Stärkung der Familienbildung jetzt! Offener Brief anlässlich der Reform des SGB VIII

09.02.2021 – Anlässlich der aktuellen parlamentarischen Debatten um eine Reform des Kinder- und Jugendhilferechts (SGB VIII) sprechen sich 23 Organisationen gemeinsam dafür aus, die Familienbildung als niedrigschwellige und wirksame Unterstützung für Familien zu stärken. Das Zukunftsforum Familie (ZFF) zeichnet diesen Brief mit.

Der offene Brief wurde versendet an

  • die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
  • die zuständigen Minister*innen der Bundesländer,
  • die Fraktionsspitzen im Deutschen Bundestag sowie
  • die Mitglieder des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Deutschen Bundestag.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie, erklärt: „Die Auswirkungen der Corona-Krise haben Familien in den vergangenen Monaten eine enorme Kraftanstrengung abverlangt. Gerade in dieser Situation brauchen sie eine verlässliche und niedrigschwellige Begleitung durch die Familienbildung vor Ort. Eine zentrale Aufgabe dieser Angebote ist es, Eltern in ihren Beziehungs- und Erziehungskompetenzen zu stärken, um Kindern ein Aufwachsen in Wohlergehen zu ermöglichen. Gute Familienbildung braucht dabei passende Rahmenbedingungen. Die Aussichten angesichts knapper werdender kommunaler Kassen sehen allerdings schlecht aus und Leistungen nach § 16 SGB VIII, zu denen die Angebote gehören, stehen oft an der Spitze der Kürzungslisten. Wir fordern daher dringend den Bund und die Länder auf, die aktuelle Reform des Kinder- und Jugendhilferechts zu nutzen und die Familienbildung zukunftsfest zu machen!“

Der Wortlaut des offenen Briefes:

Die Familienbildung nach § 16 SGB VIII leistet einen bedeutsamen Beitrag zur Gestaltung einer kinder- und familienfreundlichen Gesellschaft. Sie bietet über alle Familienphasen hinweg Begleitung und Unterstützung bei der Erziehung, Bildung, Gesundheit und in Alltagsfragen und stärkt die Bindungs- und Beziehungsstabilität in Familien.

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, begrüßen es daher sehr, dass der Gesetzentwurf zur Reform des SGB VIII das inhaltliche Leistungsspektrum der Familienbildung in § 16 SGB VIII-E exemplarisch aufzeigt, Grundlagen für Kooperation und Vernetzung im Sozialraum schafft und mit der neu vorgeschlagenen Formulierung endlich Abstand nimmt von einem defizitären Blick auf Eltern und Familie.

Um ihrem wichtigen Auftrag aber gerecht werden zu können, braucht Familienbildung strukturelle Voraussetzungen, um dauerhaft, verlässlich und wirkungsvoll den Familien in ihrem Sozialraum zur Verfügung zu stehen.

Wir fordern Sie daher dringend auf, die Verbindlichkeit der Bereitstellung von Angeboten der Familienbildung durch den öffentlichen Träger der Jugendhilfe zu erhöhen!

Dazu muss/müssen

  • in § 16 SGB VIII klargestellt werden, dass es sich bei der Formulierung („sollen…angeboten werden“) nicht um eine freiwillige Leistung der Kommune, sondern um eine Pflicht zur Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur handelt,
  • die Verpflichtung der Länder zur Formulierung konkreter Ausführungsbestimmungen und Förderrichtlinien im Hinblick auf die Leistungen in § 16 SGB VIII aufgenommen werden sowie
  • die §§ 74 Absatz 6 und 79 Absatz 2 Satz 2 SGB VIII explizit um die Leistungen der Familienförderung und ihre Einrichtungen erweitert und somit der Förderung der Jugendarbeit gleichgestellt werden.

Der jetzt formulierte Zusatz in § 16 SGB VIII-E zur Entwicklung vernetzter, kooperativer und sozialraumorientierter Angebotsstrukturen unterstreicht die Bedeutung des § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII-E, welcher klar die Gesamtverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bei der Gewährleistung von Aufbau und Weiterentwicklung verbindlicher Strukturen zur Zusammenarbeit betont. Daraus folgt, dass auch für die Familienbildung die entsprechenden Mittel und Personalressourcen vorgehalten und finanziert werden müssen, um Zusammenarbeit vor Ort möglich zu machen.

Die soziale Krise als Folge der Corona-Pandemie zeigt uns deutlich, wie dringend Kinder, Jugendliche und ihre Familien vor Ort auf niedrigschwellige Unterstützung und Beratung angewiesen sind.

Dieser offene Brief wird mitgezeichnet von 23 Organisationen:

AKF – Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung e.V.

AWO Bundesverband e.V.

Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt)

Bundesverband der Mütterzentren e.V.

Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (DEAE) e.V.

Deutsche Liga für das Kind e.V.

DGSF – Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e.V.

Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.

evangelische arbeitsgemeinschaft familie (eaf) e.V.

familienbildung deutschland – Kath. BAG für Einrichtungen der Familienbildung

Familienbund der Katholiken e.V.

Humanistischer Verband Deutschlands Bundesverband

Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie

Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e.V.

Landesverband Mütter- und Familienzentren in Bayern e.V.

Naturfreunde Thüringen e.V.

Paritätisches Bildungswerk Bundesverband e.V.

PEKIP e.V.

Pestalozzi-Fröbel-Verband e.V.

SHIA Bundesverband e.V.

Stiftung SPI – Sozialpädagogisches Institut Berlin »Walter May«

Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V.

Zukunftsforum Familie e.V.

Den Brief mit allen Logos finden Sie hier.