ZFF-Info 05/2022

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AUS DEM ZFF

Anlässlich der Einigung der Bundesregierung auf ein Energie-Entlastungspaket, fordert das Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) arme Kinder und ihre Familien nachhaltiger zu unterstützen.

Die Ampelregierung hat sich vor dem Hintergrund steigender Lebenshaltungskosten auf ein Energie-Entlastungspaket geeinigt. Dies sieht unter anderem folgende Maßnahmen vor: eine Energiepreispauschale von 300 Euro für Erwerbstätige und Selbstständige, ein Familienzuschuss, der als Einmalbonus in Höhe von 100 Euro mit dem Kindergeld ausgezahlt werden soll und eine Verdopplung der Einmalzahlung von 100 Euro an Empfänger*innen von Sozialleistungen. 

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, erklärt dazu: „Angesichts steigender Kosten von Strom, Lebensmitteln oder dem Heizen begrüßen wir die Initiative der Ampel, die Menschen durch ein breites Maßnahmenbündel zu entlasten! Aus Sicht von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien erweist sich das Paket allerdings als durchwachsen. Der Familienzuschuss soll zusammen mit dem Kindergeld als Einmalbonus in der Höhe von 100 Euro ausbezahlt werden. Dies ist zwar ein schnell umsetzbares und unbürokratisches Instrument, ist aber sozial unausgewogen. So gehen Familien ohne Kindergeldberechtigung, etwa Familien mit Aufenthaltsgestattung, leer aus. Außerdem bleibt unklar, ob Alleinerziehenden, bei denen die Hälfte des Kindergeldes mit dem Unterhalt verrechnet wird, von der vollen Höhe der Einmalzahlung profitieren. Bereits beim Corona-Kindergeldbonus haben wir diese fehlende Zielgenauigkeit beobachten können, nun ist es an der Ampel, diesen Fehler der alten Bundesregierung nicht zu wiederholen! “

Altenkamp ergänzt: „Es braucht eine nachhaltige Entlastung für Menschen, die am meisten von steigenden Preisen betroffen sind: die Ärmsten in unserer Gesellschaft!  Die Verdopplung der Einmalzahlung von 100 Euro an Menschen in Hartz IV und der bereits beschlossene Energiekosten-Zuschuss bei Sozialleistungsbezug sind gute Schritte, reichen aber bei Weitem nicht aus!“

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 25.03.2022

Mit dem heute veröffentlichten Impulspapier „Europäische Garantie für Kinder umsetzen, Nationalen Aktionsplan entwickeln, Kinderarmut bekämpfen.“ richten sich der AWO Bundesverband und das Zukunftsforum Familie mit konkreten Impulsen für eine ambitionierte Umsetzung der EU-Kindergarantie an die Bundesregierung. Sie fordern die Bundesregierung unter anderem dazu auf, zeitnah eine*n nationale*n Koordinator*in für die EU-Kindergarantie zu benennen und einen wirksamen nationalen Aktionsplan vorzulegen.

Dazu sagt Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt: „Um allen Kindern und Jugendlichen soziokulturelle Teilhabe und einen gleichberechtigten, niederschwelligen und diskriminierungsfreien Zugang zu sozialen Dienstleistungen zu garantieren, braucht es eine wirksame Umsetzung der EU-Kindergarantie auf nationaler Ebene. Ein wesentlicher Fokus des Nationalen Aktionsplans muss auf dem Aus- und Aufbau der sozialen Infrastruktur liegen. Insbesondere müssen die in vielen Kommunen bewährten Präventionsketten für gutes und gesundes Aufwachsen verankert und ausgebaut werden. Durch ein integriertes und vernetztes Handeln aller relevanten Akteur*innen und Angebote werden Kinder von der Geburt bis zur Ausbildung wirkungsvoll begleitet. Gleichzeitig muss der Aktionsplan Maßnahmen berücksichtigen, die die Armutssensibilität von Fachkräften stärken, damit diese kenntnisreich und sensibel auf Familien zugehen können.“

In Forschung und Praxis ist belegt: Eine engmaschige institutionelle Begleitung ist für das Aufwachsen im Wohlergehen von armutsbetroffenen Kindern unverzichtbar. Auch die AWO-ISS-Kinderarmutsstudie hat die hohe Bedeutung und Wirksamkeit von Präventionsketten bei der Unterstützung armutsbetroffener Kinder und ihrer Familien gezeigt.

Britta Altenkamp, Vorsitzende des ZFF, unterstreicht: „Die Umsetzung der EU-Kindergarantie ist nicht nur EU-weit ein wichtiger Schritt zur Armutsbekämpfung, sie ist gleichzeitig eines der ersten armutspolitischen Vorhaben der neuen Bundesregierung. Als Familienverband fordern wir dazu auf, bereits in der Phase der Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans diejenigen einzubeziehen, die von den Maßnahmen erreicht werden sollen, nämlich armutsbetroffene Kinder, Jugendliche und ihre Familien selbst. Sie sind die größten Expert*innen in eigener Sache! Die Wirksamkeit des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der EU Kindergarantie hängt zudem entscheidend von den Rahmenbedingungen ab, in welchen dieser entwickelt wird: Es wird Zeit für eine starke Europäische Säule Sozialer Rechte, für die umfassende Verankerung von Kinderrechten ins Grundgesetz sowie für die Umsetzung einer Kindergrundsicherung für ausnahmslos alle Kinder und Jugendliche, die hier aufwachsen.“

Zum Hintergrund:

Im Juni 2021 haben sich die EU-Mitgliedsstaaten mit der EU-Kindergarantie dazu verpflichtet, allen Kindern den Zugang zu Bildung, Betreuung, Gesundheitsversorgung, gesunder Ernährung und angemessener Wohnsituation zu gewährleisten. Sie sind dazu aufgefordert, unter Einbindung von Interessensträgern bis März diesen Jahres Aktionspläne zur Umsetzung der EU-Kindergarantie zu erarbeiten. Auch aufgrund der Kürze der noch verbleibenden Zeit ist es wichtig, dass die Bundesregierung schnell eine*n nationale*n Koordinator*in einsetzt und mit den nötigen Ressourcen und Kompetenzen für eine ressortübergreifende Umsetzung ausstattet.

Die AWO und das ZFF setzen sich gemeinsam dafür ein, dass die EU-Kindergarantie in der nationalen Umsetzung einen wirksamen Beitrag gegen Kinderarmut leisten wird. Dafür setzen sie sich auch im Bündnis mit anderen ein. Beide Verbände haben gemeinsam mit 15 weiteren Organisationen und Verbänden vor Kurzem das Eckpunktepapier „Umsetzung der Europäischen Kindergarantie in Deutschland – Kinderrechtliches Eckpunktepapier zum Nationalen Aktionsplan“ veröffentlicht. Das vorliegende Impulspapier knüpft daran an.

Das Impulspapier kann hier abgerufen werden.

Quelle: Pressemitteilung Zukunftsforum Familie e. V. vom 17.03.2022

SCHWERPUNKT I: Familienetat 2022

Bundesregierung beschließt zweiten Haushaltsentwurf 2022

Das Bundeskabinett hat heute den zweiten Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2022 beschlossen. Das Bundesfamilienministerium soll demnach Mittel in Höhe von 12,58 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt bekommen. Das sind 147 Millionen Euro mehr, als im ersten Regierungsentwurf vom Juni 2021 vorgesehen waren.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel: „Im zweiten Regierungsentwurf für den Haushalt 2022 stärken wir mit zusätzlichen 147 Millionen Euro Kinder, Familien und die Zivilgesellschaft in unserem Land. Ab 1. Juli sorgen wir mit dem Kindersofortzuschlag dafür, dass 2,9 Millionen armutsgefährdete Kinder und Jugendliche bessere Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe haben. Damit erreichen wir zielgenau diejenigen, die in der Pandemie besonders belastet sind, und gehen gleichzeitig den ersten Schritt hin zur Kindergrundsicherung. Wir fördern die Partnerschaftlichkeit und Selbstbestimmung von Eltern bei der Kinderbetreuung und werden das Elterngeld bedarfsgerecht finanzieren. Im Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ stellen wir noch einmal erhebliche Mittel für Sport- und Freizeitangebote, für Familienerholung und vieles weitere zur Verfügung. Mit der Aufstockung des Programms Demokratie Leben! auf das Rekordniveau von 165 Millionen Euro setzen wir ein Ausrufezeichen hinter zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und gegen Extremismus. Für Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus kommen weitere 7,4 Millionen Euro hinzu. Mit zusätzlichen 4,5 Millionen Euro für die Jugendwerke tragen wir dazu bei, dass junge Leute ihren Horizont erweitern, im Umgang mit Diversität befähigt werden und ihre Mitverantwortung für Frieden, Freiheit und soziale Gerechtigkeit wahrnehmen.“ Wichtige Einzelposten im Haushaltsentwurf für das Bundesfamilienministerium sind:

Mehr Geld für Kinder und Eltern

Der Kinderzuschlag wird ab 1. Juli 2022 durch den neuen Kindersofortzuschlag von 20 Euro pro Kind ergänzt. Dafür sollen zusätzlich 31 Millionen Euro bereitgestellt werden. Für den Kinderzuschlag stehen damit im Regierungsentwurf insgesamt rund 1,37 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Elterngeld ist eine der beliebtesten und erfolgreichsten familienpolitischen Leistungen. Die Inanspruchnahme steigt kontinuierlich – genauso wie die Zahl neugeborener Kinder. Mit 100 Millionen Euro zusätzlich soll das Elterngeld bedarfsgerecht finanziert werden, der Etat steigt damit auf insgesamt 7,73 Milliarden Euro.

Stärkung der Familienpolitik

Für Unterstützungsmaßnahmen zur Einführung der Kindergrundsicherung sowie für die Einrichtung des Nationalen Aktionsplans Neue Chancen für Kinder in Deutschland und des Nationalen Aktionsplans für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sollen 27,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Der Ansatz liegt damit um 2,6 Millionen Euro über der bisherigen Finanzplanung.

Erhöhung des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona“ Für das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ sollen im Jahr 2022 rund 272 Millionen Euro eingesetzt werden. Von den Erhöhungen sollen insbesondere die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (rund 81 Millionen Euro zusätzlich), die Qualifizierungsoffensive (60 Millionen Euro zusätzlich) und die Stiftung Frühe Hilfen (35 Millionen Euro zusätzlich) profitieren. Für zahlreiche weitere Maßnahmen sollen insgesamt rund 96 Millionen Euro bereitgestellt werden.

Starke Demokratie, starke Zivilgesellschaft, Kampf gegen Extremismus Das Programm Demokratie Leben! soll gegenüber 2021 um weitere 15 Millionen Euro aufgestockt werden und damit insgesamt 165,5 Millionen Euro erhalten. Für das Programm „Menschen stärken Menschen“ sind im Haushalt 18 Millionen Euro eingeplant.

Der Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus hat 2020 ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen. Mit zusätzlichen 7,4 Millionen Euro soll unter anderem die politische Jugendarbeit und der Jugendaustausch zwischen Deutschland und Israel weiter ausgebaut werden. Zudem soll das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationszentrum stärker gefördert werden, etwa durch Gelder für den Aufbau eines Rassismusmonitors.

Die Finanzierung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt ist laut dem Regierungsentwurf mit 10 Millionen Euro jährlich dauerhaft gesichert. Das gilt auch für die Bundesstiftung Gleichstellung, die jährlich fünf Millionen Euro erhalten soll. Zusätzlich soll die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt im Jahr 2022 erneut Mittel aus dem Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ erhalten. Damit hätte die Stiftung in diesem Jahr insgesamt 20 Millionen Euro zur Unterstützung von ehrenamtlichem Engagement zur Verfügung.

Ausbau des Internationalen Jugendaustauschs Für die Unterstützung der Jugendwerke sollen gegenüber dem ersten Regierungsentwurf zusätzliche 4,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Für die Jugendwerke sind damit insgesamt rund 25 Millionen Euro eingeplant. Mit diesem Geld kann die Finanzierung des Deutsch-Polnischen und des Deutsch-Französischen Jugendwerks auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr fortgesetzt werden. Darüber hinaus wird eine Anschubfinanzierung für die beiden neu zu gründenden Jugendwerke, das Deutsch-Amerikanische und das Deutsch-Israelische Jugendwerk, ermöglicht.

Für die Organisation und Veranstaltungen während der deutschen G7-Ratspräsidentschaft werden zwei Millionen Euro eingeplant, der größte Teil davon (1,27 Millionen Euro) für den Y7-Jugendgipfel.

Verlässliche Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser Auch im Jahr 2022 soll jedes Mehrgenerationenhaus weiterhin mit 40.000 Euro gefördert werden. Dafür sind im Haushaltsentwurf zusätzliche 5,45 Millionen Euro vorgesehen. Zusätzlich sollen den Mehrgenerationenhäusern insgesamt 6,5 Millionen Euro aus dem Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ zur Verfügung gestellt werden.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 16.03.2022

Die Ampel-Koalition wird ihren eigenen Ansprüchen und vollmundigen Ankündigungen selbst nicht gerecht

Der Bundestag hat am heutigen Freitag den Einzelplan 17 für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beraten. Dazu erklären die frauenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Silvia Breher, und der zuständige Berichterstatter, Hermann-Josef Tebroke:

Silvia Breher: „Die Ampel-Koalition ist mit vollmundigen Ankündigungen für den Bereich Familie, Senioren, Frauen und Jugend in die neue Legislaturperiode gestartet. Mit Blick auf den Einzelplan 17 für das Haushaltsjahr 2022 sind die meisten Vorhaben aber selbst mit der Lupe nicht zu finden. Es fehlen insbesondere die Erweiterung und Reform des Elterngeldes, die Verlängerung des Investitionsprogramms Kinderbetreuungsausbau, das neue Aufholpaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen in der Corona-Zeit sowie der Ausbau und die Verstetigung von Projekten gegen Einsamkeit. Die Bundesregierung wird damit unseren und auch ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht.

