ZFF-Info 14/2022

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AUS DEM ZFF

Anlässlich seiner Fachtagung „Sorgearbeit – selbstverständlich weiblich? Close the Care Gap!“ am 9. November gibt das Bündnis Sorgearbeit fair teilen Ergebnisse einer repräsentativen YouGov-Umfrage bekannt.

Das ZFF ist einer von 26 Mitgliedsverbänden des zivilgesellschaftlichen Bündnisses Sorgearbeit fair teilen. Das Bündnis setzt sich für die geschlechtergerechte Verteilung unbezahlter Sorgearbeit im Lebensverlauf ein. Seine Mitgliedsverbände haben sich zum Ziel gesetzt, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft für den Gender Care Gap und seine Auswirkungen zu sensibilisieren und sich für die Schließung der Sorgelücke einzusetzen.

Die Pressemitteilung des Bündnisses finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 10.11.2020

Bis zu 25.000 € mehr ist dem Staat künftig ein Kind von Spitzenverdienern bis zur Volljährigkeit wert. Diese Ungerechtigkeit durch das komplexe System der Kinderfreibeträge ist kaum bekannt. Durch das Inflationsausgleichsgesetz wird diese Schieflage fortgeschrieben. Denn dort werden neben dem Kindergeld erneut die Kinderfreibeträge erhöht. Das BÜNDNIS KINDERGRUNDSICHERUNG fordert von der Bundesregierung, stattdessen zielgerichtete Entlastungen für arme Familien und ihre Kinder und das Ende der unfairen Familienförderung.

Die vollständige Pressemitteilung des Bündnisses finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 10.11.2020

Anlässlich der heutigen Anhörung des Familienausschusses im Deutschen Bundestag bedauert das Zukunftsforum Familie (ZFF), dass mit der Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie keine nachhaltigen Verbesserungen für die Vereinbarkeit geplant sind und fordert die zügige Einführung einer Freistellung für den zweiten Elternteil nach der Geburt. 

Mit der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie sind wichtige Impulse für Verbesserungen von Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Mitgliedstaaten auf den Weg gebracht worden. Die Bundesregierung erkennt allerdings nur einen geringen Umsetzungsbedarf und beschränkt sich auf wenige gesetzliche Änderungen. Es sind geringfügige Verbesserungen im Elterngeld- und Elternzeitgesetz sowie Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz vorgesehen, die insbesondere sorgetragende Beschäftigte in Kleinbetrieben betreffen. Voraussetzung in diesen Fällen bleibt aber weiterhin die Zustimmung der Arbeitgeber*innen – somit werden auch diese Verbesserungen kaum bei Familien ankommen.

Lisa Sommer, Referentin des ZFF, erklärt dazu: „Es ist bedauerlich, dass die Bundesregierung mit der Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie die Gelegenheit für weitreichende Verbesserungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verpasst hat. Junge Eltern wollen Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlicher aufteilen, sie brauchen von Anfang an entsprechende Rahmenbedingungen.

Laut Koalitionsvertrag haben die Ampelparteien ambitionierte Maßnahmen für mehr Partnerschaftlichkeit geplant – wie die Freistellung nach Geburt des Kindes für den zweiten Elternteil. Diese familienpolitische Leistung muss jetzt endlich zügig umgesetzt werden, denn die Zeit nach Geburt des Kindes ist eine ganz besondere Phase im Familienleben. Eine Freistellung gibt Vätern und zweiten Elternteilen den notwendigen Raum für den Aufbau und die Stärkung der Bindung zum Kind. Sie würde genauso Mütter entlasten, die im Wochenbett auf umfassende Unterstützung angewiesen sind. Darüber hinaus trägt die Regelung aus Sicht des ZFF das Potential, auch längerfristig partnerschaftliche Wirkung zu entfalten und kann u. a. einen Anreiz für eine längere Elternzeit des zweiten Elternteils setzen.“

Lisa Sommer ist heute als Sachverständige bei der Sitzung des Familienausschusses geladen. Die öffentliche Anhörung wird zeitversetzt am 08. November um 13 Uhr unter www.bundestag.de übertragen.

Die Stellungnahme des Zukunftsforum Familie e.V. anlässlich der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 07. November 2022 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur weiteren Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates“ sowie zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. „28 Tage Elternschutz für den zweiten Elternteil ab Geburt des Kindes einführen“ (BT-Drs. 20/2688) finden Sie hier

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 07.11.2020

Als nicht weitgehend genug bewerten Sachverständige die von der Bundesregierung geplante Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Montagnachmittag deutlich. Der Gesetzentwurf (20/3447) sieht unter anderem vor, dass Arbeitgeber in Kleinbetrieben ihren Beschäftigten, die den Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegzeitgesetz beantragen, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zugang des Antrages antworten müssen. Im Fall einer Ablehnung des Antrags sei diese zu begründen. Ein Anspruch auf Freistellung sei nicht geplant.

Bewertet wurde bei der Anhörung auch ein Antrag der Linksfraktion (20/2688). Darin wird die Einführung einer 28-tägigen Freistellung von der Arbeit für den zweiten Elternteil ab Geburt des Kindes bei 100-prozentiger Entgeltfortzahlung gefordert.

Dörthe Gatermann vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge bewertete es positiv, dass künftig auch in Kleinbetrieben angestellte Eltern unterstützt würden. Zwar gebe es weiterhin keinen Rechtsanspruch auf eine Freistellung, doch werde bei Ablehnung zumindest eine Begründung des Arbeitgebers gefordert. Damit könne die Verhandlungsposition pflegender Angehöriger gestärkt und eine vermehrte Bewilligung solcher Freistellungsanträge bewirkt werden, sagte Gatermann. Diese Maßnahmen reichten aber nicht aus, um den wachsenden Bedarf nach Unterstützung pflegender Angehöriger zu decken. Benötigt werde unter anderem eine Harmonisierung der Schwellenwerte auf 15 Beschäftigte, befand sie. Derzeit gelten im Pflegezeitgesetz Unternehmen mit bis zu 15 Beschäftigten als Kleinbetriebe während beim Familienpflegzeitgesetz der Schwellenwert bei 25 Beschäftigten liegt.

Auch Ulrike Gebelein von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßte die vorgesehenen Begründungspflichten sowie das Vorhaben, pflegende Angehörige unter den Schutz der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu stellen. Die Umsetzung der EU-Richtlinie dürfe aber durch den Gesetzentwurf nicht als abgeschlossen gelten, warnte sie. Es brauche eine mindestens zehntägige Freistellungsregelung für Väter oder den gleichgestellten zweiten Elternteil nach der Geburt. Eine Verankerung dieses Rechtsanspruches sollte im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz erfolgen.

Die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie sei nicht umgesetzt, da es keine bezahlte Freistellung für Väter nach der Geburt gebe, sagte Elke Hannack vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). In Krisenzeiten bei Familien den Rotstift anzusetzen, sei aus familien- und gleichstellungspolitischer Sicht ein Fehler, sagte die DBG-Vertreterin. Auch für pflegende Angehörige enttäusche der Gesetzentwurf, weil an den Schwellenwerten bei Kleinbetrieben festgehalten werde. Der in der EU-Richtlinie vorgegebene Kündigungsschutz greife daher nicht, kritisierte Hannack. Hier müsse nachgebessert werden, indem die Schwellenwerte abgeschafft werden, verlangte sie.

Die Sozialwissenschaftlerin Lena Hipp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung bedauerte, dass das „Gelegenheitsfenster“, das sich durch die Umsetzung der Richtlinie geöffnet habe, nicht ausreichend genutzt worden sei, um tatsächliche Vereinbarkeit voranzutreiben. So wäre es aus ihrer Sicht sinnvoll, aus den zwei Partnermonaten bei der Elternzeit vier Monate zu machen. Ihren Studien zufolge würde eine Vielzahl von Vätern diese auch wahrnehmen. Hipp ging auch auf Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt ein, unter denen Frauen mit Kindern zu leiden hätten. Elternschaft, so ihre Forderung, müsse daher als geschütztes Merkmal in das Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen werden.

Dag Schölper vom Bundesforum Männer, dem Interessenverband für Jungen, Männer und Väter, sprach mit Blick auf den Verzicht des in der Richtlinie vorgegebenen „Vaterschaftsurlaubs“ von einer „Leerstelle im Gesetzentwurf“. Diese durch die Vereinbarkeitsrichtlinie vorgesehene Leistung habe einen eigenständigen Anspruchscharakter und sei eben nicht bereits durch die aktuellen Elterngeld- und Elternzeit-Regelungen abgedeckt, sagte er. Die Einführung eines solchen neuen und eigenständigen Anspruchs jenseits der bereits bestehenden Regelungen zu Elterngeld und Elternzeit könne einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Vater-Kind-Bindung von Anfang an zu stärken, die Väterbeteiligung an der Sorgearbeit zu erhöhen, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu verbessern und Müttern mehr Erwerbsperspektiven zu eröffnen, betonte Schölper.

Anders bewertet das Kerstin Plack von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Der Vaterschaftsurlaub müsse richtigerweise aufgrund einer Aussetzungsklausel in Artikel 20 Absatz 7 der Richtlinie in Deutschland nicht umgesetzt werden, sagte sie. Es sollte aus Sicht der BDA nicht auf anderer Grundlage zu einer solchen überzähligen Regelung kommen. Plack bewertete auch das für das Pflege- und das Familienpflegezeitgesetz vorgesehene Antragsverfahren zur Vereinbarung einer Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Kleinbetrieben als „zu weitgehend“. Die Schwellenwerte von Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz, sowie Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz hätten ihren Grund in der deutlich geringeren personellen wie finanziellen Belastbarkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Diese können Mitarbeiterausfälle aufgrund der dünneren Personaldecke häufig nicht durch eine Umverteilung oder Umorganisation abfangen.

Lisa Sommer vom Zukunftsforum Familie befand indes, dass der entsprechende Anspruch auf alle Betriebsgrößen ausgeweitet werden müsse, „sodass alle Beschäftigte Auszeiten oder eine Verringerung der Arbeitszeit für die Pflege von Angehörigen tatsächlich nutzen können“. Bedauerlich sei auch, dass mit der Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie nicht die Möglichkeit genutzt worden sei, umfassendere Verbesserungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerade in der frühen Familienphase zu initiieren wie etwa eine bezahlte Freistellung für zweite Elternteile, die explizit mit der Geburt des Kindes verknüpft sein sollte.

Beim Dax-Unternehmen SAP gib es laut Unternehmensvertreterin Nina Straßner seit 2020 eine „Väterzeit“. Während der gesetzlichen, achtwöchigen Mutterschutzzeit nach der Geburt bestehe bei SAP Deutschland für länger als sechs Monate im Unternehmen beschäftigte Väter die Möglichkeit, für 20 Prozent ihrer Arbeitszeit bezahlt freigestellt zu werden, sagte sie. Das Angebot werde sehr gut angenommen. In den ersten 15 Monaten hätten mehr als 500 Väter und weniger als zehn gleichgeschlechtliche Elternpaare das Angebot in Anspruch genommen, „wobei durch die Verankerung als bezahlte Freistellung kein zusätzliches Budget aufgewendet werde musste“.

Quelle: Pressemitteilung  hib – heute im Bundestag Nr. 625 vom 07.11.2022

SCHWERPUNKT I: Mehrkindfamilien

Mehrkindfamilien in Deutschland sehen sich häufig mit zwei Vorurteilen konfrontiert. Entweder gelten sie als privilegiert und vermögend, weil sie genug Geld für drei oder mehr Kinder aufbringen können. Oder sie werden als von Sozialleistungen abhängige „Problemfälle“ dargestellt. Doch tatsächlich sind Mehrkindfamilien übergangene Leistungsträger:innen der Gesellschaft. Sie brauchen aber gezieltere Unterstützung.

Wer in Deutschland in einer Familie mit mehreren Kindern lebt, ist häufiger von Armut betroffen, als das in Haushalten mit weniger Kindern der Fall ist. Fast ein Drittel (32 Prozent) aller Familien mit drei oder mehr Kindern gilt als einkommensarm, knapp 18 Prozent beziehen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Der Blick auf die Länderebene unterstreicht diesen Befund: Über alle Bundesländer hinweg haben Paarfamilien mit drei und mehr Kindern ein fast dreimal so hohes Armutsrisiko wie Paarfamilien mit zwei Kindern. Am häufigsten sind Mehrkindfamilien in Bremen (63 Prozent) von Armut betroffen, in Bayern ist das Risiko am geringsten (22 Prozent). Besonders schwierig ist die Lage für alleinerziehende Familien mit drei und mehr Kindern: Über 86 Prozent von ihnen sind auf Sozialtransfers angewiesen. Wie aus unserer neuen Studie „Mehrkindfamilien gerecht werden“ ebenfalls hervorgeht, sind Kinder aus kinderreichen Familien besonders häufig von Armut betroffen: Mit 46 Prozent lebt fast die Hälfte aller Kinder in Mehrkindfamilien im SGB II-Bezug.

In den insgesamt 1,3 Millionen Mehrkindfamilien in Deutschland – das entspricht etwa jeder sechsten Familie – stehen die Eltern in besonderer Weise vor der Herausforderung, Beruf und Kinderbetreuung miteinander zu vereinbaren. Die Erwerbstätigkeit beider Elternteile nimmt mit steigender Kinderzahl ab; in Familien mit drei und mehr Kindern liegt sie deutlich niedriger als bei Eltern mit einem oder zwei Kindern. Insgesamt ist in Mehrkindfamilien häufiger als in anderen Familien der Vater Hauptverdiener, während die Mutter dazu verdient. Die Mütter wenden im Durchschnitt aber auch pro Tag rund doppelt so viel Zeit für die Kinderbetreuung auf wie die Väter. Erst mit zunehmendem Alter der Kinder weiten Mütter – wie in anderen Familien auch – ihre Erwerbsbeteiligung aus. Zudem zeigen die Daten, dass rund 70 Prozent der Mütter von drei und mehr Kindern gut bis sehr gut ausgebildet sind. Das widerlegt das Klischee, Eltern von Mehrkindfamilien hätten überwiegend einen niedrigen Bildungsstand.

Kinderarmut durch Unterstützung von Mehrkindfamilien bekämpfen

„Da die Betreuung und Erziehung von drei und mehr Kindern viel Zeit kostet, können Eltern ihre Erwerbstätigkeit kaum ausweiten, sondern müssen sie meistens sogar reduzieren“, so Anette Stein, Direktorin des Programms Bildung und Next Generation. Für viele Familien stelle das angesichts der fehlenden Betreuungsmöglichkeiten und steigenden Lebensmittelkosten eine immer größere Herausforderung dar. „Die soziale Situation von Mehrkindfamilien muss viel stärker ins Blickfeld rücken – vor allem auch deshalb, um die Kinderarmut in Deutschland entschlossen zu bekämpfen“, appelliert die Expertin. Um ein besseres Verständnis für die Lebenswirklichkeit und die Bedarfe von Mehrkindfamilien zu gewinnen, haben Sabine Andresen, Professorin für Familienforschung an der Goethe-Universität Frankfurt, und ihr Team 20 von ihnen ausführlich befragt. Dabei wurde deutlich, dass die Sorge um finanzielle Engpässe als auch um ausreichend bezahlbaren Wohnraum Mehrkindfamilien ständig begleitet. Zudem beklagen sie Benachteiligungen im Alltag, da zum Beispiel Familientickets im öffentlichen Personennahverkehr, im Schwimmbad oder im Zoo häufig auf die klassische Zwei-Kind-Familie ausgerichtet sind. Eine zusätzliche Belastung stellen Vorurteile und Stigmatisierungen dar, denen sich Mehrkindfamilien häufig ausgesetzt sehen.

Die soziale Situation von Mehrkindfamilien muss viel stärker ins Blickfeld rücken – vor allem auch deshalb, um die Kinderarmut in Deutschland entschlossen zu bekämpfen.

Anette Stein, Direktorin des Programms Bildung und Next Generation der Bertelsmann Stiftung

„Mehrkindfamilien sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert“

„Mehrkindfamilien sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert; übersehen werden dabei ihre enormen Leistungen für die Gesellschaft“, betont Sabine Andresen. „Wer drei Kinder oder mehr großzieht, sorgt im Umkehrschluss dafür, dass der Generationenvertrag unserer solidarisch organisierten Sozialversicherungssysteme funktioniert. Ohne die Care-Arbeit der Eltern, vor allem der Mütter, die dafür häufig auf die eigene Karriere und damit ausreichende Altersvorsorge verzichten, wäre das nicht möglich. Schon deshalb schulden wir diesen Familien eine gezielte Unterstützung, mehr Wertschätzung sowie die Überwindung von Klischees.“

Um Kindern in Mehrkindfamilien ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen und ihnen bessere Chancen auf Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu eröffnen, plädieren wir weiterhin mit Nachdruck für die Einführung einer Kindergrundsicherung, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Hierauf hätte jedes Kind Anspruch, unabhängig von der Familienform und der Zahl der Geschwister. Wichtig ist, dass damit die tatsächlichen, altersgerechten Bedarfe von Kindern und Jugendlichen gedeckt werden. Kurzfristig sind angesichts der rasant steigenden Verbraucherpreise zudem schnelle und unbürokratische Entlastungen gerade für kinderreiche Familien vonnöten. Bei Angeboten und Vergünstigungen für Familien in Bereichen wie Mobilität, Freizeit, Sport und Kultur müssen die speziellen Bedürfnisse dieser Familienform stärker mitgedacht werden.

Erleichterungen bedarf es auch in der Betreuung und Erziehung. Neben einem Ausbau der Angebote in der Kindertagesbetreuung sollte die Care-Arbeit von Müttern und Vätern – in allen Familienformen – gesellschaftlich stärker anerkannt und gerechter zwischen den Geschlechtern aufgeteilt werden. Langfristig wäre Mehrkindfamilien damit geholfen, wenn sich Politik, Wissenschaft und Gesellschaft von der Norm der Zwei-Kind-Familie lösen würden. Denn Mehrkindfamilien sind vielfältig, was bei politischen Maßnahmen ebenso wie in der öffentlichen Wahrnehmung sowie in der Forschung konsequent berücksichtigt werden sollte.

Studie

Mehrkindfamilien gerecht werden

Factsheet: Mehrkindfamilien in Deutschland

Quelle: Pressemitteilung Bertelsmann Stiftung vom 10.11.2022

Zur Bertelsmann-Studie zu Mehrkindfamilien erklärt Nina Stahr, Sprecherin für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie Mitglied im Ausschuss für Familie, Senior*innen, Frauen und Jugend:

Mit jedem Kind steigt das Armutsrisiko in Deutschland. Besonders gravierend ist dies für alleinerziehende Mehrkindfamilien. 1,3 Millionen Mehrkindfamilien gibt es in Deutschland. Mehr als jedes vierte Kind wächst in dieser Familienform auf. Dennoch sind sie viel zu selten Mittelpunkt der politischen Debatte. Aus diesem Grund ist die vorliegende Studie der Bertelsmann-Stiftung so wichtig. Sie zeigt: Mehrkindfamilien leisten Unglaubliches auch mit Blick auf unseren Generationenvertrag. Dennoch sind sie besonders von Diskriminierung und Vorurteilen betroffen. Sie und besonders die Mütter verzichten häufig für ihre Kinder auf Einkommen, Zeit für sich und eine ausreichende Altersvorsorge. Und das, obwohl 70 Prozent der Mehrkindmütter gut bis sehr gut ausgebildet sind. Die aktuellen Krisen – Inflation, steigende Energiepreise, Corona-Pandemie – belasten sie besonders.

Mehrkindmütter leisten einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Deshalb setzen wir uns in der Ampelkoalition mit dem Kita-Qualitätsgesetz, der Fachkräfteoffensive und der Einführung des Rechts auf einen Ganztagsplatz in Grundschulen für eine verlässliche frühkindliche Bildung ein. Damit schaffen wir gerade auch für Eltern mit mehreren Kindern Zuverlässigkeit, dass sie Job und Familie unter einen Hut bringen können. Zudem arbeiten wir aktuell mit Hochdruck an der Kindergrundsicherung. Mit ihr erhält jedes Kind unabhängig von der Familienform die Leistungen, auf die es einen Anspruch hat. Wichtig dabei für Mehrkindfamilien mit knappen Zeitressourcen: die automatische Berechnung und Auszahlung.

