausgesucht. Kinder haben ein Recht gewaltfrei und armutsfrei gesund aufwachsen zu dürfen. Kinderrechte sind Menschenrechte, das ist auch Anspruch dieser Kooperation.

Alle aktuellen Informationen rund um Kindergeld und Kinderzuschlag finden Familien online unter www.familienkasse.de.

Gemeinsames Statement von Karsten Bunk, Leiter der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Cornelia Spachtholz, Vorstandsvorsitzende des Verbands berufstätiger Mütter e.V. (VBM) und Initiatorin Equal Pension Day:

„Wir helfen Familien! Für die Familienkasse der BA ist das mehr als nur ein werbewirksamer Ausspruch. In vielen Bereichen geht das nur in einem stetig wachsenden Netzwerk von lokalen Akteurinnen und Akteuren, die das gleiche Ziel vor Augen haben. Mit der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung mit dem VBM legen wir den hierfür bereits gesetzten Grundsteinen gemeinschaftlich einen weiteren wichtigen Baustein hinzu.

Damit sind wir fachlich nicht nur deutlich breiter aufgestellt – der gegenseitige Blick über den jeweiligen Tellerrand eröffnet uns zudem viele weitere Themen und ermöglicht uns nachhaltig, voneinander und miteinander zu lernen.

Berufstätige Eltern brauchen eine gute Vereinbarkeit von Privatleben und Arbeit, Familien brauchen Infrastruktur, Zeit und Geld. Familien über ihre Ansprüche an Familienleistungen niederschwellig und barrierefrei zu informieren, ist unser gemeinsames Ziel.

Durch Kooperationen wie diese und der daraus resultierenden übergreifenden Zusammenarbeit können wir ein Zeichen setzen, wie es gelingen kann, familienrelevante Dienstleistungen zu kombinieren, zu modernisieren und weiterzuentwickeln, um auch in Zukunft in punkto Familienleistungen in Deutschland noch besser aufgestellt zu sein.“

Quelle: Pressemitteilung Verband berufstätiger Mütter e.V. vom 09.12.2022

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 12. Januar 2023

Veranstalter: Netzwerk Familien | eaf Landesverband in der Nordkirche

Ort: Berlin und Livestream

die Transformation stellt den auf Erwerbsarbeit ruhenden Sozialstaat auf die Probe und lässt immer wieder den Ruf nach einem Grundeinkommen aufkommen. Auch in der jüngsten Debatte um das Bürgergeld spielte es eine Rolle.

Welche Lücken und Probleme im bestehenden Sozialsystem, welche Sehnsüchte werden durch das Grundeinkommen angesprochen? Welche Probleme und Fallstricke birgt es? Welche anderen Möglichkeiten haben wir, gute Arbeit und verlässliche soziale Sicherheit im Wandel zu gestalten?

Diese Fragen wollen wir mit Expert*innen aus Wissenschaft und IG Metall diskutieren.

Nähere Informationen und eine Möglichkeit zur Anmeldung für eine Teilnahme vor Ort finden Sie hier: https://www.igmetall.de/download/20221125_einladung_arbeit_einkommen_grundeinkommen_final_ac96ba259fd61327c5a919122be886265ba7aba7.pdf

ANMELDUNG (nur nötig für eine Teilnahme vor Ort (kostenfrei)) bitte bis 06.01.2023 unter https://GesellschaftspolitischeReihe.igmetall.events

Termin: 16. Januar 2023

Veranstalter: SOS-Kinderdorf e.V.

Ort: Berlin

obwohl Deutschland zu den reichsten Ländern der Welt gehört, lebt hierzulande jedes fünfte Kind in Armut. Die Bundesregierung will mit der Einführung der Kindergrundsicherung einen wichtigen Schritt im Kampf gegen Kinderarmut gehen. Die Eckpunkte dieses entscheidenden familienpolitischen Vorhabens sollen Anfang 2023 vorgestellt werden. Wir wollen mit Ihnen diskutieren, ob und wie die Kindergrundsicherung die wirklichen Bedarfe aller Kinder abdecken und dabei z.B. auch auf die Situation von Kindern und Jugendlichen eingehen kann, die in Angeboten der Jugendhilfe leben.

Wie kann die Kindergrundsicherung die Übergänge aus der stationären Unterbringung absichern? Wie kommen die BuT-Leistungen, die in die Kindergrundsicherung einfließen sollen, den Kindern und Jugendlichen einfach und unbürokratisch zugute? Wir laden Sie herzlich dazu ein, diese und weitere Fragen gemeinsam mit unseren Redner*innen zu diskutieren.

Anmelden können Sie sich hier.

Termin: 26. Januar 2023

Veranstalter: Konsortium Elternchance

Die Lebens- und Arbeitswelten von Familien und Fachkräften in der Familienbildung haben sich in den letzten Jahren rasant verändert und  vermehrt zu neuen Herausforderungen im Alltag geführt. Die  andauernden Krisen beschleunigen den Wandel und verschärfen  Alltagssorgen zusätzlich. Während sich viele Familien überlastet fühlen, richten sich andere in einer Art Krisenmodus ein. Zertifizierte  Elternbegleiter:innen sind im kommunalen Kontext zu einer wichtigen  Unterstützungsressource für besonders belastete Familien geworden.  Professionell stehen sie Familien bei. Sie reagieren gezielt auf die  aktuellen Bedarfslagen von Eltern und Kindern und können sie flexibel  unterstützen, ihre Alltagsherausforderungen zu bewältigen.

Wir wollen an dem Tag miteinander ins Gespräch kommen,  Fachimpulse diskutieren und gemeinsam überlegen, welche Chance die  aktuellen Krisen für die Familienbildung darstellt und welche Möglichkeiten insbesondere Elternbegleiterinnen und Elternbegleiter  haben, um Familien zu entlasten. Was brauchen die Familien und wir  als Fachkräfte in sozial-, bildungs- und fachpolitischer Hinsicht?
Hier eine Auswahl unserer Workshop-Themen:

  • Krisensituationen als Wachstums- und Entwicklungsfaktoren
  • Digitale Elternbegleitung: Mediale und neue Formate als Unterstützung von Familien
  • Arme und benachteiligte Familien in der Krise
  • Bildungschancen: Durch die Krise vermiest?
  • Umgang mit politischen Haltungen und Diskursen in der Krise
  • Ressourcen von Familien in Krisenzeiten

Unser digitales Dialogformat bietet die Gelegenheit, mit viele Adressatengruppen in den Austausch zu kommen. Eingeladen sind  Fachkräfte, Trägervertreter:innen, kommunal und politisch Verantwortliche sowie interessierte Familien. Gemeinsam wollen wir in  schwierigen Zeiten neue Wege der Familienbildungsarbeit ausloten und  entwickeln. 

Anmeldung hier.
Die Teilnahme ist kostenfrei.

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Archiv ZFF-Info

ZFF-Info 15/2022

AUS DEM ZFF

62 Verbände, Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche Organisationen und namhafte Unterstützer*innen fordern die Bundespolitik dazu auf, Kinderarmut entschieden zu bekämpfen und die dafür notwendigen Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen. Dabei müssen soziale Infrastruktur und monetäre Leistungen ineinandergreifen.

Die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen des Ratschlag Kinderarmut fordern in ihrer gemeinsamen Erklärung „Solidarität mit armutsbetroffenen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien – besonders in der Inflationskrise!“, Armutslagen von jungen Menschen nicht länger hinzunehmen, sondern endlich das nötige Geld in die Hand zu nehmen, um ihnen ein gutes Aufwachsen  zu ermöglichen.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Gerade arme und von Armut bedrohte Kinder, Jugendliche und ihre Familien werden seit Langem mit ihrer finanziellen Not alleine gelassen – in der Pandemie hat sich ihre Situation weiter verschlechtert, die Energiekrise und die Inflation verschärft sie dramatisch. Die Politik muss jetzt handeln und mit einer Kindergrundsicherung und mit einem Ausbau der sozialen Infrastruktur unterstützen!“

Denn Armut bedeutet für die betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht nur eine unzureichende Versorgung mit Gütern des alltäglichen Bedarfs, sondern auch geringere Bildungschancen und weniger Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe. Nachdem sich diese Problemlagen durch die Corona-Pandemie verschärft haben, drohen nun mit den aktuellen Preissteigerungen zusätzliche Einschränkungen im Alltag.

In der Erklärung fordern die unterzeichnenden Organisationen die Politik daher dazu auf, die Interessen und Bedarfe von Kindern und Jugendlichen endlich in den Mittelpunkt zu rücken und die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Gerade angesichts der steigenden Preise, die für viele Privathaushalte und soziale Einrichtungen schwer zu stemmen sind, darf jetzt nicht am falschen Ende gespart werden. Es ist unsere Aufgabe, die Lebensgrundlage und die Ansprüche von Kindern und Jugendlichen zu sichern!

Zum Ratschlag Kinderarmut:

Auf Initiative der Nationalen Armutskonferenz (nak) trafen sich 2016 zahlreiche bundesweit agierende Organisationen, um gemeinsam Perspektiven der Bekämpfung von Kinderarmut zu diskutieren. Die erste gemeinsame Erklärung „Keine Ausreden mehr: Armut von Kindern und Jugendlichen endlich bekämpfen!“ mit konkreten Forderungen zur Bundestagswahl wurde im Juni 2017 unter breiter medialer Beachtung veröffentlicht. Es folgten gemeinsame Erklärungen im Jahr 2018 und 2020. Kurz nach der Bundestagswahl im Jahr 2021 veröffentlichte der Ratschlag die Erklärung „Vier Jahre Zeit, um Kinderarmut endgültig zu beseitigen!“ und rief die Kampagne #4JahregegenKinderarmut ins Leben. Die heutige gemeinsame Erklärung führt diese Kampagne fort und fordert die Bundespolitik in Krisenzeiten dazu auf, besonderes Augenmerk auf die von Armut betroffenen Kinder, Jugendliche und ihre Familien zu legen und ihre Belange in den Mittelpunkt des politischen Handelns zu stellen.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 15.11.2022

SCHWERPUNKT I: Internationaler Tag der Kinderrechte

Am 20. November 2022 ist internationaler Tag der Kinderrechte. Die SPD-Bundestagsfraktion steht für starke Kinderrechte sowohl in unserer Verfassung als auch in den jeweiligen Fachgesetzen. Aus gegebenem Anlass laden wir heute die Kritikerinnen und Kritiker von starken Kinderrechten im Grundgesetz ein, die Welt aus den Augen unserer Kleinsten zu sehen.

Leni Breymaier, kinder- und jugendpolitische Sprecherin:

„Um Kindern eine laute Stimme in unserer Gesellschaft zu geben, wollen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dass die Kernelemente der UN-Kinderrechtskonvention auch in unserer wichtigsten Wertesammlung, dem Grundgesetz, verankert werden. Neben die bereits sichtbaren Elternrechte sollen endlich auch starke Kinderrechte gestellt werden. Dabei geht es uns um mehr als Kinderschutz.“

Anke Hennig, zuständige Berichterstatterin:

„Wir wollen die besondere Berücksichtigung des Kindeswohls bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen. Wir wollen nicht nur zuhören, sondern machen uns für echte Förderung und Beteiligung von Kindern in allen Lebensbereichen stark. Diese zentralen Rechte sollen auch in unserer Verfassung nachlesbar sein.“

Kindergeld, Kinderzuschlag, bessere Kitas

Leni Breymaier, kinder- und jugendpolitische Sprecherin:

„Die SPD-Bundestagsfraktion hat immer die Wünsche und Interessen von Kindern und Jugendlichen im Blick. Ihnen zu Liebe haben wir unter anderem deutliche Verbesserungen beim Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und bei Grundsicherungsleistungen beschlossen. Darüber hinaus senken wir das aktive Wahlalter bei Europawahlen auf 16 Jahre.“

Anke Hennig, zuständige Berichterstatterin:

„Wir verbessern die Qualität in Kitas, sorgen für bezahlbare gute Angebote im ÖPNV und schaffen die Kostenheranziehung junger Menschen ab, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe leben. Langfristig arbeiten wir an einer Kindergrundsicherung, einem Kitaqualitätsentwicklungsgesetz und an der Verwirklichung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe. Denn: Kinder verdienen mehr.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 19.11.2022

An diesem Sonntag ist der Internationale Tag der Kinderrechte. An diesem Tag wird weltweit durch verschiedene Aktionen auf die vor 33 Jahren verabschiedete UN-Kinderrechtskonvention aufmerksam gemacht. Hierzu können Sie die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Silvia Breher, wie folgt zitieren:

Der Tag der Internationalen Kinderrechte ist in diesem Jahr wichtiger denn je – gerade angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und weiterer Konflikte wie zum Beispiel im Iran. Denn in jedem Krieg, in jedem internationalen Konflikt leiden insbesondere die Kinder.

Die Unionsfraktion dankt allen Engagierten, die an diesem Tag mit vielen wichtigen Aktionen die Bedeutung der Kinderrechtskonvention untermauern und den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken.

In Deutschland haben wir in den letzten Jahren viele wichtige Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens auf den Weg gebracht. Dazu gehört beispielsweise das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, die Reform des Jugendschutzgesetzes, das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder, das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens, das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen oder auch das Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung.

Auch in unserem Land müssen wir gemeinsam weiter daran arbeiten, den Kindern beste Chancen für ihre Zukunft zu geben. Wir müssen insbesondere die frühkindliche Bildung und den Kinderschutz weiter vorantreiben. Das schaffen wir jedoch nur gemeinsam im Schulterschluss. Es ist an der Zeit, den vielen Worten und Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Für die Kinder, unsere Zukunft.“ 

Hintergrund:

Die UN-Kinderrechtskonvention legt wesentliche Standards zum Schutz der Kinder weltweit fest. Die vier elementaren Grundsätze, auf denen die Konvention beruht, beinhalten das Überleben und die Entwicklung, die Nichtdiskriminierung, die Wahrung der Interessen der Kinder sowie deren Beteiligung. Die UN-Kinderrechtskonvention wurde am 20. November 1989 von der UN-Generalversammlung angenommen.

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 18.11.2022

Am 20. November 1989 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die UN-Konvention über die Rechte des Kindes. 196 Staaten haben in der Zwischenzeit diese Konvention, die allen Kindern auf der Welt in 54 Artikeln völkerrechtlich die gleichen verbindlichen Mindeststandards verbrieft, ratifiziert. 

Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages als Interessenvertretung der Kinder und Jugendlichen im Parlament setzt sich mit ihrem Arbeitsprogramm aktiv für die Einhaltung und Stärkung der Rechte der Kinder ein.

Dazu erklärt für die Kinderkommission deren Vorsitzende, die Abgeordnete Sarah Lahrkamp:

„Kinderrechte gehören ganz besonders in Zeiten der Krisen auf die politische Agenda und dürfen nicht vergessen werden. Dabei ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche ernst genommen und gehört werden. Ihr Recht auf Beteiligung in Angelegenheiten, die sie betreffen, ist in der Kinderrechtskonvention verbrieft. Nur gemeinsam können wir es schaffen, eine friedvolle, gerechte und nachhaltige Zukunft für sie zu gestalten. Dafür soll der Tag der Kinderrechte ein Zeichen setzen.“

Auch in diesem Jahr sei der 20. November wieder ein wichtiger Aktionstag, denn durch Krieg, Klimawandel und die Folgen der Covid-19-Pandemie sei die Lage vieler Kinder auf der Welt dramatisch. Für die Kinderkommission sei es deshalb noch einmal besonders wichtig, den mit dem Übereinkommen verbundenen Auftrag ins Zentrum von Politik und Gesellschaft zu stellen und Verbesserungen bei der Umsetzung der Kinderrechte einzufordern.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Bundestag vom 17.11.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk mahnt zum heutigen Internationalen Tag der Kinderrechte deutliche Verbesserungen bei der Gesundheitsversorgung von Kindern in Deutschland an. Zudem fordert die Kinderrechtsorganisation mehr Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen, um die Gesundheitschancen von Kindern vom sozialen Status zu entkoppeln. Darüber hinaus muss die Versorgungslage im Bereich der Kinder- und Jugendpsychotherapie dringend verbessert werden. Und auch bei der Gesundheitsversorgung von geflüchteten Kindern sieht das Deutsche Kinderhilfswerk weiteren Handlungsbedarf.

              

„Alle Kinder haben ein Recht auf gesundes Aufwachsen. Wir sehen mit Sorge, dass die Gesundheitschancen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland sehr stark vom soziokulturellen Status des Elternhauses abhängig sind. Arme Kinder sind statistisch gesehen deutlich anfälliger für Übergewicht, haben eher motorische Entwicklungsprobleme, sind empfänglicher für Karies-Erkrankungen und stärker von psychischen Gesundheitsproblemen betroffen. Zudem neigen sie eher zu Verhaltensauffälligkeiten und Sprachstörungen. Deshalb müssen geeignete Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, die das Gesundheitsrisiko von Armut betroffener Kinder aktiv reduzieren. Wir brauchen Regelsätze, die eine gesunde Ernährung gerade von Kindern und Jugendlichen ermöglichen. Schulen und Kitas müssen zu Orten der Vermittlung eines ,gesunden Lebens‘ werden. Dabei geht es um die Themen Ernährung, Bewegung, Psychohygiene und der Umgang mit Belastungen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

 

„Zum in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Kinderrecht auf bestmögliche Gesundheit gehört auch die ausreichende Versorgung mit Kinder- und Jugendärzten. Es darf nicht sein, dass Eltern nach der Geburt eines Kindes oder nach einem Umzug keine Kinderärztin oder keinen Kinderarzt finden, oder für sich und ihre Kinder unzumutbar weite Wege auf sich nehmen müssen. Es braucht dringend Mechanismen der Bedarfsplanung und Bedarfsdeckung im Bereich pädiatrischer Betreuung, sonst droht insbesondere die Vorsorge auf der Strecke zu bleiben“, so Hofmann weiter.

 

„Zudem sollte daran gearbeitet werden, die sozialen Funktionen von Kita und Schule zu stärken und in der Schule nicht nur auf Qualifizierung zu setzen. Es gilt, in den Schulen den Leistungsdruck zu minimieren und den Lehrplan auszumisten, sowie genügend Zeit und Raum für den gemeinsamen Austausch zu schaffen. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Schaffung von Selbstwirksamkeitserfahrungen zur Resilienzförderung. Schließlich sollte auch daran gedacht werden, bei diesen Prozessen den Fachkräften Unterstützung in Form von Fortbildungsangeboten anzubieten. Außerdem braucht es einen Fokus auf die gesundheitliche Versorgung geflüchteter Kinder und Jugendlicher, da diese an vielen Stellen durch die Einschränkungen des Asylbewerberleistungsgesetzes unzureichend ist, und ,Kinder ohne Papiere‘ oftmals ohne medizinische Versorgung sind“, sagt Holger Hofmann.

 

Erst vor wenigen Wochen hatte der UN-Kinderrechtsausschuss bei der Frage der Gesundheitsversorgung von Kindern in Deutschland „dringende Maßnahmen“ angemahnt. So zeigte sich der Ausschuss beispielsweise besorgt darüber, dass es einen Mangel an qualifizierten medizinischen Fachkräften gibt, die auf die pädiatrische Gesundheitsversorgung spezialisiert sind. Kritisiert wurde auch, dass asylsuchende Kinder, Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder ohne regulären Aufenthaltsstatus nur begrenzten Zugang zu Gesundheitsdiensten haben. Kritikpunkt war zudem das hohe Maß an somatischen Störungen, Essstörungen und anderen selbstschädigenden Verhaltensweisen unter Kindern. In diesem Zusammenhang wurde ein verstärkter Ausbau gemeindebasierter psychosozialer Dienste sowie Beratungs- und Präventionsarbeit in Schulen, Heimen und alternativen Betreuungseinrichtungen gefordert.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 20.11.2022

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat am 20.November 1989 die UN-Kinderrechtskonvention mit 54 Artikeln verabschiedet, die inzwischen von 196 Staaten weltweit ratifiziert wurde.

„Insbesondere die Pandemie, als auch weltweite Kriege und Klimawandel hinterlassen einen Trampelpfad, einen tiefen Graben der Ungerechtigkeit und Chancenungleichheit für Kinder. Jedes Kind hat das Recht auf ein gesundes Aufwachsen, gewaltfrei, armutsfrei, mit gleichen Bildungs-, Teilhabe- und Selbstverwirklichungschancen auf ein selbstbestimmtes Leben mit einer nachhaltigen Zukunft. Das ist nicht nur verbrieftes Recht in Kurzfassung, sondern sollte uns vor allem auch Herzensangelegenheit sein. Wenn aber beide Argumente für politische Entscheidungsträger:innen nicht zählen sollten, dann muss uns klar sein, dass wir nur zukunftsfähig sind, wenn wir uns um die Ressourcen bestmöglich kümmern, die wir haben: Human Resources, von Anfang an!“, fordert Cornelia Spachtholz, Vorsitzende des Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) und Initiatorin des Equal Pension Day, alle Entscheider:innen der verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen auf, für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention Fürsorge zu tragen und ergänzt: „Für uns als Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) leiten wir ergänzend auch unseren Anspruch: „Uns Müttern mehr Karriere, den Vätern mehr Familie und unseren Kindern beide Eltern“, sowie die grundsätzliche Forderung nach einer Kinderwillkommenskultur ab.

Quelle: Pressemitteilung Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) vom 19.11.2022

SCHWERPUNKT II: Bürger*innengeld

Zum Einigungsvorschlag zum Bürgergeld erklärt der Sprecher für Bürgergeld Jens Teutrine:

„Es ist gut, dass dem Vermittlungsausschuss ein sachgerechter Einigungsvorschlag vorliegt. Unsere Herzensanliegen – leistungsfördernde Hinzuverdienstregelungen und verbesserte Qualifizierungsmöglichkeiten – erfahren breite Unterstützung. Es ist ein wichtiger Schritt zu mehr Leistungsgerechtigkeit, dass Schüler ihr selbstverdientes Geld aus einem Minijob behalten dürfen und sich eine Ausbildung finanziell deutlich mehr lohnt. Leistungsbezieher, die sich Stück für Stück aus der staatlichen Unterstützung herausarbeiten, werden belohnt und nicht wie im Hartz-IV-System bestraft. Wir begrüßen, dass die sogenannte Vertrauenszeit nun entfällt und damit klar ist, dass weiterhin zu jedem Zeitpunkt volle Sanktionen möglich sind. So stellen wir unmissverständlich klar, dass beim Bürgergeld das Prinzip Fördern und Fordern weiterhin gilt. Die Karenzzeit für das Schonvermögen war uns wichtig, damit kurzfristige soziale Bedürftigkeit nicht sofort dazu führt, dass die private Altersvorsorge, Erspartes oder Wohneigentum aufgelöst werden müssen. Das ist für uns eine Frage des Respekts vor Lebensleistung.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 22.11.2022

Die AWO zeigt sich erleichtert über die Einigung zur Einführung des Bürgergelds. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt: 

„Die Einigung zwischen Ampel-Koalition und CDU/CSU ist ein wichtiger Schritt. Endlich können nun dringend gebrauchte Entlastungen auf den Weg gebracht werden. Jetzt ist Tempo angesagt. Jeder Tag ist wichtig, damit die Inflation insbesondere bei Lebensmittelpreisen wenigstens zum Teil kompensiert werden kann. Trotz aller Schwierigkeiten: Das ist endlich der lang geforderte Systemwechsel im Arbeits- und Sozialbereich!“

Die AWO bedauert es allerdings sehr, dass mit dem erzielten Kompromiss die Vertrauenszeit nun nicht mehr Bestandteil des neuen Bürgergelds ist. Michael Groß: „Hier wird eine große Chance vertan, den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen den Mitarbeitenden in den Jobcentern und den Leistungsbeziehenden positiv zu beeinflussen. Denn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit fördert Kooperation und Motivation – das ist wirksamer als jede Sanktion!“

Quelle: Pressemitteilung  AWO Bundesverband e.V. vom 22.11.2022

Die Regierungsparteien und die Union haben ihren Streit über das geplante Bürgergeld beigelegt. Mit dem Kompromiss-Vorschlag zum Bürgergeld-Gesetz befasst sich am Mittwochabend der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.

 Dazu erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:

„Immerhin: das Bürgergeld kommt. Nach der Totalblockade im Bundesrat möchte man aufatmen. Wenigstens ein größerer Teil der Inflationslasten wird ausgeglichen, mehr sozialer Arbeitsmarkt, Beratung und Sozialarbeit sind versprochen. Verstörend ist in Zeiten einer komplexen und eben auch sozialen Krise die politische Fixierung auf eine Logik der Sanktionen und alte Slogans, die die Debatte geprägt haben. Das erinnert nicht nur an schwarze Pädagogik, es ist ein politischer Mythos, dass Leistungsberechtigte nur unter Zwang reagieren oder dass man ihnen mit Verlust der Altersvorsorge oder Wohnung drohen müsste, damit sie sich nicht einrichten. Richtig ist vielmehr: Mehr als die Hälfte der Leistungsbeziehenden blieb trotz schärfster Sanktionen und guter Wirtschaftslage jahrelang im Leistungsbezug – schlicht, weil es keine Alternativen gab und gibt. Der Ansturm bei den Tafeln zeigt, dass selbst im Leistungsbezug das Lebensnotwendige kaum gewährleistet ist. Selbstverständlich braucht es für Veränderungen in der persönlichen Situation engagiertes Mitwirken. Lösungen für multiple persönliche und soziale Problemlagen lassen sich aber nicht wegzwingen. Nur ein minimaler Teil der Menschen im Leistungsbezug war bisher Ziel von Sanktionen – und sie sind oft persönlich besonders belastet. Mit der weiteren Ausgestaltung des Bürgergeldes gehört die passgenaue Unterstützung in den Vordergrund. Schlechtreden hilft aber nicht gegen Armut.“

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.  vom 22.11.2022

Der Bundesrat hat am 14. November 2022 dem Bürgergeld-Gesetz nicht zugestimmt: In der Abstimmung erhielt der Bundestagsbeschluss nicht die erforderliche absolute Mehrheit von 35 Stimmen. Bundestag oder Bundesregierung können nun den Vermittlungsausschuss anrufen, um mit den Ländern über einen Kompromiss zu verhandeln.

Was der Bundestagsbeschluss vorsieht

Durch die vom Bundestag beschlossenen Änderungen sollen sich laut Begründung die über 5 Millionen Menschen, die in Deutschland Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitsuche konzentrieren können.

Der Gesetzesbeschluss gestaltet zudem die Berechnung der Regelbedarfe neu – sie sollen künftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst werden. Die Regelbedarfe für das kommende Jahr sind bereits entsprechend berechnet. Ab 1. Januar 2023 soll etwa ein alleinstehender Erwachsener 502 Euro erhalten – 53 Euro mehr als bisher.

Karenzzeit

Damit die Leistungsberechtigten sich auf die Arbeitsuche konzentrieren können, sieht der Gesetzesbeschluss für die ersten zwei Jahre des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit vor: Die Kosten für die Unterkunft sollen in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen werden, die Heizkosten in angemessener Höhe. Vermögen wird nicht berücksichtigt, sofern es nicht erheblich ist. Leistungsberechtigte müssen eine Selbstauskunft erteilen, um zu bestätigen, dass ihr Vermögen die Grenzwerte für das Schonvermögen nicht überschreitet.

Freibeträge und Kooperationsplan

Für Bürgergeldbeziehende sind zudem höhere Freibeträge geplant als bislang. Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird durch einen Kooperationsplan abgelöst, den Leistungsberechtigte und Integrationsfachkräfte gemeinsam erarbeiten. Dieser Plan soll dann als „roter Faden“ im Eingliederungsprozess gelten. Mit Abschluss des Kooperationsplans gilt eine Vertrauenszeit. In diesem Zeitraum wird ganz besonders auf Vertrauen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesetzt.

Leistungsminderungen weiter möglich

Wer Termine nicht wahrnimmt, müsste nach dem Gesetz in der vom Bundestag beschlossenen Fassung auch weiterhin mit Sanktionen rechnen – allerdings nur im Wiederholungsfall. Leistungsminderungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse betragen dann höchstens 30 Prozent des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs. Kosten der Unterkunft und Heizung werden nicht gemindert. Es gibt keine Leistungsminderung, sollte sie im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen. Die verschärften Sonderregelungen für die unter 25-jährigen Hilfeempfänger entfallen.

Arbeitsmarktzugang Geringqualifizierter

Geringqualifizierte sollen auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll Leistungsberechtigten helfen, die besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen.

Höhere Freibeträge für Nebenjobs

Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende könnten künftig mehr ihres selbstverdienten Geldes behalten, damit junge Menschen die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, einen Schüler- oder Studentenjob aufzunehmen. Die großzügigeren Freibeträge für Minijob-Verdienste würden bis zu drei Monate nach Schulabschluss gelten.

Sozialer Arbeitsmarkt

Außerdem sollen die Regelungen zum „Sozialen Arbeitsmarkt“ unbefristet gelten. Deren Ziel ist es, besonders arbeitsmarktfernen Menschen soziale Teilhabe durch längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung zu ermöglichen und Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen. Bislang sollte die Regelung am 31. Dezember 2024 auslaufen.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 14.11.2022

Die Zustimmungsversagung des Bundesrates zum Bürgergeld-Gesetzentwurf liegt nun als Unterrichtung (20/4466) durch die Bundesregierung vor. Ebenso wurde als Unterrichtung (20/4467) durch die Bundesregierung der Beschluss zur Anrufung des Vermittlungsausschusses vorgelegt.

Quelle: Pressemitteilung  hib – heute im Bundestag Nr. 664 vom 16.11.2022

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Bundesregierung verpflichtet sich ressortübergreifend zu Maßnahmen, um Akzeptanz von LSBTIQ* zu stärken

Die Bundesregierung hat heute den Aktionsplan „Queer leben“ beschlossen. Erstmalig gibt es damit eine ressortübergreifende Strategie auf Bundesebene für die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Der Aktionsplan enthält zahlreiche Maßnahmen in sechs Handlungsfeldern, um Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie alle queeren Menschen (LSBTIQ*) zu stärken und Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken.

Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragter)“Dieser Aktionsplan ist die Agenda für eine Politik des Respekts und der Anerkennung von Vielfalt. Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie alle queeren Menschen müssen gleichberechtigt, frei, sicher und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben können. Ich freue mich sehr, dass sich erstmals in der Geschichte eine Bundesregierung mit diesem Beschluss aktiv an die Seite queerer Menschen stellt. Mit dem heutigen Kabinettsbeschluss verpflichtet sich die Bundesregierung ressortübergreifend zu einer aktiven Politik für die Akzeptanz und den Schutz von LSBTIQ*. Sie sendet damit ein starkes, auch internationales Signal. Mit dem Aktionsplan will die Bundesregierung Queerfeindlichkeit entschieden entgegenwirken und in allen Bereichen die Akzeptanz von LSBTIQ* nachhaltig fördern. Die Ministerien haben zahlreiche Maßnahmen in sechs Handlungsfeldern vereinbart, die nun in den kommenden Jahren zusammen mit der Community umgesetzt werden sollen und müssen. Ich freue mich, diesen Arbeitsprozess gemeinsam mit den Verbänden und unter Einbeziehung der Länder zu koordinieren.”

Der Aktionsplan „Queer leben“ sieht Maßnahmen und Vorhaben in sechs Handlungsfeldern vor: Rechtliche Anerkennung, Teilhabe, Sicherheit, Gesundheit, Stärkung von Beratungs- und Community-Strukturen sowie Internationales.

Ausgewählte Maßnahmen aus jedem Handlungsfeld:

Handlungsfeld Rechtliche Anerkennung

  • Anerkennung Regenbogenfamilien (Reform des Abstammungs- und Familienrechts)
  • Diskriminierungsverbot wegen “sexueller Identität” im Grundgesetz
  • Ersetzung Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz
  • Reform Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
  • Überprüfung der Asylverfahren für queere Geflüchtete und Einführung einer besonderen Rechtsberatung

Handlungsfeld Teilhabe

  • Forschung zur Lebenssituation von LSBTIQ* (gesundheitliche und soziale Lage, Geschichte)
  • Unterstützung von Projekten zur Akzeptanz und Bekämpfung von Gewalt und Diskriminierung
  • Sensibilisierung Kinder- und Jugendhilfe, Jugendarbeit, Kultur und Freizeit, Altenhilfe
  • Prävention gegen Rassismus, Sexismus, und LSBTIQ*-Feindlichkeit im Sport
  • Förderung von Diversität und Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz
  • Stärkung der Erinnerungsarbeit

Handlungsfeld Sicherheit

  • besserer Schutz vor Gewalt, Übergriffen und Anfeindungen und Verbesserung der statistischen Erfassung und Aufhellung Dunkelfeld
  • Berücksichtigung der Empfehlungen des GREVIO-Berichts zur Umsetzung der Istanbul-Konvention

Handlungsfeld Gesundheit

  • allgemeine Sensibilisierung für die Behandlung und Pflege von
    LSBTIQ* Verbesserung HIV/AIDS-Prävention
  • Rückstellungen bei Blutspende wegen sexueller Identität und Geschlecht beenden
  • Beseitigung von Schutzlücken: Evaluation des gesetzlichen Verbots von Konversionsbehandlungen sowie des Verbots unnötiger OPs an inter* Kindern
  • Prüfung, wie eine Kostenübernahme von künstlichen Befruchtungen diskriminierungsfrei gefördert werden kann
  • Verbesserung der trans* Gesundheitsversorgung

Handlungsfeld Stärkung von Beratungs- und Communitystrukturen

  • Dialog mit Ländern zum Ausbau und Stärkung der Antidiskriminierungsberatung und der Beratungsstrukturen für LSBTIQ* sowie der Selbstorganisation von LSBTIQ* in ländlichen Räumen

Handlungsfeld Internationales

  • Stärkung der Rechte, Repräsentanz und Ressourcen von LSBTIQ* in der Entwicklungszusammenarbeit und den Auswärtigen Beziehungen
  • Inklusive Gleichstellungspolitik in der EU und international
  • Stärkung der Menschenrechtsarbeit in Auslandsvertretungen und Sensibilisierung des diplomatischen Personals

Weitere Informationen:

www.aktionsplan-queer-leben.de

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 18.11.2022

Sexuelle Gewalt kann es überall und jederzeit geben – auch im persönlichen Umfeld

Anlässlich des 8. Europäischen Tages zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt haben Bundesfamilienministerin Lisa Paus und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, heute in Berlin die gemeinsame Aufklärungs- und Aktivierungskampagne „Schieb den Gedanken nicht weg!“ vorgestellt. Die Botschaft: Kinder und Jugendliche sind vor allem im eigenen Umfeld der Gefahr sexueller Gewalt ausgesetzt.

Seit Jahren werden konstant tausende Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch zur Anzeige gebracht. Doch das ist nur das polizeiliche Hellfeld, das Dunkelfeld ist ungleich größer. Es wird geschätzt, dass 1 bis 2 Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind – bei rund drei Viertel der Fälle geschieht das in der eigenen Familie oder im sozialen Nahfeld. Von den meisten Menschen wird dieses reale Risiko im eigenen Umfeld allerdings weitgehend verdrängt: 90% der Bevölkerung halten es zwar für wahrscheinlich, dass sexuelle Gewalt vor allem in Familien stattfindet. 85% halten es aber für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen, dass sexuelle Gewalt in ihrer eigenen Familie passiert oder passieren kann, so das Ergebnis einer FORSA-Umfrage im Auftrag der Unabhängigen Beauftragten.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „Nur wenn ich den Gedanken zulasse, dass auch Kindern in meinem persönlichen Umfeld sexuelle Gewalt angetan wird, kann ich notfalls handeln. Daher ist unsere zentrale Botschaft: Schieb den Gedanken nicht weg! Wir alle müssen uns bewusst machen, dass Missbrauch nicht nur in Institutionen, sondern in den meisten Fällen im vertrauten Umfeld der Kinder vorkommt. Genau hier setzt die Kampagne an und zeigt Handlungsmöglichkeiten auf. Ich muss kein Profi sein, um helfen zu können. Aber ich kann und sollte wissen, an wen ich mich wenden kann, wenn ich einen Verdacht habe. Jede und jeder kann etwas tun!“

Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM): „Die Vorstellung, dass sexuelle Gewalt woanders stattfindet, dient der eigenen Beruhigung – kann aber blind machen für möglichen Missbrauch im eigenen Umfeld. Wenn wir unsere Kinder besser schützen wollen, dürfen wir diese mögliche Realität nicht länger wegschieben. Erst wenn wir diesen Gedanken zulassen, fangen wir an, unsere eigene Hilflosigkeit zu überwinden. Und das ist der erste, wichtige Schritt. Nur wer Missbrauch als reale Gefahr erkennt und sich informiert, kann auch wirkungsvoll handeln, wenn es darum geht Kinder und Jugendliche besser vor Missbrauch zu schützen.“

Der Betroffenenrat bei der Unabhängigen Beauftragten: „Diese Kampagne soll Mut machen und dazu auffordern, selbst Verantwortung zu übernehmen und Teil einer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit zu werden: Immer da informiert zu handeln, wo Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt erleben und erwachsene Betroffene sexualisierte Gewalterfahrungen in der Familie oder anderen Tatkontexten offenlegen. Sexualisierte Gewalt in der Familie ist keine Privatangelegenheit, sondern Unrecht. Dieses oft fehlende Unrechtsbewusstsein führt in großen Teilen der Gesellschaft zum Schweigen über den Tatort Familie. Jedoch hat das Umfeld die Verantwortung und vor allem die Möglichkeit, zu helfen und den Betroffenen zur Seite zu stehen.“

Mit kontrastiven, irritierenden Aussagen wie: „Geh nicht mit Fremden mit! – Und wenn es gar kein Fremder ist?“ oder „Mach niemandem die Tür auf! – Und wenn die Gefahr schon drinnen ist?“ stellt die Kampagne gewohnte familiäre Denkmuster in Frage und weist auf die reale Gefahr von sexueller Gewalt im persönlichen Umfeld hin. Ziel ist es, Menschen zu befähigen, aktiv zu werden, wenn sie Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch schöpfen.

„Schieb den Gedanken nicht weg!“ ist als mehrjährige Kampagne konzipiert. Neben einer Vielzahl von Informationsmaterialien stärkt die Kampagne lokale Netzwerke und kommunale Initiativen und unterstützt diese mit einem Kampagnenbüro. Durch die Zusammenarbeit von Fachpraxis, Politik und Zivilgesellschaft sollen nachhaltige Bündnisse vor Ort zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt erreicht werden. Auch der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiger Partner, der die Kampagne und die bundesweiten und lokalen Aktivierungsmaßnahmen unterstützt. 

Landingpage der Kampagne mit Materialien zum Download und Bestellen sowie zum Pressebereich der Kampagne: www.hilfe-portal-missbrauch.de

Informationen für eine betroffenensensible Berichterstattung und Hinweise auf Hilfeangebote unter: http://www.ubskm.de/medienpaket

FORSA-Befragung sowie weitere Zahlen und Fakten zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen unter: https://beauftragte-missbrauch.de/service/publikationen/zahlen-und-fakten

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 17.11.2022

Heute wurde im Kabinett erstmals ein Nationaler Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt verabschiedet.

Anke Hennig, zuständige Berichterstatterin:
„Heute machen wir einen großen Schritt, um Gleichstellung und Akzeptanz von LSBTIQ* in der Gesellschaft voranzubringen und Diskriminierungen entschieden entgegenzutreten. Deshalb freue ich mich, dass der Nationale Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Kabinett verabschiedet wurde und damit endlich auch auf Bundesebene Realität wird. Der Aktionsplan ist ein starkes Zeichen an die Community und an die Gesellschaft. Es ist wichtig und gut, dass unsere Bundesregierung sich deutlich zur Stärkung der Rechte queerer Menschen bekennt und vielfältige Lebensrealitäten mitdenkt.“

Falko Droßmann, queerpolitischer Sprecher:
„Dieser nationale Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ist eine große Chance und ein starker Aufschlag, um wichtige queerpolitische Anliegen ganzheitlich anzugehen. Jetzt muss dieser Aktionsplan der Bundesregierung allerdings auch mit Leben gefüllt werden. Damit das gelingt, stellt der Bundestag für den Start des Aktionsplans insgesamt 374.000 Euro im Haushalt 2023 zur Verfügung. Außerdem streben wir eine begleitende Selbstbefassung des Bundestages an. Wir werden uns parlamentarisch weiterhin dafür einsetzen, dass die vielen guten Maßnahmen auch umgesetzt werden können.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 18.11.2022

Zur heutigen Erklärung des Ratschlags Kinderarmut 2022 erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung:

Es ist gut, dass mit der gemeinsamen Erklärung des Ratschlags Kinderarmut 2022 der Fokus auf die schwierige Situation von Kindern, Jugendlichen und Familien in Armut verstärkt wird – ein Fokus, den die Bundesregierung und insbesondere Familienministerin Lisa Paus seit Beginn der Krise auch setzt. Es ist unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe, in Krisenzeiten solidarisch mit armen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien zu sein.

Aus diesem Grund hat die Grüne Fraktion gemeinsam mit den Ampel-Partnerinnen im Zuge der Entlastungspakete wichtige Verbesserungen für Familien erreicht. Besonders wichtig ist dabei, dass monetäre Leistungen und Infrastrukturleistungen im Kampf gegen Kinderarmut Hand in Hand gehen. Wir haben das Kindergeld auf 250 Euro und den Kinderzuschlag auf bis zu 250 Euro erhöht sowie einen jährlichen Kindersofortzuschlag von 240 Euro für jedes Kind aus Familien mit geringem Einkommen beschlossen. Damit stellen wir entscheidende Weichen und gehen die ersten Schritte hin zur Kindergrundsicherung. Gerade weil die Kindergrundsicherung das zentrale Instrument gegen Kinderarmut ist, verfolgen wir ihre Einführung mit Hochdruck.

Gleichzeitig wird das Kitaqualitätsgesetz die Infrastruktur von Kindertages-einrichtungen stärken. Weiter setzen wir uns in der Ampelkoalition für die Fachkräfteoffensive und die Einführung des Rechts auf einen Ganztagsplatz in Grundschulen ein, um allen Kindern und insbesondere armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen eine verlässliche frühkindliche Bildung zu bieten.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 15.11.2022

Gas geben beim Schaffen von bezahlbarem Wohnraum

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat am gestrigen Donnerstag in der Bereinigungssitzung zum Bundeshaushalt 2023 abschließend den Etat des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen beraten. Hierzu erklären Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher, und Markus Uhl, zuständiger Berichterstatter für den Einzelplan 25:

Christian Haase: „Die Ampel-Koalition hat in dieser Legislaturperiode bereits mehrfach das Vertrauen der Menschen in unserem Land im Bereich Bauen und Wohnen verspielt. Bewährte und beliebte Förderprogramme – wie für energieeffiziente Gebäude – sind überraschend vorzeitig beendet worden. Wenn Bundesministerin Geywitz beim bezahlbaren Wohnungsbau das abliefern möchte, was im Koalitionsvertrag steht, dann sollte sie schleunigst Gas geben.“

Markus Uhl: „Auch die Unsicherheiten beim Baukindergeld gehen zu Lasten von jungen Familien, die häufig das Baukindergeld in ihre Finanzierung mit eingeplant hatten. Die Menschen in unserem Land haben einen Anspruch auf Vertrauensschutz und Planungssicherheit. Von der jetzigen Ampel-Entscheidung sind etwa 15.000 bis 20.000 Familien betroffen. Die Koalition setzt hier die Prioritäten falsch. Während bei vielen Programmen und politischen Vorhaben heute schon klar ist, dass die bereitgestellten Mittel nicht abfließen werden, kürzt und spart die Ampel bei erfolgreichen Programmen für Familien, Eigenheimbesitzer und Kommunen. Die Koalition muss endlich anfangen, Politik mit Respekt vor den Menschen in unserem Land zu machen“.

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 11.11.2022

Die Fraktion Die Linke hat eine Kleine Anfrage (20/4473) zu aktuellen Entwicklungen in der Leiharbeit gestellt. Neben den Daten zum Ausmaß der Leiharbeit erfragt sie auch, inwiefern die Regelung zum Equal Pay nach Kenntnis der Bundesregierung Einfluss auf die Verdienstentwicklung von Beschäftigten in der Leiharbeit hat.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 670 vom 18.11.2022

Das sächliche Existenzminimum eines Erwachsenen soll im kommenden Jahr 10.908 Euro betragen. Für 2024 geht der von der Bundesregierung als Unterrichtung vorgelegte 14. Existenzminimumbericht (20/4443) von 11.472 Euro aus. Außerdem wird das sächliche Existenzminimum eines Kindes mit 6.024 Euro für 2023 und mit 6.384 Euro für 2024 angegeben.

Der Entwurf des Inflationsausgleichsgesetzes (20/3496, 20/3871) sah dagegen zunächst eine Erhöhung des Grundfreibetrages ab 2023 um 285 Euro auf 10.632 Euro und ab 2024 um 300 Euro auf 10.932 Euro vor. Der Kinderfreibetrag sollte ab 2023 um 140 Euro auf 5.760 Euro und ab 2024 um weitere 228 Euro auf 5.988 Euro angehoben werden. „Aufgrund der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer Anpassung der vorgesehenen Erhöhungsbeträge beim Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag für 2023 und 2024 wird die Bundesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens entsprechend aktiv werden“, wird in dem Bericht angekündigt. Der Gesetzentwurf wurde inzwischen vom Finanzausschuss abgeändert (20/4378) und vom Deutschen Bundestag entsprechend beschlossen. So wird beispielsweise der Grundfreibetrag 2023 den Angaben im Existenzminumbericht folgend auf 10.908 Euro erhöht.

Für die Berechnung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums werden neben dem Regelbedarf auch die Wohnkosten zugrunde gelegt. Dabei wird für Alleinstehende von einer Wohnung mit einer Wohnfläche von 40 Quadratmetern und für Ehepaare ohne Kinder von einer Wohnung mit einer Wohnfläche von 60 Quadratmetern ausgegangen. Daraus ergeben sich nach Angaben der Regierung Bruttokaltmieten für Alleinstehende von 319 Euro im Monat für 2023 und 327 Euro im Monat für 2024.

Für Ehepaare werden die Bruttokaltmieten mit 491 Euro im Monat für 2024 angegeben. Die Regierung weist ergänzend darauf hin, dass Bezieher niedriger Erwerbseinkommen zur Verringerung ihrer Wohnkosten Anspruch auf Wohngeld haben können. Als Heizkosten werden im Jahr 2024 bei Alleinstehenden 92 Euro im Monat und bei Ehepaaren 125 Euro im Monat zugrundegelegt.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 654 vom 14.11.2022

  • 38,5 % der Studierenden waren finanziell nicht in der Lage, unerwartete größere Ausgaben zu bestreiten
  • Wohnkosten: Ein Viertel der Studierenden insgesamt und mehr als die Hälfte derjenigen, die allein oder in Studierenden-WGs lebten, galt 2021 als überbelastet

Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung soll Studierende unterstützen, die angesichts geringer Einkommen durch die aktuell hohen Preise besonders belastet sind. 37,9 % der Studierenden in Deutschland waren im Jahr 2021 armutsgefährdet. Das teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Weltstudierendentags am 17. November anhand von Erstergebnissen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) 2021 mit. Noch deutlich höher war das relative Armutsrisiko für diejenigen, die allein oder ausschließlich mit anderen Studierenden zusammenlebten: Gut drei Viertel (76,1 %) von ihnen waren armutsgefährdet. Zum Vergleich: Insgesamt waren im vergangenen Jahr 15,8 % der Bevölkerung in Deutschland von Armut bedroht.

Eine Person gilt nach der Definition für EU-SILC als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt (Schwellenwert der Armutsgefährdung). 2021 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 15 009 Euro netto im Jahr oder 1 251 Euro im Monat. Das Einkommensreferenzjahr ist das Vorjahr der Erhebung.

38,5 % der Studierenden konnten ungeplante, größere Ausgaben nicht bestreiten

Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung sieht Einmalzahlungen für Studierende vor, um zusätzliche Belastungen, etwa durch eine größere Nachzahlung, zu stemmen.  Finanzielle Engpässe zeigen sich auch darin, dass nahezu zwei von fünf Studierenden (38,5 %) im Jahr 2021 und damit schon vor der aktuellen Energiepreiskrise in Haushalten lebten, die nicht in der Lage waren, unerwartete größere Ausgaben aus eigenen finanziellen Mitteln zu bestreiten. Unter den allein oder zusammen mit Studierenden in Wohngemeinschaften lebenden Studierenden traf dies auf mehr als die Hälfte zu (55,5 %). In der Gesamtbevölkerung war knapp ein Drittel (31,9 %) finanziell nicht in der Lage, unerwartete größere Ausgaben zu bestreiten.

Wohnkostenbelastung für Studierende überdurchschnittlich hoch

Geringen finanziellen Spielraum lassen Studierenden auch ihre Ausgaben für Wohnen. 2021 lag der durchschnittliche Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Haushaltseinkommen für Studierende bei 31,6 % und damit deutlich über der Wohnkostenbelastung der Gesamtbevölkerung (23,3 %). Studierende, die allein oder in Studierenden-WGs lebten, mussten im Schnitt gut die Hälfte (51,1 %) ihres verfügbaren Einkommens für die Wohnkosten aufbringen.

Liegt die Wohnkostenbelastung auch nach Abzug möglicherweise erhaltener wohnungsbezogener Transferleistungen noch bei mehr als 40 %, gelten Haushalte als überbelastet. Im vergangenen Jahr lebte knapp ein Viertel (24,2 %) der Studierenden in Haushalten, auf die das zutraf. In der Gesamtbevölkerung hingegen lebten 10,7 % in einem überbelasteten Haushalt. Eine besonders starke Überbelastung durch Wohnkosten hatten auch hier Studierende, die allein oder in Studierenden-WGs lebten: Mehr als die Hälfte von ihnen (56,6 %) galt als überbelastet.

Methodische Hinweise:

Bei den Angaben handelt es sich um Ergebnisse der europäischen Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (European Union Statistics on Income and Living Conditions, EU-SILC). EU-SILC ist die amtliche Hauptdatenquelle für die Messung von Armutsgefährdung und Lebensbedingungen auf Bundesebene in Deutschland sowie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Erhebung ist in Deutschland seit dem Erhebungsjahr 2020 als Unterstichprobe in den Mikrozensus integriert.

Bei den hier erwähnten Ergebnissen für 2021 handelt es sich um Erstergebnisse.

Ausführliche Informationen zu den methodischen Änderungen, deren Auswirkungen auf EU-SILC sowie zum Unterschied zwischen Erst- und Endergebnissen sind auf einer Sonderseite verfügbar.

Studierende wurden in der vorliegenden Auswertung abgegrenzt als Personen, die angaben, sowohl im Vorjahr der Befragung als auch im Berichtsjahr zur Gruppe „Studierende, Schüler/-innen oder Azubis ohne Vergütung“ zu gehören und außerdem bereits im Vorjahr mindestens 18 Jahre alt waren.

In der Erhebung EU-SILC ist die Grundlage für die Einkommensmessung in einem Erhebungsjahr das verfügbare Haushaltsnettoeinkommen (nach Steuern und Sozialabgaben) des Vorjahres. Die Fragen zum Einkommen beziehen sich also auf das Vorjahr der Erhebung (Einkommensreferenzjahr).

Bei den Angaben zur Wohnkostenbelastung werden sowohl Miet- als auch Eigentümerhaushalte berücksichtigt. Der Begriff Wohnkosten bezeichnet die monatlichen Kosten, die mit dem Recht des Haushalts auf Wohnen in der Wohnung verbunden sind (bei Eigentümer/-innen: Grundsteuer; bei Mieter/-innen: Mietzahlungen). Die Nebenkosten (Wasser, Elektrizität, Gas und Heizung), die sich aus der tatsächlichen Nutzung der Wohnung ergeben, sind ebenfalls berücksichtigt. Außerdem sind enthalten: Ausgaben für die Instandhaltung der Wohnung beziehungsweise des Hauses, Hypotheken­zinsen (bei Eigentümer/-innen), Versicherungs­beiträge (bei Eigentümer/-innen; bei Mieter/-innen, falls diese die Kosten tragen) und weitere Kosten wie zum Beispiel für Müllabfuhr und Straßenreinigung.

Bei den ausgewiesenen durchschnittlichen Anteilen der Wohnkosten werden möglicherweise vom Haushalt erhaltene wohnungsbezogene Transferleistungen noch nicht abgezogen. Als überbelastet wird ein Haushalt hingegen nur kategorisiert, wenn auch nach Abzug erhaltener Zuschüsse, wie z. B. des Wohngeldes, noch mehr als 40 % des verfügbaren Haushaltseinkommens für die Wohnkosten aufgewendet werden müssen.

Weitere Informationen:

Weitere Ergebnisse der Erhebung EU-SILC 2021 sind im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes auf den Themenseiten Lebensbedingungen und Armutsgefährdung sowie Wohnen veröffentlicht.

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 16.11.2022

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Die zentrale Webseite der kostenlosen AWO (Online-)Pflegeberatung ist technisch und gestalterisch optimiert worden. Sie ist nun im neuen Design unter awo-pflegeberatung.de barrierefrei nutzbar.