Auch im Umgang mit der Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine bleibt die Bundesregierung weiterhin unflexibel, unfähig oder unwillig. Für konkrete Projekte und Unterstützungsleistungen sind im Einzelplan für den Bereich des BMFSFJ keinerlei zusätzlichen Mittel hinterlegt, obwohl diese dringend notwendig wären. Da fragen wir uns als Union, ob der Koalition die Bedeutung und der Umfang der aktuellen Geschehnisse überhaupt bewusst ist.“

Hermann-Josef Tebroke: „Die Förderung von Familien ist eine gesellschaftspolitisch relevante Aufgabe, welche mit finanziellen Anstrengungen verbunden ist. Der Haushalt der Regierungskoalition bildet das nicht ausreichend ab.

Wir als Union sehen die Schwerpunkte nicht bei ideologisch geprägten Vorhaben. Wir möchten dazu beitragen, dass es allen Familien in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen besser geht. Wichtig ist uns, Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für ihre Kinder zu begleiten und zu unterstützen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Belastungen durch die Corona-Pandemie und die Preissteigerungen für Energie und Lebenshaltung halten wir beispielsweise eine Fortsetzung und deutliche Stärkung des Corona-Aufholprogramms und eine Ausweitung des Kindersofortzuschlags auf eine Kindergelderhöhung für alle Familien für dringend geboten.“

Quelle: Pressemitteilung CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 25.03.2022

Der Etat für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend soll laut Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2022 (20/1000) leicht schrumpfen. Im Einzelplan 17 sind Ausgaben von rund 12,6 Milliarden Euro (Soll 2021: 13,2) vorgesehen und damit rund 6,2 Millionen Euro weniger als im vergangenen Jahr. Bundesministerin Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen) kann mit Einnahmen von rund 199 Millionen Euro rechnen (wie 2021). Mit 12,4 Milliarden Euro bilden die Zuweisungen und Zuschüsse das Gros der Ausgaben im Etatentwurfs für ihr Haus (Soll 2021: rund 12 Milliarden Euro). 51,8 Millionen stehen für Investitionen bereit.

Für gesetzliche Leistungen für Familien sind rund 10,7 Milliarden Euro eingeplant (2021: rund 10,4 Milliarden Euro). Ein Schwerpunkt ist hier das Elterngeld, das mit rund 7,7 Milliarden Euro zu Buche schlägt (2021: rund 7,4 Milliarden Euro). Auf das Kindergeld und den Kinderzuschlag entfallen rund 1,7 Milliarden Euro (2021: rund 1,7 Milliarden Euro). Für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind für 2022 wie bereits schon 2021 rund eine Milliarde Euro vorgesehen.

Weniger Geld ist für die Kinder- und Jugendpolitik eingeplant, für die noch rund 984,3 Millionen Euro bereitstehen (2021: rund 1,9 Milliarden Euro). Aufgestockt werden sollen jedoch die Ausgaben zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie, und zwar von 150,5 Millionen Euro auf 183,5 Millionen Euro. Die Zuschüsse und Leistungen für laufende Zwecke an Länder, Träger und Aufgaben der freien Jugendhilfe summieren sich auf rund 267,9 Millionen Euro (2021: 234,53 Millionen Euro). Für Maßnahmen zur Umsetzung der Qualifizierungsoffensive stehen laut Etatentwurf rund 387,3 Millionen statt wie im Vorjahr rund 286,7 Millionen Euro zur Verfügung. Der Rückgang der Ausgaben in diesem Bereich erklärt sich dadurch, dass Zuweisungen in Höhe von jeweils 500 Millionen Euro an das Sondervermögen „Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter“ sowie an das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ für die „Kinderbetreuungsfinanzierung 2020 – 2021“ in diesem Jahr nicht mehr vorgesehen sind.

Rund 567,6 Millionen Euro und damit rund 32,7 Millionen mehr soll Ministerin Spiegel für die Stärkung der Zivilgesellschaft , für Familien-, Gleichstellungs- und Seniorenpolitik ausgeben können (2021: 534,8 Millionen Euro). Davon entfallen rund 356,1 Millionen Euro auf die Stärkung der Zivilgesellschaft (2021: rund 363,8 Millionen Euro). Den größten Einzelposten bilden hier die Zuschüsse zum Bundesfreiwilligendienst, der wie im Jahr zuvor rund 207,2 Millionen Euro erhält.

Die Ausgaben für die Familien-, Gleichstellungs- und Seniorenpolitik sollen von rund 170,5 Millionen im Vorjahr auf rund 210,9 Millionen in 2022 steigen: So sind unter anderem höhere Zuschüsse und Leistungen für laufende Zwecke an Träger und für Aufgaben der Familienpolitik geplant: Diese sollen in diesem Jahr 27,5 Millionen statt 23,3 Millionen Euro erhalten. Auch für „Familienferienzeiten in und nach der Corona-Pandemie“ soll mit 40 Millionen Euro (2021: 10 Millionen) mehr Geld zur Verfügung stehen.

Das unter anderem für den Bundesfreiwilligendienst zuständige Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) in Köln soll als nachgeordnete Behörde des BMFSJ rund 117,2 Millionen Euro (2021: rund 117,1 Millionen Euro) erhalten, die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz 3,6 Millionen (2021: 2,7 Millionen Euro), die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll wie 2021 rund 2,8 Millionen Euro bekommen und der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs rund 1,9 Millionen Euro (2021: rund 1,9 Millionen Euro).

Quelle: Pressemitteilung hib – heute im Bundestag Nr. 128 vom 21.03.2022

Im zweiten Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2022 hat das Bundeskabinett eine Aufstockung der Mittel für das Bundesfamilienministerium beschlossen. Die Mittel werden um 147 Millionen Euro auf nun 12,58 Milliarden Euro erhöht.

“Mehr Geld für Kinder, Familien und starke Zivilgesellschaft?”

„Eine Aufstockung der Mittel für Kinder und Familien ist immer zu begrüßen. Das zeigt, dass Familien stärker in den Fokus der Politik rücken. Eine Aufstockung alleine reicht jedoch nicht, wenn die Strukturen gleichbleiben. Sonst haben wir wieder das Prinzip Gießkanne und die Maßnahmen kommen nicht wirklich bei denjenigen an, die sie brauchen,“ so Chrysovalantou Vangeltziki, Bundesgeschäftsführerin Verband binationaler Familien und Partnerschaften.

Um eine Wirksamkeit zu erreichen, braucht es verstärkt zielgerichtete Angebote und verlässliche Strukturen. Einzelmaßnahmen im Programm „Aufholen“ oder im Förderpaket „Aufleben“ wie Kinderfreizeiten oder Lernförderung in einmaliger oder in Kursform seien gut und wichtig, aber vielfach nicht die passenden Angebote für besonders benachteiligte Gruppen wie migrantische Kinder und Jugendliche in prekären Lebenssituationen. „Da herrscht zum Teil eher Beliebigkeit. Wer soll und wer nimmt an den Maßnahmen teil? Wenn Sie schon mal mit migrantischen Kindern und Jugendlichen zusammengearbeitet haben, wissen Sie, wie schwierig es sein kann, diese zu erreichen.” Es brauche hier Angebote, die Vertrauen aufbauen und Anlaufstellen über einen längeren Zeitraum hinweg sein können. Projekte mit einer Laufzeit von 8 Monaten würden es da schwer haben. „Eine Verlängerung der schon begonnenen Projekte und mehr zielgruppenspezifische Angebote, die Zugänge auch außerhalb schulischer Strukturen ermöglichen“, fordert Vangeltziki.

Ähnlich sehe es im Bereich Demokratieförderung und Bekämpfung von Rechtsextremismus aus. „Zivilgesellschaft stärken heißt hier nicht zuletzt, die Vielfalt der Organisationen wahrzunehmen und in die Bundesprogramme mit einzubinden. Die Stimmen der von Rechtsextremismus und Rassismus betroffenen Gruppen müssen gehört werden”. Das setze voraus, dass es gerade für kleinere Vereine Strukturen der Beteiligung gebe. „Kurzfristige Projekte, die allein bei den großen Trägern angesiedelt sind, verpuffen sonst“, so Vangeltziki.

Mehr Unterstützung für Familien mit wenig Geld

Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften begrüße die Einführung eines Kinder-Sofortzuschlags bis zur Umsetzung der angekündigten Kindergrundsicherung. Ob jedoch 20 € monatlich wirklich Kinderarmut reduzieren können, werde sich zeigen.  „Und erreichen diese Gelder wirklich alle bedürftigen Kinder und Familien? Oder gibt es erneut aufenthaltsrechtliche Ausschlüsse wie z.B. beim Kindergeldbezug?“. Das sei auch bei der angekündigten Kindergrundsicherung zu berücksichtigen „Wir hoffen, dass die Kindergrundsicherung zügig umgesetzt wird. Die geplanten Formen der automatischen, digitalen und einfachen Antragstellung dürfen keine neuen Stolpersteine für Familien werden, die dafür sprachliche, informative oder technische Hürden überwinden müssen. Wir hoffen auch, dass es dann keine migrationspolitischen Ausschlüsse und ausländerrechtliche Diskriminierungen wie bisher bei Kindergeld, Kinderzuschlag oder Elterngeld gibt“.

Quelle: Pressemitteilung Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. vom 21.03.2022

SCHWERPUNKT II: Krieg in der Ukraine

Spiegel: Gruppen müssen zusammenbleiben können

 

Hunderttausende Geflüchtete, vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen, suchen in Deutschland Schutz vor dem Ukraine-Krieg, darunter auch zahlreiche Kinder und Jugendliche aus Waisenhäusern und Kinderheimen mit ihren Betreuerinnen. Das Bundesfamilienministerium richtet eine bundesweite Anlaufstelle zur Unterbringung ukrainischer Waisenkinder ein.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel: „Putins brutaler Angriffskrieg trifft die Zivilbevölkerung, vor allem auch die Kinder in der Ukraine, mit voller Härte. Wo noch vor ein paar Tagen ihr Zuhause war, wo sie zur Schule oder in die Kita gegangen sind, wo sie sich draußen zum Spielen getroffen haben, dort stehen sie heute vor Trümmerhaufen und erleben Bomben, Terror und Tod. Es ist mir ein Herzensanliegen, dass die Menschen aus der Ukraine bei uns Zuflucht finden. Dies gilt gerade auch für die Kinder und Jugendlichen, die ohne Eltern in ukrainischen Waisenhäusern und Kinderheimen aufwachsen. Wir stehen in engem Kontakt mit der ukrainischen Sozialministerin und haben ihr unsere Unterstützung zugesagt. Mir ist sehr wichtig, dass diese Kinder und Jugendlichen, die so viel Leid und Tod erlebt haben, als Gruppe zusammenbleiben können und auch nicht von ihren vertrauten Erzieherinnen getrennt werden. Wir müssen so viel Stabilität wie möglich schaffen. Mein Ministerium unterstützt mit einer Koordinierungsstelle die Länder und Kommunen darin, die Kinder und Jugendlichen mit ihren Betreuungspersonen unterzubringen, zu versorgen und zu betreuen. Wir werden dabei auch besondere Bedarfe wie Behinderungen oder schwere Erkrankungen der Kinder und Jugendlichen berücksichtigen. Wir werden sehr schnell ein Verfahren umsetzen, das sicherstellt, dass die Kinder und Jugendlichen aus ukrainischen Kinderheimen geschützt und geborgen bei uns aufgenommen werden.“

Die Unterbringung und Versorgung geschlossener größerer Gruppen in geeigneten Unterkünften stellt Länder und Kommunen vor besondere Herausforderungen. Die zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle des Bundesfamilienministeriums wird daher permanent im Kontakt mit Ländern und Kommunen stehen, die Aufnahmekapazitäten kontinuierlich abfragen und so über einen aktuellen Überblick über bestehende Unterbringungsmöglichkeiten verfügen. Wird eine Gruppe Heimkinder oder Waisen aus der Ukraine nach Deutschland gebracht, wird sie von der Koordinierungsstelle in eine geeignete, vorbereitete Unterkunft geleitet werden. So sorgt die Stelle dafür, dass die Kinder gleichmäßig auf die Bundesländer verteilt und geschützt und geborgen bei uns aufgenommen werden. Darüber hinaus berät und informiert die Anlauf- und Koordinierungsstelle alle Behörden, Träger, Initiativen und Privatpersonen, die diesen Kindern in Deutschland helfen wollen.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 21.03.2022

Karl Kübel Stiftung bietet hilfreiche Tipps und Hinweise                               

Der Krieg in der Ukraine und die dadurch ausgelösten Fluchtbewegungen machen sich auch in der Kindertagesbetreuung in Deutschland bemerkbar. Wie lassen sich die ankommenden Kinder und Familien bestmöglich begleiten? Wie können wir mit den Ängsten und Sorgen von Kindern umgehen? Soll man mit ihnen über Krieg reden?

