AUS DEM ZFF
Dokumentation der AGF-Fachtagung "Ergebnisse des 10. Familienberichts – Unterstützung allein- und getrennterziehender Eltern und ihrer Kinder" am 12. Mai 2025
Die Veranstaltung bot Raum für den Austausch zwischen interessierter Fachöffentlichkeit, Akteuren der Familienpolitik und den Autorinnen des Berichts zu den Analysen und Empfehlungen. Besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. Michaela Kreyenfeld, der Vorsitzenden der 10. Familienberichtskommission, und Frau Prof. Dr. Miriam Beblo, der stellvertretenden Vorsitzenden der 10. Familienberichtskommission, für ihre Vorträge und die anregenden Diskussionsbeiträge. Die in der AGF organisierten Familienorganisationen hatten jeweils Kommentare zum Bericht abgegeben. Sophie Schwab, Geschäftsführerin des ZFF, hat daher auch ihr Kommentar für die Dokumentation zusammengefasst und auf Papier gebracht.
SCHWERPUNKT I: Wohnungslosenstatistik
AWO: Wohnungslosigkeit steigt – Familien und junge Menschen besonders betroffen
Die gestern vom Statistischen Bundesamt (Destatis) veröffentlichten Zahlen zeigen einen deutlichen Anstieg: Zum Stichtag 31. Januar 2025 waren in Deutschland rund 474.700 Menschen wegen Wohnungslosigkeit untergebracht – das sind 8 % mehr als im Vorjahr (2024: 439.500). Besonders alarmierend: 41 % der Betroffenen sind unter 25 Jahre alt, und Paare mit Kindern bilden mit 34 % die größte Gruppe.
„Es kann und darf nicht sein, dass in einem reichen Land wie Deutschland weiterhin so viele Menschen – darunter Familien mit Kindern, Jugendliche und alleinerziehende Frauen – ohne eigene Wohnung leben müssen. Der Wohnungsmarkt ist vielerorts überhitzt. Es ist höchste Zeit zu handeln!“, so AWO-Präsident Michael Groß.
Die AWO begrüßt die Verlängerung der Mietpreisbremse, betont jedoch: Das alleine reicht nicht. Entscheidend ist die konsequente Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit (NAP W) – mit klaren Zielen, verbindlichen Maßnahmen und ausreichender Finanzierung.
Wohnungslosigkeit hat viele Gesichter: Alleinerziehende, Jugendliche ohne familiären Rückhalt, Menschen mit Behinderung oder geflüchtete Menschen ohne Zugang zum Wohnungsmarkt. Viele Betroffene leben verdeckt – etwa bei Bekannten – und diese Anzahl ist in der vorgelegten Statistik nicht inkludiert. Das heißt die Zahlen von Menschen die keine Wohnung ist noch höher.
Wohnungslosigkeit ist ein Ausdruck von Armut – und führt häufig zu sozialer Ausgrenzung. Menschen ohne Wohnung sind in vielerlei Hinsicht besonders verletzlich: Sie haben oft keinen Zugang zu Bildung, Arbeit, Gesundheitsversorgung oder gesellschaftlicher Teilhabe. Besonders alarmierend ist die zunehmende Gewalt gegen wohnungslose Menschen. Immer häufiger werden sie Opfer von Übergriffen, Diskriminierung und Ausgrenzung – sei es auf der Straße, in Unterkünften oder im öffentlichen Raum. Diese Entwicklung ist zutiefst besorgniserregend und zeigt, wie dringend Schutz, Anerkennung und politische Maßnahmen notwendig sind.
Die AWO fordert daher:
- Die Förderung von Wohngemeinnützigkeit und Gesetzesänderungen für einen stärkeren Mieter*innenschutz
- Mehr sozialen Wohnungsbau mit langfristiger Bindung
- Recht auf Wohnen gesetzlich verankern
- Prävention stärken und Angebote ausbauen, z. B. durch Mietschuldenberatung und Hilfen bei drohendem Wohnungsverlust
- Teilhabe sichern, z. B. durch niedrigschwellige Angebote in Bildung, Arbeit und Gesundheit
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 09.07.2025
Statistisches Bundesamt: 474 700 untergebrachte wohnungslose Personen Ende Januar 2025 in Deutschland
- 41 % der untergebrachten wohnungslosen Personen jünger als 25 Jahre
- 29 % kommen aus der Ukraine
- Nach Haushaltskonstellation bilden Paare mit Kindern mit gut 34 % die größte Gruppe unter den untergebrachten wohnungslosen Personen
Zum Stichtag 31. Januar 2025 waren in Deutschland nach den Meldungen von Kommunen und Einrichtungen rund 474 700 Personen wegen Wohnungslosigkeit untergebracht. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, hat sich damit die Zahl gegenüber dem Vorjahr um 8 % erhöht (2024: 439 500). Der Anstieg ist vermutlich auf Verbesserungen der Datenmeldungen im vierten Jahr seit der Einführung der Statistik zurückzuführen.
Die Statistik erfasst wohnungslose Personen, die in der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar 2025 beispielsweise in überlassenem Wohnraum, Sammelunterkünften oder Einrichtungen für Wohnungslose untergebracht waren. Obdachlose Personen, die ohne jede Unterkunft auf der Straße leben sowie Formen von verdeckter Wohnungslosigkeit (zum Beispiel bei Bekannten oder Angehörigen untergekommene Personen) werden nicht in der Statistik berücksichtigt, sind aber Teil der begleitenden Wohnungslosenberichterstattung, die alle zwei Jahre vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen durchgeführt wird.
137 800 untergebrachte Personen kommen aus der Ukraine
Schutzsuchende aus der Ukraine stellen zwar nach wie vor die größte Gruppe (29 %) innerhalb der Statistik dar, jedoch fiel der Anstieg nicht so stark aus wie in den vergangenen Jahren. Zum Stichtag 31. Januar 2025 wurden 137 800 geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer in der Statistik erfasst (2024: 136 900). Insgesamt wurden 409 000 Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit gemeldet (2024: 377 900), ihr Anteil an allen untergebrachten wohnungslosen Personen liegt wie im Vorjahr bei 86 % (2024: 86 %). Der Anteil von Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit liegt mit 65 700 Personen (2024: 61 500) weiterhin bei rund 14 %.
Untergebrachte Wohnungslose sind zu 41 % unter 25 Jahre alt und mehrheitlich Männer
41 % der gemeldeten Personen waren jünger als 25 Jahre (2024: 40 %). Der Anteil der Personen im Alter ab 65 Jahren blieb mit rund 5 % unverändert gegenüber dem Vorjahr. Im Durchschnitt waren die am Stichtag 31. Januar 2025 untergebrachten Personen 31 Jahre alt. 56 % der untergebrachten wohnungslosen Personen waren Männer und rund 42 % Frauen (2024: 55 % Männer und 43 % Frauen). Für 2 % der Fälle wurde das Geschlecht mit „unbekannt“ angegeben.
Paare mit Kindern und Alleinstehende am häufigsten untergebracht
Die wohnungslosen Personen sind in verschiedenen Haushalts- beziehungsweise Familienkonstellationen untergebracht. Personen in Paarhaushalten mit Kindern bildeten mit 163 400 Personen (gut 34 %) die größte Gruppe. Fast ebenso viele Personen (159 800 oder knapp 34 %) waren alleinstehend, knapp 17 % oder 79 000 Personen waren in Alleinerziehenden-Haushalten, 7 % oder 33 400 Personen in sonstigen Mehrpersonenhaushalten und 4 % beziehungsweise 17 300 Personen in Paarhaushalten ohne Kinder untergebracht. Bei 21 800 Personen (4 %) war der Haushaltstyp unbekannt.
117 900 untergebrachte Wohnungslose in Nordrhein-Westfalen
Im Bundesländervergleich waren im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen mit 117 900 Personen die meisten Personen wegen Wohnungslosigkeit untergebracht, gefolgt von Baden-Württemberg mit 94 600 Personen und Berlin mit 53 600 Personen. Am wenigsten untergebrachte Wohnungslose wurden in Thüringen (3 000), Sachsen-Anhalt (1 200) und Mecklenburg-Vorpommern (700 Personen) gemeldet.
Methodische Hinweise:
Die Statistik erfasst Personen, denen zum Stichtag 31. Januar Räume oder Wohnungen überlassen oder Übernachtungsgelegenheiten zur Verfügung gestellt worden sind, ohne dass dies durch einen eigenen Mietvertrag, einen Pachtvertrag oder durch ein dingliches Recht abgesichert war.
Zu den erfassten Personen zählen Wohnungslose, die in Not- und Gemeinschaftsunterkünften oder gegebenenfalls auch gewerblichen Unterkünften (Pensionen, Hotels, gewerbliche Gemeinschaftsunterkünfte etc.) und Normalwohnraum (in der Regel Privatwohnungen) untergebracht sind, sofern er ihnen vorübergehend überlassen wird, ohne dass dadurch die Wohnungslosigkeit beendet wird. Dies betrifft auch Personen, die in (teil-)stationären Einrichtungen beziehungsweise im betreuten Wohnen der Wohnungslosenhilfe freier Träger untergebracht sind.
Geflüchtete werden in der Statistik berücksichtigt, wenn ihr Asylverfahren positiv abgeschlossen wurde (zum Beispiel Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz) und sie weiterhin untergebracht werden, etwa weil sie keinen Mietvertrag haben.
Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis über das Chancen-Aufenthaltsrecht erhalten haben, und Geflüchtete aus der Ukraine, die im Schnellverfahren anhand einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder einer Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz nach § 24 AufenthG aufgenommen wurden, sind ebenfalls in der Statistik zu berücksichtigen, wenn sie untergebracht sind und nicht über einen Mietvertrag oder Ähnliches verfügen.
Generell nicht in die Erhebung einbezogen sind Personen, die bei Privatpersonen unterkommen, sowie Wohnungslose, die ohne jede Unterkunft auf der Straße leben. Personen, die zwar in einer Einrichtung untergebracht sind, deren Ziel aber nicht die Abwendung von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit ist (beispielsweise Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen, von Heimen für Menschen mit Behinderung, von Frauenhäusern, Suchtkliniken oder betreuten Wohnungen der Jugendhilfe), sind ebenfalls nicht in der Statistik erfasst. Darüber hinaus werden auch solche Personen nicht einbezogen, die Beratungsangebote zum Thema Wohnungslosigkeit in Anspruch nehmen, aber am Stichtag nicht untergebracht sind, und Personen, die beispielsweise aufgrund einer angedrohten Zwangsräumung von Wohnungslosigkeit bedroht, aber (noch) nicht betroffen sind.
Weitere Informationen:
Weitere Ergebnisse zur Statistik untergebrachter wohnungsloser Personen sind in der Datenbank GENESIS-Online (Tabellen 22971) verfügbar. Ausführliche methodische Hinweise bietet der Qualitätsbericht.
Wichtiger technischer Hinweis zur Datenbank GENESIS-Online:
Am 15. Juli 2025 werden folgende Änderungen an den Webservice-Schnittstellen (API) von GENESIS-Online wirksam: Die POST-Methoden der RESTful/JSON-Schnittstelle ersetzen die SOAP/XML-Schnittstelle sowie GET-Methoden der RESTful/JSON-Schnittstelle. Bitte stellen Sie Ihre bestehenden Prozesse schon jetzt um und nutzen Sie POST-Anfragen, um die RESTful/JSON-Schnittstelle anzusprechen. Eine detaillierte sprachliche und technische Dokumentation sowie weitere Hinweise zur Umstellung sind auf der GENESIS-Online–Website verfügbar.
Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 08.07.2025
Caritas: Wohlfahrt und Kommunen gemeinsam gegen Wohnungslosigkeit
Nach wie vor hohe Zahlen gemeldet – Kommunen brauchen ausreichende finanzielle Ausstattung für Maßnahmen
Die Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland ist weiterhin stark gestiegen und hat ein alarmierendes Ausmaß angenommen. Laut Destatis waren am Stichtag 474 700 Personen von den Kommunen als öffentlich untergebracht gemeldet worden, weil sie kein eigenes Dach über dem Kopf haben. Damit hat sich die Zahl gegenüber dem Vorjahr um 8 % erhöht (2024: 439 500).
Der Deutsche Caritasverband fordert gemeinsam mit seiner Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (KAG W), Bund sowie Länder und Kommunen müssten jetzt entschlossen handeln und den Ausbau bezahlbaren Wohnraums vorantreiben. Gemeinsam mit den sozialen Trägern seien Anstrengungen zu unternehmen, damit Menschen ihre Wohnung nicht verlieren oder bei Wohnungsverlust schnellstmöglich Unterstützung erhalten, um wieder in eigenen Wohnraum zu gelangen. Nur Hand in Hand könne es gelingen, die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern.
