ZFF-Info 04/2022

Unser zweiwöchentlich erscheinender Newsletter bietet Ihnen aktuelle familienpolitische Informationen aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Verbänden. Ebenfalls erhalten Sie tagesaktuelle Informationen aus dem ZFF, Veranstaltungshinweise und politische Stellungnahmen. Zudem setzen wir immer wieder Schwerpunkte zu einzelnen Themenfeldern. Gerne können Sie das ZFF-Info auch zur Verbreitung Ihrer Termine und Aktivitäten nutzen.  

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AUS DEM ZFF

Die Ampelkoalition hat sich im Koalitionsvertrag auf die Einführung einer Kindergrundsicherung verständigt. Das Zukunftsforum Familie e. V. ist Mitglied im Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG. Mit dem Bündnis begrüßen wird dieses Vorhaben ausdrücklich, stellen jedoch in der heute veröffentlichten Stellungnahme klare Anforderungen zur Ausgestaltung. Die Kindergrundsicherung ist eine grundlegende Reform, die Umsetzung muss sich an den großen Zielen Bekämpfung der Kinderarmut und Stärkung von Familien messen lassen. Eine Beteiligung aller relevanter Akteure am Vorbereitungs- und Umsetzungsprozess muss gewährleistet sein.

Alexander Nöhring, Geschäftsführer des Zukunftsforum Familie e. V., wird die Perspektiven des Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG heute im Rahmen eines Fachgesprächs im Familienausschuss vorstellen.

Die Pressemitteilung des Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG finden Sie hier. Die Stellungnahme zu den konkreten Eckpunkten einer Kindergrundsicherung im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 16.03.2022

Angesichts der aktuellen Situation geflüchteter Familien aus der Ukraine begrüßt das ZFF die schnelle und unbürokratische Aufnahme in den EU-Ländern und fordert umfassende Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien.

Vor dem Hintergrund des fortdauernden Angriffskriegs auf die Ukraine haben sich bereits über eine Million Menschen auf der Suche nach Schutz auf die Flucht begeben. Die EU hat sich in der letzten Woche darauf geeinigt ukrainische Geflüchtete schnell und unbürokratisch aufzunehmen. Die so genannte „Massenzustrom-Richtlinie“ ermöglicht dabei einen Schutzstatus, der Geflüchteten gleiche Rechte in jedem EU-Mitgliedsland verleiht, u. a.  Zugang zu Arbeitsmärkten und Bildung.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt: „Wir verurteilen den andauernden gewaltsamen russischen Angriff auf die Ukraine. Dieser unerträgliche Krieg hat bereits jetzt zur Folge, dass sich über eine Million Menschen auf die Flucht begeben haben. Wir freuen uns über das Zeichen europäischer Solidarität, dass Ukrainer*innen nun schnelle und unbürokratischen Schutz in den EU-Ländern bekommen sollen. Die Aufnahme ist ein menschenrechtliches Gebot – Politik und Gesellschaft müssen sich auf eine umfassende und solidarische Unterstützung einstellen. Dabei müssen die Bedarfe von Kindern und ihren Familien berücksichtigt werden, bei der Ausgestaltung der Unterkünfte, der psychosozialen Beratung und Begleitung sowie dem Zugang zu Bildungs- und Betreuungseinrichten. Kinder und ihre Familien brauchen jetzt passende und bedarfsgerechte Hilfe!“

Altenkamp schließt an: „Das ZFF setzt sich seit langem für sichere Fluchtwege für Kinder, Jugendliche und ihre Familien nach Deutschland und in die EU ein. Für uns ist daher klar, dass diese solidarische Haltung für alle Geflüchteten gelten muss, die Schutz und Sicherheit zu suchen, egal woher sie kommen.“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 07.03.2022

Anlässlich des Equal Pay Day am 07. März 2022 bekräftigt das Zukunftsforum Familie (ZFF) seine Forderung nach gleicher Bezahlung von Frauen und Männern und verlangt nachhaltige politische Schritte, um eine gerechte Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zu erreichen.

Am 07. März macht der Aktionstag Equal Pay Day auf die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen aufmerksam. Auch im Jahr 2020 verdienten Frauen in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent weniger je Stunde als Männer. Unter dem Motto „Equal Pay 4.0“ stellt die Kampagne dabei die gerechte Bezahlung in der digitalen Arbeitswelt in den Mittelpunkt.   

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu:

„Es ist völlig inakzeptabel, dass Frauen in puncto Gehalt immer noch gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt werden. Die Ursachen für die Lohnlücke sind vielfältig, so haben Frauen z.B. schlechtere Zugangschancen zu unterschiedlichen Berufen oder Karrierestufen, arbeiten häufiger in Teilzeit und Minijobs. Doch nicht nur bei der Entlohnung der Erwerbsarbeit klaffen Lücken zwischen den Geschlechtern. Auch die unbezahlte Sorgearbeit ist sehr ungleich verteilt: Frauen reduzieren häufiger als Männer familienbedingt ihre Erwerbsarbeitszeit und übernehmen den Löwenanteil der Erziehungs-, Pflege- und Hausarbeit – auch und gerade in der Corona-Pandemie.“

Altenkamp ergänzt:

„Es liegt in öffentlicher Verantwortung politische Lösungen vorzulegen, die es Männern wie Frauen gleichermaßen ermöglichen, Sorgeverpflichtungen zu übernehmen. Dazu müssen Regulierungen abgebaut werden, die einer geschlechtergerechten Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit entgegenstehen, wie etwa das Ehegattensplitting. Auch die geplante Erhöhung der Minijob-Verdienstgrenzen muss im Sinne einer eigenständigen Existenzsicherung zurückgenommen und die Beschäftigungsform in die soziale Sicherung überführt werden. Partnerschaftliche Ansätze bei Elterngeld und Pflegezeit müssen ausgebaut werden, sodass Verkürzungen der Arbeitszeit oder befristete Ausstiege aus dem Beruf für beide Geschlechter möglich sind, ohne die eigene soziale Absicherung zu gefährden.“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 04.03.2022

Vor dem Hintergrund von Equal Care Day, Equal Pay Day und Internationalem Frauentag veröffentlicht das Bündnis Sorgearbeit fair teilen seine Bewertung des Koalitionsvertrags. Trotz begrüßungswerter Vorhaben der Koalition sieht das zivilgesellschaftlichem Bündnis Defizite und fordert von der Bundesregierung umfassendere Maßnahmen zur Schließung der Sorgelücke.

Das ZFF ist einer von 13 Mitgliedsverbänden des im Sommer 2020 gegründeten zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Sorgearbeit fair teilen“. Das Bündnis setzt sich für die geschlechtergerechte Verteilung unbezahlter Sorgearbeit im Lebensverlauf ein. Seine Mitgliedsverbände haben sich zum Ziel gesetzt, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft für den Gender Care Gap und seine Auswirkungen zu sensibilisieren und sich für die Schließung der Sorgelücke einzusetzen.

Die Pressemitteilung des Bündnisses finden Sie hier. Die ausführliche Bewertung und die Forderungen der Bündnismitglieder an die Koalition sind online verfügbar.

Weitere Informationen zum Bündnis „Sorgearbeit fair teilen“ unter: www.sorgearbeit-fair-teilen.de

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e.V. vom 28.02.2022

SCHWERPUNKT I: Krieg in der Ukraine

Bundesfamilienministerium unterstützt geflüchtete Menschen aus der Ukraine.

Der Krieg treibt immer mehr Menschen in der Ukraine dazu, ihre Heimat zu verlassen und in die Nachbarländer zu fliehen. Auch in Deutschland kommen zunehmend Schutzsuchende an, fast ausschließlich Frauen und Kinder.

Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Anne Spiegel: „Für seine politischen Pläne macht Wladimir Putin Millionen unschuldiger Menschen in der Ukraine zur Zielscheibe von Bomben, Granaten und Raketen. Ich denke an die Opfer und Betroffenen dieses Krieges, an die Menschen, die in den umkämpften Gebieten um ihr Leben fürchten müssen und an die Hunderttausenden von Flüchtlingen, die allermeisten davon Frauen und Kinder. Sie suchen Zuflucht auch in Deutschland und wir wollen ihnen Zuflucht, Schutz und Sicherheit bieten. Besondere Unterstützung brauchen dabei unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Ich danke allen Menschen, die sich in dieser Notlage für die Schutzsuchenden einsetzen, den vielen Menschen, die spenden und den Helfern und Helferinnen, die Kleidung und Lebensmittel sammeln, Schlafplätze organisieren und einfach Trost bieten. Die Bundesregierung und auch mein Ministerium setzen alles daran, so unbürokratisch und schnell wie möglich zu helfen. Der Aggression und der Zerstörung, den Schmerzen und dem Leid setzen wir Mitgefühl, Solidarität und praktische Hilfe entgegen.“ Kurzfristig unterstützt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die geflüchteten Menschen aus der Ukraine in Deutschland mit den folgenden Projekten:

Hilfetelefone „Gewalt gegen Frauen“ und „Schwangere in Not“ Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ (0 8000 116 016) und das Hilfetelefon „Schwangere in Not“ (0800 40 40 020) bieten rund um die Uhr, anonym und kostenfrei Beratung u.a. auch in Russisch und Polnisch an. So können auch Ratsuchende aus der Ukraine, wo Russischkenntnisse weit verbreitet sind, informiert und unterstützt werden.

Unterstützung für schwangere Geflüchtete Die Bundesstiftung Mutter und Kind unterstützt schwangere Frauen in Notlagen unabhängig von ihrer Nationalität und gewährt finanzielle Hilfen für Schwangerschaftskleidung, Babyerstausstattung, Wohnung und Einrichtung sowie für die Betreuung des Kleinkindes. Auch Schwangere, die aktuell aus der Ukraine fliehen mussten und noch keinen Aufenthaltsnachweis haben, können in vielen Schwangerschaftsberatungsstellen unbürokratisch Hilfe bei der Stiftung beantragen. Der notwendige Nachweis für den dauerhaften Aufenthalt in Deutschland kann nachgereicht werden.

Patenschaften für geflüchtete Menschen

Das Patenschaftsprogramm „Menschen stärken Menschen“ verfügt seit 2016 über bewährte und erprobte Strukturen auch in der Flüchtlingshilfe. Die ehrenamtlichen Paten und Patinnen unterstützen Schutzsuchende nach ihrer Ankunft in Deutschland ganz konkret im Alltag, zum Beispiel bei gemeinsamen Behördengängen oder Arztbesuchen, bei Übersetzungen oder beim Ausfüllen amtlicher Dokumente. 24 zumeist bundesweit agierende Programmträger mit über 700 angeschlossenen lokalen Strukturen bieten flächendeckend bedarfsgerechte Angebote, von der niedrigschwelligen Alltagsbegleitung über die Erschließung des Wohnumfeldes und Hausaufgabenbetreuung bis hin zu Bildungsmentorenschaften zur Sicherung von Schulabschlüssen.

Hilfe beim Einstieg in die Erwerbstätigkeit Im Bundesprogramm „Stark im Beruf“ erhalten zugewanderte Mütter Unterstützung bei der Orientierung in Deutschland und beim Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt. Die 85 Träger sind Migrantenorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Mehrgenerationenhäuser oder Bildungsträger, die über Expertise in der Frauen-, Flüchtlings- und Integrationsarbeit und Sprachvermittlung verfügen. Sie unterstützen die Frauen durch Einzelberatung und Frauenkurse. Neben allgemeinen Themen stehen die Erstorientierung in Deutschland, Fragen der Lebensorganisation, Vermittlung bei Behörden und von Sprachkursen im Vordergrund.

Darüber hinaus sind weitere Unterstützungsmaßnahmen in Planung.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 04.03.2022

Zu den Beratungen der EU-Innenminister*innen erklären Julian Pahlke MdB, und Filiz Polat MdB:

 

Julian Pahlke:

„Die Richtlinie über vorübergehenden Schutz muss umgehend in Kraft gesetzt werden. Dies wäre ein wichtiges Signal, dass Geflüchtete in Europa schnell und unbürokratisch Schutz finden können, wenn der Wille, gemeinsam zu handeln, da ist. Menschen, die vor Putins Krieg in der Ukraine fliehen, heißen wir willkommen. Das schließt natürlich Menschen ohne ukrainische Staatsbürgerschaft ein. Es darf keine rassistischen Kontrollen oder das Abweisen von Flüchtenden an Grenzübergängen geben, es darf keine Flüchtenden erster und zweiter Klasse geben. Auch für Geflüchtete ohne ukrainische Staatsbürgerschaft müssen in Deutschland kurz- und langfristig Möglichkeiten eines gesicherten Aufenthalts bestehen. Zusätzlich finden selbstverständlich auch russische Deserteure und Menschen, die aus politischen Gründen aus Russland fliehen, bei uns Schutz.“

 

Filiz Polat:

„In Deutschland gilt es, keine unnötigen bürokratischen Hürden zu errichten. Da, wo Geflüchtete bereits privat untergekommen sind, darf es keine Zuweisungen in andere Bundesländer oder Kommunen durch die Behörden geben. Wer bei Familienangehörigen oder Freunden unterkommt, wird mit diesen furchtbaren traumatischen Ereignissen und der Trennung von Vätern, Brüdern und Partnern leichter fertig werden als in einer Unterkunft, dies gilt insbesondere für Kinder. Wichtig ist zudem ein uneingeschränkter Krankenversicherungsschutz, der auch schnelle psychologische Versorgung ermöglichen muss; dies gilt insbesondere auch für die vielen Kinder und unbegleiteten Jugendlichen. Schließlich gilt es, für Geflüchtete aus der Ukraine den Zugang zu Integrationssprachkursen von Anfang an sicherzustellen. Die Angebote müssen finanziell ausgebaut werden.“

Quelle: Pressemitteilung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag vom 03.03.2022

Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) e.V. verurteilt den gewaltsamen Angriff auf die Ukraine durch die russische Armee. Es wurden bereits zahlreiche Zivilist*innen getötet darunter auch Kinder. Laut UN-Angaben vom 28.02.2022 flüchteten seit Kriegsausbruch bereits 520.000 Menschen aus der Ukraine in die angrenzenden Nachbarländer. Es ist eine der größten Fluchtbewegung innerhalb Europas mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte. Seit Beginn der Angriffe erreichten mehr als 3.000 Geflüchtete aus der Ukraine Deutschland. Der BumF fordert: Europa und Deutschland müssen jetzt alle nötigen solidarischen Maßnahmen zur Aufnahme und Unterstützung flüchtender Menschen mobilisieren.

Die solidarische Aufnahmezusage der europäischen Staaten ist begrüßenswert. Im Sinne einer menschenrechtsorientierten Politik muss Deutschland diese Zusage nun unbürokratisch umsetzen – zum schnellen Schutz der von Krieg, Gewalt und Verfolgung bedrohten Menschen! Auch zahlreiche Kinder und Jugendliche werden zur Flucht gezwungen und verlieren ihre Familienangehörigen. Sie gehören zu einer besonders vulnerablen Gruppe, ihre spezifischen Bedarfe müssen in der Umsetzung solidarischer Maßnahmen unbedingt beachtet werden.

Der BumF e.V. fordert:

  • Es muss selbstverständlich für alle flüchtenden Menschen der Schutz vor den kriegerischen Auseinandersetzungen gewährleistet werden. In der Ukraine leben zahlreiche Menschen aus nicht-europäischen Herkunftsstaaten. Auch viele von ihnen sind nun vom Krieg betroffen und zur Flucht gezwungen. Berichte über rassistische Behandlung an den Grenzen und darüber, dass Menschen die Ausreise aus der Ukraine erschwert wurde, sind besorgniserregend und bedürfen der Aufklärung. Es darf kein Unterschied zwischen flüchtenden Menschen gemacht werden. Rassismus und Solidarität schließen einander aus. Eine Solidarität, die diskriminiert, ist keine Solidarität.
  • Deutschland verfügt über ausreichend Ressourcen, flüchtenden Menschen Schutz zu bieten und steht mit in der Verantwortung, sich aktiv an der Aufnahme flüchtender Menschen zu beteiligen. Dazu gehört die Bereitstellung bedarfsgerechter Unterbringungsmöglichkeiten, die Gewährung des Zugangs zu psychosozialen Versorgungsstrukturen sowie der Aufbau eines niedrigschwelligen und unbürokratischen Ankommenssystems.
  • Dieses Ankommenssystem muss unbedingt die besonderen Bedarfe begleiteter und unbegleiteter Minderjähriger in den Blick nehmen und wirksam auf diese eingehen. Dazu gehört die psychische und physische Stabilisierung der Kinder und Jugendlichen. Erfahrungen von Gewalt und Flucht sowie die Trennung von Familienangehörigen sind besonders belastend für junge Menschen. Niederschwellige, jugendspezifische psychosoziale Unterstützungsangebote müssen für die ankommenden jungen Menschen bereitgestellt werden.
  • Die gelingende und schnelle Umsetzung von Familien- und Community-Zusammenführungen muss prioritär behandelt werden.
  • Es muss sichergestellt werden, dass Menschen aus der Ukraine ohne Sorge um ihren Aufenthalt in Deutschland bleiben können. Dieser muss unbürokratisch verlängert werden, ein Abschiebestopp ist natürlich unabdingbar.

Quelle: Pressemitteilung Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. vom 02.03.2022

Angesichts der steigenden Zahl geflüchteter Menschen aus der Ukraine, die in Deutschland Schutz suchen, mahnen Bildungsgewerkschaften eine zügige Vorbereitung der Schulen an.

Die Bildungsgewerkschaften im dbb beamtenbund und tarifunion (VBE, DPhV, VDR, KEG, BvLB) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erklärten dazu am 11. März 2022 in Lübeck: „Wir begrüßen ausdrücklich die Pläne der Kultusministerkonferenz (KMK), schnell Bildungsangebote für geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine zu schaffen. Bund, Länder und Kommunen müssen den Schulen nun aber auch zügig und unbürokratisch Unterstützung anbieten. Um die aktuelle Herausforderung meistern zu können, bedarf es unter anderem zusätzlicher finanzieller und personeller Ressourcen für die Schulen.

Die Lehrkräfte in Deutschland haben seit 2015 zwar viele Erfahrungen mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen gemacht und sind grundsätzlich gut auf solche Situationen vorbereitet. Nach fast zwei Jahren arbeiten in der Corona-Pandemie sind viele Lehrerinnen und Lehrer aber erschöpft und am Limit ihrer Kräfte. Daher wird die nächste Zeit eine große Herausforderung, auch wenn sich alle Beschäftigten in den Schulen wie immer leidenschaftlich für das Wohl der Kinder engagieren werden.

Die Bildungseinrichtungen brauchen deshalb nun mehr denn je die volle politische Unterstützung. Es bedarf multiprofessioneller Teams sowie zusätzlichen Personals für die Errichtung von Willkommens-, Übergangs- und Vorbereitungsklassen und angemessener Räumlichkeiten. Zudem bedarf es umfangreicher Angebote für die Beschäftigten, um mit den Traumata der Geflüchteten in angemessener Weise umgehen zu können, sowie zusätzlicher Lehrkräfte für ‚Deutsch als
Zweit-/Fremdsprache‘ (DaZ/DaF) und herkunftssprachlicher Fachkräfte.

Eine Einbindung von geflüchteten pädagogischen Fachkräfte begrüßen wir grundsätzlich. Wichtig ist aber, ihnen zielgruppengerechte Unterstützung und verlässliche Perspektiven zu bieten.“

Quelle: Pressemitteilung Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom 11.03.2022

Kinder und Jugendliche erleben gegenwärtig – wie wir alle – brutale Zeiten. Kinder und Jugendliche in der Ukraine sind gegenwärtig vom Krieg unmittelbar betroffen. Der Krieg gefährdet ihr Leben und versetzt sie in Angst. Nicht alle Kinder und Jugendlichen haben dabei ein Umfeld, in dem sie unterstützt werden und das mit ihnen die Bedrohungen gemeinsam durchleben kann.