Antworten darauf liefert die Übersicht „Über Krieg sprechen? Praxistipps und Handlungshinweise für die Kindertagesbetreuung“. Sie wurde von der Koordinierungsstelle „Kinder mit Fluchthintergrund in der Kindertagesbetreuung“ der Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie herausgegeben und ist auf der Homepage der Stiftung (www.kkstiftung.de) als Download erhältlich.

Die vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration geförderte Koordinierungsstelle bietet darüber hinaus weitere praxisbezogene Materialien zum Thema Vielfalt und Kinderrechte (Vielfalts-Taschen, Kinderkiste) sowie eine Handreichung „Kinder mit Fluchthintergrund in der Kindertagesbetreuung“ an. Weitere Informationen und Downloads finden Interessierte ebenfalls auf Website der Karl Kübel Stiftung.

„Die Koordinierungsstelle ‚Kinder mit Fluchthintergrund in der Kindertagesbetreuung‘ hat sich in den vergangenen Jahren als wichtige Instanz für Kinder und Familien mit Fluchtgeschichte in Hessen etabliert. Sie ist heute wichtiger denn je, um den aktuellen Bedarfen zu entsprechen und vorurteilsbewusste und chancengerechte Strukturen zu fördern“, sagt Dr. Katharina Gerarts, Vorstandsmitglied der Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie.

Um diesen wichtigen Aufgaben auch weiterhin nachkommen zu können, hat die Koordinierungsstelle die Zusage für eine Projektverlängerung bis einschließlich 2025 vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration erhalten.

Quelle: Pressemitteilung Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie vom 21.03.2022

In den umkämpften Gebieten in der Ukraine sind derzeit bis zu 70 000 Kinder, die in Waisenhäusern oder Kinderheimen leben, direkt von Bomben und Raketen bedroht. Schätzungen der SOS-Kinderdörfer gehen von bis zu 100 000 Heimkindern aus, die möglicherweise evakuiert werden müssen. Eine angemessene Beteiligung Deutschlands an ihrer Aufnahme scheitert derzeit am Geld.

Die ukrainischen Behörden lassen evakuierte Heimkinder nur ausreisen, wenn die Erklärung eines deutschen Bürgermeisters oder einer deutschen Bürgermeisterin vorliegt, dass diese Kinder aufgenommen und versorgt werden und dies nach Ankunft auch entsprechend zurückgemeldet wird.

Kinderschutzbund-Präsident Hilgers: „Das Vorgehen der ukrainischen Behörden ist richtig. Die Kinder müssen vor Menschenhandel geschützt werden. Aber: Seit Wochen können Bund und Länder sich nicht auf ein Finanzierungsmodell verständigen. Und so finden sich nur mit Glück und guten Kontakten Kommunen, die Heimkinder aufnehmen. Ich sage das in aller Deutlichkeit: Da warten Kinder im Bombenhagel darauf, dass hier in Deutschland die Bürokratie aus dem Quark kommt. Das ist – bei allem Verständnis für haushalterische und rechtliche Erwägungen – ein ethischer und politischer Skandal.“  

Heinz Hilgers weiter: „Kinder und Jugendliche aus ukrainischen Kinderheimen müssen selbstverständlich auch in Deutschland aufgenommen und in das bestehende System der Kinder- und Jugendhilfe integriert werden. Für die finanziellen Mehrbelastungen müssen Bund und Länder aufkommen. Ich erwarte, dass dieses Verantwortungs-Ping-Pong aufhört und Bund und Länder konstruktiv an einer Lösung arbeiten. Den Kindern in der Ukraine läuft die Zeit davon.“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V. vom 24.03.2022

Der Krieg in der Ukraine ist medial und politisch präsent wie kaum ein anderer in den letzten
Jahrzehnten. Dieser Krieg löst viele Ängste aus, bei allen. Die Bedrohung durch eine atomare Großmacht ist plötzlich zur Realität geworden. In Deutschland und in Europa. In den letzten beiden Wochen seit Beginn des Krieges erreichen den Verband zahlreiche Anrufe und Emails. Fast alle drehen sich um den Krieg und seine Folgen. Versuch einer Zusammenfassung.

Wie sag‘ ich es meinem Kind? Familien und der Krieg in der Ukraine

Viele binationale und migrantische Familien haben Familienangehörige in Kriegsgebieten.
Berichte über Kriegshandlungen und Ängste um Angehörige sind für sie seit langem Teil ihres Alltags. Sie wundern sich, was ist jetzt so anders. Sie haben das Gefühl, dass ihre Sorgen und Nöte nicht im gleichen Maß gesehen wurden und werden. Weder in Kitas, noch in Schulen oder am Arbeitsplatz. Die Familien fragen sich: Wie können sie mit ihren Kindern über diesen Krieg sprechen und erklären, was so anders daran ist als bei der Tante in Afghanistan oder dem Großvater in Syrien?

Angesichts der rassistischen Vorfälle gegenüber Drittstaatsangehörigen an den EU-Grenzen fragen sich migrantische Familien: was würde mit uns passieren, müssten wir aus Deutschland fliehen? Sind wir dann auch Geflüchtete zweiter Klasse? Steht uns im Ernstfall
der gleiche Schutz zu?

Ist Krieg nicht gleich Krieg?

Im Jahr 2001 beschloss der Rat der Europäischen Union die Massenzustrom-Richtlinie. Sie beinhaltet u.a. Mindestnormen für die Gewährung eines  vorübergehenden Schutzes von Vertriebenen und einen Solidaritätsmechanismus, der zum einen die Finanzierung, zum anderen die tatsächliche Aufnahme in den Mitgliedstaaten regeln soll. Die europäischen
Staaten waren sich angesichts des Krieges in der Ukraine schnell einig, diese Richtlinie anzuwenden.

Eine Frage, die sich Geflüchtete aus anderen Ländern stellen: „warum wurde die Massenzustrom-Richtlinie nicht auch 2015 / 2016 in Betracht gezogen?“

Gerade syrische, afghanische oder irakische Familien sind irritiert. Sie mussten aufwändige Asylanträge stellen, wurden in Massenunterkünften untergebracht. Die europäischen Regierungen waren und sind sich nach wie vor uneins über die Aufnahme und die Verteilung dieser Geflüchteten.

Die Meldungen über die Zurückweisungen von Geflüchteten an den Grenzen, die in der Ukraine als Studierende, Arbeitnehmer:innen oder aus  Fluchtgründen lebten und die aus Afrika, Asien oder dem Nahen Osten kommen, geben den Familien darüber hinaus Anlass zur Sorge. Sie fragen sich: „Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Gibt es willkommene Geflüchtete und weniger willkommene? Ungeachtet der Menschenrechte?“

Die Deutsche Bahn bietet in einer PM von Ende Februar Menschen aus der Ukraine kostenlos Bahnfahrten nach Deutschland an. Allerdings nur für Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit. Warum nicht für alle Menschen, die gerade aus der Ukraine fliehen müssen?

Was ist mit uns Russ:innen?

Den Verband erreichen verzweifelte Anrufe von Russ:innen, die sich zurzeit in Deutschland aufhalten, z.B. mit Besuchsvisa oder in Kürze endendem Aufenthaltsrecht. Oder die zur Wehrpflicht herangezogen werden sollen.

„Ich hatte gerade eine junge russische Mutter am Telefon, die sich zu Besuch seit 2 Monaten in Deutschland befindet. Ihr Mann hat ein Visum zur Erwerbstätigkeit. Nach Rücksprache mit der Ausländerbehörde wurde ihr mitgeteilt, dass sie regulär ausreisen muss und das Kriegsgeschehen keine andere Betrachtung rechtfertigt,“ berichtet eine Beraterin.

Durch die Einstellung des Bankenverkehrs, können Angehörige kein Geld mehr nach Russland  überweisen: “Ich weiß nicht mehr was ich machen soll. Meine 86-jährige Mutter lebt alleine in Moskau. Sie braucht für ihren Lebensunterhalt und ihre  Medikamente meine finanzielle Unterstützung. Herholen kann ich sie auch nicht so einfach. Ich bin Deutsche, sie ist Russin.“

Putin hat nicht nur Befürworter:innen im Land. Tausende wurden bereits verhaftet und viele wollen das Land schnell verlassen. Wird für sie auch die Massenzustrom-Richtlinie gelten?
Noch gibt es anscheinend keine entsprechenden Anweisungen durch das Bundesinnenministerium bzw. die Innenministerien der Länder. Es fehlt noch an schnellen Regelungen für den Umgang mit russischen Staatsangehörigen.

Ankommen und was dann?

Schüler:innen aus der Ukraine soll schnellstmöglich ein Schulbesuch ermöglicht werden. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans fordert ukrainischsprachigen Unterricht, damit die Kinder ihre Muttersprache nicht verlieren. Das ist sehr begrüßenswert. Aber nicht, wie er es begründet: damit sie keine Lücken haben, wenn sie wieder zurückkehren. Sprache ist ein wichtiger Teil der Identität, unabhängig vom Aufenthalt in einem Land. Vielleicht ist dies ein Anlass auch andere Sprachen im Bildungssystem stärker zu berücksichtigen: Arabisch, Farsi, Dari und andere. Auch die geflüchteten Kinder mit diesen Muttersprachen wollen ihre Identitäten nicht verlieren.

Gleicher als gleich?

Jeder Krieg ist grausam. Wir müssen uns mit allen Betroffenen von Krieg und Verfolgung solidarisch zeigen. Menschenrechte gelten für alle Menschen.

Deutschland kann zum Glück auf eine gewachsene Struktur der Hilfe bei Fluchtbewegungen zurückgreifen. Seit 2015/2016 gibt es viele neue untereinander vernetzte Organisationen. Es hat sich eine Willkommenskultur gebildet. Sie sollte weiterhin für Alle da sein und von der Politik entsprechend unterstützt werden.

Quelle: Pressemitteilung Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. vom 18.03.2022

SCHWERPUNKT III: Energie-Entlastungspaket

Armutsbetroffene Menschen bedarfsgerecht unterstützen

Der Koalitionsausschuss hat sich vor dem Hintergrund der stark steigenden Kosten für Strom, Lebensmittel, Heizung und Mobilität auf weitere Entlastungsmaßnahmen verständigt. Die AWO begrüßt, dass die Bundesregierung angesichts der aktuellen Lage weitere Vorhaben auf den Weg bringt. Der Verband mahnt aber an, die Maßnahmen stärker zielgerichtet auszurichten und insbesondere armutsbetroffene Menschen bedarfsgerecht zu unterstützen.  

Dazu kommentiert Michael Groß, Präsident des AWO Bundesverbandes: „Menschen in Armut und prekären Lebenslagen geraten durch die aktuellen Preissteigerungen besonders unter Druck. Insofern kommt das Entlastungspaket zur richtigen Zeit. In der Gesamtschau sind einige Maßnahmen zu begrüßen. Dass Leistungsberechtigte der Grundsicherung und Kinder mit einer weiteren Einmalzahlung berücksichtigt werden, ist ein wichtiger Schritt. Der Familienzuschuss muss aber unbedingt bei allen leistungsberechtigten Kindern ankommen und darf nicht bei der Grundsicherung angerechnet werden.“

Andere Instrumente wie die Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe oder die Energiepreispauschale sind aus Sicht der AWO nicht geeignet, um gezielt diejenigen Menschen zu entlasten, die den höchsten Bedarf haben. Bei der Energiepreispauschale fordert der Verband eine nach Einkommen gestaffelte und nach oben gedeckelte Ausgestaltung.  

Groß weiter: „Es kann nicht sein, dass auch wohlhabende Menschen entlastet werden sollen. Die Entlastungen müssen gezielt bei Menschen mit geringen Einkommen und Leistungsberechtigten ankommen. Hier sehen wir bei verschiedenen Maßnahmen noch Diskussionsbedarf und werden die Umsetzung der Vorhaben eng begleiten. Am Ende muss ein sozial und ökologisch tragfähiges Gesamtpaket stehen.“

Quelle: Pressemitteilung AWO Bundesverband e. V. vom 24.03.2022

Die Koalitionsparteien haben sich auf ein zweites Energiekosten-Entlastungspaket geeinigt. Dazu erklärt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

„Die Beschlüsse der Ampel-Koalition sind sozial nicht ausgewogen. Von den gewaltig gestiegenen Energiekosten müssten vor allem die Ärmsten entlastet werden. Denn Einkommensarme sind von jeder Krise besonders betroffen – sie leben am Minimum und haben keine Reserven. Und die Krisen häufen sich: Corona, Inflation, Energiepreise. Jede dieser Krisen stellt bereits für sich eine soziale Notlage für Einkommensarme dar. Mit einer steuerlichen Energiepreispauschale von 300 Euro werden sie nicht erreicht. Denn wer nichts oder nur sehr wenig verdient, zahlt keine Steuern und kann daher auch nicht steuerlich entlastet werden. In die richtige Richtung gehen dagegen die Verdoppelung der Einmalzahlung von 100 Euro an Grundsicherungsbeziehende, die allerdings nicht ausreichend ist, und die Preissenkungen im ÖPNV.