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 10.11.2022

Die heute veröffentlichte Studie zu Familien mit drei Kindern und mehr („Mehrkindfamilien gerecht werden“, Bertelsmann Stiftung 2022) trifft auf Wohlwollen beim Deutschen Familienverband (DFV). Der Verband ist nicht nur traditionell den Mehrkindfamilien zugeneigt – vor 100 Jahren gründete sich der DFV als Selbsthilfeorganisation kinderreicher Familien. Schon lange weist der DFV darauf hin, dass die wissenschaftliche Studienlage zu Familien mit mehr als drei Kindern unzureichend ist. Die veröffentlichte Studie hilft dabei, wissenschaftliche Lücken zu schließen.

„Die krisenhafte demographische Entwicklung hat vor allem damit zu tun, dass wir in Deutschland zu wenige kinderreiche Familien haben“, sagt Sebastian Heimann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes. „Familien mit drei und mehr Kindern müssen von der Politik nicht nur intensiver berücksichtigt werden. Der Staat muss Paaren grundsätzlich mehr Mut zu mehr Kindern machen.“

Fehlende politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Mehrkindfamilien führt viel zu lange zu ungeeigneten Wohnverhältnissen, finanziellen Schwierigkeiten, Betreuungsproblemen und anderen Nachteilen. Neben Vorurteilen und Stigmatisierung ist es nicht verwunderlich, dass sich immer weniger Familien für mehr als zwei Kinder entscheiden. Deutschland ist kein Land, dass kinderreiche Familien schätzt und unterstützt.

Wie der DFV mit den Elternklagen macht die Studie auf die Bedeutung von Familien für das umlagefinanzierte Sozialsystem aufmerksam. Mit der Erziehung von Kindern sorgen insbesondere Mehrkindfamilien dafür, dass der gesetzlichen Renten-, Pflege- und Krankenversicherung die Beitragszahler nicht ausbleiben und der Generationenvertrag aufrechterhalten wird.

„Es ist richtig, wenn die Autorinnen der Studie feststellen, dass die kürzlich vom Bundesverfassungsgericht geforderte proportional mit Anzahl der Kinder steigende Entlastung von Eltern in der Pflegeversicherung nur ein kleiner Schritt ist“, sagt Heimann. Der Deutsche Familienverband und der Familienbund der Katholiken zeigen in ihrem jährlich veröffentlichten Horizontalen Vergleich, dass gerade Sozialabgaben kinderreiche Familien belasten und unter das Existenzminimum drücken.

„Jede Reform, die zum Ziel hat, kinderreiche Familien zu entlasten, muss bei den Sozialabgaben anfangen. Eine Kindergrundsicherung wird die Kinder- und Familienarmut in Deutschland nicht lösen. Wie es derzeit scheint, ist die Kindergrundsicherung nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen“, so Heimann.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 10.11.2022

zu den heute veröffentlichten Zahlen der Bertelsmann-Stiftung zu Kinderarmut in Mehrkindfamilien erklärt Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes:

„Die Zahlen der Bertelsmann-Stiftung zeigen einmal mehr ganz deutlich: Mehrkindfamilien haben ein erhöhtes finanzielles Armutsrisiko. Ein Mindestlohn von zwölf Euro sorgt zwar dafür, dass Erwerbstätige allein über die Runden kommen. Mit jedem Kind, das in eine Familie mit geringem Einkommen geboren wird, steigt aber das Risiko auf die in der Regel unzureichenden Sozialleistungen des Staates angewiesen zu sein. Wer will, dass Arbeit sich lohnt, muss sich deshalb für eine armutsfeste Kindergrundsicherung einsetzen. Ich rufe insbesondere die Union und Herrn Merz auf, die Angriffe auf das geplante Bürgergeld einzustellen und stattdessen für eine gute Kindergrundsicherung einzutreten.“

Quelle: Pressemitteilung Der Kinderschutzbund – Bundesverband e.V. vom 10.11.2022

Mehr als ein Viertel der Kinder in Deutschland wächst mit zwei oder  mehr Geschwistern auf Mehrkindfamilien sind so vielfältig wie andere  Familien auch. Es gibt besonders reiche und besonders arme Familien  darunter, Alleinerziehende, Migrant:innen, Lebensgemeinschaften, Regenbogenfamilien.
Die evangelische arbeitsgemeinschaft familie sieht sich durch die  Ergebnisse der heute veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung  in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Interessen von Mehrkindfamilien in unserer Gesellschaft deutlich besser wahrgenommen werden müssen. „Es braucht ein Umdenken in Politik und Wirtschaft – also  eine Abkehr von der Zwei-Kind-Norm“, so Präsident Dr. Martin Bujard. „Familienangebote, die sich nicht automatisch auch auf Familien mit  mehr als zwei Kinder beziehen, haben die Bezeichnung  „familienfreundlich“ nicht verdient.“

Die in der Studie vorgestellten Reformvorschläge in Bezug auf  Generationenvertrag, Armutsbekämpfung und Kindergrundsicherung  finden die volle Unterstützung der eaf. Der evangelische Familienverband weist insbesondere darauf hin, dass mehr Kinder in  einer Familie aber auch deutlich mehr Sorgearbeit bedeuten:
„Gerade Familien mit mehr als zwei Kindern brauchen eine ihnen  zugewandte Zeitpolitik. Wir benötigen Lösungen, die ausreichend Zeit  für Sorgearbeit in der Familie ermöglichen, die Vereinbarkeit Familie  und Beruf erleichtern und Partnerschaftlichkeit individuell gestalten  lassen. Unser Konzept für eine Dynamische Familienarbeitszeit soll  auch den vielfältigen Bedürfnissen von größeren Familien gerecht  werden“, so Bujard.

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 10.11.2022

Die Forschungslage über kinderreiche Familien ist überschaubar. In Berechnungen und Statistiken werden sie zu wenig berücksichtigt, auch wenn sich in den letzten zehn Jahren manches verbessert hat. Zu oft mangelt es an verwertbaren Daten. 2019 erschien die letzte wissenschaftliche Studie über dieses Familienmodell. „Vor diesem Hintergrund freuen wir uns sehr darüber, dass die Bertelsmann-Stiftung diese Daten erhoben und ausgewertet hat. Sie bestätigt unsere Erkenntnisse und Lösungsansätze ohne Ausnahme,“ freut sich die Vorsitzende des Verbands kinderreicher Familien Deutschland, Dr. Elisabeth Müller. „Die Berichte, Haltungen und Lebensleistungen dieser Familien wirken inspirierend und bereichern persönliche Lebensperspektiven.“ Gerade ein gutes Netzwerk und die Möglichkeit zu niederschwelligen Austausch über familiäre Bedarfe ist eine wichtige Zugangsressource zu Information für Eltern. So wird der Verband immer wieder als wichtige Plattform für die Kommunikation von Information und die Vertretung von Interessen kinderreicher Familien vor allem gegenüber der Politik genannt.

Die von Prof. Dr. Sabine Andresen (Goethe-Universität Frankfurt am Main) begleitete qualitative Studie gibt einen „live-Einblick“ (S. 22) in den Alltag von Mehrkindfamilien – mit leisen und lauten Tönen, Glücksmomenten und Freuden. Der Umgang mit Ressourcen sowie Herausforderungen und Belastungssituationen wird dabei nicht beschönigt, sondern in Relation gesetzt. „Entstanden sind Beobachtungen und Fakten, die unsere Wahrnehmung und Erfahrungen sowohl auf Verbands- als auch auf persönlicher Ebene abbilden. Dass unser Familienmodell bereichernd ist, wurde nun verschriftlicht“, so Müller. „Die ausführlichen Erzählungen und Einblicke in das Leben der Mehrkindfamilien sind für uns nicht überraschend. Sie zeugen von einer großen Authentizität, hohem Verantwortungsbewusstsein und von ausgeprägtem Reflektionsvermögen kinderreicher Eltern.“

Eltern von drei und mehr Kindern bewältigen einen anspruchsvollen Alltag. Sie verzichten zugunsten ihrer Kinder auf Einkommen, eigene Karrieren und häufig auf eine ausreichende Altersvorsorge. Das verdient Anerkennung und Wertschätzung. Denn sie sind Leistungsträger:innen unserer Gesellschaft, auch indem sie einen großen Beitrag zum sozialstaatlichen Generationenvertrag beisteuern, heißt es in der Studie. Vor diesem Hintergrund darf das Lebensmodell „familie3plus“ nicht mehr argwöhnisch und stiefmütterlich betrachtet werden. Müller fordert deshalb: „Es ist an der Zeit, Vorurteile und Stigmatisierungen gegenüber abzulegen. Was es braucht, ist eine passgenaue Familienpolitik, die Mehrkindfamilien in den Mittelpunkt der Gesellschaft rückt und den hohen Wert der Care-Arbeit samt des reichen Schatzes an Erfahrungen und vielfältigen Ressourcen, die in kinderreichen Familien stecken, anerkennt. Hierfür braucht es neben der notwendigen Wertschätzung auch finanzielle Unterstützung, damit die Entscheidung für ein drittes oder weiteres Kind nicht zum Armutsrisiko wird, denn die Studie zeigt, dass dieses bei Mehrkindfamilien fast viermal so hoch ist wie bei Zweielternfamilien mit einem Kind. Vor diesem Hintergrund ist es besonders unverständlich, dass die geplante Kindergelderhöhung zum 1.1.2023 nur das erste bis dritte Kind berücksichtigt. Aus unserer Sicht ist eine deutliche Erhöhung des Kindergelds ab dem dritten Kind dringend notwendig.“

Mehrkindfamilien sind vielfältig. Ihre spezifischen Bedarfe sollten bei politischen Maßnahmen ebenso wie in der Forschung und bei Datenerhebungen konsequent mitgedacht werden. Dies geschieht viel zu wenig. Musterberechnungen für Transferleistungen beispielsweise werden in der Regel nur für Eltern mit ein oder zwei Kindern erstellt. Mehrkindfamilien erfassen so nur schwer, was politische Entscheidungen für ihre zukünftige finanzielle Situation bedeuten.

Der Verband dankt allen beteiligten Familien für ihre Bereitschaft und Offenheit, Einblicke in ihren Alltag zu gewähren. Unser besonderer Dank gilt der Bertelsmann Stiftung und dem Forschungsteam um Frau Prof. Sabine Andresen. Sie verleihen mit ihrer Arbeit ca. 1,3 Millionen Familien mit drei und mehr Kindern, das entspricht fast sieben Millionen Menschen, in Deutschland eine Stimme.

Die Studie verleiht der Erziehungs- und Lebensleistung von Mehrkindmüttern- und -vätern großen Respekt und Anerkennung; sie gibt ihnen eine Stimme. „Mit diesem Rückenwind und der Bestätigung unserer Arbeit wünschen wir uns eine größere politische Rückendeckung und Ressourcen, die den Verband als Anlaufstelle für Mehrkindfamilien sichtbarer machen. Wir werden auch in Zukunft unsere Zielgruppe bestmöglich beraten, unterstützen und miteinander vernetzen“, so die Vorsitzende. Diese Veröffentlichung trägt zur Sichtbarkeit dieses Familienmodells „Mehrkindfamilie“ erheblich bei.

Die KRFD-Stellungnahme zur aktuellen Bertelsmann-Studie Mehrkindfamilien gerecht werden: Bedarfe im Alltag von Familien mit drei und mehr Kindern – Studie von Andresen u.a. (2022)

Quelle: Pressemitteilung Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD vom 10.11.2022

SCHWERPUNKT II: Debatte Bürger*innengeld

Die Bundesregierung will die Grundsicherung zu einem modernen Bürgergeld fortentwickeln und so die staatliche Unterstützung bürgernäher, unbürokratischer und zielgerichteter gestalten. Zu diesem Gesetzentwurf hat sich der Bundesrat am 28. Oktober 2022 geäußert. In ihrer Stellungnahme fordern die Länder die Bundesregierung insbesondere auf, die mit dem Gesetz verbundenen Kostenfolgen zu überprüfen und etwaige Mehrkosten der Länder und Kommunen zu refinanzieren.

Was die Bundesregierung vorhat: Dauerhafte Arbeitsmarktintegration

Nach dem Wunsch der Bundesregierung sollen sich die über 5 Millionen Menschen, die in Deutschland Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitsuche konzentrieren können.

Höhere Regelbedarfe

Ziel ist eine dauerhafte Arbeitsmarktintegration. Außerdem gestaltet der Entwurf die Berechnung der Regelbedarfe neu: Sie sollen künftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst werden. Die Regelbedarfe für das kommende Jahr wurden bereits entsprechend berechnet. Ab 1. Januar 2023 soll etwa ein alleinstehender Erwachsener 502 Euro erhalten – 53 Euro mehr als bisher.

2 Jahre Karenzzeit

Damit die Leistungsberechtigten sich auf die Arbeitsuche konzentrieren können, soll in den ersten zwei Jahren des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit gelten: Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen. Vermögen wird nicht berücksichtigt, sofern es nicht erheblich ist. Nach der Karenzzeit folgt eine entbürokratisierte Vermögensprüfung.

Auch hieran entzündet sich Kritik der Länder. Mit dieser Regelung würde eine nahezu unbegrenzte Anerkennung auch unangemessener Aufwendungen für Heizung während der zweijährigen Karenzzeit erfolgen, deshalb sollen die Kosten nur für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe übernommen werden, fordert der Bundesrat in seiner Stellungnahme.

Freibeträge und Kooperationsplan

Für Bürgergeldbeziehende gelten zudem höhere Freibeträge als bislang. Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird durch einen Kooperationsplan abgelöst, den Leistungsberechtigte und Integrationsfachkräfte gemeinsam erarbeiten. Dieser Plan soll dann als „roter Faden“ im Eingliederungsprozess gelten. Mit Abschluss des Kooperationsplans gilt eine Vertrauenszeit. In diesem Zeitraum wird ganz besonders auf Vertrauen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesetzt.

Leistungsminderungen weiter möglich

Wer Termine nicht wahrnimmt, muss nach den Plänen der Bundesregierung auch weiterhin mit Sanktionen rechnen – allerdings nur im Wiederholungsfall. Leistungsminderungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse betragen dann höchstens 30 Prozent des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs. Kosten der Unterkunft und Heizung werden nicht reduziert. Es gibt keine Leistungsminderung, sollte sie im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen. Die verschärften Sonderregelungen für die unter 25-jährigen Hilfeempfänger entfallen.

Arbeitsmarktzugang Geringqualifizierter

Geringqualifizierte sollen auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll Leistungsberechtigten helfen, die besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen.

Höhere Freibeträge für Nebenjobs

Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende können künftig mehr ihres selbstverdienten Geldes behalten. Der Freibetrag für Hinzuverdienste soll auf 520 Euro steigen, damit junge Menschen die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, einen Schüler- oder Studentenjob aufzunehmen.

Mit der Erhöhung des Freibetrags im Bereich zwischen 520 und 1 000 Euro von 20 auf 30 Prozent des erzielten Erwerbseinkommens steige der Anreiz zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze.

Bundesrat fordert weitere Schritte

Dies sei nur ein erster Schritt zur Verbesserung der Hinzuverdienstregelungen, monieren die Länder in ihrer Stellungnahme. Es sei insbesondere sicherzustellen, dass ebenso Personen, die Einkommen aus einer Ausbildungsvergütung oder Qualifizierung beziehungsweise Teilqualifizierung erhalten, sowohl von der Anhebung der Hinzuverdienstgrenzen als auch von der Neuausrichtung bei der Einkommensanrechnung im SGB II profitieren.

Sozialer Arbeitsmarkt

Nach dem Regierungsentwurf sollen die Regelungen zum „Sozialen Arbeitsmarkt“ künftig unbefristet gelten. Deren Ziel ist es, besonders arbeitsmarktfernen Menschen soziale Teilhabe durch längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung zu ermöglichen und Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen. Bislang sollte die Regelung am 31. Dezember 2024 auslaufen.

Nächste Schritte

Die Stellungnahme des Bundesrates wurde der Bundesregierung zugeleitet, die eine Gegenäußerung dazu verfasst und dem Bundestag zur Entscheidung vorlegt. Anschließend kommt das Gesetz noch einmal abschließend in den Bundesrat. Es bedarf seiner Zustimmung, um in Kraft treten zu können.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 28.10.2022

Die heutige öffentliche Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales hat den Kurs für das Bürgergeld aus Sicht der SPD-Fraktion bestätigt. Die Länder sind nun gefragt, die Verhandlungen über das Gesamtpaket schnellstmöglich abzuschließen.

„Die unabhängigen Sachverständigen geben dem Bürgergeld Rückenwind. Den Vorwurf der Union, dass sich Arbeit durch das Bürgergeld nicht mehr lohne, haben sie heute entkräftet.

Den von den Sachverständigen geforderten Anpassungen bei den Hinzuverdiensten kommt das zweite Bürgergeld-Paket nach. Ebenfalls bestätigte die Befragung, sich stärker auf gute Beratung und Bürokratieabbau zu konzentrieren. Der vorgesehene Fokus auf Weiterbildung wurde als notwendig eingeschätzt, um die Potenziale von Langzeitarbeitslosen für den Arbeitsmarkt zu heben. Deutlich wurde auch, dass die Ausgestaltung von Karenzzeit und Schonvermögen politisch zu klären sei. Dabei käme es darauf an, wie wichtig man die Bedeutung von Leistungsgerechtigkeit und Respekt vor Lebensleistung bewertet.

Die durch das Gesetz geschaffenen Rahmenbedingungen machen den Weg frei für eine bessere und zielgenauere Beratung. Die Bundesregierung setzt weiterhin auf das Prinzip des Förderns und Forderns mit dem Bürgergeld, gestaltet es aber zielgenauer und moderner aus.

Vor diesem Hintergrund sehen wir uns mit dem jüngst vorgelegten Kompromissvorschlag durch die heutige Anhörung klar bestätigt. Die Länder mit CDU-Regierungsbeteiligung sind jetzt am Zug, ihrerseits konkrete Vorschläge vorzulegen, um unnötige Verzögerungen aufgrund eines Vermittlungsverfahrens zu vermeiden. Es ist jetzt staatspolitische Verantwortung gefragt statt parteitaktischer Spielchen.“

Quelle: Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 07.11.2022

Die Jobcenter brauchen mehr Geld und die These, mit dem Bürgergeld lohne sich Arbeit nicht mehr, ist mindestens umstritten. Das sind nur zwei von vielen Erkenntnissen aus der Anhörung zum Bürgergeld-Gesetzentwurf der Bundesregierung und diverser Oppositionsanträge, die der Ausschuss für Arbeit und Soziales am heutigen Montag durchgeführt hat.

Mit ihrem Bürgergeld-Gesetz (20/3878), nach Koalitionsaussagen die größte sozialpolitische Reform seit vielen Jahren, möchte die Ampel-Regierung von SPD. Grünen und FDP „Hartz IV hinter sich lassen“. Geplant sind unter anderem eine „Kooperation auf Augenhöhe“ zwischen Arbeitssuchenden und Jobcenter-Mitarbeitern, die Einführung einer zweijährigen Karenzzeit, in der das Vermögen und die Angemessenheit der Wohnung nicht überprüft werden, die Stärkung von Weiterbildung durch finanzielle Anreize. Außerdem soll der Soziale Arbeitsmarkt verstetigt und Sanktionen deutlich abgemildert werden. Die monatlichen Regelleistungen werden um einen Inflationsausgleich deutlich angehoben. Abgeschafft werden soll auch der „Vermittlungsvorrang in Arbeit“. Stattdessen sollen Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll jenen Leistungsberechtigten helfen, „die aufgrund vielfältiger individueller Probleme besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen“.

Insbesondere Vertreter verschiedener Wohlfahrtsverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), aber auch der Bundesagentur für Arbeit (BA) unterstützten die Pläne für das neue Bürgergeld und mahnten eine zügige Umsetzung an. Dass wesentliche Kernpunkte des Gesetzes (außer die Regelsatzerhöhung) nach neuesten Änderungen der Koalition nun erst zum 1. Juli 2023 in Kraft treten, sorgte unter anderem bei Eva Strobl von der BA für Erleichterung: „Die Arbeit der Jobcenter wird sich wesentlich verändern, dafür brauchen wir mehr Vorlaufzeit.“ Birgit Fix vom Deutschen Caritasverband betonte, es sei gut, wenn sich die Jobcenter nun auf ihre Kernaufgaben der Beratung und Vermittlung konzentrieren könnten. Um diese Ziele umzusetzen, müssten die Mittel im Haushalt 2023 aber deutlich aufgestockt werden. Das forderte auch Martin Künkler vom DGB. Ohne zusätzliches Geld für die Jobcenter werde es sehr schwierig, die neuen Schwerpunkte der Arbeitsvermittlung umzusetzen, die im übrigen zu komplex, schwierig und intransparent seien, kritisierte Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag. Auch Anna Robra von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mahnte, die Änderungen müssten für die Jobcenter umsetzbar sein, dies könne sie angesichts der komplizierten Vorgaben nicht unbedingt erkennen, sagte sie. Mempel und Robra kritisierten außerdem die Regelungen zur Karenz- und Vertrauenszeit und die Abschaffung des Vermittlungsvorangs. „Das alles mindert Anreize, sich aus dem Bezug herauszuarbeiten“, sagte Robra. Mempel forderte, die Karenzzeit beim Bürgergeld, wenn an ihr festgehalten werden solle, auf sechs Monate zu verkürzen.