Zudem werden Kinder und Jugendliche gegenwärtig zur Flucht gezwungen oder befinden sich bereits auf der Flucht. Weiterhin gibt es viele Kinder und Jugendliche in Deutschland und in anderen  europäischen Ländern, die Verwandte und Freund*innen in der Ukraine haben. Alle diese Kinder und Jugendlichen sind unmittelbar und mittelbar vom Krieg betroffen. Aber auch junge Menschen, deren Familien aus Russland stammen, sind damit u.U. konfrontiert, um das Leben derjenigen  Familienangehörigen fürchten zu müssen, die den Mut aufbringen gegen den Krieg Position zu beziehen.

Zudem müssen alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland, die gegenwärtig mit den Bildern des Krieges konfrontiert werden, diese durchleben und verarbeiten. Sie sehen durch die Berichterstattung einen Krieg, den sie so bisher nicht kannten, das Aufwachsen in Frieden hat seine Selbstverständlichkeit verloren.

Entsprechend sind die Kinder- und Jugendpolitik, die Kinder- und Jugendhilfe und alle pädagogischen Organisationen, die mit jungen Menschen zusammenarbeiten, aktuell aufgefordert, Ängste der jungen Menschen ernst zu nehmen, sie in der Bearbeitung der beunruhigenden Erfahrungen zu unterstützen und die gegenwärtige Situation gemeinsam mit ihnen zu thematisieren, ihr Eintreten gegen Krieg und für Frieden zu fördern und zu begleiten:

1. Es sind – erstens – Programme aufzulegen, um insbesondere Kinder und Jugendliche in der Ukraine unmittelbar zu unterstützen und ihnen Hilfsgüter, aber auch Schutz- und Bildungsangebote zukommen zu lassen. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf ein gewaltfreies Aufwachsen. Dieses wird gegenwärtig in der Ukraine außer Kraft gesetzt und massiv verletzt.

2. Es sind – zweitens – alle Kinder und Jugendlichen auf der Flucht – insbesondere gegenwärtig junge Menschen aus der Ukraine – in ihren sozialen und psychischen Bedarfen zu begleiten und mit ihnen unbürokratisch sichere Orte ihres Aufenthalts zu schaffen. Familien, die Verwandte aus der Ukraine aufnehmen, sind zu unterstützen.

3. Es sind – drittens – alle Einrichtungen, in denen junge Menschen leben, gefordert, insbesondere in Schulen und in der Kinder- und Jugendhilfe, mit jungen Menschen die Berichterstattung und Bilder des Krieges zu verarbeiten, ihnen zuzuhören, Dialogbereitschaft zu signalisieren, Gesprächsangebote zu unterbreiten.

Die als europäische Zeitenwende beschriebene Aggression gegen die Ukraine macht auch vor der Kinder- und Jugendpolitik, den Bildungseinrichtungen und der Kinder- und Jugendhilfe nicht halt. Mit diesem offenen Brief möchten wir auf die hieraus erwachsenen besonderen Herausforderungen hinweisen.

Das Eintreten für ein friedliches Europa, für die Universalität der Menschenrechte, das Selbstbestimmungsrecht von Ländern und den Schutz von jungen Menschen ist zwar gelebte Praxis; diese hat aber angesichts des Krieges in der Ukraine eine Dringlichkeit erfahren, die noch vor wenigen Wochen kaum vorstellbar war. Und diese Praxis aktualisiert sich nicht mehr aus der Position einer  Friedenssituation heraus, sondern agiert vor dem Hintergrund eines Bedrohungspotentials, das für die große Mehrzahl der jungen Menschen bislang völlig unbekannt war.

Denken sie jetzt daran, mit den Kindern und Jugendlichen gemeinsam Ängste und Erfahrungen
zu teilen. Helfen Sie, junge Menschen in der Ukraine zu unterstützen.

Quelle: Pressemitteilung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendpolitik vom 01.03.2022

 

Der Krieg gegen die Ukraine ist ein Angriff auf Menschen, Infrastruktur und Grenzen, aber auch auf die Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie. Im Angesicht des totalitären Machtsystems in Russland wird mit erschreckender Deutlichkeit klar, wie sehr Demokratien auf Menschen angewiesen sind, die Konflikte gewaltfrei lösen, Entscheidungen demokratisch treffen, Unrecht erkennen und benennen und sich entschlossen gegen Gewalt stellen. 

Die Fähigkeit zu demokratischem Handeln wird Menschen aber nicht in die Wiege gelegt. Auch dort nicht, wo Kinder in bestehende Demokratien hineingeboren werden. Wie lesen, schreiben und rechnen muss jeder Mensch lernen, für eigene Interessen einzustehen, sich in Andere hineinzuversetzen, Konflikte ohne Gewalt zu meistern, Begründungen zu erfragen und selbst zu geben, Regeln anzuerkennen sowie Grenzverletzungen bei sich und anderen zu erkennen und zu stoppen. 

„Kinder in der Ukraine, die direkt oder indirekt von den Kriegshandlungen betroffen sind, brauchen jetzt unmittelbar Sicherheit und Hilfsgüter sowie Bildungsangebote und psychosoziale Unterstützung. Kinder, die nach Deutschland flüchten, brauchen so schnell wie möglich eine Unterkunft, Anschluss an Kita und Schule und besondere Unterstützung, vor allem wenn sie von Elternteilen getrennt wurden oder traumatisierende Erfahrungen gemacht haben. Aber auch für Kinder in Deutschland bleibt nichts, wie es war. Gerade jetzt wird uns erneut vor Augen geführt, wie wichtig Kinderrechte und Demokratiebildung von Anfang an sind“, sagt Sabine Walper, Präsidentin der Deutschen Liga für das Kind.

Es kommt es jetzt darauf an, dass 

  • Eltern, Pädagog:innen und andere Erwachsene mit Kindern kindgerecht über Krieg und Konflikte sprechen und ihre Fragen und Sorgen ernst nehmen
  • Emotionen wie Angst, Wut oder Trauer in Gesprächen sprachlich zum Ausdruck gebracht und nicht bagatellisiert werden 
  • Kinder altersgerecht Zugang zu Informationen über den Krieg haben und bei der Auswahl von Medien auf eine kindgerechte Bildsprache geachtet wird 
  • in Kitas und Schulen bei aufkommenden Vorurteilen, Ausgrenzungen, Feindseligkeiten oder Übergriffen unter Kindern sofort interveniert wird, besonders wenn es rassistische, nationale oder religiöse Bezüge gibt 
  • Kinder bei Konflikten angemessen begleitet werden. 

Menschenrechte und Demokratie erlernen Menschen im günstigen Fall von klein auf. Die Kompetenz von Kindern zur Mitbestimmung und Verantwortungsübernahme hängt davon ab, wie viel Selbstbestimmung und Beteiligung sie selbst erfahren. Kinder brauchen Erwachsene, die ihnen zuhören, ihre Sichtweise ernst nehmen und ihnen Mitwirkung ermöglichen. Und Kinder brauchen von Anfang an erwachsene Vorbilder, die durch ihr alltägliches Handeln Orientierung geben, sich gegen jede Form von Gewalt und Diskriminierung wenden und deutlich machen, wo Recht endet und wo Unrecht beginnt. Wie unverzichtbar diese Eigenschaften für eine lebendige demokratische Gesellschaft sind, zeigt sich ganz besonders in diesen Krisenzeiten. 

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Liga für das Kind vom 07.03.2022

Anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März 2022 sprechen 41 Frauen- und weitere Nichtregierungsorganisationen in Deutschland allen Menschen in der Ukraine ihre volle Solidarität aus und fordern das sofortige Einstellen der Kriegshandlungen seitens der russischen Regierung.

Da der Arbeitsschwerpunkt vieler der mitzeichnenden Organisationen auf dem Thema geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Mädchen liegt, möchten wir unsere besondere Aufmerksamkeit auf die Situation von Frauen und Mädchen in der Ukraine richten. Krieg und damit einhergehend Vertreibung und Flucht bedeuten für Frauen und Mädchen immer die Bedrohung durch sexualisierte Gewalt, die weltweit ein Phänomen aller bewaffneten Konflikte ist. Krieg bedeutet für viele Frauen und Mädchen auch den Anstieg von häuslicher Gewalt, Traumatisierungen und ein mögliches Ausgeliefert-Sein in neue Gewaltstrukturen. Leider wird sexualisierte Kriegsgewalt oft verharmlost oder verschwiegen. Eine Studie von Amnesty International stellte bereits 2020 fest, dass das Ausmaß der geschlechtsspezifischen Gewalt in den konfliktbetroffenen Regionen Donetsk und Luhansk durch den Konflikt deutlich zugenommen hat.

Wir fordern die politisch Verantwortlichen in Deutschland und der EU auf, die Arbeit der Frauenrechtsorganisationen und Schutzeinrichtungen für alle gewaltbetroffenen Frauen und ihre Kinder in der Ukraine finanziell zu unterstützen und auszuweiten. Daneben müssen alle vor dem Krieg flüchtenden Menschen unabhängig von Aufenthaltsstatus, Herkunft, Geschlecht oder Religion, die in Europa und Deutschland Zuflucht suchen, unkompliziert Aufnahme finden. Erst nach der Ankunft in Deutschland trauen sich viele Frauen über die erlebte Gewalt zu berichten. An der Stelle sind kostenlose, flächendeckende Angebote zu psychologischer Beratung notwendig. Zudem ist enorm wichtig, dass in den Hilfs,- Beratungs,- und Unterstützungsstrukturen mehrsprachiges, kultursensibles und gut geschultes Fachpersonal vertreten ist.

Krieg ist der Ausdruck patriarchaler Machtstrukturen. Wir fordern eine feministische Politik, die diese Machtstrukturen in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik unterbindet und eine Abkehr von der Fokussierung auf militärische Gewalt, Dominanz und Unterdrückung möglich macht. Wir fordern eine Politik, die auf langfristigen Frieden und Deeskalation in Europa abzielt.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Frauenrat vom 07.03.2022

Die Mitglieder des Deutschen Familienverbandes (DFV) zeigen sich zutiefst erschüttert über den völkerrechtswidrigen Angriff der Russischen Föderation mit belarussischer Unterstützung auf die Ukraine.

„Wir erleben eine epochale Zeitenwende. Unsere freiheitlichen, rechtstaatlichen und demokratischen Werte werden rücksichtlos von autoritären Regimen angegriffen. Der russische Angriff ist ein feiges Verbrechen, er bringt nichts anderes als Leid und Verderben über Familien in der Ukraine. Macht darf niemals über das Recht erhaben sein“, sagt Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes. „Gleichzeitig sind wir in Gedanken bei den russischen Müttern und Vätern, die ihre wehrpflichtigen Söhne in einem sinnlosen Angriffskrieg beweinen müssen. Keine Familie wird aus diesem Krieg als Sieger hervorgehen. Krieg bringt immer den Tod mit sich.“

Über mehrere DFV-Migrationsprojekte bestehen weitreichende Kontakte zu Familien im Kriegsgebiet, zu Flüchtlingen und zu ukrainischen Gemeinschaften in Deutschland. Wir bündeln derzeit unsere Verbandsaktivitäten und werden ankommenden Eltern und ihren Kindern aus der Ukraine mit dem Nötigsten ausstatten: Lebensmittel, Spielzeug, Kleidung und Baby- sowie Kleinkindbedarf.

„Im Deutschen Familienverband sind wir in Vielfalt der Familie verpflichtet. DFV-Mitglieder mit ukrainischem oder russischem Migrationshintergrund bringen sich derzeit ebenso für flüchtende Familien ein, wie jene aus Deutschland, Polen, Österreich, Venezuela oder Nicaragua. Wir setzen gerade im Deutschen Familienverband alles daran, die Not der ankommenden ukrainischen Familien zu lindern. Unser gesamtes Verbandsengagement ist derzeit darauf ausgerichtet. Es ist unsere Pflicht zu helfen“, so Zeh.

Spendenhinweis:

Geldspenden werden durch die Bundesgeschäftsstelle sofort und direkt an unsere DFV-Ukraine-Hilfe in Magdeburg weitergeleitet. Dort wird die Familienunterstützung des Deutschen Familienverbandes koordiniert.

Selbstverständlich erhalten Sie eine Spendenquittung, die Sie beim Finanzamt gelten machen können.

Kontoverbindung für Spende:

IBAN DE30 4306 0967 1117 6562 00
Deutscher Familienverband e.V.
Betreff „Ukraine-Hilfe“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 28.02.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert in der Debatte über die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine in Deutschland ein besonderes Augenmerk auf die Situation der geflüchteten Kinder und Jugendlichen. „Seit Ausbruch des Krieges sind es vor allem Frauen und Kinder, die sich auf der Flucht befinden. Bereits jetzt sind viele Geflüchtete in Deutschland eingetroffen, viele weitere werden sich noch auf den Weg machen. Diese müssen wir mit offenen Armen empfangen. Bei den geflüchteten Kindern handelt es sich um eine besonders vulnerable Gruppe, auf die ein besonderes Augenmerk gelegt werden muss. Das gilt insbesondere für unbegleitete minderjährige Geflüchtete“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Das Deutsche Kinderhilfswerk freut sich über die sehr große Hilfsbereitschaft, die sich in den letzten Tagen auf eindrucksvolle Weise gezeigt hat. Die Aufnahme von geflüchteten Kindern ist eine humanitäre Verpflichtung unserer Gesellschaft. Für ihre Aufnahme und Integration gelten die Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention, der Europäischen Grundrechtecharta und des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Diese normieren eindeutig die Vorrangstellung des Kindeswohls bei allen Entscheidungen von Staat und Gesellschaft sowie das Recht der Kinder auf Förderung, Schutz und Beteiligung. An diesen Eckpunkten muss sich eine staatliche Gesamtstrategie ausrichten“, so Krüger weiter.

Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes ist es notwendig, dass neben ukrainischen Staatsangehörigen auch Kinder und Jugendliche aus Drittstaaten, deren Eltern beispielsweise in der Ukraine studiert oder gearbeitet haben und dort keinen langfristen Aufenthalt hatten, Aufnahme in Deutschland finden müssen. Eine Ungleichbehandlung ist mit den Vorgaben der UN-Kinderrechte unvereinbar.

Zur Aufnahme und Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen sollten sich Bundesregierung und Bundesländer baldmöglichst auf folgende Punkte verständigen und dementsprechende Maßnahmen auch finanziell in einer Gesamtstrategie absichern:

  • Geflüchtete Kinder sind in erster Linie Kinder Sie müssen Anspruch auf Leistungen der bestehenden Sozialsysteme haben wie andere Kinder in Deutschland auch und dürfen nicht auf die Inanspruchnahme der unzureichenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angewiesen sein.
  • Geflüchtete Kinder brauchen einen schnellen Zugang zu psychosozialen Hilfen Erfahrungen von Flucht und Gewalt oder die Trennung von Familienangehörigen sind für Kinder und Jugendliche besonders belastend. Deshalb braucht es schnellstmöglich niedrigschwellige, kinder- und jugendspezifische psychosoziale Unterstützungsangebote für die geflüchteten jungen Menschen.
  • Geflüchtete Kinder brauchen einen vollständigen Zugang zu ärztlicher Versorgung Dafür ist mit Hilfe einer regulären Versicherungskarte Zugang zur medizinischen Standardversorgung sicherzustellen. Außerdem ist eine gute Aufklärung der Eltern über die Sinnhaftigkeit von Impfungen wichtig, da so der Schutz von Kindern vor krankheitsbedingten Schäden verbessert werden kann.
  • Kinder gehören nicht in Gemeinschaftsunterkünfte Geflüchtete Kinder brauchen bedarfsgerechte dezentrale Wohnmöglichkeiten. Gemeinschaftsunterkünfte sind keine Orte für Kinder. Insbesondere die Struktur und Organisation der Unterkünfte, die beengten Wohnverhältnisse, das Fehlen von Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre, der Mangel an Anregung, die nachteiligen hygienischen Zustände und häufige Unruhe führen zu gesundheitsgefährdenden Faktoren, die zu chronischen Krankheiten und psychischen Dauerschäden führen können.
  • Solange Kinder in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, müssen Mindeststandards gegen sexuelle Gewalt vorhanden sein In Gemeinschaftsunterkünften sind geflüchtete Kinder besonders gefährdet, Opfer sexueller Gewalt zu werden. Deshalb braucht es Mindeststandards in diesen Unterkünften zum Schutz der Kinder. Schutzkonzepte müssen sowohl das Personal in den Gemeinschaftsunterkünften als auch Bewohnerinnen und Bewohner in den Blick nehmen, darüber hinaus aber auch Betreuende, die beispielsweise im schulischen Bereich unterstützen oder Freizeitaktivitäten anbieten.
  • Der Zugang zu Schulen und Ausbildungsstätten muss sichergestellt werden Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung und Ausbildung – ganz gleich, wo es lebt und welchen Aufenthaltsstatus es hat. Dies wird am besten durch eine umfassende Schulpflicht sichergestellt. Schulen, Sprachlerneinrichtungen und Vorbereitungskurse müssen für Kinder aber auch tatsächlich zugänglich sein, sie müssen also örtlich erreichbar sein und die Ausstattung mit den dementsprechenden Ressourcen für Transportmittel und Lehrmittel muss erfolgen.
  • Geflüchtete Kinder, die noch nicht schulpflichtig sind, sollten die Möglichkeit zum Besuch einer Kindertageseinrichtung haben Nie wieder lernen Menschen so viel und mit so großem Spaß wie in den ersten Lebensjahren. Dabei kann eine gute Bildung schon für kleine Kinder die Chancengleichheit in unserer Gesellschaft befördern und herkunftsbedingte sowie soziale Unterschiede am besten ausgleichen. Zur Integration von geflüchteten Kindern in den Kita-Alltag braucht es Erzieherinnen und Erzieher, die interkulturelle Kompetenzen und Diagnosefähigkeiten haben, um die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Kinder zu erkennen und zu fördern.
  • Zugang zum Recht für geflüchtete Kinder Der Zugang zum Recht ist die Voraussetzung und Grundlage für die Umsetzung aller anderen Kinderrechte. Daher brauchen geflüchtete Kinder einen effektiven und unmittelbaren Zugang zum Recht. Dazu müssen sie kindgerechte Informationen über ihre Versorgung, ihren Verbleib und dass sie jeweilig betreffende Verfahren erhalten und kindgerecht begleitet werden. Dies gilt für unbegleitete Minderjährige und begleitete Kinder gleichermaßen.
  • Zugang zu Informationen und Beteiligung geflüchteter Kinder Zudem sind geflüchtete Kinder in für sie verständlicher Sprache zu informieren und zu beteiligen, dazu braucht es geschulte Fachkräfte sowie Sprachmittlerinnen und Sprachmittler. Daneben müssen niedrigschwellige Beschwerde- und Anlaufstellen eingerichtet werden, die den geflüchteten Kindern kindgerechte und kostenfreie Beratung von qualifizierten Expertinnen und Experten sowie Rechtsbeistand bieten.

Um Kindern und Familien zu helfen, die sich zwangsweise auf die Flucht nach Deutschland machen mussten, hat das Deutsche Kinderhilfswerk kurzfristig einen Hilfsfonds für geflüchtete Kinder und Jugendliche und ihre Familien aus der Ukraine aufgesetzt und mit 100.000 Euro ausgestattet. Hier geht es darum für junge Geflüchtete kindgerechte Freizeit- und Bildungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, die der Integration sowie körperlichen und seelischen Gesundheit dienen. Über den Kindernothilfefonds des Deutschen Kinderhilfswerkes ist eine schnelle und unbürokratische Hilfe möglich, solange staatliche Hilfen noch nicht wirksam werden. Darüber werden Versorgung, Ausstattung, psychologische Betreuung, Übersetzung, medizinische Versorgung oder eine Schulausstattung finanziert. Das Deutsche Kinderhilfswerk hat dafür zunächst 200.000 Euro bereitgestellt.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 04.03.2022

SCHWERPUNKT II: Kindersofortzuschlag

Das Bundeskabinett hat heute den gemeinsam vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgelegten Entwurf eines Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetzes beschlossen.