Über akute Entlastungen hinaus braucht es grundsätzlich und perspektivisch ein einfaches und unbürokratisches Instrument, das sozialen Notlagen schnell und wirksam entgegenwirkt. Die Diakonie schlägt deshalb einen Mechanismus vor, der in die Sozialgesetzbücher eingeführt wird und Sozialleistungen krisenfester macht. Danach ist im Fall einer sozialen Notlage vorgesehen, dass Leistungsberechtigte monatlich 100 Euro als Pauschale erhalten, begrenzt auf ein halbes Jahr. Dazu müsste der Bundestag eine soziale Notlage feststellen. Die Unterstützung erhielten Leistungsberechtigte in der Grundsicherung, beim Bezug von Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Wohngeld und Kinderzuschlag sowie im Asylbewerberleistungsgesetz. Damit entfiele die Notwendigkeit, in jeder Krise aufs Neue über eine Notlösung für die Ärmsten zu beraten, die bereits in den Sozialgesetzbüchern geregelt ist.“

Quelle: Pressemitteilung Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. vom 24.03.2022

Die Ampel hat sich angesichts steigender Energiekosten auf ein Entlastungspaket geeinigt. Im Pakt enthalten sind u.a. ein Familienzuschuss in Höhe von 100 Euro, der mit dem Kindergeld ausgezahlt werden soll, eine Energiepreispauschale von 300 Euro für Erwerbstätige und Selbstständige sowie eine Verdopplung der Einmalzahlung von 100 Euro an Empfänger*innen von Sozialleistungen. Hierzu erklärt Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV):

„Wir begrüßen, dass die Ampelregierung Härten angesichts der steigenden Energiepreise abfedern möchte. Diese sind für Familien mit kleinen Einkommen und somit für viele Alleinerziehende ein echtes Problem. Da Energiepreise absehbar dauerhaft hoch sein werden, hätten wir uns jedoch auch längerfristige Antworten gewünscht. Beim Familienzuschuss ist offen, ob wieder die identische Rezeptur wie beim Kinderbonus Anwendung finden soll. Für Alleinerziehende war dieses Rezept jedoch unbekömmlich – als Kindergelderhöhung konnte ein unterhaltszahlender Elternteil den Unterhalt um den halben Bonus kürzen. Für Alleinerziehende hieß das: Volle Mehrbelastung, halber Bonus. Wir dringen darauf, diesen Fehler nicht zu wiederholen. Der Familienzuschuss wird am Lebensmittelpunkt des Kindes gebraucht, in dem Haushalt, in dem die Energiekosten entstehen: Voll bei den Alleinerziehenden! Die Mehrbelastungen durch steigende Fahrtkosten umgangsberechtigter Elternteile können hingegen durch die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro abgefedert werden.“

Der Kinderbonus sollte Mehrbelastungen in der Coronakrise auffangen. 2020 belief er sich auf einmalig 300 Euro, 2021 auf 150 Euro. Da der Kinderbonus als einmalige Erhöhung des Kindesgelds umgesetzt war, hat auch hier die hälftige Aufteilung zwischen getrennten Eltern gegriffen. Der VAMV hat bereits 2020 einen Formulierungsvorschlag vorgelegt, mit dem der Kinderbonus voll bei Alleinerziehenden ankommen kann, ohne das Unterhaltsrecht grundlegend ändern zu müssen.

Quelle: Pressemitteilung Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) vom 28.03.2022

NEUES AUS POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT

30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland

 

Am 5. April ist die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen in Deutschland genau 30 Jahre in Kraft. Angesichts aktueller Herausforderungen wie dem Krieg in der Ukraine und der Bewältigung der Corona-Pandemie ist die Durchsetzung der Rechte von Kindern heute wichtiger denn je. Dazu gehört auch die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel: „Seit dem Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention vor 30 Jahren hat sich die Situation von Kindern in Deutschland spürbar verbessert. Wir erleben aber auch, dass es kein Automatismus ist, die Belange von Kindern zu berücksichtigen. Das haben wir bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie gesehen, von denen Kinder massiv betroffen waren. Auch angesichts des Kriegs in der Ukraine stehen die Kinderrechte und das Kindeswohl wieder im besonderen Fokus. Wir wollen die Kinder und Jugendlichen, die mit oder ohne ihre Eltern oder Bezugspersonen auf der Flucht vor dem Krieg bei uns Schutz suchen, sicher und geborgen aufnehmen und alles tun, damit sie hier gut ankommen. Sie haben das Recht auf Schutz, Förderung und Beteiligung. Die aktuellen Herausforderungen zeigen einmal mehr: Kinderrechte brauchen mehr Aufmerksamkeit und müssen gestärkt werden. Das Kindeswohl muss bei allen staatlichen Handlungen und Entscheidungen, die Kinder betreffen, im Mittelpunkt stehen. Es ist Zeit, die Kinderrechte endlich im Grundgesetz zu verankern.“ Am 20. November 1989 wurde das internationale Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) verabschiedet. Deutschland ist einer von 196 Vertragsstaaten. In Deutschland ist die UN-Kinderrechtskonvention seit dem Jahr 2010 verbindlich und gilt als Bundesgesetz.

Seit 30 Jahren gibt es Bestrebungen in der Politik, aber auch aus der Zivilgesellschaft, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2018 sind 88 Prozent der Eltern in Deutschland für eine Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampelkoalition ausdrücklich zur Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz bekannt und einen Gesetzentwurf angekündigt, der sich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention orientiert.

Quelle für die Umfrage: Mauss Research, Repräsentative Elternbefragung für die neues handeln GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, September 2018

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 04.04.2022

Stiftungsrat konstituiert sich und beruft Stiftungsbeirat.

Am 4. April 2022 hat sich der Stiftungsrat der Bundesstiftung Gleichstellung konstituiert. Vorsitzende des Stiftungsrats ist Bundesgleichstellungsministerin Anne Spiegel. Dem Stiftungsrat der 2021 gegründeten Stiftung gehören neun Mitglieder des Deutschen Bundestags an.

Bundesgleichstellungsministerin Anne Spiegel: „Mit der Bundesstiftung Gleichstellung wollen wir die Gleichstellung als Grundprinzip unserer demokratischen Gesellschaft voranbringen. Gemeinsam wollen wir dafür eintreten, dass jeder Mensch unabhängig von seinem Geschlecht sein Leben frei gestalten und seine Potenziale entfalten kann. Dazu wollen wir die Bundesstiftung Gleichstellung im Jahr 2022 als starke Einrichtung etablieren. Die Bundesstiftung soll aufzeigen, wo es noch mehr Gleichstellung braucht, und dafür Lösungen entwickeln. Sie soll ein lebendiger Treffpunkt für alle sein, die sich für mehr Gleichstellung in Deutschland einsetzen. Denn Gleichstellung braucht viele Veränderungen, die von allen gemeinsam erkämpft werden müssen.“ Die Mitglieder im Stiftungsrat sind:

Für die Fraktion der SPD

Mitglied: Josephine Ortleb, Stellvertretung: Ariane Fäscher

Mitglied: Leni Breymaier, Stellvertretung: Felix Döring

Mitglied: Sönke Rix, Stellvertretung: Yasmin Fahimi Für die Fraktion von Bündnis90/DIE GRÜNEN

Mitglied: Ulle Schauws, Stellvertretung: Denise Loop

Mitglied: Filiz Polat, Stellvertretung: Schahina Gambir Für die Fraktion der FDP

Mitglied: Nicole Bauer, Stellvertretung: Gyde Jensen Für die Fraktion der CDU/CSU

Mitglied: Silvia Breher, Stellvertretung: Mechthild Heil

Mitglied: Dr. Katja Leickert, Stellvertretung: Gero Storjohann

Mitglied: Ralph Edelhäußer, Stellvertretung: Paul Lehrieder

Motivierter Start für tatsächliche Gleichstellung

Der Stiftungsrat berief in seiner konstituierenden Sitzung auch den Stiftungsbeirat. Er besteht aus Vertreterinnen und Vertretern der Länder, der Kommunen, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft. Der für drei Jahre berufene Beirat berät den Stiftungsrat und das Direktorium der Bundesstiftung Gleichstellung bei der inhaltlichen Arbeitsplanung und bei der Qualitätssicherung der Stiftungsarbeit.

Das Direktorium der Stiftung stellte in der konstituierenden Sitzung seinen Entwurf für das Arbeitsprogramm 2022 mit dem Titel „Aufbruch ins Jahrzehnt der Gleichstellung – die Bundesstiftung Gleichstellung nimmt ihre Arbeit auf!“ vor. Dazu erklärte Lisi Maier, Direktorin der Bundesstiftung: „Mit der Sitzung ist ein motivierter Start auf dem Weg zur tatsächlichen Gleichstellung gelungen.“ Dr. Arn Sauer, Direktor der Bundesstiftung, ergänzte: „Wir wollen außerdem ein offenes Haus der Gleichstellung aufbauen, das seine Türen weit aufmacht.“ Gleichstellungstag soll Vernetzung voranbringen Im Jahr 2022 sollen die Schwerpunkte der Stiftungsarbeit auf den organisatorischen und inhaltlichen Aufbauprozessen liegen. Es gilt, die Bundesstiftung, ihre Themen und Angebote öffentlich bekannt und sichtbar zu machen. Beispielsweise ist mit einem sogenannten Gleichstellungstag die Etablierung eines neuen Vernetzungsformats vorgesehen, der als Fachtag jährlich zusammen mit Verbänden, Wirtschaft, Wissenschaft, Bund, Ländern und Kommunen stattfinden soll.

Mehr Informationen zur Bundesstiftung Gleichstellung finden Sie hier: www.bundesstiftung-gleichstellung.de.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 04.04.2022

Kerstin Claus ist neue Missbrauchsbeauftragte

Die Journalistin Kerstin Claus wurde heute zur Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) berufen. Mit Kerstin Claus wird das Amt ab dem 1. April für die nächsten fünf Jahre neu besetzt.
Die Unabhängige Beauftragte ist im Auftrag der Bundesregierung verantwortlich für die Anliegen von Betroffenen und eine Stelle für alle, die sexualisierter Gewalt und Ausbeutung an Kindern und Jugendlichen entschieden entgegentreten.

Anne Spiegel, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „Mit Kerstin Claus haben wir eine hervorragend qualifizierte Frau für diese wichtige Aufgabe gewinnen können. Ich bin überzeugt, dass sie wichtige neue Impulse setzen wird und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihr.
Gemeinsam werden wir viel erreichen: in der Ampel-Koalition haben wir uns vorgenommen, das Amt auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen und die wichtige Arbeit der Aufarbeitungskommission fortzuführen. Außerdem werden wir in diesem Jahr eine  bundesweite Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne starten. Mit der Unabhängigen Beauftragten Claus an der Seite werden wir die Arbeit des Nationalen Rats gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen vorantreiben. Meine Ziele sind klar: Kein Kind soll sexualisierte Gewalt erleben müssen. Prävention sowie Hilfen und Aufarbeitung müssen gestärkt werden.“

Zu ihrer Ernennung erklärt Kerstin Claus: „Ich freue mich sehr, dass mir die Bundesregierung das Vertrauen ausspricht und mich zur neuen Unabhängigen Beauftragten berufen hat. Sexualisierte Gewalt ist überall in Deutschland tagtägliche Realität für viele Kinder und Jugendliche, oftmals mit lebenslangen Auswirkungen. Wir brauchen starke Netzwerke, um Kinder und Jugendliche zu schützen und verlässliche Hilfen über die gesamte Lebensspanne. Hierfür möchte ich insbesondere mit den Ländern und Kommunen in eine starke Zusammenarbeit treten. Kinder können nur vor Ort geschützt werden. Flächendeckende Schutzkonzepte in Schulen und Vereinen sind deshalb ebenso wichtige Bausteine gegen Missbrauch wie verbindliche Standards in der Qualifizierung von Fachkräften und die Sensibilisierung der Gesellschaft. Kinder zu schützen, Taten aufzudecken und Betroffene gut zu begleiten, kann nur gelingen, wenn wir alle dazu beitragen und die Hilfestrukturen flächendeckend zur Verfügung stehen. Ich werde deshalb verstärkt den Dialog vor Ort suchen und freue mich auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Bundes- und Landesebene.

In der Beratung habe ich immer wieder gemerkt, wie sehr Prozesse sich verändern, wenn es gelungen ist, in Entscheidungen die Expertise und das Erfahrungswissen von uns Betroffenen einzubringen. Deswegen werde ich mich für die stärkere Einbindung der Perspektiven Betroffener und ihre grundlegende Beteiligung in den Ländern einsetzen und diese auch auf Bundesebene weiter ausbauen.“

Der Betroffenenrat begrüßt die Berufung seines Mitglieds Kerstin Claus zur Unabhängigen  Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauch:
„Dass mit Kerstin Claus erstmals eine Betroffene Unabhängige Beauftragte wird, ist für uns die konsequente Fortführung eines herausfordernden Amtes. Wir alle kennen Kerstin Claus als  leidenschaftliche Mitstreiterin – immer parteiisch für die Bedürfnisse und Belange von Betroffenen. Im Betroffenenrat werden wir sie vermissen. Aber mit dieser Entscheidung werden die jahrelange Arbeit von Betroffenen sowie ihre vielfältigen Kompetenzen noch sichtbarer. Wir wünschen Kerstin alles Gute und vor allem viel Kraft im neuen Amt.
Wir werden weiter gemeinsam nicht schweigen.“

Über Kerstin Claus Kerstin Claus, geboren 1969 in München, ist Journalistin und systemische Beraterin und seit 2015 in der Politik- und Strategieberatung im Themenbereich sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche tätig. Claus ist als Unabhängige Beauftragte nicht weisungsgebunden. Organisatorisch, personell und finanziell erfolgt die Anbindung beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Der Arbeitsstab des bisherigen Unabhängigen Beauftragten Rörig bleibt der neuen Unabhängigen Beauftragten zugeordnet.