Mitte der Gesellschaft erreicht
Drohende Wohnungslosigkeit hat mittlerweile die Mitte der Gesellschaft erreicht. Oft sind es Krisensituationen wie der Verlust des Partners oder der Partnerin, Verlust von Arbeit und Einkommen, Krankheit oder andere Lebenskrisen, die dazu führen, dass Menschen ihre bisherige Wohnung und damit ihr Zuhause verlieren.
Dr. Ulrike Kostka, Vorsitzende der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin: „Es müssen ausreichende Ressourcen und Angebote in den Städten und Gemeinden bereitgestellt werden, damit sich die vielerorts prekäre Situation nicht weiter verschärft. Die Praxisarbeit der Caritas zeigt, dass in den letzten Jahren die Probleme von Menschen auf der Straße zugenommen haben. Der Gesundheitszustand vieler Obdachloser ist besorgniserregend. Aufgrund mangelnder Finanzen fehlen bundesweit notwendige Hilfeangebote oder sind stark gefährdet. Das Caritas-Arztmobil oder die Caritas-Krankenwohnung für Wohnungslose in Berlin sind Beispiele innovativer, wirkungsvoller Angebote, um deren Finanzierung wir immer wieder kämpfen mussten. Hier würde eine verbesserte Situation der finanziellen Ausstattung der Kommunen und Länder die Situation wohnungsloser Menschen deutlich verbessern. Insgesamt braucht es ausreichende Mittel für flächendeckende Prävention, Nothilfe und Vermittlung in Wohnraum.“
Strukturelle Probleme verschärfen die Situation
Die weiterhin sinkende Zahl von preisgebundenen Sozialwohnungen, stark steigende Mieten und die zunehmende Schwierigkeit, bezahlbare Wohnungen zu finden, treffen besonders einkommensschwache Haushalte.
Dringender Handlungsbedarf
Deswegen braucht es dringend ein Programm mit mehr Präventionsangeboten, umfassenden Hilfen und massiven Investitionen in den sozialen Wohnungsbau.
Die hohen Zahlen machen deutlich: Wohnungslosigkeit ist längst kein rein städtisches Problem mehr und betrifft Menschen aller Altersgruppen. Ohne entschlossenes Handeln wird das EU-Ziel, Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden, nicht erreichbar sein.
Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit gemeinsam umsetzen
Mit dem Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit (NAP W) hat Deutschland für die Erreichung des EU-Ziels 2030 eine koordinierte Strategie entwickelt, die gemeinsam mit Ländern, Kommunen und der Zivilgesellschaft umgesetzt werden soll. Die Caritas fordert, den im Koalitionsvertrag angekündigten NAP W nun zügig umzusetzen. Dazu gehören folgende Maßnahmen:
– Finanzhilfen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau
– Unterstützung von jungen Wohnungslosen: gesicherte Wohnverhältnisse schaffen und pädagogische Begleitung anbieten
– Entlastung von Haushalten mit geringen Einkommen bei den Wohnkosten
– Flächendeckende und umfassende Prävention von Wohnungsverlust
– Gesundheitlichen Versorgung von wohnungslosen Menschen sichern und verbessern
– Hitzeschutz ausbauen.
Für die zügige Umsetzung der Maßnahmen benötigen die Kommunen und Länder allerdings entsprechende Finanzmittel.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Caritasverband e.V. vom 08.07.2025
Diakonie: Zahl der Wohnungslosen steigt weiter an – Wohnungslose Menschen endlich mit eigenem Wohnraum versorgen
Rund 475.000 wohnungslose Menschen leben in Einrichtungen der Kommunen und der Freien Wohlfahrtspflege (Stichtag 31. Januar 2025). Damit ist die Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent gestiegen. Das geht aus den heute veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) hervor. Bereits in den Vorjahren war die Zahl unter anderem aufgrund verbesserter Datenmeldungen und der Aufnahme von Menschen aus der Ukraine deutlich gestiegen.
Elke Ronneberger, Bundesvorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Wohnungslosigkeit bleibt eines der drängendsten sozialpolitischen Probleme in Deutschland. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass so viele Menschen in unserem Land über keine eigene Wohnung verfügen – darunter viele Familien mit Kindern. Die eigene Wohnung ist zentral für ein sicheres und selbstbestimmtes Leben. Bund und Länder müssen deshalb dafür sorgen, dass wohnungslose Menschen wieder in eigenen Wohnraum kommen – nicht nur in Notunterkünfte.“
Es sei begrüßenswert, dass mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau fließen solle. Doch es reiche nicht aus, nur zu bauen. Es müsse sichergestellt werden, dass wohnungslose Menschen auch Zugang zu bezahlbarem Wohnraum erhalten. „Viele Betroffene scheitern auf dem angespannten Wohnungsmarkt an strukturellen Barrieren wie Schufa-Einträgen oder an Diskriminierung. Eine soziale Wohnungspolitik muss diesen Ausschlussmechanismen aktiv entgegenwirken und gezielt Wohnungslosigkeit bekämpfen“, so Ronneberger.
Hintergrund
Die Wohnungslosenstatistik gibt Auskunft darüber, wie viele Menschen zum Stichtag 31. Januar in Einrichtungen der Kommunen und der Wohnungsnotfallhilfe untergebracht waren. Nicht erfasst sind Menschen, die auf der Straße leben oder vorübergehend bei Freundinnen, Bekannten oder der Familie untergekommen sind. Auch andere Gruppen, wie geflüchtete Menschen, die trotz ihrer Anerkennung in Flüchtlingsunterkünften leben, Frauen in Frauenhäusern oder Menschen in Haftanstalten werden nicht gezählt.
Im Wohnungslosenbericht 2024 der Bundesregierung, der neben den untergebrachten Wohnungslosen auch die auf der Straße lebenden Menschen sowie die verdeckt Wohnungslosen erfasst, war eine Gesamtzahl von rund 531.600 wohnungslosen Menschen zum Stichtag 31. Januar genannt.
Die Bundesregierung hatte zudem am 24. April 2024 den Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit – Gemeinsam für ein Zuhause beschlossen. Zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit wurde das Nationale Forum gegen Wohnungslosigkeit eingerichtet. Im Nationalen Forum arbeiten Bund, Länder, kommunale Spitzenverbände und Organisationen der Zivilgesellschaft an konkreten Maßnahmen zur Überwindung von Obdach- und Wohnungslosigkeit bis zum Jahr 2030. Am 23. Januar 2025 fand in Berlin der statt. Dort wurde auch das Jahresprogramm für das Jahr 2025 vorgelegt.
Die Diakonie Deutschland hat gemeinsam mit dem Evangelischen Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e.V. (EBET) und der Alice-Salomon-Hochschule Berlin (ASH Berlin) am 26. Juni 2025 die neue Lebenslagenuntersuchung wohnungsloser Menschen veröffentlicht. Die für die diakonischen Einrichtungen repräsentative Studie unter rund 900 wohnungslosen Erwachsenen zeigt, dass sich die Lebenslagen wohnungsloser Menschen in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert haben.
Quelle: Pressemitteilung Evangelisches Werk für
Diakonie und Entwicklung e.V. vom 08.07.2025
SCHWERPUNKT II: Pflegereform
AWO fordert Einbeziehung der Wohlfahrtsverbände
Anlässlich der ersten Zusammenkunft der Bund-Länder-Kommission für eine große Pflegereform am kommenden Montag fordert AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner die Einbeziehung der Freien Wohlfahrtspflege:
„Die Wohlfahrtsverbände sind nicht nur maßgebliche Vertretungen der Träger von Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, sondern auch wichtige zivilgesellschaftliche und anwaltschaftliche Akteure. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Vorschläge für die anstehende große Pflegereform müssen von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden. Wohlfahrtsverbände bringen das Wissen aus der Realität der Pflege ein, das es braucht, um eine sinnvolle Reform auf den Weg zu bringen.“
Die Arbeiterwohlfahrt betont, dass beim Reformvorhaben die pflegerische Versorgung und deren Finanzierung gesichert werden müsse.
Sonnenholzner: „Auch zukünftig muss sich jeder und jede darauf verlassen können, im Alter und bei Pflegebedürftigkeit gut versorgt zu werden. Dazu muss die Pflegeversicherung finanziell auf nachhaltig sichere Füße gestellt werden. Dafür müssen alle Berufsgruppen und Einkommensarten in die Versicherung einzahlen, außerdem muss die Beitragsbemessungsgrenze angehoben werden. Wer Erben heranziehen will, muss eine Erbschaftssteuer einführen, um die Bundeszuschüsse für Pflegeversicherung zu refinanzieren.
Bis die Kommission zum Jahresende der Bundesregierung Ihre Vorschläge vorlegt und diese über entsprechende Gesetzgebungsverfahren greifen können, benötigen die Pflegekassen dringend finanzielle Unterstützung. Daher sind über die Pflegekassen finanzierte gesamtgesellschaftliche Aufgaben, wie beispielsweise die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende An- und Zugehörige sowie die Corona-bedingten Ausgaben, den Kassen zu erstatten. Darlehen, wie jetzt im Bundeshaushalt vorgesehen, sind nicht zielführend. Sie verlagern die Problematik auf einen späteren Zeitpunkt – immer verbunden mit der Gefahr, dass die Kassendefizite in der Zwischenzeit weiter anwachsen.“
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 04.07.2025
DGB: Pflege braucht jetzt mutige Reformen
Zum Auftakt der Pflegekommission der Bundesregierung am 7. Juli 2025 fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund schnelle Verbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen.
Anja Piel, DGB Vorstandsmitglied, sagte am Sonntag in Berlin:
„Gute Pflege muss menschenwürdig funktionieren, sich am Bedarf orientieren und sie darf nicht in Armut führen. Wir erwarten von der Kommission, dass sie schnell einen guten Plan für eine Pflegereform vorlegt. Die Kassen der Pflegeversicherung sind fast leer – und das Loch von rund zwei Milliarden Euro ist mit dem Darlehen der Bundesregierung nicht zu flicken.
Ziel der Kommission muss sein, nicht nur eine kurze finanzielle Atempause zu erreichen, sondern eine mutige Reform einzuleiten, mit der gute Pflege finanziell sichergestellt werden kann.
Wichtigster Baustein ist der Deckel für die Eigenanteile in der stationären Pflege. Zusätzlich muss der Steuerzuschuss zur Pflege wieder eingeführt werden. Außerdem gibt es noch Schulden der Bundesregierung bei der Pflegeversicherung; nämlich 5,2 Milliarden Euro für die Auslagen in der Corona-Pandemie. Neben der Rückzahlung muss die Bundesregierung die Pflegeversicherung von Kosten für Leistungen entlasten, die nicht zu ihren eigentlichen Aufgaben gehören – dafür muss der Bund Steuermittel einsetzen.
Die beste Lösung bleibt eine Pflegebürgervollversicherung, bei der alle Pflege-Kosten von der Versicherung bezahlt werden.
Was nicht geht ist, Ausgaben und Pflegeleistungen zusammenzustreichen. Auch Karenzzeiten, in der die Versicherten die Pflegekosten selbst tragen müssen, kommen nicht in Frage. Wer bei der Pflege den Rotstift ansetzt, nimmt Verarmung der zu Pflegenden mit ihren Angehörigen billigend in Kauf und riskiert im schlimmsten Fall sogar den frühen Tod von Betroffenen.
Menschen, die in die Pflegeversicherung einzahlen, müssen auf die Kommission und die Bundesregierung vertrauen können, dass diese Reform jetzt kommt.“
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand vom 06.07.2025
Diakonie Deutschland zum Start der Bund-Länder-Kommission Pflege – Jetzt die Chance auf eine echte Pflegereform nicht verpassen
Ab heute wollen Bund und Länder die Weichen für eine umfassende Pflegereform stellen. Zum Auftakt der Bund-Länder-Kommission Pflege fordert die Diakonie Deutschland ein solides finanzielles Fundament für die Pflegeversicherung. Nur so kann die Pflegeinfrastruktur bundesweit gesichert und zukunftsfähig ausgebaut werden, um dem demografischen Wandel gerecht zu werden.
„Jetzt kommt es darauf an, dass Bund und Länder eine gemeinsame Linie finden und die Chance auf eine echte Pflegereform nicht verpassen. Pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen müssen wissen, worauf sie sich verlassen können. Notwendig sind auch ein Abbau von Bürokratie und mehr Transparenz darüber, welche Leistungen Pflegebedürftigen zustehen“, sagt Elke Ronneberger, Bundesvorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland.