Bundesministerin Anne Spiegel: „Mit dem Sofortzuschlag gehen wir einen ersten wichtigen Schritt hin zu einem echten Paradigmenwechsel im Kampf gegen Kinderarmut. Ab dem 1. Juli bekommen rund 2,9 Millionen von Armut betroffene Kinder in Deutschland 20 Euro zusätzlich im Monat. Damit helfen wir den Kindern und Familien, die unsere Hilfe besonders brauchen und die es gerade in der Pandemie besonders schwer hatten. Kinder aus der Armut zu holen heißt, ihnen bessere Startchancen zu geben, Teilhabe zu ermöglichen und soziale Ausgrenzung zu beenden. Es ist unerträglich, dass in einem reichen Land wie Deutschland so viele Kinder mit so wenig auskommen müssen und viele die ihnen zustehende Unterstützung gar nicht bekommen. Das gehen wir mit dem Sofortzuschlag nun entschieden an. Der Sofortzuschlag wird ohne weiteren Antrag unbürokratisch ausgezahlt, und es gibt ihn lückenlos bis zur Einführung der Kindergrundsicherung.“

Bundesminister Hubertus Heil:„Diese Koalition hat es sich zum Ziel gemacht, bedürftigen Familien und Kindern stärker zur Seite zu stehen. In einem ersten Schritt haben Familienministerin Anne Spiegel und ich deshalb heute den Kindersofortzuschlag von 20 Euro pro Monat auf den Weg gebracht. Der Kindersofortzuschlag wird ab dem 1. Juli ausbezahlt bis die neue Kindergrundsicherung startet. Mir ist wichtig, dass dieses Geld schnell und unbürokratisch bei den Kindern ankommt. Ebenfalls im Juli wird der einmalige Zuschuss von 100 Euro an Menschen ausbezahlt, die Leistungen der sozialen Sicherungssysteme bekommen. Denn wer mit wenig Geld auskommen muss, den belasten die steigenden Preise besonders stark. Klar ist, der Sozialstaat steht den Menschen in schwierigen Zeiten weiter zur Seite.“

Ab Juli 20 Euro mehr im Monat für armutsgefährdete Kinder

Die Unterstützung hilfebedürftiger Familien und die Verbesserung der Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen ist ein zentrales Anliegen der Bundesregierung. Den Kindersofortzuschlag in Höhe von 20 Euro monatlich erhalten ab dem 1. Juli 2022 alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Haushalt der Eltern, die Anspruch auf Leistungen gemäß SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), Kinderzuschlag oder auf Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) haben.

Einmalzahlung für höhere Lebenshaltungskosten

Erwachsene Leistungsberechtigte, die Leistungen nach SGB II, SGB XII, AsylbLG oder Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BVG erhalten, werden zudem durch eine Einmalzahlung in Höhe von 100 Euro unterstützt. Diese dient dem Ausgleich von erhöhten Lebenshaltungskosten und von pandemiebedingten Ausgaben. Der Zuschuss soll im Juli 2022 ausgezahlt werden.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 16.03.2022

„Nachdem wochenlang über die Ausgestaltung gemutmaßt wurde, hat der Koalitionsausschuss nun endlich über einen Sofortzuschlag für Kinder in einkommensschwachen Familien beraten. Das Ergebnis ist aber weder in der Höhe noch im Hinblick auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens akzeptabel“, erklärt Heidi Reichinnek, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, zur Einigung der Koalition auf einen Sofortzuschlag für Kinder in einkommensschwachen Familien in Höhe von 20 Euro. Reichinnek weiter:

„In den vergangenen Wochen haben Sozialverbände der Bundesregierung vorgerechnet, wie hoch ein Sofortzuschlag sein müsste, wenn er die tatsächlichen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen berücksichtigte. Zukunftsforum Familie, Diakonie und andere kamen auf einen monatlichen Fehlbetrag von 78 Euro, den sie als absolutes Minimum für den angekündigten Zuschlag bezeichneten. Völlig ohne Faktenbasis haben sich SPD, Grüne und FDP nun auf 20 Euro geeinigt, also rund ein Viertel dessen, was von den Verbänden als unterste Grenze gesehen wird.

Die inzwischen zwei Jahre andauernden Mehrbelastungen durch die Pandemiefolgen, explodierende Energiepreise, eine Inflation von über fünf Prozent – all das soll mit einem Betrag beglichen werden, der sich als Geste in etwa auf dem Niveau des Beifalls für die Pflegekräfte während der Pandemie bewegt. ‚Respekt für dich‘, wie es die SPD im Wahlkampf das Land hoch und runter plakatiert hat, war also wirklich nur als Floskel gemeint, die sich zumindest in den Geldbeuteln ärmerer Familien nicht niederschlagen wird.

Ausgezahlt werden soll der Sofortzuschlag für Kinder in einkommensschwachen Familien ab Juli – also erst in fünf Monaten. Diese Verzögerung ist keineswegs notwendig, um bürokratische Vorarbeit zu leisten, sondern eine weitere Stellschraube, um den Auszahlungsbetrag klein zu halten. Zum Vergleich: Die Abwrackprämie als Konjunkturhilfe für deutsche Autokonzerne wurde Mitte Januar 2009 im Kabinett beschlossen und trat zum 7. März in Kraft. Aber da ging es eben um die Rettung von Konzernen, nicht von Kindern.

Als LINKE fordern wir einen Sofortzuschlag von 100 Euro, der für Kinder aus einkommensschwachen Familien eine wirkliche Hilfe bis zur Einführung der Kindergrundsicherung darstellen würde. Darüber hinaus muss er wesentlich früher umgesetzt werden. Bürokratie darf hier nicht als Ausrede vorgeschoben werden. Familien und Kinder brauchen die Unterstützung jetzt!“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 24.02.2022

Weitere Maßnahmen sind notwendig, sagt Verbandspräsident Zeh.

Familien mit geringem Einkommen sollen ab Juli monatlich 20 Euro pro Kind erhalten. „Mit dem sogenannten Kinder-Sofortzuschlag gibt die Bundesregierung vor, zügig der Armut in Familien entgegenzutreten. Doch das reicht bei Weitem nicht aus. Es ist nicht einmal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein“, sagt Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes (DFV). „Der Sofortzuschlag ist nicht einmal ein Trostpflaster, er liegt sogar 60 Euro unter dem notwendigen Mindestbetrag.“

Den Deutschen Familienverband überzeugt der Sofortzuschlag in keinster Weise, weil Steuer-Ungerechtigkeiten sowie verfassungswidrige Abgaben bestehen bleiben und das Existenzminimum von Familien angreifen. „Es ist unabdingbar, Kinderarmut zu verhindern. Dafür müssen Familien insgesamt gestärkt werden. Auch Familien mit einem durchschnittlichen Einkommen müssen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, doch familienblinde Steuern und Abgaben verhindern das“, so Zeh.

Der Verbandspräsident weist darauf hin, dass Familien angesichts steigender Inflation, extrem gestiegener Energie- und Mobilitätskosten auch kurzfristig spürbare Entlastung benötigen. Relativ einfach umzusetzen sei die Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom, Gas, Benzin und Diesel auf sieben Prozent „Die Pandemie hat den Familien zugesetzt und jetzt kommt ein Krieg in Europa hinzu. Es ist höchste Zeit für eine vielseitige Unterstützung von Familien im Land sowie von ukrainischen Flüchtlingsfamilien“, sagt Zeh.

Weiterführende Information

Horizontaler Vergleich – Berechnung zur Steuer- und Abgabenlast bei Familien

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 15.03.2022

Die Höhe des Regelsatzes und das notwendige Existenzminimum entwickeln sich durch massive Preissteigerungen, Corona-Krise und Inflation immer weiter auseinander. Die Diakonie Deutschland begrüßt, dass die Regierungskoalition mit einem Sofortzuschlag kurzfristig für Ausgleich sorgen möchte bevor die Kindergrundsicherung eingeführt wird.

Allerdings bleibt die Höhe von monatlich 20 Euro für Kinder und einmalig 100 Euro für Erwachsene weit hinter dem Nötigen zurück. Der Betrag ist angesichts der bereits in den vergangenen Jahren versäumten angemessenen Steigerungen ein Tropfen auf den heißen Stein.

Stellungnahme der Diakonie Deutschland zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung eines Sofortzuschlages für Kinder und einer Einmalzahlung an erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme
(Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetz)

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 12.03.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert den gestern im Koalitionsausschuss beschlossenen Sofortzuschlag für arme Kinder als zu niedrig. „Dieser Sofortzuschlag hält nicht was er verspricht. Wir sind sehr enttäuscht vom Ergebnis des Koalitionsausschusses. 20 Euro mehr für arme Kinder und Jugendliche, und das erst ab 1. Juli, ist schlichtweg zu wenig. Mit so einem mageren Ergebnis wird nicht einmal ein Inflationsausgleich geschafft, geschweige denn ein wirkungsvoller Schritt zur Beseitigung der Kinderarmut in Deutschland unternommen. Wenn der Bundesfinanzminister jetzt von einem Entlastungspaket in Höhe von mehr als 13 Milliarden Euro spricht, und für arme Kinder und Jugendliche mit dem Sofortzuschlag auf dieses Jahr gerechnet nur knapp 33 Cent am Tag dabei rausspringen, zeigt das das Missverhältnis dieses Pakets sehr deutlich“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Schon der vor einigen Wochen in der Diskussion befindliche Betrag von 25 Euro monatlich würde den tatsächlichen Bedarf von armen Kindern und Jugendlichen für eine sozio-kulturelle Teilhabe nicht abdecken. Der jetzt aufs Jahr 2022 gerechnete Betrag von 10 Euro monatlich zeigt mehr als deutlich, dass an dieser Stelle mal wieder Politik nach Kassenlage gemacht wird. Insbesondere vor dem Hintergrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten von Familien und der viel zu geringen Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze zu Beginn dieses Jahres ist aber eine echte Besserstellung nötig“, so Krüger weiter.

Das Deutsche Kinderhilfswerk appelliert zudem an die Bundesregierung, mit höchster Priorität eine interministerielle Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland auf den Weg zu bringen. „Eine solche Gesamtstrategie muss neben monetären Leistungen auch ein starkes Augenmerk auf infrastrukturelle Bedingungen zur Unterstützung von Familien und ihren Kindern legen. Hier gilt es an vielen Stellen dicke Bretter zu bohren. Kinderarmut kann nur effizient und nachhaltig bekämpft werden, wenn alle Maßnahmen zu diesem Zweck in einem Gesamtkonzept verknüpft und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sind ebenso zu berücksichtigen, wie Familien- und Bildungspolitik, Gesundheits- und Sozialpolitik sowie Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaupolitik. Kinder dürfen in Deutschland kein Armutsrisiko sein“, so Thomas Krüger.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 24.02.2022

SCHWERPUNKT III: Equal Pay Day

Der Equal Pay Day fällt in diesem Jahr auf den 7. März. Vor einem Jahr war er drei Tage später. Der Tag markiert den Zeitraum, den es braucht, bis Frauen das Gleiche verdient haben wie Männer bis zum 31. Dezember des Vorjahres.

„Die Richtung stimmt, das Tempo nicht. Wir müssen noch viel bewegen. Für die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag ist klar: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit muss Realität werden. Um das zu erreichen, haben wir uns viel vorgenommen:

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat dafür gesorgt, dass der gesetzliche Mindestlohn schon im Oktober dieses Jahres auf 12 Euro erhöht wird. Davon wird rund ein Drittel aller Arbeitnehmerinnen profitieren.

Wir werden die Tarifbindung stärken und damit auch für mehr Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern sorgen. Der Bund wird öffentliche Aufträge künftig nur an Firmen vergeben, die nach Tarif zahlen. Wenn Betriebe einzig zum Zweck der Tarifflucht ausgegliedert werden, wird künftig der bisher geltende Tarifvertrag fortgelten.

Nur wenn Entgeltdiskriminierung aufgedeckt wird, kann sie auch beseitigt werden. Mit der Einführung des Entgelttransparenzgesetzes im Jahr 2017 haben wir dafür gesorgt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten das eigene Gehalt mit dem Gehalt von Kolleginnen und Kollegen vergleichen lassen können. Wir werden das Gesetz um die sogenannte Prozessstandschaft erweitern. Damit müssen Beschäftigte ihr Recht auf Lohngleichheit künftig nicht mehr selbst geltend machen, sondern können auf die Unterstützung von Gewerkschaften und Verbänden zurückgreifen. Zudem werden wir die Vereinbarkeit von Familienarbeit und Beruf weiter stärken: Wir werden dafür sorgen, dass die Brückenteilzeit künftig von mehr Beschäftigten in Anspruch genommen werden kann.

Die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern ist eine Frage der Gerechtigkeit. Hierfür werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns weiter mit aller Entschiedenheit einsetzen.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 04.03.2022

Zum Equal Pay Day am 7. März erklären Beate Müller-Gemmeke, Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, und Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik:

 

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, von dieser Selbstverständlichkeit sind wir leider immer noch weit entfernt. Selbst bei gleicher Qualifikation ist der Entgeltunterschied immer noch erheblich. Ein klarer Hinweis auf die versteckte Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt. Das muss und das wird sich ändern. Wir setzen uns für Gleichheit beim Lohn ein, denn Frauen verdienen einfach mehr.

Wir wollen die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließen. Deshalb werden wir das Entgelttransparenzgesetz weiterentwickeln und die Durchsetzung stärken, indem wir es Beschäftigten ermöglichen, ihre individuellen Rechte durch Verbände im Wege einer Prozessstandschaft geltend machen zu können. So lassen wir Frauen nicht mehr allein, wenn sie ihre Rechte durchsetzen wollen. Wir machen bei der Entgeltgleichheit ernst. Denn es muss Schluss sein mit der Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 06.03.2022

Zum Equal Pay Day erklärt die Sprecherin für Frauenpolitik und Diversity der FDP-Fraktion Nicole Bauer:

„Auch im Jahr 2022 ist die ökonomische und finanzielle Unabhängigkeit von Frauen hierzulande keine Selbstverständlichkeit. Der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern ist teilweise erheblich. Das hat Folgen: Alleinerziehende Mütter und Rentnerinnen haben eines der höchsten Armutsrisiken in Deutschland. Es ist daher richtig, dass die Ampel-Regierung vereinbart hat, nun endlich die Voraussetzungen für den Abbau dieser gesellschaftlichen Benachteiligungen zu schaffen. Denn Freiheit bedeutet auch, finanziell auf eigenen Füßen stehen zu können. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag verabredet, mit der Abschaffung der Steuerklassen III und V zu mehr Fairness beizutragen. Mit der Einführung des Partnerschutzes sowie der Anhebung der Partnermonate beim Elterngeld ermöglichen wir es Eltern, gemeinsam Verantwortung in der Familie und im Beruf zu übernehmen. Und schließlich wird die Kinderbetreuung in Kita und Ganztagsbereich bedarfsorientiert ausgebaut. So tragen wir wesentlich zu einem finanziellen Level-Playing-Field zwischen den Geschlechtern und echter Wahlfreiheit bei.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 06.03.2022

„Im Jahr 2020 haben Frauen durchschnittlich 4,16 Euro brutto weniger verdient als Männer. Eine Lohnlücke von 18 Prozent – bedingt vor allem durch die schlechte Bezahlung sogenannter ‚Frauenberufe‘. Aber auch im exakt gleichen Job verdienen Frauen noch 6 Prozent weniger – diese Unterschiede sind durch nichts zu rechtfertigen. Wer die Situation ändern will, muss sich an eigene Wahlversprechen erinnern – auch wenn das für die Regierungsparteien schmerzhaft ist“, erklärt Heidi Reichinnek, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, am heutigen „Equal Pay Day“ mit Blick auf die nach wie vor bestehende Einkommenslücke zwischen Frauen und Männern. Reichinnek weiter:

„Insbesondere im Zuge der Corona-Pandemie wurde die Notwendigkeit sogenannter klassischer Frauenberufe entdeckt – ob in der Pflege, der Kinderbetreuung oder an der Supermarktkasse. Diese sind in der Regel schlecht bezahlt. Frauen müssen zudem oft unbezahlte Carearbeit leisten, und zwei Drittel aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor, auf den wir laut SPD ‚stolz‘ sein sollen, sind Frauen. Selbst bei gleicher Arbeitszeit in der gleichen Position in der gleichen Branche herrscht eine Lohnlücke von sechs Prozent – und diese ist durch nichts zu erklären. Reelle Veränderung lässt noch immer auf sich warten. Selbst nach der für November geplanten Erhöhung wird der Mindestlohn weiterhin in Altersarmut führen, wie die Bundesregierung selbst zugibt. Altersarmut ist ein wachsendes Problem, das Frauen nochmal härter trifft als Männer. Auch deswegen muss es aufrütteln, dass der Anteil erwerbstätiger Frauen im Rentenalter zwischen 2009 und 2019 um 46 Prozent anstieg – ein katastrophaler Trend.

Privatisierungen im Gesundheits- sowie im Sorgearbeitssektor müssen gestoppt werden, auch wenn Finanz- und Gesundheitsminister solche Vorhaben in der Vergangenheit unterstützt haben. DIE LINKE unterstützt die entsprechenden Tarifkämpfe der Gewerkschaften, denn wer sich im Kampf um ein Leben ohne Existenzangst auf die Bundesregierung verlässt, ist jetzt schon verloren. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass der Equal Pay Day bald schon am 1. Januar stattfindet!”

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 07.03.2022

Bildungsgewerkschaft legt zum Equal Pay Day Studie zur Arbeitsbelastung der Lehrkräfte vor

Mit Blick auf mehrere wichtige Landtagswahlen mahnt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die gleiche Bezahlung aller Lehrkräfte für gleichwertige Arbeit an. Die Bildungsgewerkschaft untermauerte ihre Forderung mit neuen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen: „Grundschullehrkräfte leisten genauso viel wie andere Lehrkräfte. Es gibt keine Basis für ihre schlechtere Bezahlung, die immer noch in acht Bundesländern Praxis ist“, sagte Frauke Gützkow, GEW-Vorstandsmitglied für Frauenpolitik, mit Blick auf den Equal Pay Day (EPD) am Montag. Sie machte sich dafür stark, alle voll ausgebildeten verbeamteten Lehrkräfte nach der Besoldungsgruppe A13 und alle angestellten nach der Entgeltgruppe E13 zu bezahlen – unabhängig von der Schulform, an der sie arbeiten. „Die schlechtere Bezahlung trifft insbesondere Frauen. An Grundschulen sind neun von zehn Lehrkräften Frauen“, betonte Gützkow. „Doch auch an Sekundarschulen werden Lehrkräfte in zu vielen Ländern noch nach A12/E11 bezahlt. Auch an diesen Schulformen arbeiten mehr Frauen als Männer.“

„Im schulischen Alltag bewältigen Grundschullehrkräfte auffallend hohe Anforderungen und Belastungen, vor allem mit Blick auf ihr Wissen und Können sowie auf psychosoziale Herausforderungen. Die Arbeit der Lehrkräfte an Grundschulen wird oft unterbrochen, deshalb müssen sie hoch konzentriert arbeiten“, stellte Gützkow die Ergebnisse einer repräsentativen arbeitswissenschaftlichen Studie zur Vergleichbarkeit der Arbeitsplätze an allgemeinbildenden Schulen vor. Sie arbeiteten häufig in Teams, benötigten stets viel Einfühlungsvermögen und bewältigten in erheblichem Maße belastende psychosoziale Anforderungen. Ebenfalls stark belastet seien die Lehrkräfte an Schulen, die alle allgemeinbildenden Schulabschlüsse vergeben. „Außer hohen psychosozialen Belastungen fallen bei ihnen vor allem die Anforderungen an ihre Verantwortung für die Jugendlichen an der Schwelle zu Ausbildung und Beruf ins Gewicht“, erklärte das GEW-Vorstandsmitglied.