Zum Thema Lohnabstandsgebot sagte DGB-Vertreter Martin Künkler: „Der Abstand zwischen Lohn und Bürgergeld ist gewahrt.“ Er verwies unter anderem auf den gestiegenen Mindestlohn und kritisierte, dass viele Berechnungen zum angeblich zu geringen Abstand unsauber seien, da sie Leistungen wie Kinder- und Wohngeld nicht mitberücksichtigten. Auch Elena Weber von der Diakonie Deutschland konnte nicht erkennen, warum sich durch das Bürgergeld Arbeit nicht mehr lohnen solle. „Wenn Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können, muss man zuerst die Frage nach den Löhnen stellen“, so Weber. BDA-Vertreterin Anna Robra hatte dazu eine andere Auffassung: „Der Kern des Problems ist, dass sich Arbeit dann nicht mehr lohnt, wenn ich mich aus dem Bezug herausarbeiten will.“ Deshalb müsste bei den Hinzuverdienstgrenzen nachgebessert werden, forderte sie.

Große Einigkeit herrschte unter den Expertinnen und Experten hingegen in der Frage, die Regelsätze ab Januar schnell zu erhöhen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 623 vom 07.11.2022

Der Bundesrat kritisiert die Pläne der Bundesregierung für das Bürgergeld als unzureichend. In seiner Stellungnahme dazu, die nun als Unterrichtung (20/4226) vorliegt, heißt es unter anderem, im Gesetzentwurf zum Bürgergeld sei die große Gruppe der erwerbstätigen Leistungsbeziehenden, die über Einkommen verfügt und deren Sozialleistungen deshalb teilweise reduziert werden, nur unzureichend berücksichtigt worden. „Der Schnellschuss zur Anpassung der Hinzuverdienstregelung bei Erwerbseinkommen von 520 Euro bis 1.000 Euro wirkt dabei wenig durchdacht und wird weder den betroffenen Leistungsbeziehenden noch dem Anliegen der Länder gerecht“, so die Länderkammer.

Um erwerbsfähige Leistungsbeziehende dauerhaft und nachhaltig aus dem SGB II-Leistungsbezug zu führen, müssten die Regelungen zum Hinzuverdienst umfassend gemäß den Eckpunkten der Länder auf den Prüfstand gestellt werden. Außerdem wollen die Länder an einer Beteiligung bei der Umsetzung der Änderungen der Anpassungsregelungen für die Einkommensanrechnung durch den Bund festhalten.

Sie kritisieren darüber hinaus die Regelungen zur Freistellung der Altersvorsorge bei der Vermögensanrechnung und zur Karenzzeit. Eine zwingende Festlegung als Altersvorsorge solle weiterhin Voraussetzung für die Berücksichtigung als Schonvermögen sein. Daher solle an der bestehenden gesetzlichen Regelung in vereinfachter Form festgehalten werden, zumal damit sichergestellt sei, dass es sich um Versicherungsverträge handelt, die tatsächlich der Altersvorsorge dienen, schreibt der Bundesrat. Es müsse ferner gesetzgeberisch sichergestellt werden, dass die Einführung der zeitlich begrenzten Karenzzeit nicht zu einer dauerhaften Berücksichtigung der tatsächlichen Bedarfe führt, weil die Träger während der Karenzzeit die Zusicherung ohne Prüfung der Bedarfe erteilen müssen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022

Die AWO begrüßt, dass der Bundestag soeben das Bürgergeld-Gesetz beschlossen hat. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt: „Mit der heutigen Entscheidung wird ein echter und dringend überfälliger Systemwechsel eingeleitet. Jetzt ist es am Bundesrat, am Montag den Weg für mehr Gerechtigkeit und soziale Teilhabe frei zu machen. Gerade in der jetzigen Situation brauchen wir ein klares Bekenntnis zu unserem Sozialstaat!“

Die AWO fordert die Länder deshalb mit Nachdruck dazu auf, die Einführung des Bürgergelds im Bundesrat nicht zu blockieren. „Die Karenzzeiten wurden während der Pandemie von der Großen Koalition beschlossen und sind eine wesentliche Verbesserung des sozialen Sicherungssystems. Die Koalitionsfraktionen haben nach Kritik aus Bundesrat und Opposition einen Kompromissvorschlag erarbeitet, der deutlich hinter diesen ursprünglich eingeführten Regelungen zurückbleibt. Wer das Bürgergeld jetzt stoppt, hat den Bezug zur Realität verloren und betreibt populistische Parteipolitik auf Kosten derer, die angesichts der Preissteigerungen dringend Unterstützung brauchen!“ appelliert Michael Groß.

Kritisch sieht die AWO dagegen die Anpassung der Regelsätze an die Inflationsentwicklung. Diese sorgten zwar für dringend nötige finanzielle Entlastung bei den Leistungsbeziehenden, doch blieben die langjährigen Unterdeckungen in der Grundsicherung weiter bestehen. Hier bestehe dringender Nachbesserungsbedarf. „Es ist ganz einfach“, sagt dazu Groß abschließend, „Werden zu niedrige Regelsätze fortgeschrieben, bleiben diese weiterhin zu gering.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 10.11.2022

Zur aktuellen Debatte über die Einführung eines Bürgergelds erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:

„Wir brauchen jetzt eine zielführende konstruktive Debatte und keinen parteipolitischen Zank. Bei der Ablösung von Hartz IV durch ein Bürgergeld geht es um Menschen mit schwierigen Erwerbsbiografien und Hindernissen auf dem Arbeitsmarkt. Sie haben wie alle ein menschenwürdiges Existenzminimum verdient und benötigen die Unterstützung der Solidargemeinschaft, um Fuß zu fassen. Wer in der politischen Mitte stehen will, muss die Menschen in den Mittelpunkt stellen und nicht die eigenen Interessen.

Jetzt ist politischer Reformwillen in allen Parteien nötig, damit die Menschen nicht das Vertrauen in den Sozialstaat verlieren. Ich appelliere deshalb an die Union,  nach der entsprechenden Aufnahme der Anregungen der Bundesagentur, im Bundesrat den Weg für die Reform freizugeben, damit die dringend notwendige Erhöhung der Regelsätze und Reformschritte umgesetzt werden können. Vom Zaun gebrochene Debatten mit dem Ziel, die Reform aufzuhalten, werden die Situation der Betroffenen dramatisch verschlechtern. Dies gilt erst recht in diesen Zeiten steigender Energie- und Lebensmittelpreise. Wenn das Gesetz im Bundesrat blockiert wird, würde nicht nur die dringende Erhöhung der Regelsätze ausbleiben. Auch die Verbesserungen beim Schutz der Wohnung und Förderung der beruflichen Weiterbildung wären erst einmal Makulatur.“

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 08.11.2022

Neue Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle liegen vor.

Laut einer aktuellen Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist die zum Januar 2023 geplante Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung auf 502 Euro, über die der Deutsche Bundestag am morgigen Donnerstag im Zusammenhang mit einer Reform von Hartz IV und der Einführung eines sogenannten “Bürgergeldes” berät, viel zu niedrig. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müssten die Leistungen auf mindestens 725 Euro angehoben werden, um wirksam vor Armut zu schützen. Der Verband fordert eine entsprechende Erhöhung des Regelsatzes um 276 Euro plus die vollständige Übernahme der Stromkosten und mahnt die Politik zur Eile: Angesichts der Notlage der Betroffenen sei keine Zeit zu verlieren.

Der Paritätische kritisiert die regierungsamtliche Berechnungsmethode trotz der neuen Fortschreibungsmethodik als nicht geeignet, das verfassungsrechtlich gebotene soziokulturelle Existenzminimum abzusichern. “Ob Hartz IV oder Bürgergeld, an der eigentlichen Berechnungsmethode hat sich nichts geändert, die Leistungen bleiben trickreich kleingerechnet, reichen vorne und hinten nicht und gehen an der Lebensrealität der Menschen vorbei”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Angesichts der rasant steigenden Preise insbesondere für Energie und Lebensmittel stelle die geplante Erhöhung zum 1. Januar keine Verbesserung des Lebensstandards dar, sondern lediglich eine Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten der letzten 12 Monate.

Die Paritätische Forschungsstelle rechnet in ihrer aktuellen Expertise die seit Jahren bereits umstrittenen und auch von anderen Sozialverbänden kritisierten statistischen Manipulationen im Regelsatz heraus und nimmt darüber hinaus eine Anpassung an die aktuelle Preisentwicklung entsprechend des von der Ampel-Koalition vorgeschlagenen neuen Fortschreibungsmechanismus vor. Im Ergebnis müsste der Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen ab dem 1.1.2023 mindestens 725 Euro statt 502 Euro betragen.

Diese Berechnungen für einen armutsfesten Regelsatz werden durch eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa gestützt, nach der die Bevölkerung mehrheitlich nicht davon ausgeht, dass der mit dem Bürgergeld vorgesehene Regelsatz ausreicht, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Mit lediglich 6 Prozent geht nur eine ausgesprochen kleine Minderheit davon aus, dass der für Ernährung vorgesehene Betrag im Bürgergeld eine gesunde und ausgewogene Ernährung ermöglicht. In Hinblick auf die bisherige Unterstützung von Menschen mit geringen Einkommen, Rentner*innen und Studierenden sowie gemeinnützigen sozialen Einrichtungen in der Energie-Krise meint jeweils eine klare Mehrheit von etwa zwei Drittel der Befragten, dass diese bisher nicht ausreichend unterstützt werden.

Die repräsentative Umfrage wurde vom 28. Oktober bis 3. November 2022 vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbandes durchgeführt. Insgesamt wurden 1012 Personen über 18 Jahre im Rahmen der Mehrthemenumfrage des repräsentativen Online-Befragungspanels forsa.Omninet befragt.

Dokumente zum Download

Expertise der Paritätischen Forschungsstelle zur Regelsatzhöhe 2023 (213 KB)

Aktuelle Meinungsumfrage zu Lebenshaltungskosten und Energie-Krise (544 KB)

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 09.11.2022

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Bundesseniorenministerium startet Kampagne
zur Stärkung der Pflegeausbildung

Während die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Zukunft weiter steigen wird, besteht bereits heute ein erheblicher Mangel an Pflegefachkräften. Um auch zukünftig eine gute und professionelle Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege gewährleisten zu können, muss die Ausbildung gestärkt werden. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) startet deshalb heute im Rahmen der „Ausbildungsoffensive Pflege“ die bundesweite Informations- und Öffentlichkeitskampagne „Pflege kann was“.

Bundesministerin Lisa Paus: „Wenn wir mehr Menschen für das Berufsfeld Pflege gewinnen wollen, müssen wir den Beruf attraktiver machen. Es gelingt, immer mehr Menschen für diese wichtige Arbeit zu begeistern. Die immense Bedeutung, die dieser Beruf hat, spiegelt sich endlich auch auf dem Ausbildungsmarkt wider. 2021 haben 7 Prozent mehr Menschen eine Ausbildung begonnen als im Jahr zuvor. Allerdings sind noch immer nur rund ein Viertel der Auszubildenden männlich und in der neuen hochschulischen Pflegeausbildung bleiben trotz hervorragender Berufsperspektiven viele Studienplätze unbesetzt. Das zeigt: Wir müssen besser über den Pflegeberuf informieren und die Möglichkeiten, die er bietet, aufzeigen.“

Die Kampagne „Pflege kann was“ soll über die vielfältigen Beschäftigungs- und Aufstiegschancen in der Pflege informieren und Vorurteilen gegenüber der Ausbildung und dem Beruf entgegenwirken. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler mit und ohne Hochschulzugangsberechtigung sowie Erwachsene, die sich beruflich neu orientieren wollen. Die Kampagne setzt dabei nicht auf kurzfristige Effekte, sondern auf kontinuierliche Information und soll bis zum Jahr 2025 laufen.

Weitere Informationen zur Pflegeausbildung und der Kampagne „Pflege kann was“ finden Sie unter www.pflegeausbildung.net.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 08.11.2022

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat am Mittwochvormittag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/3439) zur Abschaffung der Kostenheranziehung bei jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe mit den Stimmen aller Fraktionen des Bundestages zugestimmt. Der Gesetzentwurf war zuvor durch die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP leicht geändert worden.

Bisher gilt: In der Kinder- und Jugendhilfe werden junge Menschen, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe leben und die ein eigenes Einkommen haben, zu den Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe aus ihrem Einkommen herangezogen. Dies gilt auch für alleinerziehende Mütter oder Väter mit ihrem Kind, die in einer gemeinsamen Wohnform untergebracht sind (sogenannte Leistungsberechtigte nach Paragraf 19 SGB VIII). Der Kostenbetrag kann bis zu 25 Prozent des Einkommens betragen. Auch die Ehegatten und Lebenspartner der jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach Paragraf 19 SGB VIII werden abhängig von der Höhe ihres Einkommens zu den Kosten aus ihrem Einkommen herangezogen.

Das will die Bundesregierung nun ändern. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Kostenheranziehung bei jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach Paragraf 19 SGB VIII sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aufzuheben. Dadurch könnten die jungen Menschen und Leistungsberechtigten sowie ihre Ehegatten und Lebenspartner vollständig über das Einkommen, das sie erzielen, verfügen, heißt es im Entwurf. Zur Begründung schreibt die Regierung, dass die Kostenheranziehung dem Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe widerspricht. „Wachsen junge Menschen außerhalb ihrer Herkunftsfamilie auf, haben sie bereits mit zusätzlichen Herausforderungen umzugehen und dadurch einen schwierigeren Start in ein eigenständiges Leben. Dieser Start wird nochmal erschwert, wenn sie einen Teil ihres Einkommens, das sie zum Beispiel im Rahmen eines Schüler- oder Ferienjobs oder ihrer Ausbildung verdienen, abgeben müssen.“

Durch die Abschaffung der Kostenheranziehung verringern sich die Einnahmen der Kommunen um jährlich rund 18,3 Millionen Euro.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen bezieht sich auf das Einkommen, dass junge Menschen in Pflegefamilien durch die Berufsausbildungsbeihilfe erzielen. Bisher muss diese Beihilfe und das Ausbildungsgeld vollständig an das Jugendamt abgegeben werden. Künftig sollen sie einen Teil ihres Einkommens behalten dürfen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 637 vom 09.11.2022

Zur Einigung der Ampel im Rahmen des Inflationsausgleichsgesetzes über eine Erhöhung des Kindergeldes ab 2023 auf 250 Euro für jedes Kind erklärt die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge:

„Wir haben uns im Rahmen des Inflationsausgleichsgesetzes darauf verständigt, die Eckwerte bei der Einkommensteuer wie im Entlastungspaket vereinbart anzupassen. Zusätzlich konnten wir uns darauf einigen, dass das Kindergeld erneut zu erhöhen. Es ist ein großer Erfolg, dass Familien schon ab dem nächsten Jahr spürbar mehr Geld bekommen. Die hohen Preise für Energie und Lebensmittel treffen Familien mit geringen Einkommen besonders hart. Mit der Kindergelderhöhung auf 250 Euro monatlich für jedes Kind gehen wir nochmal deutlich über die bisher vereinbarte Erhöhung hinaus. Das ist ein wichtiger Schutz vor Kinderarmut.

Die Kindergelderhöhung ist zusammen mit dem Kinderzuschlag ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Kindergrundsicherung. Ab 2025 soll dann die Kindergrundsicherung dafür sorgen, dass Familien einfach und fair unterstützt werden und das ungerechte System aus zahlreichen Einzelmaßnahmen zu beenden. Die Kindergrundsicherung wird Kinderarmut wirksam bekämpfen.“

Quelle: Pressemitteilung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 09.11.2022

Der Innenausschuss hat den Weg für eine Absenkung des Mindestwahlalters für das aktive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament von derzeit 18 auf 16 Jahre frei gemacht. Gegen die Stimmen der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion verabschiedete das Gremium am Mittwochvormittag einen entsprechenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Europawahlgesetzes (20/3499). Die Vorlage steht am Donnerstag zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums.

In der Begründung des Gesetzentwurfs schreiben die Koalitionsfraktionen, dass das derzeitige Mindestwahlalter für das aktive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europaparlament Menschen vom Wahlrecht ausschließe, „die an zahlreichen Stellen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich in den politischen Prozess einbringen können und wollen“. Gerade die junge Generation werde durch Fragen betroffen sein, die aktuell Gegenstand demokratischer Entscheidungsprozesse sind. Themen wie beispielsweise der Schutz des Klimas, die Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme angesichts des demographischen Wandels, die Prioritätensetzung bei öffentlichen Investitionen und die Regulierung des Internets sowie die hierzu getroffenen Entscheidungen gestalteten die Zukunft nachhaltig und hätten damit Wirkung weit über Legislaturperioden hinaus.

Wie die drei Fraktionen weiter ausführen, hat sich die Altersverteilung der Wahlberechtigten in den vergangenen 50 Jahren zu Lasten der Jüngeren verschoben. Die vorgesehene Absenkung des Wahlalters entspricht der Vorlage zufolge zudem der Entwicklung auf europäischer Ebene. So fordere die Legislative Entschließung des Europaparlaments vom 3. Mai 2022, „dass das Mindestwahlalter für die Ausübung des aktiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament künftig in der Regel 16 Jahre betragen soll“. Zuvor habe schon die EU-Verordnung vom 17. April 2019 über die Europäische Bürgerinitiative den Mitgliedstaaten ermöglicht, das Mindestalter für die Unterstützung einer solchen Initiative auf 16 Jahre abzusenken. Auch gebe es bereits europäische Staaten, in denen das aktive Mindestwahlalter zum Europäischen Parlament unter 18 Jahren liegt. So könne in Österreich und Malta bereits ab 16 Jahren gewählt werden und in Griechenland ab 17 Jahren.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 634 vom 09.11.2022

Der Bundesrat unterstützt die Pläne der Bunderegierung, Familien durch Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen zu entlasten. In seiner Stellungnahme zum geplanten Inflationsausgleichsgesetz fordert er jedoch weitere Maßnahmen, um zielgerichtet kinderreiche sowie arme oder armutsgefährdete Familien zu erreichen und sozial zu unterstützen – zum Beispiel durch Schulsozialarbeit, Mobile Jugendarbeit und Streetwork. Hierfür könnten bewährte Programme aus der Corona-Zeit schnelle Hilfe in der Fläche leisten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Krise stärken.

Kostenbelastung der Länder

Zugleich weist der Bundesrat darauf hin, dass das geplante dritte Entlastungspaket des Bundes zu hohen strukturellen Belastungen der Länder führt. Diese sehen sich zwar in der Mitverantwortung, einen angemessenen Beitrag zur Abmilderung der Folgen der hohen Energiepreise zu leisten, fordern aber eine Verständigung über die Höhe tragbarer Länderbelastungen sowie deutlichere Unterstützung durch den Bund.

Unterstützung für den Nahverkehr

Diese Gesamtverständigung zwischen Bund und Ländern müsse eine Nachfolgeregelung für das sogenannte 9-Euro-Ticket enthalten, ebenso eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel, um die Qualität des Nahverkehrs zu verbessern und auf die massiven Energiepreissteigerungen zu reagieren.

Wohngeld, Flüchtlingsunterbringung, Krankenversorgung

Der Bundesrat verlangt, dass der Bund die vollständigen Kosten für das Wohngeld übernimmt und zeitnah die außerordentlich steigenden Energie- und Sachkosten bei Krankenhäusern, Universitätskliniken sowie Pflegeeinrichtungen durch Bundeszuweisungen gegenfinanziert. Auch die Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterbringung, Betreuung und Integration von geflüchteten Menschen müsse wiederaufgenommen beziehungsweise intensiviert werden. Diese Forderungen hatte der Bundesrat bereits mehrfach erhoben.

Was die Bundesregierung plant

Um die mit der kalten Progression verbundenen schleichenden Steuererhöhungen zu dämpfen, soll das sogenannte Inflationsausgleichsgesetz für rund 48 Millionen Bürgerinnen und Bürger die Steuerlast an die Inflation anpassen. Weiteres Ziel ist es, Familien zu unterstützen – durch Anhebung des Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags sowie durch Erhöhung des Kindergeldes.

