Zehn Thesen für einen sozialen und ökologischen Neustart

  1. Ökologie und Soziales gehören zusammen
    Ökologische und soziale Fragen lassen sich nicht trennen, sie sind Überlebens- und Gerechtigkeitsfragen.
    Die Überwindung der Umwelt- und Klimakrise verlangt immense politische, gesellschaftliche,
    soziale und wirtschaftliche Anstrengungen auf der ganzen Welt. Das Pariser Klimaabkommen
    muss umgesetzt und der globale Temperaturanstieg auf maximal 1,5 Grad begrenzt,
    die Naturzerstörung muss beendet und Artenvielfalt erhalten werden. Politik, Wirtschaft,
    Produktion und Konsum müssen eine zukunftsfähige Umgestaltung erfahren und die planetaren
    Belastungsgrenzen anerkannt sein. Der Ressourcenverbrauch reicher Länder und Personen
    ist weit überzogen. Auf der anderen Seite sind Armut und fehlender Zugang zu Ressourcen
    bittere Realität. Klimakrise, Naturzerstörung und soziale Ungerechtigkeit sind eng verbunden.
    Der Ressourcenverbrauch muss zugleich begrenzt und sozial gerecht gestaltet werden.

  2. Klimawandel, Naturzerstörung und Verlust der Biodiversität sind Existenzkrisen für die Menschheit
    Der Klimawandel sowie der rasante und irreversible Verlust an natürlichen Lebensräumen und
    Arten gefährden das Überleben der Menschen. Technologien allein können diese Krisen nicht
    lösen. Ein achtsamer Umgang mit der Natur ist notwendig und reduziert diese nicht auf die
    Rolle eines Ressourcenlagers. Sie hat einen eigenen Wert. Der umfassende Erhalt und Schutz
    von vielfältigen Landschaften, Wäldern, Böden, Grundwasser, Gebirgen, Feuchtgebieten, Flüssen,
    Meeren und ihrer nicht-menschlichen Bewohner sind Voraussetzung für wirksamen Klimaschutz
    und den Schutz der Lebensgrundlagen.
    Dies ist zugleich Grundvoraussetzung für nachhaltiges Wirtschaften und das Einhalten der planetaren
    Grenzen. Die 17 Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs)
    sind dabei ein wichtiger Kompass.

  3. Wirtschaft ökologisch gestalten
    Der ordnungspolitische Rahmen muss Anreize für soziale und ökologische Innovationen und
    Finanzmärkte setzen, Fehlanreize abschaffen und die Überwindung klima- wie umweltschädlicher
    Produkte oder Verhaltensweisen gewährleisten. Ein Umsteuern auf allen Ebenen initiiert
    und unterstützt wirksam die nötige Veränderung der Produktion, Dienstleistungen und Waren in
    der Wirtschaft sowie der Konsumgewohnheiten der öffentlichen Hand und der Privathaushalte.
    Investitionsströme sind von grauer Infrastruktur (u. a. Straßen, Schienen, Energieversorgung,
    Abfallentsorgung) in grüne Infrastruktur (vernetzte Ökosysteme und ihre Leistungen) umzulenken
    und klima- und umweltschädliche Subventionen abzubauen.

  4. Energiewende: sozial gerecht und naturverträglich
    Die drastische Reduzierung des Energieverbrauchs, der schnellstmögliche Ausstieg aus den
    fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Gas sowie der massive naturverträgliche Ausbau der erneuerbaren
    Energien sind das Herzstück der Energiewende.
    Die CO2-Bepreisung muss mit einer sozialen Umverteilung verbunden sein, wie mit dem Klimageld
    diskutiert. Zukunftsfähiges Konsumieren und Wohnen muss für alle Menschen möglich
    sein. So sind Förderprogramme nötig, beispielsweise für energiesparende Geräte, ökologisch
    wirksame Reparaturen sowie eine bessere Energie- und Wärmeeffizienz von Wohnraum, die
    besonders Haushalten und Personen mit geringem Einkommen zugutekommen. Hilfen für Familien
    und Sozialleistungen müssen bedarfsdeckend sein und die Kosten des Klimaschutzes
    berücksichtigen.

  5. Teilhabe für alle an umweltschonender Mobilität
    Die Verkehrswende bietet die Chance, soziale und ökologische Ziele zu verbinden. Mobilität
    muss allen zugänglich und zugleich klima- und umweltschonend gestaltet sein. Staus, hohe
    CO2-Emissionen und Flächenversiegelung sollen der Vergangenheit angehören. In Städten,
    aber auch auf dem Land braucht es weniger Autos, mehr ÖPNV und mehr Sharing-Angebote:
    zugänglich, barrierefrei und ohne finanzielle Hürden. Dazu kommt ein umfangreiches und sicheres
    Netz von Rad- und Fußwegen.

  6. Ernährungs- und Landwirtschaftswende
    Die Art, wie Lebensmittel überwiegend erzeugt, gehandelt und konsumiert werden, ist nicht zukunftsfähig.
    Der Wandel hin zu einer ökologischen, umweltfreundlichen und klimaschonenden
    Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung und vielfältigen bäuerlichen Strukturen ist notwendig.
    Sie muss für die Produzent:innen auskömmlich sein. Fischereien und Fischzuchten sind
    umweltverträglich zu gestalten.
    Lebensmittel, deren Erzeugung mit Naturschädigung wie Wasserverschwendung und Entwaldung
    sowie mit Menschenrechtsverletzungen verbunden ist, gehören aus Handel und Konsum
    verdrängt. Hochwertige, nachhaltig, wassersparend und regional erzeugte gesunde Lebensmittel
    müssen ihren angemessenen Preis haben und zugleich allen Menschen zugänglich sein.
    Ziel der staatlichen Steuerung und von Subventionen ist naturverträgliche Ernährungssicherheit
    und –souveränität.

  7. Soziale Gerechtigkeit erfordert Umverteilung
    Eine sozial-ökologische Transformation erfordert eine faire Aufteilung der Lasten. Umweltschäden
    werden insbesondere durch Personen mit hohem Einkommen und Ressourcenverbrauch
    verursacht. Dem muss steuer- und ordnungspolitisch entgegengewirkt werden.
    Menschen mit sozialen Benachteiligungen und in strukturschwachen Regionen benötigen bedarfsgerechte
    Unterstützungsleistungen bei den anstehenden Veränderungen. Das
    Existenzminimum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene muss so gestaltet sein, dass es
    ökologisch nachhaltige Teilhabe ermöglicht.

  8. Nachhaltige Arbeitsformen
    Die Interessen von Beschäftigten an guten Arbeitsbedingungen, ausreichendem Einkommen,
    beruflichen Perspektiven und Sicherheit im Wandel müssen berücksichtigt werden. Erwerbsarbeit
    soll durch private wie öffentliche Investitionen in ökologisch nachhaltige Produkte, Prozesse
    und Dienstleistungen langfristig und mit aktiver Beteiligung der Beschäftigten gesichert
    werden.
    Erwerbsarbeitsformen müssen vielfältig weiterentwickelt und die Arbeitszeit neu verteilt werden.
    Arbeitsformen wie Familienarbeit, Care- und Sorgearbeit oder zivilgesellschaftliches Engagement
    sowie gemeinwohlorientierte Arbeit müssen gesellschaftlich anerkannt und wertgeschätzt
    sein.
    Die Arbeitsförderung der Bundesagentur für Arbeit soll Nachhaltigkeitskriterien einbeziehen.

  9. Globale Verantwortung
    Viele soziale, ökologische und ökonomische Probleme in anderen Teilen der Welt werden
    durch die Wirtschaftsweise, Produktionsformen und Konsumgewohnheiten in Ländern mit hoher
    Wirtschaftskraft verursacht oder verstärkt.
    Es ist eine Frage der globalen Gerechtigkeit, dass alle Menschen ein gesundes und selbstbestimmtes
    Leben führen können, ihre Lebensgrundlagen erhalten bleiben und ihre Menschenrechte
    sowie die Rechte und Territorien indigener Bevölkerung geachtet werden. Dazu gehören
    eine faire Handelspolitik sowie die Erweiterung und Einhaltung internationaler Umwelt- und Sozialverträge.

  10. In Krisenzeiten Veränderungen umsetzen
    Die Bewältigung der großen ökologischen Krisen unserer Zeit – Klimawandel, Verlust von Arten
    und Lebensräumen und die Verschmutzung der Umwelt – muss dafür genutzt werden, eine
    neue, nachhaltige und sozial gerechte Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen. Die Folgen des
    russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zeigen einmal mehr, wie problematisch die Abhängigkeit
    von fossilen Energien ist. Der Schutz des Klimas, der Biodiversität, aber auch von
    Frieden, Demokratie und sozialem Zusammenhalt erfordert die schnellstmögliche Abkehr von
    Kohle, Öl und Gas sowie der naturschädigenden Gewinnung und Nutzung anderer Rohstoffe.

Berlin, 23. Juni 2022

1.  Diakonie Deutschland
2.  Zukunftsforum Familie e.V.
3.  Institut für Kirche und Gesellschaft
4.  Forum Ökologie & Papier
5.  BUND Naturschutz in Bayern e.V.
6.  Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen
7.  AWO Bundesverband e.V.
8.  Internationaler Bund
9.  350.org
10. Slow Food Deutschland e.V.
11. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) – Friends of the Earth Germany
12. Brot für die Welt
13. Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe
14. Evangelische Akademie im Rheinland
15. Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland – DaMOst e.V.
16. Deutscher Caritasverband
17. AGU – Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten in den Gliedkirchen der EKD
18. Heinz-Sielmann-Stiftung
19. Klima-Allianz Deutschland
20. Deutscher Naturschutz-Ring
21. Evangelische Kirche im Rheinland
22. Evangelische Kirche von Westfalen
23. Konzeptwerk Neue Ökonomie
24. SoVD Sozialverband Deutschland
25. WWF
26. NABU
27. BAG Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit
28. Armutsnetzwerk e.V.
29. Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V. (ASB)
30. Gemeinwohl-Ökonomie Deutschland e.V.
31. Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V.
32. Lippische Landeskirche
33. Nationale Armutskonferenz
34. Greenpeace
35. Werkstatt Ökonomie
36. Forum Umwelt und Entwicklung
37. Netzwerk Grundeinkommen
38. German Zero e.V.
39. Diakonie Hessen

Das Bündnis der unterzeichnenden Verbände wird wissenschaftlich unterstützt durch das
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) im Rahmen von Projektförderungen
durch die Open Society Foundations und die Robert Bosch Stiftung.