Mit ihrem Engagement für eine bessere Bezahlung der Grundschullehrkräfte sowie der Lehrerinnen und Lehrer in der Sekundarstufe I habe die GEW, so Gützkow, in den vergangenen Jahren viel erreicht. „In der Hälfte der Bundesländer ist die Gleichstellung der Grundschullehrkräfte umgesetzt“, betonte sie. „Ohne den Druck der GEW und ihrer Mitglieder wäre das nicht möglich gewesen.“ Zu den Bundesländern, die hinterherhinken, gehöre Nordrhein-Westfalen (NRW). In dem Bundesland arbeiteten fast 20 Prozent aller in Deutschland beschäftigten Lehrkräfte. Mit Blick auf die Landtagswahlen im Mai kündigte die Gewerkschafterin einen heißen Wahlkampf an: „Die Politik muss sich an die Landesverfassung halten und endlich das Besoldungsrecht der Beamtinnen und Beamten ändern.“ Gützkow erinnerte daran, dass ein juristisches Gutachten bereits vor Jahren für NRW zu dem Schluss kam: „Die unterschiedliche Eingruppierung verschiedener Lehrkräftegruppen ist aus verfassungs- und beamtenrechtlicher Perspektive nicht in Ordnung.“ In Niedersachsen werde im September gewählt. „Auch hier werden wir die überfällige Gleichbehandlung an Grund- und Sekundarschulen mit den anderen Schulformen aufs Tapet heben“, kündigte das GEW-Vorstandsmitglied an.

Info: Index für gleichwertige Arbeit: Zum EPD veröffentlichte die GEW eine arbeitswissenschaftliche Studie zur Vergleichbarkeit der Arbeitsplätze an allgemeinbildenden Schulen. In der Untersuchung und mithilfe eines anerkannten Verfahrens zur Gleichwertigkeit von Tätigkeiten gaben rund 15.000 Lehrkräfte aus allen Bundesländern (ohne Mecklenburg-Vorpommern) Antworten auf Fragen zu ihren Arbeitszeiten, Anforderungen und Belastungen. Das Institut für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung (INES) mit Sitz in Berlin hat diese repräsentative Lehrkräftebefragung 2021 unter GEW-Mitgliedern durchgeführt.

Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit: Für Grundschullehrkräfte gilt die Bezahlung nach Besoldungsgruppe A13 (Beamtinnen und Beamte)/ Entgeltgruppe E13 (Angestellte) in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Sachsen und Thüringen. Niedersachen zahlt A12 plus Zulage für Lehrkräfte an Grundschulen und in der Sekundarstufe I. Für Lehrkräfte der Sekundarstufe I wird in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nach A13/E13 gezahlt. In Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland ist dies teilweise umgesetzt. In NRW wird nur nach A12/E11 gezahlt. Weitere Informationen: A13: Stand der Dinge.

Lohnlücke zwischen den Geschlechtern: Der EPD markiert den Tag, bis zu dem Frauen wegen der zu dem Einkommen der Männer klaffenden Lücke – dem sogenannten „Gender Pay Gap“ – rechnerisch unbezahlt gearbeitet haben. Ein leicht positiver Trend ist zu erkennen: Noch 2020 war der EPD am 14. März. Die statistische Lohnlücke verringerte sich seitdem von 20 auf 18 Prozent. Hier finden Sie weitere Informationen zum Equal Pay Day.

Quelle: Pressemitteilung Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom 06.03.2022

Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 % weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Im Vorjahr lag diese Differenz bei 4,16 Euro. Über die vergangenen 15 Jahre hinweg ging der geschlechterspezifische Verdienstabstand in Deutschland zurück: Im Jahr 2006 war er mit 23 % noch 5 Prozentpunkte größer als 2021.

In Ostdeutschland verdienten Frauen 6 % weniger pro Stunde als Männer 

In Ostdeutschland fiel der unbereinigte Gender Pay Gap mit 6 % (2020: 6 %) deutlich geringer aus als in Westdeutschland mit 19 % (2020: 20 %) und lag 2021 auf dem gleichen Niveau wie vor 15 Jahren (2006: 6 %). In Westdeutschland ist der Verdienstabstand in den vergangenen 15 Jahren deutlich kleiner geworden: Seit 2006 sank der unbereinigte Gender Pay Gap hier um 5 Prozentpunkte von 24 % auf 19 % im Jahr 2021.

Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien wie Männer verdienten im Schnitt 6 % weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen 

Die Ursachen des Verdienstunterschieds zwischen Frauen und Männern können aktuell nur alle vier Jahre auf Basis der Verdienststrukturerhebung analysiert werden. Die jüngsten Zahlen hierzu liegen aus dem Jahr 2018 vor. Ausgehend vom unbereinigten Gender Pay Gap (2018: 20 %) lassen sich 71 % des Verdienstabstands durch die in der Analyse berücksichtigten Faktoren erklären. Der Verdienstabstand ist demnach unter anderem darauf zurückzuführen, dass Frauen häufiger in Branchen und Berufen arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird und sie seltener Führungspositionen erreichen.

Die verbleibenden 29 % des Verdienstunterschieds entsprechen dem bereinigten Gender Pay Gap. Hier kann der Verdienstabstand nicht durch die einbezogenen Faktoren erklärt werden. Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt auch bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation im Jahr 2018 pro Stunde 6 % weniger als Männer. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Unterschiede geringer ausfallen würden, wenn weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analysen zur Verfügung stünden (zum Beispiel Angaben zu Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Schwangerschaft, Geburt von Kindern oder Pflege von Angehörigen). Der bereinigte Gender Pay Gap ist daher als Obergrenze für Verdienstdiskriminierung zu verstehen.

Methodische Hinweise:

Unbereinigter und bereinigter Gender Pay Gap:
Der Gender Pay Gap beschreibt die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und dem von Männern. Dieser Abstand (Englisch: „Gap“) wird als prozentualer Anteil des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes der Männer angegeben. Dabei sind zwei Indikatoren mit unterschiedlicher Intention verfügbar: Der unbereinigte Gender Pay Gap vergleicht allgemein den Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmer beziehungsweise Arbeitnehmerinnen miteinander. Somit wird auch der Teil des Verdienstunterschieds erfasst, der beispielsweise durch unterschiedliche Berufe oder Karrierestufen verursacht wird. Dagegen misst der bereinigte Gender Pay Gap den Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien. Strukturbedingte Faktoren sind hier also weitgehend herausgerechnet.

Berechnungsweise:

Allgemeine Hinweise zur Berechnungsweise des Gender Pay Gap sind in der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ zu finden, sowie weiterhin in den Artikeln „Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen nach Bundesländern“ und „Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen – eine Ursachenanalyse auf Grundlage der Verdienststrukturerhebung 2018“ in der Zeitschrift „WISTA – Wirtschaft und Statistik“ (Ausgaben 4/2018 und 4/2021).

Weitere Ergebnisse:

Weitere Ergebnisse zum unbereinigten Gender Pay Gap in Deutschland:
• Tabellen auf der Themenseite „Verdienste und Verdienstunterschiede
• Nach EU-Mitgliedstaaten in der Eurostat-Datenbank

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 07.03.2022

SCHWERPUNKT IV: Internationaler Frauentag

Am Internationalen Frauentag gilt unsere volle Solidarität den Frauen und Kindern, die auf der Flucht sind vor dem furchtbaren Angriffskrieg gegen die Ukraine. Sie gilt den Menschen, die in der Ukraine für Demokratie und Freiheit kämpfen – angesichts eines Krieges, der nicht ihrer ist. Grundvoraussetzung für die Demokratie und eine freie Gesellschaft bleibt die Gleichstellung.

„Der Internationale Frauentag ist ein wichtiger Tag für die Demokratie: Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist Fundament einer freien Gesellschaft. In diesen Tagen wird durch Putins brutalen Angriffskrieg die freie Gesellschaft in der Ukraine existenziell bedroht.

Gerade jetzt stehen wir in der Pflicht, die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern entschieden voranzubringen. In Deutschland und in Europa. Das heißt für die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag konkret: Wir werden den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 ‚Frauen, Frieden und Sicherheit‘ ambitioniert umsetzen und weiterentwickeln. Wir werden die Istanbul-Konvention als wichtigstes völkerrechtliches Instrument im Kampf gegen Gewalt an Frauen vollständig implementieren. Das Recht auf Schutz vor Gewalt für Frauen und ihre Kinder sichern wir ab. Dazu gehören ein bundeseinheitlicher Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern und die Stärkung der Gewaltprävention. Wir werden den frauenfeindlichen Paragraphen 219a aus dem Strafgesetzbuch streichen, damit Ärztinnen und Ärzte öffentlich und straffrei über Schwangerschaftsabbrüche informieren können. Wir werden alle Gender Gaps schließen. Das betrifft auch die Lohnlücke: Wir werden schon im Oktober dieses Jahres den Mindestlohn auf zwölf Euro erhöhen. Außerdem werden wir das Entgelttransparenzgesetz ausbauen.

Gerade jetzt gilt, dass wir unseren entschlossenen Kampf für die Demokratie und unsere Werte fortsetzen. Dazu gehört zentral die Gleichstellung der Geschlechter, die für eine freie und demokratische Gesellschaft existenziell ist.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 07.03.2022

Zum Internationalen Frauentag am 8. März erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik, und Denise Loop, Berichterstatterin für Frauenpolitik:

 

Jeder Frau muss das Recht auf Selbstbestimmung, ein Leben frei von Gewalt, gleiche Rechte im Arbeitsleben sowie bei der Verteilung von Macht und Verantwortung zustehen. Jeder Frau stehen der gleiche Lohn und faire Verteilung der Sorgearbeit in Familie und Gesellschaft zu. Dazu machen wir uns als Ampelkoalition stark und in der Frauenpolitik den Unterschied. Wir wollen endlich den feministischen Aufbruch, den dieses Land so dringend benötigt. In zehn Jahren wollen wir die Gleichstellung in Deutschland erreichen. Dabei gibt es noch sehr viel zu tun.

Wir setzen uns ein für mehr reproduktive Selbstbestimmung und verbessern Information und Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und Verhütung. Im Gewaltschutz werden wir endlich die notwendigen Schritte zur vorbehaltlosen Umsetzung der Istanbul-Konvention und einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung der Frauenhäuser einsetzen. Wesentliche Maßnahme ist nach wie vor, die Lohnlücke von 18 Prozent und den Gender Pay und den Gender Pension Gap zu schließen. Damit gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit selbstverständlich wird, werden wir die Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes, die Unterstützung bei Klageverfahren und den Mindestlohn von 12 Euro im Koalitionsvertrag umsetzen und damit die Einkommensgerechtigkeit für Frauen verbessern.

Der diesjährige Internationale Frauentag steht stark unter dem Eindruck des grausamen Krieges in der Ukraine und der Menschen, die nun auch in Deutschland Zuflucht, Schutz und Hilfe suchen. 90 Prozent der Flüchtenden sind Frauen und Kinder. An diesem Internationalen Frauentag sind grenzenlose Solidarität und jeder Einsatz dafür, ihnen das Ankommen in Deutschland so gut wie möglich zu erleichtern, besonders wichtig. Dieser Internationale Frauentag markiert auch, wie wichtig die Repräsentanz von Frauen in der Außenpolitik, der Entwicklungszusammenarbeit und bei allen Friedensverhandlungen ist.

Quelle: Pressemitteilung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag vom 07.03.2022

Belange von Frauen in den Fokus rücken

Zum Internationalen Frauentag am 8. März 2022 erklärt die Vorsitzende der Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mechthild Heil:

„In Kriegs- und Krisensituationen sind es die Frauen, die besonders bedroht und betroffen sind. Sei es durch die Mehrfachbelastung während der Corona-Pandemie durch Homeoffice, Homeschooling und Kinderbetreuung oder jetzt aktuell im Krieg in der Ukraine. In der Regel sind es Frauen, ohne die eine Bewältigung dieser Krisen nicht möglich wäre. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir die Frauen weltweit in den Fokus rücken und uns dafür einsetzen, dass Bedrohung und Benachteiligung von Frauen weltweit bekämpft werden.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 08.03.2022

Zum heutigen Weltfrauentag erklärt die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär: 

„Obwohl der Weltfrauentag seit über 100 Jahren gefeiert wird, ist er nach wie vor leider notwendig, um weltweit auf fehlende Gleichberechtigung von Mann und Frau hinzuweisen. Auch in Deutschland ist in Sachen Gleichberechtigung und Gleichstellung noch viel zu tun. Das beginnt bei physischer und verbaler Gewalt gegen Frauen und geht bis hin zu Gehaltsunterschieden, der ungleichen Verteilung von Care-Arbeit und darüber hinaus. Auch in der Politik sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert, auf Bundes- und mehr noch auf Kommunalebene. In einem Land, in dem die Gleichberechtigung der Geschlechter sogar verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist, dürfen wir das nicht einfach hinnehmen. Der Weltfrauentag ist deshalb ein wichtiger Reminder für die Politik sowie die Gesellschaft als Ganzes, sich nicht mit dem Status Quo zufriedenzugeben, sondern die Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen aktiv voranzutreiben.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 08.03.2022

Bildungsgewerkschaft zum Internationalen Frauentag – Warnstreiks angekündigt

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) macht sich mit Blick auf den Internationalen Frauentag am Dienstag dafür stark, die Sozial- und Erziehungsberufe (SuE) im öffentlichen Dienst aufzuwerten. „Im SuE-Bereich sind 83 Prozent der Beschäftigten Frauen, im Erzieherinnenberuf sogar 94 Prozent. Die aktuellen Tarifverhandlungen für die Sozial- und Erziehungsberufe in den Kommunen sollen deshalb auch einen weiteren Schritt zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben bringen“, sagte Frauke Gützkow, GEW-Vorstandsmitglied für Frauenpolitik, am Montag in Frankfurt a.M. „Die Arbeitgeber haben in der ersten Runde auf stur gestellt und in den Verhandlungen mit ver.di wichtige Kernforderungen der Gewerkschaften zurückgewiesen. Deshalb kündigen die Gewerkschaften für den Internationalen Frauentag erste Warnstreiks an.“

„Die Beschäftigten im SuE-Bereich sind verärgert, dass die Arbeitgeber bei vielen berechtigten Forderungen keinen Handlungsbedarf sehen. Unzureichende Arbeitsbedingungen und der gesellschaftlichen Aufgabe nicht angepasste Gehälter haben dazu geführt, dass es in diesen Berufen einen häufigen personellen Wechsel gibt und sich der Fachkräftemangel immer weiter zuspitzt. Schon heute fehlen an den Kitas des Landes Erzieherinnen und Erzieher im sechsstelligen Bereich“, betonte Gützkow. Um die SuE-Berufe wieder attraktiver zu gestalten, sei es dringend notwendig, dass sich Arbeitgeber und Gewerkschaften darauf verständigen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Beschäftigten zu entlasten. Die Probleme seien durch die Corona-Pandemie noch einmal verstärkt worden. „Wir brauchen beispielsweise Vereinbarungen, in denen die Vor- und Nachbereitungszeiten festgeschrieben werden“, unterstrich Gützkow. Sie wies darauf hin, dass für die Gewerkschaften der Dreiklang bessere Arbeitsbedingungen, finanzielle Anerkennung der Arbeit und Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel entscheidend sei.

Info: Am 8. März findet in jedem Jahr der Internationale Frauentag statt. 2022 lautet das Motto der DGB-Gewerkschaften „Wandel ist weiblich“.
Die Tarifverhandlungen für den kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst (SuE) haben am 25. Februar begonnen. Die zweite Runde ist auf den 21./22. März terminiert. Ver.di führt die Verhandlungen für die Gewerkschaften mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA).
Alle Infos zur SuE-Tarifrunde und der GEW-Kampagne „Wir sind die Profis“ finden Sie auf der GEW-Website: www.gew.de/wir-sind-die-profis

Quelle: Pressemitteilung Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)  vom 07.03.2022

Gleichstellung: Frauen haben in Bildung und Job aufgeholt, doch traditionelle Strukturen bremsen – in Corona Krise besonders stark

Bei Bildung, Erwerbstätigkeit, Einkommen und sozialer Absicherung im Alter haben Frauen in Deutschland während der vergangenen Jahre gegenüber Männern aufholen können. In einzelnen Bereichen, wie bei den Schulabschlüssen, stehen sie mittlerweile sogar etwas besser da. Dazu haben auch verbesserte gesellschaftliche Rahmenbedingungen beigetragen, beispielsweise der Ausbau öffentlicher Kinderbetreuung oder Geschlechterquoten. Doch auch wenn die Gleichstellung damit vielfach etwas vorangekommen ist, fällt die durchschnittliche berufliche, wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen weiterhin oft schlechter aus als die von Männern. Und einige Entwicklungen während der Corona-Pandemie sind zweischneidig oder in ihren Folgen noch nicht absehbar: So ist etwa der Rückstand von Frauen bei der Erwerbsbeteiligung im Jahr 2020 dadurch noch einmal etwas kleiner geworden, dass mehr Männer als Frauen aus der Erwerbstätigkeit ausschieden. Der Anteil der Paare, die sich die Betreuung ihrer Kinder zu gleichen Teilen aufteilen, schwankt im Verlauf der Pandemie und hat zuletzt sogar abgenommen. Wo es bei der Gleichstellung der Geschlechter Fortschritte gegeben hat und wo nicht, beleuchtet anhand von 28 Indikatoren und aktueller Daten ein neuer Report, den das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung heute vorlegt (siehe auch die tabellarische Übersicht in der pdf-Version dieser PM; detaillierte Grafiken in der Studie; Links unten).*

Die Auswertung im Vorfeld des internationalen Frauentags zeigt: Bei schulischer und beruflicher Qualifikation sowie bei der Beteiligung an Weiterbildung haben Frauen im Durchschnitt ein höheres Niveau als Männer erreicht. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen liegt aktuell (Ende 2020) aber noch um rund 7 Prozentpunkte niedriger – Anfang der 1990er Jahre war die Differenz indes noch fast dreimal so groß. Ein wesentlicher Grund für fortbestehende Unterschiede ist die ungleiche Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit, etwa bei familiärer Kinderbetreuung oder Pflege. Hier könnte es durch die Corona-Krise sogar zu Rückschritten gekommen sein: So übernahmen vor Beginn der Pandemie 62 Prozent der Mütter und 5 Prozent der Väter in Paarbeziehungen mit Kindern den überwiegenden Anteil der Betreuungszeit, ein Drittel der Paare teilte die Kinderbetreuung annähernd ausgeglichen auf. Im Frühjahr 2020, bei insbesondere unter männlichen Beschäftigten weit verbreiteter Kurzarbeit, stieg der Anteil der überwiegend betreuenden Männer zwischenzeitlich auf 13 Prozent an, sank aber schnell wieder. Nach den jüngsten verfügbaren Daten vom Juni 2021 ist die Arbeitsteilung noch ungleicher geworden als vor der Krise: Bei 71 Prozent der Familien übernahmen die Mütter überwiegend die Kinderbetreuung, bei 7 Prozent die Väter. Nur noch 22 Prozent der Paare teilten sich die Sorgearbeit annähernd gleich auf.

„Auch das ist erst einmal eine Momentaufnahme. Aber es besteht die Gefahr, dass die Pandemie Fortschritte in Frage stellt, die langsam über Jahre hinweg gemacht wurden“, sagt Dr. Yvonne Lott, Gleichstellungsforscherin am WSI und Mitautorin des Reports. „Umso wichtiger ist, dass Staat und Gesellschaft die Anreize für eine gleichberechtigte Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit verstärken. Dazu gehören unter anderem ein weiterer Ausbau der Kinderbetreuung, mehr Partnermonate bei der Elternzeit und eine Abkehr von der nach wie vor in vielen Unternehmen gepflegten Kultur überlanger Arbeitszeiten. Aber auch ein Ende für Regelungen, die vor allem Frauen am Rande des Arbeitsmarktes halten, insbesondere Minijobs und das überkommene Ehegattensplitting.“ Schnelle Fortschritte bei der Gleichstellung, betont die Wissenschaftlerin, seien auch ein wichtiger Beitrag, um den demografischen Wandel zu bewältigen.    

Gender Pay und Gender Pension Gap: Wie wird sich Corona auswirken?