Der Begriff der „kalten Progression“ bezeichnet den Effekt, dass eine Gehaltserhöhung aufgrund der Inflation für Bürgerinnen und Bürger zwar faktisch nicht spürbar ist, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt. Trotz Gehaltssteigerung erhalten sie dadurch real weniger Geld. In der Vergangenheit hatte der Bundesrat immer wieder mit eigenen Initiativen und Appellen auf dieses Problem aufmerksam gemacht.

Nächste Schritte: Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat

Die Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Oktober 2022 wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie formuliert eine so genannte Gegenäußerung dazu und legt dann beide Dokumente dem Bundestag zur Entscheidung vor. Die dortigen Beratungen haben bereits in erster Lesung begonnen. Nachdem der Bundestag das Gesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet hat, berät der Bundesrat dann noch einmal abschließend. Das Gesetz kann nur mit seiner Zustimmung in Kraft treten.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrates am 28.10.2022

Der Finanzausschuss hat angesichts der hohen Inflation die geplanten Erhöhungen von steuerlichen Freibeträgen und Kindergeld noch weiter angehoben. In seiner Sitzung am Mittwoch unter Leitung des Vorsitzenden Alois Rainer (CSU) beschloss der Ausschuss einen entsprechenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zu dem von der Koalition eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (20/3496). Für den Entwurf in geänderter Fassung stimmten die Koalitionsfraktionen und die CDU/CSU. Die AfD-Fraktion enthielt sich, die Fraktion Die Linke lehnte ab.

Der Koalitionsentwurf sah ursprünglich eine Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages von derzeit 10.347 Euro auf 10.632 Euro im kommenden Jahr vor. Der Betrag soll jetzt auf 10.908 Euro steigen.

2024 sollte der Grundfreibetrag nach dem Gesetzentwurf weiter auf 10.932 Euro steigen. Mit dem Änderungsantrag wird dieser Wert auf 11.604 Euro angehoben.

Ebenfalls im nächsten Jahr erhöht werden soll das Kindergeld für das erste, zweite und dritte Kind auf einheitlich 250 Euro pro Monat. Vorgesehen waren im Koalitionsentwurf 237 Euro. Die Anhebungen gehen zurück auf die Angaben im 14. Existenzminimumbericht. Auch der steuerliche Kinderfreibetrag wird erhöht.

Die Anhebungen und die Verschiebungen der Tarifeckwerte im Einkommensteuertarif nach rechts führen nach Angaben der Fraktionen zu einem Ausgleich der Effekte der kalten Progression. Nicht verschoben wird jedoch der Eckwert der sogenannten Reichensteuer. Angehoben werden 2023 und 2024 die Freigrenzen für den steuerlichen Solidaritätszuschlag. Damit soll eine zusätzliche Belastung der Einkommensteuerpflichtigen vermieden werden.

Die SPD-Fraktion sprach von einer starken Anhebung der Beträge. Auch beim Solidaritätszuschlag werde jetzt sichergestellt, dass nur zehn Prozent den Zuschlag zahlen müssten und nicht weitere Steuerpflichtige in die Zahlungspflicht rutschen würden. Es gebe die größte Kindergelderhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik, was ein deutliches sozialpolitisches Zeichen sei.

Die CDU/CSU-Fraktion kritisierte das Verfahren. Existenzminimum- und Progressionsbericht hätten zu spät vorgelegen, und auch der Änderungsantrag der Koalition sei erst kurzfristig eingebracht worden. Das Verfahren sei kein Meisterstück, aber dem Ergebnis könne die Union zustimmen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßte den vollständigen Ausgleich der kalten Progression und dass es gelungen sei, eine massive Kindergelderhöhung auf 250 Euro für alle Kinder zu beschließen. Das sei ein wichtiger Schritt hin zu einer Kindergrundsicherung. Auch die FDP-Fraktion sprach von einem guten Gesetz. Man sei stolz darauf.

Die AfD-Fraktion warf der Koalition vor, nur die Symptome der Inflation zu bekämpfen. Die eigentlichen Ursachen würden nicht bekämpft. Der Änderungsantrag sei zu spät vorgelegt worden. Die Angaben im Existenzminimumbericht könnten nicht stimmen. So sei darin von Heizkosten für Alleinstehende von 88 Euro im Monat im nächsten Jahr die Rede.

Die Fraktion Die Linke kündigte eine Ablehnung des Gesetzentwurfs an. Die Begründung der Ablehnung werde im Bundestagsplenum gegeben.

Abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion, die die Eckwerte des Einkommensteuertarifs schon für 2022 zugunsten der Steuerpflichtigen verschieben wollte, um die kalte Progression noch in diesem Jahr vollständig auszugleichen. Außerdem sollte der Verlauf des Einkommensteuertarifs in Zukunft jährlich überprüft werden, um die kalte Progression zeitnah auszugleichen.

Ein mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen gleichlautender Entwurf der Bundesregierung (20/3871) wurde für erledigt erklärt.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 639 vom 09.11.2022

Die Zielsetzung des Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (20/3936) zur Ausweitung und Erhöhung des Wohngeldes ab 1. Januar 2023 ist am Montagmittag in einer Anhörung des Bauausschusses auf große Zustimmung bei Experten gestoßen. Allerdings warnten die Sachverständigen vor massiven Umsetzungsproblemen in den Kommunen und mahnten unter anderem Vereinfachungen beim Prüfverfahren an. Wegen des zu erwartenden Doppelaufwands wandten sie sich gegen die Pläne, das Wohngeld vorläufig auszuzahlen. Die Vertreter der Kommunen schlugen überdies die Einführung eines pauschalisierten Basis-Wohngelds in Höhe des gerade verabschiedeten Heizkostenzuschusses für die Dauer von sechs Monaten vor, „um Druck aus dem Kessel zu bekommen“, wie Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag betonte. Die Pauschale sollte nicht zurückgezahlt werden müssen.

Von Lojewski sprach insgesamt von massiven Problemen im Vollzug. Der zusätzliche Personalbedarf in den Wohngeldstellen sei extrem hoch, sie seien auf Hilfe angewiesen, um das Instrument „schnell und wirksam ausrollen zu können“, appellierte er.

Die Ausweitung des Wohngeldes auf schätzungsweise zwei Millionen Haushalte statt bisher rund 600.000 Haushalte sei im Grundsatz sehr zu begrüßen, urteilte Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Die Verankerung einer dauerhaften Heizkosten- sowie Klimakomponente sei ebenfalls richtig und sinnvoll. Jedoch sei die Reform in der Kürze der Zeit und mit Blick auf die angespannte Personalsituation in den Kommunen „nicht durchführbar“, warnte er. Erschwert würde die Lage durch die gleichzeitige Einführung des Bürgergelds, die Aufnahme von Flüchtenden und die Abarbeitung von Folgewirkungen der Corona-Pandemie.

„Die Menschen sind darauf angewiesen, das Geld möglichst zeitnah zu bekommen“, mahnte Heiko Gill vom niedersächsischen Umwelt- und Bauministerium. Um dies mit dem vorhandenen Personal zu gewährleisten, müsse das Antragsverfahren vereinfacht werden. Wie die Vertreter der Städte und Gemeinden regte er an, von der beabsichtigten vorläufigen Zahlung des Wohngeldes abzusehen, da sie eine Doppelbearbeitung der Anträge erforderlich mache.

Sebastian Klöppel vom Deutschen Städtetag verwies auf die komplexe Einkommensprüfung beim Wohngeld, die so schnell nicht vereinfacht werden könne. Auch mehr Digitalisierung sei so schnell nicht realisierbar. Daher könne nur ein pauschalisiertes Basis-Wohngeld den Kommunen den dringend benötigten zeitlichen Puffer verschaffen.

Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag appellierte darüber hinaus an die Politik, „realistisch mit den Erwartungen der Menschen“ umzugehen. Sie müsse die Antragsteller darauf einstimmen, dass nicht jeder Anspruchsberechtigte schon im Januar Geld überwiesen bekomme. „Andernfalls gibt es Ärger an der Basis und damit ist niemandem gedient.“

Erste Schätzungen in Bayern gingen von einem zusätzlichen Bedarf von mindestens 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den 96 Wohngeldbehörden aus, berichtete Sandra Rehmsmeier vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr. Dabei seien die Wohngeldstellen schon jetzt überlastet. Sie sprach sich für eine Umsetzung der Empfehlungen des Bundesrates vom 17. Oktober 2022 aus, in denen die Länderkammer sich ebenfalls gegen vorläufige Zahlungen und für die Einführung einer Bagatellgrenze von mindestens 500 Euro ausspricht.

Positiv hoben die Sachverständigen die geplanten, dauerhaften Komponenten für Heizkosten und Klima im Wohngeld hervor. Die Klimakomponente, mit der höhere Wohnkosten infolge von energetischen Maßnahmen im Gebäudebereich abgefedert werden sollen, sollte jedoch in einem späteren Reformschritt deutlich erhöht und tatsächlich an den Energieeffizienzstandard des jeweiligen Gebäudes gekoppelt werden, empfahl der Geschäftsführer des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung, Michael Neitzel. Dies sei derzeit wegen Zweifeln an der Rechtssicherheit der Energieausweise nicht umsetzbar.

Insgesamt sprach sich Neitzel für eine Evaluierung beider Komponenten und ihrer Effekte sowie für eine Anpassung der Heizkomponente an die Energiepreisentwicklung aus. Ähnlich äußerten sich der Geschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Christian Lieberknecht, und Kai H. Warnecke vom Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. Warnecke wies zudem darauf hin, dass selbstnutzende Wohneigentümer ebenfalls Anspruch auf Wohngeld haben könnten, was aber vielen nicht bewusst sei. Hier sei mehr Aufklärung nötig.

Birgit Fix vom Deutschen Caritasverband nannte die Stärkung des Wohngeldes und die Einführung von Heizkosten- und Klimakomponente einen „überfälligen Schritt“. Angesichts der explodierenden Preise befürwortete sie allerdings eine jährliche Dynamisierung der Ansprüche sowie einen zusätzlichen Härtefallfonds für verschiedene Zielgruppen, wie ihn die Expertinnen- und Expertenkommission Gas und Wärme vorgeschlagen hat. Das Wohngeld sollte außerdem um eine Stromkostenkomponente ergänzt werden.

Eine deutliche Ausweitung des Empfängerkreises auf alle von ihren Wohnkosten überlastete Haushalte forderte Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund. Mindestens 4,1 Millionen Haushalte seien davon allein in den großen Städten betroffen, also weit mehr, als die Reform erfasse, betonte sie. Eine Überlastung sei außerdem nicht erst gegeben, wenn ein Haushalt mehr als 40 Prozent fürs Wohnen aufbringen müsse, sondern beginne schon bei 30 Prozent. Ungeachtet dessen könne das Wohngeld mietrechtliche und wohnungspolitische Maßnahmen nicht ersetzen, betonte Weber-Moritz. Um die Wohnkosten zu senken, brauche es unter anderem mehr Sozialwohnungen und einen zeitlich begrenzten Mietenstopp.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 621 vom 07.11.2022

Mit dem Wohngeld-Plus-Gesetz will die Bundesregierung ab dem 1. Januar 2023 Haushalte mit niedrigeren Einkommen stärker bei steigenden Wohnkosten unterstützen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf (20/4230) von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bringt die Bundesregierung am Mittwoch, dem 9. November 2022, ohne vorherige Aussprache ein. Die Vorlage soll direkt an den Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen zur weiteren federführenden Beratung überwiesen werden. Am Donnerstag, den 10. November 2022, will der Bundestag über die bisher umfangreichste Reform des Wohngeldes abstimmen.

Sie soll drei Komponenten enthalten: Erstens die Einführung einer dauerhaften Heizkostenkomponente, die als Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete oder Belastung in die Wohngeldberechnung eingehen soll. Zweitens soll durch die Einführung einer Klimakomponente ein Zuschlag auf die Höchstbeträge der zu berücksichtigenden Miete oder Belastung in der Wohngeldberechnung erfolgen. Damit könnten laut Bundesregierung strukturelle Mieterhöhungen im Wohngeld aufgrund energetischer Maßnahmen im Gebäudebereich im gesamten Wohnungsbestand oberhalb der bisherigen Höchstbeträge berücksichtigt werden.

Drittens soll die Wohngeldformel angepasst werden. Danach sollen rund 1,4 Millionen Haushalte erstmalig oder erneut einen Wohngeldanspruch erhalten statt bisher rund 600.000 Haushalte. Zudem soll sich der Wohngeldbetrag von durchschnittlich rund 180 Euro pro Monat auf rund 370 Euro pro Monat erhöhen.

Wie bei jeder strukturellen Wohngeldreform solle auch bei dieser Reform eine Neuzuordnung der Gemeinden und Kreise zu den Mietenstufen des Wohngeldes erfolgen, um zwischenzeitlich veränderte regionale Mietenniveaus berücksichtigen zu können, schreibt die Bundesregierung. Um in Einzelfällen oder bei erhöhtem Geschäftsgang in den Wohngeldbehörden eine zügige Auszahlung der erhöhten Wohngeldbeträge zugunsten der Wohngeldhaushalte zu ermöglichen, sei zudem die Möglichkeit einer vorläufigen Zahlung vorgesehen. Diese vorläufige Zahlung stehe für den Fall, dass kein Wohngeldanspruch bestanden hat, unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Um den Wohngeldbehörden in Bezug auf die Bemessung des Bewilligungszeitraumes mehr Flexibilität einzuräumen und die betroffenen Wohngeldhaushalte auch von bürokratischen Verpflichtungen zu entlasten, werde insbesondere bei gleichbleibenden Verhältnissen die Möglichkeit eröffnet, den Bewilligungszeitraum auf bis zu achtzehn Monate zu verlängern.

Bereits am 7. November 2022 befasst sich der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen in einer öffentlichen Anhörung mit dem am 11. Oktober 2022 von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf (20/3936) zur Erhöhung des Wohngeldes.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022

Der Bundesrat kritisiert die Pläne der Bundesregierung für das Bürgergeld als unzureichend. In seiner Stellungnahme dazu, die nun als Unterrichtung (20/4226) vorliegt, heißt es unter anderem, im Gesetzentwurf zum Bürgergeld sei die große Gruppe der erwerbstätigen Leistungsbeziehenden, die über Einkommen verfügt und deren Sozialleistungen deshalb teilweise reduziert werden, nur unzureichend berücksichtigt worden. „Der Schnellschuss zur Anpassung der Hinzuverdienstregelung bei Erwerbseinkommen von 520 Euro bis 1.000 Euro wirkt dabei wenig durchdacht und wird weder den betroffenen Leistungsbeziehenden noch dem Anliegen der Länder gerecht“, so die Länderkammer.

Um erwerbsfähige Leistungsbeziehende dauerhaft und nachhaltig aus dem SGB II-Leistungsbezug zu führen, müssten die Regelungen zum Hinzuverdienst umfassend gemäß den Eckpunkten der Länder auf den Prüfstand gestellt werden. Außerdem wollen die Länder an einer Beteiligung bei der Umsetzung der Änderungen der Anpassungsregelungen für die Einkommensanrechnung durch den Bund festhalten.

Sie kritisieren darüber hinaus die Regelungen zur Freistellung der Altersvorsorge bei der Vermögensanrechnung und zur Karenzzeit. Eine zwingende Festlegung als Altersvorsorge solle weiterhin Voraussetzung für die Berücksichtigung als Schonvermögen sein. Daher solle an der bestehenden gesetzlichen Regelung in vereinfachter Form festgehalten werden, zumal damit sichergestellt sei, dass es sich um Versicherungsverträge handelt, die tatsächlich der Altersvorsorge dienen, schreibt der Bundesrat. Es müsse ferner gesetzgeberisch sichergestellt werden, dass die Einführung der zeitlich begrenzten Karenzzeit nicht zu einer dauerhaften Berücksichtigung der tatsächlichen Bedarfe führt, weil die Träger während der Karenzzeit die Zusicherung ohne Prüfung der Bedarfe erteilen müssen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022

Die Bundesregierung hat die Forderung des Bundesrates zurückgewiesen, das Kindergeld für das vierte und jedes weitere Kind zu erhöhen. In der von der Bundesregierung als Unterrichtung (20/4224) vorgelegten Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (20/3871) hatten die Länder darauf hingewiesen, dass die starken Preissteigerungen gerade Familien mit mehr als drei Kindern belasten würden, da für alle Familienmitglieder unter anderem Lebensmittel zu stark gestiegenen Preisen beschafft werden müssten. Da Familien mit mehreren Kindern überdurchschnittlich oft von Armut betroffen sein, müssten gerade Familien mit mehr als drei Kindern besonders gut vor den Folgen der Preissteigerungen geschützt werden. Daher sollte das Kindergeld auch für das vierte und jedes weitere Kind um zwölf Euro angehoben werden.

Die Bundesregierung lehnt in ihrer Gegenäußerung den Vorschlag ab, da gestaffelte Kindergeldhöhen in der praktischen Anwendung kompliziert seien und zusätzlichen Bürokratieaufwand nach sich ziehen würden. Zur Vereinfachung und mit Blick auf die geplante Leistungsbündelung im Rahmen der Kindergrundsicherung sollten die unterschiedlichen Kindergeldhöhen deshalb allmählich angeglichen werden, bis das Kindergeld für alle Kinder gleich hoch sei. Das sei auch deshalb sinnvoll, weil bei den steuerlichen Freibeträgen für Kinder keine Staffelung nach der Anzahl der Kinder erfolge. Zudem weise der Bundesrat selbst darauf hin, dass viele arme und armutsgefährdete Familien von der Erhöhung des Kindergeldes nicht profitieren würden, weil es bei den Leistungen der Grundsicherung als Einkommen berücksichtigt werde. In diesen Fällen hätte eine Anhebung auch für das vierte und jedes weitere Kind im Ergebnis keine Leistungserhöhung zur Folge.

Angesichts ihrer hohen Belastungen durch das dritte Entlastungspaket des Bundes verlangen die Länder zudem eine Erhöhung der Leistungen des Bundes wie zum Beispiel die vollständige Übernahme der Ausgaben nach dem Wohngeldgesetz durch den Bund sowie Zuweisungen des Bundes zur Gegenfinanzierung der steigenden Energie- und Sachkosten bei dem Krankenhäusern und schließlich eine Wiederaufnahme beziehungsweise Intensivierung der Bundesbeteiligung an den Kosten für die Unterbringung, Betreuung und Integration von geflüchteten Menschen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 616 vom 03.11.2022

Über geplante Maßnahmen zur Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen berichtet die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/4160) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/3606). Unter anderem soll danach das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) in dieser Legislaturperiode auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden und eine regelmäßige Berichtspflicht an den Bundestag beinhalten. Aktuell werden dazu alle Vorarbeiten geleistet, wie es in der Antwort weiter heißt. Der Gesetzgebungsprozess sei für das Jahr 2023 vorgesehen.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 611 vom 01.11.2022

Beschäftigte mit Homeoffice-Möglichkeit haben weniger Krankentage als Beschäftigte ohne diese Arbeitsmöglichkeit. Das geht aus einer Antwort (20/4120) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/3545) der Fraktion Die Linke hervor. Demnach hatten einer Statistik aus dem Jahr 2021 zufolge Beschäftigte im Homeoffice im Durchschnitt 7,9 Fehltage in den vergangenen 12 Monaten. Bei Beschäftigten ohne Homeoffice waren es 12,9 krankheitsbedingte Fehltage.

Aus der Antwort geht auch hervor, dass Arbeiten im Homeoffice vor allem ein Phänomen höherer Einkommensgruppen ist: In der höchsten Einkommensgruppe nutzten den Angaben zufolge 86,8 Prozent im Jahr 2021 Homeoffice, in der niedrigsten waren es 25,7 Prozent. Nach Altersstufen gestaffelt, zeigt sich, dass jüngere Beschäftigte (bis 39 Jahre) das Homeoffice mit einem Anteil von rund 51 Prozent deutlich häufiger nutzen als ältere Beschäftigte (55 bis 67 Jahre) mit einem Anteil von rund 41 Prozent.

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 610 vom 01.11.2022

Die Anspruchslöhne von erwerbslosen Geflüchteten liegen in den ersten beiden Jahren nach der Zuwanderung über dem durchschnittlichen Niveau von anderen Migrantengruppen in Deutschland. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer sinken sie. Im Durchschnitt sind arbeitsuchende Geflüchtete bereit, für den angegebenen Monatsverdienst mehr Stunden zu arbeiten. Das zeigen Ergebnisse einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2020 lag der monatliche Anspruchsverdienst – also das minimal geforderte Gehalt zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit – von erwerbslosen Geflüchteten inflationsbereinigt bei 1.529 Euro netto. Bei anderen erwerbslosen Personen mit eigener Migrationserfahrung lag er bei 1.374 Euro netto und bei Personen ohne Migrationshintergrund bei 1.350 Euro netto.