Mit Blick auf die Finanzierung spricht sich die Diakonie Deutschland für eine Pflegevollversicherung mit begrenzter Eigenbeteiligung aus. Die konkrete Ausgestaltung soll in der Kommission erfolgen. Versicherungsfremde Leistungen – etwa Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige – sollten kurzfristig aus Steuermitteln finanziert werden. Zudem fordert die Diakonie eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, um die finanzielle Basis der Pflegeversicherung langfristig zu stärken.
„Die Einbeziehung der Kommunen ist entscheidend für den Erfolg“, betont Ronneberger. „Wir wissen, dass viele Kommunen unter finanziellen Engpässen leiden. Doch Sparen an der falschen Stelle kommt langfristig teurer. Kommunen sollten daher verpflichtet werden, die Bedürfnisse älterer Bürgerinnen und Bürger systematisch zu ermitteln. Nur so lassen sich passgenaue Hilfen entwickeln – und zwar bevor Pflegebedürftigkeit eintritt.“ Die Diakonie schlägt beispielsweise präventive Hausbesuche für Menschen ab dem 75. Lebensjahr vor. Auch die Förderung der Nachbarschaftshilfe sei eine sinnvolle Maßnahme. „Dass Bund und Länder die Reform gemeinsam angehen, ist eine große Chance für eine nachhaltige Lösung aus einem Guss“, so Ronneberger.
Die Diakonie ist mit 1.500 ambulanten Pflegediensten, 3.000 stationären Einrichtungen in der Pflege einer der größten Anbieter von Einrichtungen von pflegebedürftigen Menschen.
Weitere Informationen
Zur Pflegekampagne der Diakonie
Quelle: Pressemitteilung Evangelisches Werk für
Diakonie und Entwicklung e.V. vom 07.07.2025
VdK fordert mutigen Schritt für gerechte Pflegereform
- Bentele: „Pflege ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe“
- VdK: Versorgung darf nicht vom Wohnort oder Einkommen abhängen
Am 7. Juli tritt erstmals die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zusammen, um die Weichen für die im Koalitionsvertrag angekündigte umfassende Pflegereform zu stellen. VdK-Präsidentin Verena Bentele verlangt von den Teilnehmenden zukunftsfähige Konzepte:
„Für die Pflege der Zukunft benötigen wir große, mutige Schritte. Sie muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen und eine gerechte und flächendeckende Versorgung sichergestellt werden. Alle Menschen sollten unabhängig von ihrem Wohnort oder ihrer finanziellen Situation die Pflege erhalten, die sie benötigen und verdienen.
Die Situation in der häuslichen Pflege in Deutschland ist alarmierend. Derzeit werden rund 86 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt, wobei Angehörige einen Großteil der Pflege übernehmen. Sie leiden unter erheblichen Belastungen: Fast die Hälfte reduziert für die Pflege ihre Arbeitszeit. Darüber hinaus vernachlässigen über 50 Prozent der Pflegenden ihre eigene Gesundheit aufgrund der hohen Anforderungen.
Das erklärte Ziel der Bund-Länder-Arbeitsgruppe sollte die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung und ihrer Finanzierung sein. Die Versorgungsstruktur muss, erst recht mit Blick auf den demografischen Wandel, dringend an die Bedürfnisse der pflegenden Angehörigen angepasst werden. Pflege darf in Zukunft nicht vom Wohnort abhängen. Die Sicherstellung einer gerechten Pflegeversorgung sollte als Pflichtaufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge etabliert werden, vollständig finanziert von Bund und Ländern. Die Kommunen sind der einzige Akteur, der familiäre, nachbarschaftliche, berufliche und professionelle Formen der Hilfe für eine flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung in die Hand nehmen und zusammenführen kann.
Ein zentrales Problem stellt die nachhaltige Finanzierung der Pflege dar. Hier müssen Bund und Länder in einem ersten Schritt ihren Verpflichtungen nachkommen und der Pflegeversicherung die Ausgaben für gesamtgesellschaftliche Aufgaben erstatten – etwa die Pandemiekosten, die Rentenversicherungsbeiträge pflegender Angehöriger und die Investitionskosten. Aber stattdessen lässt der Bund die Pflegeversicherung am ausgestreckten Arm verhungern.
Auch für die grundlegende Reform der Finanzierung liegen mit dem Bericht der letzten Bundesregierung alle Vorschläge auf dem Tisch. Der VdK setzt sich für die Einführung einer einheitlichen Pflegeversicherung ein, in der sich alle Bürgerinnen und Bürger versichern und in die alle Einkommensarten einbezogen werden.
Ich erwarte von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Pflegereform konkrete, zukunftsfähige Lösungen, die die Pflegeversicherung nachhaltig sichern und den Menschen konkret helfen.“
Quelle: Pressemitteilung Sozialverband VdK Deutschland e.V. vom 05.07.2025
NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT
BMBFSFJ: Im Kampf gegen sexualisierte Gewalt: Neues Gesetz schützt Kinder und Jugendliche und stärkt die Rechte von Betroffenen
Das Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist in Kraft getreten. Bundesfamilienministerin Karin Prien und die Unabhängige Bundesbeauftragte Kerstin Claus betonen die Bedeutung des Gesetzes für einen wirksamen Schutz von Kindern und Jugendlichen. Es soll helfen, sexualisierter Gewalt frühzeitig vorzubeugen, Hilfen für Betroffene zu stärken und die Qualität im Kinderschutz dauerhaft zu sichern. Es verankert erstmals gesetzlich das Amt der oder des Unabhängigen Bundesbeauftragten, den Betroffenenrat sowie die Unabhängige Aufarbeitungskommission. Bestehende Unterstützungsangebote wie das Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch und das Hilfe-Portal bleiben dauerhaft erhalten.
Bundesfamilienministerin Karin Prien: „Mit der Umsetzung des Gesetzes gelingt ein wichtiger Schritt für einen wirksamen Kinderschutz in Deutschland. Ein Meilenstein im Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Minderjährigen – und ein klares Bekenntnis: Dieses Thema wird nicht mehr von der politischen Agenda verschwinden. Es ist essentiell, dass Kinder und Jugendliche gewaltfrei aufwachsen können. Das ist die Grundlage für das gesamte weitere Leben. Die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2024 zeigen, wie dringend nötig dieser Schritt für mehr Schutz war: Mehr als 18.000 Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – und das ist nur das Hellfeld. Mit dem Gesetz können wir nun an vielen Stellen ansetzen – bei der Prävention, bei Hilfsangeboten und bei der Aufarbeitung. Persönlich ist mir wichtig, dass politische Maßnahmen evidenzbasiert sind. Deshalb freue ich mich über die Einrichtung eines Zentrums für Forschung zu sexueller Gewalt. Es wird eine wichtige Rolle dabei spielen, das Dunkelfeld weiter auszuleuchten und wirksame Schutzmaßnahmen zu entwickeln.“
Kerstin Claus, Unabhängige Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (UBSKM): „15 Jahre nach dem Missbrauchsskandal setzt Deutschland mit diesem Gesetz ein deutliches Zeichen: Mit der Stärkung des UBSKM-Amtes bekommt der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt eine hervorgehobene Bedeutung. Es stärkt mein Amt, ressortübergreifend für Prävention, Intervention und Hilfen für Betroffene einzustehen. Jetzt erwarte ich von der Bundesregierung, diese spezifische Kompetenz meines Amtes zu nutzen und aktiv einzubinden. Es muss unser gemeinsames Ziel sein, das Risiko sexualisierter Gewalt zu minimieren, Betroffene zu unterstützen und Aufarbeitung für Taten in der Vergangenheit zu ermöglichen. Die Zahl der Straftaten gegen Kinder und Jugendliche ist ungebrochen hoch, das Dunkelfeld riesig und die Risiken gerade in der digitalen Welt nahezu unermesslich – denn hier fehlt jede soziale Kontrolle, hier fehlen sichere, kindgerechte Räume, hier sind junge Menschen den Täterstrategien immer wieder schutzlos ausgeliefert. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf ein Aufwachsen ohne sexualisierte Gewalt. Politik, Eltern, Kita oder Schule, Zivilgesellschaft – wir alle sind dafür verantwortlich, dass Kinderschutz umfassend gelingt und Hilfe möglich wird.“
Kerninhalte des Gesetzes im Überblick:
- Stärkung zentraler Strukturen: Das Amt der oder des Unabhängigen Bundesbeauftragten, der Betroffenenrat und die Unabhängige Aufarbeitungskommission erhalten eine gesetzliche Grundlage und langfristige Absicherung. Der oder die Unabhängige Bundesbeauftragte werden zukünftig auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Deutschen Bundestag gewählt.
- Forschung und Berichtspflicht: Künftig legt die oder der Unabhängige Bundesbeauftragte regelmäßig Berichte über Ausmaß und Folgen sexueller Gewalt vor – gestützt auf ein neu einzurichtendes Zentrum für Forschung zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen.
- Beteiligung von Betroffenen: Der Betroffenenrat wird dauerhaft etabliert und soll die Perspektive von Betroffenen in politische Prozesse einbringen. Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexuelle Gewalt oder Ausbeutung erlebt haben, sollen mitreden und mitgestalten können.
- Aufarbeitung stärken: Die Unabhängige Aufarbeitungskommission wird gesetzlich verankert. Durch regelmäßige Berichte soll sie den Stand der Aufarbeitung zum Gegenstand der politischen und öffentlichen Diskussion machen sowie Handlungsbedarfe offenlegen. Beratungsangebote für die individuelle Aufarbeitung, verbesserte Akteneinsicht und wissenschaftliche Fallanalysen sollen helfen, strukturelle Fehler im Kinderschutz zu erkennen und zu vermeiden.
- Mehr Prävention und Qualitätsentwicklung im Kinderschutz: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (jetzt: Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit) erhält erstmals einen gesetzlichen Auftrag zur Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs. Schutzkonzepte werden verpflichtender Bestandteil der Kinder- und Jugendhilfe. Zusätzlich wird ein medizinisches Beratungsangebot zur Einschätzung von Kindeswohlgefährdung eingerichtet.
Das Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen (UBSKMG) finden Sie hier: https://www.bmfsfj.de/UBSKMG
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 04.11.2020
Bundestag: Konstituierung der Kinderkommission in Anwesenheit der Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Karin Prien
Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages leistet seit 1988 einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Da kindgerechte Lebensverhältnisse ein dauerhaftes Anliegen sind, haben die im Familienausschuss vertretenen Fraktionen in dieser Wahlperiode die Kinderkommission erneut eingesetzt.
Zur konstituierenden Sitzung der Kinderkommission der 21. Wahlperiode am 10. Juli 2025 erklärt die Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Saskia Esken, MdB: „Die Belange und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen haben im Parlament einen besonderen Stellenwert. Vor mehr als 35 Jahren hat der Bundestag mit der Einrichtung der Kinderkommission ein deutliches Zeichen gesetzt. Mit ihrer erneuten Einsetzung bekräftigt der 21. Deutsche Bundestag, wie wichtig es ist, junge Menschen bei politischen Entscheidungen einzubeziehen, ihre Rechte zu stärken und ihren Belangen Geltung zu verschaffen.
Die Kinderkommission ist ein zentraler Ort, an dem die Belange von Kindern und Jugendliche gehört und gesehen werden. Als Stimme für junge Menschen im Parlament trägt sie dazu bei, ihre Interessen sichtbar zu machen und politisch wirksam zu vertreten. Der Ausschuss für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend freut sich, den Belangen der jungen Generation mit der erneuten Einsetzung der Kinderkommission Gehör zu verschaffen.“
Mit ihrer Konstituierung kann die elfte Kinderkommission ihre Arbeit aufnehmen und die Interessen von Kindern und Jugendlichen im Parlament vertreten. Sie ist darüber hinaus Ansprechpartnerin für Verbände und Organisationen, die sich für Kinder einsetzen.
Den Vorsitz der Kinderkommission übernimmt der Abgeordnete Michael Hose (CDU/CSU).
Für Informationen steht das Sekretariat zur Verfügung:
kinderkommission@bundestag.de, Telefon: +49 30 227-30551
Alle Medienvertreter benötigen zum Betreten der Gebäude des Deutschen Bundestages eine Akkreditierung der Pressestelle.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Bundestag vom 02.07.2025
Bundestag: Wohnkostenlücke 2024
Für die Wohnkostenlücke im Bürgergeld im Jahr 2024 interessiert sich die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (21/748). Darin fragt sie die Bundesregierung unter anderem, in welcher Höhe die Kosten der Unterkunft und Heizung, die für Leistungsberechtigte des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch im Jahr 2024 tatsächlich angefallen sind, nicht vollständig übernommen worden sind. Diese Werte soll die Regierung für das Bundesgebiet, die Bundesländer und die einzelnen Jobcenter aufschlüsseln.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag – Arbeit und Soziales, Bildung, Familie und Gesundheit – Nr. 56 vom 09.07.2025
Bundestag: Linke interessiert sich für Mehrgenerationenhäuser
Nach Mehrgenerationenhäusern fragt die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (21/758). Sie möchte von der Bundesregierung unter anderem wissen, wie viele dieser Häuser derzeit in Deutschland gefördert werden (aufgeschlüsselt nach Regionen), wie viele davon noch von vorherigen Aktionsprogrammen unterstützt werden und ob in der aktuellen Förderperiode neue Mehrgenerationenhäuser dazugekommen sind.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag – Arbeit und Soziales, Bildung, Familie und Gesundheit – Nr. 56 vom 09.07.2025
Bundestag: Evaluation des Prostitutionsschutzgesetzes
Die Bundesregierung hat den Abschlussbericht der Evaluation des Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen als Unterrichtung (21/700) vorgelegt.