„Es ist wichtig, dass Menschen mit Beratungsbedarf schnell, einfach und ohne Hürden Unterstützung und Antworten bekommen“, sagt dazu die Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes, Brigitte Döcker, „mit der neuen Webseite haben jetzt noch mehr Menschen barrierearmen Zugang zu wichtigen Informationen und Beratungsangeboten.“

Beim Relaunch wurde das Erscheinungsbild modernisiert und ansprechender gestaltet. Die Navigation ist nun übersichtlicher und einfacher zu nutzen. Zudem ermöglicht das barrierefreie Webdesign Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen und Bedürfnissen, sich ohne fremde Hilfe auf den Seiten der AWO Pflegeberatung bewegen zu können. Mit der neuen Webseite erhalten die Nutzer*innen eine Übersicht über mögliche individuelle Beratungsformen und können diese online, telefonisch oder persönlich vor Ort in Anspruch nehmen. Die neue Infobox als Pflegeratgeber bietet für Ratsuchende hilfreiche Hintergrundinformationen zu häufigen Fragen und komplexeren Pflegethemen rund um die Pflegeversicherung, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit oder zum Thema Wohnen im Alter. Für eine erstmalige Nutzung der Online-Beratung erleichtert ein Erklärvideo den Einstieg. Neben der bisherigen Beratung per E- Mail, Einzel- oder Gruppen-Chat können Ratsuchende sich jetzt auch in einer Video- Sitzung mit den Berater*innen austauschen. Weiterhin steht neuen und bestehenden Nutzer*innen mit der neuen Beratungssoftware AYGOnet die Online-Beratung kostenlos und anonym zur Verfügung. Hierfür ist bei der ersten Kontaktaufnahme eine Anmeldung erforderlich, um für die weitere Beratung einen individuellen Benutzer*innen-Namen und ein Passwort wählen zu können.

„Die Pandemie hat dazu geführt, dass viele auch ältere und pflegebedürftige Menschen inzwischen selbstverständlicher online Angebote nutzen. Uns war es wichtig, diesem Nutzungsverhalten entgegen zu kommen und zum Beispiel die inzwischen vielerorts übliche Möglichkeit der Video-Beratung mit anbieten und gleichzeitig höchste Standards beim Schutz der Daten weiterhin gewährleisten zu können. Mit der neuen Software ist das nun möglich“, so Döcker abschließend.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 16.11.2022

Erhebung in den Caritas-Beratungsstellen – Auch Mietschulden und allgemeine Wohnprobleme nehmen zu

Der Anteil von Menschen mit Energieschulden in der Sozialberatung der Caritas hat sich innerhalb von drei Jahren verdoppelt. Auch Mietschulden, Wohnprobleme und finanzielle Schwierigkeiten kommen als Grund für die Beratung häufiger vor – Wohnprobleme betreffen dieses Jahr nahezu einen Drittel der Ratsuchenden und „finanzielle Schwierigkeiten“ knapp die Hälfte (46%). Das ergab eine Erhebung in den Beratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung, die jedes Jahr an einem bestimmten Tag im September durchgeführt wird.
„Die 478 Bratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung sind die erste Anlaufstelle für Menschen, die soziale Probleme haben und mit irgendetwas nicht zurechtkommen. Sie sind ein verlässlicher Seismograph der Probleme und Notlagen im Land“, kommentiert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. „Viele Probleme sind ‚alte Bekannte‘, etwa Schulden oder Probleme mit dem Jobcenter. Aber die Bedeutung anderer Probleme nimmt zu: Die Wohnsituation, belastend hohe Mieten und Heizkosten bringen immer mehr Menschen in Bedrängnis. Energieschulden kommen immer häufiger vor – ein Trend, der bereits vor Februar 2022 einsetzte, durch die geopolitisch beeinflussten Energiepreisentwicklungen aber an Tempo gewonnen hat.“

Im Jahr 2019 waren am Stichtag Energieschulden für 4,8% der Ratsuchenden ein Grund für den Besuch der Beratungsstelle, in diesem Jahr lag der Anteil bei 10,8%. Mietschulden waren in diesem Jahr bei 9,6% der Klientinnen und Klienten ein Beratungsgrund. „Wohnprobleme“ sind in 30,8% der Beratungsfälle Thema, etwa Konflikte mit dem Vermieter oder eine Wohnung, die aufgrund ihrer Größe oder mangelnder Barrierefreiheit nicht mehr bedarfsgerecht ist.

Behördensprache für viele unverständlich

Mit 42% ist die Zahl der Ratsuchenden, die wegen „Sprachprobleme im Umgang mit den Behörden“ in die Beratung kommen, auffällig hoch. Das kann bei einigen daran liegen, dass sie (noch) nicht über genug Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen. Da aber nur 22% der Klientinnen und Klienten „Sprachprobleme im Alltag“ haben, ist die Differenz auf die lebensweltferne Sprache zurückzuführen, die Behörden verwenden. Für viele Menschen, egal welcher Herkunft und Nationalität, ist diese schlichtweg unverständlich.

„Der Staat kann die Menschen nicht gut unterstützen, sie weder fördern noch fordern, wenn er eine Sprache spricht oder schreibt, die sie nicht verstehen“, so die Caritas-Präsidentin. Responsivität als Anforderung der Vereinten Nationen an „gute Verwaltung“ setze aber voraus, dass sich Verwaltungshandeln am Empfängerhorizont orientiert.

Nutzung des 9-Euro-Tickets

Die Erhebung der Caritas-Sozialberatung hat 2022 auch erhoben, welcher Anteil der Ratsuchenden im Sommer das Angebot des 9-Euro-Tickets genutzt hat. Knapp 55% haben sich das Ticket besorgt, 33% haben berichtet, dass sie das „nicht brauchen“. Für 11% der Ratsuchenden hat sich das Ticket nicht gelohnt, „weil der ÖPNV zu schlecht ist“.

„Mehr als die Hälfte der Menschen in unseren Sozialberatungsstellen hat das 9-Euro-Ticket erworben. Das ist ein Riesenerfolg und verweist auf die Attraktivität öffentlichen Nahverkehrs gerade auch für Menschen, die mit dem Alltag zu kämpfen haben“, kommentiert die Caritas-Präsidentin. „Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für Teilhabe, eine gute ÖPNV-Infrastruktur und ein attraktives Tarifsystem sind daher heute elementar wichtig für eine soziale Politik.“

Mehr Informationen
Jedes Jahr am dritten Donnerstag im Monat erheben die Beratungsstellen der Allgemeinen Sozialberatung Daten zu den an diesem Tag geführten Beratungsgesprächen: Profil der Ratsuchenden (Alter, Geschlecht, Familiensituation, Einkommen…) und Grund oder Gründe für die Beratung. In diesem Jahr sind 2.007 Vorgänge in die Erhebung eingeflossen. Mehr Details zu den Ergebnissen finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 21.11.2022

Anlässlich der heutigen Pressekonferenz der Alzheimer Gesellschaften NRW mit der Pflege-Bevollmächtigten der Bundesregierung, Claudia Moll, fordert die Diakonie Deutschland die Einberufung eines Reformgipfels.

Diakonie-Vorständin Sozialpolitik, Maria Loheide:

„Wenn nicht endlich eine grundlegende Pflegereform kommt, fährt das Pflegesystem absehbar vor die Wand. Deshalb brauchen wir jetzt schnelles politisches Handeln. Auf einem Pflegegipfel müssen die dringenden Probleme beraten und die Bundesregierung zum Handeln bewegt werden. Die Pflegeversicherung ist unter anderem durch Sonderaufwendungen während der Pandemie in eine finanziell kritische Lage geraten. Gleichzeitig treiben höhere Energie- und Lebensmittelpreise und tarifliche Lohnsteigerungen die Eigenanteile für Pflegebedürftige in den Einrichtungen weiter in die Höhe. Auch pflegende Angehörige, die eine tragende Rolle in der Pflege übernehmen und vielfach auf eine eigene Berufstätigkeit verzichten, geraten angesichts der Preissteigerungen in Not. Besorgniserregend ist auch der Personalmangel in der Pflege. Schon heute fehlen Zehntausende Pflegekräfte. Das führt dazu, dass Pflegedienste nicht mehr alle pflegedürftigen Menschen versorgen können und auch in der vollstationären Pflege ist das Personal knapp. Diese drängenden Probleme können nur durch eine umfassende Pflegereform und in einem größeren politischen Rahmen gelöst werden. Wir brauchen dringend einen Pflegegipfel der Bundesregierung, um eine echte Reform in der Pflege anzugehen. Die Zeit drängt!“

Weitere Informationen: https://www.diakonie.de/erwartungen-an-die-politik/pflegereform-umsetzen-gesundheitssystem-staerken

https://www.diakonie.de/pflegeversicherung

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 21.11.2022

Ein breites Bündnis von 77 nationalen und internationalen Verbänden und Organisationen ruft zum heutigen Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch die Europäische Union dazu auf, ihr Versprechen einzuhalten, das Internet zu einem sicheren Ort für Kinder zu machen. Die Organisationen begrüßen ausdrücklich die bisherigen Schutzmaßnahmen der Technologieunternehmen, für Kinder sichere digitale Umgebungen zu schaffen. Gleichzeitig muss festgestellt werden, dass die allermeisten Meldungen über sexuelle Gewalt gegen Kinder im Internet von einigen wenigen Anbietern stammen, während etliche Anbieter gar keine Maßnahmen ergreifen. Dieser Befund und das gleichzeitig exponentiell wachsende Ausmaß der sexuellen Ausbeutung und der sexuellen Gewalt gegen Kinder im Internet zeigen, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen und es deshalb einen soliden Rechtsrahmen braucht. Den Offenen Brief haben u.a. das Deutsche Kinderhilfswerk, die Kindernothilfe, ECPAT, die Stiftung Digitale Chancen und World Vision unterzeichnet.

„Anbieter müssen dazu verpflichtet sein, sexuelle Gewalt gegenüber Kindern in ihren Angeboten Einhalt zu gebieten. Sie sollten Missbrauchsmaterial aufdecken, melden und den Zugang dazu unterbinden müssen, indem sie es sperren oder das Material aus ihren Diensten entfernen. Alle Anbieter von Internetseiten sowie Social-Media- und Messengerdiensten stehen in der Verantwortung, ihre Strategien, Produkte und Voreinstellungen auch im Sinne eines effektiven Kinderschutzes auszurichten und so einen Beitrag für sichere digitale Umgebungen für Kinder zu befördern. Diese müssen von der Europäischen Union rechtlich abgesichert werden“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Die virale Verbreitung von Material über sexuelle Gewalt gegen Kinder hat sich enorm weiterentwickelt. So wurden bereits im Jahr 2019 in Europa etwa drei Millionen Bilder und Videos von sexuellem Kindesmissbrauch gemeldet. Der Missbrauch und dessen Fortsetzung durch die Existenz der Bild- und Videomaterialien erschwert es diesen Kindern, die Taten zu verarbeiten sowie möglichst unbeschwert und so gesund wie möglich weiter aufzuwachsen.

Der Offene Brief „Civil Society and Child Rights Organisations Call to Action: We must make the Internet a Safe Place for Children“ mit allen unterzeichnenden Verbänden und Organisationen kann unter www.dkhw.de/OffenerBriefEU-EN in der englischen und unter www.dkhw.de/OffenerBriefEU-DE in der deutschen Version heruntergeladen werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 18.11.2022

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 06. Dezember 2022

Veranstalter: Landesarmutskonferenz Berlin (lak) und die Arbeiterwohlfahrt Landesverband Berlin

In Deutschland wurden im Jahr 2020 laut Polizeistatistik 132 Frauen von ihren (Ex-) Partnern getötet.

Die Autorinnen des Buches „Femizide“ – erschienen im Hirzel Verlag- Julia Cruschwitz und Carolin Haentjes sprachen mit Wissenschaftler*innen, Kriminolog*innen, Polizei, Anwält*innen, Überlebende, Zeug*innen und Angehörige und analysierten wissenschaftliche Studien.

Julia Cruschwitz wird an diesem Abend vor Ort sein und mit uns die erlangten Erkenntnisse teilen. Sie wird Auszüge aus ihrem Buch vorstellen, die wir gemeinsam mit Ihnen diskutieren möchten. Unsere Schwerpunkte werden u.a. im Bereich „Was sind Femizide, wer sind die Täter“ und „Umgangsrecht vs. Schutz vor Gewalt“  liegen.

Vor Ort erwartet Sie auch ein themenbezogener Büchertisch der Buchhandlung Anagramm (Mehringdamm 50, 10961 Berlin) sowie ein kleiner Getränkestand.

Der Eintritt ist frei.

Den Flyer finden Sie hier.

Termin: 16. Dezember 2022

Veranstalter: „Lokale Bündnisse für Familie“

Es erwarten Sie Beiträge aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zum Thema: „Aktive Vaterschaft – Zwischen Wunsch und Wirklichkeit“. 

Wir freuen uns auf unsere Gäste:

Ekin Deligöz, parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesfamilienministerin und
Dr. Achim Dercks, stellv. DIHK-Hauptgeschäftsführer

Dr. David Juncke (Vizedirektor, Leitung Familienpolitik, Prognos AG) mit einem Fachimpuls:

„Zwischen gesellschaftlichen Trends und familiären Lebensbedingungen: Väter auf dem Weg zur partnerschaftlichen Vereinbarkeit“

Treten Sie anschließend miteinander zu einem dieser beiden Themen in den virtuellen (Bündnis-) Dialog:

Aktive Vaterschaft:

  1. Wunsch?! –  Welche Herausforderungen und Chancen erkennen Sie beim Thema „aktive Vaterschaft“?
  2. Wirklichkeit?! –  Welche (erfolgreichen) Projekte zum Thema „aktive Vaterschaft“ haben Sie umgesetzt?

Anbei finden Sie das Programm.

Registrierung: Bitte melden Sie sich hier für den Bündnisdialog an. Weitere Informationen sowie den Veranstaltungslink senden wir Ihnen anschließend rechtzeitig zu.

Bereichern Sie die Veranstaltung mit Ihren Beiträgen: Wir laden Sie ein, uns Ihre Fragen vorab per E-Mail zuzusenden.
Wir werden diese anonymisiert in die Podiumsdiskussion und an den Thementischen einfließen lassen. 

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Archiv ZFF-Info

ZFF-Info 14/2022

AUS DEM ZFF

Anlässlich seiner Fachtagung „Sorgearbeit – selbstverständlich weiblich? Close the Care Gap!“ am 9. November gibt das Bündnis Sorgearbeit fair teilen Ergebnisse einer repräsentativen YouGov-Umfrage bekannt.

Das ZFF ist einer von 26 Mitgliedsverbänden des zivilgesellschaftlichen Bündnisses Sorgearbeit fair teilen. Das Bündnis setzt sich für die geschlechtergerechte Verteilung unbezahlter Sorgearbeit im Lebensverlauf ein. Seine Mitgliedsverbände haben sich zum Ziel gesetzt, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft für den Gender Care Gap und seine Auswirkungen zu sensibilisieren und sich für die Schließung der Sorgelücke einzusetzen.

Die Pressemitteilung des Bündnisses finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 10.11.2020

Bis zu 25.000 € mehr ist dem Staat künftig ein Kind von Spitzenverdienern bis zur Volljährigkeit wert. Diese Ungerechtigkeit durch das komplexe System der Kinderfreibeträge ist kaum bekannt. Durch das Inflationsausgleichsgesetz wird diese Schieflage fortgeschrieben. Denn dort werden neben dem Kindergeld erneut die Kinderfreibeträge erhöht. Das BÜNDNIS KINDERGRUNDSICHERUNG fordert von der Bundesregierung, stattdessen zielgerichtete Entlastungen für arme Familien und ihre Kinder und das Ende der unfairen Familienförderung.

Die vollständige Pressemitteilung des Bündnisses finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 10.11.2020

Anlässlich der heutigen Anhörung des Familienausschusses im Deutschen Bundestag bedauert das Zukunftsforum Familie (ZFF), dass mit der Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie keine nachhaltigen Verbesserungen für die Vereinbarkeit geplant sind und fordert die zügige Einführung einer Freistellung für den zweiten Elternteil nach der Geburt. 

Mit der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie sind wichtige Impulse für Verbesserungen von Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Mitgliedstaaten auf den Weg gebracht worden. Die Bundesregierung erkennt allerdings nur einen geringen Umsetzungsbedarf und beschränkt sich auf wenige gesetzliche Änderungen. Es sind geringfügige Verbesserungen im Elterngeld- und Elternzeitgesetz sowie Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz vorgesehen, die insbesondere sorgetragende Beschäftigte in Kleinbetrieben betreffen. Voraussetzung in diesen Fällen bleibt aber weiterhin die Zustimmung der Arbeitgeber*innen – somit werden auch diese Verbesserungen kaum bei Familien ankommen.

Lisa Sommer, Referentin des ZFF, erklärt dazu: „Es ist bedauerlich, dass die Bundesregierung mit der Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie die Gelegenheit für weitreichende Verbesserungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verpasst hat. Junge Eltern wollen Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlicher aufteilen, sie brauchen von Anfang an entsprechende Rahmenbedingungen.

Laut Koalitionsvertrag haben die Ampelparteien ambitionierte Maßnahmen für mehr Partnerschaftlichkeit geplant – wie die Freistellung nach Geburt des Kindes für den zweiten Elternteil. Diese familienpolitische Leistung muss jetzt endlich zügig umgesetzt werden, denn die Zeit nach Geburt des Kindes ist eine ganz besondere Phase im Familienleben. Eine Freistellung gibt Vätern und zweiten Elternteilen den notwendigen Raum für den Aufbau und die Stärkung der Bindung zum Kind. Sie würde genauso Mütter entlasten, die im Wochenbett auf umfassende Unterstützung angewiesen sind. Darüber hinaus trägt die Regelung aus Sicht des ZFF das Potential, auch längerfristig partnerschaftliche Wirkung zu entfalten und kann u. a. einen Anreiz für eine längere Elternzeit des zweiten Elternteils setzen.“

Lisa Sommer ist heute als Sachverständige bei der Sitzung des Familienausschusses geladen. Die öffentliche Anhörung wird zeitversetzt am 08. November um 13 Uhr unter www.bundestag.de übertragen.

Die Stellungnahme des Zukunftsforum Familie e.V. anlässlich der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 07. November 2022 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur weiteren Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates“ sowie zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. „28 Tage Elternschutz für den zweiten Elternteil ab Geburt des Kindes einführen“ (BT-Drs. 20/2688) finden Sie hier

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 07.11.2020

Als nicht weitgehend genug bewerten Sachverständige die von der Bundesregierung geplante Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Montagnachmittag deutlich. Der Gesetzentwurf (20/3447) sieht unter anderem vor, dass Arbeitgeber in Kleinbetrieben ihren Beschäftigten, die den Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegzeitgesetz beantragen, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zugang des Antrages antworten müssen. Im Fall einer Ablehnung des Antrags sei diese zu begründen. Ein Anspruch auf Freistellung sei nicht geplant.

Bewertet wurde bei der Anhörung auch ein Antrag der Linksfraktion (20/2688). Darin wird die Einführung einer 28-tägigen Freistellung von der Arbeit für den zweiten Elternteil ab Geburt des Kindes bei 100-prozentiger Entgeltfortzahlung gefordert.

Dörthe Gatermann vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge bewertete es positiv, dass künftig auch in Kleinbetrieben angestellte Eltern unterstützt würden. Zwar gebe es weiterhin keinen Rechtsanspruch auf eine Freistellung, doch werde bei Ablehnung zumindest eine Begründung des Arbeitgebers gefordert. Damit könne die Verhandlungsposition pflegender Angehöriger gestärkt und eine vermehrte Bewilligung solcher Freistellungsanträge bewirkt werden, sagte Gatermann. Diese Maßnahmen reichten aber nicht aus, um den wachsenden Bedarf nach Unterstützung pflegender Angehöriger zu decken. Benötigt werde unter anderem eine Harmonisierung der Schwellenwerte auf 15 Beschäftigte, befand sie. Derzeit gelten im Pflegezeitgesetz Unternehmen mit bis zu 15 Beschäftigten als Kleinbetriebe während beim Familienpflegzeitgesetz der Schwellenwert bei 25 Beschäftigten liegt.

Auch Ulrike Gebelein von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßte die vorgesehenen Begründungspflichten sowie das Vorhaben, pflegende Angehörige unter den Schutz der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu stellen. Die Umsetzung der EU-Richtlinie dürfe aber durch den Gesetzentwurf nicht als abgeschlossen gelten, warnte sie. Es brauche eine mindestens zehntägige Freistellungsregelung für Väter oder den gleichgestellten zweiten Elternteil nach der Geburt. Eine Verankerung dieses Rechtsanspruches sollte im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz erfolgen.

Die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie sei nicht umgesetzt, da es keine bezahlte Freistellung für Väter nach der Geburt gebe, sagte Elke Hannack vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). In Krisenzeiten bei Familien den Rotstift anzusetzen, sei aus familien- und gleichstellungspolitischer Sicht ein Fehler, sagte die DBG-Vertreterin. Auch für pflegende Angehörige enttäusche der Gesetzentwurf, weil an den Schwellenwerten bei Kleinbetrieben festgehalten werde. Der in der EU-Richtlinie vorgegebene Kündigungsschutz greife daher nicht, kritisierte Hannack. Hier müsse nachgebessert werden, indem die Schwellenwerte abgeschafft werden, verlangte sie.

Die Sozialwissenschaftlerin Lena Hipp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung bedauerte, dass das „Gelegenheitsfenster“, das sich durch die Umsetzung der Richtlinie geöffnet habe, nicht ausreichend genutzt worden sei, um tatsächliche Vereinbarkeit voranzutreiben. So wäre es aus ihrer Sicht sinnvoll, aus den zwei Partnermonaten bei der Elternzeit vier Monate zu machen. Ihren Studien zufolge würde eine Vielzahl von Vätern diese auch wahrnehmen. Hipp ging auch auf Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt ein, unter denen Frauen mit Kindern zu leiden hätten. Elternschaft, so ihre Forderung, müsse daher als geschütztes Merkmal in das Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen werden.

Dag Schölper vom Bundesforum Männer, dem Interessenverband für Jungen, Männer und Väter, sprach mit Blick auf den Verzicht des in der Richtlinie vorgegebenen „Vaterschaftsurlaubs“ von einer „Leerstelle im Gesetzentwurf“. Diese durch die Vereinbarkeitsrichtlinie vorgesehene Leistung habe einen eigenständigen Anspruchscharakter und sei eben nicht bereits durch die aktuellen Elterngeld- und Elternzeit-Regelungen abgedeckt, sagte er. Die Einführung eines solchen neuen und eigenständigen Anspruchs jenseits der bereits bestehenden Regelungen zu Elterngeld und Elternzeit könne einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Vater-Kind-Bindung von Anfang an zu stärken, die Väterbeteiligung an der Sorgearbeit zu erhöhen, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu verbessern und Müttern mehr Erwerbsperspektiven zu eröffnen, betonte Schölper.

Anders bewertet das Kerstin Plack von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Der Vaterschaftsurlaub müsse richtigerweise aufgrund einer Aussetzungsklausel in Artikel 20 Absatz 7 der Richtlinie in Deutschland nicht umgesetzt werden, sagte sie. Es sollte aus Sicht der BDA nicht auf anderer Grundlage zu einer solchen überzähligen Regelung kommen. Plack bewertete auch das für das Pflege- und das Familienpflegezeitgesetz vorgesehene Antragsverfahren zur Vereinbarung einer Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Kleinbetrieben als „zu weitgehend“. Die Schwellenwerte von Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz, sowie Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz hätten ihren Grund in der deutlich geringeren personellen wie finanziellen Belastbarkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Diese können Mitarbeiterausfälle aufgrund der dünneren Personaldecke häufig nicht durch eine Umverteilung oder Umorganisation abfangen.

Lisa Sommer vom Zukunftsforum Familie befand indes, dass der entsprechende Anspruch auf alle Betriebsgrößen ausgeweitet werden müsse, „sodass alle Beschäftigte Auszeiten oder eine Verringerung der Arbeitszeit für die Pflege von Angehörigen tatsächlich nutzen können“. Bedauerlich sei auch, dass mit der Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie nicht die Möglichkeit genutzt worden sei, umfassendere Verbesserungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerade in der frühen Familienphase zu initiieren wie etwa eine bezahlte Freistellung für zweite Elternteile, die explizit mit der Geburt des Kindes verknüpft sein sollte.

Beim Dax-Unternehmen SAP gib es laut Unternehmensvertreterin Nina Straßner seit 2020 eine „Väterzeit“. Während der gesetzlichen, achtwöchigen Mutterschutzzeit nach der Geburt bestehe bei SAP Deutschland für länger als sechs Monate im Unternehmen beschäftigte Väter die Möglichkeit, für 20 Prozent ihrer Arbeitszeit bezahlt freigestellt zu werden, sagte sie. Das Angebot werde sehr gut angenommen. In den ersten 15 Monaten hätten mehr als 500 Väter und weniger als zehn gleichgeschlechtliche Elternpaare das Angebot in Anspruch genommen, „wobei durch die Verankerung als bezahlte Freistellung kein zusätzliches Budget aufgewendet werde musste“.

Quelle: Pressemitteilung  hib – heute im Bundestag Nr. 625 vom 07.11.2022

SCHWERPUNKT I: Mehrkindfamilien

Mehrkindfamilien in Deutschland sehen sich häufig mit zwei Vorurteilen konfrontiert. Entweder gelten sie als privilegiert und vermögend, weil sie genug Geld für drei oder mehr Kinder aufbringen können. Oder sie werden als von Sozialleistungen abhängige „Problemfälle“ dargestellt. Doch tatsächlich sind Mehrkindfamilien übergangene Leistungsträger:innen der Gesellschaft. Sie brauchen aber gezieltere Unterstützung.

Wer in Deutschland in einer Familie mit mehreren Kindern lebt, ist häufiger von Armut betroffen, als das in Haushalten mit weniger Kindern der Fall ist. Fast ein Drittel (32 Prozent) aller Familien mit drei oder mehr Kindern gilt als einkommensarm, knapp 18 Prozent beziehen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Der Blick auf die Länderebene unterstreicht diesen Befund: Über alle Bundesländer hinweg haben Paarfamilien mit drei und mehr Kindern ein fast dreimal so hohes Armutsrisiko wie Paarfamilien mit zwei Kindern. Am häufigsten sind Mehrkindfamilien in Bremen (63 Prozent) von Armut betroffen, in Bayern ist das Risiko am geringsten (22 Prozent). Besonders schwierig ist die Lage für alleinerziehende Familien mit drei und mehr Kindern: Über 86 Prozent von ihnen sind auf Sozialtransfers angewiesen. Wie aus unserer neuen Studie „Mehrkindfamilien gerecht werden“ ebenfalls hervorgeht, sind Kinder aus kinderreichen Familien besonders häufig von Armut betroffen: Mit 46 Prozent lebt fast die Hälfte aller Kinder in Mehrkindfamilien im SGB II-Bezug.

In den insgesamt 1,3 Millionen Mehrkindfamilien in Deutschland – das entspricht etwa jeder sechsten Familie – stehen die Eltern in besonderer Weise vor der Herausforderung, Beruf und Kinderbetreuung miteinander zu vereinbaren. Die Erwerbstätigkeit beider Elternteile nimmt mit steigender Kinderzahl ab; in Familien mit drei und mehr Kindern liegt sie deutlich niedriger als bei Eltern mit einem oder zwei Kindern. Insgesamt ist in Mehrkindfamilien häufiger als in anderen Familien der Vater Hauptverdiener, während die Mutter dazu verdient. Die Mütter wenden im Durchschnitt aber auch pro Tag rund doppelt so viel Zeit für die Kinderbetreuung auf wie die Väter. Erst mit zunehmendem Alter der Kinder weiten Mütter – wie in anderen Familien auch – ihre Erwerbsbeteiligung aus. Zudem zeigen die Daten, dass rund 70 Prozent der Mütter von drei und mehr Kindern gut bis sehr gut ausgebildet sind. Das widerlegt das Klischee, Eltern von Mehrkindfamilien hätten überwiegend einen niedrigen Bildungsstand.

Kinderarmut durch Unterstützung von Mehrkindfamilien bekämpfen

„Da die Betreuung und Erziehung von drei und mehr Kindern viel Zeit kostet, können Eltern ihre Erwerbstätigkeit kaum ausweiten, sondern müssen sie meistens sogar reduzieren“, so Anette Stein, Direktorin des Programms Bildung und Next Generation. Für viele Familien stelle das angesichts der fehlenden Betreuungsmöglichkeiten und steigenden Lebensmittelkosten eine immer größere Herausforderung dar. „Die soziale Situation von Mehrkindfamilien muss viel stärker ins Blickfeld rücken – vor allem auch deshalb, um die Kinderarmut in Deutschland entschlossen zu bekämpfen“, appelliert die Expertin. Um ein besseres Verständnis für die Lebenswirklichkeit und die Bedarfe von Mehrkindfamilien zu gewinnen, haben Sabine Andresen, Professorin für Familienforschung an der Goethe-Universität Frankfurt, und ihr Team 20 von ihnen ausführlich befragt. Dabei wurde deutlich, dass die Sorge um finanzielle Engpässe als auch um ausreichend bezahlbaren Wohnraum Mehrkindfamilien ständig begleitet. Zudem beklagen sie Benachteiligungen im Alltag, da zum Beispiel Familientickets im öffentlichen Personennahverkehr, im Schwimmbad oder im Zoo häufig auf die klassische Zwei-Kind-Familie ausgerichtet sind. Eine zusätzliche Belastung stellen Vorurteile und Stigmatisierungen dar, denen sich Mehrkindfamilien häufig ausgesetzt sehen.

Die soziale Situation von Mehrkindfamilien muss viel stärker ins Blickfeld rücken – vor allem auch deshalb, um die Kinderarmut in Deutschland entschlossen zu bekämpfen.

Anette Stein, Direktorin des Programms Bildung und Next Generation der Bertelsmann Stiftung

„Mehrkindfamilien sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert“

„Mehrkindfamilien sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert; übersehen werden dabei ihre enormen Leistungen für die Gesellschaft“, betont Sabine Andresen. „Wer drei Kinder oder mehr großzieht, sorgt im Umkehrschluss dafür, dass der Generationenvertrag unserer solidarisch organisierten Sozialversicherungssysteme funktioniert. Ohne die Care-Arbeit der Eltern, vor allem der Mütter, die dafür häufig auf die eigene Karriere und damit ausreichende Altersvorsorge verzichten, wäre das nicht möglich. Schon deshalb schulden wir diesen Familien eine gezielte Unterstützung, mehr Wertschätzung sowie die Überwindung von Klischees.“

Um Kindern in Mehrkindfamilien ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen und ihnen bessere Chancen auf Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu eröffnen, plädieren wir weiterhin mit Nachdruck für die Einführung einer Kindergrundsicherung, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Hierauf hätte jedes Kind Anspruch, unabhängig von der Familienform und der Zahl der Geschwister. Wichtig ist, dass damit die tatsächlichen, altersgerechten Bedarfe von Kindern und Jugendlichen gedeckt werden. Kurzfristig sind angesichts der rasant steigenden Verbraucherpreise zudem schnelle und unbürokratische Entlastungen gerade für kinderreiche Familien vonnöten. Bei Angeboten und Vergünstigungen für Familien in Bereichen wie Mobilität, Freizeit, Sport und Kultur müssen die speziellen Bedürfnisse dieser Familienform stärker mitgedacht werden.

Erleichterungen bedarf es auch in der Betreuung und Erziehung. Neben einem Ausbau der Angebote in der Kindertagesbetreuung sollte die Care-Arbeit von Müttern und Vätern – in allen Familienformen – gesellschaftlich stärker anerkannt und gerechter zwischen den Geschlechtern aufgeteilt werden. Langfristig wäre Mehrkindfamilien damit geholfen, wenn sich Politik, Wissenschaft und Gesellschaft von der Norm der Zwei-Kind-Familie lösen würden. Denn Mehrkindfamilien sind vielfältig, was bei politischen Maßnahmen ebenso wie in der öffentlichen Wahrnehmung sowie in der Forschung konsequent berücksichtigt werden sollte.

Studie

Mehrkindfamilien gerecht werden

Factsheet: Mehrkindfamilien in Deutschland

Quelle: Pressemitteilung Bertelsmann Stiftung vom 10.11.2022

Zur Bertelsmann-Studie zu Mehrkindfamilien erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie Mitglied im Ausschuss für Familie, Senior*innen, Frauen und Jugend:

Mit jedem Kind steigt das Armutsrisiko in Deutschland. Besonders gravierend ist dies für alleinerziehende Mehrkindfamilien. 1,3 Millionen Mehrkindfamilien gibt es in Deutschland. Mehr als jedes vierte Kind wächst in dieser Familienform auf. Dennoch sind sie viel zu selten Mittelpunkt der politischen Debatte. Aus diesem Grund ist die vorliegende Studie der Bertelsmann-Stiftung so wichtig. Sie zeigt: Mehrkindfamilien leisten Unglaubliches auch mit Blick auf unseren Generationenvertrag. Dennoch sind sie besonders von Diskriminierung und Vorurteilen betroffen. Sie und besonders die Mütter verzichten häufig für ihre Kinder auf Einkommen, Zeit für sich und eine ausreichende Altersvorsorge. Und das, obwohl 70 Prozent der Mehrkindmütter gut bis sehr gut ausgebildet sind. Die aktuellen Krisen – Inflation, steigende Energiepreise, Corona-Pandemie – belasten sie besonders.

Mehrkindmütter leisten einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Deshalb setzen wir uns in der Ampelkoalition mit dem Kita-Qualitätsgesetz, der Fachkräfteoffensive und der Einführung des Rechts auf einen Ganztagsplatz in Grundschulen für eine verlässliche frühkindliche Bildung ein. Damit schaffen wir gerade auch für Eltern mit mehreren Kindern Zuverlässigkeit, dass sie Job und Familie unter einen Hut bringen können. Zudem arbeiten wir aktuell mit Hochdruck an der Kindergrundsicherung. Mit ihr erhält jedes Kind unabhängig von der Familienform die Leistungen, auf die es einen Anspruch hat. Wichtig dabei für Mehrkindfamilien mit knappen Zeitressourcen: die automatische Berechnung und Auszahlung.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 10.11.2022

Die heute veröffentlichte Studie zu Familien mit drei Kindern und mehr („Mehrkindfamilien gerecht werden“, Bertelsmann Stiftung 2022) trifft auf Wohlwollen beim Deutschen Familienverband (DFV). Der Verband ist nicht nur traditionell den Mehrkindfamilien zugeneigt – vor 100 Jahren gründete sich der DFV als Selbsthilfeorganisation kinderreicher Familien. Schon lange weist der DFV darauf hin, dass die wissenschaftliche Studienlage zu Familien mit mehr als drei Kindern unzureichend ist. Die veröffentlichte Studie hilft dabei, wissenschaftliche Lücken zu schließen.

„Die krisenhafte demographische Entwicklung hat vor allem damit zu tun, dass wir in Deutschland zu wenige kinderreiche Familien haben“, sagt Sebastian Heimann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes. „Familien mit drei und mehr Kindern müssen von der Politik nicht nur intensiver berücksichtigt werden. Der Staat muss Paaren grundsätzlich mehr Mut zu mehr Kindern machen.“

Fehlende politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Mehrkindfamilien führt viel zu lange zu ungeeigneten Wohnverhältnissen, finanziellen Schwierigkeiten, Betreuungsproblemen und anderen Nachteilen. Neben Vorurteilen und Stigmatisierung ist es nicht verwunderlich, dass sich immer weniger Familien für mehr als zwei Kinder entscheiden. Deutschland ist kein Land, dass kinderreiche Familien schätzt und unterstützt.

Wie der DFV mit den Elternklagen macht die Studie auf die Bedeutung von Familien für das umlagefinanzierte Sozialsystem aufmerksam. Mit der Erziehung von Kindern sorgen insbesondere Mehrkindfamilien dafür, dass der gesetzlichen Renten-, Pflege- und Krankenversicherung die Beitragszahler nicht ausbleiben und der Generationenvertrag aufrechterhalten wird.

„Es ist richtig, wenn die Autorinnen der Studie feststellen, dass die kürzlich vom Bundesverfassungsgericht geforderte proportional mit Anzahl der Kinder steigende Entlastung von Eltern in der Pflegeversicherung nur ein kleiner Schritt ist“, sagt Heimann. Der Deutsche Familienverband und der Familienbund der Katholiken zeigen in ihrem jährlich veröffentlichten Horizontalen Vergleich, dass gerade Sozialabgaben kinderreiche Familien belasten und unter das Existenzminimum drücken.

„Jede Reform, die zum Ziel hat, kinderreiche Familien zu entlasten, muss bei den Sozialabgaben anfangen. Eine Kindergrundsicherung wird die Kinder- und Familienarmut in Deutschland nicht lösen. Wie es derzeit scheint, ist die Kindergrundsicherung nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen“, so Heimann.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 10.11.2022

zu den heute veröffentlichten Zahlen der Bertelsmann-Stiftung zu Kinderarmut in Mehrkindfamilien erklärt Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes:

„Die Zahlen der Bertelsmann-Stiftung zeigen einmal mehr ganz deutlich: Mehrkindfamilien haben ein erhöhtes finanzielles Armutsrisiko. Ein Mindestlohn von zwölf Euro sorgt zwar dafür, dass Erwerbstätige allein über die Runden kommen. Mit jedem Kind, das in eine Familie mit geringem Einkommen geboren wird, steigt aber das Risiko auf die in der Regel unzureichenden Sozialleistungen des Staates angewiesen zu sein. Wer will, dass Arbeit sich lohnt, muss sich deshalb für eine armutsfeste Kindergrundsicherung einsetzen. Ich rufe insbesondere die Union und Herrn Merz auf, die Angriffe auf das geplante Bürgergeld einzustellen und stattdessen für eine gute Kindergrundsicherung einzutreten.“

Quelle: Pressemitteilung Der Kinderschutzbund – Bundesverband e.V. vom 10.11.2022

Mehr als ein Viertel der Kinder in Deutschland wächst mit zwei oder  mehr Geschwistern auf Mehrkindfamilien sind so vielfältig wie andere  Familien auch. Es gibt besonders reiche und besonders arme Familien  darunter, Alleinerziehende, Migrant:innen, Lebensgemeinschaften, Regenbogenfamilien.
Die evangelische arbeitsgemeinschaft familie sieht sich durch die  Ergebnisse der heute veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung  in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Interessen von Mehrkindfamilien in unserer Gesellschaft deutlich besser wahrgenommen werden müssen. „Es braucht ein Umdenken in Politik und Wirtschaft – also  eine Abkehr von der Zwei-Kind-Norm“, so Präsident Dr. Martin Bujard. „Familienangebote, die sich nicht automatisch auch auf Familien mit  mehr als zwei Kinder beziehen, haben die Bezeichnung  „familienfreundlich“ nicht verdient.“

Die in der Studie vorgestellten Reformvorschläge in Bezug auf  Generationenvertrag, Armutsbekämpfung und Kindergrundsicherung  finden die volle Unterstützung der eaf. Der evangelische Familienverband weist insbesondere darauf hin, dass mehr Kinder in  einer Familie aber auch deutlich mehr Sorgearbeit bedeuten:
„Gerade Familien mit mehr als zwei Kindern brauchen eine ihnen  zugewandte Zeitpolitik. Wir benötigen Lösungen, die ausreichend Zeit  für Sorgearbeit in der Familie ermöglichen, die Vereinbarkeit Familie  und Beruf erleichtern und Partnerschaftlichkeit individuell gestalten  lassen. Unser Konzept für eine Dynamische Familienarbeitszeit soll  auch den vielfältigen Bedürfnissen von größeren Familien gerecht  werden“, so Bujard.

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 10.11.2022

Die Forschungslage über kinderreiche Familien ist überschaubar. In Berechnungen und Statistiken werden sie zu wenig berücksichtigt, auch wenn sich in den letzten zehn Jahren manches verbessert hat. Zu oft mangelt es an verwertbaren Daten. 2019 erschien die letzte wissenschaftliche Studie über dieses Familienmodell. „Vor diesem Hintergrund freuen wir uns sehr darüber, dass die Bertelsmann-Stiftung diese Daten erhoben und ausgewertet hat. Sie bestätigt unsere Erkenntnisse und Lösungsansätze ohne Ausnahme,“ freut sich die Vorsitzende des Verbands kinderreicher Familien Deutschland, Dr. Elisabeth Müller. „Die Berichte, Haltungen und Lebensleistungen dieser Familien wirken inspirierend und bereichern persönliche Lebensperspektiven.“ Gerade ein gutes Netzwerk und die Möglichkeit zu niederschwelligen Austausch über familiäre Bedarfe ist eine wichtige Zugangsressource zu Information für Eltern. So wird der Verband immer wieder als wichtige Plattform für die Kommunikation von Information und die Vertretung von Interessen kinderreicher Familien vor allem gegenüber der Politik genannt.

Die von Prof. Dr. Sabine Andresen (Goethe-Universität Frankfurt am Main) begleitete qualitative Studie gibt einen „live-Einblick“ (S. 22) in den Alltag von Mehrkindfamilien – mit leisen und lauten Tönen, Glücksmomenten und Freuden. Der Umgang mit Ressourcen sowie Herausforderungen und Belastungssituationen wird dabei nicht beschönigt, sondern in Relation gesetzt. „Entstanden sind Beobachtungen und Fakten, die unsere Wahrnehmung und Erfahrungen sowohl auf Verbands- als auch auf persönlicher Ebene abbilden. Dass unser Familienmodell bereichernd ist, wurde nun verschriftlicht“, so Müller. „Die ausführlichen Erzählungen und Einblicke in das Leben der Mehrkindfamilien sind für uns nicht überraschend. Sie zeugen von einer großen Authentizität, hohem Verantwortungsbewusstsein und von ausgeprägtem Reflektionsvermögen kinderreicher Eltern.“

Eltern von drei und mehr Kindern bewältigen einen anspruchsvollen Alltag. Sie verzichten zugunsten ihrer Kinder auf Einkommen, eigene Karrieren und häufig auf eine ausreichende Altersvorsorge. Das verdient Anerkennung und Wertschätzung. Denn sie sind Leistungsträger:innen unserer Gesellschaft, auch indem sie einen großen Beitrag zum sozialstaatlichen Generationenvertrag beisteuern, heißt es in der Studie. Vor diesem Hintergrund darf das Lebensmodell „familie3plus“ nicht mehr argwöhnisch und stiefmütterlich betrachtet werden. Müller fordert deshalb: „Es ist an der Zeit, Vorurteile und Stigmatisierungen gegenüber abzulegen. Was es braucht, ist eine passgenaue Familienpolitik, die Mehrkindfamilien in den Mittelpunkt der Gesellschaft rückt und den hohen Wert der Care-Arbeit samt des reichen Schatzes an Erfahrungen und vielfältigen Ressourcen, die in kinderreichen Familien stecken, anerkennt. Hierfür braucht es neben der notwendigen Wertschätzung auch finanzielle Unterstützung, damit die Entscheidung für ein drittes oder weiteres Kind nicht zum Armutsrisiko wird, denn die Studie zeigt, dass dieses bei Mehrkindfamilien fast viermal so hoch ist wie bei Zweielternfamilien mit einem Kind. Vor diesem Hintergrund ist es besonders unverständlich, dass die geplante Kindergelderhöhung zum 1.1.2023 nur das erste bis dritte Kind berücksichtigt. Aus unserer Sicht ist eine deutliche Erhöhung des Kindergelds ab dem dritten Kind dringend notwendig.“

Mehrkindfamilien sind vielfältig. Ihre spezifischen Bedarfe sollten bei politischen Maßnahmen ebenso wie in der Forschung und bei Datenerhebungen konsequent mitgedacht werden. Dies geschieht viel zu wenig. Musterberechnungen für Transferleistungen beispielsweise werden in der Regel nur für Eltern mit ein oder zwei Kindern erstellt. Mehrkindfamilien erfassen so nur schwer, was politische Entscheidungen für ihre zukünftige finanzielle Situation bedeuten.

Der Verband dankt allen beteiligten Familien für ihre Bereitschaft und Offenheit, Einblicke in ihren Alltag zu gewähren. Unser besonderer Dank gilt der Bertelsmann Stiftung und dem Forschungsteam um Frau Prof. Sabine Andresen. Sie verleihen mit ihrer Arbeit ca. 1,3 Millionen Familien mit drei und mehr Kindern, das entspricht fast sieben Millionen Menschen, in Deutschland eine Stimme.

Die Studie verleiht der Erziehungs- und Lebensleistung von Mehrkindmüttern- und -vätern großen Respekt und Anerkennung; sie gibt ihnen eine Stimme. „Mit diesem Rückenwind und der Bestätigung unserer Arbeit wünschen wir uns eine größere politische Rückendeckung und Ressourcen, die den Verband als Anlaufstelle für Mehrkindfamilien sichtbarer machen. Wir werden auch in Zukunft unsere Zielgruppe bestmöglich beraten, unterstützen und miteinander vernetzen“, so die Vorsitzende. Diese Veröffentlichung trägt zur Sichtbarkeit dieses Familienmodells „Mehrkindfamilie“ erheblich bei.

Die KRFD-Stellungnahme zur aktuellen Bertelsmann-Studie Mehrkindfamilien gerecht werden: Bedarfe im Alltag von Familien mit drei und mehr Kindern – Studie von Andresen u.a. (2022)

Quelle: Pressemitteilung Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD vom 10.11.2022

SCHWERPUNKT II: Debatte Bürger*innengeld

Die Bundesregierung will die Grundsicherung zu einem modernen Bürgergeld fortentwickeln und so die staatliche Unterstützung bürgernäher, unbürokratischer und zielgerichteter gestalten. Zu diesem Gesetzentwurf hat sich der Bundesrat am 28. Oktober 2022 geäußert. In ihrer Stellungnahme fordern die Länder die Bundesregierung insbesondere auf, die mit dem Gesetz verbundenen Kostenfolgen zu überprüfen und etwaige Mehrkosten der Länder und Kommunen zu refinanzieren.

Was die Bundesregierung vorhat: Dauerhafte Arbeitsmarktintegration

Nach dem Wunsch der Bundesregierung sollen sich die über 5 Millionen Menschen, die in Deutschland Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitsuche konzentrieren können.

Höhere Regelbedarfe

Ziel ist eine dauerhafte Arbeitsmarktintegration. Außerdem gestaltet der Entwurf die Berechnung der Regelbedarfe neu: Sie sollen künftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst werden. Die Regelbedarfe für das kommende Jahr wurden bereits entsprechend berechnet. Ab 1. Januar 2023 soll etwa ein alleinstehender Erwachsener 502 Euro erhalten – 53 Euro mehr als bisher.

2 Jahre Karenzzeit

Damit die Leistungsberechtigten sich auf die Arbeitsuche konzentrieren können, soll in den ersten zwei Jahren des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit gelten: Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen. Vermögen wird nicht berücksichtigt, sofern es nicht erheblich ist. Nach der Karenzzeit folgt eine entbürokratisierte Vermögensprüfung.

Auch hieran entzündet sich Kritik der Länder. Mit dieser Regelung würde eine nahezu unbegrenzte Anerkennung auch unangemessener Aufwendungen für Heizung während der zweijährigen Karenzzeit erfolgen, deshalb sollen die Kosten nur für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe übernommen werden, fordert der Bundesrat in seiner Stellungnahme.

Freibeträge und Kooperationsplan

Für Bürgergeldbeziehende gelten zudem höhere Freibeträge als bislang. Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird durch einen Kooperationsplan abgelöst, den Leistungsberechtigte und Integrationsfachkräfte gemeinsam erarbeiten. Dieser Plan soll dann als „roter Faden“ im Eingliederungsprozess gelten. Mit Abschluss des Kooperationsplans gilt eine Vertrauenszeit. In diesem Zeitraum wird ganz besonders auf Vertrauen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesetzt.

Leistungsminderungen weiter möglich

Wer Termine nicht wahrnimmt, muss nach den Plänen der Bundesregierung auch weiterhin mit Sanktionen rechnen – allerdings nur im Wiederholungsfall. Leistungsminderungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse betragen dann höchstens 30 Prozent des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs. Kosten der Unterkunft und Heizung werden nicht reduziert. Es gibt keine Leistungsminderung, sollte sie im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen. Die verschärften Sonderregelungen für die unter 25-jährigen Hilfeempfänger entfallen.

Arbeitsmarktzugang Geringqualifizierter

Geringqualifizierte sollen auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll Leistungsberechtigten helfen, die besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen.

Höhere Freibeträge für Nebenjobs

Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende können künftig mehr ihres selbstverdienten Geldes behalten. Der Freibetrag für Hinzuverdienste soll auf 520 Euro steigen, damit junge Menschen die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, einen Schüler- oder Studentenjob aufzunehmen.

Mit der Erhöhung des Freibetrags im Bereich zwischen 520 und 1 000 Euro von 20 auf 30 Prozent des erzielten Erwerbseinkommens steige der Anreiz zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze.

Bundesrat fordert weitere Schritte

Dies sei nur ein erster Schritt zur Verbesserung der Hinzuverdienstregelungen, monieren die Länder in ihrer Stellungnahme. Es sei insbesondere sicherzustellen, dass ebenso Personen, die Einkommen aus einer Ausbildungsvergütung oder Qualifizierung beziehungsweise Teilqualifizierung erhalten, sowohl von der Anhebung der Hinzuverdienstgrenzen als auch von der Neuausrichtung bei der Einkommensanrechnung im SGB II profitieren.

Sozialer Arbeitsmarkt

Nach dem Regierungsentwurf sollen die Regelungen zum „Sozialen Arbeitsmarkt“ künftig unbefristet gelten. Deren Ziel ist es, besonders arbeitsmarktfernen Menschen soziale Teilhabe durch längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung zu ermöglichen und Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen. Bislang sollte die Regelung am 31. Dezember 2024 auslaufen.

Nächste Schritte

Die Stellungnahme des Bundesrates wurde der Bundesregierung zugeleitet, die eine Gegenäußerung dazu verfasst und dem Bundestag zur Entscheidung vorlegt. Anschließend kommt das Gesetz noch einmal abschließend in den Bundesrat. Es bedarf seiner Zustimmung, um in Kraft treten zu können.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 28.10.2022

Die heutige öffentliche Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales hat den Kurs für das Bürgergeld aus Sicht der SPD-Fraktion bestätigt. Die Länder sind nun gefragt, die Verhandlungen über das Gesamtpaket schnellstmöglich abzuschließen.

„Die unabhängigen Sachverständigen geben dem Bürgergeld Rückenwind. Den Vorwurf der Union, dass sich Arbeit durch das Bürgergeld nicht mehr lohne, haben sie heute entkräftet.

Den von den Sachverständigen geforderten Anpassungen bei den Hinzuverdiensten kommt das zweite Bürgergeld-Paket nach. Ebenfalls bestätigte die Befragung, sich stärker auf gute Beratung und Bürokratieabbau zu konzentrieren. Der vorgesehene Fokus auf Weiterbildung wurde als notwendig eingeschätzt, um die Potenziale von Langzeitarbeitslosen für den Arbeitsmarkt zu heben. Deutlich wurde auch, dass die Ausgestaltung von Karenzzeit und Schonvermögen politisch zu klären sei. Dabei käme es darauf an, wie wichtig man die Bedeutung von Leistungsgerechtigkeit und Respekt vor Lebensleistung bewertet.

Die durch das Gesetz geschaffenen Rahmenbedingungen machen den Weg frei für eine bessere und zielgenauere Beratung. Die Bundesregierung setzt weiterhin auf das Prinzip des Förderns und Forderns mit dem Bürgergeld, gestaltet es aber zielgenauer und moderner aus.

Vor diesem Hintergrund sehen wir uns mit dem jüngst vorgelegten Kompromissvorschlag durch die heutige Anhörung klar bestätigt. Die Länder mit CDU-Regierungsbeteiligung sind jetzt am Zug, ihrerseits konkrete Vorschläge vorzulegen, um unnötige Verzögerungen aufgrund eines Vermittlungsverfahrens zu vermeiden. Es ist jetzt staatspolitische Verantwortung gefragt statt parteitaktischer Spielchen.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 07.11.2022

Die Jobcenter brauchen mehr Geld und die These, mit dem Bürgergeld lohne sich Arbeit nicht mehr, ist mindestens umstritten. Das sind nur zwei von vielen Erkenntnissen aus der Anhörung zum Bürgergeld-Gesetzentwurf der Bundesregierung und diverser Oppositionsanträge, die der Ausschuss für Arbeit und Soziales am heutigen Montag durchgeführt hat.

Mit ihrem Bürgergeld-Gesetz (20/3878), nach Koalitionsaussagen die größte sozialpolitische Reform seit vielen Jahren, möchte die Ampel-Regierung von SPD. Grünen und FDP „Hartz IV hinter sich lassen“. Geplant sind unter anderem eine „Kooperation auf Augenhöhe“ zwischen Arbeitssuchenden und Jobcenter-Mitarbeitern, die Einführung einer zweijährigen Karenzzeit, in der das Vermögen und die Angemessenheit der Wohnung nicht überprüft werden, die Stärkung von Weiterbildung durch finanzielle Anreize. Außerdem soll der Soziale Arbeitsmarkt verstetigt und Sanktionen deutlich abgemildert werden. Die monatlichen Regelleistungen werden um einen Inflationsausgleich deutlich angehoben. Abgeschafft werden soll auch der „Vermittlungsvorrang in Arbeit“. Stattdessen sollen Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll jenen Leistungsberechtigten helfen, „die aufgrund vielfältiger individueller Probleme besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen“.