Aktuell arbeiten Frauen viermal so häufig Teilzeit wie Männer (46 Prozent gegenüber 11 Prozent 2019), sehr oft, um Familie und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen. Von den Beschäftigten, die als einziges Arbeitsverhältnis nur einen Minijob haben, sind rund 60 Prozent weiblich. Dieses Ungleichgewicht trägt, unter anderem wegen geringerer Karrieremöglichkeiten, wesentlich dazu bei, dass der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen knapp 18,3 Prozent unter dem von Männern liegt. 2020, so der vorläufige Wert, verdienten Männer im Durchschnitt 22,78 Euro brutto pro Stunde, Frauen 18,62 Euro. Im gleichen Jahr verdienten 17,5 Prozent der weiblichen Beschäftigten mit Vollzeitstelle weniger als 2000 Euro brutto im Monat, bei den Männern waren es 9,1 Prozent.

Immerhin ist der Gender Pay Gap in den vergangenen Jahren langsam, aber kontinuierlich kleiner geworden. Eine der Ursachen dafür ist nach der WSI-Analyse der 2015 eingeführte Mindestlohn. Da Frauen deutlich häufiger als Männer von Niedriglöhnen betroffen sind, hat die Lohnuntergrenze ihre Bezahlung etwas stärker positiv beeinflusst, die von der Ampelkoalition geplante Erhöhung auf 12 Euro könnte einen weiteren spürbaren Impuls geben.

Relativ wenig getan hat sich dagegen bei der Verteilung von Führungsposten: Über die vergangenen Jahre weitgehend konstant sind 13 Prozent der männlichen Vollzeitbeschäftigten in leitender Stellung tätig, aber lediglich 10 Prozent der Frauen mit Vollzeittätigkeit. Unter Teilzeitbeschäftigten ist der Abstand noch größer (knapp 12 gegenüber knapp 6 Prozent) – wobei allerdings unter den Männern in Teilzeit auch die Quote der Un- und Angelernten höher ist. Eine weitere Rolle beim Verdienstrückstand von Frauen spielen sehr stabile geschlechtsspezifische Präferenzen bei der Berufswahl, verbunden damit, dass Berufe mit vielen weiblichen Beschäftigten, etwa im Pflege- und Gesundheitsbereich, in der Erziehung oder im Handel, oft schlechter bezahlt werden als handwerkliche und technische Berufe, in denen Männer dominieren. Neben einer finanziellen Aufwertung von systemrelevanten „typisch weiblichen“ Berufen plädieren Lott und ihre Co-Autorinnen und Autoren Svenja Pfahl, Dietmar Hobler und Eugen Unrau dafür, Kindern und Jugendlichen systematisch mehr Möglichkeiten zu schaffen, geschlechteruntypische Berufsfelder kennenzulernen, um Stereotype bei der Ausbildungs- und Berufswahl abzubauen.

Die geschlechtsspezifischen Schwerpunkte bei der Berufswahl drücken sich auch in den Arbeitsbelastungen aus, über die Frauen und Männer berichten. Beispielsweise arbeiteten 2021 jeder dritte männliche und gut jede vierte weibliche Vollzeitbeschäftigte körperlich schwer. Auch von Lärm am Arbeitsplatz waren Männer häufiger betroffen. Weibliche Beschäftigte müssen dagegen deutlich häufiger als männliche unter Zeitdruck arbeiten, oder sie haben Tätigkeiten, bei denen sie häufig unterbrochen werden.      

Noch deutlich gravierender als der Gender Pay Gap ist die Lücke bei der Absicherung im Alter: Nimmt man gesetzliche Rente, betriebliche und private Alterssicherung zusammen, beziehen Frauen durchschnittlich ein um 49 Prozent niedrigeres Alterseinkommen als Männer. Anfang der 1990er Jahre lag der Gender Pension Gap, auch wegen der viel niedrigeren Erwerbsquote, sogar bei 69 Prozent. „Diese Entwicklung zeigt beispielhaft: Der Rückstand der Frauen wird in wichtigen Bereichen kleiner. Aber Fortschritte bei der Gleichstellung vollziehen sich bislang meist sehr langsam“, sagt WSI-Forscherin Lott. Unklar ist zudem, ob die Corona-Pandemie den langfristig positiven Trend negativ beeinflussen wird. Verschiedene Studien, unter anderem aus dem WSI zeigen, dass Frauen in Zeiten von Lockdowns, Kitaschließungen, weit verbreiteter Quarantäne und Homeschooling deutlich häufiger ihre Erwerbsarbeit reduziert haben als Männer.

Zuwachs bei Ganztagsbetreuung zuletzt verlangsamt

Dabei ist der Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung eigentlich eine Erfolgsgeschichte und ein wichtiger Faktor für gleiche Erwerbschancen, so die Studie. Hatten 2007 erst 24,3 Prozent der 3- bis 6-Jährigen und 7,3 Prozent der Kinder unter 3 Jahren einen Platz in einer Ganztagsbetreuung, stiegen die Quoten bis 2020 auf 47,9 und 19,6 Prozent. Allerdings haben sich die Zuwächse zuletzt verlangsamt – und der Betreuungsbedarf von Eltern ist besonders für die Altersgruppe unter 3 Jahren noch weitaus höher.

Eher langsam hat zuletzt auch der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der 160 größten börsennotierten Unternehmen zugenommen. 2020 lag er bei 32 Prozent (das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnet mit rund 33 Prozent für 2021). Dabei fällt der Part der Frauen nach der WSI-Auswertung deutlich größer aus, wenn auch Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten im Kontrollgremium sitzen: Mit 35 Prozent war er 2020 in mitbestimmten Unternehmen 1,6 mal höher als in nicht mitbestimmten Firmen mit 22 Prozent. Ein Grund: 37 Prozent der Plätze auf der Beschäftigtenbank im Aufsichtsrat hatten Frauen inne, während es auf der Kapitalseite 29 Prozent waren. Zudem gilt in Unternehmen ohne Mitbestimmung auch keine Geschlechterquote für Aufsichtsräte und Vorstände – eine Beschränkung, die die Forschenden stark kritisieren und die dazu beiträgt, dass weibliche Vorstandsmitglieder in Unternehmen ohne Mitbestimmung eine besonders kleine Minderheit darstellen.  Besser sieht es nach der WSI-Analyse auf der zweiten Führungsebene aus, wo der Frauenanteil mit 40 Prozent nur wenig niedriger war als der Anteil an allen Beschäftigten (44 Prozent). Ganz ähnlich fällt die Relation von weiblichen Betriebsratsmitgliedern und Belegschaftsanteil aus.

Eine Ausweitung von Geschlechterquoten auf einen weit größeren Kreis von Unternehmen ist nach Analyse der Forschenden dringend notwendig. Um die Gleichstellung von Frauen und Männern auf breiter Linie wirksam zu fördern, empfehlen sie über die bereits genannten Ansätze hinaus:  

– Loslösen des Kurzarbeiter- und Arbeitslosengelds von der Steuerklasse III/V. Denn da beide Lohnersatzleistungen auf Basis der Nettolöhne berechnet werden, erhalten Personen (meist sind es verheiratete Frauen) in Steuerklasse V bei gleichem Bruttoentgelt aktuell deutlich geringere Leistungen als Personen in Klasse III.

– Reform des Ehegattensplittings (Abschaffung der Steuerklasse V).

– Weiterer Ausbau von verlässlichen, krisenfesten und qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungseinrichtungen, auch weil sich institutionelle Kinderbetreuung aktuell mehr als je zuvor als wichtiger sozialer „Lernort“ für Kinder erwiesen hat.

– Verstärkung der Anreize für Männer, Sorgearbeit zu übernehmen, etwa durch eine (schrittweise) Erweiterung der Partnermonate im Elterngeld auf bis zu sechs Monate oder eine stärkere Bezuschussung/Förderung von partnerschaftlichen Nutzungsmustern beim Elterngeld bzw. bei vorübergehender, familienbedingter Teilzeitarbeit.

– Schaffung von Arbeitsplätzen in kurzer Vollzeit und Abkehr von der Überstundenkultur. Dafür sind unter anderem eine ausreichende Personalbemessung, verbindliche Vertretungsregelungen und Beförderungskriterien notwendig, die sich nicht an der Arbeitsplatz-Präsenz oder an Überstunden orientieren.

– Aufwertung von systemrelevanten Berufen im Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsbereich.

Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland. WSI-Report Nr. 72, Februar 2022

Quelle: Pressemitteilung Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)  vom 23.02.2022

AWO zum Internationalen Frauentag. 

In diesem Jahr steht der morgige Internationale Frauentag unter dem bedrückenden Schatten des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Grundsätzlich sind Frauen auf der Flucht und nach der Ankunft besonderen Risiken ausgesetzt. AWO Präsidentin Kathrin Sonnenholzner erklärt dazu.

„Die Zerstörung von staatlichen Strukturen und sozialen Netzwerken führt zu verstärkter Gewalt und Diskriminierung von Frauen und Mädchen. Studien wie von Amnesty International belegen, dass in Kriegszeiten die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern massiv ansteigt, geschlechtsspezifische Gewalt wie Vergewaltigung als Waffe eingesetzt wird und Armut, Zerstörung und Vertreibung massiv zur Destabilisierung der Gesellschaft beitragen. Der heutige Tag muss daher allen Frauen und Kindern gewidmet sein, die um ihr Leben und ihre elementaren Menschenrechte kämpfen. Ihnen gilt unsere volle Solidarität und wir werden uns dafür einsetzen, dass sie ausreichend Schutz und Unterstützung erfahren.“

Der Internationale Frauentag wurde vor mehr als hundert Jahren von der internationalen Frauen- und Arbeiter*innenbewegung erkämpft und erinnert an die Forderung von Frauen weltweit nach einem selbstbestimmten, gewaltfreien und sicheren Leben. Auch heute sind diese noch nicht eingelöst. Noch immer ist der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern alarmierend hoch. Die Corona-Krise ging und geht massiv zu Lasten der Erwerbsarbeit, des Einkommens und der physischen und psychischen Gesundheit von Frauen. Auch international ist Geschlechtergerechtigkeit nach wie vor nicht erreicht. Seit der Machtübernahme der Taliban werden in Afghanistan die Rechte von Frauen massiv eingeschränkt. In Russland werden seit Jahren feministische und queere Menschenrechtsorganisationen diskriminiert und unterdrückt und der Rückbezug auf patriarchale Strukturen propagiert. All dies dient als Nährboden für gewaltförmige Konflikte bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen.

Seit vergangener Woche sind bereits über eine Million Menschen aus der Ukraine geflohen, die überwiegende Mehrheit unter ihnen Frauen und Kinder. Bereits seit der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 sind 1,5 Millionen Frauen und Kinder aus ihrer Heimat der Ost-Ukraine vertrieben worden. „Es wird nun darauf ankommen, die besonderen Schutzbedürfnisse vulnerabler Gruppen anzuerkennen und die Unterstützung danach auszurichten“, so Sonnenholzner.

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 07.03.2022

Der Deutsche Frauenrat fordert die Bundesregierung zum internationalen Frauentag auf, die enorme Belastung von Frauen, insbesondere von Müttern und Pflegenden, in der Pandemie anzuerkennen und Abhilfe zu leisten.

„Zum Frauentag wollen wir keine Blumen, sondern ein grundlegendes Aufholprogramm für Frauen, damit sie durch die Pandemie und ihren hohen Einsatz für Sorgearbeit nicht in die gleichstellungspolitische Steinzeit katapultiert werden,“ fordert Dr. Beate von Miquel, die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats.

Erholungsperspektiven für Frauen schaffen

Am Ende der vierten Corona-Welle sind alle Kräfte aufgebraucht. Die Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Disziplin und der Verzicht, die die Pandemie Personen mit Sorgeverantwortung abverlangt, können nicht dauerhaft aufrechterhalten werden, ohne ernsthaft krank zu werden. Frauen brauchen jetzt eine Erholungsperspektive jenseits von Kinderkrankentagen und besserem Wetter. Die Bundesregierung sollte die immensen Kraftanstrengungen vor allem von Frauen mit Sorgeverantwortung honorieren.

Aufholprogramme für Frauen und Gleichstellung auflegen

Im nächsten Schritt muss die Bundesregierung ein Aufbauprogramm für Frauen auf den Weg bringen. Durch die pandemiebedingten Unwägbarkeiten in der Betreuung von Kindern und Angehörigen hat sich die Arbeitsteilung in Familien nachweislich retraditionalisiert. Diese Entwicklung muss gebremst werden. Die gerechte Verteilung von Sorgearbeit gehört deshalb dringend in den politischen Fokus.

„Die Bundesregierung muss jetzt alle Vorhaben zur partnerschaftlichen Verteilung von Sorgearbeit aus dem Koalitionsvertrag zügig umsetzen. So werden Mütter und pflegende Angehörige entlastet und Männer stärker in ihrer Sorgeverantwortung angesprochen,“ so Dr. Beate von Miquel weiter.

Der DF erwartet von der Bundesregierung außerdem, die Mittel im Feld der Gleichstellungspolitik zu erhöhen, eine neue Gleichstellungsstrategie ressortübergreifend verbindlich aufzusetzen und im Kabinett zu verankern. Parallel muss der angekündigte Gleichstellungs-Check für Gesetze rasch umgesetzt werden, damit neue Vorhaben immer auch die Lebensrealitäten von Frauen im Blick haben.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Frauenrat vom 04.03.2022

Am 8. März ist Internationaler Frauentag. In diesem Jahr richtet sich der Fokus auf über 23 Millionen Frauen und Mädchen, die unter den Folgen des Ukraine-Krieges leiden.

Millionen Menschen sind auf der Flucht. Wegen der Generalmobilmachung der ukrainischen Regierung fliehen fast ausschließlich Frauen über die Grenzen, viele mit ihren Kindern.

Die gesamte Bevölkerung in der Ukraine leidet unter dem Krieg, jedoch sind Frauen und Männer unterschiedlich von den Auswirkungen betroffen. „Frauen und Mädchen sind besonders gefährdet, im Kriegsgebiet oder auf dem Fluchtweg Opfer sexualisierter Gewalt und Ausbeutung zu werden“, sagt Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt. „Für sie muss vor Ort ebenso wie auf der Flucht und in den Aufnahmestaaten dringend besondere Unterstützung sichergestellt werden.“ Die Präsidentin mahnt, dass es ohne die Überwindung geschlechtsspezifischer und struktureller Gewalt und Unterdrückung keine dauerhaft friedlichen Gesellschaften geben wird. „Die von der Bundesregierung angekündigte feministische Außen- und Entwicklungspolitik öffnet diesen Weg.“

Untersuchungen zeigen, dass bewaffnete Konflikte die Zunahme von Gewalt gegen Frauen begünstigen. Kriegstraumata bei Soldaten können zu verstärkter Gewalt gegen Frauen und Kinder führen. Verschärft wird dies durch die Zementierung traditioneller Geschlechterrollen, wenn Frauen und Kinder fliehen und Männer an den Fronten zurückbleiben.

Diakonie Vorständin Maria Loheide: „Frauen und Kinder, die zu uns kommen sind vielfach traumatisiert. Sie brauchen schnelle und unkomplizierte Hilfe. Das sind nicht nur Wohnmöglichkeiten, sondern auch bei uns Schutz vor Ausbeutung und Missbrauch und Informationen über ihre Rechte. Sie müssen schnell professionelle Unterstützung und Begleitung sowie einen unkomplizierten Zugang zu Gesundheits- und Sozialdienstleistungen erhalten. Die Diakonie ist vorbereitet, um geflüchteten Menschen und insbesondere den jetzt hier ankommenden Frauen in dieser belastenden Situation zur Seite zu stehen.“

Brot für die Welt und die Diakonie Deutschland appellieren an die Bundesregierung und die europäische Staatengemeinschaft, Organisationen in der Ukraine, die sich für die Rechte und Sicherheit von Frauen und Mädchen stark machen, finanziell und politisch zu unterstützen und einen schnellen und unbürokratischen Zugang zu psychosozialen Leistungen zu schaffen.

Hintergrund:

Der internationale Frauentag wird jährlich am 8. März begangen. Er entstand als Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im Kampf um die Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation von Arbeiterinnen.

Brot für die Welt fördert verschiedene zivilgesellschaftliche und kirchliche Partnerorganisationen in der Ukraine, die seit Beginn des Krieges im Jahr 2014 psychosoziale Beratung und Begleitung für betroffene Menschen leisten. Die Diakonie Deutschland unterstützt die Menschen, die in Deutschland Schutz suchen beim Ankommen und der Integration. Das humanitäre Hilfswerk der evangelischen Kirchen, die Diakonie Katastrophenhilfe, leistet über lokale Partnerorganisationen Nothilfe für die vor dem Krieg fliehenden Menschen in den Nachbarländern der Ukraine und ruft zu diesem Zweck zu Spenden auf.

Die Diakonie Katastrophenhilfe bittet auch online um Spenden:
Diakonie Katastrophenhilfe, Berlin
Evangelische Bank
IBAN: DE68 5206 0410 0000 5025 02
BIC: GENODEF1EK1
Stichwort: Ukraine Krise

Für Fragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 07.03.2022

pro familia fordert die Bundesregierung angesichts der erneuten Belagerung der Frankfurter Beratungsstelle zum Handeln auf

 

Erneut haben vor einer Schwangerschaftsberatungsstelle tägliche Versammlungen als Behinderung des Zugangs zum Schwangerschaftsabbruch begonnen. Sechs Wochen lang werden Ratsuchende, die die psychosoziale Beratung bei pro familia Frankfurt aufsuchen wollen, den Gebeten und Gesängen von „40 Tage für das Leben“ ausgesetzt sein, einer religiös-fundamentalistischen Gruppe. Ratsuchende mit vielen Beratungsthemen zu Themen wie Schwangerschaft, Familienplanung, Sexualität und Partnerschaft, darunter Menschen mit ungewollter Schwangerschaft ebenso wie Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch oder in schwierigen persönlichen oder familiären Situationen müssen Spalier laufen und werden mit Gesängen und Schockbildern bedrängt und daran gehindert, die Beratungsstelle aufzusuchen. Die Bundespolitik muss den freien Zugang zu den Beratungsstellen gewährleisten und Belagerungen von Beratungsstellen untersagen, fordert der pro familia Bundesverband.

 

Vor einigen Beratungsstellen von pro familia ist es Jahr für Jahr das gleiche Bild. An bestimmten Tagen im Monat – oder wie aktuell in der Fastenzeit – halten religiöse Gruppen sogenannte Mahnwachen ab und belästigen die Ratsuchenden. Der Versuch der Stadt Frankfurt, dies während der Öffnungszeiten und im Nahbereich der Beratungsstelle von pro familia gerichtlich untersagen zu lassen, scheiterte vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt. Das Verwaltungsgericht verwies auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit und erklärte, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht vor der Konfrontation mit einer Meinung schütze, die als Stigmatisierung und Anprangerung empfunden würden.

 

„Diese Aussage zeugt von großer Fehleinschätzung um die Notwendigkeit einer geschützten, vertraulichen Atmosphäre in der psychosozialen Beratung. Menschen haben ein Recht auf Beratung, um in einer geschützten und vertraulichen Atmosphäre Fragen zu stellen, ihre Anliegen zu sortieren und Informationen zu bekommen“, erklärt Dörte Frank-Boegner, Bundesvorsitzende von pro familia. „Ratsuchende mit allen Anliegen haben ein Recht darauf, unbehelligt und ohne Spießrutenlauf eine Beratungsstelle aufzusuchen. Im Fall der Pflichtberatung vor einem Schwangerschaftsabbruch ist der Ausschluss einer Beeinflussung sogar ausdrücklich im Schwangerschaftskonfliktgesetz gefordert.“

 

„Alle Frauen, die ungewollt schwanger sind, befinden sich in einer akuten Notlage. Alle stehen unter Druck. Viele empfinden Scham- und Schuldgefühle. Einige haben Angst – bis hin zu Todesangst, weil niemand von der Schwangerschaft erfahren darf. Deshalb ist der geschützte und unbehelligte Beratungsrahmen so wichtig. Wird dieser nicht endlich durch ein Gesetz abgesichert, steht das Vertrauen in die Beratung auf dem Spiel“, sagt Claudia Hohmann, Leiterin der pro familia Beratungsstelle Frankfurt.