Darin empfehlen die Experten unter anderem Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz des Prostitutionsschutzgesetzes (ProstSchG). Es sei von grundlegender Bedeutung, bei einer möglichen Überarbeitung des ProstSchG auch an Maßnahmen zu denken, die auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Haltung gegenüber der Prostitution zielen und Prostituierte vor Benachteiligung im Alltag schützen, schreiben sie und schlagen unter anderem die finanzielle Förderung von Maßnahmen vor, die über Prostitution aufklären und deutlich machen, „dass es sich um einen verfassungsrechtlich anerkannten und daher auch gesellschaftlich anzuerkennenden Beruf handelt“. Außerdem sollten Maßnahmen geprüft werden, mit denen die Benachteiligung von Prostituierten im Alltag, etwa bei der Wohnungssuche oder dem Kontakt mit Versicherungen oder Behörden, aktiv entgegengewirkt werden kann.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag – Arbeit und Soziales, Bildung, Familie und Gesundheit – Nr. 54 vom 04.07.2025
Bundestag: Haushalt 2025: Ausgaben für Elterngeld sinken
Einen leichten Zuwachs sieht der Einzelplan 17 (Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) des Bundeshaushalts 2025 (21/500) vor. Bundesbildungs- und familienministerin Karin Prien (CDU) sollen dem Entwurf zufolge 14,2 Milliarden Euro zur Verfügung stehen (2024: 13,87 Milliarden Euro). Größter Ausgabeposten im Einzelplan 17 ist das Elterngeld. Kürzungen sind im laufenden Jahr unter anderem bei den Freiwilligendiensten geplant. Der veränderte Ressortzuschnitt mit dem neuen Bereich Bildung spiegelt sich im Haushaltsentwurf für 2025 noch nicht wider.
Für gesetzliche Leistungen für Familien sind 12,9 Milliarden Euro eingeplant (2024: 12,49 Milliarden Euro). Größter Einzelposten ist das Elterngeld, das mit 7,41 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr leicht gesunken ist (2024: 8,03 Milliarden Euro). Gestiegen sind die Ausgaben für Kindergeld und Kinderzuschlag, auf 3,85 Milliarden Euro (2024: 2,75 Milliarden Euro), davon entfallen allein 3,38 Milliarden Euro auf den Kinderzuschlag für geringverdienende Familien (2024: 2,37 Milliarden Euro) und 224 Millionen Euro auf das Kindergeld (2024: 210 Millionen Euro). Für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind 1,31 Milliarden Euro eingeplant nach 1,3 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.
Weniger Geld soll es für die Kinder- und Jugendpolitik geben, für die noch 588,99 Millionen Euro bereitstehen (2024: 600,44 Millionen Euro). Die Ausgaben zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie sollen mit 200 Millionen Euro auf dem gleichen Niveau liegen wie 2024. Die Zuschüsse und Leistungen für laufende Zwecke an Länder, Träger und Aufgaben der freien Jugendhilfe summieren sich auf 243,72 Millionen Euro (2024: 243,77 Millionen Euro).
Ausgaben in Höhe von 427,85 Millionen Euro sind im Kapitel „Stärkung der Zivilgesellschaft, für Familien-, Gleichstellungs- und Seniorenpolitik“ enthalten (2024: 498,38 Millionen Euro). Davon entfallen 306,4 Millionen Euro auf den Haushaltstitel „Stärkung der Zivilgesellschaft“ (2024: 348,1 Millionen Euro). Gekürzt werden soll beim Bundesfreiwilligendienst, 184,2 Millionen Euro sind dafür im laufenden Jahr veranschlagt (2024: 207,2 Millionen Euro). Auch bei den anderen Freiwilligendiensten (Freiwilliger Sozialer Dienst, Freiwilliger Ökologischer Dienst, Internationaler Jugendfreiwilligendienst) wird gekürzt: von 122,68 Millionen Euro in 2024 auf 105,68 Millionen Euro in diesem Jahr.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag – Arbeit und Soziales, Bildung, Familie und Gesundheit – Nr. 52 vom 01.07.2025
Bundestag: Grüne fordern Sofortprogramm für die Pflege
Die Grünen-Fraktion fordert von der Bundesregierung ein Sofortprogramm zur Stabilisierung der Pflegeversicherung. Die Finanzlage in dem Versicherungszweig sei so prekär, dass laut Kassen noch in diesem Jahr Zahlungsschwierigkeiten auftreten könnten, heißt es in einem Antrag (21/583) der Fraktion, der an diesem Freitag auf der Tagesordnung steht.
Knapp 5,6 Millionen Menschen in Deutschland seien pflegebedürftig und bezögen Leistungen der Pflegeversicherung. Immer mehr pflegende An- und Zugehörige gerieten an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen warteten auf dringend benötigte Hilfe, oft vergeblich, weil Pflegedienste oder -heime die nötige professionelle Unterstützung nicht mehr bieten könnten. Zugleich gerieten Pflegeanbieter in eine finanzielle Schieflage und müssten zum Teil schließen. Somit bestehe dringender Handlungsbedarf.
Die Abgeordneten fordern unter anderem, die Pflegeversicherung zu stabilisieren, indem die notwendigen Corona-Mehrkosten zur Verfügung gestellt werden und darauf hinzuwirken, dass die Rentenbeiträge für pflegende An- und Zugehörige aus Steuermitteln erstattet werden. Zudem müssten Initiativen ergriffen werden, um Insolvenzen von Pflegeanbietern zu stoppen.
Das Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz sollten zusammengeführt und auf die Einführung einer Lohnersatzleistung für pflegende An- und Zugehörige hingewirkt werden.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag – Arbeit und Soziales, Bildung, Familie und Gesundheit – Nr. 50 vom 27.06.2025
Bundestag: Linksfraktion fordert sozial gerechtes Klimageld
Die Fraktion Die Linke fordert in einem Antrag (21/789) die Einführung eines „sozial gerechten Klimageldes“. Der Antrag soll am Donnerstag, 10. Juli 2025, ohne Beratung an die Ausschüsse überwiesen werden.
Die Abgeordneten beziehen sich auf die seit 2021 geltende CO2-Bepreisung von Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel. 2023 folgte die Bepreisung von Kohleverbrennung. Die Einbeziehung der Abfallverbrennung in die CO2-Bepreisung sowie die nächste Erhöhung für Heizöl und Gas erfolgte im Januar 2024. Die Bepreisung entfalte insbesondere in den Sektoren Verkehr und Gebäudewärme nur eine begrenzte Klimawirkung und habe „problematische soziale Folgen, weil Mieter*innen auf die steigenden Preise nur passiv durch Senkung der Raumtemperatur reagieren können und Pendler*innen nur unzureichende Alternativen im öffentlichen Verkehr finden“, heißt es in dem Antrag. Da die CO2-Abgabe erhoben werde und noch erhöht werden solle, müsse „dringend zumindest ein sozialer Ausgleich in Form eines sozial gerechten Klimageldes insbesondere für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen erfolgen“.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 294 vom 09.07.2025
Bundestag: Ein 14-Milliarden-Plus für Arbeit und Soziales
Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bleibt auch 2025 der ausgabenstärkste Etat des Bundeshaushalts. Laut Haushaltsentwurf 2025 (21/500) kann Bundesarbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) im nächsten Jahr 190,30 Milliarden Euro ausgeben. Damit steigt der Etat deutlich gegenüber 2024 (175,68 Milliarden Euro), nämlich um 14,62 Milliarden Euro.
Der Löwenanteil entfällt dabei wie immer auf die Rentenversicherung und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dafür sieht der Entwurf insgesamt 134,39 Milliarden Euro vor (2024: 127,3 Milliarden Euro). Darin enthalten sind die Leistungen an die Rentenversicherung mit 122,5 Milliarden Euro (2024: 116,27 Milliarden Euro). 48,2 Milliarden Euro (2024: 44,85 Milliarden Euro) gehen als Zuschuss an die allgemeine Rentenversicherung, 12,83 Milliarden Euro (2024: 12,02 Milliarden Euro) an die Rentenversicherung in den neuen Ländern. Der zusätzliche Zuschuss des Bundes an die allgemeine Rentenversicherung beläuft sich auf 32,10 Milliarden Euro (2024: 30,84 Milliarden Euro). Die Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten („Mütterrente“) summieren sich auf 19,2 Milliarden Euro (2024: 18,14 Milliarden Euro). Die Erstattungen des Bundes für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung schlagen mit 11,76 Milliarden Euro zu Buche (2024: 10,9 Milliarden Euro).
Für die Grundsicherung für Arbeitsuchende will der Bund in diesem Jahr 51,96 Milliarden Euro ausgeben (2024: 46,81 Milliarden Euro). Die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung soll von 11,1 Milliarden Euro 2024 auf 13 Milliarden Euro 2025 steigen.
Deutliche Einsparungen sind bei den Kosten für das Bürgergeld geplant: Im Entwurf vorgesehen sind 29,6 Milliarden Euro (2024: 26,5 Milliarden Euro). Die Leistungen für Eingliederung in Arbeit sollen 4,1 Milliarden Euro kosten und haben sich damit gegenüber dem Vorjahr kaum verändert (2024: 4,15 Milliarden Euro).
Sinken werden auch die Ausgaben des Bundes für die Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen. 389,61 Millionen Euro sind dafür 2025 eingeplant (2024: 523,7 Millionen Euro). Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach dem Bundesteilhabegesetz will die Regierung mit 135,45 Millionen Euro fördern (2024: 234,04 Millionen Euro). Deutlich gespart wird auch bei Modellvorhaben in den Rechtskreisen SGB II und SGB VI zur Stärkung der Rehabilitation. Hier sinken die Ausgaben auf 67,88 Millionen Euro (2024: 167,04 Millionen Euro).
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 269 vom 30.06.2025
Bundestag: Grüne fragen nach der Zukunft des Bürgergeldes
Nach den Plänen der Bundesregierung zur Reform des Bürgergeldes fragt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage (21/552). Unter anderem interessiert die Abgeordneten die Zahl der Ablehnung von Arbeitsangeboten und der Totalsanktionen. Außerdem fragen sie noch nach der Nachhaltigkeit von Arbeitsvermittlungen im SGB II (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) im Zeitraum von 2015 bis 2024.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 268 vom 30.06.2025
Bundestag: Grüne wollen queerfeindliche Hasskriminalität bekämpfen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will queerfeindliche Hasskriminalität wirksam bekämpfen und die rechtliche Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie anderen queeren Personen (LSBTIQ-Personen) beenden. So lautet der Titel eines entsprechenden Antrags (21/580), der heute Vormittag im Bundestag erstmals beraten wird.
Die rechtsextremistisch motivierten Bedrohungen queerer Menschen verfolgten das Ziel, eine ganze Bevölkerungsgruppe einzuschüchtern, queere Menschen wieder in die Unsichtbarkeit zu treiben und sie an der Wahrnehmung ihrer Grundrechte zu hindern, schreiben die Grünen. „Staat und Gesellschaft sind aufgefordert, diesen Angriffen auf die Sicherheit und die Grundrechte queerer Menschen überall klar und entschieden entgegenzutreten“ fordern sie. Weiter heißt es: „Es ist daher sehr zu bedauern, wenn sich einzelne Unternehmen politischem Druck beugen und sich aus dem Sponsoring von CSDs zurückziehen, was auch die Finanzierung und Durchführung der Veranstaltungen selbst unter Druck setzt.“
Sie verlangen von der Bundesregierung unter anderem, in Zusammenarbeit mit den Ländern CSD-Demonstrationen vor Gewalt und Hetze zu schützen. Dies soll durch die Sensibilisierung von Sicherheitsbehörden und die Entwicklung von effizienten Schutzkonzepten gewährleistet werden. Die Empfehlungen des Arbeitskreises zur „Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt“ im Auftrag der Innenministerkonferenz müssten umgesetzt und eine bundesweite Meldestelle für queerfeindliche Straftaten eingeführt werden, um LSBTIQ-feindliche Hasskriminalität besser zu erfassen, fordern die Grünen. Ferner müsse die Regierung sich dafür einsetzen, den Aktionsplan der Bundesregierung für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt „Queer leben“ engagiert und umfassend weiterzuführen. Der Antrag fordert außerdem einen Gesetzentwurf, „der Art. 3 Abs. 3 GG um ein explizites Verbot der Diskriminierung aufgrund der ’sexuellen Identität‘ ergänzt, und mit den demokratischen Fraktionen des Bundestages in den Dialog für die notwendige verfassungsändernde Mehrheit zu treten“.
Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 256 vom 26.06.2025
BiB: Geteilt, gerecht, zufrieden? Aufteilung von Hausarbeit birgt Konflikte
Die Aufteilung der Hausarbeit gehört zu einem häufigen Konfliktthema in Partnerschaften. Frauen im erwerbsfähigen Alter bringen mit rund 13 Stunden pro Woche deutlich mehr Zeit für das Kochen, Putzen und Waschen auf als Männer, die sich meist nur die Hälfte dieser Zeit im Haushalt engagieren. Dieses Ungleichgewicht kann nicht nur das Klima in Beziehungen belasten, sondern auch das Risiko von Konflikten oder gar Trennungen erhöhen. Wie aber steht es um die Aufgabenteilung für verschiedene Haushaltstätigkeiten in deutschen Haushalten? Und welche Faktoren hemmen oder fördern eine ausgewogenere Verteilung der Hausarbeit? Der FReDA-Policy Brief „Geteilt, gerecht, zufrieden?“ des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) hat die Aufteilung der Hausarbeit in Partnerschaften und die Auswirkungen auf die Beziehungszufriedenheit untersucht.
Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit Unabhängig davon, welchen Anteil die Partner bei der Erwerbsarbeit übernehmen: Eine breite Mehrheit der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wünscht sich eine gleiche Aufteilung zwischen Partnerin und Partner bei der Hausarbeit. Bei der Umsetzung dieses Anspruchs scheitern die Menschen jedoch sehr oft. Selbst Paare, die zu Beginn ihrer Beziehung eine symmetrische Verteilung praktizieren, verfallen häufig in eine ungleiche Aufteilung, sobald das erste Kind da ist und sich Vereinbarkeitsprobleme zeigen.
Geschlechterspezifische Zuständigkeiten Die Aufteilung der Hausarbeit zwischen Partnerin und Partner unterscheidet sich nicht nur quantitativ, sondern auch nach der Art der Tätigkeiten. Rund 80 % der zusammenlebenden Paare berichten, dass der Mann beispielsweise hauptverantwortlich für anfallende Reparaturen sei. Frauen dagegen seien häufig verantwortlich für die regelmäßig anfallenden Routinearbeiten wie Wäschewaschen (bei 71 % der Paare ist die Frau hierfür verantwortlich), Putzen (66 %) oder Kochen (58 %). Bei Paaren mit Kindern ist diese Unterscheidung bei den Tätigkeiten noch deutlich stärker ausgeprägt.
Ungleiche Aufteilung fördert Unzufriedenheit
Eine möglichst gleiche Aufteilung der Hausarbeit zwischen Frau und Mann wird oft von beiden Partnern als fair angesehen. Frauen in so organisierten Beziehungen sind im Durchschnitt zufriedener als jene, die in einer Partnerschaft mit ungleicher Verteilung leben. Ungleichheit bei der Aufteilung der Hausarbeit hingegen führt häufig zu einer größeren Belastung – und bei vielen Frauen zu einem starken Ungerechtigkeitsempfinden. Etwa jede fünfte Frau in Partnerschaften mit asymmetrisch aufgeteilter Hausarbeit denkt darüber nach, die Beziehung zu beenden.
Elternschaft ist die härteste Probe
Besonders der Übergang zur Elternschaft kann einen Anstoß für die ungleiche Verteilung der Hausarbeit darstellen. Sobald Kinder zum Haushalt gehören, übernehmen Frauen deutlich häufiger einen großen Teil der Routinetätigkeiten. Diese ungleiche Arbeitsteilung verfestigt sich dann oft im Laufe der Zeit.
Belastung von Frauen reduzieren, Engagement von Männern fördern Eine ungefähr gleiche Aufteilung der Hausarbeit entspricht nicht nur der Idealvorstellung der meisten Menschen im jungen und mittleren Erwachsenenalter in Deutschland, sondern ist oft auch eine wichtige Grundlage für stabile und glückliche Partnerschaften. Für die Umsetzung wären jedoch insbesondere am Beginn der Familienphase mehr unterstützende Rahmenbedingungen wichtig. „Als Hilfestellung wäre es zentral, Elternpaare – und damit vor allem Frauen – bei der Hausarbeit zu entlasten. Dies könnte durch externe Angebote erreicht werden, etwa durch die Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen oder das im Koalitionsvertrag vereinbarte Familienbudget, mit dem zum Beispiel Alltagshelfer für Familien mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen bezahlt werden könnten“, sagt Dr. Leonie Kleinschrot, wissenschaftliche Mitarbeiterin am BiB und Mitautorin der Studie. Flexible Arbeitszeitmodelle könnten es Frau und Mann zudem ermöglichen, Erwerbs- und Familienaufgaben gleichermaßen nachzugehen: „Besonders für Väter sollte es leichter sein, sich von Anfang an und in größerem Umfang als bisher aktiv in die Familien- und Hausarbeit einzubringen“, ergänzt Mitautor Dr. Detlev Lück, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter am BiB.
Der Policy Brief steht hier zum Download bereit:
Quelle: Pressemitteilung Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung vom 09.07.2025
BiB: Verbal oder Zahl? Wie Zeugnisse den Blick von Eltern auf die schulische Leistung ihrer Kinder verändern
Sommerzeit, Ferienzeit, Zeugniszeit … Kurz vor den Sommerferien in Deutschland hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) eine neue Untersuchung veröffentlicht, die sich mit der Wirkung von Schulzeugnissen auf die elterliche Einschätzung und Bildungsaktivitäten mit den Kindern beschäftigt. Wie aus der Studie hervorgeht, überschätzen die meisten Eltern die schulischen Fähigkeiten ihrer Kinder. Schriftliche Bewertungen der Lehrer in den Zeugnissen ändern an dieser Fehleinschätzung nur wenig, dagegen haben Zeugnisnoten eine stärkere Wirkung auf die Erziehungsberechtigten.
Die Art und Weise, wie Schulen über den Leistungsstand von Schülerinnen und Schülern informieren, bestimmt maßgeblich das Einschätzungsvermögen von Eltern im Hinblick auf die Leistungsfähigkeiten ihrer Kinder – und beeinflusst somit die Unterstützung und das Engagement der Eltern. Wie die beiden Studienautorinnen darlegen, schätzen Eltern die schulischen Leistungen ihrer Kinder in Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften in vielen Fällen höher ein als sie tatsächlich sind; besonders in niedriger gebildeten oder zugewanderten Familien werden die Fähigkeiten überschätzt. „Diese Fehleinschätzung kann dazu führen, dass Kinder von Eltern nicht ausreichend gefördert werden“, folgert Elena Ziege, Bildungsforscherin am BiB.
Dabei können Zeugnisnoten aus der Schule sehr wohl helfen, dieses Missverständnis zu korrigieren. Denn ein weiteres wichtiges Ergebnis der Untersuchung besagt: Das Format des Zeugnisses ist entscheidend. Weil Eltern das Geschriebene oft nicht im Sinne der Lehrkräfte verstehen, zeigen verbal formulierte Lernstandsbeschreibungen, wie sie in den ersten Klassenstufen der Grundschule in vielen Bundesländern üblich sind, kaum Wirkung oder führen sogar zur Reduktion elterlicher Aktivitäten mit den Kindern. Dagegen führen numerische Noten, Skalenbewertungen oder persönliche Gespräche mit Lehrkräften zu einer deutlichen Verhaltensänderung in Form eines größeren Engagements der Eltern. „Väter und Mütter, die präzisere Informationen zum Leistungsstand erhielten, lasen häufiger mit ihren Kindern und spielten öfter mit ihnen, insbesondere, wenn es sich um das erste Zeugnis im Schulverlauf handelte“, fasst Ziege die Ergebnisse zusammen. Das spräche für eine stärkere Fokussierung auf die erwähnten Rückmeldungen an die Eltern in den frühen Grundschuljahren anstatt verbal formulierter Zeugnisse.
Die Studie beschränkt sich in ihren Aussagen auf das erste Grundschuljahr und basiert auf bundesweiten Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Die Forschenden kommen zu dem Schluss: Gut verständliche, strukturierte und frühzeitige Informationen über Schülerleistungen fördern elterliche Bildungsaktivitäten. Das ist besonders für Kinder aus benachteiligten Haushalten ein wichtiger Hebel, damit alle Bildungspotenziale genutzt werden. „Gut informierte Eltern können besser unterstützen“, resümiert Elena Ziege.
Diese Pressemeldung basiert auf folgender Publikation:
Ziege, Elena und Ariel Kalil (2025): How Information Affects Parents‘ Beliefs and Behavior: Evidence from First-Time Report Cards for German School Children
Quelle: Pressemitteilung Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung vom 02.07.2025
DIW-Studien zur sozial-ökologischen Transformation: Regionales Klimageld entlastet Haushalte auf dem Land, Problem der Härtefälle bleibt
Zwei DIW-Studien zur sozial-ökologischen Transformation beschäftigen sich mit Verteilungswirkungen des Klimagelds und der Lobbyarbeit von Unternehmen gegen Umweltschutz – Regional ausdifferenziertes Klimageld kann Belastungsunterschiede zwischen Stadt und Land verringern – Härtefälle auf dem Land sinken dadurch, in der Stadt nehmen sie allerdings zu – Unternehmen geben deutlich mehr Geld für Lobbyarbeit gegen Umweltschutz aus, wenn Konsument*innen grüne Produkte präferieren
Der in den nächsten Jahren deutlich steigende Preis für Kohlendioxid (CO2) wird vor allem einkommensschwache Haushalte belasten. Auch Haushalte in ländlichen Regionen sind im Schnitt um 60 Prozent stärker belastet als in urbanen Gebieten. Zur Entlastung könnte ein angemessen hohes beziehungsweise ein regional differenziertes Klimageld beitragen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat diese beide Optionen simuliert. Die Berechnungen auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeigen, dass auch mit einem pauschalen Klimageld von 360 Euro pro Kopf viele einkommensschwache Haushalte übermäßig belastet blieben, insbesondere in den ländlichen Gebieten. Werden diese Belastungen durch ein regional differenziertes Klimageld reduziert, nimmt jedoch der Anteil der Härtefälle im städtischen Raum zu. „Ein regionales Klimageld würde die Belastungsunterschiede zwischen Stadt und Land zwar deutlich reduzieren, die Verteilungswirkungen und die Zahl der Härtefälle aber nicht ändern und somit keine unmittelbaren sozialpolitischen Vorteile bieten”, so DIW-Studienautor Stefan Bach aus der Abteilung Staat.
Durch den Übergang vom nationalen Brennstoffemissionshandel in den europäischen Emissionshandel (EU-ETS 2) im Jahr 2027 könnten sich die CO2-Preise mehr als verdoppeln. Um die relativ hohe Belastung der CO2-Bepreisung bei einkommensschwachen Haushalten abzufedern, hatte die vorherige Bundesregierung ein Klimageld auf den Weg gebracht, das aber von der neuen Bundesregierung nicht mehr vorgesehen ist. „Angesichts der steigenden CO2-Preise in den nächsten Jahren brauchen wir zügig einen sozial ausgewogenen Entlastungsmechanismus. Sonst droht politischer Widerstand, insbesondere bei dauerhaft hohen CO2-Preisen“, sagt Bach.
CO2-Bepreisung belastet Haushalte im ländlichen Raum besonders stark
In der Studie wird bei einem CO2-Preis von 160 Euro pro Tonne ein einheitliches Pro-Kopf-Klimageld von 360 Euro im Jahr an alle Einwohner*innen simuliert. Dieses kehrt die regressive Belastung um. Jenseits des Durchschnitts bleibt allerdings eine erhebliche Zahl an sozialen Härtefällen, also einkommensschwache Haushalte, die trotz Klimageld wegen ihres individuellen Mobilitätsverhaltens oder ihrer sehr energieineffizienten Wohnsituation stark belastet werden. Regional betrachtet zeigt sich, dass die höchsten Belastungen in ländlichen Regionen entstehen. Gründe hierfür sind die längeren Wege zum Arbeitsplatz, kaum verfügbarer öffentlicher Nahverkehr, größere Wohnflächen sowie der häufigere Einsatz von Heizöl. Die Studie simuliert daher ein regionales Klimageld, dessen Höhe nach vier Regionskategorien in städtische und ländliche Gebiete differenziert wird. Dadurch würde der Anteil der stark belasteten einkommensschwachen Haushalten auf dem Land von 15,2 auf 13,7 Prozent sinken. Da dieser Anteil in den Metropolen allerdings zugleich von 9,2 auf 11,7 Prozent steigt, ergibt sich unterm Strich kein sozialpolitischer Vorteil.
