Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschränkt sich nicht nur auf die Erziehung und Betreuung von Kindern, sondern umfasst auch das Thema Pflege. Diese Erkenntnis rückt in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus von Politik, Unternehmen und Gesellschaft.

Die Regelungen

Mit dem Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf (2015 in Kraft getreten) wurden das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) reformiert und weiterentwickelt.

Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) regelt zwei verschiedene Freistellungsansprüche: Die kurzzeitige Arbeitsverhinderung von bis zu zehn Arbeitstagen und die so genannte Pflegezeit als Rechtsanspruch auf bis zu sechs Monate vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit.

Zur Organisation einer akuten Pflegesituation können Arbeitnehmer*innen bis zu zehn Arbeitstage ohne Ankündigungsfrist der Arbeit fernbleiben. Dieses Recht gilt unabhängig von der Größe des Unternehmens. Seit 2015 ist für diese Zeit eine Lohnersatzleistung (Pflegeunterstützungsgeld) analog dem Kinderkrankengeld vorgesehen. Es kann bei der Pflegeversicherung der pflegebedürftigen Person beantragt werden. Eine akute Pflegesituation liegt dann vor, wenn voraussichtlich die Voraussetzungen einer Pflegebedürftigkeit im Sinne der Bewilligung einer Pflegestufe vorliegen.

Arbeitnehmer*innen haben zudem die Möglichkeit, bis zu sechs Monate ganz oder teilweise aus dem Beruf auszusteigen, um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen. Seit 2015 kann für diese Zeit ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden, um den Einkommensverlust abzufedern. Der Rechtsanspruch auf Pflegezeit besteht allerdings nur gegenüber Arbeitgeber*innen mit mehr als 15 Beschäftigten.

Daneben besteht ein Rechtsanspruch für die häusliche oder auch außerhäusliche Betreuung eines minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen. Auch hier ist eine Pflegebedürftigkeit Voraussetzung.

Schließlich kann eine bis zu dreimonatige vollständige oder teilweise Auszeit genommen werden, um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase zuhause oder außerhäuslich zu begleiten. Auch hierfür kann ein zinsloses Darlehen in Anspruch genommen werden.

Im Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) ist für länger andauernde Pflegesituationen seit 2015 ein Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit verankert. Arbeitnehmer*innen können bis zu 24 Monate lang ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren, um einen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen. Dieser Anspruch besteht allerdings nur gegenüber Arbeitgeber*innen mit mehr als 25 Beschäftigten. Auch für die Familienpflegezeit besteht nunmehr ein Rechtsanspruch auf ein zinsloses Darlehen.

Der Rechtanspruch auf Familienpflegezeit gilt auch für die Betreuung minderjähriger, pflegebedürftiger naher Angehöriger, auch in außerhäuslicher Umgebung.

Alle Freistellungsmöglichkeiten nach dem PflegeZG und dem FPfZG können miteinander kombiniert werden. Sie müssen aber nahtlos aneinander anschließen. Ihre Gesamtdauer beträgt höchstens 24 Monate.

Bewertung des Zukunftsforum Familie

Vor allem die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Familienpflegezeit und einer Lohnersatzleistung für die kurzfristige zehntägige Freistellung sind aus Sicht des Zukunftsforum Familie notwendige und wichtige Schritte. Die maximale Dauer der Kombination von Pflegezeit und Familienpflegezeit von zwei Jahren wird allerdings in vielen Fällen nicht ausreichen, um die Phase der Pflegebedürftigkeit abzudecken. Kritisch bewertet das ZFF auch, dass die Pflegezeiten mittels Darlehen letztlich durch die Pflegenden selbst finanziert werden müssen.

Zudem sollten Unterstützungsmaßnahmen für Pflegende nicht auf die Pflege von Familienangehörigen im Sinne eines Verwandtschaftsgrades beschränkt bleiben, sondern allen zugutekommen, die Zeit für die Pflege eines anderen Menschen aufwenden. Das ZFF fordert, die Pflegezeit und Familienpflegezeit als steuerfinanzierte Lohnersatzleistung zusammenzuführen und analog zum Elterngeld auszugestalten.

Bei der längerfristigen Übernahme von Verantwortung für einen pflegebedürftigen Menschen soll nach Ansicht des Zukunftsforum Familie nicht ein längerer Ausstieg aus dem Beruf gefördert, sondern die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sichergestellt werden. Dafür sind pflegesensible Arbeitszeiten eine wichtige Voraussetzung: Diese ermöglichen es Arbeitnehmer*innen, Einfluss auf Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit zu nehmen, je nach Bedarf kürzere oder längere Auszeiten in Anspruch zu nehmen und phasenweise die Arbeitszeit zu reduzieren und wieder aufzustocken. Auch im Bereich der Arbeitsorganisation und der Betriebskultur müssen Veränderungen stattfinden, um pflegenden Beschäftigten die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu erleichtern.

Die Übernahme von Pflegeverantwortung setzt infrastrukturelle Bedingungen voraus, die Pflegende bei der Erfüllung ihrer psychisch wie physisch belastenden Aufgaben unterstützen. Die Übernahme privater Sorgeverantwortung soll professionelle Pflege nicht ersetzen. Vielmehr muss für eine bessere Verzahnung von familiärer/ privater Pflege und professionellen Pflegeangeboten gesorgt werden – insbesondere auch bei der Versorgung und Betreuung von demenzkranken Menschen.

Um den Pflegenden die so wichtige eigene Regeneration zu ermöglichen, sind nach Ansicht des ZFF beispielsweise niedrigschwellige individuelle Beratungs- und Begleitungsangebote, flexible Unterstützung durch ambulante Pflegedienste, entlastende Angebote wie Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege sowie ehrenamtliche Netzwerke notwendig. Für diese Rahmenbedingungen der familiären bzw. nicht-familiären Pflege muss – auch finanziell – Sorge getragen werden. Andernfalls besteht die Gefahr einer Überforderung des Solidarsystems Familie sowie anderer, frei gewählter Verantwortungsbeziehungen. Dies hat eine abnehmende Bereitschaft, Pflegeverantwortung für andere Menschen zu übernehmen, zur Folge.