 

Im letzten Jahr hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe ähnliche Versammlungen vor der Beratungsstelle in Pforzheim untersagt. Dieses Gericht ging von einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Ratsuchenden aus, die Versammlung sei darauf ausgerichtet gewesen, die Ratsuchenden einer Anprangerung und Stigmatisierung auszusetzen.

 

„Wir können nicht hinnehmen, dass in jeder Stadt der Schutz der Beratung neu durchgefochten werden muss“, betont Dörte Frank-Boegner. „Es ist Aufgabe der Bundespolitik, das Persönlichkeitsrecht der Ratsuchenden zu schützen, und zwar bundesweit. pro familia ist dankbar, dass das Thema Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat. Doch nun müssen den Worten Taten folgen. Wir brauchen eine bundesweite Regelung, die die Rechte der Ratsuchenden respektiert.“

Quelle: Pressemitteilung pro familia Bundesverband vom 07.03.2022

Am 8. März 2022 begehen wir den Internationalen Frauentag und kämpfen sichtbar und öffentlichkeitswirksam für die Rechte von Frauen* weltweit. Es ist ein täglicher Kampf von Frauen* sich in patriarchalischen Strukturen für die Gleichwertigkeit der Geschlechter in Struktur und Kultur in allen Lebensbereichen einzusetzen.

„Die Eskalation von Diskriminierung und Gewalt in kämpferischer Auseinandersetzung ist Krieg. Krieg ist ein patriarchalisches Instrument der Machtdemonstration, Machtdurchsetzung und Machtmissbrauch. Gewalt und Krieg sind nie duldbar und auch keine Lösung für Konflikte!“ entrüstet sich Cornelia Spachtholz, Vorsitzende des Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) und bekennt sich: „Wir sind mit den Menschen in der Ukraine solidarisch, sowie mit allen Menschen in Russland und weltweit, die sich gegen den Krieg von Putin stellen und mit uns das sofortige Beenden von Kriegshandlungen durch die russische Regierung fordern!“

„Insbesondere Frauen, Kinder und junge Menschen sind die Hauptleidtragenden jeglicher Kriegssituation: Sei es, dass sie Gewalterfahrung im Kriegsgebiet erleiden, sei es, dass sie engste Familienangehörige verlieren, sei es, dass sie alleine verantwortlich für das Versorgen der Kinder und der Altengeneration unter erschwerten Bedingungen sind, sei es, dass sie Kinder in U-Bahnstationen gebären oder sei es, dass sie Heimatvertriebene auf der Flucht sind, was oftmals auch mit einer Bedrohung durch sexualisierte Gewalt oder anderer Gewaltformen verbunden ist. Mit all dem Erlebten gehen Traumatisierungen einher und entstehen posttraumatische Belastungsstörungen, die nicht nur mit Ängsten vor der Zukunft verbunden sind!“ ist Spachtholz überzeugt.

Die VBM Vorsitzende appelliert an die politischen Entscheidungsträger:innen in Deutschland die Versprechungen aus dem Ampel-Koalitionsvertrag, insbesondere auch vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine und den sich abzeichnenden Folgen mit noch ungewissem Ausgang, nicht nur Sicherheitspolitik im Kontext Energie und Verteidigung mit entsprechenden Kosten anzustreben, sondern auch die im Ampel-Koalitionsvertrag formulierten gleichstellungspolitischen Ziele, insbesondere auch die Umsetzung des Gewaltschutzabkommens „Istanbul-Konvention“ und die Bemühungen „Gleichstellung innerhalb diesen Jahrzehnts zu erreichen“ als wichtige Investition weiterhin anzuerkennen und zu priorisieren.

„Wir brauchen nicht nur eine feministische Außenpolitik, sondern auch feministische Innenpolitik, d. h. echte gleichstellungsorientierte Strukturen, die den Weg zu einer gewalt- und diskriminierungsfreien Kultur ebnen – in Deutschland, in der EU und weltweit!“ fordert Spachtholz.

Als Mitglied im Deutscher Frauenrat und der CEDAW Allianz ist der VBM Mitzeichnerin der Solidaritätsbekundung für Menschen in der Ukraine.

Quelle: Pressemitteilung Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) vom 07.03.2022

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Pariser Konferenz berät zur Europäischen Kindergarantie und Unterstützung für Kinder im Russland-Ukraine-Konflikt.

Heute trafen sich Ministerinnen und Minister der EU-Mitgliedstaaten in Paris, um die europäische Kindergarantie voranzutreiben. Im Fokus der Konferenz stand auch der Russland-Ukraine Konflikt. Alle Teilnehmenden unterzeichneten eine Erklärung, die die militärische Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine verurteilt und insbesondere auf das Leiden der Kinder aufmerksam macht.

Für die deutsche Bundesregierung nahm Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, an der Konferenz teil und betonte:

„Flüchtlingskinder und ihre Familien aus der Ukraine erfahren großes Leid. Wir müssen dafür sorgen, dass sie schnell Schutz und Sicherheit in Deutschland und anderen EU-Staaten finden. Hilfe, gerade für geflüchtete Kinder, muss dabei alles umfassen: von guter Gesundheitsversorgung über Bildung bis zur gesunden Ernährung. Mit der Zustimmung zur Europäischen Kindergarantie haben wir uns dazu in ganz Europa verpflichtet.

Ziel der Garantie ist es, mehr Chancengerechtigkeit für Kinder zu erreichen, ganz egal, wo sie leben. Wir wollen dafür sorgen, dass jedes Kind in Europa die gleichen Möglichkeiten auf Wohlergehen und eine gute Entwicklung hat. Dabei sind besonders die ersten Lebensjahre entscheidend. Deutschland leistet hierzu wichtige Impulse. In der Bundesregierung haben wir uns umfassende Maßnahmen vorgenommen, um Familien wirksamer zu unterstützen. Allen voran die geplante 14-tägige Freistellung des zweiten Elternteils nach der Geburt, Verbesserungen im Elterngeld und die Einführung von Qualitätsstandards in der Kindertagesbetreuung. Zur Stärkung der Teilhabe von Familien haben wir mit der Bundesstiftung „Frühen Hilfen“ sowie den Bundesprogrammen „Sprach-Kitas“ und „Kita-Einstieg“ bereits deutliche Erfolge erreicht. Jetzt geht es darum, gemeinsam mit allen EU-Mitgliedstaaten Maßnahmen zu entwickeln, um die Perspektiven für benachteiligte Kinder europaweit spürbar zu verbessern.“ Chancengleichheit durch die Europäische Kindergarantie Jedes Kind in Europa soll Zugang zu den Ressourcen bekommen, die für sein Wohlergeben und seine Entwicklung notwendig sind – von Bildung bis zur medizinischen Versorgung. Um dies zu erreichen, hatte der Rat der Europäischen Union im Juni 2021 einstimmig eine Empfehlung zur Einführung einer EU-Kindergarantie beschlossen. Ziel ist es, die soziale Ausgrenzung von Kindern zu bekämpfen, Kinderrechte zu stärken und Chancengleichheit zu fördern.

Weitere Informationen zur EU-Kindergarantie: ec.europa.eu/social.

Die Gemeinsame Erklärung zum Einfluss des Russland-Ukraine-Konflikts auf Kinder finden Sie hier.

Web-Ansicht: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/bessere-chancen-fuer-kinder-in-ganz-europa-193776

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 04.03.2022

Zur Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Streichung des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch (StGB) im Bundeskabinett erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik, und Canan Bayram, Berichterstatterin für Strafrecht:

Wir freuen uns sehr, dass das Kabinett die schon 2019 von der Grünen Bundestagsfraktion geforderte ersatzlose Streichung des Paragrafen 219a des Strafgesetzbuchs beschlossen hat. Justizminister Marco Buschmann und Frauenministerin Anne Spiegel haben die Streichung des §219a StGB zur Priorität gemacht. Hieran zeigt sich, dass die Ampelregierung frauenpolitisch den Unterschied macht.

Die Streichung von 219a ist ein langjähriges grünes Anliegen, mit dem wir endlich mehr Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zugänglich machen und Rechtssicherheit für Ärzt*innen schaffen.

Das sogenannte Werbungsverbot ist ein Relikt des Nationalsozialismus und seine Abschaffung ist überfällig.

Schwangerschaftsabbrüche sind Teil der notwendigen Gesundheitsversorgung und des Rechts auf körperliche Selbstbestimmung. Es ist falsch, dass Ärzt*innen, die diesen Eingriff vornehmen und darüber aufklären, in Deutschland kriminalisiert wurden.

Durch die Abschaffung des § 219a StGB können Ärzt*innen über die von ihnen angebotenen medizinischen Behandlungen informieren, ohne Gefahr zu laufen, bestraft zu werden.

Mit der Abschaffung von § 219a StGB schaffen wir nicht nur die Aufklärungsmöglichkeit für Ärzt*innen, sondern auch den bestmöglichen Zugang zu Informationen für ungewollt Schwangere, die auf fachkundige Aufklärung und schnelle medizinische Versorgung angewiesen sind.

Unser Dank gilt den Ärzt*innen, allen voran Kristina Hänel, sowie den Aktivist*innen, die seit Jahren das Thema 219a auf der gesellschaftspolitischen Agenda halten. Klar ist aber auch, dass es für uns Grüne mit der Streichung des Paragrafen 219a StGB nicht getan ist. Die verbesserte Information über Schwangerschaftsabbrüche ist ein erster großer Erfolg. Wichtig ist, dass sich die zunehmend schlechter werdende Versorgungslage beim Schwangerschaftsabbruch erheblich verbessert. Als Ampelkoalition haben wir uns im Koalitionsvertrag festgelegt, dafür Sorge zu tragen, dass es wieder mehr Ärzt*innen gibt, die Abbrüche durchführen – und Schwangerschaftsabbrüche in der medizinischen Ausbildung verankert werden. Perspektivisch wollen wir die Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen erreichen. Um Möglichkeiten einer außerstrafgesetzlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen zu prüfen, werden wir als Ampel zudem eine Kommission einsetzen. Die bestehende Situation mit einer vielerorts prekären Versorgungslage beim Schwangerschaftsabbruch werden wir nicht länger hinnehmen.

Quelle: Pressemitteilung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag vom 09.03.2022

„Endlich scheint Schwung in die Umsetzung der BAFöG-Reform zu kommen. Die Überarbeitung ist bitter nötig, wenn nur noch elf Prozent der Studierenden BAföG erhält. Wir müssen zu dem zurück, was das BAföG einst leistete. Allerdings sind die jetzigen geplanten Erhöhungen weder bedarfsdeckend noch existenzsichernd“, erklärt Nicole Gohlke, bildungs- und wissenschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zur geplanten BAföG-Reform der Bundesregierung. Gohlke weiter:

„Die Bundesregierung sollte sich an der Lebenswirklichkeit und den realen Kosten der jungen Menschen orientieren, die mit eklatant gestiegenen Wohnkosten kämpfen. Die geplante Erhöhung der Wohnpauschale ist gut gemeint, reicht aber nicht. In München etwa gehen durchschnittlich 91 Prozent des BAföG zum Wohnen drauf, in Berlin blechen BAföG-Empfänger über die Hälfte für die Miete. Es kann doch nicht weiter der Geldbeutel entscheiden, ob und wo man studiert. Ein dickes Fragezeichen hinterlässt die Bundesregierung noch beim Notfallmechanismus und bei der Klärung der Rückzahlungsmodalitäten.

Zudem sollten wir damit aufhören, es als Selbstverständlichkeit zu betrachten, dass viele Studierende nebenher arbeiten gehen, um sich ihr Studium leisten zu können. Wir erwarten doch auch nicht, dass jemand neben seiner Bankausbildung jobben geht. Das kommt in der Debatte viel zu kurz.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom 18.02.2022

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Einsetzung der Kinderkommission beschlossen. In seiner Sitzung am Mittwoch unter Leitung von Ulrike Bahr (SPD) votierten die Mitglieder einstimmig für die erneute Einrichtung einer Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder im Deutschen Bundestag. Alle Fraktionen unterstützten damit das Anliegen, „die erfolgreiche Arbeit der Kinderkommission auch in der 20. Wahlperiode fortzusetzen“, wie es in dem fraktionsübergreifenden Ausschussantrag heißt. Die sogenannte „Kiko“ habe seit ihrer erstmaligen Einsetzung im Jahr 1988 einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Kinderpolitik in Deutschland geleistet.

Die Kinderkommission muss sich nun formal konstituieren; auch ihre künftigen Mitglieder sind von den Fraktionen noch zu benennen. Jede Fraktion stellt ein Mitglied, das auch ordentliches Mitglied des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist. Der Vorsitz im Gremium wechselt turnusmäßig zwischen Mitgliedern der Kommission in der Reihenfolge der Fraktionsgröße.

Formal ist die Kinderkommission ein Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Er ist kleiner als der Ausschuss selbst, hat aber eine besondere Aufgabe: die Interessenvertretung für Kinder und Jugendliche.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 59 vom 16.02.2022

DIW-Studie beleuchtet Ampel-Pläne zur Abschaffung der Lohnsteuerklassenkombination III und V für Ehepaare – Alternatives Faktorverfahren der Steuerklasse IV, das den Splittingvorteil des Paares berücksichtigt, sollte vereinfacht und ergänzt werden – Positive Effekte auf Erwerbstätigkeit von Frauen wären wohl begrenzt – Zusätzlich zu Reform der Lohnsteuerklassen wäre Reform des Ehegattensplittings sinnvoll

Die Bundesregierung plant eine Reform der Lohnsteuer von Ehepaaren, um die hohe Belastung für Zweitverdienende im Lohnsteuerverfahren zu vermindern und so die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu fördern. WissenschaftlerInnen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) kommen in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die geplante Abschaffung der Steuerklassenkombination III und V zwar grundsätzlich zielführend ist, aber noch nachgebessert werden sollte. „Die Wirkung auf die Beschäftigung von Frauen ist empirisch schwer abzuschätzen“, sagt Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am DIW Berlin. „Langfristig sollte die Reform der Lohnsteuer daher von einer umfassenden Reform des Ehegattensplittings flankiert werden.“ Beim Ehegattensplitting wird das Einkommen eines Paares addiert, halbiert und die Steuer berechnet. Diese wird danach wieder verdoppelt. Aufgrund des progressiven Steuersatzes ist die Ersparnis am größten, wenn einer viel verdient und der andere nichts.

Faktorverfahren bereits möglich, aber kaum angewandt

Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Kombination der Steuerklassen III und V bei Ehepaaren abgeschafft wird. Zugleich soll das sogenannte Faktorverfahren der Kombination IV/IV gestärkt werden. Derzeit sind zumeist Ehefrauen mit deutlich geringerem Einkommen als ihre Partner in Steuerklasse V eingruppiert und tragen damit höhere Steuerbelastungen, als es bei einer Individualbesteuerung der Fall wäre. Im Gegenzug wird der Erstverdienende – zumeist der Ehemann – mit Klasse III steuerlich begünstigt. Steuerklasse IV für beide PartnerInnen ließe die Grenz- und Durchschnittsbelastungen für Zweitverdienende sinken und die der Erstverdienenden steigen. „Bei einem jährlichen Bruttolohn von 20.000 bis 35.000 Euro würde zum Beispiel eine teilzeitarbeitende Frau beim Übergang in die Steuerklasse IV 200 bis 300 Euro mehr in die Familienkasse einzahlen“, erläutert Studienautor Stefan Bach.

Die Option auf das Faktorverfahren bei Steuerklasse IV würde zusätzlich steuermindernd wirken, da dies den Splittingvorteil bei der Lohnsteuer beider PartnerInnen berücksichtigt. „Dieses Verfahren ist bereits seit langem möglich, wird aber nur wenig genutzt, weil es kaum bekannt ist“, ergänzt Bach. „Es muss aufwendig beantragt und alle zwei Jahre erneuert werden, was viele Paare abschreckt.“ Die AutorInnen schlagen als einfache Ergänzung einen automatischen gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich vor. „Das wäre ein großer Schritt in Richtung vorausgefüllte Steuererklärungen (Easy Tax), der auch im Ampel-Koalitionsvertrag erwähnt wird und Millionen Ehepaaren die Steuererklärung ersparen würde“, so der Steuerexperte.

Reform des Ehegattensplittings darf nicht von Agenda verschwinden

Ob die geplante Reform aber tatsächlich die Erwerbsbeteiligung von Frauen erhöht, ist fraglich. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn die PartnerInnen ihre Erwerbsentscheidungen an den laufenden Lohnsteuerbelastungen orientieren, die sich am Ende jeden Monats auf dem Gehaltszettel widerspiegeln. Die Lohnsteuer ist aber nur eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer des Paares. Soweit sich viele Paare nach dem gemeinsamen Nettoeinkommen nach der Steuererklärung im Folgejahr richten, bei der das Ehegattensplitting mit seiner steuerbelastenden Wirkung auf Zweitverdienende greift, werden die Effekte auf die Erwerbsbeteiligung nur gering ausfallen.

„Das Aus der Steuerklassenkombination III und V wäre ein positives Signal und ein erster Schritt zur Gleichstellung von Frauen im Arbeitsleben“, resümiert Studienautor Peter Haan, Leiter der Abteilung Staat. „Allerdings muss auch beim Ehegattensplitting deutlich nachjustiert werden. In seiner jetzigen Form setzt es falsche Anreize.“ Die ÖkonomInnen empfehlen dafür das sogenannte Realsplitting, das sich in der Reformdiskussion der vergangenen Jahre als Kompromiss abzeichnet. Beim Realsplitting würden bei der steuerlichen Veranlagung geringere Einkommensbeträge auf das niedrigere Gehalt übertragen als bei der jetzigen Regelung. Besonders bei sehr hohen Einkommen würden die Steuervorteile deutlich begrenzt, bei mittleren und unteren aber kaum angetastet.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vom 10.03.2022

Familiengründung ist nach wie vor kritischer Wendepunkt für Erwerbsbiografien und Gehälter von Frauen – Reformen bei Elterngeld, Ehegattensplitting und Minijobs sind Ansatzpunkte, um Sorgearbeit gerechter aufzuteilen

Der Gender Pay Gap, also die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern, ist in den vergangenen Jahren langsam, aber kontinuierlich bis auf 18 Prozent gesunken. Wie eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeigt, unterscheidet sich der Rückgang allerdings sehr stark nach dem Alter: Während der Gender Pay Gap bei den unter 30-Jährigen von durchschnittlich rund 15 Prozent in den Jahren 1990 bis 1999 auf acht Prozent im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2019 fiel, verharrte er in den Altersgruppen ab 40 Jahren bei deutlich über 20 Prozent. „Daran zeigt sich, wie einschneidend die Phase der Familiengründung für die Erwerbsbiografien und damit die Gehälter vieler Frauen nach wie vor ist“, sagt Annekatrin Schrenker aus der Abteilung Staat des DIW Berlin anlässlich des bevorstehenden Equal Pay Days. „Frauen legen ab der Geburt des ersten Kindes längere Pausen vom Job ein und arbeiten fortan häufiger in Teilzeit. Die Folge ist, dass Männer mit ihren Stundenlöhnen insbesondere im Alter von 30 bis 40 Jahren davonziehen“, so Schrenker.

Grund dafür ist in erster Linie die in Deutschland nach wie vor sehr ungleiche Aufteilung der Sorgearbeit. Mütter wenden im Durchschnitt deutlich mehr Zeit für Kinderbetreuung und Hausarbeit auf als Männer. Sie treten beruflich kürzer – und zwar nicht nur vorübergehend, sondern oft dauerhaft, wie vergangene Studien bereits gezeigt haben. Da Teilzeitjobs nicht nur aufgrund des geringeren Stundenumfangs weniger Gehalt abwerfen, sondern auch pro Stunde schlechter bezahlt werden, weitet sich die Lohnschere zwischen Frauen und Männern ab der Familiengründung – und schließt sich in höherem Alter nicht mehr. Dass die Verdienstunterschiede im Alter bis 30 Jahren heute geringer ausfallen, ist unter anderem den höheren Bildungsabschlüssen von Frauen zuzurechnen: Junge erwerbstätige Frauen haben mittlerweile häufiger einen Universitätsabschluss als junge Männer. Zudem bekommen sie ihr erstes Kind später, als das früher der Fall war.

Politik sollte Anreize für gleichmäßigere Aufteilung von Sorgearbeit setzen

„Frauen sind mit ihren Stundenlöhnen in jungen Jahren ihren männlichen Kollegen mittlerweile auf den Fersen – nach der Familiengründung sind die Verdienstunterschiede aber beinahe so groß wie eh und je“, resümiert Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am DIW Berlin. „Um dies zu ändern, braucht es Anreize für eine gleichmäßigere Aufteilung der Sorgearbeit in der kritischen Phase der Familiengründung.“ Eine Möglichkeit wäre den Studienautorinnen zufolge, die Partnermonate beim Elterngeld auszuweiten. Derzeit beschränken sich viele Väter auf das Minimum von zwei Monaten Elternzeit, um das Elterngeld in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen. Die Partnermonate sollten schrittweise auf sieben von 14 Monaten erhöht werden. Gleichzeitig sollte die Lohnersatzrate angehoben werden, um das Elterngeld für Väter, die in vielen Familien nach wie vor die Hauptverdiener sind, attraktiver zu machen. Auch eine Reform des Ehegattensplittings und der Minijobs könnte zu einer gleichmäßigeren Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit führen. „Wenn sich sowohl die bezahlten Arbeitsstunden als auch die unbezahlte Sorgearbeit von Frauen und Männern angleichen, würde dies nicht nur geschlechterstereotype Einstellungen abbauen, sondern auch den Gender Pay Gap nachhaltig reduzieren“, so Wrohlich.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vom 02.03.2022

DIW Studie untersucht Einfluss von Sorgearbeit auf Erwerbsbeteiligung bei Frauen und Männern – Egalitärere Verteilung der Sorgearbeit in Paarhaushalten erhöht Erwerbsumfang von Frauen stärker, als sie den von Männern verringert – Hausarbeit schränkt Erwerbsbeteiligung stärker ein als Betreuungsaufgaben – Ausbau der Ganztagsbetreuung, Reform des Elterngeldes und Subventionierung von haushaltsnahen Dienstleistungen empfohlen

Sorgearbeit und Erwerbsbeteiligung sind zwischen Frauen und Männern in Deutschland sehr ungleich verteilt. In rund 75 Prozent der Paarhaushalte übernimmt der Mann weniger als die Hälfte der Sorgearbeit. Leistet der Mann aber mehr Sorgearbeit, also Hausarbeit und Betreuungsaufgaben, steigt die Erwerbsbeteiligung von Frauen. Der Arbeitsumfang der Frauen nimmt sogar viermal so viel zu, wie er beim Mann abnimmt. Dies ist eines der Kernergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die sich auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) seit 2001 stützt.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass, wenn Frauen bei Hausarbeit und Kinderbetreuung entlastet werden, sie mehr erwerbstätig sind. Das bisschen Haushalt macht sich also erwiesenermaßen nicht von allein“, sagt Studienautorin Claire Samtleben in Anspielung auf den deutschen Schlager aus dem Jahr 1977. Wird die Sorgearbeit ausgelagert, also zum Beispiel mit Kitabetreuung oder Haushaltshilfen, erhöht dies nicht nur die Beschäftigungswahrscheinlichkeit und den Erwerbsumfang bei den Frauen, sondern auch bei den Männern.

Effekt der Hausarbeit bisher unterschätzt

Ein weiteres relevantes Ergebnis erhielten die AutorInnen, als sie Sorgearbeit nach Hausarbeit und Betreuungsaufgaben differenziert untersuchten: Werden Frauen bei der Hausarbeit durch Mehrarbeit des Partners oder Auslagerung entlastet, erhöht sich ihre Erwerbsbeteiligung stärker, als wenn sie bei der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen stärker unterstützt werden. „Der Ausbau der Ganztagsbetreuung und die Reform des Elterngeld mit Ausweitung der Partnermonate sind sicherlich sinnvolle Vorhaben, um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen“, meint Ko-Autor Kai-Uwe Müller. „Doch der Aspekt der Hausarbeit ist bisher weitgehend vernachlässigt worden.“ Im aktuellen Koalitionsvertrag ist nun die Subventionierung von haushaltsnahen Dienstleistungen vorgesehen. Häufig jedoch wird diese Arbeit in unversicherten Arbeitsverhältnissen von marginalisierten Gruppen übernommen. „Die Förderung der haushaltsnahen Dienstleistungen, beispielsweise über ein Gutscheinsystem kann, richtig ausgestaltet, Vorteile für viele bringen“, meint Müller.

Sorgearbeit und Vollzeittätigkeit beider Partner lässt sich gerade bei Paaren mit Kindern nur schwer realisieren. „Wenn aber die Erwerbstätigkeit von Frauen gefördert werden soll, egal ob um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken oder um Ungleichheiten in der finanziellen Lage von Männern und Frauen abzubauen, muss der Hebel der Sorgearbeit genutzt werden – entweder über eine von öffentlicher Hand organisierte Entlastung der Haushalte oder durch eine egalitärere innerpartnerschaftliche Aufteilung“, appelliert Claire Samtleben.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vom 02.03.2022

In einer steigenden Zahl von Haushalten erwirtschaften Frauen das Haupteinkommen. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass dies an veränderten Rollenbildern liegt.

Der Mann verdient das Geld, die Frau hütet Haushalt und Kinder. Das war einst das unangefochtene Standardmodell der familiären Arbeitsteilung. Abgelöst wurde es vom Hinzuverdienermodell, in dem die Frau zumindest den kleineren Teil des Erwerbseinkommens beisteuert. Im modernen Zweiverdienermodell schließlich kommen beide Partner auf ähnliche Einkommen. Vergleichsweise selten kommt es jedoch bis heute vor, dass die Frau die Hauptverdienerin, die „Familienernährerin“ ist. Allerdings nimmt der Zahl solcher Haushalte zu, wie eine Untersuchung von WSI-Forscher Wolfram Brehmer sowie Christina Klenner und Tanja Schmidt zeigt. Sie haben Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), einer regelmäßig wiederholten, repräsentativen Haushaltsbefragung, ausgewertet. Demnach hatten im Zeitraum von 2007 bis 2016 im Schnitt knapp 11 Prozent der Paarhaushalte in Deutschland eine Hauptverdienerin. Wobei die Quote im Laufe des Untersuchungszeitraums von 9,9 auf 11,9 Prozent gestiegen ist.

In zwei Dritteln der Haushalte verdienten die Männer mehr, ein knappes Viertel waren Haushalte „mit egalitärer Einkommenserwirtschaftung“. Die Grundgesamtheit bilden alle heterosexuellen Paarhaushalte – mit oder ohne Kinder. Als Familienernährer oder -ernährerin gilt, wer 60 Prozent oder mehr zum Haushaltseinkommen beiträgt. Kapitalerträge oder Sozialtransfers, die nicht unmittelbar einer Person zugeordnet werden können, bleiben außen vor.

Unter welchen Umständen werden Frauen nun zu Familienernährerinnen? Denkbar wären verschiedene Entwicklungen und Motive. Zum Beispiel könnten sich gut ausgebildete Frauen mit Karriereambitionen mit Männern zusammentun, die keine Selbstverwirklichung im Beruf anstreben, sondern sich ihre Energie lieber für die Kinder aufsparen. Tatsächlich ist die Bandbreite der Konstellationen recht groß, trotzdem konnten die Forschenden eine Reihe typischer Muster herausfiltern.

Unfreiwillige Familienernährerinnen

Der Faktor mit dem größten Einfluss ist der Erwerbsstatus des Mannes. Am häufigsten werden Frauen schlicht dadurch zu Hauptverdienerinnen, dass der Mann seinen Job verliert. In die gleiche Richtung wirkt – oft unfreiwillige – Teilzeit- oder geringfügige Beschäftigung des Mannes. Das erklärt den Forschenden zufolge auch einen Teil des Anstiegs der Zahl der Familienernährerinnen-Haushalte: In den Untersuchungszeitraum fällt die große Finanz- und Wirtschaftskrise, die gerade viele Männer ihren Arbeitsplatz gekostet oder ihnen zumindest Kurzarbeit beschert hat – ein Effekt, der auch in anderen europäischen Ländern die Haushalte mit Hauptverdienerin vermehrt hat. 

Die Wahrscheinlichkeit für eine Familienernährerinnen-Konstellation steigt auch, wenn der Mann einen Migrationshintergrund und dadurch schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt hat oder selbstständig ist. Eine gute berufliche Position der Frau erhöht die Chance, zur Hauptverdienerin zu werden, etwa wenn sie in einem gut bezahlenden Großbetrieb oder dem öffentlichen Dienst arbeitet.

Den größeren Teil des Einkommens verdienen Frauen oft auch dann, wenn kleine Kinder im Haushalt leben und die Väter Elternzeit nehmen oder wenn sich die Partner noch in der Ausbildung befinden. In Haushalten mit älteren Hauptverdienerinnen kann der Mann bereits aus dem Berufsleben ausgeschieden sein. 

Die Haushalte von Familienernährerinnen zählen in aller Regel nicht zu den wohlhabenden. Knapp die Hälfte „rangiert in einer prekären Einkommenssituation“, so die Forschenden, und rund 20 Prozent sind „im strengen Sinne arm“. Daran ändert die Tatsache nichts, dass Hauptverdienerinnen häufiger als ihre Geschlechtsgenossinnen in traditionellen Familienarrangements akademische Abschlüsse haben und eine höhere berufliche Stellung bekleiden. Denn auf der anderen Seite haben rund 15 Prozent in der Gruppe der Familienernährerinnen keinen Berufsabschluss und knapp die Hälfte arbeitet in „niedriger beruflicher Stellung“. 

Welche Rolle spielen Einstellungen?

Zumindest in einem der Untersuchungsjahre, nämlich 2012, wurde im SOEP auch die „Geschlechterrollenorientierung“ der Befragten erfasst, also ob die Interviewten eher eine traditionelle oder eine egalitäre Arbeitsteilung zwischen Frau und Mann befürworten. Dabei findet das egalitäre Modell mit etwa 85 Prozent Zustimmung unter Familienernährerinnen zwar großen Zuspruch. Die Zustimmungsrate liegt jedoch sieben Prozentpunkte unter dem Wert für Frauen in Haushalten, die in Sachen Einkommen tatsächlich als egalitär einzustufen sind. Und „einen signifikanten Zusammenhang zwischen egalitären Geschlechterrollenorientierungen und der Einkommensrelation im Paarhaushalt“ konnten Brehmer, Klenner und Schmidt statistisch nicht nachweisen. Das bedeutet: Die Einstellung zu Geschlechterrollen wirkt sich offenbar nicht auf die Einkommensverteilung von Paaren aus.Die Forschenden kommen zu dem Schluss: „Dass Familienernährerinnen-Konstellationen auf bewusst gewählten Strategien der Paare beruhen, lässt sich anhand der verfügbaren Daten nicht bestätigen.“ Die meisten Paare planen nicht, dass die Frau den Löwenanteil der Erwerbsarbeit übernimmt, sondern geraten in die Situation hinein. 

Ost und West

Ostdeutschland unterscheidet sich deutlich vom Westen – was nicht zuletzt an der längeren Tradition der Frauenerwerbstätigkeit liegen dürfte. Im Osten beträgt die Hauptverdienerinnen-Quote im Durchschnitt der untersuchten Jahre 16,2 Prozent, im Westen nur 9,5 Prozent. Auch die mit dem Zusammenbruch der DDR-Industrie gesunkenen Einkommenschancen für Männer könnten ein Grund sein, vermuten die Forschenden. Einige der gefundenen Zusammenhänge gelten nur für einen von beiden Landesteilen. So erhöht ein akademischer Abschluss die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau Familienernährerin wird, nur in Westdeutschland, während bei Frauen im Osten keine signifikante Beziehung besteht.

Überholte Leitbilder

Auch wenn das Familienernährerinnen-Modell meist nicht aus Überzeugung gewählt wird, ist es ein Bestandteil der gesellschaftlichen Realität, konstatieren die Wissenschaftlerinnen und der Wissenschaftler. Und angesichts von Prekarisierungsprozessen am Arbeitsmarkt, die besonders Männer mit eher geringer Qualifikation oder Migrationshintergrund betreffen, sowie einer steten Verbesserung der Ausbildung und beruflichen Positionen von Frauen dürfte die Zahl der Haushalte mit Hauptverdienerin weiter zunehmen. Das müsse auch die Politik zur Kenntnis nehmen, die sich „gegenwärtig mit einer inkonsistenten Mischung von Regelungen und Leistungen teilweise am Bild des männlichen Familien­ernährers, teilweise an einem gleichberechtigten Zweiverdienermodell“ orientiert, schreiben die Forschenden. Auf „die neuen Familienkonstellationen mit Familienernährerinnen“ sei man „bisher nicht adäquat eingestellt“ . Nötig sei zudem „eine konsequente Gleichstellung von Frauen und Männern im Beruf sowie eine bessere Vereinbarkeit von Fürsorge und Beruf für beide Geschlechter“.

Wolfram Brehmer, Christina Klenner, Tanja Schmidt: Was macht Frauen in Deutschland zu Familienernährerinnen? WSI-Report Nr. 70, Januar 2022

Quelle: Ausgabe 03/2022 Hans-Böckler-Stiftung vom 17.02.2022

Die AWO-ISS Langzeitstudie zur Kinderarmut untersucht seit 1997 die Lebensverläufe von armutsbetroffenen Kindern in Deutschland. Im Jahr 2019 wurde die fünfte Phase der Studie abgeschlossen, in der die Lebenslagen und Armutserfahrungen von den damals Sechsjährigen nun im Alter von 25 Jahren untersucht wurden. Mit ‚(Über-)Leben mit 28‘ wurden nun die Ergebnisse der fünften Studienphase mit Blick auf den Übergang ins junge Erwachsenenalter vertieft und um einem neuen Forschungsaspekt erweitert: Wie wirken sich die Armutserfahrungen im Kindes- und Jugendalter auf die Bewältigung der Corona-Krise im jungen Erwachsenenalter aus? Um diese Frage zu beantworten, wurden acht Studienteilnehmenden sechs Monate lang qualitativ begleitet.

Die Lebensrealitäten mit 28 Jahren unterscheiden sich dabei stark: Da gibt es Marie, die infolge vielfacher chronischer Erkrankungen bereits arbeitsunfähig ist und weiterhin in Armut lebt. Oder aber Ali, der zwar in Armut und multipler Deprivation aufgewachsen ist, aber mittlerweile durch einen guten Job finanziell abgesichert ist und ein selbstbestimmtes Leben führt. Für all die jungen Menschen zeigten sich dennoch die Auswirkungen der (Kinder-) Armut bis ins Erwachsenenalter hinein. Was wir von diesem Wissen für die Praxis der Sozialen Arbeit lernen können, formulieren wir in Handlungsempfehlungen aus.

Die Ergebnisse der Studie und die Lebensgeschichten der jungen Menschen können Sie unter

https://www.iss-ffm.de/fileadmin/assets/veroeffentlichungen/downloads/AWO-ISS-Langzeitstudie-VI.pdf

nachlesen. Die Studie kann als Druckversion gegen eine Postgebühr beim ISS über info@iss-ffm.de bestellt werden. Der Versand der bestellten Bücher erfolgt Ende März.

Quelle: Information Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. vom 14.03.2022

  • 75 % der Mütter erwerbstätig – Anteil binnen zehn Jahren um fünf Prozentpunkte gestiegen
  • Mütter jüngerer Kinder arbeiten in Deutschland doppelt so häufig Teilzeit wie im EU-Durchschnitt
  • Frauen häufiger armutsgefährdet als Männer

Ein großer Teil der erwerbstätigen Mütter steckt beruflich zurück. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, arbeiteten im Jahr 2020 zwei Drittel aller erwerbstätigen Mütter in Teilzeit (65,5 %). Bei Vätern in derselben Situation waren es zuletzt nur 7,1 %. Daran hat sich binnen zehn Jahren wenig verändert: 2010 lag die Teilzeitquote von Vätern bei 5,4 %, die von Müttern bei 64,2 %.

Anteil erwerbstätiger Mütter binnen zehn Jahren um gut fünf Prozentpunkte gestiegen

Mütter in Deutschland waren damit 2020 häufiger erwerbstätig (74,9 %) als zehn Jahre zuvor: 2010 lag der Anteil erwerbstätiger Mütter noch bei 69,3 %. Frauen mit Kindern stehen allerdings weiterhin deutlich seltener im Arbeitsleben als Männer in derselben familiären Situation: Der Anteil der erwerbstätigen Väter blieb im selben Zeitraum nahezu konstant und lag 2020 bei 90,2 %.  

Mütter mit jüngeren Kindern arbeiten in Deutschland fast doppelt so häufig Teilzeit wie im EU-Durchschnitt 

Vor allem für Eltern jüngerer Kinder ist die Vereinbarkeit von Beruf und Betreuung eine Herausforderung. Verglichen mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-27) ist die Teilzeitquote von Müttern jüngerer Kinder in Deutschland besonders hoch: 69,3 % der erwerbstätigen Frauen mit mindestens einem Kind unter 12 Jahren arbeiteten 2020 in Teilzeit, im EU-Durchschnitt waren es nur 33,9 %. Damit liegt Deutschland auf Platz 2 unter den EU-27, eine höhere Teilzeitquote bei Müttern haben nur die Niederlande (82,3 %). Zum Vergleich: Väter in Deutschland in derselben Situation reduzieren ihre Arbeitszeit nur selten, aber ebenfalls häufiger als im EU-Durchschnitt. Der Unterschied fällt bei einer Teilzeitquote von 7,6 % im Vergleich zu den EU-weiten 5,6 % allerdings geringer aus. 

Die hohe Teilzeitquote geht einher mit einer im EU-Vergleich etwas höheren Erwerbstätigkeit von Müttern in Deutschland. Frauen mit mindestens einem Kind unter 12 Jahren waren 2020 in Deutschland häufiger erwerbstätig (Anteil von 70,7 %) als im EU-Durchschnitt (68,2 %). 

Zwei von fünf Frauen im erwerbsfähigen Alter leben mit Kind(ern)

Mit mindestens einem Kind unter einem Dach lebten im Jahr 2020 zwei von fünf Frauen im erwerbsfähigen Alter (40,6 %). Darunter waren 6,9 % Alleinerziehende, die übrigen lebten mit Partner oder Partnerin zusammen. Bei Männern im selben Alter von 15 bis unter 65 Jahren ist der Anteil deutlich niedriger: Hier lebte nur ein Drittel (33,5 %) in einem Haushalt mit mindestens einem Kind. 

Frauen arbeiten häufig in durch die Corona-Krise belasteten Berufsbereichen

Während der Corona-Pandemie geriet nicht nur das Vereinbaren von Berufstätigkeit und Kinderbetreuung für viele Frauen zur Herausforderung – sie waren auch wegen ihrer Berufe überdurchschnittlich stark belastet, etwa wegen des erhöhten Ansteckungsrisikos. So waren in medizinischen Gesundheitsberufen nahezu vier von fünf Erwerbstätigen weiblich (78 %). Genauso hoch war der Anteil im Bereich nichtmedizinischer Gesundheit und Körperpflege. In sozialen Berufen wie im Erziehungsbereich, in denen das Ansteckungsrisiko vergleichsweise hoch ist, lag der Frauenanteil bei knapp 84 %. Auch in Verkaufsberufen arbeiteten mit einem Anteil von 70 % überdurchschnittlich viele Frauen. 

Frauen häufiger armutsgefährdet als Männer

Fast jede fünfte Frau in Deutschland (19,2 %) war im Jahr 2020 von Armut bedroht. Bei Männern lag die Armutsgefährdungsquote mit 17,7 % etwas niedriger. Besonders deutlich fallen die Geschlechterunterschiede bei jungen und älteren Menschen aus. In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen waren 32,7 % der Frauen armutsgefährdet sowie 25,4 % der Männer. Bei den über 65-Jährigen lag die Armutsgefährdungsquote für Frauen bei 22,6 %, die der Männer bei 18,2 %.   

Methodischer Hinweis:

Die Daten zur Erwerbstätigkeit von Eltern stammen aus dem Mikrozensus. Der Mikrozensus wurde 2020 methodisch neugestaltet. Die Ergebnisse ab dem Berichtsjahr 2020 sind deshalb nur eingeschränkt mit den Vorjahren vergleichbar. Ausführliche Informationen zu den Änderungen sowie den Auswirkungen der Neugestaltung und der Corona-Krise auf den Mikrozensus 2020 sind auf einer eigens eingerichteten Themenseite verfügbar. 

Bei den Ergebnissen zur Armutsgefährdung handelt es sich um erste Ergebnisse der europäischen Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) 2020. Diese Erhebung ist in Deutschland seit dem Erhebungsjahr 2020 als Unterstichprobe in den Mikrozensus integriert. Unter anderem wechselte sie damit von einer freiwilligen zu einer in Teilen auskunftspflichtigen Befragung. Aufgrund der umfangreichen methodischen Änderungen ist ein inhaltlicher Vergleich der Ergebnisse des Jahres 2020 mit den Vorjahren nicht möglich.

Eine Person gilt als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt (Schwellenwert der Armutsgefährdung). 2020 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1 173 Euro im Monat, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2 463 Euro im Monat. 

Weitere Informationen:

Weitere Ergebnisse der Erhebung EU-SILC 2020 sowie methodische Erläuterungen und Publikationen sind auf der Themenseite Lebensbedingungen und Armutsgefährdung verfügbar.

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 07.03.2022

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Die Analyse des Deutschen Familienverbandes zeigt: Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung macht Hoffnung auf gute familienpolitische Maßnahmen. Leider weist der Vertragstext bei entscheidenden Themen Schwächen auf.

„Die Bundesregierung hat sich ein großes Bündel familienpolitischer Arbeit vorgenommen. Gespickt mit vielen Versprechen. Im gesamten Querschnittsbereich der Familienpolitik kommen erhebliche Neuerungen auf Familien zu, sei es im Familienrecht, bei Steuern und Abgaben sowie in der Bildung oder im Wohnungswesen“, sagt Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes.

Ein herausragendes Manko des Koalitionsvertrages ist für den Deutschen Familienverband die stark erwerbsorientierte Ausrichtung der künftigen Familienpolitik. Gleich mehrfach nehmen die Ampel-Parteien in der Koalitionsvereinbarung Bezug darauf.

„Eine zukunftsgewandte Familienpolitik darf sich nur einem Ziel widmen. Sie muss Eltern und ihren Kindern ein Leben nach ihren eigenen Wünschen und Erfordernissen ermöglichen. Eine Familienpolitik, die sich der Wirtschaftspolitik unterordnet, wird konsequent scheitern”, sagt Zeh. „Im Koalitionsvertrag sehen wir Chancen für Familien. Gleichzeitig auch viele Klippen, die dringend umschifft werden müssen.“

Der DFV unterstützt wesentliche familienpolitische Vorhaben der Bundesregierung, die auf den Gesetzesweg gebracht werden sollten. Als positiv bewertet der Deutsche Familienverband:

  • Gesetzlicher Fortbildungsanspruch für Familienrichterinnen und Familienrichter
  • Bessere Unterstützung für ungewollt Kinderlose
  • Erhöhung des steuerlichen Ausbildungsfreibetrags für Eltern mit volljährigen Kindern in Ausbildung oder Studium
  • Dynamisierung des Pflegegeldes
  • Ausweitung von Informationen für Hilfesuchende im Rahmen der StGB 219a-Reform
  • Einführung eines digitalen Kinderchancenportals
  • Reform der Grunderwerbsteuer sowie Bau- und Investitionsoffensive zum Bau von 400.000 neuen Wohnungen, davon 100.000 öffentlich gefördert
  • Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029
  • Stärkung und Finanzierung der Schulsozialarbeit
  • Zweiwöchige vergütete Freistellung für den Partner nach Geburt eines Kindes
  • Investitionsprogramme zum Ausbau von Plätzen in den Kindertagesstätten

Mehrere familienpolitische Maßnahmen der Koalitionsregierung lehnt der Deutsche Familienverband ab oder sieht in der Umsetzung viele offene Fragen. Als kritisch bewertet der Deutsche Familienverband:

  • Fehlende Beitragsentlastung von Familien in der gesetzlichen Sozialversicherung (Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung). Das wären derzeit 240 Euro je Kind und Monat
  • Beitragserhöhungen in der Pflegeversicherung sowie steuerliche Kapitaldeckung der Rentenversicherung sollten nicht von Eltern mit Unterhaltspflichten getragen werden
  • Der Gleichstellungs-Check sollte durch eine Familienverträglichkeitsprüfung von Gesetzen ergänzt werden
  • Bei der Kindergrundsicherung müssen offene Fragen diskutiert werden. Was wird wie genau finanziert und wer hat rechtliche Ansprüche auf was? Für den Deutschen Familienverband lässt sich die Kindergrundsicherung schnell umsetzen: Höheres Kindergeld und die Einführung eines Kinderfreibetrages in der gesetzlichen Sozialversicherung
  • Eine Ausweitung der rentenrechtlichen Kindererziehungszeiten hat es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft
  • Werbung zum eigenen Vermögensvorteil oder grob anstößige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche lehnt der Deutsche Familienverband strikt ab (StGB 219a)
  • Kinderrechte sind bereits Bestandteil des Grundgesetzes (Art. 1 GG ff.). Wenn diese Rechte noch einmal bekräftigt werden sollen, dann muss sichergestellt sein, dass die elterliche Erstverantwortung gewahrt wird
  • Die CO2-Bepreisung wird das Heizen und die Mobilität für Familien in den nächsten Jahren stark verteuern
  • Kaum tatsächliche Entlastung beim stark besteuerten Strompreis
  • Elterngeld: seit 2009 gibt es keine Erhöhung des Basis-Elterngeldes
  • Familiengerechte Arbeitszeitmodelle im Koalitionsvertrag: Fehlanzeige
  • Bisher keine Anerkennung von Familienqualifikationen bei der Einstellung und Beförderung
  • Es fehlt ein Investitionsprogramm für bauwillige Familien. Das Baukindergeld sollte wieder aufgelegt werden

Weitere Informationen finden sich in der Analyse

Familienpolitische Analyse des Koalitionsvertrages von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (PDF)

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 18.02.2022

Die Strompreise haben Anfang 2022 ein nationales Rekordhoch erreicht. Besonders auf Familien mit mehreren Kindern kommen Preiserhöhungen im dreistelligen Bereich zu, wie der Deutsche Familienverband berechnet hat.

„Die Strompreisexplosion stellt Familien vor finanzielle Probleme. Eine Familie mit drei Kindern hat beim gleichen Vorjahresverbrauch eine Mehrbelastung von über 200 Euro zu befürchten“, sagt Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes.

Aufgrund der gestiegenen Preise an den Energiemärkten, Steuern, Abgaben und Umlagen sind die Verbraucherkosten für Strom, aber auch für Heizöl, Gas sowie Benzin und Diesel deutlich gestiegen. Diese hohen Kosten belasten nicht nur arme Haushalte, sondern zunehmend den Mittelstand.

„Die Lohnentwicklung, die mit 1,4 Prozent für 2022 prognostiziert wird, kommt mit den Strompreissteigerungen von 12,5 Prozent und der Inflation von 5,3 Prozent längst nicht mehr mit. Wenn es so weiter geht, wird Strom für Familien bald zum rationierten Luxusgut. Dazu kommen Preiserhöhungen bei Lebensmitteln, Mieten und bei den Autokraftstoffen“, so Zeh. „Die Politik muss ihrer Verantwortung gegenüber den Verbrauchern gerecht werden – und endlich handeln. Die Steuern müssen runter!“

Die langfristige Entwicklung des Strommarktes sieht der Deutsche Familienverband kritisch. Strom gehört neben Gas und Heizöl sowie Benzin und Diesel zur Grundversorgung, die für alle Familien bezahlbar bleiben muss. Sofern keine steuerlichen Maßnahmen getroffen werden, ist davon auszugehen, dass der Strompreis weiter steigen wird. Dafür sorgt alleine die CO2-Bepreisung, die sich automatisch jedes Jahr erhöht.

„Kein Land in den G20-Staaten hat höhere Strompreise als die Bundesrepublik. Kaufkraftbereinigt hat Deutschland sogar weltweit einen der teuersten Strompreistarife“, sagt Zeh.

Der Deutsche Familienverband fordert die Politik zu Entlastungen auf. Um den massiven Strompreissteigerungen entgegenzuwirken, müssen folgende Maßnahmen getroffen werden:

  • Abschaffung der EEG-Umlage bis Mitte des Jahres 2022
  • Senkung der Mehrwertsteuer für Strom auf 7 Prozent
  • Senkung der Stromsteuer auf den EU-rechtlich zulässigen Mindeststeuersatz
  • Familienklimafreibetrag bei der CO2-Bepreisung

Weitere Informationen

Berechnung des Deutschen Familienverbandes: Strompreisentwicklung (PDF)

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 16.02.2022

Anlässlich des 13. Wohnungsbau-Tages in Berlin fordert die Diakonie Deutschland von der Bundesregierung einen Kraftakt für bezahlbare Wohnungen. Das Branchentreffen steht in diesem Jahr unter dem Motto „Wohn-Inventur für Deutschland“.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

„Die Wohnsituation in Deutschland ist an vielen Orten desolat, die Mietsteigerungen in Ballungsräumen sind dramatisch, die Zahl der Sozialwohnungen nimmt immer weiter ab. Nicht nur Menschen mit geringen Einkommen sind davon betroffen. Auch Normalverdienende werden an die Stadtränder oder in unattraktive Lagen verdrängt. Eine neue Studie, vorgestellt auf dem Wohnungsbau-Tag, zeigt, dass jeder Zehnte auf zu engem Raum lebt, vor allem Familien mit Kindern finden keine angemessenen bezahlbaren Wohnungen. Barrierefreier Wohnraum fehlt für Ältere wie für Menschen mit Behinderung. Angemessene, bezahlbare Wohnungen sind eine zentrale Frage sozialer Gerechtigkeit. Wohnen ist ein Grundbedürfnis aller Menschen. Es ist zu begrüßen, dass die neue Bundesregierung 400.000 neue Wohnungen pro Jahr bauen will und sich im Koalitionsvertrag zum sozialen Wohnungsbau bekennt. Dafür braucht es einen Kraftakt, diese Ziele auch zügig mit entschlossenen Schritten anzugehen, damit alle Menschen angemessen wohnen und leben können.

Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen notwendig:

– Um Miet- und Baukosten zu reduzieren, sollte die Wohnungsgemeinnützigkeit wieder eingeführt werden. Gewinne müssen überwiegend in den Bestand oder Neubau von sozialem Wohnraum reinvestiert werden.

– Spekulationsgewinne mit Immobilien und Bauland sollten steuerlich weitgehend abgeschöpft werden.

– Leerständen oder Zweckentfremdung muss mit wirksamen rechtlichen Mitteln begegnet werden.

– Die Politik muss mehr Anreize für den Bau barrierefreier Wohnungen schaffen.

Weitere Informationen:

https://www.diakonie.de/bundestagswahl-2021/bezahlbarer-wohnraum

zum Wohnungsbautag:

https://www.impulse-fuer-den-wohnungsbau.de/wohnungsbautage/13-wohnungsbau-tag-2022.html

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 17.02.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk appelliert zum Start der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2022 an Staat und Zivilgesellschaft, sich konsequent für die Wahrung der Menschenwürde und gegen Rassismus einzusetzen. Dabei sollte nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes ein besonderer Fokus auf den Ausbau des antirassistischen Engagements von frühkindlichen und schulischen Bildungsinstitutionen gelegt werden. Dafür braucht es auch eine flächendeckende Verankerung kinderrechtsbasierter Demokratiebildung sowie diskriminierungssensibler und diskriminierungskritischer Bildung in der Fachkräfteausbildung und im Lehramtsstudium. Der Schutz vor Diskriminierung und der präventive Umgang damit muss somit institutionell verankert und für alle Beteiligten verpflichtend sein. So kann nachhaltig ein besseres gesellschaftliches Miteinander ermöglicht und entschiedener als bisher gegen jede Form von Rassismus angegangen werden.

„Rassistische Einstellungen und Verhaltensweisen gefährden und verletzen nicht nur Einzelpersonen, sondern bedrohen in zunehmendem Maße auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie in Deutschland, da sie den menschenrechtlichen Grundsätzen von Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung zuwiderlaufen. Sobald Grundrechte zur Disposition stehen, steht die Demokratie an sich in Frage“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes. Das Deutsche Kinderhilfswerk unterstützt die Internationalen Wochen gegen Rassismus 2022 als Kooperationspartner.

„Hier darf der Staat keinen Millimeter nachgeben und muss die Opfer von Rassismus und auch unsere Demokratie mit fester Entschlossenheit verteidigen, verbunden mit einer stärkeren Unterstützung durch eine verlässliche und dauerhafte Finanzierung der antirassistischen Arbeit von Betroffenenselbstorganisationen und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft. Und das möglichst früh: Beispiele wie das vom Deutschen Kinderhilfswerk koordinierte Kompetenznetzwerk ,Demokratiebildung im Kindesalter‘ zeigen auf, wie bereits im frühkindlichen Bildungsbereich kinderrechteorientierte Arbeit für Vielfalt und gegen Rassismus gefördert und vernetzt werden kann. Zudem braucht es die Anerkennung und Aufarbeitung struktureller Aspekte von Rassismus und Antisemitismus in Deutschland. Das geplante Demokratiefördergesetz der Bundesregierung kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten“, so Thomas Krüger.

Die Internationalen Wochen gegen Rassismus 2022 finden vom 14. bis 27. März statt und stehen unter dem Motto „Haltung zeigen“. Gemeinsam mit zahlreichen bundesweiten Organisationen und Einrichtungen – darunter das Deutsche Kinderhilfswerk – fordert die Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus dazu auf, sich an den Aktionswochen zu beteiligen und Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Botschafter für die Internationalen Wochen gegen Rassismus 2022 ist der Sportverein Eintracht Frankfurt.

Weitere Infos zu den Positionen des Deutschen Kinderhilfswerkes zum Thema Rassismus unter www.dkhw.de/positionspapier-gegen-rassismus.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 14.03.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk begrüßt die geplante Bundesratsinitiative, um Kinder und Schwangere besser vor den Gefahren des Passivrauchens in Autos zu schützen. Nach Messungen des Deutschen Krebsforschungszentrums ist die Giftstoffbelastung durch Raucherinnen und Raucher im Auto extrem hoch. Selbst bei leicht geöffnetem Fenster ist die Konzentration mancher toxischer Partikel teils fünfmal so hoch wie in einer durchschnittlichen Raucherkneipe. Deshalb reichen nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes Appelle allein nicht aus. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss hier endlich gesetzlich abgesichert werden.

„In vielen europäischen Ländern, beispielsweise in Frankreich, Finnland, Großbritannien, Italien und Österreich, ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Tabakrauch in Fahrzeugen bereits gesetzlich geregelt. Studien in Kanada, wo es in weiten Teilen des Landes bereits seit längerer Zeit ein entsprechendes gesetzliches Rauchverbot gibt, haben gezeigt, dass das Rauchen in Autos in Anwesenheit von Kindern dadurch deutlich abgenommen hat. Diesen Beispielen sollten wir umgehend folgen. Kinder haben nach der UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf ein erreichbares Höchstmaß an Gesundheit“, betont Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes, im Vorfeld der heutigen Bundesratsdebatte über den Gesetzesantrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zur Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes.

Laut Deutschem Krebsforschungszentrum sind rund eine Million Kinder in Deutschland Tabakrauch im Auto ausgesetzt. Ein Rauchverbot in Fahrzeugen, wenn Kinder mitfahren, befürwortet in zahlreichen Umfragen eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland. Eine Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages von Oktober 2015 kommt zu dem Ergebnis, dass ein Rauchverbot in Fahrzeugen mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vom 11.03.2022

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 04. – 06. April 2022

Veranstalter: Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V.

Die Veranstaltung wird im Digitalen stattfinden. Dabei wird ein Fokus auf der Rolle der Fachkräfte und auf den Konzepten „Empowerment“ und „Powersharing“ liegen. Was bedeuten diese Begriffe und was heißt es diskriminierungskritisch zu arbeiten? Welche Voraussetzungen braucht es, damit die Ermächtigung geflüchteter junger Menschen möglich wird? Gleichzeitig wird es auch um die Stärkung der Fachkräfte selbst gehen und um den Wissenstransfer und -austausch über etwa rechtliche Grundlagen für eine informierte Arbeit mit jungen Geflüchteten.

Die Frühjahrstagung richtet sich vor allem an Mitarbeitende von Jugendämtern, Trägern der Jugendhilfe, Beratungsstellen, Vormund*innen und andere Personen, die mit jungen geflüchteten Personen arbeiten. Sie bietet Raum für vertiefenden Austausch über die Arbeit mit unbegleiteten und begleiteten Minderjährigen und jungen Volljährigen. Das Ziel der Veranstaltung ist zudem die bundesländerübergreifende Vernetzung zwischen Fachkräften. Eine Tagungsdokumentation wird die Ergebnisse unserer Diskussionen über den Rahmen der Veranstaltung hinaus verfügbar machen.

Zu Programm und Anmeldung

Termin: 26. April 2022

Veranstalter: VPK –  Bundesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe e.V.

Ort: Aalen

In dem Anfang des vergangenen Jahres in Kraft getretenen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) wird der Inklusionsanspruch in der Kinder- und Jugendhilfe programmatisch verankert. Damit einher gehen neue Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch viele Fragen hinsichtlich der praktischen Umsetzung – angefangen bei der Organisations- sowie Angebotsentwicklung bis hin zu notwendigen Weiterqualifizierungen der Fachkräfte.

Das VPK-PODIUM 2022 greift diese und weitere Aspekte auf, um einerseits Fragestellungen zu den Grundlagen im SGB VIII und der UN-Behindertenrechtskonvention zu formulieren und anderseits Mitarbeitenden aus Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe konkrete Hilfestellungen für die Umsetzung von Inklusion im Einrichtungsalltag zu geben.

So werden die oben genannten Grundlagen durch die Vorträge von Prof. Dr. Jan Kepert und Prof. Dr. Benedikt Hopmann vorgestellt und erläutert. Im Anschluss an die Mittagspause soll den Teilnehmenden in zwei parallel stattfindenden Workshops die Möglichkeit zum Austausch darüber gegeben werden, wie sich der nun vorgezeichnete Weg zur erfolgreichen Umsetzung von inklusiven Lösungen in der Praxis in den nächsten Jahren wirkungsvoll gestalten lässt. Dabei wirft Katrin Peters, Bereichsleiterin bei Projekt PETRA, einen Blick auf die multiprofessionelle Zusammenarbeit zwischen den Systemen Jugendhilfe und Schule. Fabian Erhardt, Leiter der Einrichtung Sozialpädagogische Wohngruppen, berichtet von Chancen und Fallstricken der bereits etablierten inklusiven Arbeit im Alltag seiner Einrichtung.

 

WEITERE INFORMATIONEN

Was passiert gerade in der Ukraine? Und was ist überhaupt Krieg?
Das sind Fragen, die Kinder und Jugendliche jetzt Zuhause sowie in der Schule stellen und die gut beantwortet werden wollen. Eltern und Pädago:innen stehen vor der Herausforderung, Kindern die aktuelle Situation zu erklären und ihnen Ängste zu nehmen. Wir möchten sie dabei unterstützen.
Unsere Expertin für Persönlichkeitsentwicklung, Annekathrin Schmidt, und eine Psychotherapeutin geben Rat. Das Interview finden Sie hier.