„Der Widerstand gegen klimapolitische Maßnahmen im ländlichen Raum ist häufig größer als in der Stadt. Daher könnte ein regional ausdifferenziertes Klimageld hier politisch effektiv sein”, sagt DIW-Steuerexperte Bach. Um die Zielgenauigkeit zu vergrößern, könnte das Klimageld bei höheren Einkommen reduziert werden. Das würde fiskalische Spielräume eröffnen, die beispielsweise genutzt werden könnten, um energetische Sanierungen zu fördern und damit Mieter*innen in besonders energieineffizienten Gebäuden zu entlasten.
Unternehmen reagieren auf umweltbewusste Verbraucher*innen mit mehr Lobbyarbeit
Im zweiten Bericht der Themenausgabe zur sozial-ökologischen Transformation steht die Lobbyarbeit von Unternehmen im Fokus. Anhand von Daten des Automobilsektors in den USA wird untersucht, wie sich die Lobbyausgaben entwickeln und in welche Richtung sie tendieren, wenn sich die Präferenzen der Konsument*innen hin zu grüneren Produkten verschieben.
DIW-Forschung zur sozial-ökologischen Transformation Die sozial-ökologische Transformation stellt eine der zentralen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte dar – sowohl für Politik und Wirtschaft als auch für die Gesellschaft insgesamt. Umso wichtiger ist es, dass sich die wirtschaftswissenschaftliche Forschung intensiv und in ihrer ganzen Breite mit den damit verbundenen Fragen beschäftigt. Das DIW Berlin hat sich dieses Ziel zu eigen gemacht und baut seine Arbeiten zur Transformation kontinuierlich und in allen Abteilungen des Instituts aus. Im Mittelpunkt stehen dabei die Auswirkungen der Transformation auf private Haushalte und Unternehmen, auf Märkte, Investitionen und Innovationen – aber auch auf soziale Gerechtigkeit und die Verteilungswirkungen. |
Demnach passen Unternehmen ihre Lobbyarbeit an, wenn Verbraucher*innen grünere Präferenzen entwickeln. Kurzfristig setzen sie ihre Lobbyaktivitäten verstärkt gegen umweltfreundliche Regulierung ein. „Firmen versuchen offensichtlich, durch Lobbyaktivitäten Profite aus umweltschädlichen Produkten zu schützen, wenn die Nachfrage grüner wird“, stellt Studienautorin Sonja Dobkowitz aus der Abteilung Makroökonomie fest. Es zeigt sich zudem, dass Firmen, deren Produktpalette auf wenig umweltfreundliche Verbrennerfahrzeuge konzentriert ist, tendenziell mehr auf solche Lobbyaktivitäten setzen. „Politische Entscheidungsträger*innen sollten die Einflussnahme durch Unternehmen transparenter gestalten, etwa durch strengere Vorgaben und weitere Offenlegungspflichten über Kontakte mit Wirtschaftsvertreter*innen“, empfiehlt Dobkowitz.
Links
- Studien im DIW Wochenbericht 27+28/2025
- Infografiken in hoher Auflösung (Studie 1 (JPG, 1.87 MB) und Studie 2 (JPG, 2.1 MB))
- Interview mit Stefan Bach
- Audio-Interview mit Stefan Bach (MP3, 13.39 MB)
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vom 02.07.2025
Hans-Böckler-Stiftung: Beschäftigte sind in Betrieben mit freiwilligen Frauenquoten egalitärer eingestellt
Freiwillige Frauenquoten verbessern nicht nur die Karrierechancen von Frauen. Sie können auch ein Umdenken in der gesamten Belegschaft bewirken, hin zu einem egalitäreren Verständnis von Geschlechterrollen. Das zeigt eine aktuelle Studie von Forscherinnen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung und der Universität Bielefeld.*
Gleichstellung im Betrieb ist kein Selbstläufer. Zwar sind viele Unternehmen bemüht, die Karrieremöglichkeiten für Frauen zu verbessern – doch wie gut wirken solche Maßnahmen tatsächlich? Und wie beeinflussen sie das Denken der Beschäftigten über Geschlechterrollen? Dieser Frage sind die Sozialwissenschaftlerinnen Dr. Eileen Peters vom WSI und Prof. Dr. Anja-Kristin Abendroth von der Universität Bielefeld nachgegangen. Ergebnis: In Betrieben mit freiwilligen Frauenquoten sind die Beschäftigten egalitärer eingestellt, was Vorstellungen über Geschlechterverhältnisse in der Arbeitswelt betrifft. Für Mentoring-Programme lässt sich ein solcher Zusammenhang nicht eindeutig nachweisen. Dies könnte auch daran liegen, wie solche Programme in der Praxis umgesetzt werden.
Für ihre Analyse haben die Wissenschaftlerinnen einen Datensatz ausgewertet, der im Rahmen eines Projekts an der Universität Bielefeld in Kooperation mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erhoben wurde. Ihre Analysen enthalten Befragungsdaten von 2445 Arbeitnehmer*innen aus 82 Großbetrieben mit mindestens 500 Beschäftigten. Die Teilnehmenden wurden gefragt, wie sie zu geschlechtsspezifischen Aspekten der Arbeitswelt stehen. Konkret: Ob Männer und Frauen beide zum Haushaltseinkommen beitragen sollten, ob ein Kind darunter leidet, wenn seine Mutter arbeitet, oder ob es für alle besser ist, wenn nur die Männer arbeiten und die Frauen zu Hause bleiben.
Laut der Studie vertreten Beschäftigte in Betrieben mit freiwilligen Frauenquoten egalitärere Ansichten als Beschäftigte an Arbeitsplätzen ohne eine solche Maßnahme. Im Durchschnitt ist die Wahrscheinlichkeit, dass Beschäftigte in Betrieben mit Frauenquoten traditionelle geschlechtsspezifische Ideologien äußern, um 1,5 Prozentpunkte geringer. Sie stimmen mit einer um 3,8 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit der Aussage zu, dass sowohl Frauen als auch Männer zum Haushaltseinkommen beitragen sollten. Außerdem widersprachen sie mit einer um 9 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit der Aussage, dass nur die Männer im Erwerbsjob arbeiten und die Frauen zu Hause bleiben sollten.
Zahlreiche statistische Robustheitsanalysen sowie konsistente Befunde über verschiedene Modellvarianten hinweg sprechen dafür, dass der beobachtete Zusammenhang nicht zufällig ist, betont WSI-Expertin Peters. Vieles deute darauf hin, dass die Quoten zur Herausbildung egalitärer Einstellungen beitragen können – auch wenn sich ein kausaler Effekt, also, dass Frauenquoten zu egalitären Einstellungen führen und nicht umgekehrt, mit den vorliegenden Daten nicht abschließend nachweisen lasse. Hierfür sei weitere Forschung nötig.
Eine mögliche Erklärung für den positiven Effekt ist, dass Frauen durch die Quote neue Rollen und Karrieremöglichkeiten kennenlernen, die sie zuvor für sich selbst ausgeschlossen hatten. Wenn mehr Frauen in Führungspositionen gelangen, können sie als Vorbilder dienen. Darüber hinaus signalisiert allein das Vorhandensein einer Frauenquote, dass Gleichstellung ein entscheidendes Ziel am Arbeitsplatz ist. So entsteht langfristig eine Kultur, in der Frauen eher als gleichberechtigter Teil der Belegschaft gesehen werden – sowohl von den Frauen selbst als auch von den Männern. „Mit freiwilligen Frauenquoten machen Betriebe deutlich: Frauen sollen in Führung – und zwar jetzt. Das verändert die Kultur im Unternehmen und setzt ein starkes Zeichen für Gleichstellung“, so die Forscherinnen. Je alltäglicher weibliche Führung wird, desto weniger wirken alte Klischees. So entsteht mit der Zeit eine neue betriebliche Normalität.
Die Ergebnisse für Mentoring-Programme sind weniger eindeutig. Dabei unterstützt ein*e erfahrene*r Mentor*in bei der persönlichen und beruflichen Entwicklung. Beschäftigte in Betrieben, die Mentoring einsetzen, unterscheiden sich in ihren geschlechtsspezifischen Einstellungen nicht von Beschäftigten in Betrieben ohne solche Programme. Ein leichter Zusammenhang zeigt sich lediglich, wenn die Maßnahmen seit mindestens fünf Jahren existieren. Dies könnte darauf hindeuten, dass sie länger brauchen, bis sie wirken.
Darüber hinaus könnte die geringe Wirkung auch an der konkreten Umsetzung von Mentoring-Programmen liegen. Sie werden häufig dafür kritisiert, dass Mentor*innen Karriereratschläge geben, die vor allem auf eine Anpassung an „maskulinisierte Normen des idealen Arbeitnehmers“ abzielen – und dadurch bestehende Geschlechterbilder eher festigen, statt sie zu hinterfragen. Schließlich, so Peters und Abendroth, entfaltet Mentoring dann besonderes Potenzial, die Unternehmenskultur zu verändern, wenn es nicht auf individuelle Anpassung zielt, sondern in eine umfassende betriebliche Gleichstellungsstrategie eingebettet ist.
Gerade in Zeiten, in denen weltweit gegen Gleichstellungspolitik mobilisiert wird, bewerten die Forscherinnen die Ergebnisse als starkes Argument: Betriebliche Maßnahmen wie freiwillige Frauenquoten können mehr als nur Strukturen verändern – sie setzen Impulse für ein neues Denken und stärken egalitäre Rollenbilder im Alltag der Arbeitswelt.
Quelle: Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 09.07.2025
Statistisches Bundesamt: Ein Drittel der Väter erhielt im Jahr 2024 den Elterngeld-Höchstbetrag
Jede achte Mutter bezog den Höchstbetrag
Elterngeld ist aktuell für viele junge Familien ein Thema, denn gerade in den Sommermonaten werden besonders viele Kinder geboren. Knapp ein Drittel (32 %) der Väter, die im Jahr 2024 Elterngeld bezogen, hatten im ersten Bezugsmonat Anspruch auf den monatlichen Höchstbetrag von 1 800 Euro Basiselterngeld beziehungsweise 900 Euro Elterngeld Plus. Unter den Müttern bezog jede achte (12 %) im ersten Elterngeldmonat den Elterngeld-Höchstbetrag, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Insgesamt hatten 17 % der Eltern Anspruch auf den Höchstbetrag. Anspruch auf den Höchstbetrag haben Personen, die vor der Geburt ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen abzüglich pauschaler Steuern und Sozialabgaben von mindestens 2 770 Euro hatten. Einen Elterngeldanspruch in Höhe des Mindestbetrags von 300 Euro Basiselterngeld beziehungsweise 150 Euro Elterngeld Plus wiederum erhielten 21 % der Eltern – bei Männern waren es 7 % der Empfänger und bei Müttern gut ein Viertel (26 %).
Väter erhalten im Schnitt 1 337 Euro monatlich, Mütter 830 Euro
Väter erhielten 2024 im Schnitt 1 337 Euro Elterngeld pro Monat, Mütter mit durchschnittlich 830 Euro pro Monat deutlich weniger. Hierfür gab es zwei Gründe: Zum einen waren Väter vor der Geburt häufiger erwerbstätig (96 %) als Mütter (76 %). Zum anderen lag das Einkommen, das zur Berechnung des Elterngeldes diente, bei erwerbstätigen Vätern im Schnitt mit 2 344 Euro deutlich über dem der erwerbstätigen Mütter (1 789 Euro).
Geringere Bezugsdauer bei Vätern wirkt sich auf Gesamtsumme aus
Bei der Gesamthöhe ergibt sich ein umgekehrtes Bild: Väter, die im Jahr 2024 Elterngeld bezogen, beanspruchten insgesamt durchschnittlich 4 185 Euro Elterngeld. Damit lagen sie weit unter dem Durchschnitt der Mütter von 11 462 Euro. Der Unterschied erklärt sich dadurch, dass Väter in der Regel deutlich kürzer Elterngeld beziehen als Mütter: Die durchschnittliche voraussichtliche Bezugsdauer bei Vätern lag bei 3,8 Monaten. Die der Mütter war mit 14,8 Monaten fast viermal länger.