Allerdings waren Geflüchtete bereit, für dieses Gehalt länger zu arbeiten: Die angegebene Wochenarbeitszeit lag bei Geflüchteten durchschnittlich bei knapp 37 Stunden, also 5 Stunden mehr als die angegebene Wochenarbeitszeit von anderen Personen mit eigener Migrationserfahrung und ohne Migrationshintergrund. Somit lag der Anspruchslohn von Geflüchteten bei durchschnittlich 9,70 Euro netto pro Stunde. Bei Personen ohne Migrationshintergrund lag er bei 10,10 Euro netto. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer sanken die Anspruchslöhne der Geflüchteten allerdings deutlich: Geflüchtete, die sich zwei Jahre oder kürzer in Deutschland aufhielten, erwarteten durchschnittlich mindestens 10,40 Euro netto pro Stunde. Drei Jahre nach dem Zuzug sank der Anspruchslohn auf 9,60 Euro netto.

Der Anspruchslohn stieg mit den Qualifikationen und Deutschkenntnissen der Geflüchteten sowie mit der Haushaltsgröße und dem Vorhandensein von Kindern im Haushalt. „Das könnte sowohl auf höhere Lebenshaltungskosten als auch auf höhere Transferzahlungen – etwa Hartz IV oder Asylbewerberleistungen – in Haushalten mit mehr Personen zurückzuführen sein“, so IAB-Forscher Philipp Jaschke.

Der Anspruchslohn fiel niedriger aus für Geflüchtete, die bereits Stellen über die Arbeitsagenturen und Jobcenter gesucht oder Berufserfahrungen in Deutschland erworben hatten. „Geringe Deutschkenntnisse und unvollkommene Informationen haben oft zur Folge, dass Geflüchtete bei ihrer Ankunft in Deutschland den Arbeitsmarkt nicht genau kennen. Das betrifft etwa Qualifikationsanforderungen oder Löhne und Gehälter. Diese Informationsdefizite können die Einschätzungen hinsichtlich der Erwerbschancen und der erzielbaren Löhne verzerren,“ erklärt IAB-Forscher Ehsan Vallizadeh.

Die IAB-Studie basiert auf Auswertungen der ersten fünf Wellen der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten aus den Jahren 2016 bis 2020 von knapp 7.900  seit 2013 zugezogenen Asylsuchenden im erwerbsfähigen Alter von 18 bis 64 Jahren. Die Studie ist abrufbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2022/kb2022-20.pdf

Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 08.11.2022

In der Corona-Krise sind sowohl die Zahlen der von der Bundesagentur für Arbeit monatlich ausgewiesenen dualen Ausbildungsstellen als auch die der Bewerbenden ab dem zweiten Quartal 2020 gegenüber 2019 deutlich zurückgegangen. Dabei sank die Zahl der Bewerbenden stärker als das Stellenangebot. Im zweiten Jahr der Pandemie gab es den stärksten Rückgang bei der Zahl der erfolgreichen Vermittlungen in eine Ausbildung. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.

Verglichen mit dem Trend der Zahlen der Bewerbenden und des Stellenangebots sank die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge deutlich stärker. Diese Entwicklung deutet auf zunehmende Passungsprobleme hin. „Mögliche Gründe hierfür können etwa die fehlende Übereinstimmung zwischen angebotenen Stellen und beruflichen Wünschen von Ausbildungsinteressenten oder zwischen dem regionalen Angebot und der regionalen Nachfrage sein“, erklärt IAB-Direktor Bernd Fitzenberger. „Weitere Gründe sind, dass die Qualifikationen der Bewerbenden nicht dem Anforderungsprofil der Betriebe entsprechen oder dass junge Menschen Alternativen im tertiären Bildungsbereich, beispielsweise den Besuch einer Fachhochschule, vorziehen“, ergänzt Anna Heusler, Mitautorin der Studie.

Starke Rückgänge zeigen sich vor allem in Berufen, die besonders von der Corona-Krise betroffen waren, beispielsweise in den Bereichen „Kaufmännische Dienstleistungen, Handel, Vertrieb, Tourismus” sowie „Geisteswissenschaften, Kultur, Gestaltung”. Mit dem Rückgang der bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten Bewerbenden und der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge während der Krise setzt sich ein Trend fort, der schon vor der Pandemie begann. Dagegen nahm die Zahl der bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern registrierten betrieblichen Ausbildungsstellen längerfristig zu und ging erst mit Beginn der Pandemie zurück. „Pandemiebedingt erschwerte sich nicht nur die Kontaktaufnahme zwischen Ausbildungsinteressierten und Betrieben, sondern auch zwischen potenziellen Bewerbenden und den Arbeitsagenturen. Das beeinträchtigte die Aktivierung und Vermittlung von Jugendlichen“, so Anna Houštecká, Mitautorin der Studie. „Denkbar wäre allerdings auch, dass ausbildungsinteressierte Jugendliche zunehmend auf das Onlineangebot der BA zurückgreifen und sich ohne persönliche Beratung und Registrierung in einer Arbeitsagentur über mögliche Stellen informieren“, so Leonie Wicht weiter, Mitautorin der Studie.

Die Studie beruht auf Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Diese bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten Stellen, Bewerbenden und neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge umfassen. Die IAB-Studie ist abrufbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2022/kb2022-19.pdf.

Quelle: Pressemitteilung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom 25.10.2022

  • Betreuungsquote steigt um 1,1 Prozentpunkte gegenüber dem von coronabedingten Einschränkungen geprägten Vorjahr
  • In Ostdeutschland ist mehr als die Hälfte der unter Dreijährigen in Tagesbetreuung, in Westdeutschland knapp ein Drittel
  • Mehr Personal in Kindertageseinrichtungen, aber weniger Tagesmütter oder -väter 

Die Zahl der Kinder unter drei Jahren in Kindertagesbetreuung ist zum 1. März 2022 gegenüber dem Vorjahr um rund 28 800 auf insgesamt 838 700 Kinder gestiegen. Damit waren 3,6 % mehr unter Dreijährige in Kindertagesbetreuung als am 1. März 2021. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, lag die Betreuungsquote der unter Dreijährigen bundesweit bei 35,5 % (2021: 34,4 %). Damit setzte sich der im Jahr 2021 unterbrochene Trend steigender Betreuungsquoten wieder fort. Beim Personal gab es in den Kindertageseinrichtungen einen Zuwachs um 3,2 % gegenüber dem Vorjahr, während die Zahl der Tagesmütter oder -väter um 2,7 % zurückging. 

Bei der Betreuungsquote handelt es sich um den Anteil der in Kindertageseinrichtungen (zum Beispiel in Kindertagesstätten) oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege (zum Beispiel ein öffentlich geförderter Betreuungsplatz bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater) betreuten Kinder an allen Kindern dieser Altersgruppe.

Anstieg der Betreuungsquote nach leichtem Rückgang im Vorjahr

Mit dem aktuellen Anstieg der Betreuungsquote bei den unter Dreijährigen um 1,1 Prozentpunkte setzt sich der langjährige Trend nach einer Unterbrechung im Jahr 2021 wieder fort. Damals war die Betreuungsquote erstmals seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2006 leicht gesunken, und zwar um 0,6 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2020 auf 34,4 %. Dieser bislang einmalige Rückgang hing vermutlich mit der Corona-Pandemie zusammen, die zu einer geringeren Nachfrage nach Betreuungsplätzen und zur Kündigung von Verträgen aufgrund einer Betreuung zuhause geführt haben kann. Außerdem verhinderten coronabedingte Einschränkungen bei der Eingewöhnung und bei „Schnuppertagen“ möglicherweise den Abschluss neuer Betreuungsverträge.

Höhere Betreuungsquoten in Ostdeutschland

In den ostdeutschen Bundesländern (einschließlich Berlin) waren zum Stichtag 31. März 2022 durchschnittlich mehr als die Hälfte aller Kinder unter drei Jahren in einer Tagesbetreuung (53,3 %). In Westdeutschland war die Betreuungsquote mit 31,8 % nach wie vor deutlich niedriger als im Osten. Im Bundesländer-Vergleich hatten Mecklenburg-Vorpommern (58,6 %), Sachsen-Anhalt (58,3 %) und Brandenburg (56,7 %) die höchsten Betreuungsquoten. Unter den westdeutschen Bundesländern erreichte Hamburg mit 49,2 % die höchste Quote, gefolgt von Schleswig-Holstein (36,4 %). Bundesweit am niedrigsten waren die Betreuungsquoten in Baden-Württemberg (29,9 %) und Bremen (30,2 %).

1,4 % mehr Kindertageseinrichtungen, aber 2,7 % weniger Tageseltern als im Vorjahr

Am 1. März 2022 gab es bundesweit rund 59 300 Kindertageseinrichtungen. Das waren über 800 Einrichtungen oder 1,4 % mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Die Zahl der dort als pädagogisches Personal oder als Leitungs- und Verwaltungspersonal beschäftigten Personen stieg um 22 700 oder 3,2 % auf rund 730 800. Demgegenüber sank die Zahl der Tagesmütter und -väter um 1 200 oder 2,7 % auf rund 41 900. 

Methodische Hinweise:

Die Daten aus den Statistiken der Kinder und tätigen Personen in Kindertageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege sowie in Großtagespflegestellen spiegeln nicht in jedem Fall das tatsächliche Betreuungsverhalten am 1. März 2022 wider. Beim Personal wurden alle Personen berücksichtigt, die am Stichtag in einem gültigen Arbeitsverhältnis tätig waren. Zudem wurden alle Kinder angegeben, die am Stichtag ein Betreuungsverhältnis hatten, unabhängig davon, ob diese am Stichtag betreut wurden oder keine Betreuung stattfand. 

Weitere Informationen:

Weitere Informationen enthält die Publikation „Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege“. Basisdaten zur Kindertagesbetreuung in Deutschland sind zudem über die Tabellen Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen (22541)Kinder und tätige Personen in Kindertagespflege (22543) und Personen in Großtagespflegestellen und betreute Kinder (22545) in der Datenbank GENESIS-Online verfügbar. 

Auf Basis der Ergebnisse der Statistik der Kindertageseinrichtungen berechnet das Statistische Bundesamt seit 2011 auch einen Personalschlüssel zur Betreuungssituation in Tageseinrichtungen für Kinder nach Gruppenformen und Bundesländern. In den vergangenen Monaten wurde diese Berechnungsweise des Personalschlüssels weiterentwickelt. Daten auf Grundlage des neuen Personal-Kind-Schlüssels sind nunmehr veröffentlicht. Die entsprechende Online-Tabelle sowie weitere Informationen zum neuen Personal-Kind-Schlüssel sind auf der Themenseite „Kindertagesbetreuung“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes verfügbar.

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 21.10.2022

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Claudia Mandrysch (53) wird ab Januar 2023 Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt.

Das Präsidium der Arbeiterwohlfahrt hat nach einem intensiven Auswahlprozess beschlossen, Claudia Mandrysch als Vorständin des AWO Bundesverbandes einzustellen. Ab November 2022 wird Mandrysch zunächst in Teilzeit ihren Dienst beginnen und ab Januar 2023 in Vollzeit als Vorständin für den AWO Bundesverband tätig werden. Nach einer Ausbildung der Sozialen Arbeit und Weiterbildungen und Praxiserfahrungen in der Sozial- und Suchttherapie ist Mandrysch über viele Jahre als Führungskraft in der Freien Wohlfahrtspflege tätig gewesen. Sie verfügt zudem über langjährige Erfahrung in der Führungskräfte- und Organisationsberatung.

Claudia Mandrysch: „Die AWO steht seit ihrer Gründung für Werte ein, die in diesen herausfordernden Zeiten richtungsweisend sind auf dem Weg in eine solidarische, gerechte Zukunft. Ich selbst habe mich zeitlebens für soziale Gerechtigkeit und sozialen Frieden eingesetzt. Von daher ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, die AWO in ihrer Rolle als Impulsgeberin für zentrale Themen unserer Zukunft zu stärken.“

Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt: „Claudia Mandrysch ist eine sehr erfahrene Führungskraft und verfügt über ausgewiesene Kenntnisse der Praxis der Freien Wohlfahrtspflege. Sie wird den Entwicklungsprozess der gesamten AWO und insbesondere des Bundesverbandes in diesen schwierigen Zeiten klug und sicher voranbringen.“

Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt: „In Claudia Mandryschs beruflichem Weg und Engagement spiegeln sich die AWO-Grundwerte deutlich wider. Ich freue mich sehr, dass wir mit ihr eine Vorständin gewinnen konnten, die das fachpolitische Profil der AWO dank ihrer Wurzeln in der sozialarbeiterischen Praxis mit großer Expertise weiter stärken wird.“

Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes: „Mit Claudia Mandrysch gewinnen wir eine Kollegin im Bundesvorstand, die ihre Führungsqualitäten unter anderem in der Führung eines Trägers der Wohlfahrtspflege mit 1.000 Mitarbeiter*innen nachgewiesen hat. In Zeiten gesellschaftlicher Krisen und Herausforderungen wird diese Expertise den Bundesverband in die Zukunft führen, damit die AWO auch weiter als starke Stimme für soziale Anliegen vernommen wird.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 21.10.2022

Die Freie Wohlfahrtspflege appelliert an Bundesminister Heil, eine bessere Erreichbarkeit von Jobcentern für alle Leistungsberechtigten und angemessene Corona-Schutzvorkehrungen für den Winter sicherzustellen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise müsse gewährleistet sein, dass Hilfesuchende nicht vor verschlossenen Türen stehen oder lange auf Termine warten müssen.

Viele Jobcenter und Arbeitsagenturen haben im Zuge der coronabedingten Kontaktbeschränkungen ihre Erreichbarkeit stark eingeschränkt und sind auch heute für Hilfesuchende nur eingeschränkt erreichbar, zum Teil mit gravierenden Folgen: Problemlagen für Hilfesuchende verschärfen sich und es kommt zu verspätetem Bezug von Leistungen der Existenzsicherung, was bis zum Verlust der Wohnung führen kann. Das geht aus einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) unter fast 1.000 Mitarbeitenden aus über 600 ihrer gemeinnützigen sozialen Beratungsstellen aus dem Sommer 2022 hervor.

Knapp 8 Prozent der Befragten gaben an, dass keine persönliche Beratung im Jobcenter vor Ort möglich ist. Rund 31 Prozent sagten, dass es keine frei zugängliche Eingangszone, z.B. zur Abgabe von Unterlagen gegen eine Empfangsbestätigung gibt und rund 28 Prozent, dass das Jobcenter keine regulären Öffnungszeiten hat.

Die Bundesregierung will mit dem neuen Bürgergeld das vertrauensvolle Miteinander und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe in den Jobcentern in den Mittelpunkt rücken. Mehr Bürgerfreundlichkeit und weniger Bürokratie sollen einkehren, lautet ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag.

BAGFW-Präsident Ulrich Lilie: „All das setzt voraus, dass alle Leistungsberechtigten ihr Jobcenter unkompliziert erreichen können, das ist eben nicht der Fall. Menschen, die auf das Jobcenter angewiesen sind, müssen sich darauf verlassen können, dass sie dort kompetent und zeitnah beraten werden und ihre Ansprechpersonen erreichbar sind. Wegen der starken Inflation drohen immer mehr Menschen finanziell abzurutschen. Ihnen muss aber besonders schnell geholfen werden.“

Digitale Angebote und Telefon-Hotlines sind wichtige Zugänge, die die Erreichbarkeit in digitalen Zeiten verbessern. Sie können das persönliche Gespräch und die Beratung jedoch nicht ersetzen. „Vor allem Menschen, die ihre Anliegen nicht digital oder telefonisch vorbringen können – weil sie nicht gut Deutsch sprechen, mit den digitalen Zugängen nicht zurechtkommen oder nicht richtig lesen und schreiben können – sind auf das persönliche Gespräch vor Ort angewiesen“, so Lilie weiter.

Die sozialen Beratungsstellen benennen als Folge der eingeschränkten Erreichbarkeit am häufigsten, dass Klientinnen und Klienten Hilflosigkeit erleben (76 Prozent) und sich Probleme verschärfen, weil eine schnelle persönliche Klärung nicht möglich ist (64 Prozent). Ebenso häufig (63 Prozent) kommt es laut der Befragten aufgrund der eingeschränkten Erreichbarkeit zu keinem oder verspäteten Bezug von existenzsichernden Leistungen. Rund 60 Prozent der Befragten geben an, dass zugesandte oder eingeworfene Unterlagen nicht oder deutlich verspätet die zuständigen Bearbeitenden erreichen und wie Wahrung von Fristen erschwert ist (49 Prozent).

Insgesamt fehlen Hilfesuchenden relevante Informationen, sagen 57 Prozent. (Drohenden) Wohnungsverlust bzw. anhaltende Wohnungslosigkeit benennen 37 Prozent als Folge.

Als konkrete Vorschläge für vor Ort umsetzbare Maßnahmen, die zu einer guten Erreichbarkeit auch in Pandemiezeiten beitragen können, nannten die sozialen Beratungsstellen u.a. die Nennung von Ansprechpersonen mit Telefonnummer und E- Mail-Adresse auf Bescheiden, die Einrichtung eines Notfalltresens, an dem täglich Dokumente gegen Empfangsbestätigung abgegeben werden können, die Einrichtung einer täglichen, persönlichen Notfallsprechzeit sowie einen Scanservice für Unterlagen, die direkt in die Fallakten eingepflegt werden.

Für die sozialen Beratungsstellen selbst resultiert aus der eingeschränkten Erreichbarkeit von Jobcentern und Arbeitsagenturen ein erhöhter Zeitaufwand für die Kommunikation mit diesen Behörden (80%), ein erhöhter Zeitaufwand pro Beratung (76%), eine erhöhte Beratungsfrequenz (55%), mehr Kriseninterventionen (53%) und insgesamt mehr Klientinnen und Klienten (52%).

An der Befragung haben sich bundesweit 990 Mitarbeitende aus über 600 Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege beteiligt. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, geben aber einen guten Einblick in die Problematiken in der Praxis. Die meisten Befragten kommen aus Beratungsstellen im Bereich der Migrations- und Flüchtlingsberatung, gefolgt von der Allgemeinen Sozialberatung und der Wohnungsnotfallhilfe. Der überwiegende Teil der Beratungsstellen ist in Nordrhein- Westfalen ansässig, gefolgt von Baden-Württemberg und Bayern.

Zur Auswertung der Umfrage: https://awo.org/sites/default/files/2022-10/2022_10_07_Auswertung_BAGFW-Umfrage_Erreichbarkeit_JC_AA_0.pdf

Quelle: Pressemitteilung Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege vom 24.10.2022

Unter dem Motto #ausLiebe startet die Diakonie Deutschland zu ihrem 175. Jubiläum 2023 ihre neue bundesweite Imagekampagne. Sie rückt die Menschen in den Mittelpunkt, für die sich die Diakonie stark macht: Einkommensarme, Alte, Kranke, Familien, Wohnungslose, Geflüchtete und viele andere, die sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt sehen. Die Slogans und bildstarken Motive spielen mit dem Hashtag #ausLiebe und richten das Augenmerk auf soziale Themen und drängende Probleme. Damit knüpft die Jubiläumskampagne an die erfolgreiche „Unerhört!“-Kampagne an – auch diese warb mit der Doppeldeutigkeit der Begriffe für eine offene Gesellschaft, gegen Ausgrenzung und für mehr soziale Teilhabe.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: „Es geht uns in unserem Jubiläumsjahr um die Gegenwart und um die Zukunft. Nah bei den Menschen und am Puls der Zeit: Aus Liebe. Mit Professionalität und auf Augenhöhe unterstützen wir sehr unterschiedliche Menschen, ein Leben nach ihren Vorstellungen zu führen. Denn das ist der Geist der Diakonie. Dieser Spirit, der uns mit unseren Gründervätern und -müttern verbindet, entzündet sich an der Frage, die sich jede neue Generation der Diakonie stellt: Wie können wir heute unseren Beitrag für eine menschenfreundliche Gesellschaft leisten, die allen gerechte Teilhabe ermöglicht und Wertschätzung lebt?“

Die Jubiläumskampagne wurde von der Berliner Agentur glow entwickelt und als Mitmach-Kampagne für diakonische Verbände und Einrichtungen gestaltet. Neben Plakatwerbung und Veranstaltungen wird die Kampagne intensiv durch Social-Media-Aktivitäten begleitet.