Über das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM)

Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs ist das Amt der Bundesregierung für die Anliegen von Betroffenen und deren
Angehörigen, für Expertinnen und Experten aus Praxis und Wissenschaft sowie für alle Menschen in Politik und Gesellschaft, die sich gegen sexuelle Gewalt engagieren.

Zu den wesentlichen Aufgaben der Unabhängigen Beauftragten gehören:

  1. Information, Sensibilisierung und Aufklärung zu Themen der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche,
  2. Unterstützung der nachhaltigen Verbesserung des Schutzes vor sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und der Hilfen für betroffene Menschen,
  3. Identifizierung gesetzlicher Handlungsbedarfe und Forschungslücken im Themenfeld sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche,
  4. Wahrnehmung der Belange von Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt erlitten haben,
  5. Sicherstellung einer systematischen und unabhängigen Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland.

Beim Amt der Unabhängigen Beauftragten ist dauerhaft ein ehrenamtlich tätiger Betroffenenrat eingerichtet, der die UBSKM und ihr Team berät. So wird eine strukturierte und kontinuierliche Beteiligung von Betroffenen auf Bundesebene gewährleistet. Seine Mitglieder werden für die Dauer von fünf Jahren durch die Bundesfamilienministerin berufen und tragen die Anliegen von Betroffenen in den politischen Diskurs und in die Öffentlichkeit.

Weitere Informationen zur Ernennung der Unabhängigen Beauftragten unter www.beauftragte-missbrauch.de

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 30.03.2022

Bundeskabinett beschließt Formulierungshilfe für Gesetzentwurf des Bundestags zur Änderung des AGG

Das Bundeskabinett hat heute die von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel vorgelegte Formulierungshilfe für einen aus der Mitte des Bundestags einzubringenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) beschlossen. Damit soll der Weg frei gemacht werden, um die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) künftig durch den Bundestag wählen zu lassen.

Der Parlamentarische Staatssekretär im BMFSFJ, Sven Lehmann:

„Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes spielt eine entscheidende Rolle für unsere offene Gesellschaft und bei der Bekämpfung von Diskriminierung. Ich freue mich, dass mit dem heutigen Kabinettsbeschluss die Weichen für eine schnelle Neubesetzung der seit 2018 unbesetzten Leitung der ADS gestellt sind. Durch eine demokratische Wahl im Bundestag wird die Unabhängigkeit der ADS gestärkt. Wie wichtig eine generelle Stärkung der ADS ist, zeigt sich auch im aktuellen Bericht der ADS und der zuständigen Beauftragten an den Deutschen Bundestag. Für viele Menschen in Deutschland sind Diskriminierungserfahrungen aus rassistischen Gründen oder wegen des Geschlechts, der sexuellen Identität, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung oder des Alters immer noch bittere Realität und schmerzlicher Alltag. Die Zahlen der Beratungsanfragen bei der ADS und der gemeldeten Diskriminierungsfälle erreichten im Berichtszeitraum einen Höchststand. Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag auch vereinbart, die Antidiskriminierungsstelle angemessen mit Personal und Budget auszustatten und ihre Kompetenzen zu stärken. Mit der ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbarten weitreichenden Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes wollen wir weitere Schritte hin zu einem umfassenden Diskriminierungsschutz gehen, indem wir Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten. Ich freue mich, wenn der Deutsche Bundestag nun zügig den Gesetzentwurf behandelt, so dass die Wahl der neuen Leitung zeitnah erfolgen kann.“ Kabinettsbeschluss greift Koalitionsvertrag auf Mit dem Kabinettsbeschluss wird die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, die die Unabhängigkeit der ADS sicherstellen soll. Dafür soll künftig die Leitung der ADS auf Vorschlag der Bundesregierung als Unabhängige*r Bundesbeauftragte*r für Antidiskriminierung durch den Bundestag für die Dauer von fünf Jahren gewählt und durch den Bundespräsidenten berufen werden. Durch die Formulierungshilfe soll eine rechtssichere Besetzung der seit 2018 unbesetzten Leitung der ADS sichergestellt und eine zeitnahe Besetzung ermöglicht werden. Die Formulierungshilfe greift entsprechende Empfehlungen seitens der Wissenschaft und der Verbände sowie von europäischen und internationalen Gremien auf, wie zuletzt etwa von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) im März 2020.

Hintergrund zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes:

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) wurde entsprechend dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und in Umsetzung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien als nationale Gleichbehandlungsstelle der Bundesrepublik Deutschland beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend errichtet.

Sie berät von Diskriminierung betroffene Menschen, betreibt Öffentlichkeitsarbeit, führt wissenschaftliche Untersuchungen zu Diskriminierungen durch und gibt Empfehlungen zu deren Vermeidung.

Grundlage der Arbeit ist das AGG, das vor allem im Berufsleben und bei Geschäften des täglichen Lebens Anwendung findet, wie zum Beispiel beim Einkaufen oder bei der Wohnungssuche. Das AGG schützt vor Benachteiligungen aus rassistischen Gründen, wegen des Alters, einer Behinderung, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung und der sexuellen Identität.

2020 sind die Beratungsanfragen an die ADS um 78 Prozent gestiegen. Von 2017 bis 2020 verzeichnete die ADS insgesamt 16.415 Beratungsanfragen, die sich auf ein durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschütztes Merkmal beziehen (Alter, Behinderung, Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion/Weltanschauung, sexuelle Identität). 3.757 Anfragen betrafen andere Merkmale (sozialer Status, Gesundheit, Familienstand, Aufenthaltsstatus und andere).

Weitere Informationen unter: https://www.antidiskriminierungsstelle.de.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 30.03.2022

Interministerielle Arbeitsgruppe Kindergrundsicherung wird eingerichtet

Die Bundesregierung startet mit der Einrichtung einer Interministeriellen Arbeitsgruppe Kindergrundsicherung (IMA) die Neuausrichtung der Familienförderung. Am Dienstag, den 29. März, findet im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) dazu die konstituierende Sitzung der IMA statt.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel: „Wir wollen mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen und konzentrieren uns auf die, die am meisten Unterstützung brauchen. Wir wollen mehr Kinder aus der offenen und verdeckten Armut holen. Je sicherer die finanzielle Situation von Familien ist, desto sorgenfreier können Kinder aufwachsen. Die Kindergrundsicherung soll möglichst ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihre Chancen grundlegend verbessern.

Für die Kindergrundsicherung wird ein Teil der 150 familienpolitischen Leistungen gebündelt, die heute noch in unterschiedlichen Ministerien beheimatet sind. Das ist ein komplexes Vorhaben. Unter anderem müssen wir Schnittstellen zu anderen Leistungen wie dem neuen Bürgergeld oder dem BAföG so gestalten, dass die Leistungen gut ineinandergreifen. Mit der Interministeriellen Arbeitsgruppe Kindergrundsicherung schaffen wir ein Instrument, dass es uns ermöglicht, dieses ambitionierte Vorhaben gemeinsam in der Ampelkoalition umzusetzen. Mein Ministerium wird darüber hinaus die Verbände und die Zivilgesellschaft in einem begleitenden Austausch in die Entwicklung der Kindergrundsicherung einbeziehen.“ Sechs Ministerien arbeiten zusammen In der IMA wirken das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das Bundesministerium der Justiz (BMJ), das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) unter Federführung des BMFSFJ mit. Zum Auftakttreffen mit Vertreterinnen und Vertretern der sechs Bundesministerien wird der Fokus auch auf den hohen Stellenwert der finanziellen Absicherung von Kindern und Jugendlichen gerichtet. Ziel der ersten ressortübergreifenden Sitzung ist eine gemeinsame Auftakterklärung.

Bündelung familienpolitischer Leistungen Für die Kindergrundsicherung soll die finanzielle Unterstützung für Kinder neugestaltet werden. In der Kindergrundsicherung sollen das Kindergeld für alle Familien, Leistungen nach dem SGB II und SGB XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets sowie der Kinderzuschlag für Familien mit kleinen Einkommen in einer Leistung gebündelt werden. Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendliche gleich hoch ist, und einem gestaffelten Zusatzbetrag, der vom Einkommen der Eltern abhängt. Geplant ist, dass die IMA Kindergrundsicherung bis Ende 2023 in 5 thematischen Arbeitsgruppen ein Konzept für eine Kindergrundsicherung erarbeitet. Auf dem Weg dorthin sind Beteiligungen und Austausch mit Ländern, Verbänden, Vereinen und Stiftungen geplant.

Quelle: Pressemitteilung Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 28.03.2022

Die Kinderkommission teilt mit:

Kinder und Jugendliche sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft und bedürfen des besonderen Schutzes und der Unterstützung. Aufgabe der Kinderkommission des Deutschen Bundestages ist es, dafür Sorge zu tragen, dass die Interessen und Anliegen der Kinder und Jugendlichen in der parlamentarischen Arbeit ausreichend berücksichtigt werden. Als Anwältin der Kinder und Jugendlichen ist die Kinderkommission auch Ansprechpartnerin für Verbände und Organisationen sowie Eltern und Kinder. 

Mit der Konstituierung als Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 24. März 2022 kann die Kinderkommission ihre Arbeit aufnehmen. Der Deutsche Bundestag bringt damit auch in der 20. Wahlperiode 
zum Ausdruck, wie wichtig eine fraktionsübergreifende Kinder- und Jugendpolitik ist. 

Die neue Kinderkommission setzt sich wie folgt zusammen: Abgeordnete Sarah Lahrkamp (SPD), Abgeordneter Paul Lehrieder (CDU/CSU), Abgeordnete Emilia Fester (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Abgeordneter Matthias Seestern-Pauly (FDP), Abgeordneter Gereon Bollmann (AFD) und Abgeordnete Heidi Reichinnek (DIE LINKE.).

Entsprechend der Fraktionsstärke ist im Vorsitzturnus die Abgeordnete Lahrkamp die erste Vorsitzende der Kinderkommission. Sie erklärt zur Konstituierung: „Ich freue mich, dass heute die Kinderkommission des 20. Deutschen Bundestages ihre Arbeit aufnehmen kann. Die Kinderkommission ist seit 1988 ein fester Bestandteil des Parlaments und damit Ausdruck der besonderen Verantwortung, die die Politik für Kinder und Jugendliche hat.“

„Wir werden fraktionsübergreifend auch weiterhin die Rechte, Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen ins Zentrum unserer Arbeit stellen. Die Vertreterinnen und Vertreter der sechs Fraktionen werden dazu ihre Themen einbringen, so dass wir verschiedensten Fragen nachgehen werden, die dem Schutz, der Förderung und der Beteiligung von Kindern in Deutschland dienen.“ 

„Mir liegt während meines Vorsitzes vor allem am Herzen, dass wir erstens über parteipolitische Positionen hinweg das Wohl der Kinder und Jugendlichen im Blick behalten und zweitens die Kinderrechte auch leben, was im Falle der Kinderkommission auch bedeutet, dass wir Kinder und Jugendliche beteiligen, dass wir mit ihnen statt über sie reden, dass wir ihnen zuhören und ihre Worte berücksichtigen. Kinder sind die besten Vertreter ihrer eigenen Interessen.“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Bundestag vom 24.03.2022

Mietpreiskontrollen reduzieren kurzfristig ökonomische Ungleichheit – Vor allem GeringverdienerInnen profitieren, weil sie einen größeren Anteil ihres Einkommens für Miete ausgeben – Vermögende verlieren überproportional Einnahmen aus Vermietung – Mietpreisregulierung ist in der Regel aber mit Wohlstandsverlusten und anderen unerwünschten Nebeneffekten wie geringerem Mietangebot verbunden

Die Regulierung von Mietpreisen kann ökonomische Ungleichheit kurzfristig reduzieren. Das zeigt eine Studie der Abteilung Makroökonomie am DIW Berlin. Mietpreiskontrollen mindern die Ungleichheit der Einkommen und wirken dämpfend auf das Verhältnis von Vermögen und Nationaleinkommen, das als Indikator für Ungleichheit gilt. Für die Studie untersuchten die Autoren zunächst die Verteilung der Mietbelastung und Mieteinnahmen nach Einkommensgruppen auf Basis der Daten der Luxemburger Einkommensstudie (LIS). In einem zweiten Schritt wurde die Entwicklung von Ungleichheit und Mietpreisregulierung in 16 OECD-Ländern im Zeitraum seit 1900 statistisch analysiert. Bisherige Studien zu Mietpreisregulierungen hatten hervorgehoben, dass sie zwar die Mieten senken, aber häufig mit Wohlstandsverlusten und anderen unerwünschten Effekten wie geringerem Wohnungsangebot und sinkender Wohnqualität verbunden sind. Unerforscht blieb hingegen bisher, welchen Einfluss Mietpreiskontrollen auf ökonomische Ungleichheit ausüben.

Mietbelastung zwischen Arm und Reich ungleich verteilt

Die Studie zeigt, dass es historisch seit 1900 einen Zusammenhang zwischen Mietpreiskontrollen und sinkender Ungleichheit gibt. So sank die Einkommensungleichheit in den untersuchten Ländern nach der Einführung von Mietpreiskontrollen in der Nachkriegszeit auf ein historisches Tief, stieg aber stark an, als der Mietmarkt seit den 1970er Jahren schrittweise dereguliert wurde. „Der Rückgang der Ungleichheit in der unmittelbaren Nachkriegszeit ist nicht allein auf Mietpreiskontrollen zurückzuführen“, erklärt DIW-Forscher Konstantin A. Kholodilin. „Vielmehr waren Mietpreiskontrollen Teil eines solidarischen Gesamtpakets, zu dem auch progressive Steuern und Sozialleistungen gehörten.“ Die Forschungsergebnisse zeigten aber, dass die Frage der Mietpreisregulierungen in der Ungleichheitsdebatte bisher nicht genug beachtet wurde.

„Entscheidend dafür, dass Mietpreiskontrollen die ökonomische Ungleichheit senken, ist die Verteilung von Mieteinnahmen und Mietausgaben“, ergänzt Co-Autor Sebastian Kohl von der Freien Universität Berlin. „Ärmere Haushalte geben relativ einen größeren Teil ihres Einkommens für die Miete aus, während reichere Haushalte relativ größere Einnahmen aus Vermietung haben.“ Begrenzt der Gesetzgeber das Wachstum der Mieten, profitierten daher vor allem die Einkommensschwachen, während die reichsten Haushalte weniger Einnahmen aus Vermietung erzielen. Es sind allerdings relativ strikte Mietpreiskontrollen notwendig, damit ein spürbarer Effekt erzielt werden kann. Zudem senken die Mietpreisregulierungen die Ungleichheit nur kurzfristig, weil Markteilnehmer Wege finden, sie zu umgehen, etwa indem sie Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln.

Mehr Gleichheit, aber weniger Angebot und Mobilität

Die Wirkung von Mietpreisregulierung wird durch eine Reihe von unerwünschten Nebeneffekten eingeschränkt: So mindert sie den Anreiz, neue Wohnungen zu bauen und alte zu renovieren, so dass mittelfristig das Angebot von Wohnungen auf dem Mietmarkt sinkt. Auch senkt sie die Mobilität und erschwert so NeumieterInnen, eine Wohnung zu finden. Die ungleichheitssenkenden Effekte sind zudem begrenzt: „Die Mietgesetzgebung kann nicht die Ungleichheiten, die durch Arbeitseinkommen entstanden sind, nachträglich kompensieren“, gibt Kholodilin zu bedenken. Eingriffe in den Mietmarkt könnten aber ein Instrument sein, um wohnungsspezifische Ungleichheiten zu reduzieren.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)  vom 23.03.2022

INFOS AUS ANDEREN VERBÄNDEN

Der Deutsche Familienverband betrachtet die ersten 100 Tage Familienpolitik der neuen Bundesregierung als ernüchternd.

„Für die ersten 100 Tage einer neuen Regierung gilt normalerweise eine Schonfrist, aus familienpolitischer Sicht ist es allerdings sehr lahm angelaufen“, sagt Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes (DFV). „Die Ampel hat sehr viel versprochen, setzt aber bisher zu wenig um. Es ist eigentlich kaum möglich, die ersten drei Regierungsmonate in der Familienpolitik zu bewerten, weil schlicht und einfach kaum etwas auf den Weg gebracht worden ist.“

Der Deutsche Familienverband kritisiert, dass bis heute nicht einmal die Vorhabenplanung des Bundesfamilienministeriums veröffentlicht wurde. Selbst unter Mitgliedern des Familienausschusses des Bundestages ist das auf erhebliche Kritik gestoßen.

Energie

Bei der Bekämpfung der Kinder- und Familienarmut in Deutschland ist nach Auffassung des Deutschen Familienverbandes die Kraftanstrengung bisher mangelhaft. Es ist davon auszugehen, dass der durchschnittliche Jahresverdienst von 41.500 Euro (2021) auf 38.900 Euro fallen wird. Die Inflation, die bereits vor der Ukraine-Krise bei 4,9 % lag, liegt mittlerweile über 5 % und die Energiepreise erreichen Rekordhöhen. „Der Krieg in der Ukraine wird die Situation weiter verschärfen mit dramatischen Auswirkungen für die Familien. Deshalb muss die Regierung Familien jetzt in den Blick nehmen und zeigen, wie sie sie stützten will“, so Zeh.

Laut dem Verbandspräsidenten ist die Grundversorgung mit Energie für viele Familien ein Luxusgut geworden. Wenn Familien nicht mehr in der Lage sind, Heizöl einzukaufen und zu Hause frieren, dann habe der Staat dafür zu sorgen, dass die Steuern auf Energieprodukte gesenkt werden. „Es wird längst Zeit, sich mit der Frage zu beschäftigen, warum Verbraucher Spitzensteuern von bis zu 50 % auf Energie bezahlen müssen“, so Zeh. „Die CO2-Bepreisung wird die Lage zum Jahresanfang 2023 sogar noch deutlich verschärfen. Hier ist dringender Reformbedarf angeraten, sonst droht beim Thema Energie eine drastische soziale Unwucht.“

Kinder-Sofortzuschlag

Den Gesetzesentwurf zur Einführung des Kinder-Sofortzuschlages hält der Deutsche Familienverband für ungenügend. „20 Euro monatlich je Kind wird keine einzige Familie aus der Armutsfalle holen. Es reicht nicht einmal als ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Sofortzuschlag ist ein familienpolitisches Desaster, welcher weit unter den Forderungen der Familien- und Sozialverbände liegt“, sagt der Verbandspräsident.

Elterngeld

„Beim Elterngeld sieht man keinen politischen Willen, das Elterngeld zu erhöhen, obwohl das längst geboten wäre“, sagt Zeh. Seit Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 wurde der Basisbetrag von 300 Euro nicht verändert. Die fehlende Anpassung des Elterngeldes an die familiären Realitäten führt dazu, dass Mütter, die mehrere Kinder bekommen, finanziell abgestraft werden. Deutlicher wird der Handlungsbedarf, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass der Vorläufer des Elterngeldes – das Erziehungsgehalt – im Jahr 1986 bereits 600 DM betragen hat. Der Kaufkraftverlust beträgt seitdem bis heute etwa 50 Prozent.

Steuern und Abgaben

Der Horizontale Vergleich des Deutschen Familienverbandes zeigt, dass Familien nach Abzug von Steuern und Abgaben und zzgl. Kindergeld bereits ab dem zweiten Kind unter das steuerliche Existenzminimum rutschen. Die Einführung eines Kinderfreibetrages in der gesetzlichen Sozialversicherung ist nicht auf dem familienpolitischen Schirm der Bundesregierung. Stattdessen haben Familien weitere Belastungen in der Sozialversicherung zu befürchten. Für die Pflegeversicherung kündigt der Ampel-Vertrag bereits Beitragserhöhungen an, auch in der Renten- und Krankenversicherung ist mit steigendem Ausgabendruck zu rechnen. Das lehnt der Deutsche Familienverband ab. Familien werden abermals in Mithaftung für eine demografische Entwicklung genommen, für die sie am wenigsten etwas können.

Bauen und Wohnen

Der Deutsche Familienverband begrüßt die Absicht von Bundesbauministerin Klara Geywitz, ein Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen auf den Weg zu bringen. „Wohnen und Bauen muss bezahlbar sein. uch in den Innenstädten“, sagt Zeh. „Neben der Reform der Grunderwerbsteuer braucht es eine Bauoffensive und eine kluge Eigenheimförderung für junge Familien. Die Wohnsituation entscheidet wesentlich darüber mit, wie sich die Kinder entwickeln und ob das Familienleben gelingt. Auch ob Menschen den Mut finden, sich für mehrere Kinder zu entscheiden, hängt nicht zuletzt vom Wohnen ab.“

Familie und Corona

Die Corona-Pandemie ist weiterhin eine große Belastungsprobe für Familien, insbesondere die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Schule. Der Deutsche Familienverband sieht es als positiv an, dass das Aktionsprogramm des Bundesfamilienministeriums namens „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ im Jahr 2022 mit 272 Millionen Euro ausgestattet wird. Das ist eine sinnvolle Hilfe, um Lernrückstände zu beseitigen.

Weitere Informationen

Horizontaler Vergleich 2021 (PDF)

Familienpolitische Analyse des Koalitionsvertrages von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (PDF)

Bezahlbares und familiengerechtes Wohnen (PDF)

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Familienverband e.V. vom 18.03.2022

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert anlässlich des heutigen 30-jährigen Jubiläums des Inkrafttretens der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland eine umfassende Neugestaltung der Kinder- und Jugendpolitik mit dem Ziel, die Kinderrechte stärker in den Fokus zu nehmen. Gerade bei der Bekämpfung der Kinderarmut, dem Schutz vor Gewalt sowie in Fragen der gesellschaftlichen Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen werden Kinderrechte in Deutschland vielfach missachtet. Zur Stärkung der Beteiligung wäre aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes beispielsweise die Einführung eines Verbandsklagerechts für Jugendverbände und Kinderrechtsorganisationen denkbar, um diese gegenüber den Kommunen einfordern zu können.

 

Das Deutsche Kinderhilfswerk plädiert deshalb nachdrücklich für die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz. Diese sind ein unverzichtbarer Baustein, um kindgerechte Lebensverhältnisse und bessere Entwicklungschancen für alle Kinder zu schaffen, ihre Rechtsposition deutlich zu stärken und Kinder an den sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen. „Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an sie betreffenden Entscheidungen muss endlich zu einer Selbstverständlichkeit werden. Deshalb sollten verbindliche Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen systematisch ausgebaut und strukturell verankert werden. Kinder und Jugendliche werden durch frühe Beteiligungserfahrungen in ihren sozialen Kompetenzen gefördert, gleichzeitig leistet frühe Beteiligung von Kindern einen fundamentalen Beitrag zur langfristigen Stärkung unserer Demokratie. Dafür ist auch die Einführung eines Verbandsklagerechts für Jugendverbände und Kinderrechtsorganisationen ein wichtiger Schritt, um die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gegenüber den Kommunen einfordern zu können, denn die Beteiligung vor Ort ist für die Herstellung eines Lebensweltbezugs für Kinder und Jugendliche unabdingbar“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

 

„Aktuelle repräsentative Umfragen zeigen mehr als deutlich, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland hinter unserer Forderung nach Kinderrechten im Grundgesetz steht. Eine grundgesetzliche Verankerung gemäß den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts würde der Beachtung und Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland einen großen Schub verleihen. So hätte diese neben einer Signalwirkung auch unmittelbare Auswirkung auf die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, da Politik, Gerichte und Verwaltung die Kinderrechte in einem deutlich stärkeren Maße als bisher berücksichtigen würden“, so Krüger weiter.

 

„Die Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland muss im Bundeshaushalt deutlich stärker priorisiert werden. Referenz bei allen Maßnahmen und Programmen muss ein gutes Aufwachsen aller Kinder sein. Nur so wird armen Kindern das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben möglich. Hier appellieren wir an die Bundesregierung, zügig eine interministerielle Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland auf den Weg zu bringen. Ziel muss dabei neben der Einführung einer Kindergrundsicherung, die ihren Namen verdient, auch die Umsetzung der EU-Kindergarantie und damit eine gute infrastrukturelle Ausstattung im Lebensumfeld von Kindern sein“, sagt Thomas Krüger.

 

„Und auch der Schutz von Kindern vor Gewalt gehört verstärkt in den Blickpunkt. Gerade hier ist die gesamte Gesellschaft gefordert, niemand darf beim Kinderschutz wegschauen. Kinder müssen umfassend in ihrer körperlichen und psychischen Integrität geschützt werden, vor allem durch eine gewaltfreie Erziehung. Es braucht aber auch in anderen Bereichen wie dem Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt außerhalb ihrer Familien verbesserte Schutzmaßnahmen, und schließlich eine nachhaltig funktionsfähige Kinder- und Jugendhilfe, die hier Anlauf- und Hilfestelle für Kinder sein muss“, so Krüger abschließend.

 

Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, kurz UN-Kinderrechtskonvention, wurde am 20. November 1989 von der UN-Generalversammlung angenommen und trat am 02. September 1990 in Kraft. Der Deutsche Bundestag hat der Konvention mit Gesetz vom 17. Februar 1992 zugestimmt. Nach der Ratifikation am 06. März 1992 ist die UN-Kinderrechtskonvention am 05. April 1992 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 05.04.2022

Eine im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes erstellte Expertise spricht sich für die Etablierung von Ombudspersonen bzw. Beauftragten für Kinderrechte auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene aus. Als Ausgangspunkt dient eine vergleichende Untersuchung von Ombudspersonen und vergleichbaren Stellen auf europäischer Ebene. Aufgaben der teilweise neu zu schaffenden Stellen wären neben der Bekanntmachung der Kinderrechte vor allem die Interessenvertretung von Kindern in Politik und Gesellschaft, das Monitoring der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, die Förderung der Beteiligung und Partizipation von Kindern sowie die Bearbeitung von Beschwerden von Einzelnen und Gruppen.

Die Expertise stellt zudem fest, dass eine einzelne Beauftragtenstelle, beispielsweise auf der Bundesebene, diese unterschiedlichen notwendigen Aufgaben nicht befriedigend umsetzen könne. Vielmehr müsse ein Netzwerk von Beauftragten auf kommunaler, Länder- und Bundesebene entwickelt werden, die miteinander kooperieren, sich inhaltlich abstimmen und eine gemeinsame Strategie zur Förderung der Kinderrechte entwickeln und umsetzen. Ausgangspunkt der Expertise ist eine vergleichende Untersuchung von Ombudspersonen und vergleichbaren Stellen auf europäischer Ebene.

„Die Studie weist eindrucksvoll den Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten für ein Netz an Beauftragten für Kinderrechte nach. Die zu bearbeitenden Aufgabenfelder sind klar definiert und umreißen den Auftrag an die Politik auf allen Ebenen tätig zu werden und entsprechende Stellen einzurichten“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes. „Für uns als Kinderrechtsorganisation steht die Umsetzung der Kinderrechte und der sich damit verbindenden Aufgaben im Zentrum. Dabei können die auf den unterschiedlichen politischen Ebenen angesiedelten Beauftragten hinsichtlich ihrer Aktivitäten sinnvolle Schwerpunkte setzen: Einzelfallarbeit beispielsweise wäre auf der kommunalen Ebene zu verorten, während die Landes- und Bundesebene die Gesetzgebung begleiten würde“, so Hofmann weiter.

„Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes sollten Ombudsstellen auf der Landesebene den Informationsfluss unter den Kommunen, Good-practice-Erfahrungen und Wissen sicherstellen, gemeinsame Positionierungen erarbeiten und dessen Transfer gewährleisten. Ähnliches gilt für eine entsprechende Stelle auf Bundesebene, für die unterschiedliche Konstruktionen denkbar wären, etwa analog dem Unabhängigen Beauftragten gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern, unter Einbeziehung der Kinderkommission des Deutschen Bundestages oder mit Verantwortung bei Servicestellen zivilgesellschaftlicher Träger“, sagt Holger Hofmann.

Die Untersuchung für das Deutsche Kinderhilfswerk kommt weiterhin zu dem Ergebnis, dass Ombudspersonen oder Beauftragte nicht nur eine symbolische Funktion erfüllen, sondern ihre Aktivitäten substanziell umzusetzen seien. Dafür wären eine gesetzliche Absicherung der Stelle, ihrer Aufgaben und des Verfahrens zur Berufung erforderlich. Zudem sei auf inhaltliche Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit sowie eine hinreichende personelle und finanzielle Ausstattung zu achten. Sowohl bei der Ausgestaltung als auch an der Strategieentwicklung seien Kinder und Jugendliche zu beteiligen. Denn der oder die Beauftragte verfüge nicht qua Amt über die „richtige“ Einschätzung der Kinder- und Jugendinteressen, befinde sich aber in der Position, die erforderlichen Perspektiven zusammenzubringen und diese an die richtigen Stellen in Politik und Verwaltung zu adressieren.

Die Erstellung der Expertise „Ombudspersonen und vergleichbare Stellen im europäischen Vergleich – ein Ausblick für Deutschland“ durch Prof. Dr. Ulrike Urban-Stahl von der Freien Universität Berlin und Dr. Thomas Meysen vom SOCLES International Centre for Socio-Legal Studies erfolgte im Rahmen eines Projekts der Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes. Die Koordinierungsstelle Kinderrechte begleitet die Umsetzung der Europaratsstrategie für die Rechte des Kindes und die EU-Kinderrechtsstrategie. Sie wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Die Expertise kann unter https://dkhw.de/studie-ombudsstellen heruntergeladen werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 29.03.2022

Ein breites Bündnis von 32 Organisationen und Verbänden warnt vor einer Senkung der Schutzstandards für Kinder und Jugendliche in digitalen Medien durch das geplante EU-Gesetz über Digitale Dienste. In einem Offenen Brief an Bundesdigitalminister Volker Wissing und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprechen sich die Organisationen für weitgehende Änderungen des geplanten Gesetzes in den derzeit stattfindenden Trilog-Verhandlungen der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments sowie dem Europäischen Rat aus. Denn die derzeit im Trilog verhandelte Fassung des Gesetzes birgt die Gefahr, dass das im letzten Jahr modernisierte und novellierte deutsche Jugendschutzgesetz in wesentlichen Kernelementen des digitalen Kinder- und Jugendschutzes in Frage gestellt werden kann. Das Schreiben haben u.a. das Deutsche Kinderhilfswerk, die Amadeo Antonio Stiftung, die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, der Deutsche Caritasverband, die Diakonie Deutschland, der Kinderschutzbund und SOS Kinderdorf unterzeichnet.

Aus Sicht der Organisationen und Verbände stellt das deutsche Jugendschutzgesetz den derzeit besten erreichbaren Standard des Jugendschutzes in den digitalen Medien dar und sollte deshalb als Mindeststandard des Gesetzes über Digitale Dienste gelten. Alternativ sollte das Gesetz zumindest klarstellen, dass einem einzelnen Mitgliedstaat nicht verboten wird, nationale Gesetze oder Anforderungen zu erlassen, die über die Regulierungen des Gesetzes über Digitale Dienste in Bezug auf den Schutz der Rechte von Kindern, einschließlich des Rechts auf Schutz vor kriminellen Handlungen, hinausgehen.

„Die grundsätzliche Zielstellung des EU-Gesetzes über Digitale Dienste, illegale Inhalte und Angebote im digitalen Raum zu unterbinden, findet unsere volle Unterstützung. Aber es darf nicht sein, dass Kinder und Jugendliche mit ihren besonderen Interessen und Bedarfen nur unzureichend berücksichtigt und Erwachsenen gleichgestellt werden. Entsprechend dem Kindeswohlvorrang muss es auf nationaler Ebene möglich bleiben, weitere und weitergehende Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Einklang mit dem europäischen und internationalen Recht zu ergreifen. Die Europäische Union darf das in der UN-Kinderrechtskonvention normierte Kindeswohl nicht untergraben. Wir appellieren daher an Bundesdigitalminister Volker Wissing und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dafür zu sorgen, dass der größtmögliche Schutz für Kinder und junge Menschen im digitalen Raum gewährleistet wird“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Wesentliches Element des deutschen Jugendschutzgesetzes ist die allgemeine Verpflichtung der Diensteanbieter, strukturelle Vorkehrungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in ihren Diensten zu treffen. Dazu können Melde- und Abhilfeverfahren, die Begrenzung von Nutzungsrisiken durch sichere Voreinstellungen oder eine bessere Begleitung der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen durch ihre Eltern gehören. Das geplante EU-Gesetz über Digitale Dienste verpflichtet jedoch nur „sehr große Online-Plattformen“ mit mindestens 45 Millionen Nutzenden pro Monat zur Umsetzung entsprechender Schutzmaßnahmen. Da in der Europäischen Union derzeit 82 Millionen Minderjährige leben, würden zahlreiche Plattformen, die spezielle Dienste für Kinder und Jugendliche anbieten, wie Spieleplattformen, Audio-Streaming-Plattformen und soziale Netzwerke, nicht mehr in den Anwendungsbereich dieser Maßnahmen fallen.

Den Offenen Brief an Bundesdigitalminister Volker Wissing und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sowie alle unterzeichnenden Organisationen und Verbände finden Sie unter https://netzwerk-kinderrechte.de/2022/03/23/offener-brief-kinderrechte-und-das-gesetz-ueber-digitale-dienste/.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V. vom 23.03.2022

Derzeit wird auf EU-Ebene der Digital Services Act verhandelt. So richtig eine EU-weit getroffene Vereinbarung zur Regulierung digitaler Angebote ist: Den Kindeswohlvorrang hat der derzeitige Gesetzentwurf nicht im Blick. Noch mehr: Der in Deutschland geltende Jugendmedienschutz könnte in Teilen sogar ausgehebelt werden. Wir fordern daher sowohl die Aufnahme des Kindeswohlvorrangs in den Gesetzestext als auch eine Öffnungsklausel, die nationale und höhere Jugendschutzstandards möglich macht.

Den offenen Brief finden Sie hier als PDF zum Download

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V. vom 23.03.2022

eaf betont Relevanz der Demokratieförderung in der Familie

Der Grundstein für Demokratie wird in der Familie gelegt: Familien sind die ersten Orte, in denen Kinder Aushandlungsprozesse und Beteiligung erfahren können, zum Beispiel indem sie früh in Entscheidungen eingebunden und am Familienalltag beteiligt werden. Darauf weist die eaf in ihrer Stellungnahme zu einem Diskussionspapier für ein Demokratiefördergesetz hin, das aktuell gemeinsam von Familienministerium (BMFSFJ) und Innenministerium (BMI) vorgelegt wurde. Ziel des geplanten Demokratiefördergesetzes ist es, eine verlässliche rechtliche Grundlage für die Bundesförderung auf den Weg zu bringen und Adressaten und Voraussetzungen für eine Förderung festzuschreiben.

„Die Familienbildung erreicht als einziger Bildungsbereich Familien altersunabhängig und in allen Lebenslagen“, erklärt Dr. Martin Bujard, Präsident der eaf. „Bereits bestehende Arbeitsfelder wie die Familienbildung, die Familienberatung und die Familienerholung mit ihren fachlich be­währten Strukturen sollten deshalb im Demokratiefördergesetz ausdrücklich als Adressaten der Förderung benannt werden.“

Mit ihren niedrigschwelligen und bedarfsorientierten Angeboten unterstützen Familienbildungs­einrichtungen Familien darin, ihre Erziehungs-, Bildungs- und Sozialisationsaufgaben best­möglich wahrzunehmen. „Wege aufzuzeigen, wie ein respektvolles Miteinander von Kindern und Eltern gelingen kann, wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können, wie Entscheidungen gemeinsam getroffen, Kompromisse ausgehandelt und die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt werden können, das zu vermitteln, ist der gesetzliche Auftrag der Familienbildung“, führt Bujard aus.

Aus Sicht der eaf ist es deshalb außerordentlich wichtig, die wertvolle primärpräventive Arbeit der Familienbildung durch eine langfristige und nachhaltige Förderung abzusichern, denn, so Bujard weiter: „Demokratieförderung und die Entwicklung entsprechender Haltungen bedürfen eines „langen Atems“, der durch kurzfristige Projekte „nach Kassenlage“ kaum gewährleistet werden kann.“

Quelle: Pressemitteilung evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) vom 22.03.2022

Seit Längerem diskutiert die Fachwelt über eine Reform des Unterhaltsrechts mit Blick auf ein Residenzmodell mit erweitertem Umgang und das paritätische Wechselmodell. Gleichzeitig beginnen Diskussionen, ob Leistungen für Alleinerziehende zwischen „getrennt erziehenden“ Eltern aufgeteilt werden sollten. Bei diesen Überlegungen zu Unterhalt und staatlichen Leistungen sieht der VAMV die Gefahr, dass es zu Konstruktionsfehlern zu Lasten der Existenzsicherung der Kinder kommt, wenn Aspekte wie erhöhte Kosten dieser Modelle oder ein zumeist unterschiedliches Startkapital von Eltern nach einer Trennung im toten Winkel bleiben. Der VAMV hat ein 3-Stufen-Modell entwickelt, um daraus für unterschiedliche Betreuungsmodelle angemessene Folgen auf den Kindesunterhalt und für staatliche Leistungen abzuleiten.

„Nur wenn die Bedarfe des Kindes in beiden Haushalten anerkannt, berücksichtigt und gedeckt werden, trägt dies zu einer Reduzierung von Konflikten um unterschiedliche Betreuungsmodelle bei. Dies schafft die notwendige Voraussetzung, damit bei der Verständigung auf ein Betreuungsmodell tatsächlich das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen kann“, so Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV). In seinem Grundsatzpapier „Existenzsicherung Kinder getrennter Eltern“ macht der VAMV konkrete Vorschläge für Reformen im Sozial-, Steuer- und Unterhaltsrecht. „Wir hoffen, damit gute Impulse für eine faire Reform des Unterhaltsrechts wie auch für das Ausgestalten einer künftigen Kindergrundsicherung zu geben“, betont Jaspers.

Nach dem Grundsatz „Solidarität nach Trennung“ müssen für eine faire Aufteilung von Unterhaltslasten im Lebensverlauf entstandene familienbedingte Nachteile beider Eltern am Arbeitsmarkt einbezogen werden – denn diese sind mit eingeschränkten Möglichkeiten verbunden, den Kindesunterhalt tatsächlich erwirtschaften zu können. „Zudem entstehen abhängig vom gewählten Umgangsmodell Mehrkosten, die sowohl im Unterhaltsrecht als auch im Sozialrecht als Teil des grundlegenden Bedarfs von Trennungskindern anerkannt werden müssen. Geschieht dies nicht, kann bei sozialrechtlichen Leistungen das Ergebnis nur eine Mangelverwaltung zwischen getrennten Eltern zu Lasten der Existenzsicherung ihres Kindes sein. Auch im Unterhaltsrecht wäre das Kind sonst nicht in beiden Haushalten gut versorgt. Wir haben konkrete Vorschläge bis hin zu einem Rechenmodell für den Kindesunterhalt entwickelt, welche der tatsächlichen Lastenverteilung getrennter Eltern sowie dem Absichern der Kinder in beiden Haushalten Rechnung tragen“, erläutert Jaspers.

Das Grundsatzpapier „Existenzsicherung Kinder getrennter Eltern. Reformbedarfe im Sozial-, Steuer- und Unterhaltsrecht“ finden Sie hier.

Quelle: Pressemitteilung Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V. (VAMV) vom 05.04.2022

Eine neue Studie des Soziologen Dr. Wolfgang Hammer zeigt, dass es an Familiengerichten und in Jugendämtern zunehmend Verfahren gibt, in denen nicht das Wohl des Kindes bestimmend ist, sondern ideologisch motivierte Narrative zu Entscheidungen führen, die das Wohl von Kindern gefährden. In Urteilsbegründungen höchstrichterlicher Rechtsprechung sowie in Akten zu bundesweit hunderten Inobhutnahmen von Kindern alleinerziehender Mütter wegen einer vermeintlich zu engen-Mutter-Kind-Bindung ist Hammer auf Erzählungen gestoßen, wie Mütter würden Kinder entfremden oder Gewalt und Missbrauch nur erfinden, um den Umgang zu verhindern. Solche Narrative entziehen sich einer fachlichen und rechtlichen Begründbarkeit, sind aber die Grundlage für Entscheidungen, die fatale Folgen für Kinder und Mütter haben können. 

Die Studie sowie Pressemitteilung und Faktenblatt finden Sie unter https://www.familienrecht-in-deutschland.de.

Quelle: Pressemitteilung Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V. (VAMV) vom 04.04.2022

WEITERE INFORMATIONEN

Die Kindertagesbetreuung hat einen umfassenden Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag und trägt wesentlich dazu bei, die Herstellung von Chancengerechtigkeit für alle Kinder sowie die Vereinbarkeit von Familienleben, Care- und Erwerbsarbeit zu ermöglichen und zu unterstützen. Die hohe Bedeutung der Kindertagesbetreuung zeigt sich auch darin, dass sie ein stark wachsender und dynamischer Teilarbeitsmarkt ist.

Aktuelle Forschungsergebnisse belegen, dass das Arbeitsfeld der Kindertageseinrichtung auch für junge Menschen attraktiv ist. Neben der grundsätzlichen Attraktivität der Arbeit mit Kindern sind inzwischen Zugewinne an Einkommen zu verzeichnen, und der Anteil der Befristungen von Arbeitsverhältnissen ist gesunken. Bund, Länder, Kommunen und Träger von Kindertageseinrichtungen haben in der Vergangenheit viele Maßnahmen für die Erhaltung und Steigerung der Attraktivität des Arbeitsfeldes Kindertageseinrichtung ergriffen. Dennoch verlässt etwa ein Viertel der ausgebildeten Fachkräfte innerhalb der ersten drei bis fünf Berufsjahre die Kindertageseinrichtungen wieder. Das gilt insbesondere für (akademisch qualifizierte) Kindheitspädagoginnen/Kindheitspädagogen und männliche Fachkräfte. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass ein Teil von ihnen in dem die Kindertageseinrichtungen rahmenden System der Kindertagesbetreuung verbleibt, allerdings gibt es hierzu bislang noch keine validen Daten.

Vollständige Empfehlung/Stellungnahme vom 23.03.2022 [PDF, 300 KB]

Das UBSKM-Team hat mit dem Betroffenenrat ein neues Serviceangebot für Medien erstellt: Kostenfreie, nicht skandalisierende Stockfotos, Tipps für die Berichterstattung und weitere Tools für eine betroffenensensible Berichterstattung zu sexuellem Missbrauch.

Anlässlich des Relaunchs der neuen UBSSKM-Site hat das Amt des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) heute gemeinsam mit dem Betroffenenrat beim UBSKM und dem Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch neue Tools für eine betroffenensensible Berichterstattung vorgestellt. Betroffenenrat und Beraterinnen des Hilfe-Telefons Sexueller Missbrauch hatten intensiv an der Erstellung des Servicepakets mitgewirkt, das ab heute Medienvertreter:innen auf der UBSKM-Site kostenfrei zur Verfügung steht. Hierzu gehören:

  • Stockfotos zur freien Nutzung
  • Tipps für Medien für eine betroffenensensible Berichterstattung
  • Tipps für Betroffene im Umgang mit Medien
  • Kurztexte und Logos zum Verweis auf Hilfeangebote in den Medien

Zudem stellten der Betroffenenrat und das Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch Ansprechpersonen vor, die den Medien für Interviews und Hintergrundgespräche zur Verfügung stehen.

Neue Bilder gegen falsche Mythen und skandalisierende Darstellungen

Wie das Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in den Medien bildlich dargestellt wird, beeinflusst den gesellschaftlichen Blick auf Betroffene, Täter und Täterinnen. Die Bildsprache zu sexuellem Kindesmissbrauch reproduziert aber immer noch viele falsche Mythen und ist oft skandalisierend, schockierend und furchteinflößend. Die Bilder männlicher Schattenrisse hinter Spielplatzschaukeln beispielsweise bedienen gleich zwei Stereotype, die nicht stimmen: Die meisten Kinder werden nicht von Fremdtätern missbraucht, sondern von Menschen aus ihrem sozialen Umfeld (meist der Familie), und nicht nur Männer, sondern auch Frauen können Kinder missbrauchen. Bestimmte Motive können bei Betroffenen außerdem Erinnerungen an traumatische Erlebnisse hervorrufen (Trigger). Es liegt daher auch in der Verantwortung von Medienmacher:innen und Bildagenturen, Fotos zu nutzen oder zur Verfügung zu stellen, die eine emotionale Reaktion ermöglichen, ohne zu verstören oder Stereotype zu bedienen. Das UBSKM-Team hat deshalb einen Grundstock an Fotos anfertigen lassen, mit denen Berichterstattung bebildert werden kann, ohne Klischees zu bedienen. Die neuen Stockfotos sollen dazu beitragen, eine sachlich angemessene Bildsprache zum Thema sexueller Kindesmissbrauch zu wählen.

Angela Marquardt, Mitglied im Betroffenenrat: „Betroffenensensible Berichterstattung spiegelt sich auch in der Bildsprache wieder. Die Fotos von Teddys am Straßenrand oder verwaisten Schaukeln auf Spielplätzen waren schon immer fehl am Platze, denn Missbrauch findet nicht „irgendwo“ an fremden Orten statt – sondern meist in den alltäglichen Lebenswelten der Kinder und durch Menschen, die ihnen besonders nahestehen. Gerade die Entwicklung der Fotoangebote im Bilderpool war uns eine Herzensangelegenheit und wir hoffen auf eine breite Verwendung.“

Betroffene nicht auf ihre „Opfer“-Geschichte reduzieren

Sexuelle Gewalt – egal in welcher Form – ist ein einschneidendes Erlebnis für Betroffene. Dadurch ergibt sich für Medien eine besondere Verantwortung zur sensiblen Berichterstattung. Das bedeutet nicht nur ein einfühlsames Vorgehen während des Interviews, auch die Vor- und Nachbereitung kann in solchen Fällen intensiver ausfallen. Schon bei der Kontaktaufnahme im Vorfeld des Interviews ist ein würdevoller und betroffenensensibler Umgang von großer Bedeutung. Viele Betroffene lehnen es beispielsweise ab, als „Opfer“ bezeichnet zu werden. Wichtig ist auch, Betroffenen in Interviews so viel Entscheidungsspielraum wie möglich zu geben, damit sie nicht erneut in eine ohnmächtige Haltung gedrängt werden. Auch die Art und Weise, wie Gewalttaten beschrieben werden, sollte gut überlegt sein. Im Zusammenhang mit sexueller Gewalt von „Sex“ zu schreiben oder zu sprechen ist beispielsweise problematisch. Auch Details eines Missbrauchs zu beschreiben, kann retraumatisierend für Betroffene sein – und schlimmstenfalls sogar Täter oder Täterinnen stimulieren.

Nicolas Haaf, Mitglied im Betroffenenrat: „Wer über seine persönliche Geschichte und die erlittene sexualisierte Gewalt öffentlich spricht, darf ein einfühlsames Vorgehen und grundlegendes Wissen zum Thema von Medienvertreter:innen erwarten. Die Aufklärung über diese alltäglichen Verbrechen darf nicht auf Kosten der Betroffenen gehen. Aus diesem Grund war es dem Betroffenenrat ein wichtiges Anliegen, in die vorliegenden Tipps seine eigenen Erfahrungen mit einfließen zu lassen.“

Hilfeangebote bei der Berichterstattung benennen, damit alle Unterstützung finden können

Oft suchen Betroffene oder Menschen aus dem Umfeld von Kindern nach Berichten zum Thema vermehrt nach Hilfe- und Unterstützungsangeboten. Es sollte deshalb bei der Berichterstattung über sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen (vergleichbar der Berichterstattung zu Suizid oder Depression) auf die bundesweiten Hilfeangebote hingewiesen werden, zum Beispiel in Form eines Hinweis-Textes oder Abbinders oder durch das Einbinden/Einblenden der Logos des Hilfe-Portals Sexueller Missbrauchs www.hilfe-portal-missbrauch.de oder des kostenfreien Hilfe-Telefons Sexueller Missbrauch 0800 – 22 55 530.

Silke Noack, Leiterin Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch: „Wenn Medien über sexuellen Kindesmissbrauch berichten, sollten sie immer auf bestehende Hilfeangebote hinweisen. Bei uns rufen viele Menschen an, die durch Berichterstattungen an die eigene Geschichte erinnert werden und Unterstützung brauchen. Und es melden sich Menschen, die eine Vermutung oder einen Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch haben und sich durch Berichte trauen, Hilfe zu suchen. Wenn man nicht weiß, wohin man sich wenden kann, bleibt man mit diesem Gefühl alleine zurück und Kindern wird nicht geholfen. Da haben Medien eine wirklich wichtige Rolle im Hilfesystem.“

Das Deutsche Kinderhilfswerk plädiert nachdrücklich für eine vollständige Umsetzung der in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Kinderrechte. Um die Kinderrechte umzusetzen und ihre Potenziale besser als bisher auszuschöpfen, braucht es aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes flächendeckend in allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen und Ebenen, Wissen über die Bedeutung und Reichweite der Kinderrechte. Nur so können diese vollumfänglich etabliert werden und Anwendung finden. Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz ist dazu eine wesentliche Voraussetzung.

An diese Forderungen knüpft der Sammelband „Kinderrechte: Von Kommune bis EU“ an, den das Deutsche Kinderhilfswerk heute veröffentlicht hat. Er verdeutlicht einerseits die Bedeutung der Kinderrechte und skizziert andererseits die positiven Folgen ihrer Absicherung sowohl für das einzelne Kind als auch für die Gesellschaft.

„Wie ein roter Faden zieht sich ein zentrales Anliegen durch die Beiträge der Autorinnen und Autoren: die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz. Denn eine grundgesetzliche Verankerung gemäß den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts würde der Beachtung und Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland den benötigten Schub geben. So hätte die Verankerung neben einer Signalwirkung auch unmittelbare Auswirkung auf die Umsetzung der Kinderrechte, da Politik, Gerichte und Verwaltung diese in einem deutlich stärkeren Maße als bisher berücksichtigen würden. Gerade vor dem Hintergrund, dass das Vorhaben nicht in der letzten Legislaturperiode verwirklicht werden konnte, verstehen wir den Sammelband in Gänze als eine Argumentationsgrundlage und einen Appell an die neue Bundesregierung, die Kinderrechte entsprechend den Grundprinzipen der UN-Kinderrechtskonvention ins Grundgesetz aufzunehmen“, betont Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Die Beiträge des Sammelbandes behandeln beispielsweise die partizipative Praxis und Beteiligung in Kindertageseinrichtungen ebenso wie die Frage der Vermittlung von Kinderrechten in kindlichen Bildungsprozessen. Außerdem geht es um die Bedeutung flächendeckender kommunaler Beteiligungsstrukturen. Daneben werden Erfolgsfaktoren für die Entwicklung einer kommunalen Beteiligungslandschaft am Beispiel Schleswig-Holstein beleuchtet. Und auch die Umsetzung der Kinderrechte in familiengerichtlichen Verfahren, die Frage der Kinderrechte im digitalen Raum sowie die EU-Kinderrechtsstrategie und ihre Bedeutung für die EU und für Deutschland sind Thema des Sammelbandes.

Die Erstellung des Sammelbandes erfolgte im Rahmen eines Projekts der Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes. Die Koordinierungsstelle Kinderrechte begleitet die Umsetzung der Europaratsstrategie für die Rechte des Kindes und die EU-Kinderrechtsstrategie. Sie wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Der Sammelband „Kinderrechte: Von Kommune bis EU“ kann unter https://dkhw.de/sammelband-kinderrechte heruntergeladen werden.