Weitere Informationen:
Weitere Informationen zum Elterngeld bietet die Themenseite Eltern- und Kindergeld im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes. Einen Überblick zu Stand und Entwicklung der Gleichstellung von Frauen und Männern gibt die Seite Gleichstellungsindikatoren.
INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN
AWO: Haushalt 2025: Breites Bündnis ruft zu Investitionen in soziale Sicherheit und ökologischen Fortschritt auf
Der Appell aus Sicht von Wohlfahrtspflege, Gewerkschaft sowie Umwelt- und Sozialverbänden fordert Bundestag und Bundesrat auf, mit dem Bundeshaushalt und den geplanten Sondervermögen den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
Anlässlich der heutigen Beratung des Bundeshaushalts 2025 im Bundestag appelliert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis an die Verantwortung von Bundestag und Bundesrat, sozial-ökologische Versäumnisse der Vergangenheit zu korrigieren. Es seien dringend massive Investitionen in die öffentliche und gemeinnützige soziale Infrastruktur erforderlich.
“Der soziale Zusammenhalt ist gefährdet, und die Demokratie sieht sich zunehmenden Anfechtungen ausgesetzt”, warnen die Unterzeichnenden des Appells. Das Sicherungsversprechen des Sozialstaats sei essenziell für die Demokratie. Doch viele Menschen fürchteten sich mit Blick auf die Sozialversicherungen vor steigenden Beiträgen und einem gleichzeitig sinkenden Leistungsniveau. Das Bündnis mahnt, die Unterfinanzierung der Pflegeversicherung dürfe nicht durch Darlehen ausgeglichen werden. Sozialversicherungen übernehmen eine Vielzahl gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, die sachgerecht durch Steuermittel refinanziert werden müssten. Mittel- und langfristig müssten die Sozialversicherungen solidarisch und nachhaltig erneuert werden.
Die Verbände weisen darauf hin, dass ein großer Teil der sozialen Infrastruktur in Deutschland durch gemeinnützige Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege getragen wird. Um ihre Einrichtungen und Dienste klimafreundlich und digital aufzustellen, müssten sie konsequent in Förderprogramme aus den Sondervermögen einbezogen werden.
Das Bündnis macht dabei deutlich, dass soziale Sicherheit und ökologische Nachhaltigkeit zusammengehören: “Die Bewältigung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Krisen unserer Zeit sowie die digitale Teilhabe bislang benachteiligter Bevölkerungsgruppen sind gemeinsame Zukunftsaufgaben”, heißt es in dem Appell.
Die Organisationen hinter dem Aufruf vertreten gemeinsam mehrere Millionen Mitglieder, mehr als zwei Millionen hauptamtlich Beschäftigte und über drei Millionen freiwillig Engagierte.
Den Appell unterzeichnet haben:
AWO Bundesverband
BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Caritasverband
DRK – Deutsches Rotes Kreuz
Diakonie Deutschland
Sozialverband Deutschland SoVD
Sozialverband VdK Deutschland
Ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Volkssolidarität
ZWST – Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland
Der vollständige Appell zum Download: https://awo.org/wp-content/uploads/Pressemeldungen/2025/250708_Aufruf-Bundeshaushalt-2025.pdf
Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e.V. vom 08.07.2025
Diakonie: Extreme Hitze gefährdet wohnungslose Menschen – Diakonie ruft zu gezielter Unterstützung auf
Für diese Woche sagen Wetterdienste Temperaturen von bis zu 40 Grad in Deutschland voraus – eine ernsthafte Gefahr für Menschen. Die Diakonie Deutschland warnt vor den lebensbedrohlichen Folgen extremer Hitze für wohnungslose Menschen und ruft Städte, Gemeinden und Bürger:innen zum Handeln auf.
„Gemeinsam können Kommunen und Bürgerinnen und Bürger viel bewirken, um wohnungslose Menschen vor den Gefahren extremer Hitze zu schützen. Sei es durch die Bereitstellung von kühlen Orten und Trinkwasser oder durch Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft im Alltag. Notunterkünfte müssen nicht nur in den Wintermonaten zugänglich sein, sondern ganzjährig, und sie müssen hitzegerecht ausgestattet sein“, sagt Elke Ronneberger, Bundesvorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. „Kommunen sind gefordert, indem sie an zentralen Orten Trinkwasserstellen und schattige Rückzugsorte schaffen. Ergänzend braucht es aufsuchende Gesundheitsangebote und eine gute Vernetzung sozialer Hilfestrukturen, um schnell und gezielt reagieren und helfen zu können.“
Extreme Hitze kann genauso tödlich sein wie extreme Kälte – insbesondere für geschwächte, ältere oder gesundheitlich vorbelastete Menschen. „Gerade an heißen Tagen zählt jede kleine Geste“, so Ronneberger weiter. „Wer aufmerksam durch die Stadt geht und nicht wegsieht, kann einen wichtigen Beitrag leisten – manchmal sogar Leben retten.“
Die Diakonie fordert:
- Öffnung klimatisierter öffentlicher Räume: Klimatisierte Einrichtungen wie Bezirksämter, Bibliotheken und Museen sollten tagsüber für hitzegefährdete Menschen zugänglich gemacht werden. Zusätzlich sollten auf öffentlichen Plätzen und in Parks temporäre Schattenspender installiert werden – zum Beispiel durch große Sonnensegel oder Zelte.
- Ausbau der öffentlichen Wasserversorgung: Dazu zählen der Ausbau bestehender öffentlicher Trinkbrunnen, das Aufstellen mobiler Wasserstationen, Trinkwassertanks und Wasserwägen sowie die kostenlose Bereitstellung von Wasserflaschen in öffentlichen Gebäuden.
- Maßnahmen zum physischen Schutz vor Hitze: Wichtig sind die Ausgabe von Sonnencreme, Sonnenhüten und leichter Kleidung, der Ausbau mobiler Erste-Hilfe-Angebote, die Verteilung leichter, nährstoffreicher Lebensmittel und ggf. Nahrungsergänzungsmittel gegen Dehydration. Ergänzend sollten mobile medizinische Teams eingesetzt werden, um frühzeitig Hitzeschäden zu erkennen und zu behandeln.
Was Sie tun können, um obdachlosen Menschen zu helfen:
- Wasser anbieten: Eine Flasche Wasser kann Leben retten. Fragen Sie höflich, ob jemand etwas zu trinken braucht.
- Schattenplätze empfehlen: Weisen Sie auf schattige Orte oder kühlere öffentliche Gebäude hin, etwa Bibliotheken oder Kirchen.
- Nicht wegsehen: Zeigen Sie Mitgefühl, sprechen Sie Menschen freundlich an – viele sind dankbar für Aufmerksamkeit und ein kurzes Gespräch.
- Auf akute Notlagen achten: Wenn jemand desorientiert wirkt oder reglos in der Sonne liegt, rufen Sie im Zweifel den Notruf (112).
Weitere Informationen
Mit rund 800 Einrichtungen und Diensten der Wohnungslosenhilfe leistet die Diakonie Hilfe vor Ort. Hier finden Sie eine Einrichtung in Ihrer Nähe: Diakonie-Einrichtungssuche
Unser Experte für Wohnungslosigkeit, Lars Schäfer, steht für Interviews zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an die Pressestelle.
Quelle: Pressemitteilung Evangelisches Werk für
Diakonie und Entwicklung e.V. vom 01.07.2025
djb: GEAS-Reform darf Schutzstandards nicht abbauen – Kritik an Umsetzung in nationales Recht
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat eine Stellungnahme zu den Referentenentwürfen zum GEAS-Anpassungsgesetz und GEAS-Anpassungsfolgegesetz veröffentlicht. Mit diesen Entwürfen will die Bundesregierung das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) in deutsches Recht umsetzen. Der djb kritisiert, dass für diese weitreichenden Gesetzesvorhaben der Verbändebeteiligung erneut nur eine extrem kurze Stellungnahmefrist von einer Woche eingeräumt wurde – ein Vorgehen, das eine fundierte rechtspolitische Debatte faktisch unmöglich macht.
„Die europäische GEAS-Reform führt auch in Deutschland dazu, dass viele Frauen, queere Personen und andere Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalt keinen angemessenen Schutz finden“, sagt Ursula Matthiessen-Kreuder, Präsidentin des djb.
Inhaltlich warnt der djb vor einer deutlichen Schwächung des Schutzes für Geflüchtete. So soll geschlechtsspezifische Verfolgung als eigenständiger Fluchtgrund abgeschwächt werden – entgegen den menschenrechtlichen Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Auch die geplanten Grenzverfahren und Freiheitsbeschränkungen sind äußerst kritikwürdig. Der djb fordert eine grundlegende Neuordnung des Asylgesetzes, die menschenrechtliche Vorgaben klar umsetzt und Schutzsuchenden wie Rechtsanwender*innen Rechtssicherheit bietet.
„Menschenrechte dürfen im europäischen Asylsystem nicht zum Spielball politischer Abschreckungspolitik werden“, betont Valentina Chiofalo, Vorsitzende der djb-Kommission Europa- und Völkerrecht.
Besonders kritisch bewertet der djb außerdem die geplanten Verordnungsermächtigungen zur Festlegung sicherer Herkunfts- und Drittstaaten. Solche Entscheidungen betreffen zentrale Grundrechte von Geflüchteten und gehören ins Parlament. Auch die Einführung einer Asylverfahrenshaft lehnt der djb als nicht erforderlich und unverhältnismäßig ab. Insgesamt droht der deutsche Gesetzgeber, über die europäischen Vorgaben hinaus Freiheitsrechte einzuschränken und Schutzlücken zu schaffen.
Der djb appelliert an Bundesregierung und Bundestag, die Umsetzung der GEAS-Reform nicht für einen Abbau von Schutzstandards zu nutzen. Geflüchtete, insbesondere Frauen, queere Personen und andere vulnerable Gruppen, müssen in Deutschland und Europa wirksamen Schutz vor Verfolgung und Gewalt erhalten.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 08.07.2025
djb lehnt Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten ab
Der Deutsche Juristinnenbund e. V. (djb) kritisiert das Vorhaben der Bundesregierung, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten auszusetzen, aufs Schärfste. Der heute zur Abstimmung gestellte Gesetzesentwurf (BT-Drs. 21/321) trifft Frauen in besonderen Maßen.
Mehr als 70 Prozent der nachziehenden Familienangehörigen subsidiär Schutzberechtigter sind Frauen und Kinder. Durch die Aussetzung des Familiennachzugs wird ihnen eine der wenigen legalen und sicheren Möglichkeiten der Einreise genommen. Die anhaltende Trennung von Familienmitgliedern bedeutet eine enorme psychische Belastung. Ursula Matthiessen-Kreuder, Präsidentin des djb, konstatiert: „Die geplante Regelung begegnet erheblichen völker- und verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Recht auf Achtung der Familie nach Art. 8 EMRK droht ausgehöhlt zu werden.“ Die Begründung der Bundesregierung, die Aussetzung diene der Entlastung der „Aufnahme- und Integrationssysteme“, ist angesichts stark rückläufiger Asylantragstellungen sowie der bestehenden Kontingentierung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten nicht tragfähig.
Auch während der Dauer der Aussetzung des Familiennachzugs besteht gemäß Artikel 8 EMRK und Artikel 6 Absatz 1 GG eine staatliche Verpflichtung, eine Einzelfallprüfung zu gewährleisten. Dabei müssen insbesondere die Rechte von Kindern gewahrt und die Dauer der Trennung sowie die fehlende Möglichkeit, das Familienleben im Herkunftsland zu führen, berücksichtigt werden. Eine solche Prüfung ist aktuell nicht sichergestellt. Zwar sieht § 22 Aufenthaltsgesetz die Möglichkeit einer Aufnahme von Familienangehörigen aus „dringenden humanitären Gründen“ vor – die restriktive Anwendungspraxis stellt für die Betroffenen jedoch eine kaum unüberwindbare Hürde dar. „Anstatt legale Wege zu verbauen, sollten Wartezeiten verkürzt und die Verfahren zur Familienzusammenführung beschleunigt werden,“ so Dr. Stefanie Killinger, LL.M., die Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung im djb.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 27.06.2025
DKHW: Neue Kinderkommission muss deutliche Impulse für kindgerechtes Deutschland geben
Das Deutsche Kinderhilfswerk erhofft sich von der neuen Kinderkommission des Deutschen Bundestages deutliche Impulse und wegweisende Initiativen für ein kindgerechtes und kinderfreundliches Deutschland. Dazu gehören aus Sicht der Kinderrechtsorganisation ein konsequentes Eintreten für die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz und Initiativen zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland. Außerdem sollten die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, Chancengerechtigkeit im Bildungswesen, die Etablierung von Demokratiebildung an allen Bildungsorten von Kindern, beispielsweise in Kindertageseinrichtungen oder im schulischen Ganztag, sowie die Umsetzung des in der UN-Kinderrechtskonvention normierten Vorrangs des Kindeswohls für alle Kinder zu den Kernthemen der Kinderkommission gehören.