Sebastian Wilke, Geschäftsführer Beratung, glow Berlin: „Wir freuen uns, dass sich die Diakonie für uns entschieden hat. Wir haben gemeinsam planvoll über ein Jahr lang darauf hingearbeitet. Die Kampagne ruht auf drei Säulen: Präsentieren, Mitmachen, Teilen. Zum Beispiel mit Großplakaten an Bahnhöfen und an viel besuchten Plätzen im öffentlichen Raum. Hier regen die Motive zum Nachdenken an – und zum Mitmachen.“

Die Kampagne #ausLiebe

„Manchmal heißt Liebe …“, so beginnen die Slogans auf den Plakat- und Social-Media-Motiven. Der Rest des Satzes variiert und erzählt vom Arbeitsalltag der Diakonie-Mitarbeitenden. „… Einen Antrag zu machen“ dient als Beispiel für die vielfältigen sozialen Beratungsangebote. „… Jemandem den Kopf zu waschen“ steht über dem Bild des Obdachlosen Manuel, der von Alexandru die Haare gewaschen und geschnitten bekommt. „… Ein Start-up zu gründen“ heißt es bei einem alten Stich von Johann Hinrich Wichern, der 1848 mit einer Brandrede die Gründung der modernen Diakonie initiierte. Aus dem „Start-up“ von 1848 hat sich heute eine der größten Arbeitgeberinnen in Deutschland mit 600.000 Mitarbeitenden und 700.000 freiwillig Engagierten entwickelt, die sich täglich und nächtlich für Menschen in Not einsetzen. „#ausLiebe hat Johann Hinrich Wichern die Diakonie gegründet und #ausLiebe hat sie auch in Zukunft ihren Platz in der Gesellschaft“, unterstreicht Lilie.

Der Kampagnenfilm führt emotional in die Welt der diakonischen Arbeit. Den Soundtrack hat der französische Elektro-Pop-Act French 79 beigesteuert.

Weitere Informationen:

Kampagnenwebsite: http://www.ausliebe.diakonie.de/ Kostenfreie Pressebilder: https://diakonie.canto.global/b/VCSUQ

Die Diakonie präsentiert die Kampagne mit Aktionen auf einem großen Stand auf dem Evangelischen Kirchentag vom 7. bis 11. Juni in Nürnberg. Am 22. September 2023 findet die Jubiläumsfeier im Museum für Kommunikation in Berlin statt.

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 07.11.2022

Bund und Länder haben sich auf ein umfassendes Entlastungspaket geeinigt. Die Diakonie begrüßt, dass mit den Beschlüssen über das 200 Milliarden-Euro-Entlastungspaket der Weg freigegeben ist, um die Bürgerinnen und Bürger von den enormen Preissteigerungen zu entlasten. Allerdings sind die Maßnahmen immer noch nicht zielgenau genug. “Die Regierungschefs müssen ihren Kompass deutlich stärker auf diejenigen ausrichten, die am stärksten unter der Inflation leiden und in ihrer Existenz bedroht sind: Einkommensarme und Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Das Prinzip Gießkanne, nachdem jeder ein Stück vom Kuchen bekommt, befördert eine wachsende Unzufriedenheit in der Gesellschaft. Es schadet der Demokratie, wenn die Ärmsten – und das sind rund 15 Millionen Menschen in Deutschland – die geringste Entlastung erfahren“, sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. 

Bewertung der Maßnahmen aus Sicht der Diakonie:

Die Gas- und Strompreisbremse ist ein sinnvolles Instrument, um Wirtschaft und Gesellschaft Planungssicherheit für diesen Winter zu geben. Die geplanten Abschlagszahlungen für Gas und Fernwärme sind jedoch ein Schritt zurück: Hiervon profitieren alle – von der Millionärin bis zum Hartz-4-Empfänger. Angesichts der für viele Menschen bedrohlichen finanziellen Lage ist das nicht nachvollziehbar. Stattdessen sind zielgenaue Hilfezahlungen nötig, die die Einkommensärmsten schnell und unbürokratisch erreichen. Diese müssten sofort greifen und dürfen nicht erst mit dem Inkrafttreten des Bürgergeldes und dann auch nur für Sozialleistungsbeziehende greifen. Statt komplizierter Antragsprüfungen sind unmittelbare und einfache Direktzahlungen nötig.

Die Entscheidung für ein bundesweites Nahverkehrsticket für 49 Euro ist gut. Leider wurde die Chance vertan, gleichzeitig ein 29-Euro-Sozialticket auf den Weg zu bringen, damit Mobilität und Teilhabe für alle möglich ist. Die Kosten des neuen Tickets liegen über dem Ansatz, der in der Grundsicherung für Mobilität vorgesehen ist.

Mit dem Hilfsfonds für die Sozialwirtschaft schützen Bund und Länder nun endlich auch die Sozialwirtschaft. Dieser Hilfsfonds beschränkt sich jedoch auf Einrichtungen, die auf Bundesebene von Sozialversicherungsträgern refinanziert werden. Daher ist ergänzend eine Unterstützung für soziale Einrichtungen und Dienste dringend erforderlich, die aus Mitteln der Länder und Kommunen refinanziert werden. Der Hilfsfonds lässt derzeit Einrichtungen der Eingliederungshilfe, der Jugendhilfe, Tageseinrichtungen für Kinder, die Wohnungslosenhilfe, Frauenhäuser, Familienerholungsstätten, Schuldnerberatung und Migrationsberatungsstellen außen vor.

Mit der Wohngeldreform soll der Kreis der Antragsberechtigten deutlich ausgeweitet werden. Die Sozialberatungsstellen berichten aber, dass schon jetzt die Ämter mit der Antragsbearbeitung kaum nachkommen. Dies gilt auch bei Neuanträgen auf die Grundsicherung, wenn Haushalte jetzt aufgrund der Preissteigerungen in die Antragsberechtigung rutschen. Darum setzt sich die Diakonie beim Wohngeld wie auch in der Grundsicherung für Vorschuss- und Vorauszahlung ein, wenn die Bedürftigkeit plausibel ist, und pauschale monatliche Ausgleichszahlungen in Höhe von 100 Euro für Haushalte mit Niedrigeinkommen für die nächsten Monate – ab sofort. Bisher erfolgen Vorauszahlungen nur, wenn Menschen Zahlungsunfähigkeit nachweisen können. Die Ärmsten können aber nicht warten, bis Sozialleistungsreformen im Vermittlungsausschuss besprochen, umgesetzt und dann noch die Neuanträge abgearbeitet wurden.

Hintergrund

Seit Monaten weist die Diakonie darauf hin, dass Menschen in der Grundsicherung oder im Wohngeldbezug, Einkommensarme, Kinder und Jugendliche, Rentnerinnen und Rentner angesichts steigender Energiepreise sofort mehr finanzielle Unterstützung benötigen. Unser Vorschlag: Diesen Menschen soll jeden Monat 100 Euro mehr über eine vom Bundestag zu verabschiedende Notlagenregelung unkompliziert, schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden. Wenn der Bundestag eine soziale Krise von nationaler Tragweite feststellt, soll dies zunächst für sechs Monate gelten. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würden hierdurch die nach Einkommen unteren 20 Prozent der Haushalte wirksam entlastet werden und einen ausreichenden Ausgleich für die zunehmenden Belastungen durch Inflation und Energiepreissteigerungen erhalten. Diese Haushalte geben nahezu zwei Drittel ihres Einkommens für Wohnen und Essen aus und sind von den Preissteigerungen am Stärksten betroffen.  Das Bürgergeld muss jetzt kommen, allerdings reichen 50 Euro für Menschen in der Grundsicherung ab Januar nicht, um durch die Wintermonate zu kommen. Das Geld wird jetzt benötigt. Das gilt auch für das Kindergeld. 18 Euro Erhöhung ab Januar gleichen weniger als die Hälfte der gestiegenen Belastungen aus.

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 03.11.2022

In vielen deutschen Städten startet in diesen Tagen die Kältehilfe. Die Diakonie appelliert an alle Verantwortlichen in Städten und Gemeinden, für eine ausreichende Zahl an Übernachtungs- und Aufenthaltsplätze für wohnungslose Menschen zu sorgen. Die Einrichtungen der Kältehilfe brauchen ausreichend finanzielle Hilfen, um bei steigenden Lebensmittel- und Energiekosten genügend Plätze vorhalten zu können.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

„Dieser Winter wird für Menschen, die auf der Straße leben, eine besondere Herausforderung. Die steigenden Lebensmittelpreise belasten wohnungslose Menschen enorm, und sie können sich von ihrem wenigen Geld kaum noch etwas kaufen. Auch Corona bleibt für sie ein großes Risiko, weil sie häufig gesundheitlich vorbelastet sind. Minustemperaturen sind für wohnungslose Menschen eine Gefahr für Leib und Leben. Umso wichtiger ist es, dass Städte und Gemeinden alles dafür tun, ausreichend viele und infektionssichere Übernachtungs- und Aufenthaltsplätze zur Verfügung zu stellen.

Um das Angebot in den Notunterkünften und in den Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe aufrechterhalten zu können, brauchen die Träger der Kältehilfe ausreichend Geld. Die immensen Kostensteigerungen können mit den bisherigen Mitteln nicht finanziert werden. Deshalb benötigen wir von den Kommunen dringend verbindliche Zusagen über die Finanzierung der tatsächlichen Unterhaltskosten. Anders können die Menschen nicht vor dem Erfrieren geschützt werden.“

Hintergrund:
Nach einer bundesweiten repräsentativen empirischen Erhebung, die die Gesellschaft für innovative Sozialplanung und Sozialforschung e. V. und Kantar Public im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellt haben, leben in Deutschland etwa 37.400 Menschen ohne jede Unterkunft auf der Straße. Insbesondere im Winter sind sie den Witterungsbedingungen schutzlos ausgesetzt. Unter dem Namen Kältehilfe stellt unter anderem die Diakonie von November bis April deutschlandweit zusätzliche Übernachtungs- und Aufenthaltsplätze für wohnungslose Menschen zur Verfügung.

Themenschwerpunkt mit Überblick über Kältehilfen der Diakonie bundesweit:
https://www.diakonie.de/kaeltehilfe
Wissen Kompakt Obdachlosigkeit:
https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/obdachlosigkeit
Themenschwerpunkt zu Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit:
https://www.diakonie.de/wohnungslosigkeit 

Aktion #wärmewinter
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie Deutschland rufen angesichts der hohen Belastung vieler Menschen durch die gestiegenen Energiepreise die Aktion #wärmewinter ins Leben. Diakonie und Kirche öffnen in diesem Herbst und Winter ihre Türen und schaffen in ganz Deutschland wärmende Orte, wo Betroffene Hilfe erhalten, sich aber auch über ihre Rechte informieren können. Mit der gemeinsamen Kampagne setzen Diakonie und Kirche ein Zeichen gegen soziale Kälte und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Weitere Infos: www.waermewinter.de

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 30.10.2022

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt in einer Stellungnahme das vom Bundesfamilienministerium und Bundesinnenministerium geplante Demokratiefördergesetz. Positiv stellt der djb heraus, dass das Gesetzesvorhaben ausdrücklich Ideologien gegen Geschlechtergerechtigkeit sowie Sexismus als Bedrohungen für das friedliche Zusammenleben beschreibt und die politische Bedeutung ihrer Bekämpfung hervorhebt. 

Bezogen auf gleichstellungs- und frauenpolitische Aspekte von Demokratieförderung benennt der djb notwendige Anpassungen im Entwurf. So stellt der djb fest, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes allgemein von der „Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt“ und der Prävention u.a. „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ spricht. Frauenpolitischen Belangen und Aspekten von Geschlechtervielfalt wird jedoch durch ausdrückliche Benennung (zumindest in der Gesetzesbegründung) nach den Erfahrungen in der Rechtsanwendung weitaus besser Rechnung getragen.

Demokratiegefährdungen wirken sich in besonderem Maße zu Lasten von Frauen und ihrer demokratischen Teilhabe aus. Neben Sexismus als offensichtliche Demokratiegefährdung zu Lasten von Frauen betrifft dies auch rechtsradikale Einstellungen und Aktivitäten von bzw. für Frauen, die sich z.B. in Ideen wie dem „nationalen Feminismus“ manifestieren. Dazu erklärt die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig: „Es besteht eine Verbindung von Sexismus, Antifeminismus und Rechtsextremismus, die es im Blick zu haben gilt, über die in demokratiefördernden Projekten aufgeklärt und der argumentativ entgegengewirkt werden muss.

Zudem sind die Öffentlichkeit und insbesondere das Internet mit seiner Anonymität kein sicherer Raum für Frauen und ihre außerparlamentarische demokratische Teilhabe. Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen oder sich öffentlich äußern, sind in besonderem Maße Diffamierungen und Beleidigungen ausgesetzt. Diesen Demokratiegefährdungen entgegenzuwirken ist eine wesentliche Aufgabe des Staates, die in der Zivilgesellschaft ihre Ergänzung findet.

Begrüßenswert ist, dass der Staat sowohl eigene Maßnahmen durchführt als auch Maßnahmen Dritter und damit der Zivilgesellschaft fördert. Da die Förderung unter dem Vorbehalt eines erheblichen Bundesinteresses steht, kommt es wesentlich auf die Begriffsdefinition an. Insoweit besteht Anpassungsbedarf. Der djb schlägt daher in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf eine Neudefinition des Begriffs des „Bundesinteresses“ vor. Nur so ist sicherzustellen, dass Maßnahmen, die der Bekämpfung von geschlechtsbezogener Diskriminierung und der Förderung von Geschlechtergerechtigkeit dienen, auch als demokratiefördernde Maßnahmen förderfähig sind.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 01.11.2022

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat eine ausführliche Stellungnahme zur Digitalstrategie der Bundesregierung vom 30. August 2022 veröffentlicht. Die Digitalstrategie weist aus gleichstellungspolitischer Sicht erhebliche Leerstellen auf. Der djb begrüßt, dass sie Geschlechtergerechtigkeit und Diskriminierungsfreiheit als Ziele klar formuliert. Jedoch enthält sie gleichstellungspolitisch wenig Konkretes und kommt deswegen kaum über gut gemeinte Absichtserklärungen hinaus.

„Hier wurde die Chance vertan, sich am Dritten Gleichstellungsbericht zu orientieren, der die Problemfelder der digitalisierten Gesellschaft bereits hervorragend analysiert hat“, so die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig, „die dort erarbeiteten konkreten politischen Handlungsempfehlungen werden nicht aufgegriffen.“ Die Digitalstrategie ist voller Lippenbekenntnisse, nennt jedoch kein einziges konkretes Frauen- oder Mädchenförderprojekt. Dies ist äußerst bedauerlich, da der Staat mit digitalen Leuchtturmprojekten eine vorbildhafte Vorreiterrolle einnehmen sollte.

Die Digitalstrategie nennt unter anderem das Ziel, die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsmarkt zu stärken und will die Erwerbsbeteiligung der Frauen in von Männern dominierten Berufen erleichtern. Leider setzt sich hier das Prinzip „fix the women“ statt „fix the company“ fort. Die Digitalstrategie verpasst, Frauen als Inputgeberinnen mit eigenem Know-how aus ihren Berufen und ihrer sozialen Erfahrung heraus zu sehen, übersieht so entscheidende Innovationspotenziale und vergibt die Chance, den digitalen Wandel für eine geschlechtergerechtere diskriminierungsfreie Gesellschaft zu nutzen.

In der Strategie wird Digitalisierung als Querschnittsmaterie unter dem übergeordneten Leitmotiv der technologischen und digitalen Souveränität Deutschlands verstanden. Das schließt aus, dass ein eigenständiges Digitalministerium eingerichtet wird. Der djb empfiehlt, zumindest in der neuen Bundesstiftung Gleichstellung ein Digitalressort einzurichten, welches in Digitalprojekte verpflichtend einzubinden wäre. Auch im gerade neu konstituierten Dateninstitut für Deutschland sollten gleichstellungspolitische Kompetenzen aufgebaut werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 31.10.2022

Wissenschaftler:innen des DJI stellen bei der Jahrestagung am 8. und 9. November 2022 aktuelle Forschungsergebnisse und -projekte vor

Die Covid-19-Pandemie hat die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mitunter stark beeinträchtigt und soziale Ungleichheiten verschärft. Dies zeigt sich unter anderem an wichtigen Weichenstellungen in Bildungsverläufen, wie zum Beispiel am Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule und von der Schule in die Ausbildung. Die wissenschaftliche Jahrestagung 2022 des Deutschen Jugendinstituts (DJI) am 8. und 9. November 2022 in Berlin befasst sich mit Risiken für junge Menschen in verschiedenen Lebensphasen und mit wirksamer Prävention von sich verstetigender Benachteiligung – von der Familie über die Kita und die offene Jugendarbeit bis zum Internet.

„Viele junge Menschen und ihre Eltern haben in den letzten Jahren stark unter den Einschränkungen der Pandemie gelitten. Deshalb gilt es nun, das Thema psychische Gesundheit in allen Bildungsangeboten aufzugreifen – in den Kitas, in den Schulen und auch in der Kinder- und Jugendhilfe“, sagt DJI-Direktorin Prof. Dr. Sabine Walper. „In der Forschung untersuchen wir, ob sie die Alltags-, Gesundheits- und digitalen Kompetenzen haben, die sie für ein gesundes Aufwachsen benötigen und entwickeln Ansätze, diese zu stärken.“

Sabine Walper hält den Eröffnungsvortrag der wissenschaftlichen Jahrestagung des DJI und tauscht sich mit Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in einem Podiumsgespräch darüber aus, wie Forschung für politische Entscheidungen nutzbar gemacht werden kann. Die im Folgenden ausgewählten Forschungsergebnisse, die neben vielen weiteren auf der DJI-Jahrestagung präsentiert werden, geben wichtige Impulse für Politik und Praxis.

Verhaltensprobleme bei Kindern und Jugendlichen nehmen erneut zu

Inwiefern das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen während der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt wurde und immer noch beeinträchtigt wird, zeigen Daten aus der DJI-Studie „Kind sein in Zeiten von Corona“ und neue Auswertungen des DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland: AIltagswelten“, kurz AID:A. Bei den 3- bis 17-Jährigen nahmen im Jahr 2020 und erneut im Herbst 2021, also lange nach den strikten Lockdowns, Verhaltensprobleme zu. Mehr emotionale Reaktionen wie Weinen, Rückzug, Kopf- und Bauchmerzen, Probleme mit Gleichaltrigen, Hyperaktivität und Konzentrationsschwierigkeiten stellten die befragten Eltern bei ihren Kindern im Vergleich zur Befragung vor Corona im Jahr 2019 fest. Dies betraf diejenigen jungen Menschen am stärksten, die bereits zuvor benachteiligt waren, weil ihre Eltern finanziell belastet sind, über einen geringeren Bildungsabschluss verfügen oder einen Migrationshintergrund haben und deshalb mit der deutschen Sprache und dem Bildungssystem hierzulande weniger vertraut sind.

„Da für die Bewältigung emotionaler Probleme insbesondere bei jüngeren Kindern die Eltern eine wichtige Rolle spielen, kommt die Benachteiligung hier doppelt zum Tragen“, sagt Studienleiterin Dr. Alexandra Langmeyer. Deshalb plädiert die Leiterin der DJI-Fachgruppe „Lebenslagen und Lebenswelten von Kindern“ für eine gezielte Entlastung von benachteiligten Familien und den Ausbau der Familienhilfe.

Trotz Anstrengungen werden Familien in prekären Lebenslagen an Grundschulen oft nicht erreicht

Wie schwierig es zuweilen ist, benachteiligte Familien zu erreichen, zeigt die soeben veröffentlichte DJI-Studie „Zusammenhänge zwischen prekären Lebenslagen und Bildungsverläufen“ zum Übergang von Grundschulkindern auf weiterführende Schulen. Im Rahmen der Studie wurden Schulleitungen, Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter:innen an vier Münchner Grundschulen unter anderem zur Gestaltung des Übertritts und zur Zusammenarbeit mit finanziell belasteten Familien befragt. Eltern und Kinder gaben Auskunft zu ihren Bildungszielen, ihrer Lebenslage sowie zur Kenntnis und Nutzung von unterstützenden Angeboten.

Die Forschungsergebnisse machen deutlich, dass sich Kinder aus benachteiligten Familien zwar häufig einen Übertritt in die Realschule oder das Gymnasium wünschen und ihre Eltern versuchen, sie dabei zu unterstützen. Jedoch behindern sie dabei unter anderem mangelnde Sprachkenntnisse, fehlendes Wissen über die für den Übertritt zu erbringenden Leistungen und ein eingeschränkter Zugang zu oft kostenintensiven Übungsmaterialien und Nachhilfe. Die Anstrengungen seitens der Schulen scheinen diese Kinder nicht ausreichend zu erreichen.

Die Interviews mit den Befragten geben Aufschlüsse über mögliche Hürden beim Zugang zu Unterstützungsangeboten. So beklagten die Schulakteure, die Eltern nicht zu erreichen. Diese fühlten sich wiederum mit den schulischen Anforderungen überfordert. Den Studienergebnissen zufolge wurde Armut und Ressourcenknappheit der Familien häufig nicht wahrgenommen oder die Familien gingen aus Angst vor Stigmatisierung nicht offen damit um. Zudem fehlten aus Sicht der Lehrkräfte und der Eltern unterrichtsbezogene und lernunterstützende Angebote wie Nachhilfe, Förder- und Sprachkurse.

„Letztlich kann nur sichergestellt werden, dass die Angebote zur Förderung der Kinder genutzt werden, wenn sie für möglichst alle Kinder verfügbar sind“, konstatieren die Studienleiterinnen Dr. Claudia Zerle-Elsäßer und Dr. Christine Steiner. Sie empfehlen daher beispielsweise Standardangebote zur Förderung an Schulen zu etablieren, außerunterrichtliche Angebote stärker mit dem Fachunterricht zu verbinden sowie eine intensivere Vernetzung der Schulen mit Jugendsozialarbeit, Horten, Vereinen, anderen Schulen und auch Migrant:innen-Selbstorganisationen im jeweiligen Sozialraum.

Berufswahlprozesse wurden in Pandemiezeiten verzögert

Eine wichtige Weiche in der Bildungsbiografie junger Menschen ist auch der Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf. DJI-Forschende untersuchten, wie sich Übergangswege bei Jugendlichen an Haupt- und Realschulen durch die Pandemie verändert haben, indem sie die Befragungsdaten zweier Kohorten aus Studien des Forschungsschwerpunkts „Übergänge im Jugendalter“ am DJI miteinander verglichen. Die Ergebnisse des Kohortenvergleichs zeigen, dass Berufswahlprozesse in Pandemiezeiten verzögert wurden: Während die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen abnahm, stieg der Anteil an Jugendlichen, der eine weiterführende Schule besuchte. Gleichzeitig trafen die jungen Menschen die Übergangsentscheidung weniger selbstbestimmt: Der Anteil derjenigen, die diese Wahl als „Notlösung“ bezeichneten, war in der Corona-Kohorte doppelt so hoch. Von Autonomie und Kontinuität im Berufswahlprozess sprachen hingegen diejenigen, die einen konkreten Berufswunsch und Wissen über Berufe hatten. „Folglich sind bei der individuellen Bewältigung der Krise gerade persönliche Ressourcen entscheidend“, erklärt DJI-Wissenschaftler Dr. Frank Tillmann, der zusammen mit Irene Hofmann-Lun und Dr. Karen Hemming die Analysen vornahm.

Die Studie zeigt auch, dass die Schulleistungen bei vielen Jugendlichen nachgelassen haben und sich mehr als jeder dritte junge Mensch an Haupt- und Realschulen an der Schwelle ins Berufsleben Sorgen über seine Zukunft macht. Während der Corona-Pandemie betraf dies überproportional Mädchen sowie Jugendliche mit Migrationshintergrund, die beim Online-Unterricht verstärkt auf Sprachbarrieren stießen. „Während der Pandemie kam es zu einer Verstärkung der Bildungsbenachteiligung“, sagt Dr. Frank Tillmann. Es zeige sich der große Einfluss von persönlichen Ressourcen wie eine gefestigte berufliche Perspektive und Wissen über Ausbildungsberufe. „Diese Kompetenzen müssen künftig bei den Jugendlichen gezielter gefördert werden“, empfiehlt Tillmann.

Infos zu den Forschungsprojekten und Programm: www.dji.de/jahrestagung2022

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Jugendinstitut e.V. vom 08.11.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, der Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und der Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland fordern in einer gemeinsamen Stellungnahme eine stärkere Einbettung der Themen „Psychische Gesundheit“ und „Resilienzförderung“ in die Gesundheitsprävention im Bildungssystem. Im Zentrum sollte dabei die Vermittlung eines „gesunden Lebens“ stehen, für das Ernährung und Bewegung ebenso wichtig sind wie Psychohygiene und der Umgang mit Belastungen. Die Verbände stellen gleichzeitig fest, dass es Kindern, Jugendlichen und auch Fachkräften gerade im Nachgang von Schulschließungen und Distanzunterricht im Zuge der Corona-Pandemie helfen würde, wenn im schulischen System der Leistungsdruck minimiert sowie Zeit und Raum für den gemeinsamen Austausch ermöglicht werden.

Durch die Covid-19-Pandemie wurde besonders deutlich, dass die Versorgung mit Jugendpsychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern nicht in allen Regionen Deutschlands im Verhältnis zum Beratungs- und Behandlungsbedarf junger Menschen steht. Dem könnte durch eine kleinräumlichere Betrachtung der Versorgungsgebiete und damit einhergehender zusätzlicher Praxen begegnet werden. Die Verbände mahnen zudem an, dass sich das vorschulische ebenso wie das schulische Bildungssystem effektiver als bisher auf eine weitere Corona-Welle im Herbst vorbereitet. Dazu müssen die Einrichtungen bzw. ihre Träger mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet werden. Mit diesen sollten vor allem zusätzliche Personalressourcen geschaffen, aber auch zusätzliche Räumlichkeiten angemietet und Luftfiltergeräte sowie notwendige Hygienematerialien beschafft werden.

„Während der ersten Phasen der Covid-19-Pandemie waren junge Menschen von den damit einhergehenden Belastungen in besonderer Weise betroffen. Insbesondere der Wegfall gegebener Strukturen durch die Schließungen von Kindertagesstätten und Schulen, aber auch die Beschränkungen von Kontakten haben bei einer Vielzahl der Kinder und Jugendlichen zu Sorgen, Ängsten und Stress geführt. Bei nicht wenigen kam es auch zu Zwangs-, Ess- und Anpassungsstörungen sowie Depressionen – und bei manchen auch zu einer erhöhten Suizidalität. Auch die Wiederöffnung der Einrichtungen und die Rückkehr in den Schulalltag haben manche Kinder als schwierig empfunden, da sich in der Phase des Homeschooling Lernlücken aufgebaut haben, die bei den Betroffenen nun zu hohem Leistungsdruck sowie Versagensängsten beitragen. Zudem führt die zwischenzeitliche soziale Abstinenz bei einem Teil der Kinder zu Herausforderungen, sich nun wieder in Gruppen und Gemeinschaften zurechtfinden zu müssen. Deshalb ist es dringend erforderlich, zum einen durch eine bessere Versorgung mit Kinder- und Jugendpsychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern diesen Kindern schnell zu helfen. Zum anderen ist es aber auch wichtig, Kitas und Schulen für die nächsten Corona-Wellen sicher zu machen, damit diese als Lern- und Lebensorte von Kindern offenbleiben können. Und es muss klar sein, dass es zukünftig keine Beschränkungen mehr bei den sozialen Kontakten von Kindern und Jugendlichen geben darf“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Die schon vor der Pandemie bestehende schwierige Versorgungslage im Bereich der Kinder- und Jugendpsychotherapie wurde durch die getroffenen Maßnahmen weiter erschwert. Dadurch haben sich Wartezeiten weiter verlängert. Das ist so nicht hinnehmbar und stellt für alle Beteiligten und Betroffenen eine hohe Belastung dar. Politik und Kassenärztliche Vereinigungen sind gefordert, hier schnell und unbürokratisch Abhilfe zu schaffen und die Versorgungslage zu verbessern“, sagt Dr. Inés Brock-Harder, Vorsitzende des Bundesverbandes für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.

„Inzwischen haben weitere krisenhafte Entwicklungen die schwierige Situation leider eher verstetigt. Krieg in Europa und die zunehmende Deutlichkeit des Klimawandels verunsichern die gesamte Gesellschaft weiterhin. Gerade für Kinder und Jugendliche in der Entwicklung haben solche Erfahrungen eine oft lebenslange Bedeutung. Wir können dies kaum zu viel im Blick haben, es geht schlicht um unsere Zukunft, um unsere Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen“, sagt Dr. Annegret Brauer, stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland.

Die gemeinsame Stellungnahme von Deutschem Kinderhilfswerk, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, dem Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland und dem Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie steht unter www.dkhw.de/kinder-psychisch-stark-machen zum Download bereit.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 25.10.2022

Millionen Fahrgäste werden ab Anfang 2023 von einem bundesweiten 49-Euro-Monatsticket (dem neuen „Deutschlandticket“) profitieren. Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD e.V.) begrüßt das Angebot für Erwachsene und Vielfahrer; fordert jedoch eine dringende Nachbesserung für Kinder und Jugendliche.

„Mit einem Preis von 49 Euro ist das neue Ticket deutschlandweit gültig und vereinfacht komplizierte Tarifmodelle zwischen Verkehrsverbunden“, so Vorsitzende Dr. Elisabeth Müller. Allerdings wurde eine große Chance vertan. „Wir vermissen ein sachgerechtes Angebot, das schulpflichtige Kinder und Jugendliche in den Blick nimmt. Für sie bleiben die Tarife im ÖPNV unverändert hoch“, kommentiert Müller. Ausgaben für ÖPNV belasten die Geldbeutel von Mehrkindfamilien monatlich überproportional. Eine Familie mit zwei Erwachsenen und drei Kindern bzw. Jugendlichen zahlt mit dem „Deutschlandticket“ 245 Euro pro Monat.

Ein vergünstigtes Ticket für Kinder und Jugendliche im ÖPNV für 29 Euro wäre eine wirksame Maßnahme. Dies würde merklich das Familienbudget entlasten. Ein solches Rabattprogramm erlaubt Kindern und Jugendlichen eine eigenständige und selbstbestimmte Mobilität, entkoppelt sie vom „Eltern-Taxi“ und ist nachhaltiger und zukunftsorientierter. „Unsere nächste Generation wird so für ökologisch nachhaltige Mobilitätswege bereits im jungen Alter sensibilisiert, Kraftstoffe gespart und das Zeitbudget der Eltern wird aufgrund wegfallender Fahrtwege, die sich bei drei und mehr Kindern summieren, entlastet“, zählt Müller weiter auf.

Quelle: Pressemitteilung Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD) vom 04.11.2022

Prof. Dr. Trabert, Sprecher der AG Gesundheit der nationalen Armutskonferenz, fordert anlässlich der heutigen Tagung der Gesundheitsministerkonferenz eine vollständige Kostenbefreiung bei der Gesundheitsversorgung und Prävention für von Armut betroffene Menschen: „Es muss eine vollständige Kostenbefreiung bei der Gesundheitsversorgung und Prävention für einkommensarme Menschen geben: Untersuchungen und Behandlungen in Praxen oder Kliniken müssen für sie grundsätzlich kostenfrei möglich sein. Das schließt auch die Kosten für die Fahrt dorthin mit ein. Gehhilfen, Sehhilfen, Medikamente und anderes medizinisches Hilfsmaterial muss ebenso übernommen werden. Denn wer sich diese Dinge nicht leisten kann, bleibt krank und benachteiligt.“

Angesichts der drastisch steigenden Lebenshaltungskosten und der ohnehin schon erhöhten Erkrankungsgefahr vor allem für Armutsbetroffene seit Pandemiebeginn muss die Bundesregierung schnellstens konkrete Maßnahmen ergreifen, um gesundheitliche Risiken einzudämmen.

„Der Zugang zu und die Qualität von Gesundheitsversorgung spielt eine existenzielle Rolle in unserem Sozialsystem. Dieses muss dringend menschenorientierter werden. Es ist ein Baustein in der Praktizierung von sozialer Gerechtigkeit – die wiederum wichtig ist, um den sozialen Frieden im gesellschaftlichen Miteinander zu gewährleisten“, verdeutlicht der ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat Prof. Dr. Gerhard Trabert. „Gesundheit ist ein Menschenrecht. Förderung und Erhalt der Gesundheit und Gesundung dürfen nicht an den finanziellen Mitteln Einzelner scheitern.“

So sei es in §12 des UN-Sozialpakts festgehalten. Doch selbst in unserem reichen Land sehe es für einkommensarme Menschen in der Realität leider ganz anders aus. Allzu oft seien die Gesundheitskosten nicht adäquat abgedeckt, was zu einer Unterversorgung mit kritischen Auswirkungen, wie zum Beispiel chronischen Krankheiten, führt. „Kurz gesagt: Armut macht krank und Krankheit macht arm. Das darf so nicht bleiben!“, erklärt Trabert.

Nach Darstellung des bekannten Mainzer Sozialmediziners sind Krankheitsrisiken in unserer Gesellschaft sehr ungleich verteilt: Sie beträfen Menschen, die in beengten Verhältnissen leben müssen, etwa als Großfamilie in einer kleinen Wohnung oder als Geflüchtete in einer Gemeinschaftsunterkunft, Menschen, die in Berufen mit höherer Infektions- oder Verletzungsgefahr arbeiten, Menschen ohne Obdach mit erschwertem Zugang zu sanitären Anlagen, besonders stark. „Diese Lebensumstände für eine erhöhte Gesundheitsgefährdung treffen fast ausschließlich auf Menschen zu, die armutsbetroffen und auch dadurch schon einem höheren Risiko für physische und psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, etc. ausgesetzt sind“, erläutert Trabert.

Dazu komme, dass Präventions- und Gesundheitsinformationen häufig nicht für alle zielgruppengerecht aufbereitet werden. „Wenn es um die Sicherheit von Leib und Leben geht, müssen die Informationen doch für alle gut verständlich sein. Da muss die Bundesregierung sicherstellen, dass auch Menschen mit Lese- oder Verständnisschwäche oder mit Sprachbarrieren niedrigschwellig erreicht werden und alles begreifen können“, betont Manfred Klasen, Mitglied der AG Gesundheit der nak und Geschäftsführer der Saarländischen Armutskonferenz.

Armutsbetroffene Menschen bzw. ihre Vertretungen seien oft von Entscheidungsstrukturen ausgeschlossen. Hier fordert die nak: Auch sie müssen beteiligt werden, wenn es um die Ausgestaltung von Angeboten, Richtlinien und Gesetzen im deutschen Gesundheitsversorgungssystem geht.

Manfred Klasen: „Betroffene sind Expert*innen, deren Stimmen bei der Entwicklung, Umsetzung und Auswertung von Maßnahmen zur Gesundheitsversorgung und Prävention nicht fehlen dürfen!“

Hintergrundinformationen:

– Durchschnittlich geben Bürger:innen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 104 € privat für ihre Gesundheit aus.

Die Höhe der Gesundheitsausgaben hängt stark von den Einkommensverhältnissen der Haushalte ab.

2019 gaben Haushalte mit einem Einkommen unter 1300 Euro durchschnittlich 21 Euro pro Monat für Gesundheitsdienstleistungen und -produkte aus.

Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2600 Euro bis unter 3600 Euro investierten bereits mehr als dreimal so viel in Gesundheitsausgaben (pro Monat 78 Euro).

– Für sogenannte medizinische Verbrauchsgüter (Pflaster, Fieberthermometer, Schutzmasken,…) geben Haushalte im Durchschnitt 27 Euro pro Monat aus.

Die Ausgaben lagen in einkommensschwächeren Haushalten bei durchschnittlich 9 Euro bis 13 Euro pro Monat. In Haushalten mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von 2600 bis unter 3600 Euro betrugen die Ausgaben schon 23 Euro. Bei einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von 5000 Euro und mehr waren es dann durchschnittlich 50 Euro im Monat

– Der Hartz IV-Regelsatz sieht 17,37 € pro Monat für Gesundheit vor.

– Für Sozialleistungsbeziehende werden Präventions- und Gesundheitskosten wie z. B. Sehhilfen, Verhütung, Physiotherapie, Zahnersatz, apothekenpflichtige Medikamente i.d.R. nicht übernommen.

– Fahrten zu Praxen/Kliniken werden nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und nur nach vorheriger Genehmigung von der Krankenkasse übernommen.

– Das Robert-Koch-Institut kommt nach der Datenanalyse des sozioökonomischen Panels der Jahre 1992-2016 zu dem Ergebnis, dass 13 % der Frauen und 27 % der Männer aus der niedrigsten Einkommensgruppe nicht das 65. Lebensjahr erreichen.

In der höchsten Einkommensgruppe trifft dies lediglich auf 8 % der Frauen und 14 % der Männer zu.

Bezogen auf die mittlere Lebenserwartung bei Geburt liegt der Lebenserwartungsunterschied zwischen der niedrigsten und höchsten Einkommensgruppe bei Frauen bei 4,4 Jahren und bei den Männern bei 8,6 Jahren.

Dies bedeutet, dass von Einkommensarmut betroffene Menschen in dieser reichen bundesdeutschen Gesellschaft deutlich früher sterben als wohlhabende Mitbürger:innen. Diese konkreten Unterschiede in der Lebenserwartung sind eine extreme Ausprägungsform von sozialer Ungleichheit in einer Gesellschaft.

Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz vom 24.10.2022

In der Debatte über Energiearmut, das neue Bürgergeld und ein menschenwürdiges Existenzminimum kritisiert die Nationale Armutskonferenz, dass die Politik immer mehr staatliche Aufgaben auf die Tafeln und andere gemeinnützige Angebote verlagert. „Es kann nicht sein, dass Menschen, denen das Notwendige fehlt, sich auf eine Versorgung auf Spendenbasis verlassen müssen“, kritisiert Michael David, Sprecher der AG Grundsicherung der Nationalen Armutskonferenz (nak). An vielen Orten übernähmen zum Beispiel die Tafeln Aufgaben, die eigentlich durch die Jobcenter gelöst werden müssten. „Tatsächlich sind Tafeln aber eine Maßnahme gegen Lebensmittelverschwendung“, sagt David: „Sie können, wollen und dürfen sozialstaatliche Regelleistungen nicht ersetzen.“

Die Nationale Armutskonferenz fordert, die sozialen Menschenrechte der Menschen in Deutschland in diesem Herbst zum Maßstab staatlicher Hilfen zu machen. „Die Entlastungspakete der Bundesregierungen haben die Situation von in Armut Lebenden kaum im Blick“, kritisiert David. „Einmalzahlungen und Steuerentlastungen bringen denen nichts, die keinerlei Reserven haben.“ Auch decke die zum Januar 2023 geplante Erhöhung des Bürgergeldes von 50 Euro für die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung gerade einmal die Hälfte der durch die Inflation gestiegenen Kosten ab.

Jürgen Schneider, Interessenvertreter von Menschen mit Armutserfahrung in der nak-Koordination: „Nötig wären 100 Euro zum Sofortausgleich. Aber auch schon vor der Inflation war der Regelsatz um über 180 Euro zu niedrig. Die beliebigen Streichungen von Kosten für Küchenuhren, Weihnachtsbäume, Meerschweinchenfutter, Speiseeis, Balkonpflanzen und viele andere Positionen haben den Regelsatz künstlich auf Kante genäht.“

Grund für dieses „schmale Schein-Existenzminimum“, so Jürgen Schneider, sei die Ignoranz den sozialen Rechten der Menschen gegenüber. „2010 wurde nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Lohnabstandsgebot aus den Sozialgesetzbüchern gestrichen. Aber immer noch wird so getan, als sei dieses das höchste sozialstaatliche Glaubensbekenntnis. Dabei müssen Löhne zum Leben reichen, nicht minimale Sozialleistungen Menschen in prekäre Beschäftigung treiben.“

„Tatsächlich müsste sich die Bundesregierung am Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte orientieren“, erläutert Michael David. „Das Existenzminimum ist keine Gnade und kein Almosen, sondern ein verbrieftes, weltweit geltendes Menschenrecht.“

Hintergrund:

Die Positionen und weitergehenden Forderungen der Nationalen Armutskonferenz zur sozialen Krisensituation in diesem Herbst finden Sie hier:

Menschenwürdiges Auskommen statt Naturalien! Der Staat darf die Verantwortung für die Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht länger auf Tafeln u.a. verschieben! https://www.nationale-armutskonferenz.de/2022/10/20/positionspapier-menschenwuerdiges-auskommen-statt-naturalien/

Existenzsicherung in der Krise und darüber hinaus – Stellungnahme der Nationalen Armutskonferenz als Reaktion auf das Dritte Entlastungspaket der Bundesregierung und die ersten Schritte der Bürgergeldreform (https://www.nationale-armutskonferenz.de/2022/10/20/stellungnahme-existenzsicherung-in-der-krise-und-darueber-hinaus/)

Die Nationale Armutskonferenz (nak) ist ein Bündnis von Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sich für eine aktive Politik der Armutsbekämpfung einsetzen. Sie wurde im Herbst 1991 als deutsche Sektion des Europäischen Armutsnetzwerks EAPN (European Anti Poverty Network) gegründet. Neben Verbänden wirken in der nak auch Menschen mit Armutserfahrung bzw. Selbsthilfeorganisationen mit, die ihre Erfahrungen und Perspektiven einbringen und ihre Lösungsansätze im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung aufzeigen.

Mitgliedsorganisationen: AG Schuldnerberatung der Verbände; Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.; Armutsnetzwerk e.V.; AWO Bundesverband e.V.; Bahnhofsmission Deutschland e.V.; BAG der Landesseniorenvertretungen; BAG Schuldnerberatung e.V.; BAG Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit; BAG Wohnungslosenhilfe; BBI – Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen; Bundesverband Kulturloge e.V.; Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH), Deutscher Bundesjugendring; Deutscher Caritasverband e.V.; Deutscher Gewerkschaftsbund; Diakonie Deutschland; Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.; Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (IFF); Internationaler Bund (IB) Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V.; Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg; Landesarmutskonferenz Niedersachsen, Landesarmutskonferenz Rheinland-Pfalz; Selbstvertretung Wohnungsloser Menschen e.V., Tafel Deutschland e.V.; Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V.; Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland

Quelle: Pressemitteilung Nationale Armutskonferenz vom 21.10.2022

Webportal zur Information und Unterstützung für Betroffene und Berater*innen freigeschaltet.

Angesichts stark steigender Energiekosten starten Tacheles e.V. und der Paritätische Wohlfahrtsverband heute die bundesweite Kampagne “Energie-Hilfe”, mit der Menschen über ihre Rechte auf behördliche Übernahme von Energiekosten aufgeklärt werden sollen. Im Zentrum der Kampagne steht die Webseite www.energie-hilfe.org, die Betroffene hoher Energiekosten umfangreich über ihre sozialrechtlichen Ansprüche informiert und Musteranträge zur Verfügung stellt. Der Mangel an ausreichenden, gezielten Hilfen für die von Inflation und explodierenden Energiekosten am härtesten Betroffenen wird nach Einschätzung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und des Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V. zu einer deutlichen Steigerung der Anzahl an Anspruchsberechtigten im Bereich der Grundsicherung führen.

Um Betroffenen die Antragstellung zu erleichtern und die fristgerechte Wahrung von Ansprüchen zu ermöglichen, werden auf dem Portal www.energie-hilfe.org leicht verständliche und einfach zugängliche Informationen bereitgestellt und die nötigen Antragsformulare zum Download angeboten.

Beratungsstellen und -einrichtungen können sich auf der Website umfangreich über Anspruchsberechtigungen und Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung informieren.

„Trotz Doppelwumms wird es viele Menschen geben, die ihre Energierechnungen nicht mehr zahlen können”, warnt Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. „Die Website Energie-Hilfe.org leistet konkrete Hilfe, indem sie Betroffene über ihre Ansprüche aufklärt und die Antragstellung erleichtert.”

Harald Thomé, Vorstand von Tacheles e.V., ergänzt: „Mit dieser Kampagne richten wir uns insbesondere auch an die Menschen, die ihre hohen Energiekosten mit ihrem Einkommen nicht mehr bezahlen können und deshalb einen Anspruch auf zumindest teilweise Übernahme der Kosten haben. Anspruchsberechtigte, wie Erwerbstätige, Rentner*innen, Wohngeldbeziehende oder Auszubildende, müssen zur Wahrung ihrer Ansprüche jetzt schnell Anträge stellen. Für sie sind schnelle Aufklärung und Hilfe jetzt wichtig, nicht erst im nächsten Jahr!“

Flugblätter und Plakate, die auf die Aufklärungskampagne hinweisen, können auf der Website www.energie-hilfe.org heruntergeladen oder bestellt werden.

Unterstützt wird das Projekt von Tafel Deutschland e.V., dem Deutschen Mieterbund, Sanktionsfrei e.V. und der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen.

Quelle: Pressemitteilung Der Paritätische Gesamtverband vom 07.11.2022

TERMINE UND VERANSTALTUNGEN

Termin: 14. November 2022

Veranstalter: Der Paritätische Gesamtverband

Das AGG soll reformiert werden. Im gesellschaftspolitischen Diskurs geht es dabei u.a. um die Frage, ob Elternschaft als Diskriminierungsmerkmal im AGG aufgenommen werden soll. Was steckt hinter der Forderung? Welche Diskriminierung erleben Eltern am Arbeitsplatz? Welche Bedarfe haben Eltern in der Antidiskriminierungsberatung? Warum und wie werden Eltern diskriminiert und was versteht man überhaupt unter Diskriminierung? Und macht es Sinn, dies im Rahmen des AGG explizit zu berücksichtigen? Diese und weitere Fragen wollen wir gerne im Rahmen dieser Inforeihe mit Ihnen diskutieren.  

An der Veranstaltung wirken mit:

  • Tina Lachmayr, IQ Fachstelle Interkulturelle Kompetenz und Antidiskriminierung, VIA Bayern e.V.
  • Antje Wunderlich, Referat Forschung und Grundsatz, Antidiskriminierungsstelle des Bundes
  • Jannetje Höring, KOBRA-Fachstelle für Vereinbarkeit, Berliner Frauenbund 1945 e.V.
  • Lara Pfeilsticker, Referat Beratung, Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Die Veranstaltung wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Für die Teilnahme an der Fachveranstaltung werden keine Beiträge erhoben.

Hier geht es zur Anmeldung.

Verantwortlich für inhaltliche Rückfragen:
Katrin Frank, Referentin Familienhilfe/-politik, Frauen / Frühe Hilfen
Der Paritätische Gesamtverband, Tel.: 030 24636-465, E-Mail: faf@paritaet.org.

Verantwortlich für die Veranstaltungsorganisation:
Stefanie Sachse, Sachbearbeitung Referat Familienhilfe/-politik, Frauen / Frühe Hilfen
Der Paritätische Gesamtverband, Tel.: 030 24636-323, E-Mail: stefanie.sachse@paritaet.org

Termin: 18. November 2022

Veranstalter: Pestalozzi-Fröbel-Verband e. V.

Es findet wieder eine digitale Dialogveranstaltung statt.

Zum Einstieg in den Dialog wird Stefan Spieker, Geschäftsführer der FRÖBEL-Gruppe, einen kurzen Input geben.
Danach möchten wir mit Ihnen in den Austausch über Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse gehen – Ihre Fragen und Ideen sind uns wichtig und für Diskussionen wird ausreichend Zeit und Raum sein.

Mit dem Anmeldeblatt können Sie sich bis zum 14.11. anmelden.

Die Einladung zur Veranstaltung finden Sie hier.

Termin: 21. November 2022

Veranstalter: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Sexualisierte Gewalt an Kindern und deren Verbreitung im Netz bedeuten unfassbares Leid und schwerste Rechtsverstöße, die entschieden bekämpft werden müssen. Die Ampelpartner*innen haben sich auf konkrete Maßnahmen für den besseren Schutz von Kindern verständigt. Auch der jüngste Vorschlag der EU-Kommission enthält vielversprechende Ansätze zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt. Doch die vorgeschlagene Chatkontrolle schießt übers Ziel hinaus und begegnet schwerwiegenden grundrechtlichen Bedenken.

Wie ist der Kommissionsvorschlag aus Perspektive von Kinderschutz, Grundrechten und Digitalregulierung zu bewerten? Welche Potenziale, welche Gefahren birgt der Entwurf? Wie können Kinder effektiv geschützt werden? Welche rechtssicheren und wirksamen Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Kindern sind erforderlich?

     Anmeldung und Programm     

Termin: 21. November 2022

Veranstalter: Bundesforum Männer

Sexualisierte Gewalt gegen Männer im Kontext von Krieg und Vertreibung wird weder in der allgemeinen Öffentlichkeit noch in den Wissenschaften eingehender thematisiert. Das Bundesforum Männer richtet deshalb in Kooperation mit dem Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie (GWI) am 21. November 2022 von 17.00-18.30 Uhr eine Online-Fachveranstaltung aus.

Im Rückblick auf internationale bewaffnete Konflikte der vergangenen vier Jahrzehnte soll in dem Vortrag »Sexualisierte Gewalt gegen Männer und Jungen im Kontext von Krieg und Vertreibung« von Dr. Yuriy Nesterko eine Annäherung an das Phänomen unternommen werden. Aus psychologischer Perspektive wird es um die Bedeutung von Streben nach Überlegenheit, Stärke und Dominanz gehen, das sich in der männlichen sexualisierten Gewalt manifestiert.

Im anschließenden Gespräch wird – auch unter dem Eindruck der aktuellen Kriegssituation in der Ukraine – der Frage nachgegangen, inwiefern eine feministische Außenpolitik zu einer Perspektiverweiterung beiträgt, sodass auch Männer* als Teil der vulnerablen Gruppen anerkannt werden.

Mit

  • Dr. Yuriy Nesterko (Universität Leipzig)
  • Dr. Dag Schölper (Bundesforum Männer)
  • Anica Heinlein (CARE, angefragt)
  • Moderation: Simone Schmollack (taz)

Weitere Informationen und Anmeldung

Termin: 22. November 2022

Veranstalter: Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.

In der digitalisierten Welt werden Menschen ohne geeignete Technikausstattung und Anwenderkompetenz zunehmend ausgegrenzt. Ob im Beruf oder im sozialen Umfeld, in der Schule, bei der Stellensuche, im Kontakt mit Ärzten, Banken, Schufa, Jobcentern oder anderen Behörden – digitale Fähigkeiten werden heute überall vorausgesetzt. Gerade Bürger:innen mit Armutserfahrung stehen da oft im Abseits. Laut Statistik verfügt etwa ein Drittel von ihnen nicht einmal über einen internetfähigen Computer im Haushalt.

Wie lässt sich das Recht auf digitale Teilhabe – im Sinne eines „Digitalen Existenzminimums“ – im neuen Bürgergeld und anderen Bereichen der Grundsicherung verankern? Wie sollen sich Behörden und Einrichtungen der Daseinsvorsorge aufstellen, um digitale Zugänge zu erleichtern? Welche Bildungsanstrengungen müssen unternommen werden, um mehr Menschen stärker am digitalen Leben teilhaben zu lassen?

Die Diakonie Deutschland, das Armutsnetzwerk und der Evangelische Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA) laden Sie herzlich ein, über diese und weitere Fragen mit Expertinnen, Betroffenen und Mitgliedern des Deutschen Bundestages zu diskutieren!

Online-Fachgespräch am Dienstag, 22.11.2022, 10:00 bis 13:00 Uhr

Digitales Existenzminimum – wie kommen Armutsbetroffene zu mehr digitaler Teilhabe?

(s. Programm)

Anmeldung: Wir bitten Interessierte, sich bis zum 16.11.2022 über eveeno online anzumelden. Sie erhalten die Zugangsdaten zur Konferenz dann wenige Tage vor der Veranstaltung. Die Teilnahme ist kostenlos. https://eveeno.com/885785591

Hinweis: Wir bitten Vertreter:innen von sozialen Einrichtungen, auch Interessierten in ihrem Umfeld, die keinen eigenen Digitalzugang haben, die Teilnahme an dieser Veranstaltung zu ermöglichen.

Termin: 28. November 2022

Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung

Mit dem Wandel gesellschaftlicher Normen und Rollenbilder haben sich Erwartungen und Vorstellungen von Männlichkeit transformiert und sind vielfältiger geworden. Diese Umorientierung zerrt an tradierten Männerbildern, die von Dominanz geprägt sind, und führt für manche zu Ängsten und Verunsicherungen. Gleichzeitig verschärfen sich im digitalen Raum und rechten Kreisen Gegenreaktionen und Aggressionen, befördert von dem vielfach diskutierten Phänomen der „toxischen Männlichkeit“, die sich oft in sozialen Medien multiplizieren und die antifeministische Bewegung des Maskulismus befeuern.

Einer, der diese Welt hautnah kennengelernt hat, ist Tobias Ginsburg. In seinem Buch „Die letzten Männer des Westens“ gibt er Einblick in seine Erfahrungen aus anderthalb Jahren verdeckter Recherche unter fiktiven Identitäten in rechtsextremen Netzwerken, faschistischen Männerbünden und antifeministischen Organisationen. Günther Wallraff spricht in seinem Vorwort zum Buch von einem „Höllengang in ein Finsterreich des Männlichkeitswahns“. Ginsburg gibt nicht nur investigative Einblicke in diese gefährlichen Parallelwelten, er versucht auch zu ergründen, welcher Reiz von ihnen ausgeht, weshalb sich Menschen ihnen zuwenden und wie sie sich im Hass verlieren.

Was kann kritische Männlichkeit dem entgegensetzen?
Inwiefern ist das Thema Männlichkeit auch politisch?
Was kann durch Gesetzgebung bewirkt werden und wo ist die Gesellschaft in der Pflicht?

Diese und weitere Fragen möchten wir mit Euch diskutieren und bieten dafür im Anschluss an eine spannende Lesung von Tobias Ginsburg das partizipative Diskussionsformat der Fish Bowl an, zu dem wir Menschen aller Geschlechter und aller sexuellen Orientierungen herzlich einladen.

Wir sprechen unter anderem mit:
Falko Droßmann MdB, Sprecher der AG-Queer der SPD Bundestagsfraktion
Najib Faizi, Performer und LGBTQ-Media-Aktivist
und Tobias Ginsburg, Schriftsteller und Theaterregisseur

Die Moderation übernehmen:
Franziska Richter, Kultur & Politik/Politik in Ostdeutschland, Friedrich-Ebert-Stiftung
Franziska Schröter, Projekt gegen Rechts, Friedrich-Ebert-Stiftung

Zum Abschluss des Abends laden wir ein zu einem weiteren Austausch bei Imbiss & Getränken, während Tobias Ginsburg eine Signierstunde anbietet.

Die Teilnahme ist kostenfrei, aber eine vorherige Anmeldung ist aus Organisations- und Sicherheitsgründen notwendig.
Kurz vor der Veranstaltung versenden wir eine Anmeldebestätigung per E-Mail.

Hier geht es zur Anmeldung!

Termin: 30. November 2022

Veranstalter: AWO Bundesverband e. V. / Projektleitung DEVI – Demokratie stärken. Vielfalt stärken.

An diesem Fachtag wollen wir darüber sprechen und miteinander in Austausch kommen, wie Adultismus und Macht in der Kindertagesbetreuung wirksam sind. Wir wollen einen kritischen Blick auf Machtverhältnisse in der Kindertagesbetreuung werfen und gemeinsam überlegen, wie wir ihnen entgegenwirken können.

Diese Veranstaltung ist eine Kooperation des AWO Bundesverbands und der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Sie findet im Rahmen des Begleitprojekts „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ statt.

Weitere Informationen entnehmen Sie bitte der angefügten Einladung.

Die Anmeldung erfolgt online über folgenden Link.

Termin: 08. Dezember 2022

Veranstalter: Deutscher Caritasverband e. V.

Seit fast drei Jahren leben wir in einer Coronavirus-Pandemie. Ausgerechnet die Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen, die schon vor Beginn der Pandemie in prekären Verhältnissen lebten und vielfältigen Benachteiligungen ausgesetzt waren, haben sich im Laufe der Pandemie weiter verschärft. Das Mitte 2021 initiierte Corona-Aufholpaket, mit dem noch bis Ende 2022 Kinder und Jugendliche durch Angebote in den Bereichen Bildung, Sprachförderung, Freizeit und Erholung unterstützt werden sollten, läuft in wenigen Monaten aus. Kinder und Jugendliche werden jedoch auch danach mit den Folgen der Pandemie für ihre psychische und körperliche Gesundheit, ihre soziale Teilhabe und schulischen Erfolgserlebnisse zu kämpfen haben. Als wäre dies alles nicht genug, löst der Ukraine-Krieg neue Ängste aus. Die steigenden Preise bei Lebensmitteln, Strom, Gas, Schulmaterialien und Dingen des täglichen Lebens drängen vor allem Familien mit geringen Einkommen an den Rand des Existenzminimums. Viele Kinder, Jugendliche und Familien, aber auch die Fachkräfte in den Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe sind am Limit.

Welche dringend notwendigen Weichenstellungen und Rahmenbedingungen jetzt auf den Weg gebracht und zügig umgesetzt werden müssen, um jedem Kind gute Voraussetzungen für ein gesundes Aufwachsen und soziale Teilhabe zur Verfügung zu stellen, darüber möchten wir mit Ihnen und weiteren Akteuren aus Politik, Verbänden und Praxis, aus der Kinder- und Jugendhilfe und der Zivilgesellschaft sowie mit jungen Menschen selbst im Rahmen der Online-Veranstaltung

„Stärkung von Kindern und Jugendlichen in Krisenzeiten – Was folgt nach dem Corona-Aufholpaket? Erkenntnisse aus dem Brennglas“

ins Gespräch kommen. Beiliegend übersenden wir Ihnen das Veranstaltungsprogramm mit Anmeldelink. Gerne können Sie sich unter folgendem Link auch direkt anmelden: Anmeldung Onlineveranstaltung Staerkung (carinet.de). Wir laden Sie herzlich ein und freuen uns über Ihre Teilnahme!

Termin: 14. Dezember 2022

Veranstalter: evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V.

Hinter jedem Konflikt stehen unerfüllte Bedürfnisse, die es den Betreffenden erschweren, eine verbindende Kommunikation zu führen.

Uns interessiert der bewusste Perspektivwechsel in Situationen, in denen wir uns als Fachkraft besonders herausgefordert fühlen.
Gerade dann kann der Blick durch eine andere, vielleicht auch „Goldene Brille“ den Kontakt zu einem Elternteil, einem Kind und auch zu Kolleg:innen wieder ermöglichen.
Gemeinsam wollen wir schauen, wie Krisen und Konflikte in der Zusammenarbeit und bei Elterngesprächen konstruktiv gelöst werden können.

Die Veranstaltung richtet sich an Vertreter:innen von Kindertagesstätten, Familienzentren, Familienbildungsstätten, Schulsozialarbeit, Mitarbeiter:innen kommunaler Behörden sowie Elternbegleiter:innen und Fachkräfte aus Familienbildung, Beratung und sozialer Arbeit.

Es wird eine Teilnahmegebühr von 35 Euro erhoben.

Anmeldung: https://www.eaf-bund.de/service/veranstaltungen/2022-12-14-wie-sag-ichs-meinen-eltern-konflikte-als-chance-fuer-die

WEITERE INFORMATIONEN

Einsamkeit ist ein relevantes Themenfeld für Politik und Gesellschaft. Das Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) arbeitet an einer systematischen Erfassung von Projekten und Initiativen, die mit ihren Angeboten Menschen bei der Bewältigung ihrer Einsamkeit unterstützen oder vorbeugen wollen. Ziel der Systematisierung ist es, ein Verständnis der verschiedenen Ansätze zur Vorbeugung und Bewältigung von Einsamkeit sowie deren Zusammenwirken in der Gemeinschaft zu entwickeln. Das KNE hat dazu einen kurzen Online-Fragebogen entwickelt und ruft alle Projekte und Initiativen auf, an der Befragung teilzunehmen. Der Online-Fragebogen richtet sich an Personen, welche in Projekten und Initiativen zum Thema Vorbeugung und Bekämpfung von Einsamkeit engagiert sind. Weitere Informationen und den Fragebogen finden Sie hier: https://kompetenznetz-einsamkeit.de/forschung/forschung-online-befragung

Weitere Informationen zum Thema Einsamkeit, aktuelle Veranstaltungshinweisen und Veranstaltungsdokumentationen, neue Veröffentlichungen sowie weitere Informationen aus dem Netzwerk finden sich auf der Webseite (www.kompetenznetz-einsamkeit.de), im Newsletter (https://kompetenznetz-einsamkeit.de/das-kne/newsletter ) oder auf Twitter (@gegenEinsamkeit).

Der Progressive Eltern- und Erzieher*innen-Verband NRW ist überzeugt, dass sich für Familien Wege aus den sich überlagernden Krisen auf Dauer nur über die Verbindung von Hilfen und Bildung für das Heute und das Morgen realisieren lassen.

Das PEV-Positionspapier „Krise braucht Bildung“ formuliert Forderungen an die Landesregierung sowie die Landtagsabgeordneten der demokratischen Fraktionen in Nordrhein-Westfalen zur Familienpolitik und -unterstützung.

Das PEV-Positionspapier finden Sie hier: https://pevnw.com/cms/wp-content/uploads/PEV_Krise-braucht-Bildung_221031.pdf