Insbesondere Vertreter verschiedener Wohlfahrtsverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), aber auch der Bundesagentur für Arbeit (BA) unterstützten die Pläne für das neue Bürgergeld und mahnten eine zügige Umsetzung an. Dass wesentliche Kernpunkte des Gesetzes (außer die Regelsatzerhöhung) nach neuesten Änderungen der Koalition nun erst zum 1. Juli 2023 in Kraft treten, sorgte unter anderem bei Eva Strobl von der BA für Erleichterung: „Die Arbeit der Jobcenter wird sich wesentlich verändern, dafür brauchen wir mehr Vorlaufzeit.“ Birgit Fix vom Deutschen Caritasverband betonte, es sei gut, wenn sich die Jobcenter nun auf ihre Kernaufgaben der Beratung und Vermittlung konzentrieren könnten. Um diese Ziele umzusetzen, müssten die Mittel im Haushalt 2023 aber deutlich aufgestockt werden. Das forderte auch Martin Künkler vom DGB. Ohne zusätzliches Geld für die Jobcenter werde es sehr schwierig, die neuen Schwerpunkte der Arbeitsvermittlung umzusetzen, die im übrigen zu komplex, schwierig und intransparent seien, kritisierte Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag. Auch Anna Robra von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mahnte, die Änderungen müssten für die Jobcenter umsetzbar sein, dies könne sie angesichts der komplizierten Vorgaben nicht unbedingt erkennen, sagte sie. Mempel und Robra kritisierten außerdem die Regelungen zur Karenz- und Vertrauenszeit und die Abschaffung des Vermittlungsvorangs. „Das alles mindert Anreize, sich aus dem Bezug herauszuarbeiten“, sagte Robra. Mempel forderte, die Karenzzeit beim Bürgergeld, wenn an ihr festgehalten werden solle, auf sechs Monate zu verkürzen.

Zum Thema Lohnabstandsgebot sagte DGB-Vertreter Martin Künkler: „Der Abstand zwischen Lohn und Bürgergeld ist gewahrt.“ Er verwies unter anderem auf den gestiegenen Mindestlohn und kritisierte, dass viele Berechnungen zum angeblich zu geringen Abstand unsauber seien, da sie Leistungen wie Kinder- und Wohngeld nicht mitberücksichtigten. Auch Elena Weber von der Diakonie Deutschland konnte nicht erkennen, warum sich durch das Bürgergeld Arbeit nicht mehr lohnen solle. „Wenn Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können, muss man zuerst die Frage nach den Löhnen stellen“, so Weber. BDA-Vertreterin Anna Robra hatte dazu eine andere Auffassung: „Der Kern des Problems ist, dass sich Arbeit dann nicht mehr lohnt, wenn ich mich aus dem Bezug herausarbeiten will.“ Deshalb müsste bei den Hinzuverdienstgrenzen nachgebessert werden, forderte sie.

Große Einigkeit herrschte unter den Expertinnen und Experten hingegen in der Frage, die Regelsätze ab Januar schnell zu erhöhen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 623 vom 07.11.2022

Der Bundesrat kritisiert die Pläne der Bundesregierung für das Bürgergeld als unzureichend. In seiner Stellungnahme dazu, die nun als Unterrichtung (20/4226) vorliegt, heißt es unter anderem, im Gesetzentwurf zum Bürgergeld sei die große Gruppe der erwerbstätigen Leistungsbeziehenden, die über Einkommen verfügt und deren Sozialleistungen deshalb teilweise reduziert werden, nur unzureichend berücksichtigt worden. „Der Schnellschuss zur Anpassung der Hinzuverdienstregelung bei Erwerbseinkommen von 520 Euro bis 1.000 Euro wirkt dabei wenig durchdacht und wird weder den betroffenen Leistungsbeziehenden noch dem Anliegen der Länder gerecht“, so die Länderkammer.

Um erwerbsfähige Leistungsbeziehende dauerhaft und nachhaltig aus dem SGB II-Leistungsbezug zu führen, müssten die Regelungen zum Hinzuverdienst umfassend gemäß den Eckpunkten der Länder auf den Prüfstand gestellt werden. Außerdem wollen die Länder an einer Beteiligung bei der Umsetzung der Änderungen der Anpassungsregelungen für die Einkommensanrechnung durch den Bund festhalten.

Sie kritisieren darüber hinaus die Regelungen zur Freistellung der Altersvorsorge bei der Vermögensanrechnung und zur Karenzzeit. Eine zwingende Festlegung als Altersvorsorge solle weiterhin Voraussetzung für die Berücksichtigung als Schonvermögen sein. Daher solle an der bestehenden gesetzlichen Regelung in vereinfachter Form festgehalten werden, zumal damit sichergestellt sei, dass es sich um Versicherungsverträge handelt, die tatsächlich der Altersvorsorge dienen, schreibt der Bundesrat. Es müsse ferner gesetzgeberisch sichergestellt werden, dass die Einführung der zeitlich begrenzten Karenzzeit nicht zu einer dauerhaften Berücksichtigung der tatsächlichen Bedarfe führt, weil die Träger während der Karenzzeit die Zusicherung ohne Prüfung der Bedarfe erteilen müssen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022

Die AWO begrüßt, dass der Bundestag soeben das Bürgergeld-Gesetz beschlossen hat. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt: „Mit der heutigen Entscheidung wird ein echter und dringend überfälliger Systemwechsel eingeleitet. Jetzt ist es am Bundesrat, am Montag den Weg für mehr Gerechtigkeit und soziale Teilhabe frei zu machen. Gerade in der jetzigen Situation brauchen wir ein klares Bekenntnis zu unserem Sozialstaat!“

Die AWO fordert die Länder deshalb mit Nachdruck dazu auf, die Einführung des Bürgergelds im Bundesrat nicht zu blockieren. „Die Karenzzeiten wurden während der Pandemie von der Großen Koalition beschlossen und sind eine wesentliche Verbesserung des sozialen Sicherungssystems. Die Koalitionsfraktionen haben nach Kritik aus Bundesrat und Opposition einen Kompromissvorschlag erarbeitet, der deutlich hinter diesen ursprünglich eingeführten Regelungen zurückbleibt. Wer das Bürgergeld jetzt stoppt, hat den Bezug zur Realität verloren und betreibt populistische Parteipolitik auf Kosten derer, die angesichts der Preissteigerungen dringend Unterstützung brauchen!“ appelliert Michael Groß.

Kritisch sieht die AWO dagegen die Anpassung der Regelsätze an die Inflationsentwicklung. Diese sorgten zwar für dringend nötige finanzielle Entlastung bei den Leistungsbeziehenden, doch blieben die langjährigen Unterdeckungen in der Grundsicherung weiter bestehen. Hier bestehe dringender Nachbesserungsbedarf. „Es ist ganz einfach“, sagt dazu Groß abschließend, „Werden zu niedrige Regelsätze fortgeschrieben, bleiben diese weiterhin zu gering.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 10.11.2022

Zur aktuellen Debatte über die Einführung eines Bürgergelds erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:

„Wir brauchen jetzt eine zielführende konstruktive Debatte und keinen parteipolitischen Zank. Bei der Ablösung von Hartz IV durch ein Bürgergeld geht es um Menschen mit schwierigen Erwerbsbiografien und Hindernissen auf dem Arbeitsmarkt. Sie haben wie alle ein menschenwürdiges Existenzminimum verdient und benötigen die Unterstützung der Solidargemeinschaft, um Fuß zu fassen. Wer in der politischen Mitte stehen will, muss die Menschen in den Mittelpunkt stellen und nicht die eigenen Interessen.

Jetzt ist politischer Reformwillen in allen Parteien nötig, damit die Menschen nicht das Vertrauen in den Sozialstaat verlieren. Ich appelliere deshalb an die Union,  nach der entsprechenden Aufnahme der Anregungen der Bundesagentur, im Bundesrat den Weg für die Reform freizugeben, damit die dringend notwendige Erhöhung der Regelsätze und Reformschritte umgesetzt werden können. Vom Zaun gebrochene Debatten mit dem Ziel, die Reform aufzuhalten, werden die Situation der Betroffenen dramatisch verschlechtern. Dies gilt erst recht in diesen Zeiten steigender Energie- und Lebensmittelpreise. Wenn das Gesetz im Bundesrat blockiert wird, würde nicht nur die dringende Erhöhung der Regelsätze ausbleiben. Auch die Verbesserungen beim Schutz der Wohnung und Förderung der beruflichen Weiterbildung wären erst einmal Makulatur.“

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 08.11.2022

Neue Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle liegen vor.

Laut einer aktuellen Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist die zum Januar 2023 geplante Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung auf 502 Euro, über die der Deutsche Bundestag am morgigen Donnerstag im Zusammenhang mit einer Reform von Hartz IV und der Einführung eines sogenannten “Bürgergeldes” berät, viel zu niedrig. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müssten die Leistungen auf mindestens 725 Euro angehoben werden, um wirksam vor Armut zu schützen. Der Verband fordert eine entsprechende Erhöhung des Regelsatzes um 276 Euro plus die vollständige Übernahme der Stromkosten und mahnt die Politik zur Eile: Angesichts der Notlage der Betroffenen sei keine Zeit zu verlieren.

Der Paritätische kritisiert die regierungsamtliche Berechnungsmethode trotz der neuen Fortschreibungsmethodik als nicht geeignet, das verfassungsrechtlich gebotene soziokulturelle Existenzminimum abzusichern. “Ob Hartz IV oder Bürgergeld, an der eigentlichen Berechnungsmethode hat sich nichts geändert, die Leistungen bleiben trickreich kleingerechnet, reichen vorne und hinten nicht und gehen an der Lebensrealität der Menschen vorbei”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Angesichts der rasant steigenden Preise insbesondere für Energie und Lebensmittel stelle die geplante Erhöhung zum 1. Januar keine Verbesserung des Lebensstandards dar, sondern lediglich eine Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten der letzten 12 Monate.

Die Paritätische Forschungsstelle rechnet in ihrer aktuellen Expertise die seit Jahren bereits umstrittenen und auch von anderen Sozialverbänden kritisierten statistischen Manipulationen im Regelsatz heraus und nimmt darüber hinaus eine Anpassung an die aktuelle Preisentwicklung entsprechend des von der Ampel-Koalition vorgeschlagenen neuen Fortschreibungsmechanismus vor. Im Ergebnis müsste der Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen ab dem 1.1.2023 mindestens 725 Euro statt 502 Euro betragen.

Diese Berechnungen für einen armutsfesten Regelsatz werden durch eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa gestützt, nach der die Bevölkerung mehrheitlich nicht davon ausgeht, dass der mit dem Bürgergeld vorgesehene Regelsatz ausreicht, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Mit lediglich 6 Prozent geht nur eine ausgesprochen kleine Minderheit davon aus, dass der für Ernährung vorgesehene Betrag im Bürgergeld eine gesunde und ausgewogene Ernährung ermöglicht. In Hinblick auf die bisherige Unterstützung von Menschen mit geringen Einkommen, Rentner*innen und Studierenden sowie gemeinnützigen sozialen Einrichtungen in der Energie-Krise meint jeweils eine klare Mehrheit von etwa zwei Drittel der Befragten, dass diese bisher nicht ausreichend unterstützt werden.

Die repräsentative Umfrage wurde vom 28. Oktober bis 3. November 2022 vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbandes durchgeführt. Insgesamt wurden 1012 Personen über 18 Jahre im Rahmen der Mehrthemenumfrage des repräsentativen Online-Befragungspanels forsa.Omninet befragt.

Dokumente zum Download

Expertise der Paritätischen Forschungsstelle zur Regelsatzhöhe 2023 (213 KB)

Aktuelle Meinungsumfrage zu Lebenshaltungskosten und Energie-Krise (544 KB)

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 09.11.2022

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Bundesseniorenministerium startet Kampagne
zur Stärkung der Pflegeausbildung

Während die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Zukunft weiter steigen wird, besteht bereits heute ein erheblicher Mangel an Pflegefachkräften. Um auch zukünftig eine gute und professionelle Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege gewährleisten zu können, muss die Ausbildung gestärkt werden. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) startet deshalb heute im Rahmen der „Ausbildungsoffensive Pflege“ die bundesweite Informations- und Öffentlichkeitskampagne „Pflege kann was“.

Bundesministerin Lisa Paus: „Wenn wir mehr Menschen für das Berufsfeld Pflege gewinnen wollen, müssen wir den Beruf attraktiver machen. Es gelingt, immer mehr Menschen für diese wichtige Arbeit zu begeistern. Die immense Bedeutung, die dieser Beruf hat, spiegelt sich endlich auch auf dem Ausbildungsmarkt wider. 2021 haben 7 Prozent mehr Menschen eine Ausbildung begonnen als im Jahr zuvor. Allerdings sind noch immer nur rund ein Viertel der Auszubildenden männlich und in der neuen hochschulischen Pflegeausbildung bleiben trotz hervorragender Berufsperspektiven viele Studienplätze unbesetzt. Das zeigt: Wir müssen besser über den Pflegeberuf informieren und die Möglichkeiten, die er bietet, aufzeigen.“

Die Kampagne „Pflege kann was“ soll über die vielfältigen Beschäftigungs- und Aufstiegschancen in der Pflege informieren und Vorurteilen gegenüber der Ausbildung und dem Beruf entgegenwirken. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler mit und ohne Hochschulzugangsberechtigung sowie Erwachsene, die sich beruflich neu orientieren wollen. Die Kampagne setzt dabei nicht auf kurzfristige Effekte, sondern auf kontinuierliche Information und soll bis zum Jahr 2025 laufen.

Weitere Informationen zur Pflegeausbildung und der Kampagne „Pflege kann was“ finden Sie unter www.pflegeausbildung.net.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 08.11.2022

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat am Mittwochvormittag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/3439) zur Abschaffung der Kostenheranziehung bei jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe mit den Stimmen aller Fraktionen des Bundestages zugestimmt. Der Gesetzentwurf war zuvor durch die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP leicht geändert worden.

Bisher gilt: In der Kinder- und Jugendhilfe werden junge Menschen, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe leben und die ein eigenes Einkommen haben, zu den Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe aus ihrem Einkommen herangezogen. Dies gilt auch für alleinerziehende Mütter oder Väter mit ihrem Kind, die in einer gemeinsamen Wohnform untergebracht sind (sogenannte Leistungsberechtigte nach Paragraf 19 SGB VIII). Der Kostenbetrag kann bis zu 25 Prozent des Einkommens betragen. Auch die Ehegatten und Lebenspartner der jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach Paragraf 19 SGB VIII werden abhängig von der Höhe ihres Einkommens zu den Kosten aus ihrem Einkommen herangezogen.

Das will die Bundesregierung nun ändern. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Kostenheranziehung bei jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach Paragraf 19 SGB VIII sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aufzuheben. Dadurch könnten die jungen Menschen und Leistungsberechtigten sowie ihre Ehegatten und Lebenspartner vollständig über das Einkommen, das sie erzielen, verfügen, heißt es im Entwurf. Zur Begründung schreibt die Regierung, dass die Kostenheranziehung dem Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe widerspricht. „Wachsen junge Menschen außerhalb ihrer Herkunftsfamilie auf, haben sie bereits mit zusätzlichen Herausforderungen umzugehen und dadurch einen schwierigeren Start in ein eigenständiges Leben. Dieser Start wird nochmal erschwert, wenn sie einen Teil ihres Einkommens, das sie zum Beispiel im Rahmen eines Schüler- oder Ferienjobs oder ihrer Ausbildung verdienen, abgeben müssen.“

Durch die Abschaffung der Kostenheranziehung verringern sich die Einnahmen der Kommunen um jährlich rund 18,3 Millionen Euro.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen bezieht sich auf das Einkommen, dass junge Menschen in Pflegefamilien durch die Berufsausbildungsbeihilfe erzielen. Bisher muss diese Beihilfe und das Ausbildungsgeld vollständig an das Jugendamt abgegeben werden. Künftig sollen sie einen Teil ihres Einkommens behalten dürfen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 637 vom 09.11.2022

Zur Einigung der Ampel im Rahmen des Inflationsausgleichsgesetzes über eine Erhöhung des Kindergeldes ab 2023 auf 250 Euro für jedes Kind erklärt die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge:

„Wir haben uns im Rahmen des Inflationsausgleichsgesetzes darauf verständigt, die Eckwerte bei der Einkommensteuer wie im Entlastungspaket vereinbart anzupassen. Zusätzlich konnten wir uns darauf einigen, dass das Kindergeld erneut zu erhöhen. Es ist ein großer Erfolg, dass Familien schon ab dem nächsten Jahr spürbar mehr Geld bekommen. Die hohen Preise für Energie und Lebensmittel treffen Familien mit geringen Einkommen besonders hart. Mit der Kindergelderhöhung auf 250 Euro monatlich für jedes Kind gehen wir nochmal deutlich über die bisher vereinbarte Erhöhung hinaus. Das ist ein wichtiger Schutz vor Kinderarmut.

Die Kindergelderhöhung ist zusammen mit dem Kinderzuschlag ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Kindergrundsicherung. Ab 2025 soll dann die Kindergrundsicherung dafür sorgen, dass Familien einfach und fair unterstützt werden und das ungerechte System aus zahlreichen Einzelmaßnahmen zu beenden. Die Kindergrundsicherung wird Kinderarmut wirksam bekämpfen.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 09.11.2022

Der Innenausschuss hat den Weg für eine Absenkung des Mindestwahlalters für das aktive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament von derzeit 18 auf 16 Jahre frei gemacht. Gegen die Stimmen der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion verabschiedete das Gremium am Mittwochvormittag einen entsprechenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Europawahlgesetzes (20/3499). Die Vorlage steht am Donnerstag zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums.

In der Begründung des Gesetzentwurfs schreiben die Koalitionsfraktionen, dass das derzeitige Mindestwahlalter für das aktive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europaparlament Menschen vom Wahlrecht ausschließe, „die an zahlreichen Stellen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich in den politischen Prozess einbringen können und wollen“. Gerade die junge Generation werde durch Fragen betroffen sein, die aktuell Gegenstand demokratischer Entscheidungsprozesse sind. Themen wie beispielsweise der Schutz des Klimas, die Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme angesichts des demographischen Wandels, die Prioritätensetzung bei öffentlichen Investitionen und die Regulierung des Internets sowie die hierzu getroffenen Entscheidungen gestalteten die Zukunft nachhaltig und hätten damit Wirkung weit über Legislaturperioden hinaus.

Wie die drei Fraktionen weiter ausführen, hat sich die Altersverteilung der Wahlberechtigten in den vergangenen 50 Jahren zu Lasten der Jüngeren verschoben. Die vorgesehene Absenkung des Wahlalters entspricht der Vorlage zufolge zudem der Entwicklung auf europäischer Ebene. So fordere die Legislative Entschließung des Europaparlaments vom 3. Mai 2022, „dass das Mindestwahlalter für die Ausübung des aktiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament künftig in der Regel 16 Jahre betragen soll“. Zuvor habe schon die EU-Verordnung vom 17. April 2019 über die Europäische Bürgerinitiative den Mitgliedstaaten ermöglicht, das Mindestalter für die Unterstützung einer solchen Initiative auf 16 Jahre abzusenken. Auch gebe es bereits europäische Staaten, in denen das aktive Mindestwahlalter zum Europäischen Parlament unter 18 Jahren liegt. So könne in Österreich und Malta bereits ab 16 Jahren gewählt werden und in Griechenland ab 17 Jahren.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 634 vom 09.11.2022

Der Bundesrat unterstützt die Pläne der Bunderegierung, Familien durch Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen zu entlasten. In seiner Stellungnahme zum geplanten Inflationsausgleichsgesetz fordert er jedoch weitere Maßnahmen, um zielgerichtet kinderreiche sowie arme oder armutsgefährdete Familien zu erreichen und sozial zu unterstützen – zum Beispiel durch Schulsozialarbeit, Mobile Jugendarbeit und Streetwork. Hierfür könnten bewährte Programme aus der Corona-Zeit schnelle Hilfe in der Fläche leisten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Krise stärken.

Kostenbelastung der Länder

Zugleich weist der Bundesrat darauf hin, dass das geplante dritte Entlastungspaket des Bundes zu hohen strukturellen Belastungen der Länder führt. Diese sehen sich zwar in der Mitverantwortung, einen angemessenen Beitrag zur Abmilderung der Folgen der hohen Energiepreise zu leisten, fordern aber eine Verständigung über die Höhe tragbarer Länderbelastungen sowie deutlichere Unterstützung durch den Bund.

Unterstützung für den Nahverkehr

Diese Gesamtverständigung zwischen Bund und Ländern müsse eine Nachfolgeregelung für das sogenannte 9-Euro-Ticket enthalten, ebenso eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel, um die Qualität des Nahverkehrs zu verbessern und auf die massiven Energiepreissteigerungen zu reagieren.

Wohngeld, Flüchtlingsunterbringung, Krankenversorgung

Der Bundesrat verlangt, dass der Bund die vollständigen Kosten für das Wohngeld übernimmt und zeitnah die außerordentlich steigenden Energie- und Sachkosten bei Krankenhäusern, Universitätskliniken sowie Pflegeeinrichtungen durch Bundeszuweisungen gegenfinanziert. Auch die Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterbringung, Betreuung und Integration von geflüchteten Menschen müsse wiederaufgenommen beziehungsweise intensiviert werden. Diese Forderungen hatte der Bundesrat bereits mehrfach erhoben.

Was die Bundesregierung plant

Um die mit der kalten Progression verbundenen schleichenden Steuererhöhungen zu dämpfen, soll das sogenannte Inflationsausgleichsgesetz für rund 48 Millionen Bürgerinnen und Bürger die Steuerlast an die Inflation anpassen. Weiteres Ziel ist es, Familien zu unterstützen – durch Anhebung des Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags sowie durch Erhöhung des Kindergeldes.

Der Begriff der „kalten Progression“ bezeichnet den Effekt, dass eine Gehaltserhöhung aufgrund der Inflation für Bürgerinnen und Bürger zwar faktisch nicht spürbar ist, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt. Trotz Gehaltssteigerung erhalten sie dadurch real weniger Geld. In der Vergangenheit hatte der Bundesrat immer wieder mit eigenen Initiativen und Appellen auf dieses Problem aufmerksam gemacht.

Nächste Schritte: Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat

Die Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Oktober 2022 wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie formuliert eine so genannte Gegenäußerung dazu und legt dann beide Dokumente dem Bundestag zur Entscheidung vor. Die dortigen Beratungen haben bereits in erster Lesung begonnen. Nachdem der Bundestag das Gesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet hat, berät der Bundesrat dann noch einmal abschließend. Das Gesetz kann nur mit seiner Zustimmung in Kraft treten.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 28.10.2022

Der Finanzausschuss hat angesichts der hohen Inflation die geplanten Erhöhungen von steuerlichen Freibeträgen und Kindergeld noch weiter angehoben. In seiner Sitzung am Mittwoch unter Leitung des Vorsitzenden Alois Rainer (CSU) beschloss der Ausschuss einen entsprechenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zu dem von der Koalition eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (20/3496). Für den Entwurf in geänderter Fassung stimmten die Koalitionsfraktionen und die CDU/CSU. Die AfD-Fraktion enthielt sich, die Fraktion Die Linke lehnte ab.

Der Koalitionsentwurf sah ursprünglich eine Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages von derzeit 10.347 Euro auf 10.632 Euro im kommenden Jahr vor. Der Betrag soll jetzt auf 10.908 Euro steigen.

2024 sollte der Grundfreibetrag nach dem Gesetzentwurf weiter auf 10.932 Euro steigen. Mit dem Änderungsantrag wird dieser Wert auf 11.604 Euro angehoben.

Ebenfalls im nächsten Jahr erhöht werden soll das Kindergeld für das erste, zweite und dritte Kind auf einheitlich 250 Euro pro Monat. Vorgesehen waren im Koalitionsentwurf 237 Euro. Die Anhebungen gehen zurück auf die Angaben im 14. Existenzminimumbericht. Auch der steuerliche Kinderfreibetrag wird erhöht.

Die Anhebungen und die Verschiebungen der Tarifeckwerte im Einkommensteuertarif nach rechts führen nach Angaben der Fraktionen zu einem Ausgleich der Effekte der kalten Progression. Nicht verschoben wird jedoch der Eckwert der sogenannten Reichensteuer. Angehoben werden 2023 und 2024 die Freigrenzen für den steuerlichen Solidaritätszuschlag. Damit soll eine zusätzliche Belastung der Einkommensteuerpflichtigen vermieden werden.

Die SPD-Fraktion sprach von einer starken Anhebung der Beträge. Auch beim Solidaritätszuschlag werde jetzt sichergestellt, dass nur zehn Prozent den Zuschlag zahlen müssten und nicht weitere Steuerpflichtige in die Zahlungspflicht rutschen würden. Es gebe die größte Kindergelderhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik, was ein deutliches sozialpolitisches Zeichen sei.

Die CDU/CSU-Fraktion kritisierte das Verfahren. Existenzminimum- und Progressionsbericht hätten zu spät vorgelegen, und auch der Änderungsantrag der Koalition sei erst kurzfristig eingebracht worden. Das Verfahren sei kein Meisterstück, aber dem Ergebnis könne die Union zustimmen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßte den vollständigen Ausgleich der kalten Progression und dass es gelungen sei, eine massive Kindergelderhöhung auf 250 Euro für alle Kinder zu beschließen. Das sei ein wichtiger Schritt hin zu einer Kindergrundsicherung. Auch die FDP-Fraktion sprach von einem guten Gesetz. Man sei stolz darauf.

Die AfD-Fraktion warf der Koalition vor, nur die Symptome der Inflation zu bekämpfen. Die eigentlichen Ursachen würden nicht bekämpft. Der Änderungsantrag sei zu spät vorgelegt worden. Die Angaben im Existenzminimumbericht könnten nicht stimmen. So sei darin von Heizkosten für Alleinstehende von 88 Euro im Monat im nächsten Jahr die Rede.

Die Fraktion Die Linke kündigte eine Ablehnung des Gesetzentwurfs an. Die Begründung der Ablehnung werde im Bundestagsplenum gegeben.

Abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion, die die Eckwerte des Einkommensteuertarifs schon für 2022 zugunsten der Steuerpflichtigen verschieben wollte, um die kalte Progression noch in diesem Jahr vollständig auszugleichen. Außerdem sollte der Verlauf des Einkommensteuertarifs in Zukunft jährlich überprüft werden, um die kalte Progression zeitnah auszugleichen.

Ein mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen gleichlautender Entwurf der Bundesregierung (20/3871) wurde für erledigt erklärt.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 639 vom 09.11.2022

Die Zielsetzung des Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (20/3936) zur Ausweitung und Erhöhung des Wohngeldes ab 1. Januar 2023 ist am Montagmittag in einer Anhörung des Bauausschusses auf große Zustimmung bei Experten gestoßen. Allerdings warnten die Sachverständigen vor massiven Umsetzungsproblemen in den Kommunen und mahnten unter anderem Vereinfachungen beim Prüfverfahren an. Wegen des zu erwartenden Doppelaufwands wandten sie sich gegen die Pläne, das Wohngeld vorläufig auszuzahlen. Die Vertreter der Kommunen schlugen überdies die Einführung eines pauschalisierten Basis-Wohngelds in Höhe des gerade verabschiedeten Heizkostenzuschusses für die Dauer von sechs Monaten vor, „um Druck aus dem Kessel zu bekommen“, wie Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag betonte. Die Pauschale sollte nicht zurückgezahlt werden müssen.

Von Lojewski sprach insgesamt von massiven Problemen im Vollzug. Der zusätzliche Personalbedarf in den Wohngeldstellen sei extrem hoch, sie seien auf Hilfe angewiesen, um das Instrument „schnell und wirksam ausrollen zu können“, appellierte er.

Die Ausweitung des Wohngeldes auf schätzungsweise zwei Millionen Haushalte statt bisher rund 600.000 Haushalte sei im Grundsatz sehr zu begrüßen, urteilte Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Die Verankerung einer dauerhaften Heizkosten- sowie Klimakomponente sei ebenfalls richtig und sinnvoll. Jedoch sei die Reform in der Kürze der Zeit und mit Blick auf die angespannte Personalsituation in den Kommunen „nicht durchführbar“, warnte er. Erschwert würde die Lage durch die gleichzeitige Einführung des Bürgergelds, die Aufnahme von Flüchtenden und die Abarbeitung von Folgewirkungen der Corona-Pandemie.

„Die Menschen sind darauf angewiesen, das Geld möglichst zeitnah zu bekommen“, mahnte Heiko Gill vom niedersächsischen Umwelt- und Bauministerium. Um dies mit dem vorhandenen Personal zu gewährleisten, müsse das Antragsverfahren vereinfacht werden. Wie die Vertreter der Städte und Gemeinden regte er an, von der beabsichtigten vorläufigen Zahlung des Wohngeldes abzusehen, da sie eine Doppelbearbeitung der Anträge erforderlich mache.

Sebastian Klöppel vom Deutschen Städtetag verwies auf die komplexe Einkommensprüfung beim Wohngeld, die so schnell nicht vereinfacht werden könne. Auch mehr Digitalisierung sei so schnell nicht realisierbar. Daher könne nur ein pauschalisiertes Basis-Wohngeld den Kommunen den dringend benötigten zeitlichen Puffer verschaffen.

Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag appellierte darüber hinaus an die Politik, „realistisch mit den Erwartungen der Menschen“ umzugehen. Sie müsse die Antragsteller darauf einstimmen, dass nicht jeder Anspruchsberechtigte schon im Januar Geld überwiesen bekomme. „Andernfalls gibt es Ärger an der Basis und damit ist niemandem gedient.“

Erste Schätzungen in Bayern gingen von einem zusätzlichen Bedarf von mindestens 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den 96 Wohngeldbehörden aus, berichtete Sandra Rehmsmeier vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr. Dabei seien die Wohngeldstellen schon jetzt überlastet. Sie sprach sich für eine Umsetzung der Empfehlungen des Bundesrates vom 17. Oktober 2022 aus, in denen die Länderkammer sich ebenfalls gegen vorläufige Zahlungen und für die Einführung einer Bagatellgrenze von mindestens 500 Euro ausspricht.

Positiv hoben die Sachverständigen die geplanten, dauerhaften Komponenten für Heizkosten und Klima im Wohngeld hervor. Die Klimakomponente, mit der höhere Wohnkosten infolge von energetischen Maßnahmen im Gebäudebereich abgefedert werden sollen, sollte jedoch in einem späteren Reformschritt deutlich erhöht und tatsächlich an den Energieeffizienzstandard des jeweiligen Gebäudes gekoppelt werden, empfahl der Geschäftsführer des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung, Michael Neitzel. Dies sei derzeit wegen Zweifeln an der Rechtssicherheit der Energieausweise nicht umsetzbar.

Insgesamt sprach sich Neitzel für eine Evaluierung beider Komponenten und ihrer Effekte sowie für eine Anpassung der Heizkomponente an die Energiepreisentwicklung aus. Ähnlich äußerten sich der Geschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Christian Lieberknecht, und Kai H. Warnecke vom Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. Warnecke wies zudem darauf hin, dass selbstnutzende Wohneigentümer ebenfalls Anspruch auf Wohngeld haben könnten, was aber vielen nicht bewusst sei. Hier sei mehr Aufklärung nötig.

Birgit Fix vom Deutschen Caritasverband nannte die Stärkung des Wohngeldes und die Einführung von Heizkosten- und Klimakomponente einen „überfälligen Schritt“. Angesichts der explodierenden Preise befürwortete sie allerdings eine jährliche Dynamisierung der Ansprüche sowie einen zusätzlichen Härtefallfonds für verschiedene Zielgruppen, wie ihn die Expertinnen- und Expertenkommission Gas und Wärme vorgeschlagen hat. Das Wohngeld sollte außerdem um eine Stromkostenkomponente ergänzt werden.

Eine deutliche Ausweitung des Empfängerkreises auf alle von ihren Wohnkosten überlastete Haushalte forderte Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund. Mindestens 4,1 Millionen Haushalte seien davon allein in den großen Städten betroffen, also weit mehr, als die Reform erfasse, betonte sie. Eine Überlastung sei außerdem nicht erst gegeben, wenn ein Haushalt mehr als 40 Prozent fürs Wohnen aufbringen müsse, sondern beginne schon bei 30 Prozent. Ungeachtet dessen könne das Wohngeld mietrechtliche und wohnungspolitische Maßnahmen nicht ersetzen, betonte Weber-Moritz. Um die Wohnkosten zu senken, brauche es unter anderem mehr Sozialwohnungen und einen zeitlich begrenzten Mietenstopp.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 621 vom 07.11.2022

Mit dem Wohngeld-Plus-Gesetz will die Bundesregierung ab dem 1. Januar 2023 Haushalte mit niedrigeren Einkommen stärker bei steigenden Wohnkosten unterstützen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf (20/4230) von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bringt die Bundesregierung am Mittwoch, dem 9. November 2022, ohne vorherige Aussprache ein. Die Vorlage soll direkt an den Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen zur weiteren federführenden Beratung überwiesen werden. Am Donnerstag, den 10. November 2022, will der Bundestag über die bisher umfangreichste Reform des Wohngeldes abstimmen.

Sie soll drei Komponenten enthalten: Erstens die Einführung einer dauerhaften Heizkostenkomponente, die als Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete oder Belastung in die Wohngeldberechnung eingehen soll. Zweitens soll durch die Einführung einer Klimakomponente ein Zuschlag auf die Höchstbeträge der zu berücksichtigenden Miete oder Belastung in der Wohngeldberechnung erfolgen. Damit könnten laut Bundesregierung strukturelle Mieterhöhungen im Wohngeld aufgrund energetischer Maßnahmen im Gebäudebereich im gesamten Wohnungsbestand oberhalb der bisherigen Höchstbeträge berücksichtigt werden.

Drittens soll die Wohngeldformel angepasst werden. Danach sollen rund 1,4 Millionen Haushalte erstmalig oder erneut einen Wohngeldanspruch erhalten statt bisher rund 600.000 Haushalte. Zudem soll sich der Wohngeldbetrag von durchschnittlich rund 180 Euro pro Monat auf rund 370 Euro pro Monat erhöhen.

Wie bei jeder strukturellen Wohngeldreform solle auch bei dieser Reform eine Neuzuordnung der Gemeinden und Kreise zu den Mietenstufen des Wohngeldes erfolgen, um zwischenzeitlich veränderte regionale Mietenniveaus berücksichtigen zu können, schreibt die Bundesregierung. Um in Einzelfällen oder bei erhöhtem Geschäftsgang in den Wohngeldbehörden eine zügige Auszahlung der erhöhten Wohngeldbeträge zugunsten der Wohngeldhaushalte zu ermöglichen, sei zudem die Möglichkeit einer vorläufigen Zahlung vorgesehen. Diese vorläufige Zahlung stehe für den Fall, dass kein Wohngeldanspruch bestanden hat, unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Um den Wohngeldbehörden in Bezug auf die Bemessung des Bewilligungszeitraumes mehr Flexibilität einzuräumen und die betroffenen Wohngeldhaushalte auch von bürokratischen Verpflichtungen zu entlasten, werde insbesondere bei gleichbleibenden Verhältnissen die Möglichkeit eröffnet, den Bewilligungszeitraum auf bis zu achtzehn Monate zu verlängern.

Bereits am 7. November 2022 befasst sich der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen in einer öffentlichen Anhörung mit dem am 11. Oktober 2022 von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf (20/3936) zur Erhöhung des Wohngeldes.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022

Der Bundesrat kritisiert die Pläne der Bundesregierung für das Bürgergeld als unzureichend. In seiner Stellungnahme dazu, die nun als Unterrichtung (20/4226) vorliegt, heißt es unter anderem, im Gesetzentwurf zum Bürgergeld sei die große Gruppe der erwerbstätigen Leistungsbeziehenden, die über Einkommen verfügt und deren Sozialleistungen deshalb teilweise reduziert werden, nur unzureichend berücksichtigt worden. „Der Schnellschuss zur Anpassung der Hinzuverdienstregelung bei Erwerbseinkommen von 520 Euro bis 1.000 Euro wirkt dabei wenig durchdacht und wird weder den betroffenen Leistungsbeziehenden noch dem Anliegen der Länder gerecht“, so die Länderkammer.

Um erwerbsfähige Leistungsbeziehende dauerhaft und nachhaltig aus dem SGB II-Leistungsbezug zu führen, müssten die Regelungen zum Hinzuverdienst umfassend gemäß den Eckpunkten der Länder auf den Prüfstand gestellt werden. Außerdem wollen die Länder an einer Beteiligung bei der Umsetzung der Änderungen der Anpassungsregelungen für die Einkommensanrechnung durch den Bund festhalten.

Sie kritisieren darüber hinaus die Regelungen zur Freistellung der Altersvorsorge bei der Vermögensanrechnung und zur Karenzzeit. Eine zwingende Festlegung als Altersvorsorge solle weiterhin Voraussetzung für die Berücksichtigung als Schonvermögen sein. Daher solle an der bestehenden gesetzlichen Regelung in vereinfachter Form festgehalten werden, zumal damit sichergestellt sei, dass es sich um Versicherungsverträge handelt, die tatsächlich der Altersvorsorge dienen, schreibt der Bundesrat. Es müsse ferner gesetzgeberisch sichergestellt werden, dass die Einführung der zeitlich begrenzten Karenzzeit nicht zu einer dauerhaften Berücksichtigung der tatsächlichen Bedarfe führt, weil die Träger während der Karenzzeit die Zusicherung ohne Prüfung der Bedarfe erteilen müssen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022

Die Bundesregierung hat die Forderung des Bundesrates zurückgewiesen, das Kindergeld für das vierte und jedes weitere Kind zu erhöhen. In der von der Bundesregierung als Unterrichtung (20/4224) vorgelegten Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (20/3871) hatten die Länder darauf hingewiesen, dass die starken Preissteigerungen gerade Familien mit mehr als drei Kindern belasten würden, da für alle Familienmitglieder unter anderem Lebensmittel zu stark gestiegenen Preisen beschafft werden müssten. Da Familien mit mehreren Kindern überdurchschnittlich oft von Armut betroffen sein, müssten gerade Familien mit mehr als drei Kindern besonders gut vor den Folgen der Preissteigerungen geschützt werden. Daher sollte das Kindergeld auch für das vierte und jedes weitere Kind um zwölf Euro angehoben werden.

Die Bundesregierung lehnt in ihrer Gegenäußerung den Vorschlag ab, da gestaffelte Kindergeldhöhen in der praktischen Anwendung kompliziert seien und zusätzlichen Bürokratieaufwand nach sich ziehen würden. Zur Vereinfachung und mit Blick auf die geplante Leistungsbündelung im Rahmen der Kindergrundsicherung sollten die unterschiedlichen Kindergeldhöhen deshalb allmählich angeglichen werden, bis das Kindergeld für alle Kinder gleich hoch sei. Das sei auch deshalb sinnvoll, weil bei den steuerlichen Freibeträgen für Kinder keine Staffelung nach der Anzahl der Kinder erfolge. Zudem weise der Bundesrat selbst darauf hin, dass viele arme und armutsgefährdete Familien von der Erhöhung des Kindergeldes nicht profitieren würden, weil es bei den Leistungen der Grundsicherung als Einkommen berücksichtigt werde. In diesen Fällen hätte eine Anhebung auch für das vierte und jedes weitere Kind im Ergebnis keine Leistungserhöhung zur Folge.

Angesichts ihrer hohen Belastungen durch das dritte Entlastungspaket des Bundes verlangen die Länder zudem eine Erhöhung der Leistungen des Bundes wie zum Beispiel die vollständige Übernahme der Ausgaben nach dem Wohngeldgesetz durch den Bund sowie Zuweisungen des Bundes zur Gegenfinanzierung der steigenden Energie- und Sachkosten bei dem Krankenhäusern und schließlich eine Wiederaufnahme beziehungsweise Intensivierung der Bundesbeteiligung an den Kosten für die Unterbringung, Betreuung und Integration von geflüchteten Menschen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022

Über geplante Maßnahmen zur Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen berichtet die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/4160) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/3606). Unter anderem soll danach das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) in dieser Legislaturperiode auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden und eine regelmäßige Berichtspflicht an den Bundestag beinhalten. Aktuell werden dazu alle Vorarbeiten geleistet, wie es in der Antwort weiter heißt. Der Gesetzgebungsprozess sei für das Jahr 2023 vorgesehen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 611 vom 01.11.2022

Beschäftigte mit Homeoffice-Möglichkeit haben weniger Krankentage als Beschäftigte ohne diese Arbeitsmöglichkeit. Das geht aus einer Antwort (20/4120) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/3545) der Fraktion Die Linke hervor. Demnach hatten einer Statistik aus dem Jahr 2021 zufolge Beschäftigte im Homeoffice im Durchschnitt 7,9 Fehltage in den vergangenen 12 Monaten. Bei Beschäftigten ohne Homeoffice waren es 12,9 krankheitsbedingte Fehltage.

Aus der Antwort geht auch hervor, dass Arbeiten im Homeoffice vor allem ein Phänomen höherer Einkommensgruppen ist: In der höchsten Einkommensgruppe nutzten den Angaben zufolge 86,8 Prozent im Jahr 2021 Homeoffice, in der niedrigsten waren es 25,7 Prozent. Nach Altersstufen gestaffelt, zeigt sich, dass jüngere Beschäftigte (bis 39 Jahre) das Homeoffice mit einem Anteil von rund 51 Prozent deutlich häufiger nutzen als ältere Beschäftigte (55 bis 67 Jahre) mit einem Anteil von rund 41 Prozent.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 610 vom 01.11.2022

Die Anspruchslöhne von erwerbslosen Geflüchteten liegen in den ersten beiden Jahren nach der Zuwanderung über dem durchschnittlichen Niveau von anderen Migrantengruppen in Deutschland. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer sinken sie. Im Durchschnitt sind arbeitsuchende Geflüchtete bereit, für den angegebenen Monatsverdienst mehr Stunden zu arbeiten. Das zeigen Ergebnisse einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2020 lag der monatliche Anspruchsverdienst – also das minimal geforderte Gehalt zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit – von erwerbslosen Geflüchteten inflationsbereinigt bei 1.529 Euro netto. Bei anderen erwerbslosen Personen mit eigener Migrationserfahrung lag er bei 1.374 Euro netto und bei Personen ohne Migrationshintergrund bei 1.350 Euro netto.

Allerdings waren Geflüchtete bereit, für dieses Gehalt länger zu arbeiten: Die angegebene Wochenarbeitszeit lag bei Geflüchteten durchschnittlich bei knapp 37 Stunden, also 5 Stunden mehr als die angegebene Wochenarbeitszeit von anderen Personen mit eigener Migrationserfahrung und ohne Migrationshintergrund. Somit lag der Anspruchslohn von Geflüchteten bei durchschnittlich 9,70 Euro netto pro Stunde. Bei Personen ohne Migrationshintergrund lag er bei 10,10 Euro netto. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer sanken die Anspruchslöhne der Geflüchteten allerdings deutlich: Geflüchtete, die sich zwei Jahre oder kürzer in Deutschland aufhielten, erwarteten durchschnittlich mindestens 10,40 Euro netto pro Stunde. Drei Jahre nach dem Zuzug sank der Anspruchslohn auf 9,60 Euro netto.

Der Anspruchslohn stieg mit den Qualifikationen und Deutschkenntnissen der Geflüchteten sowie mit der Haushaltsgröße und dem Vorhandensein von Kindern im Haushalt. „Das könnte sowohl auf höhere Lebenshaltungskosten als auch auf höhere Transferzahlungen – etwa Hartz IV oder Asylbewerberleistungen – in Haushalten mit mehr Personen zurückzuführen sein“, so IAB-Forscher Philipp Jaschke.

Der Anspruchslohn fiel niedriger aus für Geflüchtete, die bereits Stellen über die Arbeitsagenturen und Jobcenter gesucht oder Berufserfahrungen in Deutschland erworben hatten. „Geringe Deutschkenntnisse und unvollkommene Informationen haben oft zur Folge, dass Geflüchtete bei ihrer Ankunft in Deutschland den Arbeitsmarkt nicht genau kennen. Das betrifft etwa Qualifikationsanforderungen oder Löhne und Gehälter. Diese Informationsdefizite können die Einschätzungen hinsichtlich der Erwerbschancen und der erzielbaren Löhne verzerren,“ erklärt IAB-Forscher Ehsan Vallizadeh.

Die IAB-Studie basiert auf Auswertungen der ersten fünf Wellen der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten aus den Jahren 2016 bis 2020 von knapp 7.900  seit 2013 zugezogenen Asylsuchenden im erwerbsfähigen Alter von 18 bis 64 Jahren. Die Studie ist abrufbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2022/kb2022-20.pdf

Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 08.11.2022

In der Corona-Krise sind sowohl die Zahlen der von der Bundesagentur für Arbeit monatlich ausgewiesenen dualen Ausbildungsstellen als auch die der Bewerbenden ab dem zweiten Quartal 2020 gegenüber 2019 deutlich zurückgegangen. Dabei sank die Zahl der Bewerbenden stärker als das Stellenangebot. Im zweiten Jahr der Pandemie gab es den stärksten Rückgang bei der Zahl der erfolgreichen Vermittlungen in eine Ausbildung. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.

Verglichen mit dem Trend der Zahlen der Bewerbenden und des Stellenangebots sank die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge deutlich stärker. Diese Entwicklung deutet auf zunehmende Passungsprobleme hin. „Mögliche Gründe hierfür können etwa die fehlende Übereinstimmung zwischen angebotenen Stellen und beruflichen Wünschen von Ausbildungsinteressenten oder zwischen dem regionalen Angebot und der regionalen Nachfrage sein“, erklärt IAB-Direktor Bernd Fitzenberger. „Weitere Gründe sind, dass die Qualifikationen der Bewerbenden nicht dem Anforderungsprofil der Betriebe entsprechen oder dass junge Menschen Alternativen im tertiären Bildungsbereich, beispielsweise den Besuch einer Fachhochschule, vorziehen“, ergänzt Anna Heusler, Mitautorin der Studie.

Starke Rückgänge zeigen sich vor allem in Berufen, die besonders von der Corona-Krise betroffen waren, beispielsweise in den Bereichen „Kaufmännische Dienstleistungen, Handel, Vertrieb, Tourismus” sowie „Geisteswissenschaften, Kultur, Gestaltung”. Mit dem Rückgang der bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten Bewerbenden und der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge während der Krise setzt sich ein Trend fort, der schon vor der Pandemie begann. Dagegen nahm die Zahl der bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern registrierten betrieblichen Ausbildungsstellen längerfristig zu und ging erst mit Beginn der Pandemie zurück. „Pandemiebedingt erschwerte sich nicht nur die Kontaktaufnahme zwischen Ausbildungsinteressierten und Betrieben, sondern auch zwischen potenziellen Bewerbenden und den Arbeitsagenturen. Das beeinträchtigte die Aktivierung und Vermittlung von Jugendlichen“, so Anna Houštecká, Mitautorin der Studie. „Denkbar wäre allerdings auch, dass ausbildungsinteressierte Jugendliche zunehmend auf das Onlineangebot der BA zurückgreifen und sich ohne persönliche Beratung und Registrierung in einer Arbeitsagentur über mögliche Stellen informieren“, so Leonie Wicht weiter, Mitautorin der Studie.

Die Studie beruht auf Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Diese bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten Stellen, Bewerbenden und neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge umfassen. Die IAB-Studie ist abrufbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2022/kb2022-19.pdf.

Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 25.10.2022

  • Betreuungsquote steigt um 1,1 Prozentpunkte gegenüber dem von coronabedingten Einschränkungen geprägten Vorjahr
  • In Ostdeutschland ist mehr als die Hälfte der unter Dreijährigen in Tagesbetreuung, in Westdeutschland knapp ein Drittel
  • Mehr Personal in Kindertageseinrichtungen, aber weniger Tagesmütter oder -väter 

Die Zahl der Kinder unter drei Jahren in Kindertagesbetreuung ist zum 1. März 2022 gegenüber dem Vorjahr um rund 28 800 auf insgesamt 838 700 Kinder gestiegen. Damit waren 3,6 % mehr unter Dreijährige in Kindertagesbetreuung als am 1. März 2021. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, lag die Betreuungsquote der unter Dreijährigen bundesweit bei 35,5 % (2021: 34,4 %). Damit setzte sich der im Jahr 2021 unterbrochene Trend steigender Betreuungsquoten wieder fort. Beim Personal gab es in den Kindertageseinrichtungen einen Zuwachs um 3,2 % gegenüber dem Vorjahr, während die Zahl der Tagesmütter oder -väter um 2,7 % zurückging. 

Bei der Betreuungsquote handelt es sich um den Anteil der in Kindertageseinrichtungen (zum Beispiel in Kindertagesstätten) oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege (zum Beispiel ein öffentlich geförderter Betreuungsplatz bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater) betreuten Kinder an allen Kindern dieser Altersgruppe.

Anstieg der Betreuungsquote nach leichtem Rückgang im Vorjahr

Mit dem aktuellen Anstieg der Betreuungsquote bei den unter Dreijährigen um 1,1 Prozentpunkte setzt sich der langjährige Trend nach einer Unterbrechung im Jahr 2021 wieder fort. Damals war die Betreuungsquote erstmals seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2006 leicht gesunken, und zwar um 0,6 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2020 auf 34,4 %. Dieser bislang einmalige Rückgang hing vermutlich mit der Corona-Pandemie zusammen, die zu einer geringeren Nachfrage nach Betreuungsplätzen und zur Kündigung von Verträgen aufgrund einer Betreuung zuhause geführt haben kann. Außerdem verhinderten coronabedingte Einschränkungen bei der Eingewöhnung und bei „Schnuppertagen“ möglicherweise den Abschluss neuer Betreuungsverträge.

Höhere Betreuungsquoten in Ostdeutschland

In den ostdeutschen Bundesländern (einschließlich Berlin) waren zum Stichtag 31. März 2022 durchschnittlich mehr als die Hälfte aller Kinder unter drei Jahren in einer Tagesbetreuung (53,3 %). In Westdeutschland war die Betreuungsquote mit 31,8 % nach wie vor deutlich niedriger als im Osten. Im Bundesländer-Vergleich hatten Mecklenburg-Vorpommern (58,6 %), Sachsen-Anhalt (58,3 %) und Brandenburg (56,7 %) die höchsten Betreuungsquoten. Unter den westdeutschen Bundesländern erreichte Hamburg mit 49,2 % die höchste Quote, gefolgt von Schleswig-Holstein (36,4 %). Bundesweit am niedrigsten waren die Betreuungsquoten in Baden-Württemberg (29,9 %) und Bremen (30,2 %).

1,4 % mehr Kindertageseinrichtungen, aber 2,7 % weniger Tageseltern als im Vorjahr

Am 1. März 2022 gab es bundesweit rund 59 300 Kindertageseinrichtungen. Das waren über 800 Einrichtungen oder 1,4 % mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Die Zahl der dort als pädagogisches Personal oder als Leitungs- und Verwaltungspersonal beschäftigten Personen stieg um 22 700 oder 3,2 % auf rund 730 800. Demgegenüber sank die Zahl der Tagesmütter und -väter um 1 200 oder 2,7 % auf rund 41 900. 

Methodische Hinweise:

Die Daten aus den Statistiken der Kinder und tätigen Personen in Kindertageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege sowie in Großtagespflegestellen spiegeln nicht in jedem Fall das tatsächliche Betreuungsverhalten am 1. März 2022 wider. Beim Personal wurden alle Personen berücksichtigt, die am Stichtag in einem gültigen Arbeitsverhältnis tätig waren. Zudem wurden alle Kinder angegeben, die am Stichtag ein Betreuungsverhältnis hatten, unabhängig davon, ob diese am Stichtag betreut wurden oder keine Betreuung stattfand. 

Weitere Informationen:

Weitere Informationen enthält die Publikation „Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege“. Basisdaten zur Kindertagesbetreuung in Deutschland sind zudem über die Tabellen Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen (22541)Kinder und tätige Personen in Kindertagespflege (22543) und Personen in Großtagespflegestellen und betreute Kinder (22545) in der Datenbank GENESIS-Online verfügbar. 

Auf Basis der Ergebnisse der Statistik der Kindertageseinrichtungen berechnet das Statistische Bundesamt seit 2011 auch einen Personalschlüssel zur Betreuungssituation in Tageseinrichtungen für Kinder nach Gruppenformen und Bundesländern. In den vergangenen Monaten wurde diese Berechnungsweise des Personalschlüssels weiterentwickelt. Daten auf Grundlage des neuen Personal-Kind-Schlüssels sind nunmehr veröffentlicht. Die entsprechende Online-Tabelle sowie weitere Informationen zum neuen Personal-Kind-Schlüssel sind auf der Themenseite „Kindertagesbetreuung“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes verfügbar.

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 21.10.2022

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Claudia Mandrysch (53) wird ab Januar 2023 Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt.

Das Präsidium der Arbeiterwohlfahrt hat nach einem intensiven Auswahlprozess beschlossen, Claudia Mandrysch als Vorständin des AWO Bundesverbandes einzustellen. Ab November 2022 wird Mandrysch zunächst in Teilzeit ihren Dienst beginnen und ab Januar 2023 in Vollzeit als Vorständin für den AWO Bundesverband tätig werden. Nach einer Ausbildung der Sozialen Arbeit und Weiterbildungen und Praxiserfahrungen in der Sozial- und Suchttherapie ist Mandrysch über viele Jahre als Führungskraft in der Freien Wohlfahrtspflege tätig gewesen. Sie verfügt zudem über langjährige Erfahrung in der Führungskräfte- und Organisationsberatung.

Claudia Mandrysch: „Die AWO steht seit ihrer Gründung für Werte ein, die in diesen herausfordernden Zeiten richtungsweisend sind auf dem Weg in eine solidarische, gerechte Zukunft. Ich selbst habe mich zeitlebens für soziale Gerechtigkeit und sozialen Frieden eingesetzt. Von daher ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, die AWO in ihrer Rolle als Impulsgeberin für zentrale Themen unserer Zukunft zu stärken.“

Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt: „Claudia Mandrysch ist eine sehr erfahrene Führungskraft und verfügt über ausgewiesene Kenntnisse der Praxis der Freien Wohlfahrtspflege. Sie wird den Entwicklungsprozess der gesamten AWO und insbesondere des Bundesverbandes in diesen schwierigen Zeiten klug und sicher voranbringen.“

Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt: „In Claudia Mandryschs beruflichem Weg und Engagement spiegeln sich die AWO-Grundwerte deutlich wider. Ich freue mich sehr, dass wir mit ihr eine Vorständin gewinnen konnten, die das fachpolitische Profil der AWO dank ihrer Wurzeln in der sozialarbeiterischen Praxis mit großer Expertise weiter stärken wird.“

Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes: „Mit Claudia Mandrysch gewinnen wir eine Kollegin im Bundesvorstand, die ihre Führungsqualitäten unter anderem in der Führung eines Trägers der Wohlfahrtspflege mit 1.000 Mitarbeiter*innen nachgewiesen hat. In Zeiten gesellschaftlicher Krisen und Herausforderungen wird diese Expertise den Bundesverband in die Zukunft führen, damit die AWO auch weiter als starke Stimme für soziale Anliegen vernommen wird.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 21.10.2022

Die Freie Wohlfahrtspflege appelliert an Bundesminister Heil, eine bessere Erreichbarkeit von Jobcentern für alle Leistungsberechtigten und angemessene Corona-Schutzvorkehrungen für den Winter sicherzustellen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise müsse gewährleistet sein, dass Hilfesuchende nicht vor verschlossenen Türen stehen oder lange auf Termine warten müssen.

Viele Jobcenter und Arbeitsagenturen haben im Zuge der coronabedingten Kontaktbeschränkungen ihre Erreichbarkeit stark eingeschränkt und sind auch heute für Hilfesuchende nur eingeschränkt erreichbar, zum Teil mit gravierenden Folgen: Problemlagen für Hilfesuchende verschärfen sich und es kommt zu verspätetem Bezug von Leistungen der Existenzsicherung, was bis zum Verlust der Wohnung führen kann. Das geht aus einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) unter fast 1.000 Mitarbeitenden aus über 600 ihrer gemeinnützigen sozialen Beratungsstellen aus dem Sommer 2022 hervor.

Knapp 8 Prozent der Befragten gaben an, dass keine persönliche Beratung im Jobcenter vor Ort möglich ist. Rund 31 Prozent sagten, dass es keine frei zugängliche Eingangszone, z.B. zur Abgabe von Unterlagen gegen eine Empfangsbestätigung gibt und rund 28 Prozent, dass das Jobcenter keine regulären Öffnungszeiten hat.

Die Bundesregierung will mit dem neuen Bürgergeld das vertrauensvolle Miteinander und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe in den Jobcentern in den Mittelpunkt rücken. Mehr Bürgerfreundlichkeit und weniger Bürokratie sollen einkehren, lautet ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag.

BAGFW-Präsident Ulrich Lilie: „All das setzt voraus, dass alle Leistungsberechtigten ihr Jobcenter unkompliziert erreichen können, das ist eben nicht der Fall. Menschen, die auf das Jobcenter angewiesen sind, müssen sich darauf verlassen können, dass sie dort kompetent und zeitnah beraten werden und ihre Ansprechpersonen erreichbar sind. Wegen der starken Inflation drohen immer mehr Menschen finanziell abzurutschen. Ihnen muss aber besonders schnell geholfen werden.“

Digitale Angebote und Telefon-Hotlines sind wichtige Zugänge, die die Erreichbarkeit in digitalen Zeiten verbessern. Sie können das persönliche Gespräch und die Beratung jedoch nicht ersetzen. „Vor allem Menschen, die ihre Anliegen nicht digital oder telefonisch vorbringen können – weil sie nicht gut Deutsch sprechen, mit den digitalen Zugängen nicht zurechtkommen oder nicht richtig lesen und schreiben können – sind auf das persönliche Gespräch vor Ort angewiesen“, so Lilie weiter.

Die sozialen Beratungsstellen benennen als Folge der eingeschränkten Erreichbarkeit am häufigsten, dass Klientinnen und Klienten Hilflosigkeit erleben (76 Prozent) und sich Probleme verschärfen, weil eine schnelle persönliche Klärung nicht möglich ist (64 Prozent). Ebenso häufig (63 Prozent) kommt es laut der Befragten aufgrund der eingeschränkten Erreichbarkeit zu keinem oder verspäteten Bezug von existenzsichernden Leistungen. Rund 60 Prozent der Befragten geben an, dass zugesandte oder eingeworfene Unterlagen nicht oder deutlich verspätet die zuständigen Bearbeitenden erreichen und wie Wahrung von Fristen erschwert ist (49 Prozent).

Insgesamt fehlen Hilfesuchenden relevante Informationen, sagen 57 Prozent. (Drohenden) Wohnungsverlust bzw. anhaltende Wohnungslosigkeit benennen 37 Prozent als Folge.

Als konkrete Vorschläge für vor Ort umsetzbare Maßnahmen, die zu einer guten Erreichbarkeit auch in Pandemiezeiten beitragen können, nannten die sozialen Beratungsstellen u.a. die Nennung von Ansprechpersonen mit Telefonnummer und E- Mail-Adresse auf Bescheiden, die Einrichtung eines Notfalltresens, an dem täglich Dokumente gegen Empfangsbestätigung abgegeben werden können, die Einrichtung einer täglichen, persönlichen Notfallsprechzeit sowie einen Scanservice für Unterlagen, die direkt in die Fallakten eingepflegt werden.

Für die sozialen Beratungsstellen selbst resultiert aus der eingeschränkten Erreichbarkeit von Jobcentern und Arbeitsagenturen ein erhöhter Zeitaufwand für die Kommunikation mit diesen Behörden (80%), ein erhöhter Zeitaufwand pro Beratung (76%), eine erhöhte Beratungsfrequenz (55%), mehr Kriseninterventionen (53%) und insgesamt mehr Klientinnen und Klienten (52%).

An der Befragung haben sich bundesweit 990 Mitarbeitende aus über 600 Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege beteiligt. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, geben aber einen guten Einblick in die Problematiken in der Praxis. Die meisten Befragten kommen aus Beratungsstellen im Bereich der Migrations- und Flüchtlingsberatung, gefolgt von der Allgemeinen Sozialberatung und der Wohnungsnotfallhilfe. Der überwiegende Teil der Beratungsstellen ist in Nordrhein- Westfalen ansässig, gefolgt von Baden-Württemberg und Bayern.

Zur Auswertung der Umfrage: https://awo.org/sites/default/files/2022-10/2022_10_07_Auswertung_BAGFW-Umfrage_Erreichbarkeit_JC_AA_0.pdf

Quelle: Pressemitteilung Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege vom 24.10.2022

Unter dem Motto #ausLiebe startet die Diakonie Deutschland zu ihrem 175. Jubiläum 2023 ihre neue bundesweite Imagekampagne. Sie rückt die Menschen in den Mittelpunkt, für die sich die Diakonie stark macht: Einkommensarme, Alte, Kranke, Familien, Wohnungslose, Geflüchtete und viele andere, die sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt sehen. Die Slogans und bildstarken Motive spielen mit dem Hashtag #ausLiebe und richten das Augenmerk auf soziale Themen und drängende Probleme. Damit knüpft die Jubiläumskampagne an die erfolgreiche „Unerhört!“-Kampagne an – auch diese warb mit der Doppeldeutigkeit der Begriffe für eine offene Gesellschaft, gegen Ausgrenzung und für mehr soziale Teilhabe.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: „Es geht uns in unserem Jubiläumsjahr um die Gegenwart und um die Zukunft. Nah bei den Menschen und am Puls der Zeit: Aus Liebe. Mit Professionalität und auf Augenhöhe unterstützen wir sehr unterschiedliche Menschen, ein Leben nach ihren Vorstellungen zu führen. Denn das ist der Geist der Diakonie. Dieser Spirit, der uns mit unseren Gründervätern und -müttern verbindet, entzündet sich an der Frage, die sich jede neue Generation der Diakonie stellt: Wie können wir heute unseren Beitrag für eine menschenfreundliche Gesellschaft leisten, die allen gerechte Teilhabe ermöglicht und Wertschätzung lebt?“

Die Jubiläumskampagne wurde von der Berliner Agentur glow entwickelt und als Mitmach-Kampagne für diakonische Verbände und Einrichtungen gestaltet. Neben Plakatwerbung und Veranstaltungen wird die Kampagne intensiv durch Social-Media-Aktivitäten begleitet.

Sebastian Wilke, Geschäftsführer Beratung, glow Berlin: „Wir freuen uns, dass sich die Diakonie für uns entschieden hat. Wir haben gemeinsam planvoll über ein Jahr lang darauf hingearbeitet. Die Kampagne ruht auf drei Säulen: Präsentieren, Mitmachen, Teilen. Zum Beispiel mit Großplakaten an Bahnhöfen und an viel besuchten Plätzen im öffentlichen Raum. Hier regen die Motive zum Nachdenken an – und zum Mitmachen.“

Die Kampagne #ausLiebe

„Manchmal heißt Liebe …“, so beginnen die Slogans auf den Plakat- und Social-Media-Motiven. Der Rest des Satzes variiert und erzählt vom Arbeitsalltag der Diakonie-Mitarbeitenden. „… Einen Antrag zu machen“ dient als Beispiel für die vielfältigen sozialen Beratungsangebote. „… Jemandem den Kopf zu waschen“ steht über dem Bild des Obdachlosen Manuel, der von Alexandru die Haare gewaschen und geschnitten bekommt. „… Ein Start-up zu gründen“ heißt es bei einem alten Stich von Johann Hinrich Wichern, der 1848 mit einer Brandrede die Gründung der modernen Diakonie initiierte. Aus dem „Start-up“ von 1848 hat sich heute eine der größten Arbeitgeberinnen in Deutschland mit 600.000 Mitarbeitenden und 700.000 freiwillig Engagierten entwickelt, die sich täglich und nächtlich für Menschen in Not einsetzen. „#ausLiebe hat Johann Hinrich Wichern die Diakonie gegründet und #ausLiebe hat sie auch in Zukunft ihren Platz in der Gesellschaft“, unterstreicht Lilie.

Der Kampagnenfilm führt emotional in die Welt der diakonischen Arbeit. Den Soundtrack hat der französische Elektro-Pop-Act French 79 beigesteuert.

Weitere Informationen:

Kampagnenwebsite: http://www.ausliebe.diakonie.de/ Kostenfreie Pressebilder: https://diakonie.canto.global/b/VCSUQ

Die Diakonie präsentiert die Kampagne mit Aktionen auf einem großen Stand auf dem Evangelischen Kirchentag vom 7. bis 11. Juni in Nürnberg. Am 22. September 2023 findet die Jubiläumsfeier im Museum für Kommunikation in Berlin statt.

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 07.11.2022

Bund und Länder haben sich auf ein umfassendes Entlastungspaket geeinigt. Die Diakonie begrüßt, dass mit den Beschlüssen über das 200 Milliarden-Euro-Entlastungspaket der Weg freigegeben ist, um die Bürgerinnen und Bürger von den enormen Preissteigerungen zu entlasten. Allerdings sind die Maßnahmen immer noch nicht zielgenau genug. “Die Regierungschefs müssen ihren Kompass deutlich stärker auf diejenigen ausrichten, die am stärksten unter der Inflation leiden und in ihrer Existenz bedroht sind: Einkommensarme und Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Das Prinzip Gießkanne, nachdem jeder ein Stück vom Kuchen bekommt, befördert eine wachsende Unzufriedenheit in der Gesellschaft. Es schadet der Demokratie, wenn die Ärmsten – und das sind rund 15 Millionen Menschen in Deutschland – die geringste Entlastung erfahren“, sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. 

Bewertung der Maßnahmen aus Sicht der Diakonie:

Die Gas- und Strompreisbremse ist ein sinnvolles Instrument, um Wirtschaft und Gesellschaft Planungssicherheit für diesen Winter zu geben. Die geplanten Abschlagszahlungen für Gas und Fernwärme sind jedoch ein Schritt zurück: Hiervon profitieren alle – von der Millionärin bis zum Hartz-4-Empfänger. Angesichts der für viele Menschen bedrohlichen finanziellen Lage ist das nicht nachvollziehbar. Stattdessen sind zielgenaue Hilfezahlungen nötig, die die Einkommensärmsten schnell und unbürokratisch erreichen. Diese müssten sofort greifen und dürfen nicht erst mit dem Inkrafttreten des Bürgergeldes und dann auch nur für Sozialleistungsbeziehende greifen. Statt komplizierter Antragsprüfungen sind unmittelbare und einfache Direktzahlungen nötig.

Die Entscheidung für ein bundesweites Nahverkehrsticket für 49 Euro ist gut. Leider wurde die Chance vertan, gleichzeitig ein 29-Euro-Sozialticket auf den Weg zu bringen, damit Mobilität und Teilhabe für alle möglich ist. Die Kosten des neuen Tickets liegen über dem Ansatz, der in der Grundsicherung für Mobilität vorgesehen ist.

Mit dem Hilfsfonds für die Sozialwirtschaft schützen Bund und Länder nun endlich auch die Sozialwirtschaft. Dieser Hilfsfonds beschränkt sich jedoch auf Einrichtungen, die auf Bundesebene von Sozialversicherungsträgern refinanziert werden. Daher ist ergänzend eine Unterstützung für soziale Einrichtungen und Dienste dringend erforderlich, die aus Mitteln der Länder und Kommunen refinanziert werden. Der Hilfsfonds lässt derzeit Einrichtungen der Eingliederungshilfe, der Jugendhilfe, Tageseinrichtungen für Kinder, die Wohnungslosenhilfe, Frauenhäuser, Familienerholungsstätten, Schuldnerberatung und Migrationsberatungsstellen außen vor.

Mit der Wohngeldreform soll der Kreis der Antragsberechtigten deutlich ausgeweitet werden. Die Sozialberatungsstellen berichten aber, dass schon jetzt die Ämter mit der Antragsbearbeitung kaum nachkommen. Dies gilt auch bei Neuanträgen auf die Grundsicherung, wenn Haushalte jetzt aufgrund der Preissteigerungen in die Antragsberechtigung rutschen. Darum setzt sich die Diakonie beim Wohngeld wie auch in der Grundsicherung für Vorschuss- und Vorauszahlung ein, wenn die Bedürftigkeit plausibel ist, und pauschale monatliche Ausgleichszahlungen in Höhe von 100 Euro für Haushalte mit Niedrigeinkommen für die nächsten Monate – ab sofort. Bisher erfolgen Vorauszahlungen nur, wenn Menschen Zahlungsunfähigkeit nachweisen können. Die Ärmsten können aber nicht warten, bis Sozialleistungsreformen im Vermittlungsausschuss besprochen, umgesetzt und dann noch die Neuanträge abgearbeitet wurden.

Hintergrund

Seit Monaten weist die Diakonie darauf hin, dass Menschen in der Grundsicherung oder im Wohngeldbezug, Einkommensarme, Kinder und Jugendliche, Rentnerinnen und Rentner angesichts steigender Energiepreise sofort mehr finanzielle Unterstützung benötigen. Unser Vorschlag: Diesen Menschen soll jeden Monat 100 Euro mehr über eine vom Bundestag zu verabschiedende Notlagenregelung unkompliziert, schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden. Wenn der Bundestag eine soziale Krise von nationaler Tragweite feststellt, soll dies zunächst für sechs Monate gelten. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würden hierdurch die nach Einkommen unteren 20 Prozent der Haushalte wirksam entlastet werden und einen ausreichenden Ausgleich für die zunehmenden Belastungen durch Inflation und Energiepreissteigerungen erhalten. Diese Haushalte geben nahezu zwei Drittel ihres Einkommens für Wohnen und Essen aus und sind von den Preissteigerungen am Stärksten betroffen.  Das Bürgergeld muss jetzt kommen, allerdings reichen 50 Euro für Menschen in der Grundsicherung ab Januar nicht, um durch die Wintermonate zu kommen. Das Geld wird jetzt benötigt. Das gilt auch für das Kindergeld. 18 Euro Erhöhung ab Januar gleichen weniger als die Hälfte der gestiegenen Belastungen aus.

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 03.11.2022

In vielen deutschen Städten startet in diesen Tagen die Kältehilfe. Die Diakonie appelliert an alle Verantwortlichen in Städten und Gemeinden, für eine ausreichende Zahl an Übernachtungs- und Aufenthaltsplätze für wohnungslose Menschen zu sorgen. Die Einrichtungen der Kältehilfe brauchen ausreichend finanzielle Hilfen, um bei steigenden Lebensmittel- und Energiekosten genügend Plätze vorhalten zu können.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

„Dieser Winter wird für Menschen, die auf der Straße leben, eine besondere Herausforderung. Die steigenden Lebensmittelpreise belasten wohnungslose Menschen enorm, und sie können sich von ihrem wenigen Geld kaum noch etwas kaufen. Auch Corona bleibt für sie ein großes Risiko, weil sie häufig gesundheitlich vorbelastet sind. Minustemperaturen sind für wohnungslose Menschen eine Gefahr für Leib und Leben. Umso wichtiger ist es, dass Städte und Gemeinden alles dafür tun, ausreichend viele und infektionssichere Übernachtungs- und Aufenthaltsplätze zur Verfügung zu stellen.

Um das Angebot in den Notunterkünften und in den Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe aufrechterhalten zu können, brauchen die Träger der Kältehilfe ausreichend Geld. Die immensen Kostensteigerungen können mit den bisherigen Mitteln nicht finanziert werden. Deshalb benötigen wir von den Kommunen dringend verbindliche Zusagen über die Finanzierung der tatsächlichen Unterhaltskosten. Anders können die Menschen nicht vor dem Erfrieren geschützt werden.“

Hintergrund:
Nach einer bundesweiten repräsentativen empirischen Erhebung, die die Gesellschaft für innovative Sozialplanung und Sozialforschung e. V. und Kantar Public im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellt haben, leben in Deutschland etwa 37.400 Menschen ohne jede Unterkunft auf der Straße. Insbesondere im Winter sind sie den Witterungsbedingungen schutzlos ausgesetzt. Unter dem Namen Kältehilfe stellt unter anderem die Diakonie von November bis April deutschlandweit zusätzliche Übernachtungs- und Aufenthaltsplätze für wohnungslose Menschen zur Verfügung.

Themenschwerpunkt mit Überblick über Kältehilfen der Diakonie bundesweit:
https://www.diakonie.de/kaeltehilfe
Wissen Kompakt Obdachlosigkeit:
https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/obdachlosigkeit
Themenschwerpunkt zu Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit:
https://www.diakonie.de/wohnungslosigkeit 

Aktion #wärmewinter
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie Deutschland rufen angesichts der hohen Belastung vieler Menschen durch die gestiegenen Energiepreise die Aktion #wärmewinter ins Leben. Diakonie und Kirche öffnen in diesem Herbst und Winter ihre Türen und schaffen in ganz Deutschland wärmende Orte, wo Betroffene Hilfe erhalten, sich aber auch über ihre Rechte informieren können. Mit der gemeinsamen Kampagne setzen Diakonie und Kirche ein Zeichen gegen soziale Kälte und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Weitere Infos: www.waermewinter.de

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 30.10.2022

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt in einer Stellungnahme das vom Bundesfamilienministerium und Bundesinnenministerium geplante Demokratiefördergesetz. Positiv stellt der djb heraus, dass das Gesetzesvorhaben ausdrücklich Ideologien gegen Geschlechtergerechtigkeit sowie Sexismus als Bedrohungen für das friedliche Zusammenleben beschreibt und die politische Bedeutung ihrer Bekämpfung hervorhebt. 

Bezogen auf gleichstellungs- und frauenpolitische Aspekte von Demokratieförderung benennt der djb notwendige Anpassungen im Entwurf. So stellt der djb fest, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes allgemein von der „Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt“ und der Prävention u.a. „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ spricht. Frauenpolitischen Belangen und Aspekten von Geschlechtervielfalt wird jedoch durch ausdrückliche Benennung (zumindest in der Gesetzesbegründung) nach den Erfahrungen in der Rechtsanwendung weitaus besser Rechnung getragen.

Demokratiegefährdungen wirken sich in besonderem Maße zu Lasten von Frauen und ihrer demokratischen Teilhabe aus. Neben Sexismus als offensichtliche Demokratiegefährdung zu Lasten von Frauen betrifft dies auch rechtsradikale Einstellungen und Aktivitäten von bzw. für Frauen, die sich z.B. in Ideen wie dem „nationalen Feminismus“ manifestieren. Dazu erklärt die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig: „Es besteht eine Verbindung von Sexismus, Antifeminismus und Rechtsextremismus, die es im Blick zu haben gilt, über die in demokratiefördernden Projekten aufgeklärt und der argumentativ entgegengewirkt werden muss.

Zudem sind die Öffentlichkeit und insbesondere das Internet mit seiner Anonymität kein sicherer Raum für Frauen und ihre außerparlamentarische demokratische Teilhabe. Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen oder sich öffentlich äußern, sind in besonderem Maße Diffamierungen und Beleidigungen ausgesetzt. Diesen Demokratiegefährdungen entgegenzuwirken ist eine wesentliche Aufgabe des Staates, die in der Zivilgesellschaft ihre Ergänzung findet.

Begrüßenswert ist, dass der Staat sowohl eigene Maßnahmen durchführt als auch Maßnahmen Dritter und damit der Zivilgesellschaft fördert. Da die Förderung unter dem Vorbehalt eines erheblichen Bundesinteresses steht, kommt es wesentlich auf die Begriffsdefinition an. Insoweit besteht Anpassungsbedarf. Der djb schlägt daher in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf eine Neudefinition des Begriffs des „Bundesinteresses“ vor. Nur so ist sicherzustellen, dass Maßnahmen, die der Bekämpfung von geschlechtsbezogener Diskriminierung und der Förderung von Geschlechtergerechtigkeit dienen, auch als demokratiefördernde Maßnahmen förderfähig sind.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 01.11.2022

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat eine ausführliche Stellungnahme zur Digitalstrategie der Bundesregierung vom 30. August 2022 veröffentlicht. Die Digitalstrategie weist aus gleichstellungspolitischer Sicht erhebliche Leerstellen auf. Der djb begrüßt, dass sie Geschlechtergerechtigkeit und Diskriminierungsfreiheit als Ziele klar formuliert. Jedoch enthält sie gleichstellungspolitisch wenig Konkretes und kommt deswegen kaum über gut gemeinte Absichtserklärungen hinaus.

„Hier wurde die Chance vertan, sich am Dritten Gleichstellungsbericht zu orientieren, der die Problemfelder der digitalisierten Gesellschaft bereits hervorragend analysiert hat“, so die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig, „die dort erarbeiteten konkreten politischen Handlungsempfehlungen werden nicht aufgegriffen.“ Die Digitalstrategie ist voller Lippenbekenntnisse, nennt jedoch kein einziges konkretes Frauen- oder Mädchenförderprojekt. Dies ist äußerst bedauerlich, da der Staat mit digitalen Leuchtturmprojekten eine vorbildhafte Vorreiterrolle einnehmen sollte.

Die Digitalstrategie nennt unter anderem das Ziel, die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsmarkt zu stärken und will die Erwerbsbeteiligung der Frauen in von Männern dominierten Berufen erleichtern. Leider setzt sich hier das Prinzip „fix the women“ statt „fix the company“ fort. Die Digitalstrategie verpasst, Frauen als Inputgeberinnen mit eigenem Know-how aus ihren Berufen und ihrer sozialen Erfahrung heraus zu sehen, übersieht so entscheidende Innovationspotenziale und vergibt die Chance, den digitalen Wandel für eine geschlechtergerechtere diskriminierungsfreie Gesellschaft zu nutzen.

In der Strategie wird Digitalisierung als Querschnittsmaterie unter dem übergeordneten Leitmotiv der technologischen und digitalen Souveränität Deutschlands verstanden. Das schließt aus, dass ein eigenständiges Digitalministerium eingerichtet wird. Der djb empfiehlt, zumindest in der neuen Bundesstiftung Gleichstellung ein Digitalressort einzurichten, welches in Digitalprojekte verpflichtend einzubinden wäre. Auch im gerade neu konstituierten Dateninstitut für Deutschland sollten gleichstellungspolitische Kompetenzen aufgebaut werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 31.10.2022

Wissenschaftler:innen des DJI stellen bei der Jahrestagung am 8. und 9. November 2022 aktuelle Forschungsergebnisse und -projekte vor

Die Covid-19-Pandemie hat die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mitunter stark beeinträchtigt und soziale Ungleichheiten verschärft. Dies zeigt sich unter anderem an wichtigen Weichenstellungen in Bildungsverläufen, wie zum Beispiel am Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule und von der Schule in die Ausbildung. Die wissenschaftliche Jahrestagung 2022 des Deutschen Jugendinstituts (DJI) am 8. und 9. November 2022 in Berlin befasst sich mit Risiken für junge Menschen in verschiedenen Lebensphasen und mit wirksamer Prävention von sich verstetigender Benachteiligung – von der Familie über die Kita und die offene Jugendarbeit bis zum Internet.

„Viele junge Menschen und ihre Eltern haben in den letzten Jahren stark unter den Einschränkungen der Pandemie gelitten. Deshalb gilt es nun, das Thema psychische Gesundheit in allen Bildungsangeboten aufzugreifen – in den Kitas, in den Schulen und auch in der Kinder- und Jugendhilfe“, sagt DJI-Direktorin Prof. Dr. Sabine Walper. „In der Forschung untersuchen wir, ob sie die Alltags-, Gesundheits- und digitalen Kompetenzen haben, die sie für ein gesundes Aufwachsen benötigen und entwickeln Ansätze, diese zu stärken.“

Sabine Walper hält den Eröffnungsvortrag der wissenschaftlichen Jahrestagung des DJI und tauscht sich mit Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in einem Podiumsgespräch darüber aus, wie Forschung für politische Entscheidungen nutzbar gemacht werden kann. Die im Folgenden ausgewählten Forschungsergebnisse, die neben vielen weiteren auf der DJI-Jahrestagung präsentiert werden, geben wichtige Impulse für Politik und Praxis.

Verhaltensprobleme bei Kindern und Jugendlichen nehmen erneut zu

Inwiefern das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen während der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt wurde und immer noch beeinträchtigt wird, zeigen Daten aus der DJI-Studie „Kind sein in Zeiten von Corona“ und neue Auswertungen des DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland: AIltagswelten“, kurz AID:A. Bei den 3- bis 17-Jährigen nahmen im Jahr 2020 und erneut im Herbst 2021, also lange nach den strikten Lockdowns, Verhaltensprobleme zu. Mehr emotionale Reaktionen wie Weinen, Rückzug, Kopf- und Bauchmerzen, Probleme mit Gleichaltrigen, Hyperaktivität und Konzentrationsschwierigkeiten stellten die befragten Eltern bei ihren Kindern im Vergleich zur Befragung vor Corona im Jahr 2019 fest. Dies betraf diejenigen jungen Menschen am stärksten, die bereits zuvor benachteiligt waren, weil ihre Eltern finanziell belastet sind, über einen geringeren Bildungsabschluss verfügen oder einen Migrationshintergrund haben und deshalb mit der deutschen Sprache und dem Bildungssystem hierzulande weniger vertraut sind.

„Da für die Bewältigung emotionaler Probleme insbesondere bei jüngeren Kindern die Eltern eine wichtige Rolle spielen, kommt die Benachteiligung hier doppelt zum Tragen“, sagt Studienleiterin Dr. Alexandra Langmeyer. Deshalb plädiert die Leiterin der DJI-Fachgruppe „Lebenslagen und Lebenswelten von Kindern“ für eine gezielte Entlastung von benachteiligten Familien und den Ausbau der Familienhilfe.

Trotz Anstrengungen werden Familien in prekären Lebenslagen an Grundschulen oft nicht erreicht

Wie schwierig es zuweilen ist, benachteiligte Familien zu erreichen, zeigt die soeben veröffentlichte DJI-Studie „Zusammenhänge zwischen prekären Lebenslagen und Bildungsverläufen“ zum Übergang von Grundschulkindern auf weiterführende Schulen. Im Rahmen der Studie wurden Schulleitungen, Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter:innen an vier Münchner Grundschulen unter anderem zur Gestaltung des Übertritts und zur Zusammenarbeit mit finanziell belasteten Familien befragt. Eltern und Kinder gaben Auskunft zu ihren Bildungszielen, ihrer Lebenslage sowie zur Kenntnis und Nutzung von unterstützenden Angeboten.

Die Forschungsergebnisse machen deutlich, dass sich Kinder aus benachteiligten Familien zwar häufig einen Übertritt in die Realschule oder das Gymnasium wünschen und ihre Eltern versuchen, sie dabei zu unterstützen. Jedoch behindern sie dabei unter anderem mangelnde Sprachkenntnisse, fehlendes Wissen über die für den Übertritt zu erbringenden Leistungen und ein eingeschränkter Zugang zu oft kostenintensiven Übungsmaterialien und Nachhilfe. Die Anstrengungen seitens der Schulen scheinen diese Kinder nicht ausreichend zu erreichen.

Die Interviews mit den Befragten geben Aufschlüsse über mögliche Hürden beim Zugang zu Unterstützungsangeboten. So beklagten die Schulakteure, die Eltern nicht zu erreichen. Diese fühlten sich wiederum mit den schulischen Anforderungen überfordert. Den Studienergebnissen zufolge wurde Armut und Ressourcenknappheit der Familien häufig nicht wahrgenommen oder die Familien gingen aus Angst vor Stigmatisierung nicht offen damit um. Zudem fehlten aus Sicht der Lehrkräfte und der Eltern unterrichtsbezogene und lernunterstützende Angebote wie Nachhilfe, Förder- und Sprachkurse.

„Letztlich kann nur sichergestellt werden, dass die Angebote zur Förderung der Kinder genutzt werden, wenn sie für möglichst alle Kinder verfügbar sind“, konstatieren die Studienleiterinnen Dr. Claudia Zerle-Elsäßer und Dr. Christine Steiner. Sie empfehlen daher beispielsweise Standardangebote zur Förderung an Schulen zu etablieren, außerunterrichtliche Angebote stärker mit dem Fachunterricht zu verbinden sowie eine intensivere Vernetzung der Schulen mit Jugendsozialarbeit, Horten, Vereinen, anderen Schulen und auch Migrant:innen-Selbstorganisationen im jeweiligen Sozialraum.

Berufswahlprozesse wurden in Pandemiezeiten verzögert

Eine wichtige Weiche in der Bildungsbiografie junger Menschen ist auch der Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf. DJI-Forschende untersuchten, wie sich Übergangswege bei Jugendlichen an Haupt- und Realschulen durch die Pandemie verändert haben, indem sie die Befragungsdaten zweier Kohorten aus Studien des Forschungsschwerpunkts „Übergänge im Jugendalter“ am DJI miteinander verglichen. Die Ergebnisse des Kohortenvergleichs zeigen, dass Berufswahlprozesse in Pandemiezeiten verzögert wurden: Während die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen abnahm, stieg der Anteil an Jugendlichen, der eine weiterführende Schule besuchte. Gleichzeitig trafen die jungen Menschen die Übergangsentscheidung weniger selbstbestimmt: Der Anteil derjenigen, die diese Wahl als „Notlösung“ bezeichneten, war in der Corona-Kohorte doppelt so hoch. Von Autonomie und Kontinuität im Berufswahlprozess sprachen hingegen diejenigen, die einen konkreten Berufswunsch und Wissen über Berufe hatten. „Folglich sind bei der individuellen Bewältigung der Krise gerade persönliche Ressourcen entscheidend“, erklärt DJI-Wissenschaftler Dr. Frank Tillmann, der zusammen mit Irene Hofmann-Lun und Dr. Karen Hemming die Analysen vornahm.

Die Studie zeigt auch, dass die Schulleistungen bei vielen Jugendlichen nachgelassen haben und sich mehr als jeder dritte junge Mensch an Haupt- und Realschulen an der Schwelle ins Berufsleben Sorgen über seine Zukunft macht. Während der Corona-Pandemie betraf dies überproportional Mädchen sowie Jugendliche mit Migrationshintergrund, die beim Online-Unterricht verstärkt auf Sprachbarrieren stießen. „Während der Pandemie kam es zu einer Verstärkung der Bildungsbenachteiligung“, sagt Dr. Frank Tillmann. Es zeige sich der große Einfluss von persönlichen Ressourcen wie eine gefestigte berufliche Perspektive und Wissen über Ausbildungsberufe. „Diese Kompetenzen müssen künftig bei den Jugendlichen gezielter gefördert werden“, empfiehlt Tillmann.

Infos zu den Forschungsprojekten und Programm: www.dji.de/jahrestagung2022

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Jugendinstitut e.V. vom 08.11.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, der Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und der Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland fordern in einer gemeinsamen Stellungnahme eine stärkere Einbettung der Themen „Psychische Gesundheit“ und „Resilienzförderung“ in die Gesundheitsprävention im Bildungssystem. Im Zentrum sollte dabei die Vermittlung eines „gesunden Lebens“ stehen, für das Ernährung und Bewegung ebenso wichtig sind wie Psychohygiene und der Umgang mit Belastungen. Die Verbände stellen gleichzeitig fest, dass es Kindern, Jugendlichen und auch Fachkräften gerade im Nachgang von Schulschließungen und Distanzunterricht im Zuge der Corona-Pandemie helfen würde, wenn im schulischen System der Leistungsdruck minimiert sowie Zeit und Raum für den gemeinsamen Austausch ermöglicht werden.

Durch die Covid-19-Pandemie wurde besonders deutlich, dass die Versorgung mit Jugendpsychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern nicht in allen Regionen Deutschlands im Verhältnis zum Beratungs- und Behandlungsbedarf junger Menschen steht. Dem könnte durch eine kleinräumlichere Betrachtung der Versorgungsgebiete und damit einhergehender zusätzlicher Praxen begegnet werden. Die Verbände mahnen zudem an, dass sich das vorschulische ebenso wie das schulische Bildungssystem effektiver als bisher auf eine weitere Corona-Welle im Herbst vorbereitet. Dazu müssen die Einrichtungen bzw. ihre Träger mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet werden. Mit diesen sollten vor allem zusätzliche Personalressourcen geschaffen, aber auch zusätzliche Räumlichkeiten angemietet und Luftfiltergeräte sowie notwendige Hygienematerialien beschafft werden.

„Während der ersten Phasen der Covid-19-Pandemie waren junge Menschen von den damit einhergehenden Belastungen in besonderer Weise betroffen. Insbesondere der Wegfall gegebener Strukturen durch die Schließungen von Kindertagesstätten und Schulen, aber auch die Beschränkungen von Kontakten haben bei einer Vielzahl der Kinder und Jugendlichen zu Sorgen, Ängsten und Stress geführt. Bei nicht wenigen kam es auch zu Zwangs-, Ess- und Anpassungsstörungen sowie Depressionen – und bei manchen auch zu einer erhöhten Suizidalität. Auch die Wiederöffnung der Einrichtungen und die Rückkehr in den Schulalltag haben manche Kinder als schwierig empfunden, da sich in der Phase des Homeschooling Lernlücken aufgebaut haben, die bei den Betroffenen nun zu hohem Leistungsdruck sowie Versagensängsten beitragen. Zudem führt die zwischenzeitliche soziale Abstinenz bei einem Teil der Kinder zu Herausforderungen, sich nun wieder in Gruppen und Gemeinschaften zurechtfinden zu müssen. Deshalb ist es dringend erforderlich, zum einen durch eine bessere Versorgung mit Kinder- und Jugendpsychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern diesen Kindern schnell zu helfen. Zum anderen ist es aber auch wichtig, Kitas und Schulen für die nächsten Corona-Wellen sicher zu machen, damit diese als Lern- und Lebensorte von Kindern offenbleiben können. Und es muss klar sein, dass es zukünftig keine Beschränkungen mehr bei den sozialen Kontakten von Kindern und Jugendlichen geben darf“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Die schon vor der Pandemie bestehende schwierige Versorgungslage im Bereich der Kinder- und Jugendpsychotherapie wurde durch die getroffenen Maßnahmen weiter erschwert. Dadurch haben sich Wartezeiten weiter verlängert. Das ist so nicht hinnehmbar und stellt für alle Beteiligten und Betroffenen eine hohe Belastung dar. Politik und Kassenärztliche Vereinigungen sind gefordert, hier schnell und unbürokratisch Abhilfe zu schaffen und die Versorgungslage zu verbessern“, sagt Dr. Inés Brock-Harder, Vorsitzende des Bundesverbandes für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.

„Inzwischen haben weitere krisenhafte Entwicklungen die schwierige Situation leider eher verstetigt. Krieg in Europa und die zunehmende Deutlichkeit des Klimawandels verunsichern die gesamte Gesellschaft weiterhin. Gerade für Kinder und Jugendliche in der Entwicklung haben solche Erfahrungen eine oft lebenslange Bedeutung. Wir können dies kaum zu viel im Blick haben, es geht schlicht um unsere Zukunft, um unsere Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen“, sagt Dr. Annegret Brauer, stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland.

Die gemeinsame Stellungnahme von Deutschem Kinderhilfswerk, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, dem Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland und dem Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie steht unter www.dkhw.de/kinder-psychisch-stark-machen zum Download bereit.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 25.10.2022

Millionen Fahrgäste werden ab Anfang 2023 von einem bundesweiten 49-Euro-Monatsticket (dem neuen „Deutschlandticket“) profitieren. Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD e.V.) begrüßt das Angebot für Erwachsene und Vielfahrer; fordert jedoch eine dringende Nachbesserung für Kinder und Jugendliche.

„Mit einem Preis von 49 Euro ist das neue Ticket deutschlandweit gültig und vereinfacht komplizierte Tarifmodelle zwischen Verkehrsverbunden“, so Vorsitzende Dr. Elisabeth Müller. Allerdings wurde eine große Chance vertan. „Wir vermissen ein sachgerechtes Angebot, das schulpflichtige Kinder und Jugendliche in den Blick nimmt. Für sie bleiben die Tarife im ÖPNV unverändert hoch“, kommentiert Müller. Ausgaben für ÖPNV belasten die Geldbeutel von Mehrkindfamilien monatlich überproportional. Eine Familie mit zwei Erwachsenen und drei Kindern bzw. Jugendlichen zahlt mit dem „Deutschlandticket“ 245 Euro pro Monat.

Ein vergünstigtes Ticket für Kinder und Jugendliche im ÖPNV für 29 Euro wäre eine wirksame Maßnahme. Dies würde merklich das Familienbudget entlasten. Ein solches Rabattprogramm erlaubt Kindern und Jugendlichen eine eigenständige und selbstbestimmte Mobilität, entkoppelt sie vom „Eltern-Taxi“ und ist nachhaltiger und zukunftsorientierter. „Unsere nächste Generation wird so für ökologisch nachhaltige Mobilitätswege bereits im jungen Alter sensibilisiert, Kraftstoffe gespart und das Zeitbudget der Eltern wird aufgrund wegfallender Fahrtwege, die sich bei drei und mehr Kindern summieren, entlastet“, zählt Müller weiter auf.

Quelle: Pressemitteilung Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD) vom 04.11.2022

Prof. Dr. Trabert, Sprecher der AG Gesundheit der nationalen Armutskonferenz, fordert anlässlich der heutigen Tagung der Gesundheitsministerkonferenz eine vollständige Kostenbefreiung bei der Gesundheitsversorgung und Prävention für von Armut betroffene Menschen: „Es muss eine vollständige Kostenbefreiung bei der Gesundheitsversorgung und Prävention für einkommensarme Menschen geben: Untersuchungen und Behandlungen in Praxen oder Kliniken müssen für sie grundsätzlich kostenfrei möglich sein. Das schließt auch die Kosten für die Fahrt dorthin mit ein. Gehhilfen, Sehhilfen, Medikamente und anderes medizinisches Hilfsmaterial muss ebenso übernommen werden. Denn wer sich diese Dinge nicht leisten kann, bleibt krank und benachteiligt.“

Angesichts der drastisch steigenden Lebenshaltungskosten und der ohnehin schon erhöhten Erkrankungsgefahr vor allem für Armutsbetroffene seit Pandemiebeginn muss die Bundesregierung schnellstens konkrete Maßnahmen ergreifen, um gesundheitliche Risiken einzudämmen.

„Der Zugang zu und die Qualität von Gesundheitsversorgung spielt eine existenzielle Rolle in unserem Sozialsystem. Dieses muss dringend menschenorientierter werden. Es ist ein Baustein in der Praktizierung von sozialer Gerechtigkeit – die wiederum wichtig ist, um den sozialen Frieden im gesellschaftlichen Miteinander zu gewährleisten“, verdeutlicht der ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat Prof. Dr. Gerhard Trabert. „Gesundheit ist ein Menschenrecht. Förderung und Erhalt der Gesundheit und Gesundung dürfen nicht an den finanziellen Mitteln Einzelner scheitern.“

So sei es in §12 des UN-Sozialpakts festgehalten. Doch selbst in unserem reichen Land sehe es für einkommensarme Menschen in der Realität leider ganz anders aus. Allzu oft seien die Gesundheitskosten nicht adäquat abgedeckt, was zu einer Unterversorgung mit kritischen Auswirkungen, wie zum Beispiel chronischen Krankheiten, führt. „Kurz gesagt: Armut macht krank und Krankheit macht arm. Das darf so nicht bleiben!“, erklärt Trabert.

Nach Darstellung des bekannten Mainzer Sozialmediziners sind Krankheitsrisiken in unserer Gesellschaft sehr ungleich verteilt: Sie beträfen Menschen, die in beengten Verhältnissen leben müssen, etwa als Großfamilie in einer kleinen Wohnung oder als Geflüchtete in einer Gemeinschaftsunterkunft, Menschen, die in Berufen mit höherer Infektions- oder Verletzungsgefahr arbeiten, Menschen ohne Obdach mit erschwertem Zugang zu sanitären Anlagen, besonders stark. „Diese Lebensumstände für eine erhöhte Gesundheitsgefährdung treffen fast ausschließlich auf Menschen zu, die armutsbetroffen und auch dadurch schon einem höheren Risiko für physische und psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, etc. ausgesetzt sind“, erläutert Trabert.

Dazu komme, dass Präventions- und Gesundheitsinformationen häufig nicht für alle zielgruppengerecht aufbereitet werden. „Wenn es um die Sicherheit von Leib und Leben geht, müssen die Informationen doch für alle gut verständlich sein. Da muss die Bundesregierung sicherstellen, dass auch Menschen mit Lese- oder Verständnisschwäche oder mit Sprachbarrieren niedrigschwellig erreicht werden und alles begreifen können“, betont Manfred Klasen, Mitglied der AG Gesundheit der nak und Geschäftsführer der Saarländischen Armutskonferenz.

Armutsbetroffene Menschen bzw. ihre Vertretungen seien oft von Entscheidungsstrukturen ausgeschlossen. Hier fordert die nak: Auch sie müssen beteiligt werden, wenn es um die Ausgestaltung von Angeboten, Richtlinien und Gesetzen im deutschen Gesundheitsversorgungssystem geht.

Manfred Klasen: „Betroffene sind Expert*innen, deren Stimmen bei der Entwicklung, Umsetzung und Auswertung von Maßnahmen zur Gesundheitsversorgung und Prävention nicht fehlen dürfen!“

Hintergrundinformationen:

– Durchschnittlich geben Bürger:innen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 104 € privat für ihre Gesundheit aus.

Die Höhe der Gesundheitsausgaben hängt stark von den Einkommensverhältnissen der Haushalte ab.

2019 gaben Haushalte mit einem Einkommen unter 1300 Euro durchschnittlich 21 Euro pro Monat für Gesundheitsdienstleistungen und -produkte aus.

Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2600 Euro bis unter 3600 Euro investierten bereits mehr als dreimal so viel in Gesundheitsausgaben (pro Monat 78 Euro).

– Für sogenannte medizinische Verbrauchsgüter (Pflaster, Fieberthermometer, Schutzmasken,…) geben Haushalte im Durchschnitt 27 Euro pro Monat aus.

Die Ausgaben lagen in einkommensschwächeren Haushalten bei durchschnittlich 9 Euro bis 13 Euro pro Monat. In Haushalten mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von 2600 bis unter 3600 Euro betrugen die Ausgaben schon 23 Euro. Bei einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von 5000 Euro und mehr waren es dann durchschnittlich 50 Euro im Monat

– Der Hartz IV-Regelsatz sieht 17,37 € pro Monat für Gesundheit vor.

– Für Sozialleistungsbeziehende werden Präventions- und Gesundheitskosten wie z. B. Sehhilfen, Verhütung, Physiotherapie, Zahnersatz, apothekenpflichtige Medikamente i.d.R. nicht übernommen.

– Fahrten zu Praxen/Kliniken werden nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und nur nach vorheriger Genehmigung von der Krankenkasse übernommen.

– Das Robert-Koch-Institut kommt nach der Datenanalyse des sozioökonomischen Panels der Jahre 1992-2016 zu dem Ergebnis, dass 13 % der Frauen und 27 % der Männer aus der niedrigsten Einkommensgruppe nicht das 65. Lebensjahr erreichen.

In der höchsten Einkommensgruppe trifft dies lediglich auf 8 % der Frauen und 14 % der Männer zu.

Bezogen auf die mittlere Lebenserwartung bei Geburt liegt der Lebenserwartungsunterschied zwischen der niedrigsten und höchsten Einkommensgruppe bei Frauen bei 4,4 Jahren und bei den Männern bei 8,6 Jahren.

Dies bedeutet, dass von Einkommensarmut betroffene Menschen in dieser reichen bundesdeutschen Gesellschaft deutlich früher sterben als wohlhabende Mitbürger:innen. Diese konkreten Unterschiede in der Lebenserwartung sind eine extreme Ausprägungsform von sozialer Ungleichheit in einer Gesellschaft.

Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz vom 24.10.2022

In der Debatte über Energiearmut, das neue Bürgergeld und ein menschenwürdiges Existenzminimum kritisiert die Nationale Armutskonferenz, dass die Politik immer mehr staatliche Aufgaben auf die Tafeln und andere gemeinnützige Angebote verlagert. „Es kann nicht sein, dass Menschen, denen das Notwendige fehlt, sich auf eine Versorgung auf Spendenbasis verlassen müssen“, kritisiert Michael David, Sprecher der AG Grundsicherung der Nationalen Armutskonferenz (nak). An vielen Orten übernähmen zum Beispiel die Tafeln Aufgaben, die eigentlich durch die Jobcenter gelöst werden müssten. „Tatsächlich sind Tafeln aber eine Maßnahme gegen Lebensmittelverschwendung“, sagt David: „Sie können, wollen und dürfen sozialstaatliche Regelleistungen nicht ersetzen.“

Die Nationale Armutskonferenz fordert, die sozialen Menschenrechte der Menschen in Deutschland in diesem Herbst zum Maßstab staatlicher Hilfen zu machen. „Die Entlastungspakete der Bundesregierungen haben die Situation von in Armut Lebenden kaum im Blick“, kritisiert David. „Einmalzahlungen und Steuerentlastungen bringen denen nichts, die keinerlei Reserven haben.“ Auch decke die zum Januar 2023 geplante Erhöhung des Bürgergeldes von 50 Euro für die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung gerade einmal die Hälfte der durch die Inflation gestiegenen Kosten ab.

Jürgen Schneider, Interessenvertreter von Menschen mit Armutserfahrung in der nak-Koordination: „Nötig wären 100 Euro zum Sofortausgleich. Aber auch schon vor der Inflation war der Regelsatz um über 180 Euro zu niedrig. Die beliebigen Streichungen von Kosten für Küchenuhren, Weihnachtsbäume, Meerschweinchenfutter, Speiseeis, Balkonpflanzen und viele andere Positionen haben den Regelsatz künstlich auf Kante genäht.“

Grund für dieses „schmale Schein-Existenzminimum“, so Jürgen Schneider, sei die Ignoranz den sozialen Rechten der Menschen gegenüber. „2010 wurde nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Lohnabstandsgebot aus den Sozialgesetzbüchern gestrichen. Aber immer noch wird so getan, als sei dieses das höchste sozialstaatliche Glaubensbekenntnis. Dabei müssen Löhne zum Leben reichen, nicht minimale Sozialleistungen Menschen in prekäre Beschäftigung treiben.“

„Tatsächlich müsste sich die Bundesregierung am Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte orientieren“, erläutert Michael David. „Das Existenzminimum ist keine Gnade und kein Almosen, sondern ein verbrieftes, weltweit geltendes Menschenrecht.“

Hintergrund:

Die Positionen und weitergehenden Forderungen der Nationalen Armutskonferenz zur sozialen Krisensituation in diesem Herbst finden Sie hier:

Menschenwürdiges Auskommen statt Naturalien! Der Staat darf die Verantwortung für die Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht länger auf Tafeln u.a. verschieben! https://www.nationale-armutskonferenz.de/2022/10/20/positionspapier-menschenwuerdiges-auskommen-statt-naturalien/

Existenzsicherung in der Krise und darüber hinaus – Stellungnahme der Nationalen Armutskonferenz als Reaktion auf das Dritte Entlastungspaket der Bundesregierung und die ersten Schritte der Bürgergeldreform (https://www.nationale-armutskonferenz.de/2022/10/20/stellungnahme-existenzsicherung-in-der-krise-und-darueber-hinaus/)

Die Nationale Armutskonferenz (nak) ist ein Bündnis von Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sich für eine aktive Politik der Armutsbekämpfung einsetzen. Sie wurde im Herbst 1991 als deutsche Sektion des Europäischen Armutsnetzwerks EAPN (European Anti Poverty Network) gegründet. Neben Verbänden wirken in der nak auch Menschen mit Armutserfahrung bzw. Selbsthilfeorganisationen mit, die ihre Erfahrungen und Perspektiven einbringen und ihre Lösungsansätze im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung aufzeigen.

Mitgliedsorganisationen: AG Schuldnerberatung der Verbände; Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.; Armutsnetzwerk e.V.; AWO Bundesverband e.V.; Bahnhofsmission Deutschland e.V.; BAG der Landesseniorenvertretungen; BAG Schuldnerberatung e.V.; BAG Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit; BAG Wohnungslosenhilfe; BBI – Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen; Bundesverband Kulturloge e.V.; Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH), Deutscher Bundesjugendring; Deutscher Caritasverband e.V.; Deutscher Gewerkschaftsbund; Diakonie Deutschland; Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.; Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (IFF); Internationaler Bund (IB) Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V.; Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg; Landesarmutskonferenz Niedersachsen, Landesarmutskonferenz Rheinland-Pfalz; Selbstvertretung Wohnungsloser Menschen e.V., Tafel Deutschland e.V.; Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V.; Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland

Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz vom 21.10.2022

Webportal zur Information und Unterstützung für Betroffene und Berater*innen freigeschaltet.

Angesichts stark steigender Energiekosten starten Tacheles e.V. und der Paritätische Wohlfahrtsverband heute die bundesweite Kampagne “Energie-Hilfe”, mit der Menschen über ihre Rechte auf behördliche Übernahme von Energiekosten aufgeklärt werden sollen. Im Zentrum der Kampagne steht die Webseite www.energie-hilfe.org, die Betroffene hoher Energiekosten umfangreich über ihre sozialrechtlichen Ansprüche informiert und Musteranträge zur Verfügung stellt. Der Mangel an ausreichenden, gezielten Hilfen für die von Inflation und explodierenden Energiekosten am härtesten Betroffenen wird nach Einschätzung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und des Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V. zu einer deutlichen Steigerung der Anzahl an Anspruchsberechtigten im Bereich der Grundsicherung führen.

Um Betroffenen die Antragstellung zu erleichtern und die fristgerechte Wahrung von Ansprüchen zu ermöglichen, werden auf dem Portal www.energie-hilfe.org leicht verständliche und einfach zugängliche Informationen bereitgestellt und die nötigen Antragsformulare zum Download angeboten.

Beratungsstellen und -einrichtungen können sich auf der Website umfangreich über Anspruchsberechtigungen und Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung informieren.

„Trotz Doppelwumms wird es viele Menschen geben, die ihre Energierechnungen nicht mehr zahlen können”, warnt Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. „Die Website Energie-Hilfe.org leistet konkrete Hilfe, indem sie Betroffene über ihre Ansprüche aufklärt und die Antragstellung erleichtert.”

Harald Thomé, Vorstand von Tacheles e.V., ergänzt: „Mit dieser Kampagne richten wir uns insbesondere auch an die Menschen, die ihre hohen Energiekosten mit ihrem Einkommen nicht mehr bezahlen können und deshalb einen Anspruch auf zumindest teilweise Übernahme der Kosten haben. Anspruchsberechtigte, wie Erwerbstätige, Rentner*innen, Wohngeldbeziehende oder Auszubildende, müssen zur Wahrung ihrer Ansprüche jetzt schnell Anträge stellen. Für sie sind schnelle Aufklärung und Hilfe jetzt wichtig, nicht erst im nächsten Jahr!“

Flugblätter und Plakate, die auf die Aufklärungskampagne hinweisen, können auf der Website www.energie-hilfe.org heruntergeladen oder bestellt werden.

Unterstützt wird das Projekt von Tafel Deutschland e.V., dem Deutschen Mieterbund, Sanktionsfrei e.V. und der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen.

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 07.11.2022

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 14. November 2022

Veranstalter: Der Paritätische Gesamtverband

Das AGG soll reformiert werden. Im gesellschaftspolitischen Diskurs geht es dabei u.a. um die Frage, ob Elternschaft als Diskriminierungsmerkmal im AGG aufgenommen werden soll. Was steckt hinter der Forderung? Welche Diskriminierung erleben Eltern am Arbeitsplatz? Welche Bedarfe haben Eltern in der Antidiskriminierungsberatung? Warum und wie werden Eltern diskriminiert und was versteht man überhaupt unter Diskriminierung? Und macht es Sinn, dies im Rahmen des AGG explizit zu berücksichtigen? Diese und weitere Fragen wollen wir gerne im Rahmen dieser Inforeihe mit Ihnen diskutieren.  

An der Veranstaltung wirken mit:

  • Tina Lachmayr, IQ Fachstelle Interkulturelle Kompetenz und Antidiskriminierung, VIA Bayern e.V.
  • Antje Wunderlich, Referat Forschung und Grundsatz, Antidiskriminierungsstelle des Bundes
  • Jannetje Höring, KOBRA-Fachstelle für Vereinbarkeit, Berliner Frauenbund 1945 e.V.
  • Lara Pfeilsticker, Referat Beratung, Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Die Veranstaltung wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Für die Teilnahme an der Fachveranstaltung werden keine Beiträge erhoben.

Hier geht es zur Anmeldung.

Verantwortlich für inhaltliche Rückfragen:
Katrin Frank, Referentin Familienhilfe/-politik, Frauen / Frühe Hilfen
Der Paritätische Gesamtverband, Tel.: 030 24636-465, E-Mail: faf@paritaet.org.

Verantwortlich für die Veranstaltungsorganisation:
Stefanie Sachse, Sachbearbeitung Referat Familienhilfe/-politik, Frauen / Frühe Hilfen
Der Paritätische Gesamtverband, Tel.: 030 24636-323, E-Mail: stefanie.sachse@paritaet.org

Termin: 18. November 2022

Veranstalter: Pestalozzi-Fröbel-Verband e. V.

Es findet wieder eine digitale Dialogveranstaltung statt.

Zum Einstieg in den Dialog wird Stefan Spieker, Geschäftsführer der FRÖBEL-Gruppe, einen kurzen Input geben.
Danach möchten wir mit Ihnen in den Austausch über Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse gehen – Ihre Fragen und Ideen sind uns wichtig und für Diskussionen wird ausreichend Zeit und Raum sein.

Mit dem Anmeldeblatt können Sie sich bis zum 14.11. anmelden.

Die Einladung zur Veranstaltung finden Sie hier.

Termin: 21. November 2022

Veranstalter: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Sexualisierte Gewalt an Kindern und deren Verbreitung im Netz bedeuten unfassbares Leid und schwerste Rechtsverstöße, die entschieden bekämpft werden müssen. Die Ampelpartner*innen haben sich auf konkrete Maßnahmen für den besseren Schutz von Kindern verständigt. Auch der jüngste Vorschlag der EU-Kommission enthält vielversprechende Ansätze zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt. Doch die vorgeschlagene Chatkontrolle schießt übers Ziel hinaus und begegnet schwerwiegenden grundrechtlichen Bedenken.

Wie ist der Kommissionsvorschlag aus Perspektive von Kinderschutz, Grundrechten und Digitalregulierung zu bewerten? Welche Potenziale, welche Gefahren birgt der Entwurf? Wie können Kinder effektiv geschützt werden? Welche rechtssicheren und wirksamen Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Kindern sind erforderlich?

     Anmeldung und Programm     

Termin: 21. November 2022

Veranstalter: Bundesforum Männer

Sexualisierte Gewalt gegen Männer im Kontext von Krieg und Vertreibung wird weder in der allgemeinen Öffentlichkeit noch in den Wissenschaften eingehender thematisiert. Das Bundesforum Männer richtet deshalb in Kooperation mit dem Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie (GWI) am 21. November 2022 von 17.00-18.30 Uhr eine Online-Fachveranstaltung aus.

Im Rückblick auf internationale bewaffnete Konflikte der vergangenen vier Jahrzehnte soll in dem Vortrag »Sexualisierte Gewalt gegen Männer und Jungen im Kontext von Krieg und Vertreibung« von Dr. Yuriy Nesterko eine Annäherung an das Phänomen unternommen werden. Aus psychologischer Perspektive wird es um die Bedeutung von Streben nach Überlegenheit, Stärke und Dominanz gehen, das sich in der männlichen sexualisierten Gewalt manifestiert.

Im anschließenden Gespräch wird – auch unter dem Eindruck der aktuellen Kriegssituation in der Ukraine – der Frage nachgegangen, inwiefern eine feministische Außenpolitik zu einer Perspektiverweiterung beiträgt, sodass auch Männer* als Teil der vulnerablen Gruppen anerkannt werden.

Mit

  • Dr. Yuriy Nesterko (Universität Leipzig)
  • Dr. Dag Schölper (Bundesforum Männer)
  • Anica Heinlein (CARE, angefragt)
  • Moderation: Simone Schmollack (taz)

Weitere Informationen und Anmeldung

Termin: 22. November 2022

Veranstalter: Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.

In der digitalisierten Welt werden Menschen ohne geeignete Technikausstattung und Anwenderkompetenz zunehmend ausgegrenzt. Ob im Beruf oder im sozialen Umfeld, in der Schule, bei der Stellensuche, im Kontakt mit Ärzten, Banken, Schufa, Jobcentern oder anderen Behörden – digitale Fähigkeiten werden heute überall vorausgesetzt. Gerade Bürger:innen mit Armutserfahrung stehen da oft im Abseits. Laut Statistik verfügt etwa ein Drittel von ihnen nicht einmal über einen internetfähigen Computer im Haushalt.

Wie lässt sich das Recht auf digitale Teilhabe – im Sinne eines „Digitalen Existenzminimums“ – im neuen Bürgergeld und anderen Bereichen der Grundsicherung verankern? Wie sollen sich Behörden und Einrichtungen der Daseinsvorsorge aufstellen, um digitale Zugänge zu erleichtern? Welche Bildungsanstrengungen müssen unternommen werden, um mehr Menschen stärker am digitalen Leben teilhaben zu lassen?

Die Diakonie Deutschland, das Armutsnetzwerk und der Evangelische Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA) laden Sie herzlich ein, über diese und weitere Fragen mit Expertinnen, Betroffenen und Mitgliedern des Deutschen Bundestages zu diskutieren!

Online-Fachgespräch am Dienstag, 22.11.2022, 10:00 bis 13:00 Uhr

Digitales Existenzminimum – wie kommen Armutsbetroffene zu mehr digitaler Teilhabe?

(s. Programm)

Anmeldung: Wir bitten Interessierte, sich bis zum 16.11.2022 über eveeno online anzumelden. Sie erhalten die Zugangsdaten zur Konferenz dann wenige Tage vor der Veranstaltung. Die Teilnahme ist kostenlos. https://eveeno.com/885785591

Hinweis: Wir bitten Vertreter:innen von sozialen Einrichtungen, auch Interessierten in ihrem Umfeld, die keinen eigenen Digitalzugang haben, die Teilnahme an dieser Veranstaltung zu ermöglichen.

Termin: 28. November 2022

Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung

Mit dem Wandel gesellschaftlicher Normen und Rollenbilder haben sich Erwartungen und Vorstellungen von Männlichkeit transformiert und sind vielfältiger geworden. Diese Umorientierung zerrt an tradierten Männerbildern, die von Dominanz geprägt sind, und führt für manche zu Ängsten und Verunsicherungen. Gleichzeitig verschärfen sich im digitalen Raum und rechten Kreisen Gegenreaktionen und Aggressionen, befördert von dem vielfach diskutierten Phänomen der „toxischen Männlichkeit“, die sich oft in sozialen Medien multiplizieren und die antifeministische Bewegung des Maskulismus befeuern.

Einer, der diese Welt hautnah kennengelernt hat, ist Tobias Ginsburg. In seinem Buch „Die letzten Männer des Westens“ gibt er Einblick in seine Erfahrungen aus anderthalb Jahren verdeckter Recherche unter fiktiven Identitäten in rechtsextremen Netzwerken, faschistischen Männerbünden und antifeministischen Organisationen. Günther Wallraff spricht in seinem Vorwort zum Buch von einem „Höllengang in ein Finsterreich des Männlichkeitswahns“. Ginsburg gibt nicht nur investigative Einblicke in diese gefährlichen Parallelwelten, er versucht auch zu ergründen, welcher Reiz von ihnen ausgeht, weshalb sich Menschen ihnen zuwenden und wie sie sich im Hass verlieren.

Was kann kritische Männlichkeit dem entgegensetzen?
Inwiefern ist das Thema Männlichkeit auch politisch?
Was kann durch Gesetzgebung bewirkt werden und wo ist die Gesellschaft in der Pflicht?

Diese und weitere Fragen möchten wir mit Euch diskutieren und bieten dafür im Anschluss an eine spannende Lesung von Tobias Ginsburg das partizipative Diskussionsformat der Fish Bowl an, zu dem wir Menschen aller Geschlechter und aller sexuellen Orientierungen herzlich einladen.

Wir sprechen unter anderem mit:
Falko Droßmann MdB, Sprecher der AG-Queer der SPD Bundestagsfraktion
Najib Faizi, Performer und LGBTQ-Media-Aktivist
und Tobias Ginsburg, Schriftsteller und Theaterregisseur

Die Moderation übernehmen:
Franziska Richter, Kultur & Politik/Politik in Ostdeutschland, Friedrich-Ebert-Stiftung
Franziska Schröter, Projekt gegen Rechts, Friedrich-Ebert-Stiftung

Zum Abschluss des Abends laden wir ein zu einem weiteren Austausch bei Imbiss & Getränken, während Tobias Ginsburg eine Signierstunde anbietet.

Die Teilnahme ist kostenfrei, aber eine vorherige Anmeldung ist aus Organisations- und Sicherheitsgründen notwendig.
Kurz vor der Veranstaltung versenden wir eine Anmeldebestätigung per E-Mail.

Hier geht es zur Anmeldung!

Termin: 30. November 2022

Veranstalter: AWO Bundesverband e. V. / Projektleitung DEVI – Demokratie stärken. Vielfalt stärken.

An diesem Fachtag wollen wir darüber sprechen und miteinander in Austausch kommen, wie Adultismus und Macht in der Kindertagesbetreuung wirksam sind. Wir wollen einen kritischen Blick auf Machtverhältnisse in der Kindertagesbetreuung werfen und gemeinsam überlegen, wie wir ihnen entgegenwirken können.

Diese Veranstaltung ist eine Kooperation des AWO Bundesverbands und der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Sie findet im Rahmen des Begleitprojekts „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ statt.

Weitere Informationen entnehmen Sie bitte der angefügten Einladung.

Die Anmeldung erfolgt online über folgenden Link.

Termin: 08. Dezember 2022

Veranstalter: Deutscher Caritasverband e. V.

Seit fast drei Jahren leben wir in einer Coronavirus-Pandemie. Ausgerechnet die Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen, die schon vor Beginn der Pandemie in prekären Verhältnissen lebten und vielfältigen Benachteiligungen ausgesetzt waren, haben sich im Laufe der Pandemie weiter verschärft. Das Mitte 2021 initiierte Corona-Aufholpaket, mit dem noch bis Ende 2022 Kinder und Jugendliche durch Angebote in den Bereichen Bildung, Sprachförderung, Freizeit und Erholung unterstützt werden sollten, läuft in wenigen Monaten aus. Kinder und Jugendliche werden jedoch auch danach mit den Folgen der Pandemie für ihre psychische und körperliche Gesundheit, ihre soziale Teilhabe und schulischen Erfolgserlebnisse zu kämpfen haben. Als wäre dies alles nicht genug, löst der Ukraine-Krieg neue Ängste aus. Die steigenden Preise bei Lebensmitteln, Strom, Gas, Schulmaterialien und Dingen des täglichen Lebens drängen vor allem Familien mit geringen Einkommen an den Rand des Existenzminimums. Viele Kinder, Jugendliche und Familien, aber auch die Fachkräfte in den Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe sind am Limit.

Welche dringend notwendigen Weichenstellungen und Rahmenbedingungen jetzt auf den Weg gebracht und zügig umgesetzt werden müssen, um jedem Kind gute Voraussetzungen für ein gesundes Aufwachsen und soziale Teilhabe zur Verfügung zu stellen, darüber möchten wir mit Ihnen und weiteren Akteuren aus Politik, Verbänden und Praxis, aus der Kinder- und Jugendhilfe und der Zivilgesellschaft sowie mit jungen Menschen selbst im Rahmen der Online-Veranstaltung

„Stärkung von Kindern und Jugendlichen in Krisenzeiten – Was folgt nach dem Corona-Aufholpaket? Erkenntnisse aus dem Brennglas“

ins Gespräch kommen. Beiliegend übersenden wir Ihnen das Veranstaltungsprogramm mit Anmeldelink. Gerne können Sie sich unter folgendem Link auch direkt anmelden: Anmeldung Onlineveranstaltung Staerkung (carinet.de). Wir laden Sie herzlich ein und freuen uns über Ihre Teilnahme!

Termin: 14. Dezember 2022

Veranstalter: evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V.

Hinter jedem Konflikt stehen unerfüllte Bedürfnisse, die es den Betreffenden erschweren, eine verbindende Kommunikation zu führen.

Uns interessiert der bewusste Perspektivwechsel in Situationen, in denen wir uns als Fachkraft besonders herausgefordert fühlen.
Gerade dann kann der Blick durch eine andere, vielleicht auch „Goldene Brille“ den Kontakt zu einem Elternteil, einem Kind und auch zu Kolleg:innen wieder ermöglichen.
Gemeinsam wollen wir schauen, wie Krisen und Konflikte in der Zusammenarbeit und bei Elterngesprächen konstruktiv gelöst werden können.

Die Veranstaltung richtet sich an Vertreter:innen von Kindertagesstätten, Familienzentren, Familienbildungsstätten, Schulsozialarbeit, Mitarbeiter:innen kommunaler Behörden sowie Elternbegleiter:innen und Fachkräfte aus Familienbildung, Beratung und sozialer Arbeit.

Es wird eine Teilnahmegebühr von 35 Euro erhoben.

Anmeldung: https://www.eaf-bund.de/service/veranstaltungen/2022-12-14-wie-sag-ichs-meinen-eltern-konflikte-als-chance-fuer-die

WEITERE INFORMATIONEN

Einsamkeit ist ein relevantes Themenfeld für Politik und Gesellschaft. Das Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) arbeitet an einer systematischen Erfassung von Projekten und Initiativen, die mit ihren Angeboten Menschen bei der Bewältigung ihrer Einsamkeit unterstützen oder vorbeugen wollen. Ziel der Systematisierung ist es, ein Verständnis der verschiedenen Ansätze zur Vorbeugung und Bewältigung von Einsamkeit sowie deren Zusammenwirken in der Gemeinschaft zu entwickeln. Das KNE hat dazu einen kurzen Online-Fragebogen entwickelt und ruft alle Projekte und Initiativen auf, an der Befragung teilzunehmen. Der Online-Fragebogen richtet sich an Personen, welche in Projekten und Initiativen zum Thema Vorbeugung und Bekämpfung von Einsamkeit engagiert sind. Weitere Informationen und den Fragebogen finden Sie hier: https://kompetenznetz-einsamkeit.de/forschung/forschung-online-befragung

Weitere Informationen zum Thema Einsamkeit, aktuelle Veranstaltungshinweisen und Veranstaltungsdokumentationen, neue Veröffentlichungen sowie weitere Informationen aus dem Netzwerk finden sich auf der Webseite (www.kompetenznetz-einsamkeit.de), im Newsletter (https://kompetenznetz-einsamkeit.de/das-kne/newsletter ) oder auf Twitter (@gegenEinsamkeit).

Der Progressive Eltern- und Erzieher*innen-Verband NRW ist überzeugt, dass sich für Familien Wege aus den sich überlagernden Krisen auf Dauer nur über die Verbindung von Hilfen und Bildung für das Heute und das Morgen realisieren lassen.

Das PEV-Positionspapier „Krise braucht Bildung“ formuliert Forderungen an die Landesregierung sowie die Landtagsabgeordneten der demokratischen Fraktionen in Nordrhein-Westfalen zur Familienpolitik und -unterstützung.

Das PEV-Positionspapier finden Sie hier: https://pevnw.com/cms/wp-content/uploads/PEV_Krise-braucht-Bildung_221031.pdf

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Archiv ZFF-Info

ZFF-Info 13/2022

AUS DEM ZFF

Der familienpolitische Fachverband Zukunftsforum Familie e. V. (ZFF) sucht ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt

eine*n neue*n Geschäftsführer*in.

Wir freuen uns auf spannende und aussagekräftige Bewerbungen.

Die Stellenausschreibung finden Sie hier, Bewerbungsschluss ist der 31.10.2022.

Das Zukunftsforum wird 20 Jahr alt. Grund genug, um auf 20 Jahre Einsatz für solidarische, geschlechtergerechte, vielfalts- und armutssensible Rahmenbedingungen für Familien zurückzuschauen.

Unsere Chronik können Sie hier herunterladen oder als Druckexemplar bei uns bestellen.

Heute findet die ZFF-Fachtagung „Arbeitsmarkt und Familie: Wie können wir die Arbeitswelt familienfreundlich gestalten?“ statt. Rund 80 Interessierte und Expert*innen aus Politik, Wissenschaft und Praxis nehmen teil.

Es entspricht dem Wunsch vieler junger Eltern, Beruf und Familienarbeit partnerschaftlich vereinbaren zu wollen. Die Realität zeigt allerdings, wo das Modell an Grenzen stößt. Frauen übernehmen weiter den Großteil der Sorgearbeit und gehen vielfach einer nicht existenzsichernden Beschäftigung nach. Männer kehren nach einer kurzen Elternzeit häufig in eine überlange Vollzeittätigkeit zurück. Trends und Strukturen auf dem Arbeitsmarkt, wie zunehmend flexible und verdichtete Arbeitsverhältnisse, verstärken Herausforderungen für Familien. Ziel der heutigen Veranstaltung ist es zu diskutieren, wie eine Arbeitswelt aussehen kann, die eine gute Vereinbarkeit ermöglicht, familienfreundlich ausgestaltet ist und die Übernahme von Sorgearbeit selbstverständlich in Erwerbsverläufe integriert.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF), erklärt: „Erwerbsarbeit ist für Familien enorm wichtig. Sie ist zentral für die familiäre ökonomische Absicherung und sie ist wichtiger Taktgeber für die zeitliche Gestaltung des Alltags. Dabei verbringen Eltern heute mehr Zeit bei der Erwerbsarbeit als noch vor wenigen Jahrzehnten, denn v.a. westdeutsche Mütter arbeiten heute häufiger und in einem größeren Umfang. Die Organisation und die Bedingungen der Arbeitswelt üben damit entscheidenden Einfluss für Menschen mit Sorgeverantwortung aus.“

Altenkamp ergänzt: „Die Corona-Pandemie hat uns deutlich vor Augen geführt, dass Politik und Gesellschaft seit Jahren davon ausgehen, dass Sorgearbeit nebenbei erledigt werden kann – zu Lasten von Frauen, die den Bildungs- und Betreuungsbedarf mehrheitlich aufgefangen haben. Aus Sicht des ZFF müssen wir die Arbeitswelt so gestalten, dass sie zum Leben passt: Sorgearbeit muss selbstverständlicher Teil der Erwerbsbiografie sein – auch in Krisenzeiten!“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 11.10.2022

Das Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) feiert heute sein 20-jähriges Bestehen. Zudem hat die Mitgliederversammlung den achtköpfigen Vorstand in großen Teilen im Amt bestätigt.  

Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums verabschiedete die Mitgliederversammlung des Zukunftsforum Familie e. V. (ZFF) heute die gemeinsame Erklärung „20 Jahre Zukunftsforum Familie e. V.: 20 Jahre Einsatz für eine solidarische, geschlechtergerechte und vielfaltsorientierte Familienpolitik!“ Im Jahr 2002 wurde das ZFF von der Arbeiterwohlfahrt als eigenständiger familienpolitischer Fachverband gegründet und hat sich mittlerweile zu einer starken Organisation mit zahlreichen Mitgliedern innerhalb und außerhalb der AWO entwickelt.

Bei einem Festakt wird heute Abend auf „20 Jahre ZFF“ mit zahlreichen Gästen aus Politik und Verbänden angestoßen. Unter den Gästen ist auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus MdB.

Die Versammlung hat darüber hinaus den Vorstand in großen Teilen im Amt bestätigt. Sie wählte heute in Berlin Britta Altenkamp aus dem Bundespräsidium der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Bezirk Niederrhein erneut für weitere zwei Jahre zur Vorsitzenden.

Stellvertretende Vorsitzende sind die Kita-Fachberaterin Birgit Merkel, stellvertretende Präsidentin der AWO Region Hannover e.V. und unser neues Vorstandsmitglied Meike Schuster, Leiter:in der Familienbildungsstätte des Progressiven Eltern- und Erzieher*innen-Verband NRW e. V. (PEV).

In ihrem Amt als Beisitzer*innen wurden Ines Albrecht-Engel, Mitglied im Präsidium des AWO-Bezirk Hannover e. V, Wolfgang Jörg MdL und Vorsitzender des AWO Unterbezirks Hagen-Märkischer Kreis e. V., Anita Leese-Hehmke, Mitglied im Vorstand des AWO Landesverbandes Berlin e. V., Selvi Naidu, Vorstandsmitglied des AWO Bundesverbandes e. V. und Jürgen Tautz, AWO Landesverband Sachsen e. V., bestätigt.

Wir gratulieren den Gewählten und freuen uns auf eine weiterhin hervorragende Zusammenarbeit!

Verabschieden müssen wir uns leider von unserem langjährigen stellvertretenden Vorsitzenden Dieter Heinrich. Der Geschäftsführer des Progressiven Eltern- und Erzieher*innen-Verband NRW e.V. (PEV) hat den Verband mit seinen Ideen und seiner Leidenschaft seit seiner Gründung im Jahr 2002 geprägt. Wir sagen Danke für die intensive und tolle Zeit!

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 10.10.2022

Das Bündnis Sorgearbeit fair teilen begrüßt 13 neue Mitglieder im Bündnis. 

Das Bündnis Sorgearbeit fair teilen wächst: Anfang Oktober hat sich die Mitgliederzahl von 13 auf 26 verdoppelt. Weitere Anträge auf Mitgliedschaft sind willkommen.

Die Pressemitteilung des Bündnisses finden Sie hier.

Weitere Informationen zum Bündnis Sorgearbeit fair teilen unter: www.sorgearbeit-fair-teilen.de

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 06.10.2022

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Konferenz in Berlin verabschiedet gemeinsame Erklärung

Mit der Selbstverpflichtung, Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern weltweit voranzutreiben und einem Appell an die iranische Regierung, Verfolgung und Gewalt insbesondere gegen Frauen und Mädchen zu beenden, ist heute das Treffen der G7-Gleichstellungsminister*innen in Berlin zu Ende gegangen. Auf Einladung von Bundesfrauenministerin Lisa Paus trafen sich die Minister*innen, um gemeinsam mit der Vorsitzenden des G7-Beirats für Gleichstellungsfragen, Prof. Dr. Jutta Allmendinger, und der Vorsitzenden des Deutschen Frauenrats, Dr. Beate von Miquel, Herausforderungen und Fragen der Gleichstellungspolitik zu diskutieren.

Im Mittelpunkt der Konferenz standen die Strukturen der G7-Gleichstellungspolitik und die Situation von Gründerinnen und selbstständigen Frauen. Auch die geschlechtergerechte Verteilung von Care-Arbeit und die Folgen der COVID-19 Pandemie auf Frauen und Mädchen sowie die Stärkung der Rechte von LGBTIQ*-Personen wurden diskutiert. Aktuell wichtigstes politisches Thema war die Situation von Frauen und Mädchen in der Ukraine und im Iran. Mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter endet die Konferenz heute.

Bundesgleichstellungsministerin Lisa Paus: Unter der deutschen Präsidentschaft haben sich die G7 zu einer ehrgeizigen gleichstellungspolitischen Agenda verpflichtet. In der Gruppe der Sieben bildet die Gleichstellung der Geschlechter nun ein Leitprinzip über alle politischen Bereiche und Ziele hinweg. Gleichstellung ist ein universelles Menschenrecht und ein Grundwert demokratischer Gesellschaften. Rund um den Globus müssen Frauen aber noch immer für dieses Recht kämpfen. Bis heute ist Gleichstellung in keinem Land der Welt vollständig erreicht. Seit Tagen bewegen uns besonders die Bilder aus dem Iran. Auch deshalb sendet unsere gemeinsame Erklärung eine klare Botschaft: Wir müssen mehr tun. Wir müssen schneller sein. Wir werden zusammenstehen.

G7-Gleichstellungsminister*innen verabschieden Gemeinsame Erklärung

In einem sechsseitigen Joint Statement bekräftigen die G7-Gleichstellungsminister*innen ihr anhaltendes gemeinsames Engagement für eine geschlechtergerechte Welt. Sie verpflichten sich darin selbst, weiterhin mit aller Kraft für die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte von LGBTIQ*-Personen einzutreten. Konkret bekräftigen die G7-Gleichstellungsminister*innen ihre Solidarität mit den protestierenden Menschen im Iran und rufen die iranische Regierung auf, die Menschenrechte zu achten und die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung zu beenden.

Die Gemeinsame Erklärung greift aber auch weitere wichtige gleichstellungspolitische Themen auf, darunter die Förderung von selbständigen Frauen und Gründerinnen, Bildungsgerechtigkeit, geschlechtergerechte Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit und die Prävention von und den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Minister*innen verstehen die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit als politische Querschnittsaufgabe und begrüßen die Berücksichtigung gleichstellungspolitischer Fragestellungen in allen G7-Fachsträngen.

Konkrete Ziele in der G7-Gleichstellungspolitik – „Dashboard on Gender Gaps“

Die G7-Gleichstellungsminister*innen haben die Strukturen und Mechanismen der G7-Gleichstellungspolitik weiter vorangebracht. Die Einführung des „G7 Dashboards on Gender Gaps“ auf dem G7-Gipfel in Elmau war dazu ein wesentlicher Meilenstein. Für das Dashboard wurden gemeinsam mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zwölf Indikatoren zur Messung der Fortschritte u.a. in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, unternehmerische Tätigkeit, Frauen in Führungspositionen, politische Teilhabe, Partnerschaftsgewalt und Entwicklungszusammenarbeit. Der jährliche Bericht soll Handlungsbedarfe und Erfolge der G7-Gleichstellungspolitik transparent machen und als verbindliche Arbeitsgrundlage innerhalb der G7 etabliert werden.

Förderung von selbständigen Frauen und Gründerinnen

Die G7-Gleichstellungsminister*innen beschäftigten sich auf ihren Treffen auch mit der beruflichen Selbständigkeit und eigenständigen Gewerbetätigkeit von Frauen. Im Durchschnitt der G7-Länder sind nur neun Prozent aller arbeitenden Frauen selbstständig und nur knapp zwei Prozent haben eigene Angestellte. Als bestehende Hindernisse wurden insbesondere eingeschränkte Finanzierungsmöglichkeiten, bestehende Geschlechterklischees und fehlende Vorbilder identifiziert. Verschiedene Maßnahmen, dem entgegenzuwirken, wurden diskutiert.

Gleichstellung unter der deutschen G7-Präsidentschaft

Die Gleichstellung der Geschlechter spielt eine zentrale Rolle während der deutschen Präsidentschaft. Deutschland verfolgt im „G7 Gender Equality Track“ mehrere Arbeitsschwerpunkte. Dazu gehören die Strukturen der G7-Gleichstellungspolitik, die gerechte Verteilung von Care-Arbeit, die Förderung von Gründerinnen und selbstständigen Frauen sowie der Einsatz von LGBTIQ*-Personen sowie Themen der bisherigen G7-Agenda. Dazu gehören unter anderem die wirtschaftliche Stärkung von Frauen, Bildungsgerechtigkeit sowie Prävention und Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt.
Bis Ende des Jahres wird Bundesgleichstellungsministerin Lisa Paus den Arbeitsprozess der G7-Gleichstellungsminister*innen ausrichten und leiten. Begleitet wird der Prozess durch die zivilgesellschaftliche Dialoggruppe Women7, die im Mai ihre Forderungen an die G7-Präsidentschaft übergeben hat. Im Herbst folgen die Empfehlungen des G7-Beirats für Gleichstellungsfragen. Der G7-Vorsitz wechselt jährlich zwischen den Mitgliedern. Am 1. Januar 2023 wird Japan den Vorsitz übernehmen.

Aktuelle Situation im Iran

Die Konferenz hat eine gemeinsame Erklärung zur Situation im Iran beschlossen:

“Wir, die G7-Ministerinnen und Minister für die Gleichstellung der Geschlechter, stehen solidarisch an der Seite derjenigen, die nach dem Tod in Gewahrsam von Jina Mahsa Amini gegen die Verletzung und Missachtung ihrer Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich des Rechts auf Meinungs- und Redefreiheit, im Iran auf die Straße gehen. Wir rufen die iranische Regierung dazu auf, den Sorgen ihres eigenen Volkes Gehör zu schenken, dessen Rechte zu achten und der andauernden brutalen Unterdrückung friedlicher Proteste, welche in Widerspruch zu den Verpflichtungen des Irans gemäß dem ICCPR steht, sofort ein Ende zu setzen. Frauenrechte sind Menschenrechte und die iranischen Behörden sind völkerrechtlich verpflichtet zu gewährleisten, dass alle Frauen und Mädchen all ihre Menschenrechte gleichberechtigt und in vollem Umfang ausüben können. Unsere Hochachtung gilt dem Mut der iranischen Frauen und Mädchen, die gemeinsam mit ihren Mitbürgern friedlich demonstrieren. Wir, die G7-Ministerinnen und Minister für die Gleichstellung der Geschlechter, schließen uns ihnen an, indem wir der iranischen Regierung eine eindeutige Botschaft senden: Sie muss jeder Form der Verfolgung und der Gewalt gegen alle Iranerinnen und Iraner, insbesondere aber iranische Frauen und Mädchen, ein Ende setzen.”

Die vollständige Gemeinsame Erklärung der G7-Gleichstellungsministerinnen und -minister ist auf der Website der G7-Präsidentschaft (https://www.g7germany.de/g7-de) und auf der Homepage des Bundesgleichstellungsministeriums www.bmfsfj.de/g7-joint-statement  abrufbar.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 14.10.2022

Europarat veröffentlicht Bericht zum Stand der Umsetzung des Übereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Deutschland

Heute legt der Europarat den sogenannten GREVIO-Bericht vor. Er evaluiert, in wieweit Deutschland die Vorgaben der Istanbul-Konvention bereits umgesetzt hat und wo noch Handlungsbedarf besteht. In Istanbul entstand 2011 das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. Die Evaluierung wurde von einem Expertengremium (engl. Abkürzung: GREVIO) im Auftrag des Europarats verfasst.

Die GREVIO-Expertinnen loben Deutschland für zahlreiche Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene, die das Ziel haben, den Schutz von Frauen vor Gewalt effektiv voran zu bringen.

Zugleich betonen sie allerdings, dass trotz der Fortschritte weiter Handlungsbedarf besteht. Sie fordern die zuständigen staatlichen Ebenen in Deutschland auf, mehr Frauenhausplätze zu schaffen und das Beratungsangebot für von Gewalt betroffene Frauen weiter auszubauen. Dabei soll auf eine ausgeglichene geographische Verteilung geachtet werden. Außerdem sollen die Bedürfnisse besonders verletzlicher Gruppen, wie Frauen mit Behinderungen, geflüchteter Frauen oder queeren Menschen, berücksichtigt werden. Jede Frau und ihre Kinder müsse einen gesicherten Zugang zum Hilfesystem haben.

Weiter mahnt der GREVIO-Bericht an, dass Deutschland die Verpflichtung noch nicht ausreichend umsetzt, koordinierte politische Maßnahmen gegen Gewalt zu beschließen. Deutschland brauche daher eine Koordinierungsstelle auf Bundesebene und die Entwicklung einer langfristigen Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Auch solle es künftig verpflichtende Trainings für alle Berufsgruppen geben, die in Kontakt mit Opfern oder Tätern von Gewalt kommen. Zudem solle das Umgangsrecht mit Rücksicht auf die Interessen von Gewaltopfern reformiert werden.

Dazu erklärt Bundesfrauenministerin Lisa Paus: „Ich stehe zur vorbehaltlosen Umsetzung der Istanbul-Konvention. Wir haben sie im Koalitionsvertrag vereinbart, und sie ist für mich als Frauenministerin und Feministin eine wichtige Richtschnur. Wir werden daher das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder absichern. Wir haben vereinbart, auf Bundesebene einen Rechtsrahmen für die verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern zu schaffen. Wir wollen in der Bundesregierung eine Koordinierungsstelle einrichten, die eine ressortübergreifende Strategie zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen erarbeitet. Außerdem wird mein Ministerium noch in diesem Jahr eine unabhängige Beobachtungsstelle schaffen. Dort werden Daten und Erkenntnisse zur Gewalt gegen Frauen zusammengeführt. Ich danke dem Europarat für die gründliche Analyse des Umsetzungsstands in Deutschland. Sie zeigt uns, wo wir noch besser werden müssen.“

Hintergrund:

Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, schützt Frauen und Mädchen vor jeglicher Form von Gewalt. Sie ist als völkerrechtlicher Vertrag rechtlich bindend für diejenigen Staaten, die sie ratifiziert haben. In Deutschland trat die Konvention am 1. Februar 2018 in Kraft. Die Konvention sieht die Überwachung der staatlichen Umsetzung durch eine unabhängige Expertengruppe „GREVIO“ vor.

GREVIO hat das erste Monitoringverfahren für Deutschland im Februar 2020 eröffnet. Im Rahmen dieses Verfahrens hat die Bundesregierung im September 2020 einen Staatenbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland beim Europarat eingereicht. Im September 2021 folgte ein Länderbesuch von GREVIO-Expertinnen, und nun hat GREVIO den angehängten Bericht basierend auf den Informationen aus dem Staatenbericht, Berichten aus der Zivilgesellschaft und dem Länderbesuch vorgelegt.

Den Staatenbericht finden Sie hier: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/160138/6ba3694cae22e5c9af6645f7d743d585/grevio-staatenbericht-2020-data.pdf

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 07.10.2022

Bundesfamilienministerin Paus und DIHK-Präsident Adrian vergeben „Innovationspreis Vereinbarkeit“ an familienfreundliche Unternehmen

Unter dem Titel „Vereinbarkeit schafft Innovation“ haben Bundesfamilienministerin Lisa Paus und DIHK-Präsident Peter Adrian beim Unternehmenstag „Erfolgsfaktor Familie“ 2022 mit Unternehmensvertreter*innen diskutiert, wie es Betrieben gelingen kann, mit Vereinbarkeitsangeboten Strukturen flexibler und damit die Arbeitsorganisation innovativer zu gestalten.

Im Rahmen der Veranstaltung wurden auch die Gewinner des „Innovationspreises Vereinbarkeit“ durch die Bundesfamilienministerin und den DIHK-Präsidenten ausgezeichnet. Bewerben konnten sich Unternehmen, die während der Corona-Pandemie innovative Lösungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf (weiter) entwickelt haben. Ausgewählt wurden die vier Gewinner von einer unabhängigen Jury aus Auditorinnen und Auditoren für das audit berufundfamilie.

Die Gewinner des „Innovationspreis Vereinbarkeit 2022“ sind:

  • Kategorie „Kleine Unternehmen“: e-koris GmbH, ein Betrieb für Arbeiten der klassischen Elektrotechnikinstallation in Bayern. Ein neuartiges Arbeitszeit-Modell, bei dem die 13 Beschäftigten ihre Arbeitstage immer zum Monatsanfang frei wählen können, überzeugte hier die Jury.
  • Kategorie „Mittlere Unternehmen“: Wismut GmbH, ein Betrieb für Bergbau-Sanierung mit Sitz in Sachsen und Thüringen: Hier wurde die neue Mitarbeitenden-App wi2go als fester Bestandteil der standortübergreifenden internen Kommunikation etabliert. So können alle Beschäftigten, von denen aufgrund ihrer gewerblichen Tätigkeit rund 50 Prozent nicht über Intranet oder E-Mail erreichbar sind, in die Informations- und Kommunikationsprozesse eingebunden werden.
  • Kategorie „Große Unternehmen“: Roche Diagnostics GmbH, ein in Baden-Württemberg ansässiges Pharma-Unternehmen, das als deutschlandweit erster Arbeitgeber eine finanzielles Förderungsmodell für Eltern bietet, die beide zwischen 28 und 32 Stunden pro Woche arbeiten – auch wenn ein Elternteil in einem anderen Unternehmen beschäftigt ist.
  • Sonderpreis: DZ Bank AG aus Hessen. Hier können Mitarbeitende ihre Überstunden über einen Stundenpool spenden, sodass Kolleg*innen mit außergewöhnlichen familiären Belastungen freigestellt werden können. Zudem erhöhte die Bank bis Mai 2022 jede gespendete Stunde um eine zusätzliche Stunde.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „Die Gewinner unseres Innovationspreises sind Vorbilder für betriebliche Vereinbarkeitslösungen und damit für alle anderen Unternehmen in Deutschland. Mit kreativen Ideen haben sie während der Pandemie ad hoc neue Konzepte auf die Beine gestellt und ihre Beschäftigten effektiv bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt. Arbeitgeber*innen sind gut beraten, solche Konzepte für die Fachkräftesicherung zu nutzen. Als Bundesfamilienministerin werde ich mich dafür einsetzen, die Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu verbessern.“

Mit einem passgenauen Angebot zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie binden Unternehmen ihre Fachkräfte und versichern sich ihrer Loyalität“, betont Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. „Gerade in diesen für viele Unternehmen wirklich schwierigen Zeiten ist eine loyale Belegschaft unbezahlbar. Die Erfahrung in der Corona-Krise hat gezeigt: Betrieben mit flexiblen Strukturen gelingt es besser als anderen, ihren Mitarbeitenden unterstützende Vereinbarkeitsangebote zu machen und davon wirtschaftlich zu profitieren. Familienbewusste Angebote wie Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibilität machen Unternehmen resilienter und stärken sie für Herausforderungen in Krisenzeiten oder bei der Suche nach Fachkräften.“

Das Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“

Das Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ ist mit rund 8.300 Mitgliedern bundesweit die größte Plattform für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die sich für eine familienbewusste Personalpolitik engagieren oder interessieren. Das Netzwerk wurde 2007 vom Bundesfamilienministerium und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag gegründet. Mitglied können alle Unternehmen und Institutionen werden, die sich zu einer familienbewussten Personalpolitik bekennen und sich engagieren wollen. Die Mitgliedschaft ist kostenfrei.

Mehr Informationen zum Unternehmensnetzwerk und zum „Innovationspreis Vereinbarkeit“ finden Sie unter: www.erfolgsfaktor-familie.de

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 30.09.2022

Sarah Lahrkamp, Kinderbeauftragte:

Der 17. Oktober 2022 ist der Welttag zur Beseitigung von Armut. Auch in einem reichen Land wie Deutschland sind viele Kinder und Jugendliche von sozialer Ausgrenzung bedroht. Dem treten wir von der SPD-Bundestagsfraktion mit guten Kitas und Schulen, passgenauen Familienleistungen und einem tragfähigen sozialen Auffangnetz entgegen.

„Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland sollen die Chance haben, ihre individuellen Lebensträume zu verwirklichen. Deshalb werden wir das Gute-Kita-Gesetz mit einem Kita-Qualitätsgesetz fortsetzen. Deshalb setzen wir auf Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld, Kindersofortzuschlag, Kinderboni und auf ein neues Bürgergeld. Und deshalb werden wir die zentralen Familienleistungen für die Existenzsicherung von Kindern und Jugendlichen langfristig in eine Kindergrundsicherung zusammenführen. Damit werden sozial benachteiligte Familien endlich einen einfachen Zugang zu einer angemessenen finanziellen Grundausstattung bekommen – für mehr Chancen und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 16.10.2022

Wir stärken das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung von Frauen. Für die SPD-Bundestagsfraktion ist klar: Frauen müssen sich selbstbestimmt für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden können.

Leni Breymaier, frauenpolitische Sprecherin:

„Wir sind im 21. Jahrhundert – es wird Zeit, dass ein unumstrittenes Recht auf reproduktive Selbstbestimmung für Frauen fester Bestandteil in unserer Gesellschaft wird.

Es braucht eine neue Diskussion über den § 218 StGB, der Schwangerschaftsabbrüche seit über 150 Jahren im Strafrecht regelt. Deswegen schaffen wir eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung. Ziel der Kommission ist auch, die Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches zu prüfen. Für uns ist klar: Der Abbruch einer Schwangerschaft gehört nicht ins Strafrecht.“

Sonja Eichwede, rechtspolitische Sprecherin:

„Den § 219a StGB haben wir bereits gestrichen. Endlich machen sich Ärztinnen und Ärzte nicht mehr strafbar, wenn sie öffentlich Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen. In der wohl schwerwiegendsten Konfliktsituation können Frauen so schnell die sachlichen Informationen erhalten, die sie brauchen. Ein wichtiger Schritt für mehr reproduktive Selbstbestimmung und Gleichberechtigung.“

Josephine Ortleb, zuständige Berichterstatterin:

„Wir werden sogenannten Gehsteigbelästigungen einen gesetzlichen Riegel vorschieben. Es darf nicht sein, dass Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegner vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Arztpraxen schwangere Frauen psychisch unter Druck setzen. Sie nehmen Frauen in Konfliktsituationen ihr Recht auf Informationen und Beratung. Und wir brauchen eine flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen. Das werden wir sicherstellen.

Die SPD-Bundestagsfraktion steht fest an der Seite der Frauen. Wir wollen in einer freien Gesellschaft leben, in der Frauen frei und selbstbestimmt über ihre Mutterschaft entscheiden können.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 27.09.2022

Zum Beschluss der Führungspositionen-Richtlinie an diesem Montag im Rat der Europäischen Union in Brüssel erklärt Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik:

 

Die EU-Richtlinie für mehr Frauen in Führungspositionen kommt. Mit der Annahme im Rat der Europäischen Union am heutigen Montag gelten zukünftig in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindliche Standards, um den Frauenanteil in den Führungsetagen börsennotierter Unternehmen zu erhöhen. Das ist ein echter Erfolg der Ampelregierung, denn zehn Jahre lang war die Umsetzung der Richtlinie von der Vorgängerregierung blockiert worden.

 

Der Weg zur paritätischen Machtverteilung in Führungsgremien ist noch weit: In keinem der europäischen Mitgliedsländer sind Frauen und Männer gleichermaßen in Führungspositionen repräsentiert. Das zeigt, dass die Richtlinie nichts an ihrer Gültigkeit verloren hat und der Handlungsbedarf immer noch hoch ist. Als Ampelregierung denken wir Geschlechtergerechtigkeit europäisch. Mit der für die Mehrheit entscheidenden Zustimmung Deutschlands im Rat zur Führungspositionen-Richtlinie bekennen wir uns zu Chancengleichheit als gemeinsamem europäischen Wert.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 17.10.2022

Zum Bericht der Bundesregierung zum Startchancenprogramm zur Stärkung von allgemein- und berufsbildenden Schulen erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung:

Mit dem Startchancenprogramm investieren wir weiter in Bildungsgerechtigkeit und unterstützen gezielt Schulen in benachteiligten Quartieren und Regionen. Der Bericht der Bundesregierung ist der Auftakt für das Leuchtturmvorhaben der Bildungspolitik der Ampel. Trotz schwieriger politischer Lage gehen wir die ersten Schritte bei der Umsetzung eines zentralen grünen Bildungsprojektes.

Das Startchancenprogramm ist ein Meilenstein, mit dem wir uns vom Gießkannenprinzip in der Bildungsfinanzierung verabschieden und dort ansetzen, wo auch wirklich Bedarf besteht. Deswegen werden wir bezüglich des Verteilungsschlüssels zwischen den Bundesländern ergebnisoffen über Alternativen zum „Königsteiner Schlüssel“ diskutieren. Innerhalb eines Landes sollte anhand sozialer Indikatoren über die Mittelverteilung und Schulauswahl entschieden werden. 

Das Startchancenprogramm wird aus mehreren Säulen bestehen.

Den Sanierungsstau der teils maroden Schulinfrastruktur gehen wir mit einem Investitionsprogramm an und achten dabei besonders auf Klimagerechtigkeit und Barrierefreiheit. 

Mit einem Chancenbudget geben wir Schulen die Freiheit, in innovative Lernkonzepte und neue Ideen in der Bildung zu investieren. Besonders am Herzen liegt uns zum Beispiel die Zusammenarbeit mit außerschulischen Bildungsträgern – von Umweltbildung  über politische Bildung hin zur Kooperation mit Sportvereinen. Denn Bildung ist mehr als nur Pauken.

Wir werden massiv in neue Stellen für Schulsozialarbeit investieren. Bildung ist die größte Ressource für Chancengerechtigkeit. Deswegen brauchen wir mehr Fachpersonal in multiprofessionellen Teams neben den Lehrkräften, die wir somit auch entlasten, um den Kindern und Jugendlichen eine bessere individuelle Betreuung anzubieten.

Angesicht des Fachkräftemangels und zehntausender offener Ausbildungsstellen müssen wir jetzt dringend handeln. Wir investieren über das Startchancenprogramm daher gezielt in eine frühe Berufsorientierung und die Modernisierung von Berufsschulen.

Als Bundestagsfraktion legen wir besonderen Wert auf eine gute Zusammenarbeit mit den Ländern, eine starke Beteiligung des Bundestags und eine enge wissenschaftliche Begleitung des weiteren Prozesses.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 01.10.2022

Zur Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ab 1. Oktober 2022 erklärt die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge:

Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ist ein wichtiger Schritt zu mehr Gerechtigkeit in Deutschland. Für über sechs Millionen hart arbeitende Menschen bedeutet das eine Gehaltserhöhung zum 1. Oktober und spürbar mehr Geld auf dem Konto. Gerade jetzt, wo die Preise fürs Heizen und für Lebensmittel so dramatisch gestiegen sind, ist dieser Schritt wichtiger denn je. Zusammen mit den umfassenden Entlastungspaketen der Ampel und den Preisbremsen für Strom und Gas wird die Mindestlohnerhöhung vielen Menschen helfen, sicherer durch den Winter zu kommen.

Wer Vollzeit arbeitet, muss gut davon leben können. Die Mindestlohnerhöhung führt aber nicht nur jetzt zu besserer Bezahlung, sondern sorgt auch für eine bessere soziale Absicherung und höhere Rentenansprüche. Damit verringern wir Armut und soziale Ungleichheit.

Die Mindestlohnerhöhung sorgt für mehr Lohngerechtigkeit und Gleichberechtigung. Die Anhebung auf 12 Euro kommt insbesondere Frauen, Beschäftigten in Ostdeutschland und Menschen mit Migrationsgeschichte zu Gute. Für Arbeitnehmer*innen in Branchen wie Handel, Gastgewerbe, Logistik, Gesundheits- und Sozialwesen wird das zu spürbaren Verbesserungen führen.

Der Mindestlohn ist allerdings nur ein Baustein für faire Bezahlung. Darüber hinaus haben wir uns als Ampel-Koalition vorgenommen, das Tarifsystem zu stärken. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge zukünftig nur noch an Unternehmen gehen, die mindestens in Tarifhöhe entlohnen. Das wird bessere Löhne und regelmäßige Tariferhöhungen für viele Beschäftigte zur Folge haben.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 30.09.2022

Anschlussfinanzierung für Sprach-Kitas sicherstellen und Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch stärken

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages berät in der heutigen Sitzung zum Bundeshaushalt 2022 den Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Hierzu erklären Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher, und Paul Lehrieder, zuständiger Berichterstatter für den Einzelplan 17: 

Christian Haase: „Familienpolitik ist mehr als die Auszahlung von Kindergeld. Entscheidend ist, wie der Bund die Gelder zur Stärkung der Familien, insbesondere junger Eltern und Kinder, einsetzt. Hier verspricht die Ampel viel, hält mit dem Familienetat jedoch wenig. Wir als Union wollen die Chancen für die Kinder in unserem Land verbessern, denn sie sind unsere Zukunft. Gleichzeitig wollen wir die Eltern entlasten. Wir fordern daher eine Anschlussfinanzierung des Bundesprogramms Sprach-Kitas. Kindliche Sprachentwicklung ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Bildungslaufbahn. Die aktuelle Grundschulstudie ist besorgniserregend.“

Paul Lehrieder: „Entgegen gegensätzlich lautender Aussagen der Ampel wurde im Sommer das Ende des Erfolgsprogramms „Sprach-Kitas. Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ verkündet. Dies führte zu großer Unsicherheit und Unverständnis bei Trägern, Fachkräften, Ländern und Kommunen. Den durch das Programm zusätzlichen 7.500 Fachkräften in rund 6.900 Einrichtungen drohen Planungsunsicherheit oder Jobverlust. Ausgetragen wird dies auf dem Rücken unserer Kinder. Neben der Anschlussfinanzierung für die Sprach-Kitas setzt sich die Union weiterhin für eine Mittelerhöhung für die Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne der Unabhängigen Beauftragten für sexuellen Kindesmissbrauch ein. Frühkindliche Bildung und Kindesschutz haben für uns Priorität.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 19.10.2022

Zum morgigen Aktionstag Mietenstopp erklärt Caren Lay, mieten-, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

„Am morgigen Samstag werden Aktionen und Proteste für einen bundesweiten Mietenstopp in über 50 Städten erwartet. Aufgerufen hat das Bündnis Mietenstopp. Es gibt viele gute Gründe am Aktionstag Mietenstopp teilzunehmen. Schon vor der Pandemie und den steigenden Energiepreisen war die Hälfte der Miethaushalte in den Städten durch die Wohnkosten überlastet. Allein in den vergangenen zwölf Monaten sind die Wohnkosten nochmal um elf Prozent gestiegen. Viele Mieterinnen und Mieter wissen nicht mehr, wie sie die gestiegenen Kosten bezahlen sollen und erleben eine akute Notsituation. Es braucht sofort einen bundesweiten Mietenstopp. Als LINKE fordern wir darüber hinaus ein ‚Krisenpaket Miete‘: Schutz vor Kündigungen, keine Zwangsräumungen, ein Verbot von Indexmieten, einen Energiepreis- und Mietendeckel.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 07.10.2022

„Abtreibungen haben immer stattgefunden und sie werden auch immer stattfinden. Die Frage ist nur, wie sicher sie sind. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, diese endlich im Rahmen der Gesundheitsversorgung so sicher wie möglich zu machen. Paragraf 218 muss gestrichen werden“, erklärt Heidi Reichinnek, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, anlässlich des Safe Abortion Day am 28. September. Reichinnek weiter:

„Zehn Monate ist die Regierung nun im Amt. Paragraf 219a ist in dieser Zeit endlich abgeschafft worden – dafür hat DIE LINKE lange gekämpft. Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland aber nach wie vor grundsätzlich strafbar. Das ist und bleibt ein Skandal. Die Koalition hat zwar eine Legalisierung in Aussicht gestellt, die Umsetzung aber in eine Kommission verlagert, die immer noch nicht ihre Arbeit aufgenommen hat. Es ist noch nicht einmal geklärt, wer in der Kommission sitzen wird.

Frauen in Deutschland brauchen endlich legalen und kostenlosen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. Das bedeutet auch eine flächendeckende Verfügbarkeit im ganzen Land. 100 km Anfahrt und wochenlange Wartezeit für einen Beratungstermin oder den Abbruch selbst sind nicht zumutbar. Außerdem müssen Schwangerschaftsabbrüche oft genug von den Betroffenen selbst bezahlt werden. Wäre das nicht alles schon schlimm genug, stehen vor den Praxen auch noch Abtreibungsgegnerinnen und -gegner und belästigen die Frauen. Und obwohl die Bundesregierung auch dagegen vorgehen will, ist auch hier immer noch nichts passiert.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 27.09.2022

Die Regelsätze sollen spürbar um 200 Euro erhöht werden, um ihre Wirkung gegen Inflation und Armut zu entfalten. Das fordert Die Linke in einem Antrag (20/4053). Das Bürgergeld werde seinem Namen nicht gerecht, sondern bleibe buchstäblich ein Armutszeugnis. Die Verbesserungen beim Bürgergeld gingen an den meisten langjährigen Betroffenen vorbei, denn sie hätten weder große Wohnungen noch Vermögen, kritisieren die Abgeordneten.

Sie fordern deshalb von der Bundesregierung, Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Regelbedarfe nach den Sozialgesetzbüchern II und XII (Zweites und Zwölftes Sozialgesetzbuch) sowie dem Regelbedarfsermittlungsgesetz vorzulegen. In diesen sollen die Regelbedarfe für alle Altersstufen auf Grundlage einer neuen Ermittlungs- und jährlichen Fortschreibungsmethodik zum 1. Januar 2024 neu berechnet werden. Dabei sollen Leistungsberechtigte und ihre Interessenvertretungen sowie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wohlfahrts- und Sozialverbänden sowie von Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen beteiligt werden. Es muss nach Ansicht der Linken sichergestellt werden, dass der Ernährungsanteil eine gesunderhaltende Ernährung für alle möglich macht. Für die Zwischenzeit sollen die Regelbedarfe durch Zuschläge (bis zu 200 Euro) ergänzt werden.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 581 vom 19.10.2022

Sachverständige haben am Montag begrüßt, dass die Bundesregierung die Qualität der Kindertagesbetreuung weiter verbessern will. In der Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (20/3880) setzten sie aber auch Akzente für die künftige Entwicklung von Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege. Der Regierung geht es in dem Entwurf darum, das „Gute-KiTa-Gesetz“ auf Grundlage des Evaluationsberichts von 2021 zu reformieren. Demnach sollen bereits begonnene Maßnahmen der Länder zur Qualitätsentwicklung und zur Entlastung der Eltern bei den Beiträgen fortgesetzt werden können. Neue Maßnahmen ab dem 1. Januar 2023 sollen aber ausschließlich dazu dienen, qualitative Handlungsfelder „von vorrangiger Bedeutung“ weiterzuentwickeln. Es sollen also keine länderspezifischen Maßnahmen zur Beitragsentlastung mehr umgesetzt werden können. Zusätzlich sollen die bisher vier vorrangigen Handlungsfelder um drei weitere ergänzt werden: die Förderung der kindlichen Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung, die Förderung der sprachlichen Bildung und die Stärkung der Kindertagespflege.

Susanne Viernickel, Professorin an der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, riet dazu, die personalbezogenen Handlungsfelder hervorzuheben. Es herrsche eklatanter Personalmangel in den Kitas. Für einen bundesweit gleichwertigen Zugang zur Kindertagesbetreuung müssten die personellen Rahmenbedingungen verbessert und mittelfristig angeglichen werden. Sie empfahl, die Regelungen zur Entlastung von Elternbeiträgen aus dem Gesetz herauszuhalten. Jeder in die Beitragsentlastung investierte Euro gehe dem Ziel der Qualitätsverbesserung verloren. Es gehe aber nicht darum, beides gegeneinander auszuspielen, betonte Viernickel. Im Kita-Qualitätsgesetz sei die Entlastung jedoch „fehlplatziert“. Das Gesetz müsse sich auf Strukturen konzentrieren, auf den Fachkraft-Kind-Personalschlüssel, die Qualität des Personals, die Gruppengrößen. Auch das Handlungsfeld der guten Kita-Leitung sei zu beachten. Bei den personellen Ressourcen sei in allen Ländern noch „Luft nach oben“, sagte Viernickel.

Elke Alsago von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wies ebenfalls auf die Personalsituation in den Kitas hin. Es gebe unbesetzte Stellen, hohe Krankenstände, permanente Überforderung und Frustration, die Erzieherinnen fühlten sich von der Politik alleingelassen. Sie appellierte, die nächste Förderphase 2022/2023, in denen der Bund vier Milliarden Euro bereitstellen will, zu nutzen und die Förderung in eine Strategie einzubauen, die es den Fachkräften ermöglicht, die Entwicklung der Kinder gut zu begleiten. Durch den Fachkräftemangel stehe das System vor dem Kollaps, warnte Alsago. Bund und Länder müssten gemeinsam einen Stufenplan vorlegen, wie das System, auch das Ausbildungssystem, quantitativ und qualitativ ausgebaut werden kann. Der Bund müsse mehr zusteuern als bisher.

Matthias Dantlgraber vom Familienbund der Katholiken monierte, dass nun sieben von zehn Handlungsfelder priorisiert werden sollen. Zentral für ihn seien die Handlungsfelder des guten Betreuungsschlüssels und qualifizierter Fachkräfte. Kritisch sah er, dass Länder unter Umständen auch weiterhin Fördermittel für Beitragsentlastungen einsetzen können. Beitragsentlastungen und Qualitätsverbesserungen sah er in einem Konkurrenzverhältnis. Er sprach sich für eine einkommensabhängige Beitragsstaffelung aus. Wenn einige Länder bei den Beiträgen entlasten und andere in die Qualität investieren, dann drohe wieder ein Auseinanderdriften bei der Qualität, sagte Dantlgruber. Ausdrücklich befürwortete er bundeseinheitliche Qualitätsmaßstäbe.

Arne Koopmann von der Evangelisch-lutherische Kirche Ahlhorn/Oldenburg, der nach eigenen Angaben drei Kitas in Niedersachsen im 194 Plätzen leitet, plädierte für die Fortsetzung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“, das die Bundesregierung zum Jahresende einstellen will. 80 Prozent der bei ihm betreuten Kinder hätten eine Sprachbenachteiligung. Wenn die geförderte Sprachentwicklung wegfallen würde, so Koopmann, wäre dies ein „bildungspolitischer Kahlschlag“. Dass die Beitragsfreiheit dazu führt, dass mehr Eltern ihre Kinder in Kitas schicken, könne er nicht bestätigen.

Heiko Krause vom Bundesverband für Kindertagespflege hob hervor, dass die Kindertagespflege eine gleichrangige Betreuungsform sei, die von 23 Prozent der Eltern bevorzugt werde. Heute gebe es kein Kindertagespflegepersonal mehr, das nicht qualifiziert sei. Krause setzte sich für eine auskömmliche Vergütung der Fachkräfte in der Kindertagespflege ein. Auch Maria-Theresia Münch vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge begrüßte die Priorisierung der Kindertagespflege in dem Gesetzentwurf. Notwendig wäre aus ihrer Sicht, die Fördermittel insgesamt zu erhöhen. Sie plädierte dafür, sich auf Personalentwicklung und den Ausgleich sozialer Ungleichheit zu konzentrieren.

Katharina Queisser von der Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege sagte mit Blick auf Gebührenfreiheit, es müssten Wege gefunden werden, um den Zugang zur frühkindlichen Bildung so niederschwellig wie möglich zu halten. Sie empfahl zudem, die Förderung der Sprach-Kitas zusätzlich zum Budget des Gesetzentwurfs zu verstetigen. Doreen Siebernik von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte Perspektiven für Fachkräfte und Familien. Aus keinem anderen Berufsfeld verschwänden Fachkräfte so schnell wie aus dem Berufsfeld der Erzieherinnen. Den Gesetzentwurf sah sie nur als Zwischenschritt. Mittelfristig müssten die Ressourcen für das System der frühkindlichen Bildung erhöht werden.

Stefan Spieker von der gemeinnützigen GmbH Fröbel Bildung und Erziehung, die nach seinen Angaben 20.000 Kinder in zwölf Bundesländern betreut, erklärte, er unterstütze den Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/3277), der ebenfalls Gegenstand der Anhörung war und eine Fortsetzung des Sprach-Kita-Bundesprogramms über das Jahresende hinaus fordert. Die Verträge der betroffenen Fachkräfte liefen aus und man wisse nicht, wie viele wann wieder eingesetzt werden können.

Jörg Freese vom Deutschen Landkreistag befürwortete ebenfalls die Forderung des Unionsantrags. Die Sprachförderung müsse fortgesetzt werden. Die vom Gesetzentwurf verlangte Staffelung der Elternbeiträge nannte Freese „anmaßend und übergriffig“. Es gebe Länder, die mit ihren Staffelungen bereits gute Erfahrungen gemacht hätten. Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund appellierte an den Bund, einen Weg für die dauerhafte Finanzierung der Kitas zu finden. Regina Offer vom Deutschen Landkreistag sagte, es gebe keinen sachlichen Grund, das Sprachförderprogramm auslaufen zu lassen. Die Sorge sei, dass jahrelang aufgebaute Strukturen wegfallen: „Es entsteht Unruhe in den Kitas.“

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 567 vom 18.10.2022

Die Bundesregierung hält am Auslaufen des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ zum Ende des Jahres fest. Das machte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen), am Montag während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses deutlich. An der Wichtigkeit der sprachlichen Förderung von Kindern in den Kitas gebe es bei der Bundesregierung keinen Zweifel, sagte sie. Daher sei es das Ziel, die Förderung über das Kita-Qualitätsgesetz zu verstetigen. Den Ländern würden dafür in den kommenden zwei Jahren zusätzliche zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. „Für die sechsmonatige Übergangszeit, bis diese Mittel auch in Anspruch genommen werden können, versuchen wir eine zusätzliche Finanzierung zu verhandeln“, sagte die Staatssekretärin.

Für eine weitere Bundesförderung des Programms für zwei Jahre, ehe dann die Länder die Zuständigkeit übernehmen, plädiert Wenke Stadach, Leiterin einer Sprach-Kita in Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Ihre öffentliche Petition wurde von 277.882 Personen mitgezeichnet. Durch das Programm seien in vielen Kitas Strukturen und Kompetenzen geschaffen worden, damit Kinder bei ihrem Spracherwerb unterstützt und praktische Inklusionsarbeit ermöglicht wird. Konkret bedeute dies, „dass wir für Kinder und Familien, die es nicht so einfach haben, ein Angebot schaffen, das nicht nur zur Chancengleichheit beiträgt, sondern gerade denjenigen hilft, die diese Hilfe besonders benötigen“, schreibt die Petentin in der Eingabe.

Vor den Abgeordneten erläuterte sie, als Kita-Leiterin erst Mitte des Jahres vom Auslaufen des Programms informiert worden zu sein. Diese Entscheidung habe für Wut und Frust sowie Verunsicherung bei vielen Kollegen gesorgt. „Einige von ihnen haben sich aufgrund der Unsicherheit neue Jobs gesucht“, sagte Wenke Stadach. Der Schaden sei also jetzt schon entstanden und werde mit jedem weiteren Tag, der ohne klare Zukunft für die Sprach-Kitas vergehe, größer. Für eine weitere Bundesförderung plädiere sie auch im Interesse einer bundesweiten Chancengleichheit, sagte Stadach. Künftig sei zu befürchten, dass einzelne Bundesländer die Sprachförderung unterstützen, andere aber nicht.

Die Projektleiterin der Evaluation des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“, Professor Yvonne Anders von der Universität Bamberg, verwies auf Studien, wonach ein großer Anteil der Kinder in den Grundschulen nicht die für eine weitere Bildungskarriere erforderlichen sprachlichen Kompetenzen erwirbt. 50 bis 80 Prozent der in der Grundschule zu beobachtenden sprachlichen Unterschiede seien auf den vorschulischen Bereich zurückzuführen, sagte Anders, die die Petentin begleitete. „Wir konnten in der Evaluation mehrfach zeigen, dass das, was in den Sprach-Kitas seit Jahren tagtäglich passiert, nachweislich die sprachpädagogische Prozessqualität steigert“, betonte sie. Jedes vierte Kind, so die Erziehungswissenschaftlerin, habe derzeit einen Sprachförderbedarf. „Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es geboten, eine Lösung zu finden, die die über viele Jahre evidenzbasiert geschaffenen Strukturen nicht zerstört.“

Die Familien-Staatssekretärin sicherte zu, dass es von Seiten des Ministeriums eine ganz große Bereitschaft dazu gebe, die geschaffenen Servicestellen zu erhalten und den nötigen Übergang des Programms gemeinsam mit den Bundesländern zu gestalten. Bereits im April sei das Ministerium dazu mit den Ländern in die Gespräche gegangen und habe mehrere Möglichkeiten aufgezeigt, wie ein solcher Übergang gestaltet werden könne. „Wir machen Druck auf alle Seiten, damit wir zu einem Konsens kommen“, betonte sie. Noch sei dieser aber nicht erreicht.

Die Petentin forderte eine schnelle Lösung. Am besten sei ein zweijähriger Übergang, so dass alles „ohne Wenn und Aber“ geklärt werden könne. Auf keinen Fall dürften die Sprach-Kitas aber bei dem politischen Hin- und Her-Geschiebe am Ende ganz hinten runterfallen, so Stadach. „Bis Ende Oktober sollten wir wissen, wie es weitergeht, um für das kommende Jahr planen zu können“, sagte die Kita-Leiterin.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 564 vom 17.10.2022

Angesichts der drastisch steigenden Preise haben mehrere Sachverständige in einer Anhörung des Finanzausschusses am Montag die bisher von der Koalition geplanten Maßnahmen im Inflationsausgleichsgesetz als unzureichend bezeichnet und deutlich höhere Entlastungen vor allem der Familien angemahnt. Als Hauptgrund wurden die in dem Gesetzentwurf zugrunde gelegten Inflationsprognosen bezeichnet, die von der Realität längst bei weitem überholt worden seien.

Grundlage der vom Ausschussvorsitzenden Alois Rainer (CSU) geleiteten Anhörung war der von den Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (20/3496). Der Entwurf sieht verschiedene steuerliche Maßnahmen wie die Anhebung des Grundfreibetrages und des Kinderfreibetrages sowie ein höheres Kindergeld vor. Das Kindergeld soll im nächsten Jahr für das erste, zweite und dritte Kind auf einheitlich 237 Euro pro Monat erhöht werden. Diese Erhöhung in einem Schritt soll für die Jahre 2023 und 2024 gelten. Somit steigt das Kindergeld für das erste und zweite Kind um 18 Euro und für das dritte Kind um zwölf Euro monatlich.

Der Bund der Steuerzahler erklärte, im Sinne eines schnellen Inflationsausgleichs für die Steuerzahler wäre es geboten, schon den Steuertarif 2022 mit einer höheren Inflationsrate zu indexieren. Auch die Annahme der Bundesregierung einer Inflationsrate von rund 5,76 Prozent für den Steuertarif 2023 sei kein echter Inflationsausgleich. Der Gesetzgeber müsse den Einkommensteuertarif 2023 um die zu erwartende Inflation 2023 bereinigen, die nach der derzeitigen Prognose der Gemeinschaftsdiagnose 8,8 Prozent betragen werde.

Professor Johanna Hey (Universität zu Köln) erklärte, wenn sich die Entwicklung der Inflation so fortsetze wie in den letzten Monaten, sei bei Grund- und Kinderfreibeträgen eine weitere Anhebung erforderlich. Sie kritisierte, dass sich der Entwurf des Inflationsausgleichsgesetzes auf die mittlerweile überholte Frühjahrsprojektion der Bundesregierung zur Inflation für 2022 von 5,76 Prozent stütze. Das sei die „Crux“ des Gesetzentwurfs.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bezeichnete eine Inflationsbereinigung des Einkommensteuertarifs als grundsätzlich sinnvoll. Angesichts der hohen fiskalischen Kosten sollte diese auf Steuerpflichtige mit niedrigen und mittleren Einkommen konzentriert werden. Diese seien von der Inflation besonders stark betroffen. Die Kindergelderhöhung wurde als sinnvoll bezeichnet. Auf eine Erhöhung des Kinderfreibetrags könne jedoch verzichtet werden, da Familien mit hohem Einkommen bisher zu stark zusätzlich steuerlich entlastet würden. Ein vollständiger Ausgleich der kalten Progression sei „nicht das richtige Signal“. Die Kosten würden sich auf bis zu 13 Milliarden Euro belaufen.

Der Deutsche Familienverband begrüßte die Maßnahmen zum Abbau der kalten Progression, erklärte aber andererseits, dass die geplanten Erhöhungen bei Kinderfreibetrag und Kindergeld leider deutlich hinter dem Notwendigen zurückbleiben würden. Kindergeld, Kinderfreibetrag und weitere kinderbezogene Freibeträge müssten kurzfristig an die Inflationsrate angepasst werden. Nach Ansicht der Organisation werden große Familien zu wenig entlastet. Das vierte Kind und weitere Kinder würden bei der vorgesehenen Kindergelderhöhung leer ausgehen. Als problematisch wurde der im Gesetzestitel gewählte Begriff eines „fairen Einkommensteuertarifs“ bezeichnet. Es gehe bei der Besteuerung weniger um Fairness, sondern um Gerechtigkeit. Alleinerziehende und Kinderreiche würden leer ausgehen. Das sei ein „fatales Zeichen“.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisierte, dass Bezieher höherer Einkommen durch den Kinderfreibetrag stärker entlastet würden als Normalverdiener. Beim heutigen System gelte: Je höher das Einkommen, desto größer sei der sich daraus ergebende finanzielle Vorteil durch den Kinderfreibetrag. Gleichzeitig reiche das geringere Kindergeld für viele Kinder nicht aus, um gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten. In Deutschland lebten 20 Prozent aller Kinder in Armut. Eine gerechte Förderung von Kindern müsse das Ziel sein. Daher müsse der Kinderfreibetrag zugunsten eines für alle erhöhten Kindergeldes im Rahmen einer Kindergrundsicherung abgeschafft werden.

Katja Rietzler vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung bezeichnete die Änderungen am Einkommensteuertarif für das Jahr 2023 als nicht dringend. Sie wies darauf hin, dass die Einkommensteuerbelastung in Deutschland nach wie vor deutlich unter dem Niveau der 1990er Jahre liege. In der aktuellen Situation sollte zielgerecht mit Unterstützungsmaßnahmen am unteren Ende der Einkommensskala gearbeitet werden.

Auch die Arbeiterkammer Bremen bezeichnete den Abbau der kalten Progression als wenig zielgenau. Es böten sich alternative Maßnahmen an. Die Arbeiterkammer schlug vor, den Grundfreibetrag deutlich über den durch das Existenzminimum gebotenen Rahmen hinaus anzuheben, beispielsweise auf 12.000 Euro.

Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter bedauerte, dass das Ziel des Gesetzentwurfs, die Inflation auszugleichen, für Alleinerziehende nicht erreicht werde. Wegen der Anrechnung auf Unterhaltsleistungen werde die Anhebung des Kindergelds zum Nullsummenspiel. Viele Alleinerziehende fühlten sich von der Politik allein gelassen.

Professor Frank Hechtner (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) kritisierte, dass der Progressionsbericht von der Bundesregierung noch nicht vorgelegt worden sei. Es müsste wohl ein höherer Wert zum Ausgleich der kalten Progression eingesetzt werden, als im Gesetzentwurf vorgesehen. Professor Rudolf Mellinghoff (Ludwig-Maximilians-Universität München) sagte, angesichts der aktuellen Inflationsverhältnisse sollte der Progressionsbericht in jedem Jahr und nicht nur alle zwei Jahre vorgelegt werden. Dass Bezieher höherer Einkommen stärker von den Maßnahmen profitieren würden, sei eine natürliche Folge des progressiv verlaufenen Steuertarifs. Nur bei einer „Flat Tax“ (einheitlicher Steuersatz) würden alle gleich profitieren.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 561 vom 17.10.2022

Die von der Bundesregierung geplante Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe (20/3439) wird von Sachverständigen unterschiedlich beurteilt. Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Montagnachmittag wurde das Vorhaben mehrheitlich als richtiger Schritt bezeichnet, von dem aber jene junge Menschen nicht profitierten, die eine Berufsausbildung für Menschen mit Behinderung oder eine geförderte Ausbildung über das Arbeitsamt beziehungsweise das Jobcenter absolvieren oder in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sind. Die Kritik anderer Sachverständiger an dem Entwurf zielte darauf ab, dass damit eine Verselbständigung der Jugendlichen erschwert werde und sie teils bessergestellt würden als Jugendliche, die eine Ausbildung machen und im Elternhaus leben.

Der Gesetzentwurf sieht vor, die Kostenheranziehung bei jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach Paragraf 19 SGB VIII sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aufzuheben. Bislang werden junge Menschen, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe leben und die ein eigenes Einkommen haben, mit bis zu 25 Prozent davon zu den Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe herangezogen.

Maike Brummelman vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands (CJD) sprach von einem wichtigen Schritt auf dem Weg zur gleichberechtigten Teilhabe „des betroffenen Personenkreises“. Um dem Gedanken der Inklusion gerecht zu werden, sei es aber geboten. „für alle jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe Benachteiligungen abzuschaffen“.

Ähnlich argumentierte Juliane Meinhold vom Paritätischen Gesamtverband. Für alle jungen Menschen, die eine Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt machen, verbessere sich die Situation deutlich, „weil keine Kostenheranziehung in Bezug auf die Ausbildungsvergütung erfolgt“. Wer aber eine Berufsausbildung für Menschen mit Behinderung oder eine geförderte Ausbildung über das Arbeitsamt oder Jobcenter absolviert oder in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sei, erhalte keine sozialversicherungspflichtige Ausbildungsvergütung, sondern eine Netto-Unterhaltszahlung. Diese werde als Ausbildungsgeld bezeichnet und zur Finanzierung der Kinder- und Jugendhilfeleistung herangezogen.

Die Möglichkeit, finanzielle Rücklagen für den Übergang in ein eigenständiges Leben und eine sichere Existenz zu bilden, müsse für alle jungen Menschen und für jede Form von Einkommen gelten, forderte Sebastian Hainski vom Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit. Es brauche eine Entbürokratisierung der Kinder- und Jugendhilfe, „sodass benötigte Hilfe auch wirklich bedingungslos und bedürfnisorientiert bei allen jungen Menschen in unserer Gesellschaft ankommt“.

Aus Sicht von Marie Hesse vom Bayerischen Landesjugendamt kann die Abschaffung der Kostenheranziehung durchaus eine Motivation der jungen Menschen zur Aufnahme von Erwerbstätigkeiten darstellen. Für die Jugendämter sei damit auch eine Verwaltungsvereinfachung verbunden. Allerdings, so Hesse weiter, sei die Kostenheranziehung geeignet, um junge Menschen darauf vorzubereiten, ihr Einkommen im Hinblick auf Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung einzuteilen. Falle dies künftig weg, müsse von einem zusätzlichen pädagogischen Bedarf ausgegangen werden. Darüber hinaus sehe sie eine Besserstellung junger Menschen in stationären Einrichtungen beziehungsweise Pflegefamilien im Vergleich zu jungen Menschen, die im Haushalt ihrer Eltern leben und einen Beitrag zur Lebenshaltung abführen müssten.

Josef Koch von der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen stimmte dem Gesetzentwurf und seinen Zielsetzungen voll umfänglich zu. Die Heranziehung bestrafe Jugendliche und junge Erwachsene dafür, in der Jugendhilfe zu sein, befand er. Koch verwies zugleich darauf, dass die Hauptgründe für eine Unterbringung Jugendlicher und junger Erwachsener in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie eine Gefährdung des Kindeswohls sowie eine Unterversorgtheit der jungen Menschen sei. Davon zu reden, dass die Unterbringung wie in einem Ferienhaus bei freier Kost und Logis erfolge, sei angesichts der massiven Belastungen und Benachteiligungen dieser jungen Menschen falsch.

Vor dem Hintergrund der besonderen Biografien und der Lebensbedingungen, die ursächlich für das Aufwachsen in stationärer Jugendhilfe waren, sei die Kostenheranziehung eine weitere Hürde und keine Unterstützung zur selbständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung, befand Laurette Rasch vom Verein Careleaver. Kostenheranziehung in jeder Form widerspräche auch dem im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) verankerten Inklusionsgedanken, demzufolge die Regelungen der Kinder- und Jugendhilfe gleichermaßen für junge Menschen mit und ohne Behinderungen gelten und diese unterstützen sollen.

Lob für den Gesetzentwurf gab es von der Fachanwältin für Sozialrecht Gila Schindler, die zugleich Regelungslücken ansprach. So bleibe die Situation der besonders belasteten jungen Menschen, die von einer Behinderung betroffen sind, in einem wesentlichen Aspekt ungeregelt. Diese Personen könnten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit Teilhabeleistungen zur beruflichen Eingliederung beanspruchen, so Schindler. Ob und in welcher Höhe das gewährte „Ausbildungsgeld“ angerechnet wird, werde von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe unterschiedlich bewertet. Die Betroffenen seien so einem Gefühl der behördlichen Willkür ausgesetzt, dass für junge Menschen regelmäßig noch viel schwerer zu ertragen sei, als für lebenserfahrenere Personen.

Michael Wagner, Jugendamtsleiter in Memmingen (Baden-Württemberg), steht der Abschaffung der Kostenheranziehung kritisch gegenüber, „weil es die Verselbständigung der jungen Menschen erschwert“. Erst wenn sie aus der stationären Jugendhilfe hinaus und in die erste eigene Wohnung ziehen, würden sie lernen müssen, dass das verdiente Geld zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhaltes verwendet werden müsse. Auch könne der Anreiz, den Schritt in ein selbstständiges Leben zu wagen, damit reduziert werden, gab er zu bedenken.

Jörg Freese vom Deutschen Landkreistag bezeichnete den erst 2021 im KJSG aufgenommenen Kompromiss, die Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe mit eigenem Einkommen von 75 Prozent auf 25 Prozent zu senken, als „gut und sinnvoll“. Als Vertreter der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände räumte Freese ein, dass die Haltung in den Kommunen zu dieser Fragestellung nicht einheitlich sei. „Weit überwiegend“ werde aber die Komplettabschaffung abgelehnt. Der nicht zu leugnenden insgesamt schwierigen Lebenssituation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der stationären Jugendhilfe oder in Pflegefamilien werde bereits durch die Absenkung der Kostenheranziehung auf 25 Prozent ausreichend Rechnung getragen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 528 vom 10.10.2022

Mit dem Wohngeld-Plus-Gesetz will die Bundesregierung ab dem 1. Januar 2023 Haushalte mit niedrigeren Einkommen stärker bei steigenden Wohnkosten unterstützen. Über einen dazu von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegten Gesetzentwurf (20/3936) debattiert der Bundestag erstmals am Donnerstag, dem 13. Oktober 2022.

Um die durch steigende Energiekosten und energieeffiziente Sanierungen entstehenden höheren Wohnkosten besser abzufedern, soll die bisher umfangreichste Reform des Wohngeldes drei Komponenten enthalten: erstens die Einführung einer dauerhaften Heizkostenkomponente, die als Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete oder Belastung in die Wohngeldberechnung eingehen soll, zweitens die Einführung einer Klimakomponente und drittens eine Anpassung der Wohngeldformel. Danach sollen rund 1,4 Millionen Haushalte erstmalig oder erneut einen Wohngeldanspruch erhalten, bisher sind es rund 600.000 Haushalte. Zudem soll sich der Wohngeldbetrag von durchschnittlich rund 180 Euro pro Monat auf rund 370 Euro pro Monat erhöhen.

Im Verlauf der knapp 70-minütigen ersten Lesung wird der Bundestag auch über den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf „zur Änderung des Heizkostenzuschussgesetzes und des Elften Buches Sozialgesetzbuch“ (20/3884) beraten. Beide Vorlagen sollen im Anschluss an den federführenden Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen überwiesen werden.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 535 vom 12.10.2022

Das Arbeitslosengeld II im Besonderen und die staatliche Grundsicherung im Allgemeinen sollen reformiert und durch ein neues „Bürgergeld“ abgelöst werden. Das sieht ein Gesetzentwurf (20/3873) der Bundesregierung vor, der am Donnerstag in erster Lesung vom Bundestag beraten wird.

Darin verweist die Bundesregierung zwar auf die Leistungsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme, die gerade in den vergangenen Pandemie-Jahren vielen Menschen ein soziales Netz geboten hätten. „Zugleich haben die außergewöhnlichen Herausforderungen, mit denen sich Staat und Gesellschaft in Folge des Kriegs in der Ukraine konfrontiert sehen, es vielen Menschen in den sozialen Mindestsicherungssystemen erschwert, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Gerade die dynamischen Preisentwicklungen bei Energie und Lebensmitteln sorgen hier für erhebliche Probleme.“ Deshalb sei eine Erhöhung der monatlichen Regelbedarfe (unter anderem auf 502 Euro für eine alleinlebende Person) dringend geboten, schreibt die Regierung.

Darüber hinaus begründet sie die Initiative mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt, die sich seit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2005 grundlegend geändert habe: Arbeitskräfte, insbesondere qualifizierte Arbeitskräfte, würden vielerorts gesucht, gleichzeitig würden Langzeitarbeitslose zu oft von dieser Entwicklung nicht profitieren. Daher solle das Bürgergeld sich stärker als das bisherige System auf Qualifizierung und Weiterbildung der Arbeitssuchenden konzentrieren.

Konkret sieht der Entwurf unter anderem vor, in den ersten zwei Jahren des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit gelten zu lassen, damit sich die Leistungsberechtigten stärker auf Arbeitssuche und Weiterbildung konzentrieren können. Die Kosten für Unterkunft und Heizung sollen in dieser Zeit in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen werden. Auf eine Prüfung des Vermögens soll verzichtet werden, „sofern es nicht erheblich ist“, also 60.000 Euro für eine Person beziehungsweise 30.000 für jede weitere im Haushalt lebende Person nicht übersteigt. Nach Ablauf der Karenzzeit soll es eine entbürokratisierte Vermögensprüfung mit höheren Freibeträge geben.

Vorgesehen ist auch, die bisherige Eingliederungsvereinbarung durch einen Kooperationsplan abzulösen, der von den Leistungsberechtigten und den Integrationsfachkräften gemeinsam erarbeitet wird. Dieser Plan dient dann als „roter Faden“ im Eingliederungsprozess und wird als Kernelement des Bürgergeld-Gesetzes bezeichnet. Mit Abschluss des Kooperationsplans soll dann eine sechsmonatige Vertrauenszeit gelten. In diesem Zeitraum werde ganz besonders auf Vertrauen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesetzt. Lediglich wiederholte Meldeversäumnisse würden sanktioniert – mit maximal zehn Prozent Leistungsminderung, schreibt die Regierung.

Abgeschafft werden soll der „Vermittlungsvorrang in Arbeit“. Stattdessen sollen Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll jenen Leistungsberechtigten helfen, „die aufgrund vielfältiger individueller Probleme besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen“.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 527 vom 10.10.2022

Die Bundesregierung will die Qualität der Kindertagesbetreuung weiter verbessern und hat dazu den Entwurf eines Gesetzes (20/3880) zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (KiTa-Qualitätsgesetz) vorgelegt.

Die Regierung verweist darin auf den Evaluationsbericht zum 2018 beschlossenen KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz („Gute-KiTa-Gesetz“). Dieser habe im Herbst 2021 gezeigt, dass an unterschiedlichen Stellen des Gesetzes sowie in Bezug auf die Pflicht zur Staffelung der Kostenbeiträge nach dem SGB VIII (Achtes Sozialgesetzbuch) Reformbedarf bestehe, um die Ziele dieses Gesetzes zu erreichen.

Mit dem vorliegenden Entwurf soll das „Gute-KiTa-Gesetz“ auf Grundlage der Empfehlungen der Evaluation weiterentwickelt werden. Demnach sollen bereits begonnene Maßnahmen der Länder zur Qualitätsentwicklung und zur Entlastung der Eltern bei den Beiträgen zwar fortgeführt werden können. Neue Maßnahmen ab dem 1. Januar 2023 sollen aber ausschließlich zur Weiterentwicklung der qualitativen „Handlungsfelder von vorrangiger Bedeutung“ dienen. Künftig sollen also keine neuen länderspezifischen Maßnahmen zur Beitragsentlastung mehr umgesetzt werden können. Zusätzlich sollen die „Handlungsfelder von vorrangiger Bedeutung“ um das Handlungsfeld 6 (Förderung der kindlichen Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung), das Handlungsfeld 7 (Förderung der sprachlichen Bildung) und das Handlungsfeld 8 (Stärkung der Kindertagespflege) ergänzt und stärker priorisiert werden. Durch die Änderung werden die Länder verpflichtet, Maßnahmen überwiegend in den Handlungsfeldern von vorrangiger Bedeutung zu ergreifen. Um die beabsichtigte Wirkung der im SGB VIII geregelten Pflicht zur Staffelung der Kostenbeiträge für die Kindertagesbetreuung zu stärken, soll es eine verbindliche Vorgabe sozialer Staffelungskriterien geben, die eine stärkere Ausrichtung der Beiträge an der finanziellen Situation der Familien bewirken sollen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 526 vom 10.10.2022

Bislang sind die jährlich zur Verfügung stehenden Mittel des Bundesförderprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ nicht ausgeschöpft worden. Das teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/3749) auf eine Kleine Anfrage (20/3404) der CDU/CSU-Fraktion zur Situation der Frauenhäuser in Deutschland mit.

In erster Linie sei dies darauf zurückzuführen, dass Bauvorhaben in Planung und Umsetzung komplex sind, die antragstellenden Träger vielfach nicht über Erfahrungen mit Bauvorhaben verfügen und aktuell äußere Faktoren massive Auswirkungen auf die Planungen hätten. Die Förderanfragen und -anträge zeigten aber, dass der Bedarf an investiven Maßnahmen zur Stärkung des Hilfesystems im Feld hoch sei, schreibt die Regierung. „Die Förderanfragen, die die für die Administration zuständige Bundesservicestelle im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) erreichen, sind von ganz unterschiedlicher Qualität. Dies macht teilweise einen hohen Beratungs- und Nachbesserungsaufwand notwendig, bis hin zu grundlegenden Veränderungen des Vorhabenzuschnitts. Dies führt im Ergebnis zu Verzögerungen in der Antragstellung und Projektumsetzung sowie Verlagerungen des Mittelabrufs und des Mittelabflusses.“ Die Bundesregierung habe die administrativen Kapazitäten für die Beratung und Antragsbearbeitung deshalb erweitert und das Finanz-Monitoring der Mittelbedarfsplanungen verstärkt, heißt es weiter in der Antwort.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 525 vom 10.10.2022

Frauen sind deutlich häufiger aufgrund einer psychischen Belastungsstörung arbeitsunfähig geschrieben als Männer. Das geht aus einer Antwort (20/3671) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/3374) der Fraktion Die Linke hervor, in der sich die Regierung auf Zahlen für das Jahr 2020 – die aktuellsten Daten – bezieht. Aus den Statistiken geht ferner hervor, dass vor allem die Bereiche Öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung/Gesundheits- und Sozialwesen und Erziehung und Unterricht unter derartigen Arbeitsausfällen zu leiden hatten. Auch bei Rentenzugängen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach psychischen und Verhaltensstörungen waren Frauen 2020 deutlich stärker repräsentiert als Männer.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 519 vom 06.10.2022

Die Fraktion Die Linke fordert in einem Antrag (20/3791), 32 Jahre nach der Wiedervereinigung einen Schutzschirm gegen Inflation und Armut zu spannen und die Lohn- und Renteneinheit herzustellen.

Darin wirft die Fraktion der Bundesregierung vor, das Land auf eine soziale Katastrophe hinzusteuern, von der die ostdeutschen Bundesländer aufgrund des Lohn- und Rentengefälles besonders hart betroffen seien. „Die Verteuerungen können den Angleichungsprozess zwischen Ost und West um Jahre zurückwerfen“, mahnen die Abgeordneten.

Sie fordern von der Bundesregierung deshalb unter anderem, einen Schutzschirm gegen Inflation und Armut zu spannen, der ein Sofortprogramm beinhaltet, aus dem alle Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen ein Jahr lang monatlich 125 Euro plus 50 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied erhalten. Ein Preisdeckel für ein Grundkontingent an Gas und Strom für Privathaushalte soll eingeführt und Strom- und Gassperren verboten werden. Außerdem soll eine Übergewinnsteuer auf Milliardengewinne der Energiekonzerne eingeführt und ein Rettungsfonds für Unternehmen eingerichtet werden, der – ähnlich wie in der Corona-Krise – Insolvenzen aufgrund der hohen Energiepreise verhindert.

Die Regierung soll außerdem die Voraussetzungen für gleiche Löhne und Gehälter in Ost und West – und damit die Lohneinheit – schaffen, indem der gesetzliche Mindestlohn zügig über 12 Euro hinaus angehoben wird, Leiharbeit und sachgrundlose Befristungen verboten werden, eine erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen gesetzlich geregelt wird sowie die Gewerkschaften – unter Beachtung der Tarifautonomie – dabei unterstützt werden, Tarifverträge abzuschließen, mit denen immer noch bestehende pauschale Differenzierungen nach Ost und West aufgehoben werden. Die gesetzliche Rente soll in die Lage versetzt werden, den Lebensstandard zu sichern und vor Armut im Alter zu schützen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 511 vom 05.10.2022

Die Bundesregierung plant im Zuge der Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes auch Folgeänderungen in anderen Gesetzen. Der Meinungsbildungsprozess dazu, welche Gesetze und welche Anpassungen dies betreffen wird, ist noch nicht abgeschlossen. Das schreibt die Regierung in ihrer Antwort (20/3559) auf eine Kleine Anfrage (20/3264) der AfD-Fraktion. In Regelungsbereiche, bei denen die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liege, greife die Bundesregierung grundsätzlich nicht ein, heißt es in der Antwort weiter.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 509 vom 04.10.2022

Die Bundesregierung beabsichtigt, im Hinblick auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Weiterentwicklung des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes die Zusammenführung beider Gesetze konkret in den Blick zu nehmen. Das schreibt die Regierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/3447) zur Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige. Diese Gegenäußerung liegt nun als Unterrichtung (20/3710) vor.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 508 vom 04.10.2022

Die Bundesregierung arbeitet intensiv an einer Lösung für das Problem des fehlenden Mutterschutzes bei Selbstständigen. Das machten die Parlamentarischen Staatssekretärinnen Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen; Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) am Montagnachmittag während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses deutlich. Grundlage der Sitzung war die Petition der selbstständigen Tischlermeisterin Johanna Röh, die 111.794 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden hatte.

Selbstständige Schwangere müssten den gleichen gesetzlichen Mutterschutz genießen wie Angestellte, heißt es in der Eingabe. Eine Schwangerschaft dürfe keine Existenzbedrohung darstellen oder zu einer Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt führen. „Vor allem für Gründerinnen, Chefinnen in investitionsintensiven Branchen und Selbstständige in körperlich arbeitenden Berufszweigen müssen Instrumente geschaffen werden, die schwangerschaftsbedingte Betriebsschließungen verhindern“, schreibt die Petentin.

Während eine angestellte Tischlerin mit Bekanntwerden der Schwangerschaft sofort ein betriebliches Beschäftigungsverbot bei voller Lohnfortzahlung bekommen hätte, sei sie weiter auf der Baustelle aktiv gewesen, um den Fortbestand ihres Betriebes zu sichern, sagte Röh vor den Abgeordneten. Wäre sie insolvent gegangen, hätte sie das in den letzten Jahren in den Betrieb geflossene Kapital verloren, ihre Auszubildende hätte sich einen neuen Ausbildungsplatz suchen müssen und sie den Betrieb später wieder neu aufbauen oder sich eine Anstellung suchen müssen. „Womöglich noch bei einem Tischlermeister, der Familie und Betrieb problemlos vereinbaren kann, weil er nicht derjenige ist, der selbst das Kind bekommt.“ Das sei keine Chancengleichheit, sagte sie.

In der Coronapandemie, so Röh, sei es auch gelungen, Unternehmen aufzufangen. „Das erwarten wir bei uns auch“, machte sie deutlich. Aktuell sei es aber so, dass sie zwar Haushaltshilfe hätte beantragen können, aber keine Betriebshilfe.

Wirtschafts-Staatssekretärin Brantner machte deutlich, dass das Thema in ihrem Ministerium angekommen sei. Es sei eine Arbeitsgruppe gegründet worden, die mit Verbänden und Betroffenen nach Lösungen suche. Brantner lud die Petentin ein, sich daran zu beteiligen. „Wir müssen Lösungen finden, auch wenn diese nicht trivial sind“, sagte die Staatssekretärin.

Das Mutterschutzgesetz erfasse die Selbstständigen nicht, da es von Arbeitgebern fordere, Schutzzonen für Arbeitnehmerinnen zu schaffen, erläuterte Familien-Staatssekretärin Deligöz. Schutzmöglichkeiten könnte es über die privaten und gesetzlichen Krankenkassen geben, die aber auch begrenzt wären, sagte sie. Interessant sei das Vorbild aus der Landwirtschaft, so Deligöz. Hier gebe es schon die Möglichkeit, landwirtschaftliche Betriebshilfe zu beantragen. Um auf dieser Basis eine Betriebshilfe auch für Handwerksbetriebe zu schaffen, sei sie in Gesprächen mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Es könne über den berufsständischen Weg laufen, sagte sie. Österreich, so die Staatssekretärin, mache das beispielsweise über Beiträge der Selbstständigen.

Die die Petentin begleitende Anwältin Angela Heinssen warb vor dem Ausschuss für eine schnelle Lösung. Das koste vielleicht etwas, sagte sie. Die Rendite, die es auch kurzfristig gebe, indem Firmen gegründet, Handwerksbetriebe übernommen und Arztpraxen im ländlichen Raum gesichert würden, sei aber unschätzbar.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 483 vom 26.09.2022

Kinder und Jugendliche sind nach Einschätzung von Gesundheitsexperten während der Corona-Pandemie besonders belastet worden. Bei einem Fachgespräch am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestages wiesen Ärzte und Psychologen auf die teils gravierenden Folgen des Lockdowns und der Schulschließungen hin. Nach übereinstimmender Ansicht der Fachleute hätten die Belange von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie politisch stärker berücksichtigt werden müssen.

Der Kinder- und Jugendarzt Burkhard Rodeck, zugleich Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), bezweifelte, dass mit den politischen Entscheidungen in der Pandemie die Belange und Bedarfe von Kindern und Jugendlichen immer adäquat berücksichtigt worden sind. Er betonte, im Gegensatz zu Erwachsenen sei die Krankheitslast bei Kindern in der Coronakrise extrem gering ausgefallen. Sehr wenige Kinder seien nach einer Infektion gestorben, vor allem vorerkrankte Kinder. Zwar gebe es auch bei Kindern Corona-Langzeitfolgen, in der Regel aber mit guter Prognose.

Ähnlich argumentierte Lutz Hempel, Vorstandsmitglied der Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland (GKinD). Die Covid-Erkrankung sei bei Kindern und Jugendlichen in der Regel gut behandelbar gewesen. Es habe allerdings viele Fälle von RSV-Erkrankungen (Respiratorisches Synzytial-Virus) gegeben, eine Folge der Isolation von Kleinkindern, deren kindliches Immunsystem nicht ausreichend gestärkt worden sei. Dies könne noch Auswirkungen haben auf künftige Grippeerkrankungen. Nach Hempels Einschätzung war die Covid-Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen weniger dramatisch als der Lockdown. Er mahnte, es dürfe nie wieder zu einer so drastischen Einschränkung des Lebens von Kindern und Jugendlichen kommen.

Auf die psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen in der Pandemie ging der Forscher und Psychotherapeut Julian Schmitz ein, der von einer starken Zunahme an psychischen Erkrankungen in der Altersgruppe sprach. Zu den Gründen gehörten Alltagseinschränkungen und Schulschließungen. Die psychische Belastung dauere an, hinzu kämen als Gründe aktuell wirtschaftliche Probleme, Kriegsangst und Sorge wegen des Klimawandels.

Schmitz nannte die Versorgungslage für Patienten mit psychischen Störungen katastrophal. In der Pandemie hätten sich die Wartezeiten auf einen ambulanten Psychotherapieplatz in ländlichen Gebieten verdoppelt. Betroffene warteten teilweise ein Jahr und länger. Er forderte eine kurzfristige Verbesserung der therapeutischen Lage mit Sonderzulassungen und einer angepassten Bedarfsplanung sowie eine frühzeitige Intervention bei auffälligen Kindern.

Ursula Marschall vom Barmer Institut für Gesundheitsforschung sieht Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie ebenfalls als besonders belastet an. Sie wandte sich aber gegen die Darstellung, wonach es sich um eine verlorene Generation handele. Sie forderte mehr zielgruppengerechte Angebote für die psychische Versorgung, die Sicherstellung in der ambulanten Psychotherapie und mehr Gruppentherapieangebote.

Nach Aussage von Ulrike Ravens-Sieberer, Forschungsdirektorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, zeigen Studien, dass die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie höher war als vorher. Der Lockdown habe einen deutlichen Anstieg der Belastung gebracht. Betroffen seien vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Beobachtet worden seien vermehrt Stresssymptome und Ängstlichkeit. Helfen könnten ein gutes Familienklima und Strukturen im Alltag.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 464 vom 21.09.2022

Bundesweit stehen im kommenden Jahr deutlich weniger Kita-Plätze zur Verfügung, als benötigt werden. Insbesondere die westdeutschen  Länder können den Betreuungsbedarf von Eltern für ihre Kinder noch  nicht decken. Doch es fehlt nicht nur an Plätzen, sondern häufig auch  an einer kindgerechten Personalausstattung, gerade in Ostdeutschland. Um das zu ändern, braucht es viel mehr Fachkräfte, doch genau die fehlen. Das Problem verlangt dringend nach politischen Antworten.

In Deutschland gibt es noch immer zu wenig Kita-Plätze, um die  Nachfrage zu decken. Gemessen an den Betreuungswünschen fehlen im kommenden Jahr voraussichtlich bis zu 383.600 Plätze bundesweit: 362.400 im Westen und 21.200 im Osten. Das geht aus neuen  Berechnungen der Bertelsmann Stiftung für das aktuelle  Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme hervor. Um den  Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen, müssten zusätzlich zum  vorhandenen Personal weitere 93.700 Fachkräfte im Westen und 4.900 im Osten eingestellt werden. Für diese insgesamt 98.600 Personen  würden zusätzliche Personalkosten von 4,3 Milliarden Euro pro Jahr  entstehen, von denen der Großteil (4,1 Milliarden Euro) auf die  westdeutschen Bundesländer entfiele. Hinzu kämen Betriebs- und  mögliche Baukosten für Kitas. Noch herausfordernder als die  Finanzierung wird es jedoch sein, die benötigten Fachkräfte für die  Kitas zu gewinnen. 

Um die Zahl der fehlenden Kita-Plätze in allen Bundesländern zu  ermitteln, hat die Bertelsmann Stiftung die Betreuungsquoten der Kita-Kinder im Jahr 2021 mit dem Anteil der Eltern abgeglichen, die im  gleichen Jahr in der Kinderbetreuungsstudie des Deutschen  Jugendinstituts (DJI) einen Betreuungsbedarf äußerten. Ein genauerer  Blick zeigt, dass in fast allen Bundesländern, vor allem in den  westdeutschen, die Nachfrage der Eltern nach Kita-Plätzen höher ist als der Anteil an Kindern, die 2021 betreut wurden. Der größte Mangel  besteht im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen  mit 101.600 fehlenden Kita-Plätzen, während in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen kein Platzausbau erforderlich ist. Auch in  den Stadtstaaten ist der Platzmangel unterschiedlich ausgeprägt. In  Berlin gibt es 17.000 Kita-Plätze zu wenig, was einer Unterversorgung  von rund sieben Prozent entspricht. In Bremen fehlen 5.400 (rund  dreizehn Prozent) und in Hamburg 3.700 Plätze (drei Prozent). Der Ausbaubedarf unterscheidet sich darüber hinaus nach Altersgruppe.  Den Berechnungen zufolge fehlen für unter dreijährige Kinder in  Westdeutschland rund 250.300 Kita-Plätze, in Ostdeutschland (inklusive Berlin) sind es rund 20.700. Für die Kinder ab drei Jahren  gibt es in den westdeutschen Bundesländern 112.100 Plätze zu wenig,  gegenüber 500 im Osten.

„Rechtsanspruch auf Betreuungsplatz endlich erfüllen“

„Trotz des massiven Kita-Ausbaus in den vergangenen Jahren finden noch immer zu viele Eltern keinen Platz für ihre Kinder. Das ist in  doppelter Hinsicht untragbar: Die Eltern müssen die Betreuung selbst  organisieren, während den Kindern ihr Recht auf professionelle  Begleitung in der frühen Bildung vorenthalten wird. Schon jetzt ist  abzusehen, dass sich der gesetzlich verankerte Rechtsanspruch auf  einen Platz in der Kindertagesbetreuung auch 2023 vielerorts nicht  einlösen lässt“, sagt Anette Stein, Expertin für frühkindliche Bildung  der Bertelsmann Stiftung. Seit 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen  Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, für  Kinder ab drei Jahren besteht er schon seit 1996.

Die Problemlage tritt noch deutlicher zutage, wenn auch die Qualität  der frühkindlichen Bildung verbessert werden soll. Denn noch immer  werden bundesweit 68 Prozent aller Kita-Kinder in Gruppen betreut,  deren Personalschlüssel nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen entsprechen. In Ostdeutschland trifft dies auf rund 90 Prozent der Kita-Kinder zu, doch auch im Westen ist der Anteil mit 63 Prozent zu hoch.  Damit 2023 nicht nur ausreichend Kita-Plätze zur Deckung der  Betreuungsbedarfe bereitstehen, sondern auch alle Plätze kindgerechte  Personalschlüssel aufweisen, müssten 308.800 Fachkräfte zusätzlich beschäftigt werden. Das entspräche Personalkosten von rund 13,8  Milliarden Euro jährlich.

„Die Länder und Kommunen müssen den Platzausbau jetzt mit  Nachdruck vorantreiben“, sagt Anette Stein. Zwar sieht das neue Kita-Qualitätsgesetz vor, dass der Bund 2023 und 2024 jeweils bis zu zwei  Milliarden Euro für die frühkindliche Bildung bereitstellt. Doch weil diese Mittel nicht reichen werden, sei es laut Stein unausweichlich, dass der Bund in größerem Umfang in die dauerhafte Finanzierung des Kita-Systems einsteigt. Die Bundesmittel sollten dazu eingesetzt werden, den Qualitätsausbau in Form kindgerechter Personalschlüssel voranzutreiben. Dieses Vorhaben hat die Ampelregierung im  Koalitionsvertrag vereinbart.

Arbeitsbedingungen spürbar verbessern – auch durch bessere Personalausstattung

Allerdings sind die Kosten nicht das Kernproblem. „Die größte Hürde  auf dem Weg zu genügend Plätzen und mehr Qualität in der  frühkindlichen Bildung ist und bleibt der enorme Fachkräftemangel. Es muss jetzt sehr schnell gelingen, viel mehr Personen für das Berufsfeld  zu gewinnen“, betont Stein, und verweist auf die Wechselwirkung: „Mit  mehr Personal verbessern sich die Arbeitsbedingungen für alle. Damit  steigen die Chancen, dass sich mehr Menschen für die Arbeit in einer  Kita entscheiden, und zugleich die vorhandenen Fachkräfte im Beruf  verbleiben.“ Damit mittelfristig eine bessere Personalausstattung  möglich ist, braucht es eine verbindliche Strategie, wie zukünftig mehr  und qualifiziertes Personal hinzukommen wird. Hierfür können  gesetzlich verankerte Stufenpläne hilfreich sein. Ansonsten verlieren  die Kitas ihre Attraktivität als Arbeitsplatz und können ihren  Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen.

Es wird Zeit beanspruchen, die benötigten Fachkräfte zu gewinnen und  vor allem zu qualifizieren. Dennoch muss es bereits jetzt gelingen, das  vorhandene Kita-Personal zu entlasten. Dazu kann die zusätzliche  Beschäftigung von Hauswirtschaftskräften gehören. Vor allem aber  sollte das jetzige Aufgabenspektrum von Kitas konsequent überprüft  und priorisiert werden. Denn die Anforderungen an das Kita-Personal  sind sehr vielfältig und lassen sich mit der aktuellen  Personalbemessung nicht mehr umsetzen. „Die Politik muss  gemeinsam mit der Praxis und mit Beteiligung der Eltern die Frage  beantworten: Worauf kann verzichtet werden, ohne das Recht der  Kinder auf Bildung und gutes Aufwachsen zu verletzen?“, so Stein.

Zusatzinformationen

Für das Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme wurden  Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der  Kinder- und Jugendhilfestatistik (Stichtag 1. März 2021), des BMFSFJ  („Kindertagesbetreuung Kompakt“, 2021) und weiteren amtlichen  Statistiken ausgewertet. Die Berechnungen haben das LG Empirische  Bildungsforschung der FernUniversität in Hagen, Economix Research  & Consulting und die Bertelsmann Stiftung durchgeführt. Die Daten  und Quellen sind auf der Seite www.laendermonitor.de sowie in den
Länderprofilen unter www.laendermonitor.de/laenderprofile zu finden. Eine kompakte Darstellung der Ergebnisse bietet dazu die Online-Broschüre www.bertelsmann-stiftung.de/kitapersonal-braucht-prioritaet.

Quelle: Pressemitteilung Bertelsmann Stiftung  vom 20.10.2022

Studie untersucht Gender Gap bei Einkommenserwartungen – Abiturientinnen gehen davon aus, dass sie mit 35 Jahren in Vollzeitjob mit Hochschulstudium fast 16 Prozent weniger Gehalt haben werden als Männer – Politik sollte unter anderem Anreize für gleichmäßigere Aufteilung von Sorgearbeit stärken, um Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit weiter zu verbessern

Bereits kurz nach dem Abitur erwarten Frauen, dass sie im Alter von 35 Jahren in einem Vollzeitjob mit Hochschulabschluss ein um 15,7 Prozent niedrigeres monatliches Nettoeinkommen haben werden als Männer. Das ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen Studie, die auf Daten des Berliner-Studienberechtigten-Panels (Best Up) basiert und an der auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) beteiligt ist. Für Tätigkeiten, die eine Berufsausbildung voraussetzen, ist der Gender Gap in den Einkommenserwartungen mit 13 Prozent demnach etwas geringer. Fast die Hälfte der Unterschiede bei den Einkommenserwartungen von Frauen und Männern geht darauf zurück, dass Frauen aufgrund erwarteter familiärer Verpflichtungen mit weniger Einkommen rechnen. Obwohl sich Männer gleichermaßen ausreichend Zeit für die Familie wünschen, gehen sie im Gegensatz zu Frauen nicht davon aus, dass sie deshalb später Abstriche bei ihrem Erwerbseinkommen machen müssen.

„Dass Frauen und Männer unterschiedliche Vorstellungen von ihrem späteren Einkommen haben, mag auf den ersten Blick nicht problematisch erscheinen – doch das Gegenteil ist der Fall: Wenn Frauen beispielsweise mit geringen Erwartungen in Gehaltsverhandlungen gehen, bekommen sie womöglich tatsächlich ein niedrigeres Gehalt. Zudem können Einkommenserwartungen mit darüber entscheiden, ob sich junge Menschen nach dem Abitur überhaupt für ein Studium einschreiben. Über solche Kanäle trägt der Gender Gap bei den Einkommenserwartungen zum tatsächlichen Gender Pay Gap bei“, erklärt DIW-Ökonom Andreas Leibing aus der Abteilung Bildung und Familie im DIW Berlin.

Gemeinsam mit C. Katharina Spieß, Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), und Frauke Peter vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) hat Leibing die Angaben von 308 Frauen und 205 Männern aus dem Jahr 2014 ausgewertet. Im Rahmen von Best Up wurden Schülerinnen und Schüler an insgesamt 27 Berliner Schulen befragt.

Ausbau der Kindertagesbetreuung und mehr Frauen in Führungspositionen als Ansatzpunkte

Für das Szenario eines Vollzeitjobs mit Hochschulabschluss erwarten Frauen den Berechnungen zufolge im Durchschnitt ein monatliches Nettogehalt von 3 153 Euro. Männer hingegen rechnen mit durchschnittlich 3 740 Euro. Die Einkommensabschläge, die Frauen aufgrund ihrer Präferenz für Zeit mit der Familie erwarten, sind bei Karrieren mit einem vorausgesetzten Masterabschluss größer als mit einem Bachelorabschluss. „Dies deutet darauf hin, dass Frauen bereits nach dem Abitur davon ausgehen, eine Vollzeitarbeit eher mit einem geringen Stundenumfang ausüben zu können, und damit bestimmte Karrieren für sich von vornherein ausschließen“, vermutet Peter. Männer hingegen erwarten nicht, dass sie solche Kompromisse werden eingehen müssen.

„Wenn Frauen beispielsweise mit geringen Erwartungen in Gehaltsverhandlungen gehen, bekommen sie womöglich tatsächlich ein niedrigeres Gehalt. Zudem können Einkommenserwartungen mit darüber entscheiden, ob sich junge Menschen nach dem Abitur überhaupt für ein Studium einschreiben. “ Andreas Leibing

Wenn die Politik den Gender Pay Gap nachhaltig reduzieren wolle, müsse sie also auch die Einkommenserwartungen junger Menschen in den Fokus nehmen, schlussfolgern Leibing, Peter und Spieß. Zum einen sollte in den Schulen rechtzeitig vor dem Abitur darüber informiert werden, wie sich im späteren Arbeitsleben Familien- und Erwerbsarbeit ohne große Einkommensabschläge vereinbaren lassen. Zum anderen müsste diese Vereinbarkeit aber auch noch deutlich verbessert werden. „So sollten Anreize gesetzt werden, damit sich Frauen und Männer die Familienarbeit gleichmäßiger aufteilen“, empfiehlt Spieß. „Auch der weitere Ausbau der Kindertagesbetreuung, insbesondere im Bereich ganztägiger Angebote, muss mit Nachdruck verfolgt werden.“ Zudem seien mehr Frauen in Führungspositionen wichtig – sie könnten ein Vorbild für junge Frauen sein und zeigen, dass Karriere und Familie zusammengehen, ohne Abstriche beim Einkommen machen zu müssen.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 19.10.2022

DIW-Studie liefert erstmals repräsentative Daten zu NutzerInnen von Tafeln – Rund 1,1 Millionen Menschen besuchten Tafeln im ersten Halbjahr 2020 – Drei Viertel der Befragten sind erwerbslos – Ein Viertel sind Kinder – BesucherInnen überdurchschnittlich häufig gesundheitlich beeinträchtigt – Krieg in der Ukraine und Inflation könnten Situation verschärfen

Alleinerziehende und Schwerbehinderte nutzen Tafeln besonders häufig – jeweils rund ein Drittel der TafelbesucherInnen gibt an, zu diesen Gruppen zu gehören. Das zeigt eine Studie von DIW-Wissenschaftlern, für die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet wurden. Der Datensatz erlaubt erstmals eine belastbare Schätzung der Zahl von TafelbesucherInnen und deren demografischer Eigenschaften, zuvor lagen keine verallgemeinerbaren Daten vor. Demnach nutzten im ersten Halbjahr 2020 knapp 1,1 Millionen Menschen in Deutschland die Tafeln, das sind etwa 1,3 Prozent der Bevölkerung. „Offenbar gibt es eine relevante Gruppe von Menschen, die mithilfe der Tafeln ihre Nahrungsmittelversorgung sicherstellen müssen“, sagt Markus M. Grabka, Studienautor und Mitglied im Direktorium des SOEP im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Mehr als zwei Drittel der TafelbesucherInnen sind von Armut betroffen

Die größte Gruppe unter den TafelbesucherInnen sind Erwerbslose. Drei Viertel der Befragten gaben an, keiner Arbeit nachzugehen. Zu den TafelbesucherInnen gehört aber auch eine Gruppe von zwölf Prozent, die Vollzeit arbeiten. Zwei Drittel der TafelbesucherInnen beziehen ein Einkommen unterhalb der Armutsrisikoschwelle. Im Schnitt geben die TafelnutzerInnen an, über etwa die Hälfte des Durchschnittseinkommens der restlichen Bevölkerung zu verfügen. Die Lebensmittelausgaben belasten diese Gruppe – trotz Tafelbesuchs – besonders: Etwa ein Fünftel ihres Einkommens geben sie im Schnitt für Lebensmittel aus. „Die Tafeln stellen ein zunehmend wichtiges Angebot zur Bewältigung von Armut dar, sie können aber keine Dauerlösung für die Betroffenen sein“, so Jürgen Schupp, Studienautor und Senior Research Fellow im DIW Berlin.

„Die Tafeln stellen ein zunehmend wichtiges Angebot zur Bewältigung von Armut dar, sie können aber keine Dauerlösung für die Betroffenen sein.“ Jürgen Schupp

Ein Viertel der TafelbesucherInnen sind Minderjährige. Gemessen am Bevölkerungsschnitt sind SeniorInnen über 65 Jahren hingegen eher unterdurchschnittlich vertreten. Scheidung und Trennung sind häufig Auslöser finanzieller Notsituationen, dementsprechend besuchen Menschen, die solche Ereignisse erlebt haben, Tafeln überdurchschnittlich häufig. Am auffälligsten ist jedoch die Gruppe der Alleinerziehenden: Mit einer Inanspruchnahmequote von vier Prozent nimmt fast jede 20. alleinerziehende Person Tafeln in Anspruch. „Dass vor allem Familien Tafeln nutzen müssen, wirft kein gutes Licht auf die soziale Absicherung von Kindern“, so Schupp. „Die Ampelkoalition muss jetzt zügig die Kindergrundsicherung auf den Weg bringen.“

Tafeln können staatliche Armutsbekämpfung nur ergänzen, nicht ersetzen

Wer eine Tafel besucht, ist häufig von gesundheitlichen Problemen betroffen. Mehr als ein Drittel der TafelbesucherInnen gibt an, in einem „weniger guten“ oder „schlechten“ Gesundheitszustand zu sein. Zudem geben die Befragten deutlich öfter als der gesellschaftliche Durchschnitt an, sich häufig traurig zu fühlen, was auf Einschränkungen der mentalen Gesundheit hinweist.

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und im Zuge der Preissteigerungen werden Tafeln noch stärker beansprucht. „Die Tafeln können kein Ersatz der staatlichen Verantwortung für die Gewährung staatlicher Sozialleistungen sein; für langfristige Armutsbekämpfung müssen zudem staatliche Maßnahmen dafür sorgen, die Ursachen von Armut zu bekämpfen“, sagt Grabka. „Es wird nicht ausreichen, mit dem Grundbetrag des Bürgergeldes nur die Inflation beim Hartz-IV-Satz auszugleichen“, gibt Schupp zu bedenken. Zudem gelte es, bestehende staatliche Förderungen von Initiativen der Tafelbewegung zur Weiterentwicklung als Lotsenzentren fortzuführen und bei Bedarf auszubauen.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. vom 28.09.2022

Durch neue Preisschübe bei Haushaltsenergie und Nahrungsmitteln sowie den Wegfall von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket hat die Inflation im September für alle Haushalte in Deutschland noch einmal deutlich angezogen, auf durchschnittlich 10,0 Prozent. Weit überdurchschnittlich belastet sind einkommensschwache Familien und, in etwas abgeschwächter Form, Alleinlebende mit niedrigem Einkommen. Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben trugen Familien mit niedrigem Einkommen im September eine Inflationsbelastung von 11,4 Prozent, bei ärmeren Singles waren es 10,8 Prozent. Dagegen weisen Alleinlebende mit hohem Einkommen wie in den Vormonaten die im Vergleich geringste haushaltsspezifische Teuerungsrate auf: 8,0 Prozent. Damit hat sich die soziale Schere bei den Inflationsraten gegenüber August noch einmal deutlich geöffnet, von 2,1 auf 3,4 Prozentpunkte. Das ist der höchste in diesem Jahr gemessene Wert und liegt daran, dass die größten Preistreiber – Haushaltsenergie und Lebensmittel – bei den Einkäufen von Haushalten mit niedrigen bis mittleren Einkommen einen größeren Anteil ausmachen als bei wohlhabenden. Auch Alleinerziehende und Familien mit jeweils mittleren Einkommen hatten mit 10,4 Prozent bzw. 10,2 Prozent etwas überdurchschnittliche Teuerungsraten zu tragen, während kinderlose Paare und Alleinlebende mit jeweils mittleren Einkommen mit 9,9 Prozent sehr nahe am allgemeinen Durchschnitt lagen. Familien und Alleinlebende mit jeweils höheren Einkommen wiesen unterdurchschnittliche Raten von 9,3 bzw. 9,5 Prozent auf (siehe auch die Abbildung der pdf-Version dieser PM, Link unten, und die Informationen zur Methode unten). Das ergibt der IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen liefert.*

„Die spezifischen Inflationsraten zeigen, dass Haushalte mit geringeren Einkommen durch den Preisanstieg bei Haushaltsenergie überproportional belastet sind und sich hier auch die Verteuerung der Nahrungsmittel stärker niederschlägt“, erklären Dr. Silke Tober und Prof. Dr. Sebastian, die den Monitor erstellen. So schlugen bei Familien mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen diese beiden Gütergruppen des täglichen Grundbedarfs mit 7,2 Prozentpunkten auf die haushaltsspezifische Inflationsrate von 11,4 Prozent durch, bei einkommensschwachen Alleinlebenden machten sie sogar 7,9 Prozentpunkte der 10,8 Prozent spezifische Teuerung aus. Bei einkommensstarken Alleinlebenden entfielen darauf hingegen lediglich 3,3 Prozentpunkte von insgesamt 8,0 Prozent. Bei diesen Haushalten sorgten dagegen die im Vorjahresvergleich ebenfalls erheblichen Preisanstiege bei Pauschalreisen, Gaststättendienstleistungen oder Wohnungsinstandhaltung für höhere Ausgaben. Erheblich von den Preissprüngen bei Lebensmitteln und Haushaltsenergie betroffen waren auch Familien mit mittleren Einkommen, bei denen diese Komponenten 5,3 Prozentpunkte von 10,2 Prozent Teuerungsrate ausmachten. Zusätzlich schlugen bei Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen auch die Kostensteigerungen für Kraftstoffe und öffentlichen Verkehr nach Auslaufen von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket spürbar zu Buche.

Das Problem, dass Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen aktuell auch noch besonders hohe Inflationsbelastungen tragen, wird dadurch verschärft, dass vor allem Ärmere grundsätzlich besonders unter starker Teuerung leiden, unterstreichen Tober und Dullien: Die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, sind kaum zu ersetzen. Zudem besitzen diese Haushalte kaum Spielräume, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten.

Gaspreisbremse: Politik muss Prüfauftrag für Obergrenze bei Entlastung ernst nehmen

Umso wichtiger sind nach Analyse der Inflationsexpertin und des wissenschaftlichen Direktors des IMK die Stabilisierung von Einkommen und die staatliche Entlastungspolitik. Die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen gingen, insbesondere nach den durch das 3. Entlastungspaket vorgenommenen Ergänzungen, „weitgehend in die richtige Richtung“, konstatieren Tober und Dullien. So komme die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro, die Erwerbstätige im September erhalten haben, und die im Dezember an Menschen im Ruhestand und andere zuvor ausgelassene Gruppen gezahlt wird, insbesondere Haushalten mit niedrigerem Einkommen zugute, da sie versteuert werden muss. Dasselbe gilt für die Pauschalen, die für Kinder gezahlt wurden.

Die Vorschläge der Gaskommission für eine Gaspreisbremse sind für die Forschenden ein wichtiger Baustein, um weitere deutliche Preisschübe in den kommenden Monaten zumindest in wichtigen Teilen abzufangen. Auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas und der Verzicht auf die Gasumlage lassen Tober und Dullien – bei allen Unwägbarkeiten durch weitere Eskalationen im Ukraine-Krieg – etwas optimistischer auf den weiteren Inflationsverlauf schauen als noch vor einem Monat.

Dabei ist die Gaspreisbremse in der derzeit diskutierten Form nach Analyse von IMK-Direktor Dullien insgesamt „ein großer Beitrag, um über den Winter Zahlungsausfälle und finanzielle Not bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein zu verhindern“. Der Staat würde im Schnitt etwas mehr als 40 Prozent der Heizrechnung übernehmen, wenn Haushalte weiter so Gas verbrauchen wie im Vorjahr. Diese prozentuale Entlastung ist unabhängig vom Gasverbrauch und Einkommen, und gilt damit für Menschen in einer 60-Quadratmeter-Wohnung genauso wie für jene mit einem alten, schlecht isolierten Haus auf dem Land.

Die vorgeschlagene prozentuale Übernahme der Heizkosten basierend auf dem üblichen Verbrauch durch den Staat bedeute allerdings auch, dass Haushalte mit hohem Verbrauch und hoher Heizrechnung in Euro gerechnet stärker entlastet werden als Haushalte mit niedrigem Verbrauch. Und während es auch bei Geringverdienenden Haushalte mit hohem Gasverbrauch gibt, kommt das in den oberen Einkommensdezilen mit durchschnittlich größeren Wohnflächen häufiger vor. Wenn die Entlastung ohne Obergrenze geschehe, erhielten Besitzer von großen Luxusimmobilien Entlastungsbeträge, die im Extremfall den Durchschnitt um ein Mehrfaches übersteigen könnten.

Da Energieversorger aktuell gar nicht wissen, ob hinter einem Anschluss beispielsweise eine Villa mit Privatschwimmbad oder ein Mehrfamilienhaus mit 10 Mietparteien steckt, sei dieses Problem administrativ nicht einfach zu lösen, betont Dullien. Schon gar nicht bei dem enormen Zeitdruck, unter dem die Gaskommission arbeiten musste. Die Kommission habe die Problematik aber erkannt und deshalb einen deutlichen Prüfauftrag an die Bundesregierung gegeben, wie man die Entlastung zumindest bei Haushalten mit extremem Energieverbrauch begrenzen kann. Eine im Kommissionsbericht genannte Möglichkeit wäre eine Höchstzahl an Kilowattstunden, die als subventioniertes Grundkontingent gutgeschrieben werden. Das empfehlen auch Tober und Dullien: Eine mögliche Schieflage sollte „unbedingt dadurch korrigiert werden, dass Obergrenzen eingezogen werden, die nur dann durchlässig sind, wenn nachgewiesen wird, dass es sich bei dem Anschluss um einen Anschluss mehrerer Wohnungsparteien handelt.“

Informationen zum Inflationsmonitor

Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich.

Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.

Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung  vom 18.10.2022

  • Hoher Anteil von Personen aus Alleinerziehenden-Haushalten und Alleinlebenden in den unteren Einkommensgruppen
  • Rund die Hälfte aller Personen im Ruhestand mit Nettoäquivalenzeinkommen unter 22 000 Euro im Jahr
  • Fast ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland konnte 2021 größere, unerwartet anfallende Ausgaben nicht bestreiten

Die Einführung einer Strompreisbremse, die Erhöhung des Kindergeldes, Einmalzahlungen für Studierende sowie Rentnerinnen und Rentner und ein höheres Wohngeld für mehr Berechtigte – die Bundesregierung hat im Rahmen des dritten Entlastungspaketes eine Vielzahl von Maßnahmen beschlossen. Profitieren sollen davon insbesondere Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stand nach Ergebnissen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) 2021 einem Fünftel der Bevölkerung in Deutschland ein jährliches Nettoäquivalenzeinkommen von unter 16 300 Euro zur Verfügung. Beim Äquivalenzeinkommen handelt es sich um ein um Einspareffekte in Mehrpersonenhaushalten bereinigtes Pro-Kopf-Einkommen. Einkommensreferenzjahr ist das Vorjahr der Erhebung. So hatten zwei Fünftel (40 %) der Bevölkerung ein Nettoäquivalenzeinkommen von unter 22 000 Euro im Jahr. Auf der anderen Seite hatten zwei Fünftel (40 %) der Bevölkerung ein Einkommen von 28 400 Euro und mehr.

Alleinerziehenden-Haushalte überdurchschnittlich oft in unteren Einkommensgruppen

Zu den 40 % der Bevölkerung mit den geringsten Einkommen zählen überdurchschnittlich oft Personen aus Alleinerziehenden-Haushalten. Fast zwei Drittel (64,6 %) von ihnen verfügten 2021 über ein Nettoäquivalenzeinkommen von weniger als 22 000 Euro im Jahr, bei gut einem Drittel (33,2 %) betrug es weniger als 16 300 Euro. Ähnliches gilt für Personen in Haushalten mit zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern: 57,7 % der Personen dieser Haushalte hatten ein Nettoeinkommen von weniger als 22 000 Euro im Jahr. Für Personen in Haushalten mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern bzw. einem Kind traf das auf 36,0 % bzw. 29,7 % zu.

Jede zweite alleinlebende Person mit Einkommen unter 22 000 Euro

Auch bei Personen, die ohne Kinder lebten, zeigen sich hinsichtlich der Einkommensverteilung deutliche Unterschiede zwischen den Haushaltstypen: So zählte 2021 mehr als die Hälfte (53,2 %) der alleinlebenden Erwachsenen zur Bevölkerung mit einem Einkommen von unter 22 000 Euro im Jahr. Knapp ein Drittel (32,2 %) der Alleinlebenden verfügte über ein Einkommen von weniger als 16 300 Euro und war demnach der untersten Einkommensgruppe zuzurechnen. Personen in Haushalten, in denen zwei bzw. drei oder mehr Erwachsene zusammenlebten, ließen sich hingegen häufiger den zwei oberen der fünf Einkommensgruppen zuordnen (49,0 % bzw. 55,7 %). Zu den obersten 40 % der Einkommensverteilung gehören Personen mit mindestens 28 400 Euro Nettoeinkommen im Jahr und zu den obersten 20 % diejenigen mit mindestens 38 100 Euro.

Rund die Hälfte aller Personen im Ruhestand mit Einkommen unter 22 000 Euro

Bei der Betrachtung der Einkommensverteilung nach der sozialen Stellung zeigt sich, dass die Hälfte (50,1 %) der Personen im Ruhestand im Jahr 2021 ein Nettoeinkommen von unter 22 000 Euro hatte, fast ein Viertel (24,6 %) verfügte über weniger als 16 300 Euro. Bei Studierenden, Schülerinnen und Schüler ab 16 Jahren lag der Anteil bei 55,4 % bzw. 35,6 %.

Bei Arbeitslosen und anderen nichterwerbstätigen Personen ab 16 Jahren gab es mit 77,1 % bzw. 58,3 % einen noch höheren Anteil in den zwei untersten Einkommensgruppen. Mehr als jede zweite arbeitslose Person (54,7 %) zählte zudem zu den 20 % der Bevölkerung mit den geringsten Einkommen. Bei den abhängig Erwerbstätigen sowie Selbstständigen gehörte hingegen gut die Hälfte (52,8 % bzw. 52,1 %) zu den zwei einkommensstärksten Gruppen der Bevölkerung.

3,7 % der Bevölkerung in Deutschland im Zahlungsverzug bei Versorgungsbetrieben

Insbesondere der Belastung durch stark steigende Energiepreise sollen die Maßnahmen des dritten Entlastungspaketes der Bundesregierung entgegenwirken. Im Jahr 2021 lebten 3,7 % der Bevölkerung in Deutschland in Haushalten, die bei Rechnungen von Versorgungsbetrieben wie etwa Strom- oder Gasanbietern im Zahlungsverzug waren. Der Anteil in Deutschland war geringer als beispielsweise im Nachbarstaat Frankreich, wo er 7,1 % betrug. Das geht aus Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat hervor. In den Niederlanden waren mit 1,2 % dagegen vergleichsweise wenige Personen bei der Begleichung von Rechnungen für Versorgungsleistungen im Rückstand.

Fast ein Drittel der Bevölkerung hierzulande kann ungeplante Ausgaben nicht bestreiten

Deutlich höher fiel 2021 der Anteil der Personen aus, die in Haushalten lebten, welche aufgrund der finanziellen Situation nicht dazu in der Lage waren, größere, unerwartet anfallende Ausgaben aus eigenen Finanzmitteln zu bestreiten. In Deutschland traf dies im Jahr 2021 auf fast ein Drittel (31,9 %) der Bevölkerung zu. Niedriger fiel der Anteil etwa in Frankreich aus: Hier konnten 27,6 % der Bevölkerung für ungeplante Ausgaben nicht eigenständig aufkommen. In den Niederlanden lag der Anteil mit 15,1 % hingegen wesentlich niedriger. In Rumänien, Kroatien, Griechenland, Zypern und Lettland verfügten jeweils mehr als 40 % der Bevölkerung nicht über ausreichende finanzielle Rücklagen für ungeplante größere Ausgaben. Als unerwartet anfallende Ausgabe galt in jedem Staat in Abhängigkeit vom Einkommensniveau eine andere Summe. In Deutschland ging es um unerwartete Ausgaben in Höhe von 1 150 Euro oder mehr.

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 05.10.2022

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Der Bundestag befasst sich in seiner heutigen Sitzung mit dem Wohngeld-Plus-Gesetz. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der AWO:

„Die Wohngeldreform ist eine wichtige Maßnahme zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts in unserer Gesellschaft. Dadurch werden gezielt Menschen mit niedrigen Einkommen oberhalb der Grundsicherungssysteme unterstützt, die sich angesichts der massiv steigenden Preise bisher von der Politik vergessen gefühlt haben. Was wir jetzt nicht brauchen, sind Sozialneid und ein Gegeneinander-Ausspielen von Leistungsberechtigten in der Grundsicherung und Menschen mit niedrigen Einkommen. Stattdessen müssen wir solidarisch durch diese Krise und dürfen niemanden zurücklassen. Die Ausweitung des Berechtigtenkreises im Wohngeld und die Einführung einer dauerhaften Heiz- und Klimakostenkomponente sind prinzipiell geeignete Mittel hierfür.“

Mit Sorge betrachtet die AWO jedoch die langen Wartezeiten bis zur Bewilligung der Leistung. Das Gesetz sieht zwar die Möglichkeit zur vorläufigen Zahlung des Wohngeldes vor, im Falle der späteren Nicht-Bewilligung droht jedoch die Rückforderung der geleisteten Zahlungen. Dies schreckt Menschen mit geringen Einkommen von einer Beantragung der Leistung ab und verschärft das Problem der sowieso geringen Nicht-Inanspruchnahme im Bereich des Wohngeldes weiter. Stattdessen müssten aus Sicht der AWO dringend Mittel für Personalaufstockungen in den gewährenden Stellen bereitgestellt werden und mehrsprachige und für jeden verständliche Informationskampagnen zur intensiven Bewerbung des Wohngeldes folgen.

Unabhängig von den zu begrüßenden Entlastungen durch das neue Wohngeld verweist die AWO auf den weiter bestehenden enormen Handlungsbedarf in der Wohnungspolitik: „Das Wohngeld entlastet zwar viele Haushalte, die schon vor der Inflation mit den steigenden Mieten zu kämpfen hatten“, so Michael Groß weiter, „doch löst das Wohngeld-Plus Gesetz nicht das Problem der seit Jahren horrend steigenden Mieten. Die Bundesregierung muss daher unverzüglich dafür sorgen, dass Mieten durch eine starke Mietpreisbremse begrenzt werden. Und: Das Angebot im sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau muss massiv vergrößert werden. Wohnen ist ein Menschenrecht und Wohnraum kein Renditeobjekt!“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 13.10.2022

Am Mittwoch, den 19.10.2022, laden die AWO-Präsident*innen Kathrin Sonnenholzner und Michael Groß zum Pressegespräch, um die Ergebnisse ihrer Deutschlandreise zu sozialen Einrichtungen und Diensten vorzustellen und Forderungen an die Politik darzulegen.

Die AWO-Präsident*innen waren angesichts von Inflation und Energiekrise seit August auf Reisen zu Einrichtungen und Beratungsstellen in ganz Deutschland, um sich vor Ort ein Bild von der Lage der Menschen und der Situation der sozialen Infrastruktur zu machen. Ihr Resümee ist ernüchternd:

Armut in Deutschland ist in der Infrastruktur, im öffentlichen Raum, in Einrichtungen und in den Quartieren erlebbar und sichtbar. Besonders im Zuhause vieler Millionen Menschen in einem der reichsten Länder der Erde ist Armut mit ihren Konsequenzen für den Alltag allgegenwärtig.

Bei immer mehr Menschen reicht das Geld nicht bis zum Ende des Monats, viele unverzichtbare Anlaufstellen stehen unter steigendem Druck – weil die Fachkräfte seit Jahren am Limit arbeiten, weil immer neue Herausforderungen dazu kommen, und weil die Teuerungen auch die Träger an die Grenze des finanziell Machbaren bringen.

Ohne das schnelle und entschlossene Handeln der Politik sind sozialer Zusammenhalt und Frieden ernstlich in Gefahr. Welche Schritte aus Sicht der AWO nun zwingend notwendig sind, dazu sprechen Kathrin Sonnenholzner und Michael Groß zur Abschlusskonferenz.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 12.10.2022

Die Frauenhauskoordinierung e. V. (FHK) feiert am morgigen 5. Oktober mit einem Festakt ihr 20-jähriges Bestehen und damit ihren engagierten und beharrlichen Einsatz gegen geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen. Dazu erklärt Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes:

„Der Einsatz für den Abbau von Gewalt gegen Frauen und für die Verbesserung der Hilfen für misshandelte Frauen und deren Kinder wird leider auch weiterhin notwendig sein. Seit Jahren wird ein Anstieg geschlechtsspezifischer Gewalt in sozialen Nahbeziehungen verzeichnet, der sich in den allermeisten Fällen gegen Partnerinnen, Ehefrauen und Ex-Partnerinnen richtet. Mit im Haushalt lebende Kinder sind dabei immer Mitbetroffene der Gewalt.“

Es fehlt nach wie vor für viele gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder der Zugang zu Schutz und Hilfe ohne Hürden. Sei es räumlich, finanziell oder weil spezifische Problemlagen vorliegen: Gewaltbetroffene Frauen können sich oftmals nach wie vor nicht aus der gefährlichen Gewaltsituationen in der Partnerschaft und/oder Familie retten. Um hier Verbesserungen für das Hilfe- und Unterstützungssystem zum Schutz vor häuslicher Gewalt  zu erzielen, braucht es endlich einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen zur Finanzierung des Hilfesystems und die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Schutz und Hilfe bei geschlechtsspezifischer Gewalt.

„Es dürfen nicht wieder ungenutzte Jahre vergehen, bis es hier zur nachweislichen Absicherung der Gewaltschutzinfrastruktur und somit zur Verbesserung des notwendige Schutzes und Hilfe für gewaltbetroffene Frauen kommt“, so Selvi Naidu, „Wir erwarten, dass in dieser Legislaturperiode endlich entscheidende bundesgesetzliche Verbesserungen auf den Weg gebracht und verabschiedet werden, die für eine nachhaltige Verbesserung in Frauenhäusern und Fachberatungsstellen sorgen und somit für gewaltbetroffene Frauen“.

Der Frauengewaltschutz wurde in vielen Jahrzehnten mit hohem persönlichem Engagement insbesondere von Frauen für Frauen aufgebaut. Neue Herausforderungen im Kontext von Partnerschaftsgewalt wie Digitale Gewalt und die zunehmende Sichtbarkeit der vielfältigen Bedarfe von Frauen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, wohnungslosen Frauen oder Frauen mit Flucht- und Migrationserfahrungen brauchen umgehend passende Lösungen und professionelle Hilfeangebote.

Die AWO als Teil des bundesweiten Gewaltschutznetzes bietet in mehr als 40 Frauenhäusern und  Schutzwohnungen sowie in mehr als 35 Frauenberatungsstellen Unterkunft, Notfallhilfe, telefonische und digitale Beratung sowie Begleitung an.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 04.10.2022

Anlässlich des Internationalen Tags für einen sicheren Schwangerschaftsabbruch fordert der AWO Bundesverband die Bundesregierung auf, die in diesem Jahr mit der Streichung des §219a StGB begonnenen Reformen fortzusetzen und die stetige Verschlechterung der medizinischen Versorgungslage für ungewollt schwangere Personen in Deutschland zu stoppen.

Aus Sicht der AWO geht das nur über die Abschaffung des §218 StGB und eine gesetzliche Neuregelung, die einen wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen sichert. Dazu erklärt Selvi Naidu, Vorstandsmitglied des AWO Bundesverbandes:

„Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat in diesem Jahr erneut festgestellt, dass Abtreibungsverbote oder Einschränkungen wie eine Pflichtberatung oder Wartezeiten nicht dazu führen, dass weniger Abbrüche durchgeführt werden. Sie erhöhen stattdessen die medizinischen Risiken für die Betroffenen. Jährlich sterben immer noch rund 39.000 Frauen weltweit an den Folgen von unsachgemäß durchgeführten Abtreibungen.“

Auch in Deutschland ist der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen durch die seit 1871 bestehende Gesetzeslage eingeschränkt. Seit 2003 hat sich die Zahl der Kliniken und Praxen, die Abbrüche vornehmen, im bundesweiten Durchschnitt fast halbiert. Eine bundesweit einheitliche, niedrigschwellig zugängliche und qualitativ hochwertige Versorgung nach neuesten medizinischen Standards ist so nicht gewährleistet, wie auch eine umfangreiche Recherche des Magazins correctiv im Frühjahr zeigte.

„Das Recht, im Laufe des Lebens selbst darüber zu entscheiden, ob und wie viele Kinder ein Mensch bekommen möchte, ist aus unser Sicht zentral für eine freie und geschlechtergerechte Gesellschaft. Selbstbestimmte Familienplanung schließt daher auch sexuelle und reproduktive Rechte wie das Recht auf einen legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch ein. Das Totalverbot in Polen und die dramatische Lage in den USA sollten dazu führen, dass wir in Deutschland in die andere Richtung gehen und eine menschenrechtskonforme und evidenzbasierte Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen einführen“, führt Selvi Naidu weiter aus.

Die AWO setzt sich gemeinsam mit ihren bundesweit vorhandenen Schwangerschaftsberatungsstellen für die Verwirklichung der sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen ein. Sie kämpft für umfassende sexuelle Bildung und Aufklärung und gute Beratung, eine bundesgesetzliche Regelung für die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für alle Geschlechter sowie eine gesetzliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches.

Weitere Informationen zur Schwangerschaftsberatung der AWO: www.awo-schwanger.de

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 28.09.2022

Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt fordert zum heutigen Europäischen Tag der pflegenden Angehörigen, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben zur Entlastung pflegender Angehöriger unmittelbar umzusetzen.

Von derzeit 4,1 Mio. pflegebedürftigen Menschen werden 3,3 Millionen zu Hause versorgt, davon wird bei 2,1 Millionen Pflegebedürftigen die Pflege allein durch Angehörige übernommen. Damit sind pflegende Angehörige – zumeist Frauen – eine tragende Säule der pflegerischen Versorgung in Deutschland: Ohne sie würde das Pflegesystem unmittelbar zusammenbrechen. Auch europaweit werden viele Menschen zu Hause von ihren meist weiblichen Angehörigen gepflegt. Die Europäische Kommission schätzt, dass fast 8 Millionen Frauen in der EU aufgrund unbezahlter Pflege- und Betreuungstätigkeit nicht berufstätig sein können. Pflegende Angehörige sind auch in Deutschland häufig armutsbedroht.

Dazu erklärt Kathrin Sonnenholzner, Vorsitzende des Präsidiums der Arbeiterwohlfahrt: „Der Koalitionsvertrag hatte gute Ansätze zur Unterstützung und Entlastung pflegender Angehöriger vorgesehen. Einer davon betrifft die regelhafte Dynamisierung des Pflegegeldes ab 2022. Passiert ist aktuell im vierten Quartal des Jahres nichts. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung mit Verweis auf die aktuelle Krisenlage die wichtigen Vorhaben des Koalitionsvertrages in der Pflege einfach fallen lässt. Gerade in dieser unsicheren und finanziell stark belastenden Krisensituation brauchen pflegende Angehörige die zugesagte finanzielle Unterstützung und den Ausbau von Entlastungsangeboten.“

Das sogenannte Pflegegeld, ein gesetzlich festgeschriebener Betrag, der pflegenden Angehörigen zusteht, wurde seit 2017 nicht mehr angehoben – gerade angesichts der derzeitigen Preissteigerungen reicht es nun bei Weitem nicht mehr aus. „Pflege darf pflegende Angehörige, die ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Pflege An- und Zugehöriger aufgeben, nicht in Armut bringen. Sie darf die Pflegenden auch nicht überfordern und letztlich selbst krank und pflegebedürftig machen. Pflege ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die AWO setzt sich daher für eine Reform der Pflegeversicherung hin zu einer solidarischen Bürgerversicherung ein, die die Finanzierung von Pflege zukunftsfest und solidarisch auf eine breite Basis stellt. Nur so können die Vorhaben und Projekte des Koalitionsvertrages überhaupt durch die Soziale Pflegeversicherung finanziert werden. Das Argument leerer Pflegekassen lassen wir insofern nicht gelten“, so Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende  des AWO Bundesverbands.

Die jüngst veröffentlichte Europäische Pflegestrategie stellt fest, dass pflegende Angehörige nicht nur finanziell, sondern auch durch Schulungen, Beratung und psychologische und finanzielle Hilfen besser unterstützt werden sollten (https://awo.org/eu-pflegestrategie).

Der Ausbau von Entlastungsangeboten wie der Tages- und Kurzzeitpflege sowie flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige analog des Elterngeldes stehen jedoch weiterhin aus. Zudem sollten bürokratische Zugangswege für Leistungsbeanspruchungen wie für Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, aber auch regelmäßige gesundheitsfördernde Aktivitäten erleichtert und unterstützt werden. Um kontinuierliche und frühzeitige Hilfen zu bekommen, wäre darüber hinaus ein einheitliches und unabhängiges Beratungsangebot als Bürgerservice in kommunaler Trägerschaft nötig.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 26.09.2022

Der Bundesausschuss der Arbeiterwohlfahrt hat am Wochenende in Magdeburg die Bundesregierung dazu aufgefordert, den sozialen Zusammenhalt im Land stärker in den Blick zu nehmen.

„Es fehlen aktuell wichtige Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Landes – Das setzt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft aufs Spiel“, erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt. „Wir können nicht akzeptieren, dass vor dem Hintergrund der Schuldenbremse der soziale Bereich kaputt gespart wird. Die Schuldenbremse ist ökonomischer Unfug und muss abgeschafft, mindestens aber ausgesetzt werden. Der Staat muss antizyklisch handeln können“, so Groß.

Zusätzlich hält die AWO vor dem Hintergrund der wachsenden sozialen Aufgaben ein festes, prozentuales Ziel vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) für Verteidigungsausgaben für falsch und befürchtet, dass so weitere Kürzungen begründet werden sollen. Während die Bundesregierung sich für Verteidigungsausgaben das Ziel von 2% am BIP gesetzt hat, befürchtet die AWO massive Kürzungen in sozialen Bereichen – von der Arbeitsmarktförderung bis zur Migrationsberatung.

Viele Menschen erleben täglich stark steigende Preise für Lebensmittel und Energie, sie haben Angst vor einem weiteren Auseinanderdriften unserer Gesellschaft. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung besitzen in Deutschland die reichsten 10% der Gesellschaft über 62%, die untersten 60% aber insgesamt nur etwas über 3% des Vermögens. „Jetzt Einsparungen vorzunehmen, anstatt Krisengewinner zur Kasse zu bitten, ist absurd. Die Bundesregierung muss zeigen, dass sie handlungsfähig ist, und in die soziale Infrastruktur investieren! Soziale Sicherheit und Verteidigungspolitik dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das muss auch der Bundesfinanzminister einsehen“, erklärt Groß abschließend.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 26.09.2022

Die Gleichstellungsbeauftragte des Präsidiums der Arbeiterwohlfahrt, Helga Kühn-Mengel, hat heute den zweiten verbandlichen Gleichstellungsbericht vorgestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass bereits innerhalb von vier Jahren konkrete Fortschritte hin zu mehr Vielfalt erzielt werden konnten. Dazu erklärt Kühn-Mengel:

„Der Bericht bestätigt, dass ernst gemeinte gleichstellungspolitische Vorhaben erfolgreich sind: In nur wenigen Jahren ist es gelungen, mehr Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt in der AWO in ganz Deutschland zu schaffen. So ist der Frauenanteil bei den Einrichtungsleitungen deutlich gestiegen und Gleichstellungsinstrumente werden in den Landes- und Bezirksverbänden der AWO verstärkt eingesetzt. Das macht uns stolz. Gleichzeitig sehen wir auch: Es gibt noch viel zu tun. Beispielsweise sind Frauen in Führungspositionen ab dem mittleren Management noch deutlich unterrepräsentiert – ein Hinweis darauf, dass die „Gläserne Decke“ auch hier wirkt. Das wollen und werden wir jetzt angehen.“

Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes, ergänzt: „Der Bericht ist auch ein wichtiges Signal dafür, dass wir innerverbandliche Gleichstellung mit verstärkten Kräften fortsetzen werden. Schließlich sind die Verwirklichung von Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt in den eigenen Strukturen eine wichtige Voraussetzung, um den Verband mit seinen gesellschaftlich unverzichtbaren Angeboten und sozialen Dienstleistungen zukunftsfähig aufzustellen. Grundlegende Voraussetzung dafür sind die Anerkennung und Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangslagen und Bedürfnisse der Beschäftigten und der Schutz vor Diskriminierung.“

Dafür wurden aus dem Bericht Handlungsempfehlungen abgeleitet. Dazu gehören z. B. die Stärkung der Gender- und Vielfaltskompetenz von Beschäftigten und insbesondere Führungskräften, die geschlechtergerechte und vielfaltssensible Gestaltung von Stellenausschreibungen und Auswahlverfahren sowie die Etablierung neuer Führungsmodelle wie Führen in Teilzeit und Top-Sharing.

Ein Meilenstein für die innerverbandliche Gleichstellung war der erste Gleichstellungsbericht der Arbeiterwohlfahrt. Er lieferte 2018 kurz vor dem 100-jährigen Verbandsjubiläum erstmals eine solide Datengrundlage zum Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in der AWO und erste Zahlen zur Vielfalt in der Belegschaft. Der Bericht bildete den Auftakt für eine intensive Auseinandersetzung im gesamten Verband. Mit dem 2. Gleichstellungsbericht für das Hauptamt der Arbeiterwohlfahrt setzt der Verband die Berichtserstattung fort.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 24.09.2022

Ob bei den Lebensmitteln, den Energiekosten, der Miete oder anderen Ausgabeposten: Die Preise steigen in hohem Tempo. Besonders für diejenigen, die schon vor der Krise finanziell nicht über die Runden gekommen sind, prekär Beschäftigte, arme Rentner*innen und Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen, ist die Aussicht auf Herbst und Winter äußerst düster. Viele Menschen  fürchten, bald ganz ohne Heizung und Strom dazustehen oder am Ende des Monats hungern zu müssen. Die bisher von der Bundesregierung geplanten Entlastungen ändern daran wenig, sie sind völlig unzureichend. Den größten Anteil beim jüngsten Entlastungspaket hat zudem die geplante Steuerentlastung, von der der Chefarzt achtmal so stark profitiert wie die Kassiererin.

Wir fordern eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung

Das geplante „Bürgergeld“ setzt trotz kleiner Verbesserungen Hartz IV als System der Verarmung und der Angst weiter fort. Daran ändert auch die zum 1.1.2023 angekündigte Anpassung der Regelsätze an die Inflation der letzten Monate wenig. 502 statt 449 Euro für eine alleinstehende Person sollen die Menschen in der Grundsicherung über den Monat bringen. Doch das ist bei weitem nicht genug. Die Anpassung kommt viel zu spät und geht von einem kleingerechneten Ausgangswert aus, der schon jetzt nicht zum Leben reicht. Auf den Tag gerechnet steht Betroffenen so sehr wenig Geld zu,  von dem sie dann Lebensmittel, Strom, Kleidung, Schuhe, Anschaffung von Möbeln, und vieles andere bezahlen sollen – sofern das Jobcenter nicht schon etwas davon für ein vorheriges Darlehen o. ä. aufrechnet. Für Lebensmittel bleiben so rechnerisch knapp 6 Euro pro Tag übrig.   Dass das reicht, glauben offenbar nicht einmal die Leitungen der Jobcenter mehr, die von NRW haben schon Anfang 2022 in einem offenen Brief eine sofortige Erhöhung der Regelsätze um 100 Euro verlangt!

Wir fordern konkret:

  • Die Regelsätze müssen auf mindestens 678 Euro ab 2023 erhöht werden. Bis dahin ist ein sofortiger monatlicher Zuschlag von mindestens 150 Euro notwendig.
  • Der Strom muss zusätzlich zum Regelsatz übernommen werden.
  • Bei massiven Preissteigerungen muss der Regelsatz zügig angeglichen werden.
  • Die Wohnkosten einschließlich Heizkosten müssen für alle Grundsicherungsempfänger*innen vollständig in tatsächlicher Höhe übernommen werden.
  • Der Regelsatz soll das Existenzminimum sichern und Teilhabe ermöglichen. Leistungskürzungen wie zum Beispiel Sanktionen müssen deshalb ausgeschlossen werden.

Es reicht!

 Das „Bündnis AufRecht bestehen“ will die Unzufriedenheit und die Wut vieler Menschen bei einem dezentralen Aktionstag unter dem Motto „Bürgergeld: Für eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung“ klar zum Ausdruck bringen. Bisher haben bereits Gruppen in Berlin, Bonn, Dortmund, Herne, Koblenz, Kaiserslautern, Münster, Oldenburg und Wolfsburg verschiedene Aktivitäten angekündigt, die vor allem am 14.Oktober stattfinden sollen. Wir sind sicher, dass noch mehr dazu kommen. Eine Übersicht, wo etwas stattfindet, gibt es hier: https://www.erwerbslos.de/aktivitaeten/792-uebersicht-ueber-bisher-geplante-aktionen-rund-um-den-aktionstag-14-10-2022

Quelle: Pressemitteilung Das Bündnis ‚AufRecht bestehen‘ vom 10.10.2022

„Bundesratsempfehlungen weichen Regierungsentwurf entscheidend auf“ 

Das Bündnis für ein „Kita-Qualitätsgesetz”, das der AWO-Bundesverband, der KTK-Bundesverband und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) tragen, stellt fest, dass die Empfehlungen zum Entwurf des Zweiten Kita-Qualitätsgesetzes (Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung) „weit hinter den Qualitätsanforderungen zurückbleiben“. Die Empfehlungen sollen am Freitag im Bundesrat beraten werden. Der Ende August veröffentlichte Entwurf der Bundesregierung beinhalte hilfreiche Ansätze, um die Qualität in der Kindertagesbetreuung bundesweit zu verbessern. Er könne aber nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem echten Qualitätsgesetz sein. Die nun diskutierten Änderungsempfehlungen aus der Länderkammer „weichen das Regierungspapier entscheidend auf“.

„Die Haltung einzelner Länder und Kommunen ist ein Rückschritt im Qualitätsdialog für eine zukunftsfähige frühkindliche Bildung”, sagt Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Donnerstag in Frankfurt a.M. „Seit Jahren hat das Qualitätsbündnis darauf gedrängt, den Fokus auf bildungspolitische Qualitätsaspekte zu legen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Bund in der kommenden Periode genau das in den Blick nehmen will”, so Siebernik weiter „Die Forderung der Länder, weiter auch in Beitragsfreiheit der Eltern statt in Maßnahmen in Handlungsfeldern von vorrangiger Bedeutung investieren zu dürfen, geht in die völlig falsche Richtung. Damit verabschieden sich einzelne Länder von der Qualitätsverbesserung.”

Auch Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des KTK-Bundesverbandes, äußert Unverständnis über die Stoßrichtung der Bundesrats-Empfehlungen. „Jetzt ist es dringend notwendig, an einem Strang zu ziehen und das System mit Investitionen in Struktur und Personal zu stabilisieren“, betont Bieber. „Und es kommt jetzt auf Hilfe an, die bei den Familien ankommt. Gerade eine bundesweit verpflichtende Staffelung der Kostenbeiträge für die Kindertagesbetreuung, wie im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen, würde viele Familien entlasten, die es in diesen Zeiten besonders nötig haben.“

„Wir fordern, dass der Bundesrat dem Gesetzesentwurf der Regierung zustimmt, ohne die Empfehlungen zu berücksichtigen”, unterstreicht Selvi Naidu, Mitglied des AWO Bundesvorstandes. „Der Entwurf ist bei weitem nicht perfekt. Es ist klar, dass wir in der frühen Bildung in einer außerordentlich kritischen Situation sind. Bis 2030 fehlen mehr als 100 000 Fachkräfte in den Kitas, der Rechtsanspruch auf den schulischen Ganztag zeichnet sich am Horizont ab und wir stellen ein enormes regionales Auseinanderklaffen in der quantitativen sowie qualitativen Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung fest. Genau deshalb müssen jetzt die Weichen für ein echtes Qualitätsentwicklungsgesetz gestellt werden”, sagt Naidu abschließend. 

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 06.10.2022

„Wir müssen Menschen davor schützen, dass sie wegen Schulden ihre Wohnung verlieren und auf der Straße landen. Und wir brauchen bezahlbare Wohnungen für Menschen, die in Wohnungslosigkeit geraten“, fordert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa bei der Auftaktveranstaltung zu den heute startenden Armutswochen.

Vom 17.10.2022, dem Internationalen Tag zur Beseitigung der Armut bis zum 14.11.2022, dem Welttag der Armen, ruft der Deutsche Caritasverband (DCV) gemeinsam mit seinen Fachverbänden Sozialdienst katholischer Frauen (SkF Gesamtverein) und Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) Bundesverband auf, den Blick auf die Wohn-Situation von Menschen in schwierigen Lebenslagen zu richten.

Wohnkosten bergen gesellschaftliches Konfliktpotenzial

Wie hart steigende Kosten für Wohnen und Heizen in Deutschland arme Menschen treffen und wie sehr gerade sie von Wohnungsverlust bedroht sind, zeige sich aktuell besonders drastisch angesichts dramatisch steigender Energiepreise. „Die Kosten des Wohnens bergen gesellschaftspolitisches Konfliktpotenzial, gerade weil sie von allgemeiner Geldentwertung und Inflationsängsten begleitet werden. Deshalb sind schnell wirksame Maßnahmen notwendig. Wohnungswirtschaft und Gesetzgeber, Kommunen und Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Nachbarschaft können und müssen ihren Teil zur Lösung der Probleme beitragen“, unterstreicht Welskop-Deffaa. Es sei zu beobachten, dass der Kreis derer, die sich von Wohnungsverlust bedroht fühlen, größer werde: Familien und Alleinstehende mit wenig Einkommen, Rentner_innen oder gesundheitlich beeinträchtigte Personen gerieten in existenzbedrohliche Situationen.

Mehr Frauen und Kinder von Wohnungslosigkeit betroffen

„Leider steigt die Zahl der von Wohnungslosigkeit betroffenen Frauen und damit auch die Zahl der Kinder, die kein Zuhause mehr haben. Wir brauchen dringend ausreichend Mitarbeiter_innen, die präventiv beraten können, um so zu verhindern, dass Zwangsräumungen und Verschuldung zum Verlust der Wohnung führen. Hilfreich und zwingend erforderlich sind mehr Wohnprojekte und Wohnungen, die bedarfsgerechte Hilfen und Betreuungsleistungen bereits mit integrieren“, unterstreicht Renate Jachmann-Willmer, Bundesvorstand SkF Gesamtverein.

Neue Wohngemeinnützigkeit notwendig

„Neue Wohnformen und Wohnprojekte müssen verstärkt gefördert werden. Wir brauchen eine neue Wohngemeinnützigkeit, mehr genossenschaftliche Wohnformen und Bauweisen, die den sozialen Zusammenhalt stärken“, fordert Stephan Buttgereit, Generalsekretär SKM Bundesverband.

Knapper Wohnraum und steigende Mieten haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben von Menschen mit niedrigen Einkommen. Sie erleben sich nahezu chancenlos auf dem Wohnungsmarkt. Und sie müssen täglich überlegen, ob sie etwas zu Essen einkaufen können oder es für die Miete aufsparen. Denn meist geben sie ein Drittel ihres Einkommens für die Wohnkosten aus. Bund, Länder und Kommunen müssen daher entschlossen handeln, um die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, die Bereitstellung preiswerter Wohnungen für benachteiligte Menschen und die Förderung von Wohnungsgenossenschaften voranzubringen. Akteure wie die Wohnungs- und Bauwirtschaft und die Wohlfahrtsverbände müssen einen Beitrag zur Lösung des Problems leisten.

Projekte und Lösungen gegen Wohnraummangel

Deshalb stellen DCV, SkF und SKM Praxis-Projekte vor, die zeigen, wie es gelingen kann, den Wohnraummangel zu minimieren und präsentieren Lösungen für Armutsbetroffene, die den Zusammenhalt fördern.

Hier geht es zu den Lösungen und zu den politischen Forderungen und Fakten

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 17.10.2022

Nicht nur für Menschen zuhause, sondern auch für Menschen im Pflegeheim werden die steigenden Preise für Energie und Grundbedarfe des täglichen Lebens in diesen Wochen zum Problem. Die Steigerungen der Personalkosten kommen als weitere Herausforderung hinzu. Der Deutsche Caritasverband sieht daher dringenden Handlungsbedarf in der Pflegepolitik. „Der Sozialstaat muss dafür Sorge tragen, dass Pflegebedürftigkeit nicht automatisch in den Sozialhilfebezug führt. Der Pflegeversicherung kommt dabei eine zentrale Aufgabe zu, für die sie dringend gestärkt werden muss,“ so Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes.

Der Caritasverband begrüßt, dass mit der von der Bundesregierung jetzt in Angriff genommenen Ausweitung der Wohngeldansprüche auch für Menschen, die in Altenheimen leben, die Wohnkosten sozialstaatlich besser abgefedert werden sollen. „Die Wohngeldreform muss so gestaltet werden, dass das Wohngeld für die Menschen in Einrichtungen der Altenhilfe einfach zu beantragen und praxisgerecht bemessen ist,“, betont die Caritas-Präsidentin. Der politische Handlungsbedarf in der Pflege sei damit aber nicht erledigt, es müssten dringend weitere Schritte folgen.

„Eine gute Lösung für die Pflege muss an mehreren Hebeln ansetzen. Wichtig wäre, dass der Bund die Kosten der medizinischen Behandlung von Pflegebedürftigen sowie die Ausbildungskosten, die derzeit über die Eigenanteile zu finanzieren sind, übernimmt.“

Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen

Die Caritas unterstützt die Idee eines Zuschusses des Bundes an die Pflegeversicherung, um die Pflegeversicherung zu entlasten: Der Bund sollte die Rentenbeiträge pflegender Angehöriger in den Bundeshaushalt übernehmen, so dass der Pflegeversicherung dieser Betrag zur Entlastung zur Verfügung steht.

Vorkehrungen für den Coronawinter

Jenseits der strukturellen Reformen in der Pflege müssen pflegepolitische Vorkehrungen getroffen werden für die nächsten Phasen der Pandemie, die längst nicht vorbei ist. Kommen im nächsten Jahr eine oder mehrere neue Infektionswellen auf uns zu, müssen Pflege-Einrichtungen, insbesondere in der Tagespflege, erneut mit Einnahmeneinbußen rechnen. Voraussichtlich werden auch zusätzliche Kosten anfallen, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen und sie zum Beispiel durch Leiharbeiterinnen oder Leiharbeiter ersetzt werden müssen.

„Auch im Coronawinter 2022/23 muss alles getan werden, um die Orte aufrecht zu erhalten, an denen die Menschen gepflegt und betreut werden. Der Schutz eines sozialen Netzes, das auch in Krisenzeiten verlässlich trägt, geht nicht zum Nulltarif,“ so der Deutsche Caritasverband.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 27.09.2022

Zum heute vorgelegten Expertenbericht des Europarats, der Deutschland gravierende Defizite beim Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt attestiert, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack am Freitag in Berlin:

„Wir fordern einen Rechtsanspruch auf sofortigen Schutz und Hilfe für alle Opfer von häuslicher Gewalt, von der vor allem Frauen betroffen sind. Das Hilfesystem muss für alle greifen, unabhängig von Geschlecht, von sexueller Orientierung, Aufenthaltsstatus, Herkunftsort oder gesundheitlicher Einschränkung.

Dafür müssen endlich bundesweit verbindliche Regelungen her, die ein breitgefächertes und bedarfsgerechtes Unterstützungsangebot sicherstellen. Dafür braucht es flächendeckend mehr Schutzräume für Betroffene und mehr Beratungsangebote. Dafür müssen aber auch zuständige Behörden wie Justiz- und Jugendämter rund um die Uhr telefonisch erreichbar sein.

Seit Jahren überfällig sind eigenständige bundesgesetzliche Regelungen für die Einrichtung von Gewaltschutzambulanzen und für bindende Mindeststandards für Länder und Kommunen. Ebenso braucht es Regelungen, um den Lebensunterhalt für von Gewalt betroffene Menschen für die Zeit ihrer Unterbringung in einer Schutzeinrichtung sicherzustellen, und zwar unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand vom 07.10.2022

Vor den abschließenden Bundestags-Beratungen am Freitag über das Stabilisierungsfondsgesetz appelliert die Diakonie, Krankenhäuser, Pflegeheime und andere systemrelevante Einrichtungen der sozialen Infrastruktur zügig von den rasant steigenden Energiekosten zu entlasten. Nach einer neuen Umfrage der Bank für Sozialwirtschaft (BfS) bringt die Kostenexplosion bereits viele Einrichtungen in Existenznöte. So rechnen fast 40 Prozent der Befragten 2022 mit einem Jahresdefizit. Mehr als 70 Prozent berichten von einer Verschlechterung ihrer Liquiditätssituation.

Dazu erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:

„Der sozialen Infrastruktur droht wegen der rasanten Inflation der teilweise Zusammenbruch. Gemeinnützige Einrichtungen können die enormen Kostensteigerungen vor allem für Energie nicht auffangen, weil sie aus rechtlichen Gründen keine Rücklagen bilden dürfen. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, damit es nicht zu irreparablen Schäden an der sozialen Infrastruktur kommt, unter denen vor allem die Schwächsten leiden würden: Alte, Kranke und Menschen mit Behinderungen.“ „Wie dramatisch die finanzielle Lage der Einrichtungen vielerorts ist, zeigt das neue Trendbarometer zur Lage in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft der BfS“, erklärt Lilie: „Die Inflation treibt die Einrichtungen in dramatische Liquiditätsengpässe. Ohne die zügige Unterstützung der öffentlichen Hand droht eine Pleitewelle, die die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung bedrohen würde. Bereits jetzt müssen dringend notwendige Investitionen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Immobilien auf Eis gelegt werden. Wenn die Politik jetzt nicht zielgerichtet und schnell handelt, wird die Rechnung für die Steuerzahlerinnen und -zahler am Ende noch sehr viel teurer werden.“

Hintergrund

Für das „Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft“ hat die BFS Service GmbH ausgewählte Vertreter*innen von insgesamt mehr als 1.000 Einrichtungen in den Branchen und Leistungsfeldern des Sozial- und Gesundheitswesens sowie der Freien Wohlfahrtspflege befragt. Die Umfrage wurde vom 16. September bis zum 6. Oktober 2022 durchgeführt.

Das „Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft“ ist kostenlos abrufbar unter: https://www.sozialbank.de/news-events/publikationen/bfs-trendbarometer

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 20.10.2022

Heute debattiert der Bundestag in erster Lesung sowohl über das Bürgergeldgesetz als auch über die Reform des Wohngeldes. Dazu äußert sich Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

„Die beiden Gesetzentwürfe bringen wichtige Verbesserungen mit sich für die leistungsberechtigten Menschen. Sie reichen aber nicht aus, um ihr Existenzminimum in diesem Winter abzusichern. Schon vor der Inflation war der Regelsatz nach wissenschaftlichen Berechnungen um 180 Euro zu niedrig, nun soll ab Januar eine inflationsbedingte Erhöhung um monatlich nur 52 Euro kommen. Einen konsequenten Bruch mit der Hartz-IV-Systematik bedeutet der vorliegende Gesetzentwurf zum Bürgergeld nicht.

Die Wohngeldreform erreicht nicht alle Haushalte, die Unterstützung brauchen. Um noch mehr Wohnungslosigkeit zu verhindern, brauchen wir schnell ergänzend ein Kündigungs- und Zwangsräumungsmoratorium für Mietwohnungen. Mittel- und langfristig führt an einer neuen, sozial ausgestalteten Wohnungspolitik kein Weg vorbei.“

Bewertung und Stellungnahme der Diakonie Deutschland zum Bürgergeld: https://www.diakonie.de/stellungnahmen/bewertung-und-stellungnahme-der-diakonie-zum-buergergeld

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 13.10.2022

Kommunen und Länder sind angesichts der Zahl ankommender Flüchtlinge in diesem Jahr stark herausgefordert. Geflüchtete Menschen müssen oftmals in Behelfsunterkünften leben. Dort haben sie weder Privatsphäre, noch können sie zur Ruhe kommen. Anlässlich des Treffens von Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit Vertreterinnen und Vertretern von Kommunen und Ländern über die derzeitige Flüchtlingslage äußert sich Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

„Menschen, die in Deutschland ankommen, entfliehen furchtbaren Gefahren für Leib und Leben. Nur in Solidarität von Bund, Ländern und Kommunen mit den Menschen, die Schutz bei uns suchen, sind diese Herausforderungen zu meistern. Geflüchtete Menschen aus der Ukraine bei uns aufzunehmen ist zudem ein deutliches Signal der Geschlossenheit an Kreml-Machthaber Putin. Eine restriktive Abschottungspolitik, in der Hoffnung, dass weniger Menschen zu uns kommen, wird nicht weiterhelfen.“

Der Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine, die Integration von Anfang an, habe zum bisherigen Erfolg geführt. Dieser Weg müsse nun konsequent weiterbeschritten und für alle anderen Menschen geöffnet werden, die in Deutschland Schutz suchen.

„Es wäre ein verpasste  Chance, jetzt nicht die  Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Menschen, die kommen, schnell auf dem Arbeitsmarkt entsprechend ihrer Qualifikation Fuß fassen können“, so Loheide weiter. „So wird die Aufnahme geflüchteter Menschen auch zu einem Gewinn für unsere Gesellschaft. Arbeitsverbote müssen dringend abgeschafft und das Chancen-Aufenthaltsrecht schnell umgesetzt werden, damit geduldete Menschen eine klare Perspektive bekommen.“

Die schnelle Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine in das SGB II war richtig. Aus Sicht der Diakonie muss die Sicherung des  Existenzminimums für alle Menschen in Deutschland gelten und das Asylbewerberleistungsgesetz gehört abgeschafft.

„Menschen, die zu uns kommen, müssen schnell in den Kommunen ankommen, statt über Monate untätig in Großeinrichtungen der Länder zu verharren“, so Loheide.

Hintergrund:

Nicht nur Länder und Kommunen, auch die Zivilgesellschaft ist herausgefordert. Die Diakonie unterstützt den Prozess des Ankommens von Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten mit über tausend Migrationsfachdiensten. Das sind bedarfsgerechte Angebote wie Psychosoziale Zentren für psychisch belastete und traumatisierte Menschen, die zunächst ihre Erfahrungen verarbeiten und gesundwerden müssen. Das ist Asylverfahrensberatung, um Schutzsuchende im Verfahren zu unterstützen, damit durch ihre gezielte Mitwirkung schnell gute Entscheidungen über ihren Schutzstatus erzielt werden können. Das sind Migrationsberatung und Jugendmigrationsdienste, die bei der Integration begleiten. Da sind Angebote der Jugendhilfe für unbegleitete Minderjährige. Dass die Bundesregierung, Länder und Kommunen diese Dienste unterstützen, ist ein wichtiges Zeichen. 

Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer beriet 2021 in 280.000 Fällen und erreichte fast 500.000 Menschen und ihre Familien, hauptsächlich aus Syrien, Afghanistan, Irak, Bulgarien und der Türkei. Am 1.1.2022 gab es in Deutschland insgesamt 1.369 gemeinnützige Beratungsstellen für erwachsene Zugewanderte. 

Weitere Informationen:

https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/migrationsfachdienste/

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 11.10.2022

Am Tag des Flüchtlings im Rahmen der Interkulturellen Woche fordert die Diakonie Deutschland von Bund und Ländern deutlich größere Anstrengungen zur sicheren und altersgerechten Unterbringung und Versorgung von jungen Geflüchteten. Vor allem in Berlin, Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg seien die Zahlen zuletzt spürbar gestiegen, wie eine Stichprobe der Diakonie Deutschland unter Einrichtungen der Diakonie im Bundesgebiet ergab. Mittlerweile kämen täglich so viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie seit langem nicht mehr.

„Um die jungen Menschen unterbringen zu können, werden vielfach die dafür gesetzlich vorgesehenen Standards von Politik und Verwaltung nicht umgesetzt“, bemängelt Diakonie-Sozialvorständin Maria Loheide. „Hier darf keine Sparpolitik auf Kosten von Kindern und Jugendlichen betrieben werden, von denen viele traumatische Erlebnisse auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung erlebt haben. Wir müssen ihnen eine sichere Zukunft und schnelle Integration ermöglichen.“

Zusätzlich erschwert wird die Versorgung der vielen jungen Geflüchteten der Stichprobe zufolge durch den Personalmangel bei öffentlichen Stellen und Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege wie der Diakonie. „Auch hier ist die Politik gefordert, gemeinsam mit den Trägern Abhilfe zu schaffen und für eine gesicherte Finanzierung von Personalkapazitäten zu sorgen“, sagt Loheide.

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 30.09.2022

Diakonie setzt auf mehr Frauen in ihren Führungsetagen. Angestrebt wird eine verbindliche Quote von mindestens 50 Prozent in Leitungspositionen und Entscheidungsgremien. In diesem Jahr präsentiert sich die Diakonie erstmals mit einem eigenen Stand beim Karriere- und Netzwerkevent herCAREER. Die Leitmesse für Karriereplanung von Frauen findet vom 6. bis 7. Oktober 2022 in München statt.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland und Schirmfrau des Netzwerkes Frauen in Führung in Kirche und Diakonie (FiF): „Frauen sind in den obersten Führungsetagen der Wohlfahrtspflege mit knapp einem Drittel nach wie vor unterrepräsentiert, obwohl sie rund 75 Prozent der Mitarbeitenden ausmachen. Das darf so nicht bleiben. Es wird höchste Zeit, dass Frauen als Chefinnen zum Zuge kommen und die soziale Zukunft gestalten. Wir brauchen mehr Tempo und Ernsthaftigkeit bei diesem Thema. Deshalb machen wir uns für eine verbindliche Quote von mindestens 50 Prozent von Frauen in Gremien und Führungspositionen der Diakonie stark.“

Andrea Betz, Vorständin der Diakonie München und Oberbayern: „Bei der herCAREER gibt es unzählige Gelegenheiten, sich mit Frauen zu vernetzen, gegenseitig zu stärken und auszutauschen. Welche Karrierechancen sich für Frauen in Führungspositionen bei der Diakonie heute bieten, wird an unserem Stand sichtbar. Für eine Generation von Führungskräften, der es wichtig ist, die Zukunft positiv mitzugestalten und in einem werteorientierten Job zu arbeiten, ist die Sozialwirtschaft besonders attraktiv.“

Infos zur Messe

Die Messe herCAREER findet vom 6. bis 7. Oktober im MOC Event Center Messe München statt. Der Stand der Diakonie ist in Halle 2. Am 7. Oktober 2022 um 12.00 Uhr sprechen Maria Loheide und Andrea Betz im Auditorium.

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 07.10.2022

Am Freitag, den 7. Oktober 2022 erschien der GREVIO-Bericht für Deutschland. Bei GREVIO (Group of experts on action against violence) handelt es sich um eine Expert*innengremium des Europarats, welches die Umsetzung der Istanbul-Konvention überprüft. Ihr Ergebnis: der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt gelingt in Deutschland nicht ausreichend. „Der GREVIO-Bericht zeigt einmal mehr, dass im Bereich der Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt noch viel zu tun ist und nun der Gesetzgeber in der Pflicht ist, weitergehende Maßnahmen zu treffen, um die Vorgaben des Europarates umzusetzen,“ so die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb) Prof. Dr. Maria Wersig.

Bereits im November 2020 hatte der djb einen Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland vorgelegt. Auf Einladung des Expert*innengremiums folgte sodann ein Fachgespräch mit der Vorsitzenden der Strafrechtskommission Dr. Leonie Steinl und der stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Anne-Katrin Wolf während des Staatenbesuchs der Delegation.

Viele der zentralen Forderungen des djb haben daher auch Eingang in den GREVIO-Bericht gefunden. So sollten nach Empfehlung der Expert*innen unter anderem Schulungen für die Justiz erfolgen, die das Bewusstsein für die Dynamik von Gewalt in Paarbeziehungen schärfen. Zudem muss geschlechtsspezifische Gewalt in den Statistiken berücksichtigt und so die Datenlage verbessert werden und der Zugang zu Frauenhäusern muss auch in ländlichen Gebieten erweitert werden. Darüber hinaus fehlt es weiterhin an einem Straftatbestand, der alle Formen der psychischen Gewalt unter Strafe stellt. Auch der Aufforderung, eine staatliche Koordinierungsstelle einzurichten, ist die Bundesregierung bis jetzt nicht nachgekommen.

Die Bundesregierung sollte den Bericht zum Anlass nehmen, die Lage von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland endlich zu verbessern. Dr. Leonie Steinl, Vorsitzende der Strafrechtskommission des djb fordert daher: „Es wird Zeit, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte vorbehaltslose Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland endlich Realität wird.“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 10.10.2022

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat im Rahmen der arbeits- und sozialrechtlichen Abteilung des 73. Deutschen Juristentages 2022 eine Stellungnahme abgegeben. „Die Lücke zwischen der durchschnittlichen Rente von Männern (1179 Euro) und von Frauen (801 Euro) ist nach wie vor erheblich. Deswegen greifen Maßnahmen zu kurz, die allein die Finanzierbarkeit der Rente in den Blick nehmen. In der Diskussion um die Zukunft der Alterssicherung bedarf es einer Gleichstellungsperspektive.“, betont die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig.

Aus Sicht des djb muss Alterssicherung zuvörderst eine öffentliche Aufgabe bleiben. „Mit der Verlagerung der Alterssicherung auf betriebliche und private Vorsorgearten besteht das Risiko, dass sich der sogenannte Gender Pension Gap weiter verschärft. Denn sie berücksichtigen Sorgearbeit weniger und enthalten keine flächendeckenden, solidarischen Elemente. Die Alterssicherung hängt dadurch noch stärker von der Wahl des Berufs, von Tarifbindung und von der Größe des Unternehmens ab.“, führt Wersig aus.

Der djb fordert weiter, die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Selbstständige, Beschäftigte in Minijobs sowie versicherungsfreie Personen wie Beamt*innen, Soldat*innen und Richter*innen auszuweiten. Außerdem bedarf es Reformmaßnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung, beispielsweise eine gleichberechtigte Aufteilung von Anwartschaften während der Ehe und nicht nur im Fall der Scheidung. Soziale Elemente – insbesondere die Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten – sind flächendeckend auszubauen.

Um eine geschlechtergerechte Alterssicherung zu erreichen, muss auch der Gender Pay Gap angegangen werden. Der djb plädiert seit Jahren dafür, Anreize im Sozial- und Steuerrecht für Erwerbstätigkeit von Frauen zu setzen und die entgegenstehenden Anreize, wie Minijobs und Ehegattensplitting abzubauen. Auch die paritätische Verteilung von Sorgearbeit sollte gesetzlich gefördert werden, z.B. indem die sogenannten Partnermonate beim Elterngeld ausgeweitet werden und der Kündigungsschutz nach der Eltern- oder Pflegezeit gestärkt wird. Zudem fehlt es noch immer an der notwendigen Infrastruktur für die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen.

In Konzeptionen für ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft sowie für ein Wahlarbeitszeitgesetz hat der djb weitere Maßnahmenpakete zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit in der Erwerbsarbeit entwickelt.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 22.09.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert von Bund, Ländern und Kommunen einen stärkeren Fokus und größere Kraftanstrengungen zur Verbesserung der Situation in den Kindertageseinrichtungen in Deutschland. Dazu braucht es aus Sicht der Kinderrechtsorganisation sowohl mehr finanzielle Mittel und bundeseinheitliche Mindeststandards in der Qualität als auch eine groß angelegte Fachkräfteoffensive. Dies muss mit einer weitreichenden Verbesserung der häufig prekären Arbeitsbedingungen und dem vermehrten Bau von Kindertageseinrichtungen ebenso einhergehen wie mit einer zukunftsfähigen Weiterentwicklung der Ausbildungen pädagogischer Fachkräfte, um künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein und das Berufsfeld nachhaltig attraktiver zu gestalten. Gute Kitaangebote für alle zu schaffen und zu erhalten ist eine Daueraufgabe, die Länder und Kommunen nicht allein stemmen können. Deshalb muss das finanzielle Engagement des Bundes nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes verstetigt werden. Die im Kita-Qualitätsgesetz vorgesehenen zwei Milliarden Euro für die nächsten beiden Jahre sind hier ein guter Anfang.

 

„Die heute von der Bertelsmann Stiftung vorgelegten Zahlen zu fehlenden Kita-Plätzen und der an vielen Stellen mangelhaften Personalausstattung in deutschen Kitas sind keine Überraschung, sondern vielmehr ein weiteres Alarmsignal. Wenn mehr als zwei Drittel aller Kita-Kinder in Gruppen betreut werden, deren Personalschlüssel nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen entsprechen, ist das schlichtweg ein bildungspolitischer Skandal. Deutschland steuert damit sehenden Auges auf eine bildungspolitische Katastrophe zu. Schon mehrfach haben auch Kita-Fachkräfte Alarm geschlagen, da sie das Kindeswohl kaum gewährleisten können. Das darf nicht weiter mehr oder weniger achselzuckend hingenommen werden. Besonders besorgniserregend ist, dass bundesweit hunderttausende Fachkräfte fehlen, die auch nicht so einfach hervorgezaubert werden können. Hier fallen uns die Versäumnisse der Vergangenheit schmerzhaft auf die Füße und müssen schnellstmöglich durch politische Offensiven aufgefangen werden, um das Wohl unserer Kinder zu sichern“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, anlässlich der Veröffentlichung des „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme 2022“ der Bertelsmann Stiftung.

 

„Bereits im letzten Jahr hatte die Bertelsmann Stiftung festgestellt, dass eine kindgerechte Personalausstattung und zugleich ausreichend Plätze in allen Kitas in diesem Jahrzehnt nicht mehr zu realisieren sind. Dieser Personalmangel wird sich durch den Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung für Grundschulkinder weiter verschärfen. Es muss also eine massive Erhöhung derjenigen Mittel erfolgen, die zielgerichtet in die Ausbildung von Erzieherinnen und Erzieher, aber auch in die Gewinnung und Qualifizierung neuer Fachkräfte investiert werden müssen“, so Hofmann weiter.

 

„Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn elementare Rechte wie das Recht auf Partizipation im Kitaalltag kaum Berücksichtigung finden. Von einer flächendeckenden Mitbestimmung von Kindern in Kindertageseinrichtungen als wesentlichem Qualitätsfaktor sind wir noch weit entfernt. Deshalb sollte auch hier ein Schwerpunkt der weiteren Arbeit in den Kitas gesetzt werden, denn so können die Potentiale der Kinder besser gefördert und wichtige Akzente in der dringend notwendigen Weiterentwicklung der Demokratieförderung gesetzt werden. Kitas sind prädestiniert dafür, zu Lern- und Erfahrungsorten für Kinderrechte zu werden“, so Holger Hofmann.

 

Zur Unterstützung der Demokratiebildung in Kita, Hort und Ganztag betreibt das Deutsche Kinderhilfswerk die Website www.kompetenznetzwerk-deki.de. Auf dieser Seite präsentiert das im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ geförderte Kompetenznetzwerk „Demokratiebildung im Kindesalter“ sich und seine Arbeit und bietet vielfältige Informationsangebote für Fachkräfte der frühkindlichen Bildung und Erziehung. Auf der Website finden die Besucherinnen und Besucher umfangreiche Informationen, Empfehlungen und praxisbezogene Tipps rund um das Thema Demokratiebildung im frühkindlichen und Primarbildungsbereich. Verantwortlich für die Website sind das Deutsche Kinderhilfswerk und das Institut für den Situationsansatz (ISTA) als Träger des Kompetenznetzwerkes. Dieses wird unter dem offiziellen Fördertitel „Kompetenznetzwerk Frühkindliche Bildung und Bildung in der Primarstufe“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 20.10.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk mahnt anlässlich der Herausgabe einer Festschrift zum 50. Geburtstag der Kinderrechtsorganisation nachdrücklich eine kindgerechtere Gesellschaft an. Auch wenn es in letzten Jahren und Jahrzehnten einige Fortschritte in diese Richtung gegeben hat, ist es weiterhin notwendig, Kinderinteressen in Deutschland mehr Geltung zu verschaffen. „Das Übergehen von Kinderinteressen, die Schließung von Spielstraßen, die Verwahrlosung oder der Rückbau von Kinderspielplätzen, Klagen gegen Kinderlärm oder Restaurants und Hotels, in denen Kinder keinen Zutritt haben, sind Anzeichen einer kinderentwöhnten und an manchen Stellen sogar kinderfeindlichen Gesellschaft“, betonen Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes und Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Die Festschrift versammelt Akteurinnen und Akteure, die mit ihrer Arbeit dazu beitragen, Deutschland kindgerechter zu gestalten und den Rechten und Interessen von Kindern langfristig zu der ihnen zustehenden vorrangigen Berücksichtigung zu verhelfen. Dabei geht es in den Beiträgen u.a. von Klaus Hurrelmann, Christoph und Carolin Butterwegge, Thomas Rauschenbach, Lothar Krappmann, Ingrid Paus-Hasebrink und Aladin El-Mafaalani beispielsweise um die wirtschaftliche und soziale Teilhabe aller Kinder, ihre stärkere politische Beteiligung auf allen föderalen Ebenen, um kulturelle Bildung, die Entwicklung kinderfreundlicher Spiel- und Entwicklungsräume sowie Demokratieförderung und Medienbildung.

„Die Zukunft hält Herausforderungen bei der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland bereit, für die es noch mehr Kraft, noch mehr Ausdauer, neue Ideen, vor allem ganz offensichtlich einen konsequenteren und breiteren gesellschaftlichen Rückhalt braucht. Nach wie vor lebt beispielsweise eine Vielzahl von Kindern in unserem Land alltäglich mit armutsbedingten Belastungen und Einschränkungen – mit weitreichenden Auswirkungen für ihre Zukunft! Noch immer warten wir auf eine verfassungsrechtliche Absicherung von Kinderrechten in unserem Land – 30 Jahre, nachdem die Bundesrepublik sich dazu verpflichtet hat, alles Notwendige zu tun, um Kinderrechten zur Umsetzung zu verhelfen! Bei allem für Kinder Erreichten bleibt doch noch sehr viel zu tun, um die Umsetzung von Kinderrechten in Deutschland so konsequent zu gewährleisten, wie es uns die UN-Kinderrechtskonvention vorgibt“, so Thomas Krüger und Anne Lütkes weiter.

Die Festschrift „Kinderrechte in Deutschland – Interdisziplinäre Perspektiven auf Errungenschaften und Herausforderungen kinderrechtlicher Arbeit in Deutschland“ erscheint unter der ISBN 978-3-96848-065-7 im Kopaed Verlag und kostet 18 Euro.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 28.09.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk begrüßt anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte nachdrücklich die geplante Absenkung der Altersgrenze bei Europawahlen auf 16 Jahre. Mit der Absenkung nimmt der Bundestag eine wichtige Chance zum Ausbau der Partizipationsrechte von Jugendlichen wahr. Gerade angesichts des aktuellen demografischen Wandels ist eine Stärkung der Beteiligungsrechte für junge Menschen ein entscheidender Faktor für eine zukunftssichere Gesellschaftspolitik, die mittelfristig auch eine Absenkung des Wahlalters für weitere Volksvertretungen nach sich ziehen sollte.

 

„Die Absenkung der Altersgrenze bei Europawahlen auf 16 Jahre ist mehr als überfällig. Damit werden die Partizipationsrechte von voraussichtlich 1,4 Millionen Jugendlichen gestärkt. Kinder und Jugendliche verfolgen gesellschaftliche Prozesse sehr aufmerksam, fühlen sich jedoch mit ihren Interessen und Bedürfnissen nicht berücksichtigt und zu einem großen Teil von den politischen Parteien nicht vertreten. Dabei sind gerade sie diejenigen, die am längsten von heute getroffenen politischen Entscheidungen betroffen sein werden. Die Absenkung des Wahlalters bei Landtags- und Kommunalwahlen in zahlreichen Bundesländern hat gezeigt, dass unsere Demokratie von der politischen Partizipation von Jugendlichen durch das Wahlrecht profitiert. Um die Interessen von Kindern und Jugendlichen stärker in politische Entscheidungsprozesse einzubinden, tritt das Deutsche Kinderhilfswerk dafür ein, die Wahlaltersgrenze auf allen Ebenen, also von der Europa- bis zu den Kommunalwahlen, zunächst auf 16 Jahre und in einem zweiten Schritt auf 14 Jahre abzusenken“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

 

Neben einer Absenkung des Wahlalters braucht es nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes zudem eine Stärkung der Beteiligungsstrukturen in Kita, Schule und Jugendhilfe, sowie einen Ausbau kommunalpolitischer Beteiligungslandschaften, etwa durch Kinder- und Jugendparlamente mit verbindlichen Beteiligungskonzepten und Mitwirkungsrechten. So wie Mitwirkungsinitiativen vor allem dort funktionieren, wo es eine Begleitung durch Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe gibt, sollte ein Wahlrecht für Jugendliche zu einer Kultur der Demokratiebildung führen, die eine Legitimation unseres demokratischen Systems nachhaltig stärkt.

 

Zum Thema Wahlalter hat das Deutsche Kinderhilfswerk die Broschüre „Absenkung des Wahlalters – Eine Auseinandersetzung mit Argumenten gegen eine Absenkung der Altersgrenzen bei politischen Wahlen“ veröffentlicht. Die Publikation fasst die gängigen Argumente gegen eine Absenkung des Wahlalters aus den zahlreichen Debatten zusammen und stellt entsprechende Fachbeiträge zur Seite, welche die Gegenargumente insbesondere aus kinderrechtlicher Perspektive entkräften. Dabei wird beispielsweise dem Argument begegnet, dass die Absenkung des Wahlalters negative Folgen für die Demokratie habe und zu einer Stärkung der Parteien an den extremen politischen Rändern führe. Ein weiterer Beitrag tritt der Behauptung entgegen, dass Jugendliche aufgrund von noch nicht voll entwickelten kognitiven Fähigkeiten, die Verantwortung, die mit einer Teilnahme an Wahlen einhergeht, nur unzureichend wahrnehmen könnten. Die Broschüre kann beim Deutschen Kinderhilfswerk im Online-Shop bestellt werden oder steht unter www.dkhw.de/Argumentationshilfe-Wahlalterabsenkung zum kostenlosen Download bereit.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 22.09.2022

Vielseitige Ferienangebote im Berliner Familienportal

Bunt wie ein Herbstwald werden auch die Ferien in Berlin! Kids & Co. erwartet ein großes Programm mit kreativen Workshops, coolen  Museumsbesuchen und spannenden Ausflügen in die Natur.

„Süßes, sonst gibt´s Saures!“ heißt es am 31. Oktober, wenn zu  Halloween Hexen und Vampire durch die Straßen geistern. Zahlreiche Kultur- und Freizeiteinrichtungen bieten Gruselspaß für die ganze Familie. So können Kids im Museum für Kommunikation schaurige
Masken basteln oder im FEZ mit dem Halloween-Express durch den Geisterwald fahren und danach mit Stockbrot am Lagerfeuer sitzen.

Noch mehr Event-Tipps gibt es in den Herbstferien-News und im Veranstaltungskalender des Berliner Familienportals. Ganz einfach nach Bezirk, Tag oder Zeit filtern und aus zahlreichen Events das passende heraussuchen.

Umsonst ins Schwimmbad, in den Zoo oder Tierpark gehen und viele Preisvorteile bei einer großen Auswahl an Herbstferienangeboten genießen: So richtig günstig wird es für Familien mit dem Super-Ferien-Pass 2022/23! Erworben werden kann er direkt beim JugendKulturService oder in vielen anderen Verkaufsstellen.

Quelle: Pressemitteilung Berliner Beirat für Familienfragen vom 18.10.2022

Anlässlich der heutigen öffentlichen Anhörung im Familienausschuss fordert der Familienbund eine stärkere Konzentration des KiTa-Qualitätsgesetzes auf zentrale Qualitätsaspekte der frühkindlichen Bildung. Es muss vor allem in qualifiziertes Personal investiert werden, um Familien in ihrem Alltag chancengerecht zu unterstützen.

„Die Betreuung unserer Kinder muss besser werden. Das neue Kita-Qualitätsgesetz bietet den Bundesländern dafür mit Mitteln des Bundes neue Möglichkeiten. Der Familienbund unterstützt das, fordert aber eine stärkere Priorisierung der wichtigsten qualitativen Handlungsfelder“, erklärte Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbundes der Katholiken.

Das Bestreben der Regierung, mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kitaqualität bundesweit einheitliche Standards zu erreichen und auf diese Weise zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung sowie bei der Vereinbarkeit beizutragen, ist ein wichtiges Zeichen für Familien und deren Lebensrealitäten. In vielen Einrichtungen gibt es laut aktuellen Studien und wissenschaftlichen Empfehlungen Verbesserungsbedarf. Aus Sicht des Familienbundes sollten vorrangig die personalorientierten Maßnahmen im Zentrum der Qualitätsentwicklung stehen, mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Fachkraft-Kind-Schlüssel sowie der Gewinnung und Sicherung von Fachkräften. Hier handelt es sich um Bereiche, in denen gegenwärtig die größten Herausforderungen mit Blick auf die Qualität der Kita-Angebote liegen.

Mit dem geplanten Auslaufen des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“ zum Ende des Jahres ist die Aufwertung der Maßnahmen zur Sprachförderung dringend erforderlich. „Das erfolgreiche Bundesprogramm hätte weitergeführt werden müssen. Jetzt muss es wenigstens um eine praktikable Übergangslösung gehen, um die mit dem Programm gewonnen Fachkräfte zu halten. Alle Kinder profitieren von einer Sprachförderung. Dies erleichtert den Schulstart, die Integration und fördert das Lernen“, führt Hoffmann aus. Die Überführung der finanziellen Förderung des Schwerpunkts Sprache und Teilhabe in das Kita-Qualitätsgesetz und damit vom Bund auf die Länder soll nach Auffassung der Bundesregierung verstetigen, was bisher in einem Sonderprogramm aufgebaut wurde. Der Familienbund fürchtet jedoch, dass die Sprachförderung im Ergebnis geschwächt wird.

Als weitere große Veränderung zum Gute-Kita-Gesetz sollen neue Beitragsreduzierungen zukünftig nicht mehr über Bundesmittel finanziert werden können. Hier sieht der Familienbund Chancen, die zusätzlichen Mittel für wirklichen Qualitätsgewinn einzusetzen. Bestehende Beitragsreduzierungen können jedoch in erheblichem Umfang weiterhin über Mittel aus dem Kitaqualitätsgesetz finanziert werden. Das kritisiert Hoffmann: „Angesichts begrenzter Mittel gibt es eine Konkurrenz zwischen Beitragsreduzierungen und Qualitätsverbesserungen. Solange Mindestqualitätsstandards nicht erreicht werden, spricht sich der Familienbund nicht für eine generelle Beitragsfreiheit, sondern für eine einkommensabhängige, Familien mit unteren und mittleren Einkommen deutlich entlastende Staffelung der Elternbeiträge aus. Eines ist dabei klar: Beiträge dürfen niemals und nirgends eine Zugangshürde zu frühkindlicher Bildung und Betreuung darstellen, Teilhabe darf gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten nicht infrage stehen.“

Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation fordert der Familienbund, die Beiträge so zu gestalten, dass Familien und Alleinerziehende diese möglichst kleinschrittig gestaffelt nach Einkommen sowie der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder entrichten können. Der Gesetzentwurf kann trotz einiger Schwächen einen wichtigen Beitrag für eine ganzheitliche, qualitativ hochwertige Ausgestaltung des Kita-Alltags leisten. Für Ulrich Hoffmann ist das ein zentrales Anliegen: „Denn eine hohe Qualität der frühkindlichen Bildung und Betreuung kommt grundsätzlich allen Kindern zugute und führt zu Chancengleichheit und Gerechtigkeit zwischen den Kindern.“

Als nächsten Schritt sieht der Familienbund die Dringlichkeit, ein echtes Qualitätsgesetz mit bundesweit verbindlichen Mindeststandards in zentralen Qualitätsbereichen zu initiieren.

Quelle: Pressemitteilung Familienbund der Katholiken –  Bundesverband vom 17.10.2022

Menschen mit Armutserfahrungen diskutieren auf dem 15. Treffen der Menschen mit Armutserfahrung mit Politiker:innen

„Es ist gut, wenn Politiker:innen nicht nur mit Politiker:innen oder Privilegierten reden. Menschen mit Armutserfahrung brauchen mehr Gehör. Das, und eine selbstverständliche politische und gesellschaftliche Beteiligung muss Normalität sein.“ So fasst es die Teilnehmende Erika Biehn aus Sicht von 70 Menschen zwischen 12 und 77 Jahren zusammen, die sich zum jährlichen „Treffen der Menschen mit Armutserfahrung“ in Berlin getroffen haben.

Materielle Existenzsicherung, der Klimawandel und gesellschaftliche Teilhabe standen im Mittelpunkt der Gespräche, die die Teilnehmenden mit den Bundestagsbgeordneten Kai Whittacker (CDU/CSU), Stephanie Aeffner und Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündis90/Die Grünen,) Jessica Tatti, (Die Linke) und Jens Teutrine (FDP)sowie mit Svenja Appuhn von der Grünen Jugend führten. Im Vorfeld hatte bereits ein Gespräch mit Annika Klose (SPD) stattgefunden.

„Es ist wichtig, dass Menschen mit Armutserfahrungen mitreden, wenn es um die Berechnung der Regelsatzhöhe, die Reform des Bürgergeldes oder Lösungen für die Preissteigerungen oder Mobilität geht“, so Heike Wagner und Heide Mertens vom Vorbereitungsteam. So seien die Regelsätze deutlich zu niedrig und deckten existentielle Bedürfnisse nicht ab. Die Entlastungspakete zur Energiekrise wirkten nicht zielgenau, um Menschen, die in Armut leben, ausreichend zu helfen.

„Es zeigt sich einmal mehr: Armutsbetroffene sind Expert:innen in eigener Sache. So war manchem Politiker:in nicht klar, dass es Unterschiede im SGB XII und SGB II z.B. in Bezug auf anrechnungsfreies Einkommen oder Wohnkosten gibt, die Erwerbsunfähige deutlich benachteiligen“, berichtet der Teilnehmende Kay Raasch. Auch der Vorschlag für Mitbestimmungsgremien in den Jobcentern sei interessiert aufgegriffen worden.

Die Wahl einer Vorbereitungsgruppe für das nächstjährige Treffen und anschließende gemeinsame Aktionen mit dem „Bündnis AufREcht bestehen“ zum Bürgergeld rundeten die Tagung ab.

Hintergrundinformation:

Das Treffen der Menschen mit Armutserfahrungen ist das Herzstück der Nationalen Armutskonferenz (NAK), einem Zusammenschluss von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Fachverbänden und der Selbstorganisation von Menschen mit Armutserfahrung (https://www.nationale-armutskonferenz.de/) Die Tagung findet jährlich statt. In diesem Jahr trafen sich über 70 Personen in Berlin, um gemeinsam Probleme und Lösungen im Kampf gegen Armut zu diskutieren. Die Teilnehmenden führten am Mittwoch, 13. Oktober Gespräche mit Fachabgeordneten aus dem Bereich Arbeitsmarkt und Soziales im Bundestag.

Im Gespräch schilderte Kai Whittacker (Union) die aktuellen Diskussionen über das SGB II und verwies auf seine umfangreiche und persönliche Expertise zu Armutserfahrungen. Die unterschiedlichen Freibetragsregelungen in den SGB II und XII wurden gemeinsam kritisch bewertet. Zentrales Anliegen der Union bleibt die Vermittlung in Arbeit. Den Teilnehmenden war wichtig, darüber zu informieren, dass Armut viele Dimensionen hat. Ebenso stellten sie die Problematik Wohnungsloser und von zugewanderten EU-Bürger:innen zur Diskussion, die nach ihrer Ansicht politisch nicht ernst genug genommen werde.

Stephanie Aeffner von Bündnis 90 / Die Grünen wies auf ihre eigene Erfahrung in der Selbstorganisation hin. Höhere Regelsätze und ein grundlegendes Umsteuern in der Existenzsicherung wurden als wichtige Themen der Grünen deutlich, zugleich aber auch die Grenzen der Durchsetzbarkeit in der jetzigen Regierungskoalition. Die Forderung der Armutskonferenz, in den Jobcentern Menschen mit Armutserfahrung an Entscheidungs- und Mitbestimmungsstrukturen zu beteiligen, wurden von ihr und MdB Wolfgang Strengmann-Kuhn positiv aufge-nommen. Weitere Gesprächsthemen waren nicht ausreichend gedeckte Stromkosten und komplizierte und zu umfassende Anrechnungsregelungen von Einkommen.

Jessica Tatti von den Linken machte deutlich, dass die Beteiligung von Menschen mit Armutserfahrung bei der Regelsatzentwicklung und Reformen am Existenzminimum ihrer Fraktion ein wichtiges Anliegen sei. Die am Gespräch Beteiligten waren sich einig, dass Leistungsberechtigte auch ein aktive Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht in den Jobcenterbeiräten erhalten sollten.

Im Gespräch mit dem FDP-Abgeordneten Jens Teutrine war Kinderarmut ein wichtiges Thema. Die Teilnehmenden verwiesen auf hohe Hürden und deutliche Abbruchkanten bei nur wenig steigenden Einkommen beim bisherigen Kinderzuschlag. Interessiert nahm der Abgeordnete die Schilderungen zu Trennungssituation war, die zu Mangellagen in beiden Haushalten führen. Unterschiedlich wurden Sanktionsregelungen bewertet, Gemeinsamkeiten fanden sich beim Thema Entbürokratisierung, Beschleunigung der Antragsbearbeitung und der Beteiligung von Betroffenen in Schiedsstellen.

Svenja Appuhn von der Grünen Jugend nahm im Gespräch Anregungen von teilnehmenden Kindern und Jugendlichen auf, wie sich stärker gegen Klimawandel, Unterrichtsausfall an den Schulen und mangelnde Ausstattung mit Geräten an den Schulen engagiert werden kann. Die Kinder und Jugendlichen wiesen darauf hin, dass oft schon die Frage, wer sich welchen Computer leisten kann, über eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht entscheidet.

Aufgrund der Berichterstattergespräche zum Bürgergeld konnte Annika Klose (SPD) nicht am Tagungstermin selbst Gespräche führen. Hier soll es alternative Gesprächsmöglichkeiten geben; bereits im Vorfeld hatte ein intensiverer mehrständiger Austausch mit der Armutskonferenz stattgefunden, in dem die Bürgergeldreform breit diskutiert wurde.

Quelle: Pressemitteilung Nationalen Armutskonferenz vom 14.10.2022

Ein breites Bündnis ruft am 22. Oktober in sechs Städten zu Demos für eine solidarische Krisenpolitik auf. Hilf mit, dass viele auf die Straße gehen und teile die Sharepics zur Demonstration!

Am 22. Oktober wird es in ganz Deutschland laut für eine solidarische Krisenpolitik: ver.di, GEW, Greenpeace, BUND, Attac, Campact, Paritätischer Gesamtverband, Finanzwende und Volkssolidarität unterstützt u.a. von Fridays for Future, WWF und Sanktionsfrei rufen zu Demos unter dem Motto #SolidarischerHerbst auf. In Zeiten von Inflation und Energiepreiskrise fordert das Bündnis: Soziale Sicherheit schaffen und fossile Abhängigkeiten beenden!

Die Demos starten am 22.10. um 12 Uhr in Berlin, Dresden, Düsseldorf, Hannover, Frankfurt am Main und Stuttgart.

Hier gibt es Sharepics zum Teilen passend für deine Stadt für Facebook und Instagram, Instagram-Stories oder deinen WhatsApp-Status. Klick einfach auf den jeweiligen Link und lade das Bild herunter:

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Weiterführende Links

Website und ausführlicher Aufruf #SolidarischerHerbst

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 06.10.2022

Der Finanzausschuss des Bundestages berät heute in einer Anhörung über das Inflationsausgleichsgesetz. „Der Gesetzesentwurf verfehlt das Ziel, Alleinerziehende in der Infla-tion wirksam zu entlasten. Die Kindergelderhöhung wird für viele Kin-der von Alleinerziehenden erneut zum Nullsummenspiel. Wir fordern, das Zusammenspiel von Unterhaltsvorschuss und Kindergeld zu ver-bessern und zügig die geplante Steuergutschrift für Alleinerziehende umzusetzen. Denn sie brauchen eine tatsächliche Verbesserung dringend“, kritisiert Miriam Hoheisel, Bundesgeschäftsführerin des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV).
Das Kindergeld wird sowohl mit den Leistungen des SGB II als auch mit dem Unterhaltsvorschuss voll verrechnet und erreicht somit viele armutsgefährdete Kinder nicht. Jedes zweite Kind in Armut wächst im Haushalt einer Alleinerziehenden auf. Bei Kindern, die Unterhalt er-halten, wird das halbe Kindergeld verrechnet. In Alleinerziehenden-Haushalten stehen somit nicht 18 Euro mehr Kindergeld zur Verfü-gung, sondern 9 oder nur 0 Euro. Um vom höheren Kinderfreibetrag zu profitieren, haben Alleinerziehende oftmals ein zu kleines Ein-kommen. Auch durch den Ausgleich der kalten Progression haben vor allem Menschen mit hohen Einkommen ein deutliches Plus. „Da-bei treffen Familien mit kleinem Einkommen und somit viele Alleiner-ziehende und ihre Kinder die steigenden Lebenshaltungspreise und Energiekosten besonders hart“, bemängelt Hoheisel.
„Der VAMV fordert, das Kindergeld nur zur Hälfte auf den Unterhalts-vorschuss anzurechnen, wie beim Unterhalt. Das wäre für Alleiner-ziehende eine wirkungsvolle, dringend notwendige Entlastung. Leider hat der Bundestag gerade einen entsprechenden Antrag der Opposi-tion abgelehnt“, bemängelt Hoheisel. „Dabei hatten in der Anhörung des Familienausschusses hierzu die Sachverständigen einhellig die-se Erhöhung des Unterhaltsvorschuss befürwortet.“
„Umso wichtiger ist es, die angekündigte Steuergutschrift für Allein-erziehende zügig umzusetzen. Denn diese würde auch Alleinerzie-hende mit kleinen und mittleren Einkommen gezielt unterstützen, wenn sie gut ausgestaltet wird. Die Steuergutschrift ist im Koalitions-vertrag in einem Atemzug mit dem Sofortzuschlag genannt – das hat die Erwartung geweckt, dass auch diese schnell kommt“, betont Hoheisel.

Quelle: Pressemitteilung Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) vom 17.10.2022

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 08./09. November 2022

Veranstalter: Deutsches Jugendinstituts

Mit der diesjährigen Jahrestagung in hybridem Format setzt das Deutsche Jugendinstitut die Tradition der jährlichen wissenschaftlichen Veranstaltungen fort und schafft wiederum die Gelegenheit, neue Forschungsergebnisse zu aktuellen Fragen vorzustellen und gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Fachpraxis sowie Politik und Administration zu diskutieren.

Das Programm mit allen Informationen finden Sie hier.

Sie können sich unter folgendem Link für die Jahrestagung anmelden:

https://event.goes-virtual.de/v/wissenschaftliche-jahresta-gung-dji-2022

Termine: 21. November, 29. November, 6. Dezember 2022, jeweils von 9.00-13.00 Uhr

Veranstalter: evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V.

Während der Pandemie wurden alte und neue Konzepte für digitale Lehre in der Weiterbildung erprobt, verfeinert, verworfen… Wir wollen gemeinsam bilanzieren und uns auf den Weg machen:
Was bedeutet das für die Zukunft der Familienbildung? Für unsere Angebote? Für unsere Fachkräfte? Für unsere Zielgruppen? Was wünschen sich Teilnehmende? Was kam gut an und soll bleiben? Wie kann die neue Präsenz in der Einrichtung gestaltet werden? Welche neuen Ideen für Digitales gibt es? Eine Frage ist hierbei: Welche Angebote entfalten sich am besten gemeinsam vor Ort, welche passen besser digital?
In diesem dreiteiligen Workshop wollen wir begleitet von Impulsen durch die Workshopleitung gemeinsam und in Kleingruppen konkret an Ihrer Angebotsplanung arbeiten. Bringen Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und Ideen mit. Sollten Sie an einem der Termine verhindert sein, verabreden Sie gerne eine Vertretung aus Ihrer Einrichtung, denn wir wollen über die drei Termine hinweg miteinander im Prozess bleiben.

Workshopleiterin: Prof. Dr. Christina Müller-Naevecke, Erwachsenenbildnerin und Hochschuldidaktikerin, Beauftragte für Didaktik und Digitalisierung in der Lehre, Professur für Angewandte Pädagogik

Zielgruppe: Leitungskräfte und Hauptamtliche, sowie Fachbereichsleitungen und Multiplikator:innen in der Erwachsenen- und Familienbildungsarbeit

Weitere Informationen zur Veranstaltung und zur Anmeldung finden Sie hier.

Termine: 28.11.2022 von 16:00-17:30 Uhr (Durchlauf A) oder 18:00-19:30 Uhr (Durchlauf B)

Veranstalter: Progressiver Eltern- und Erzieher*innen-Verband (PEV) NRW e.V.

Natürlich ist alles in der Realität etwas komplexer und startet erst 2026 mit den Kindern des ersten Schuljahrgangs. Ein Ausführungsgesetz soll bis dahin in NRW die Standards und Beteiligungsmöglichkeiten bei Bildung, Betreuung und Erziehung festlegen– so steht es im aktuellen Koalitionsvertrag.
Gute Absichten sind wichtig – wir wollen auch gute Ergebnisse erreichen!

Deshalb müssen bei allen Überlegungen die Interessen und Bedarfe von Kindern und ihren Familien im Vordergrund stehen. Wenn Politik und Fachverbände über Rahmenbedingungen „streiten“, müssen die Absicht und Ziele der Ganztagsbetreuung für die „Betroffenen“ benannt und zum Maßstab gemacht werden.

Weitere Informationen zur Veranstaltung und zur Anmeldung finden Sie hier.

Termine: 05. und 06. Dezember 2022

Veranstalter: Bundesstiftung Gleichstellung

Ort: Berlin

Mit einer festlichen Abendveranstaltung am 5. Dezember werden wir das Vernetzungstreffen aller Aktiven in der gleichstellungspolitischen Szene eröffnen. Am 6. Dezember lädt ein Fachtag mit inhaltsreichen Workshops und Paneldiskussionen zum Austausch ein.
Pandemiebedingt planen wir ein hybrides Format in Berlin mit Livestreams für wesentliche Teile der Veranstaltung.

Weitere Informationen zum Programm, zu den Speaker*innen und zur Anmeldung finden Sie in Kürze auf

www.bundesstiftung-gleichstellung.de.

WEITERE INFORMATIONEN

Im Abstand von fünf Jahren erhebt das Statistische Bundesamt Einkommen und Ausgaben der Bevölkerung in Deutschland über die repräsentative Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). Diese Daten dienen unter anderem zur Ermittlung des Existenzminimums von Kindern. Davon hängt gerade in diesen Zeiten viel ab: die Höhe des Bürgergelds und Kinderzuschlags, die Höhe des steuerlichen Kinderfreibetrags und Kindergelds sowie die Höhe des Mindestunterhalts und Unterhaltsvorschusses.

Schreiben von der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an Vereine, Verbände, Träger, Projekte und Beratungsstellen für Familien

Schreiben von der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an Familien in Deutschland

Weitere Informationen zur EVS finden Sie im Flugblatt.

 

Eine Reform des Sorge-, Umgangs- und Unterhaltsrechts wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Nunmehr ist eine Modernisierung des Familienrechts auch im aktuellen Koalitionsvertrag festgehalten. Der Deutsche Verein weist ausdrücklich darauf hin, dass bei den anstehenden Diskussionen um eine umfassende Reform des Familienrechts und Familienverfahrensrechts insbesondere auch auf die Fälle zu schauen ist, in denen aus unterschiedlichen Gründen die gemeinsame Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung nicht im Sinne des Kindeswohls ist oder nicht verwirklicht werden kann.

Die Empfehlung können Sie hier herunterladen: Empfehlungen des Deutschen Vereins für eine Reform des Familien- und Familienverfahrensrechts unter Berücksichtigung von häuslicher Gewalt (deutscher-verein.de)

Angesichts der Gewaltbetroffenheit von Frauen als Menschenrechtsverletzung, der Handlungsaufträge der Istanbul-Konvention sowie der noch immer überwiegend ungesicherten Situation von Fachberatungsstellen und Frauenhäusern und der Zugangsschwierigkeiten für viele gewaltbetroffene Frauen zu Schutz und Beratung spricht sich der Deutsche Verein dafür aus, eine neue eigenständige Regelung auf Bundesebene zur Absicherung des Hilfesystems für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder außerhalb der bestehenden Sozialgesetzbücher zu schaffen.

Die Empfehlungen formulieren konkrete Anforderungen an ein solches Bundesgesetz. So ist dieses so auszugestalten, dass ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes Schutz- und Beratungsangebot zu vergleichbarer Qualität in Deutschland umgesetzt und gesichert wird. Voraussetzung für den Zugang zu Schutz und Beratung soll allein die Betroffenheit der Frauen und ihrer Kinder von Gewalt oder drohender Gewalt sein. Das neue Bundesgesetz soll die Regelungen für die erforderliche Beratung und Unterstützung der gewaltbetroffenen Frauen und ihrer Kinder, für die gebotene Prävention und Öffentlichkeitsarbeit sowie für die Sicherung der Unterkunft im Frauenhaus einschließlich ihrer Finanzierung umfassen. Leistungen zur materiellen Existenzsicherung für die gewaltbetroffenen Frauen sollen nicht Bestandteil des neuen Bundesgesetzes sein, sondern in den bestehenden Gesetzbüchern verbleiben.

Die Empfehlung können Sie hier herunterladen: Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Absicherung des Hilfesystems für von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene Mädchen, Frauen und ihre Kinder (deutscher-verein.de)

In Deutschland gelten rund 2,2 Millionen Schülerinnen und Schüler als „bildungsarm“, denn sie verfügen zum Beispiel nicht über die Mindestkompetenzen in Deutsch und Mathematik. Die Gründe dafür sind vielfältig, und ebenso vielfältig ist diese Zielgruppe, die seit PISA vereinfachend „Risikogruppe“ genannt wird. Meist handelt es sich um Kinder und Jugendliche, die in ökonomisch prekären Verhältnissen aufwachsen, sowie Schülerinnen und Schüler aus Förderschulen.

Wer für die „Risikogruppe“ neue Zugänge im Bildungssystem öffnen und ihre Bildungschancen verbessern will, muss die realen Lebenswelten dieser Kinder, Jugendlichen und Familien genau in den Blick nehmen. Denn um wirksam zu werden, müssen sich die Interventionsstrategien auf die jeweiligen Problemlagen beziehen.

Die Autorinnen und Autoren der Publikation „Bildung im Sozialraum“ haben das mittels Interviews getan. Und sie geben dezidierte Empfehlungen, wie aus Risiken Chancen erwachsen können.

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