„Seit ihrer erstmaligen Einsetzung im Jahre 1988 hat die Kinderkommission an vielen Stellen gute Arbeit geleistet und immer wieder hilfreiche Anregungen gegeben, wie Deutschland zu einem kinderfreundlicheren Land werden kann. Durch zahlreiche Anhörungen, Expertengespräche und Initiativen hat sie es geschafft, kinder- und jugendpolitische Themen im Deutschen Bundestag zu platzieren, die ansonsten nicht auf die Tagesordnung gekommen wären. Die Notwendigkeit einer starken Kinderkommission zeigt auch der Koalitionsvertrag der Bundesregierung, in dem das Wort Kinderrechte nicht einmal vorkommt. Das zeigt symbolhaft auf, dass die Interessen der Kinder und Jugendlichen weiterhin viel zu kurz kommen. Gleichzeitig wünschen wir uns eine Stärkung der Kinderkommission beispielsweise durch weitergehendere Antragsrechte, damit sie in ihrer Arbeit noch effizienter und wirksamer wird“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, anlässlich der heutigen Konstituierung der Kinderkommission des Deutschen Bundestages.
„Das Deutsche Kinderhilfswerk mahnt zudem die Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz entlang der Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention an, um die Position der Kinder im deutschen Rechtssystem zu stärken und ein klares Signal für mehr Kinderfreundlichkeit in Deutschland zu setzen. Auch hier sollte die neue Kinderkommission entscheidende Akzente setzen. Denn es braucht endlich eine rechtliche Normierung im Grundgesetz, dass das Kindeswohl vorrangig zu beachten ist, dass Kinder das Recht auf Entwicklung, auf Schutz, auf Förderung und das Recht auf Beteiligung haben. Dafür braucht es im Grundgesetz einen eigenen Passus für die Kinderrechte, die unabhängig von den Elternrechten und ohne mit ihnen in Konflikt zu geraten gegenüber dem Staat gelten. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Kinderrecht auf Beteiligung zu. Die Beteiligung von Kindern ist ein zentraler Wert einer demokratischen Gesellschaft. Das muss auch im Grundgesetz klar zum Ausdruck kommen“, so Krüger weiter.
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 10.07.2025
LSVD+: Berliner Senat beschließt Bundesratsinitiative zur Ergänzung des Grundgesetzes
LSVD⁺ fordert alle Entscheidungsträger*innen in der Union auf, Regenbogen zu bekennen!
Heute hat der Berliner Senat darüber beschlossen, die seit langem angekündigte Bundesratsinitiative zur Stärkung des Schutzes lesbischer, schwuler, bisexueller, trans* und intergeschlechtlicher sowie weiterer queerer Menschen (LSBTIQ*) im Grundgesetz zu starten. Hierzu soll Artikel 3, Absatz 3 um das Merkmal der „sexuellen Identität“ ergänzt werden. Geplant ist, dass die Ergänzung am 11. Juli in den Bundesrat eingebracht wird. Damit die Verfassungsänderung gelingt, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag erforderlich. Patrick Dörr kommentiert hierzu für den Bundesvorstand des LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt:
“LSBTIQ* im Grundgesetz explizit zu schützen, ist dringender denn je! Hassrede in sozialen Medien, Beleidigungen auf der Straße und auch tätliche Angriffe auf queere Menschen nehmen in erschreckendem Maße zu. CSDs werden vermehrt zur Zielscheibe rechtsextremer Gruppierungen. Im Bundestag ist die zweitstärkste Fraktion eine, die Hass gegen alles vermeintlich Fremde und damit auch gegen LSBTIQ* schürt. Die Geschichte hat uns gezeigt, dass das Grundgesetz in seiner jetzigen Form kein hinreichender Schutz ist: Auch in der Bundesrepublik wurden queere Menschen ausgegrenzt, systematisch verfolgt und ins Gefängnis gesteckt. Es ist Zeit, dass die Politik diese Schutzlücke endlich schließt!
Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Berliner Landesregierung aus CDU und SPD unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner nun Bewegung in die Debatte bringt. Nun müssen sich zunächst die anderen Bundesländer positionieren, ob sie einen besseren Schutz von LSBTIQ* im Grundgesetz wollen, oder eben nicht. Dabei ist für uns klar: Die vorgeschobenen Argumente, dass der bisherige Schutz doch ausreiche, sind für uns nicht stichhaltig. Sie verkennen, dass sich auch die Mehrheiten in den Parlamenten, die Zusammensetzung des Verfassungsgerichts und nicht zuletzt die gesamtgesellschaftliche Stimmung drehen können. Diese Legislatur ist womöglich die letzte Chance, um ein für alle Mal klarzustellen und festzuzurren: Die gesamte queere Community muss unter den expliziten Schutz des Grundgesetzes gestellt werden.
SPD, Grüne, Linke und FDP haben sich klar für eine Ergänzung des Grundgesetzes ausgesprochen, und auch in der Union haben sich bedeutende Stimmen wie Hendrik Wüst, Daniel Günther und Boris Rhein klar dafür positioniert. Zuletzt hat auch die saarländische CDU einen entsprechenden Antrag im Saarbrücker Landtag unterstützt. Wir fordern daher die Union auf, endlich offen in der Partei über die Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes zu diskutieren. Nach Jahrzehnten queerfeindlicher Verfolgung, für die gerade auch die Union Verantwortung trägt, ist sie dies der queeren Community schuldig. Wer diese Demokratie schützen will, muss auch LSBTIQ* schützen wollen. Wir vom LSVD⁺ fordern alle Entscheidungsträger*innen in der Union auf, dem Beispiel der Berliner CDU zu folgen und Regenbogen zu bekennen!”
Auch der LSVD Verband Queere Vielfalt Berlin-Brandenburg begrüßt die Bundesratsinitiative des Berliner Senats ausdrücklich und ruft die anderen Länder auf, diesem Beispiel zu folgen. Patrick Müller-Kampa vom Landesvorstand erklärt:
„Wir begrüßen ausdrücklich, dass Berlin als Regenbogenhauptstadt mit gutem Beispiel vorangeht. Der Vorstoß des Senats ist ein starkes Signal an den Bundesrat und ein längst überfälliger Schritt für die Grundrechte queerer Menschen. Unsere Stadt lebt von Vielfalt – dieser Realität muss auch das Grundgesetz endlich Rechnung tragen. Jetzt ist die Zeit, den Schutz von LSBTIQ* verbindlich und unmissverständlich zu verankern.“
Weiterlesen:
- LSBTIQ* in die Verfassung
- Kampagne zur Anpassung von Artikel 3 um den expliziten Schutz queerer Menschen
Quelle: Pressemitteilung LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt vom 01.07.2025
LSVD+: Grünen bringen Antrag gegen queerfeindliche Hasskriminalität und gegen Diskriminierung von LSBTIQ* in den Bundestag
LSVD⁺: Kampf gegen Queerfeindlichkeit ist Auftrag für alle Demokrat*innen
Heute hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag “Queerfeindliche Hasskriminalität wirksam bekämpfen und die rechtliche Diskriminierung von LSBTIQ-Personen beenden” in den Deutschen Bundestag eingebracht, für den sich auch SPD und Linke ausgesprochen haben. Die SPD-Fraktion sprach der Community in der Bundestagsdebatte ihre Solidarität aus. Maik Brückner von der Linken bekräftigte die diesjährige deutschlandweite CSD-Forderung “Nie wieder still!” Das kommentiert Erik Jödicke für den Bundesvorstand des LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt wie folgt:
Dieser umfassende queerpolitische Antrag ist ein wichtiges Signal – nicht nur an die queere Community, sondern an alle, die sich für eine offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft einsetzen. Gerade jetzt steht die Community durch Angriffe auf CSDs und steigende Zahlen von Hasskriminalität besonders unter Druck. Ob in Gelsenkirchen, Regensburg, Schönebeck oder zuletzt in Bad Freienwalde – queere Sichtbarkeit wird zunehmend mit Gewalt beantwortet. Wir begrüßen diesen Antrag der Grünen Bundestagsfraktion ausdrücklich und fordern alle Demokrat*innen auf, Hasskriminalität und Diskriminierung gegen LSBTIQ* wirksam und gemeinsam zu bekämpfen.
Ein zentrales Anliegen ist die Ergänzung von Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetz um den expliziten Schutz von LSBTIQ* vor Diskriminierung . Eine solche Verfassungsänderung wäre ein historischer Schritt und ein sichtbares Zeichen des Staates, dass LSBTIQ*-Rechte Grundrechte sind. Wir begrüßen, dass auch Marco Luzcak von der CDU sich in der Bundestagsdebatte explizit für diese Ergänzung des Grundgesetzes ausgesprochen und die Union auch gestern im Saarland einen SPD-Antrag zur Grundgesetzergänzung unterstützt hat. Diesen Versprechen müssen endlich konkrete Handlungen folgen. Gerade in einer Zeit, in der Hass und Hetze wieder lauter werden, ist ein klarer verfassungsrechtlicher Schutz für die Zukunft unerlässlich.
Der Antrag stellt zentrale und jahrelange Forderungen nach Gleichstellung der LSBTIQ*-Community in den Fokus: Die Weiterentwicklung des Bundesaktionsplans „Queer Leben“ ist zentral, um queere Infrastruktur nachhaltig und verlässlich aufzustellen. Queere Geflüchtete müssen in der Implementierung von GEAS und den Gesetzesvorhaben im Bereich sichere Herkunftsstaaten in ihrer Vulnerabilität anerkannt und geschützt werden. Politisch Verantwortliche müssen sich unter anderem durch die Umsetzung der Beschlüsse der Innenministerkonferenz für ein striktes Vorgehen gegen queerfeindliche Hasskriminalität einsetzen. Ein besonders dringlicher Bereich ist auch das Familien- und Abstammungsrecht: Es ist schlicht nicht mehr zeitgemäß, dass Kinder in Regenbogenfamilien rechtlich benachteiligt werden. Grüne und SPD bekräftigten diese Forderung in der Debatte. Die Bundesregierung muss jetzt Hasskriminalität und Diskriminierung gegen LSBTIQ* wirksam bekämpfen!
Marco Luczak behauptete, viele der Übergriffe kämen aus dem migrantischen Milieu. Die überwiegende Bedrohung kommt aber laut der polizeilichen Kriminalstatistik von rechts. Es gibt keine gezielte muslimische Mobilisierung gegen CSDs, aber christlich-fundamentalistische und Rechtsextreme schon. Muslimisch motivierte Hasskriminalität gegen LSBTIQ* ist ein Problem, aber in einem anderen Ausmaß und in einem anderen Kontext. Carsten Müller (ebenfalls CDU) meinte, der Antrag schieße über das Ziel hinaus und würde einige Gruppen privilegieren. Für uns ist klar: Es geht nicht um Sonderrechte für manche, sondern gleiche Rechte für alle Menschen!
Weiterlesen:
- Antrag Queerfeindliche Hasskriminalität wirksam bekämpfen und die rechtliche Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie anderen queeren Personen (LSBTIQ-Personen) beenden
- Queerfeindliche Gewalt: Angriffe auf Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ*)
- Saarland: Offen, bunt, gerecht: Queere Rechte als Fundament unserer demokratischen Gesellschaft
- Kampagne zur Anpassung von Artikel 3 um den expliziten Schutz queerer Menschen
Quelle: Pressemitteilung LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt vom 26.06.2025
WEITERE INFORMATIONEN
Resolution der KOS-Arbeitstagung: 20 Jahre Hartz IV – Eine kritische Bilanz
Vom 25. bis 27. Juni 2025 fand im ver.di-Bildungszentrum Gladenbach die jährliche Arbeitstagung des Fördervereins gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit statt. Im Mittelpunkt stand eine intensive Auseinandersetzung mit den Folgen von 20 Jahren Hartz IV – für Erwerbslose, Beschäftigte und die Gesellschaft insgesamt.
Die Teilnehmenden zogen eine kritische Bilanz dieser tiefgreifenden „Reform“. Deutlich wurde: Hartz IV hat nicht nur individuelle Lebensrealitäten massiv beeinträchtigt, sondern auch soziale Sicherheiten untergraben und das gesellschaftliche Klima nachhaltig verändert. Auch aktuelle Entwicklungen im Bereich sozialer Sicherheit wurden im Rahmen der Tagung analysiert und diskutiert.
Gemeinsames Ergebnis der Diskussionen ist eine Abschlussresolution, die von allen Teilnehmenden einstimmig verabschiedet wurde.
Die Resolution ist zu finden unter: